PDF Katalog - Koller Auktionen
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Möbel & Antiquitäten | Möbel, Uhren, Tapisserien, Bronzen<br />
1135*<br />
PRUNK-PENDULE MIT BOULLE-MARKETERIE und Sockel,<br />
Régence, das Gehäuse von A.C. BOULLE (André Charles Boulle, 1642-<br />
1732), die Entwurfszeichnung des Sockels von G.M. OPPENORDT<br />
(Gilles Marie Oppenordt, 1672-1742), die Front und das Werk sign.<br />
THURET A PARIS (Jacques III Thuret, 1669-1738), um 1720/25.<br />
Matt- und glanzvergoldete Bronze und ebonisiertes Holz, eingelegt mit<br />
braunem Schildpatt und Messing. Stark geschweiftes, teils durchbrochenes<br />
Uhrgehäuse mit Aufsatz in Form des auf Kissen sitzenden Jupiters und<br />
Volutenfüssen, auf grossem, eingezogenem Sockel mit Frauenportrait in<br />
Medaillon. Reliefiertes, vergoldetes Zifferblatt mit gravierten arabischen<br />
Minutenzahlen und 13 Emailplaketten, 12 mit blauen römischen Stundenzahlen.<br />
2 gebläute Zeiger. Das Uhrglas mit Emailkartusche für die blaue<br />
Signatur. Feines Werk mit 1/2-Stundenschlag auf Glocke. Reiche vergoldete<br />
Beschläge und Applikationen in Form von Maskaron, Löwenköpfen,<br />
Rosetten, Voluten, Palmetten und Blättern. Etwas zu restaurieren. Email<br />
mit feinen Haarrissen und kleiner Bestossung. Marketerie mit Fehlstellen.<br />
Restaurationen. 38x17x108 cm.<br />
Provenienz:<br />
- Sammlung des Duc X., Frankreich.<br />
- Auktion Sotheby’s Paris, 18.6.2002 (<strong>Katalog</strong>nr. 35).<br />
- Aus einer europäischen Privatsammlung.<br />
Hochbedeutende Pendule von bestechender Qualität, mit Gutachten von<br />
J.D. Augarde, Paris 2012.<br />
Das Modell dieser Pendule wurde 2009 von Jean Néréé Ronfort als „création<br />
originale“ von A.C. Boulle identifiziert (in: André Charles Boulle,<br />
1642-1732, Un nouveau style pour l’Europe, Paris 2009; S. 220). Die Pendule<br />
ist Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem berühmten Ebenisten<br />
von Louis XIV und G.M. Oppenordt. Die Entwurfszeichnung des<br />
kon solenförmigem Sockels befindet sich im Kabinett der Zeichnungen in<br />
der Ermitage in St. Petersburg und ist abgebildet in: V. Shevchenko, Draw<br />
ings by Gilles Marie Oppenordt in the Collection of the Hermitage, St.<br />
Petersburg 2006; S. 23. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit<br />
entstand sie um 1720. In einem Gemälde von J.A. Supan (heute im Reichen<br />
Zimmer der Münchner Residenz), welches die Kurfürstin Therese<br />
Kunigunde von Bayern darstellt, erkennt man die modellogleiche Pendule<br />
auf einem Tisch, jedoch ohne Sockel. Es ist davon auszugehen, dass Kurfürst<br />
Max Emanuel sie in Paris erworben hat.<br />
Wie J.N. Ronfort anhand der Medaillers von J.R. de Cotte (siehe hierzu<br />
ibid.; S. 240-243) eindrücklich belegen konnte, blieb A.C. Boulle auch<br />
aktiv, als seine Söhne die Werkstatt übernommen hatten. Das Modell der<br />
hier angebotenen Pendule ist das erste mit ganz in Bronze gefertigter<br />
Front und seitlicher Schildpattmarketerie. Diese Idee stammte ursprünglich<br />
von C. Cressent und wurde, nachdem A.C. Boulle neue Formen hierzu<br />
entwickelt hatte, später von J.J. de Saint-Germain übernommen. Die<br />
ersten Pendulen dieses Typus tragen alle die Uhrmachersignatur von J. III<br />
Thuret. Von diesem Modell sind nur wenige identische Exemplare<br />
bekannt. Eines wurde bei Mercier/Velliet/Thullier/Issalay in Lille am<br />
24.4.1988 (<strong>Katalog</strong>nr. 5) verkauft. Ein weiteres wurde in der Vente Collection<br />
Kraemer am 2.6.1913 (<strong>Katalog</strong>nr. 308) verkauft. Beide Cartelle besassen<br />
ein von J. III Thuret signiertes Werk. Ein drittes, identisches Modell<br />
befindet sich in der Frick Collection in New York, stammt aus der Sammlung<br />
Dalva Brothers und besitzt ein von François Rabby signiertes Werk.<br />
Im englischen Kunsthandel wurde in den 1980er Jahren ein gleiches<br />
Modell ohne Konsole angeboten, das Werk ebenfalls signiert von J. III<br />
Thuret. 3 weitere Cartelle (mit Signaturen der Uhrmacher Mynuel und<br />
Mornand) befinden sich in Schloss Fasanerie bei Fulda, in der Eremitage<br />
in St. Petersburg und im Musée des Arts Décoratifs in Paris.<br />
Die hier angebotene Pendule weist verschiedene Motive auf, welche der<br />
von A.C. Boulle gefertigten Pendule für den Kurfürsten Johann Wilhelm<br />
von der Pfalz fertigte (siehe hierzu ibid.; S. 220f.) anzutreffen sind: die<br />
seitlichen Löwenköpfe und das Blattwerk unterhalb des Kranzes. Die<br />
„tigettes fleuronnées“, der weibliche Maskaron und die Jupiterfigur sind<br />
für das Werk von Boulle charakteristisch (siehe hierzu J.D. Augarde, Les<br />
ouvriers du temps, Genf 1996; S. 22, Nr. 8)<br />
J. III Thuret stammte aus einer Uhrmacherdynastie und logierte ab 1694<br />
als „Horloger du Roi“ im Louvre, wo er die Stelle seines verstorbenen<br />
1135 (Entwurfszeichnung)<br />
Vaters Jacques II übernahm, einer der bester Uhrmacher seiner Zeit.<br />
Thuret lieferte dem Königshaus die berühmte, von A.C. Boulle konzipierte<br />
Pendule „L’enlèvement de Cybèle“, womit eine sehr produktive<br />
Zusammenarbeit zwischen den beiden Künstlern begann. Ein weiteres seiner<br />
Modelle ist die „pendule temps couché“ für den Kardinal Ottoboni<br />
und den Kurfürsten Max Emanuel von Bayern.<br />
Gilles-Marie Oppenordt, Sohn des berühmten Ebenisten Alexandre-Jean<br />
Oppenordt, war Architekt, Zeichner und Kupferstecher. Er wurde im<br />
Atelier seines Vaters und von Jule Hardouin Mansart ausgebildet, bevor er<br />
1692 bis 1699 durch Italien reiste und an der französischen Akademie in<br />
Rom eine Pensionärstelle antrat. Dort studierte er die Werke von Bernini<br />
und Borromini - nicht wie viele seiner Berufskollegen die klassischen<br />
Antike, da ihn die barocken Ornamente faszinierten. Nach seiner Rückkehr<br />
arbeitete Oppenordt als Architekt für Herzog Philip d’Orléans, der<br />
ihn 1713 zum „premier architecte“ ernannte. 1715 übernahm der Herzog<br />
d’Orléans die Regentschaft; Oppenordt wurde Direktor der königlichen<br />
Manufakturen und Intendant der königlichen Gärten. Als Architekt schuf<br />
er nur wenig, bekannt war er vielmehr als Ornamentskünstler, für seine<br />
Bauentwürfe und die detaillierten Kunst- und Dekorationszeichnungen.<br />
Oppenordt wurde schnell zum führenden „Designer“ im Atelier seines<br />
Vaters und erhielt zahlreiche wichtige Aufträge, wie z.B. Restauration und<br />
Dekoration des Château de Villers Cotterets, des Hôtel de Pomponne im<br />
Place des Victoires, des Palais Royal und Hôtel du Grand Prieur de<br />
France.<br />
Lit.: J.D. Augarde, Les ouvriers du temps, Genf 1996; S. 402 (biogr. An -<br />
gaben zu Thuret). Ibid.; Jean Joseph de Saint-Germain (1719-1791), Inédits<br />
sur sa vie et son oeuvre, in: L’Objet d’Art 308 (1996); S. 66-69. A.<br />
Dolher / M. Miller, Gehäuse der Zeit, Uhren aus fünf Jahrhunderten im<br />
Besitz der Hessischen Hausstiftung, Fulda 2002. J.N. Ronfort, André<br />
Charles Boulle, 1642-1742, Un nouveau style pour l’Europe, Paris 2009<br />
(Standartwerk über A.C. Boulle). H.L. Tardy, Dictionnaire des horlogers<br />
français, Paris; S. 641 (biogr. Angaben zu Thuret). H. Ottomeyer / P.<br />
Pröschel, Vergoldete Bronzen - Die Bronzen des Spätbarock und Klassizismus,<br />
München 1986; I, S. 78 (Abb. 1.12.4, das erwähnte Cartel ohne<br />
Konsole). W. Edey, French Clocks in North American Collections, New<br />
York 1982; S. 45f. (Tafel 37, das Cartel aus der Frick Collection). P. Kjellberg,<br />
Le mobilier français du XVIIIe siècle, Paris 1989; S. 106-114 (biogr.<br />
Angaben zu A.C. Boulle). A. Pradère, Die Kunst des französischen Mö -<br />
bels, München o.J.; S. 67-109 (biogr. Angaben zu A.C. Boulle). J.P. Samo<br />
yault, André Charles Boulle et sa famille, Paris 1979 (biogr. Angaben zu<br />
A.C. Boulle).<br />
Für Angaben zu A.C. Boulle siehe Fussnote der <strong>Katalog</strong>nr. 1134.<br />
CHF 50 000.- / 90 000.-<br />
(€ 41 670.- / 75 000.-)<br />
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