PDF Katalog - Koller Auktionen
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Möbel & Antiquitäten | Möbel, Uhren, Tapisserien, Bronzen<br />
1131 (Detail) 1131 (Detail)<br />
Emanuel in Verwahrung, darunter auch ein „bureau de marqueterie de<br />
figures à la chinoise“. Dieser Umstand zeigt die enge Verbindung zwischen<br />
H. van Soest und dem Kurfürsten, die seit den 1690er Jahren bestand,<br />
was durch ein Schreiben von H. van Soest aus dem Jahr 1694 belegt wird,<br />
in dem er um die Genehmigung für eine Lotterie bat, bei der er Prunkmöbel<br />
aus seiner Werkstatt als Preise vergab.<br />
Seit J. Nieuhof 1640 als Fähnrich im Dienste der niederländischen Ost-<br />
Indischen Compagnie nach Brasilien gereist war, verbrachte er sein Leben<br />
ausserhalb Europas. Er bereiste als Handelsvertreter und Weltenbummler<br />
Indien, Sri Lanka, China und Indonesien. Lediglich in den Jahren 1658<br />
und 1671 kehrte er zu kurzen Familienbesuchen in die Niederlande<br />
zurück. Als Mitglied einer niederländischen Delegation lernte er zwischen<br />
1655 und 1657 den Kaiserhof von Peking kennen. Die lange Reise von<br />
Kanton nach Peking, zu Land und zu Wasser, ermöglichte es ihm, einen<br />
zweiteiligen Bericht über China zu verfassen: „Die Gesandtschaft der<br />
Niederländischen Ostindienkompanie an den grossen Tartarischen Khan,<br />
den gegenwärtigen Kaiser von China“. Das Werk, aufgeteilt in einen ausführlichen<br />
Reisebericht und eine sehr systematische Beschreibung von<br />
Land, Leuten und der Geschichte Chinas, war in Europa ausserordentlich<br />
erfolgreich, wohl auch, weil es mit über 150 Stichen illustriert war und so<br />
das bisher unbekannte Reich veranschaulichte. In den Jahren von 1665 bis<br />
1693 wurden sechs niederländische, drei deutsche, zwei englische, eine<br />
französische und eine lateinische Auflage des Werkes veröffentlicht.<br />
Die hier vorzufindenden Chinoiserien finden sich adaptiert im erwähnten<br />
Werk von J. Nieuhof. Bei der Herstellung der Szene auf der Aufsatztür<br />
liess man sich vom Titelblatt des Chinaberichtes inspirieren, allerdings<br />
wurde das Motiv leicht verändert: Der Kaiser steht unter einem Schirm,<br />
und anstelle der in Ketten gelegten Gefangen sind zwei europäische<br />
Figuren dargestellt, die auf Geschenke deuten. Die Szenen der Schubladen<br />
fronten stammen aus unterschiedlichen Stichvorlagen und wurden<br />
neu konzipiert. Es sind vorwiegend verschiedene Jahrmarktgestalten mit<br />
Bettlern und Gauklern aus dem Kapitel „ Van verscheidene Sineesche<br />
Hantwerken“, aber auch Darstellungen aus „Van verschiedene Zekten in<br />
Sina, nopende de Philophie“ wie brahmanische Mönche, die sich mit<br />
Ketten, Peitschen und Feuer kasteien. Die dargestellten Sitten und<br />
Bräuche Chinas hinterliessen bei den Europäern des 17. Jahrhunderts<br />
grossen Eindruck; sie wurden auch von O. Dappert im Werk „Asia oder<br />
Ausführliche Beschreibung des Reichs des Grossen Moguls und eines<br />
Theils von Indien“ publiziert. Die Illustrationen dienten ebenfalls als<br />
Vorlagen für die hier anzutreffenden Einlegearbeiten. Die sehr freie Kombination<br />
und Adaption der Zeichnungen mit idealisierten Pagoden- und<br />
Parklandschaften, die mehr einen dekorativen als einen kritisch-historischen<br />
Zweck hatten, zeigen das grosse Interesse und die Faszination der<br />
Europäer für die exotische Welt - das hier angebotene Möbel stellt ein<br />
frühes Beispiel dieser „Chinamode“ dar. Von französischen Boulle-<br />
Marketerien, wo chinesische Figuren meistens einzeln als Hauptmotiv<br />
oder Staffage einer Bandelwerkgroteske auftauchen, unterscheiden sich<br />
diese Einlegearbeiten durch szenische Darstellungen aus dem chinesischen<br />
Leben, oft eingebettet in einen Landschaftshintergrund. Die Bilder aus<br />
Buntmetallen und Schildpatt sind einzigartig und als Werke H. van Soests<br />
zu identifizieren. Seine Darstellungen führten zu einer Idealisierung und<br />
Verehrung des fremden, wenn auch heidnischen Landes und bewirkten,<br />
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