Passwort Nr. 4 / 2013 - Kantonale Mittelschule Uri
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ollegi<br />
passwort<br />
Zeitschrift der <strong>Kantonale</strong>n <strong>Mittelschule</strong> <strong>Uri</strong> <strong>Nr</strong>. 4 / <strong>2013</strong><br />
1
Mund<br />
Art<br />
Thema<br />
Titelbild<br />
von Marcel Huwyler, Prorektor<br />
Skräplä fi r Stimper<br />
Tiänd iär äu skräplä? Iär kännèd das nit? Also,<br />
passèd üff: Skräplä isch äs Buächstäbaspyli fi r<br />
zwee, dry oder viär Spiler. Mä müäss üss Büächstabästäi<br />
mit verschidnä Wärt Wèrter zämä setzä<br />
und äso üssleggä, dass si wiä bim-änä Chryzworträtsel<br />
zämä ghänkt sind. Wèrter miänd immer von<br />
obä nach abbä oder vo rächts nach linggs glait<br />
wärdä. D‘ Kombination vo denä Büächstabäwärt<br />
und dä Prèmiäfälder vum Spilbrätt sètted ä mèglichscht<br />
grossi Punktzahl ergä. Dr Spiler wo am<br />
meischtä Pinkt cha sammlä, gwinnt. Tschègged<br />
èrs?<br />
Skräplä isch än amerikanischi Erfi ndig, äs git aber<br />
underdessä meh als zwänzg Versionä i allnä mèglichä<br />
Sprachä. Uf ä ürnertytschi Version warted<br />
mèr aber immer nu! Meh Informationä git’s bi<br />
www.scrabble.com.<br />
(Korrektheit der Urner Rechtschreibung<br />
ohne Gewähr!)<br />
5 11<br />
Das Neue<br />
Urner Mundartwörterbuch von<br />
Felix Aschwanden erscheint am<br />
15. November <strong>2013</strong>.<br />
16<br />
Knackige Konsonanten<br />
Mund-Art<br />
Franz-Xaver Nager erklärt,<br />
warum sich der Urner Dialekt<br />
ganz besonders für die Bühne<br />
eignet.<br />
Altrektor Dr. Josef Arnold<br />
macht sich Gedanken zu Heinrich<br />
Danioths literarischem<br />
Werk.<br />
2
Schulleitung<br />
von Dr. Ivo Frey, Rektor Mund-ART<br />
Wer kennt nicht das alte Urner Mundart-Wörterbuch von Felix Aschwanden und Walter Clauss von 1982?<br />
Nun erscheint das NEUE Urner Mundart-Wörterbuch. Es wird rund 40‘000 neue Begriffe mit umfassenden<br />
Worterklärungen und Beispielsätzen enthalten. Gespannt sind wir auch auf die von Charlotte Germann<br />
– einer ehemaligen Schülerin unserer Schule – gestalteten Illustrationen, die uns Wörter der Urner<br />
Mundart veranschaulichen. Sie erzählt uns in diesem „passwort“ von ihrer Arbeit, über die Herausforderung,<br />
Begriffe eines Wörterbuchs zu bebildern.<br />
Wir freuen uns auf die Buchvernissage im theater uri am 15. November <strong>2013</strong>, dies umso mehr als der Autor<br />
und Linguist Felix Aschwanden mit unserer Schule eng verbunden ist, als ehemaliger Lehrer, als Prorektor<br />
und als Mentor vieler linguistischer Arbeiten unserer Schülerinnen und Schüler. In seine Motivation<br />
und seine Arbeitsweise gibt er in dieser Ausgabe in einem Gespräch mit Ulrich Köchli ausführlich Einblick.<br />
Was plaudern, schwatzen, tratschen wir nur immer, teilen uns mit, erkundigen uns, drücken unsere Trauer<br />
und unsere Freude aus, jeden Tag, ein ganzes Leben lang! Wir spielen mit der Sprache und manchmal<br />
ringen wir verzweifelt um Worte! Es heisst, jeder Mensch, ob Mann oder Frau, äussere im Durchschnitt<br />
Was plaudern, schwatzen, tratschen wir nur immer, teilen<br />
uns mit, erkundigen uns, drücken unsere Trauer und unsere<br />
Freude aus, jeden Tag, ein ganzes Leben lang! Wir spielen<br />
mit der Sprache und manchmal ringen wir verzweifelt um<br />
Worte! Es heisst, jeder Mensch, ob Mann oder Frau, äussere<br />
im Durchschnitt 16‘000 Wörter pro Tag.<br />
16‘000 Wörter pro Tag.<br />
Wir reden, so wie wir es gehört haben, imitieren den<br />
Singsang und die ersten Worte unserer Mutter, wir reden<br />
Dialekt oder „Mundart“, wie das Fremdwort im Zuge der<br />
Sprachpfl ege im 17. Jahrhundert kunstvoll eingedeutscht<br />
wurde. Wie vielfältig ist die Welt der Mundart! Nur schon<br />
in unserem Lehrpersonenzimmer mischen sich die unterschiedlichsten<br />
Sprachstimmen. Der Leser vergleiche das<br />
3
Die Zeitschrift „SchweizerDeutsch“ debattiert<br />
immer wieder über die Stellung der Schweizer<br />
Mundart. Dort wird auch die Aussage von<br />
Matts ausführlich kommentiert. Interessant ist<br />
diese „kleine, aber feine“ Zeitschrift auch wegen<br />
Mundarttexten aus verschiedensten dialektalen<br />
Gebieten der Schweiz. Das Archiv der Zeitschrift<br />
ist leicht zugänglich über die Internetseite<br />
„www.schweizerdeutsch.ch“. Der Professor für<br />
deutsche Sprachwissenschaft (spez. Schweiz)<br />
und Redaktor dieser Zeitschrift, Dr. Ruedi<br />
Schwarzenbach, hält die Laudatio an der Vernissage<br />
des „Neuen Urner Mundart-Wörterbuchs“.<br />
Rätselspiel und die Übersetzungen der bekannten „Hasslitanei“ des Urners Heinrich Danioth in dieser<br />
Ausgabe.<br />
Mundart, die Art und Weise wie wir reden, wie uns der Schnabel gewachsen ist! Wie reich, farbig, anschaulich<br />
ist diese Sprache! Die Vielfalt des Urnerischen breitet und legt der Musikologe und Schriftsteller<br />
F.X. Nager aus. Man lese seinen Streifzug durch das Urnerische: „Da hesch ètz scheen i Schyysstaaren<br />
inne gwurschtet.“ Mit Augenzwinkern nimmt man auch seinen Hinweis zur Kenntnis, dass der Urner Dialekt<br />
gemäss dem Literat Liar (!) seinen Ursprung im Englischen habe. So kann ich mich selbst erinnern,<br />
dass ich, der Auswärtige, Ende der achtziger Jahre in einer ersten Klasse auf die Frage nach typischen<br />
Urner Ausdrücken zur Antwort bekam: „Spiidä“!<br />
Obwohl wir generell bei der Mundart vorschnell bloss an das gesprochene Wort denken, ist sie sowohl<br />
gesprochene also auch geschriebene Sprache. Nager beschreibt den Unterschied sehr schön: „Reden ist<br />
wie trinken, schreiben wie essen“, vor allem für das Zweite brauche es Werkzeuge, muss man doch beim<br />
Schreiben oft am Sprachausdruck „chätschä“.<br />
Noch mehr gilt vielen Schweizern die Hochsprache als ein „harter Brocken“, bezeichnen sie sie doch oft<br />
als „erste Fremdsprache“. Und man tut sich schwer, beim Sprechen, und mehr noch mit dem Schreiben<br />
der „Standardsprache“. Und doch kann der Gegensatz zweier Sprachen kreativ umgesetzt werden. Diese<br />
Spannung thematisiert der Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt in einem Interview: „Ich rede Berndeutsch<br />
und schreibe Deutsch. Der deutschschweizerische Schriftsteller bleibt in der Sprache dessen, der anders<br />
redet, als er schreibt. Zur Muttersprache tritt gleichsam die Vatersprache. Das Schweizerdeutsche als seine<br />
Muttersprache ist die Sprache seines Gefühls, das Deutsche als seine Vatersprache ist die Sprache seines<br />
Verstands, seines Willens.“ (Vgl. Brückenbauer <strong>Nr</strong>. 35, 29.8.1989) Spannend ist vor dem Hintergrund<br />
dieser These das Interview mit unserem Theaterpädagogen Matteo Schenardi. Er entscheidet sich in seiner<br />
Theaterarbeit für die Mundart wegen deren „Natürlichkeit“ und „Nähe zur Emotionalität“. Andererseits<br />
deklariert er das Urnerische, den Dialekt als eigenständige „Kunstsprache“, als Mund-ART.<br />
Sind wir – wie der Schriftsteller Hugo Lötscher bemerkt – „zweisprachig innerhalb der einen Sprache“?<br />
Oder wie es der Literaturwissenschafter Peter von Matt schärfer und provokant sagt: „Unsere Muttersprache<br />
ist Deutsch in zwei Gestalten: Dialekt und Hochdeutsch, und zwar so selbstverständlich und<br />
von früher Kindheit an, wie das Fahrrad zwei Räder hat. (...) Der verbreitete Wahn, nur der Dialekt sei die<br />
Muttersprache der Deutschschweizer, beruht auf einer Mischung von Denkschwäche, Sentimentalität und<br />
Borniertheit.“ Solche Sätze blieben 2010 nicht unwidersprochen und führten zu einer hitzigen Debatte<br />
über die Stellung der Mundart.<br />
Das Verhältnis zwischen Mundart und Hochdeutsch ist vertrackt. „Wann ist Hochdeutsch angesagt und<br />
wann Dialekt?“ Ausgehend von dieser Frage diskutiert Josef Arnold-Luzzani, Alt-Rektor unserer Schule,<br />
anhand des Werkes des Urner Malers und Sprachkünstlers Heinrich Danioth das Verhältnis von „Mundart-<br />
Kunst“ und „Schriftsprache-Kunst“. Die Mundart als „Kunstgesang“. Mund-ART. Die Sprache hält sich<br />
nicht – das ist offensichtlich – an einfache Grenzziehungen. In ihr ist – zum Glück – vieles „zunderobsi“,<br />
so wie es junge Urner Musiker mit der Volksmusik vorspielen (vgl. den Artikel über die Musikgruppe „Zunderobsi“).<br />
Refl ektierte Pfl ege der Mundart ist kein „Rückzug in eine dialektale Heimattümelei“ (Arnold-Luzzani). Hier<br />
sind sich unsere Textautoren und Interviewpartner einig. Mundart ist lebendige Sprache, sie entwickelt<br />
sich, sie wuchert, sie wächst, ähnlich einem Rhizom. Sie assimiliert fremde Sprachelemente, entdeckt<br />
damit neue Sprachregionen, erweitert die Sprache um unbekannte Gebiete und bereichert sie. Linguisten<br />
dürften die fl apsig-kreative SMS-Sprache unserer Schülerinnen mit Schmunzeln lesen: gesprochen,<br />
geschrieben, fremd, eigen, alles durcheinander – und zugleich durch Grammatik gebändigt. Kunstvoll<br />
mitunter umgesetzt im Poetry-Slam.<br />
So lebt Sprache. Das Wort „guuglä“ steht schon im Neuen Urner Wörterbuch.<br />
4<br />
hey was machsch so<br />
chasches scho?<br />
bi dra<br />
easy lerne witer<br />
:) tschüss<br />
ka chli Geo<br />
nö du?<br />
:D ich au :(<br />
ok sett eigentl. au no<br />
:*<br />
ka = kei anig<br />
sms<br />
Die<br />
Serie in diesem Heft<br />
stammt von Drittklässlern der<br />
<strong>Kantonale</strong>n <strong>Mittelschule</strong> <strong>Uri</strong>.
„Es war mein Schicksal –<br />
aber ein positives.“<br />
Foto: Angel Sanchez<br />
Felix Aschwanden, Verfasser des Urner Mundartwörterbuchs, im Gespräch<br />
Von Ulrich Köchli<br />
Einfach ist es nicht, in den letzten, heissen Julitagen<br />
einen Termin für ein Gespräch mit Felix<br />
Aschwanden zu vereinbaren: Das „Gut-zum-Druck“<br />
für die umfangreiche Neuausgabe des Urner<br />
Mundartwörterbuchs steht unmittelbar bevor und<br />
letzte Korrekturen und Ergänzungen müssen noch<br />
angebracht werden. Schliesslich sitzen wir doch<br />
bei einem kühlen Trunk im blühenden Garten des<br />
Anwesens des Verfassers und langjährigen Prorektors<br />
der <strong>Kantonale</strong>n <strong>Mittelschule</strong> <strong>Uri</strong>. Der Blick<br />
schweift von den immer noch mit hartnäckigen<br />
Schneeresten bedeckten Gipfeln der „Sunnigen<br />
Stöck“ hinüber zum „Hoch Fulen“ und zur „Burg“,<br />
die den Eingang zum Schächental markieren. Am<br />
Übergang vom Talboden zu diesem auch mundartlich<br />
eigenen Tal ist unser Gespräch bald mitten<br />
in den regionalen sprachlichen Besonderheiten.<br />
Dabei wird schnell offensichtlich: Auch nach 40<br />
Jahren Beschäftigung mit der Urner Mundart ist<br />
Felix Aschwanden noch voller Begeisterung am<br />
Werk. Dass sein Gesprächspartner kein „Hiäsiger“<br />
ist, wird ihm schnell mit Augenzwinkern bedeutet:<br />
Denn den von mir verwendete Umlaut „ö“ gebe es<br />
eigentlich in der Urner Mundart nicht, dieser Laut<br />
werde als „e“ ausgesprochen. Felix Aschwanden<br />
wiederum spricht einen geradezu reinen Reusstaler<br />
Dialekt, jenen Dialekt also, der in den vergangenen<br />
Jahrzehnten am stärksten von Veränderungen<br />
betroffen war durch den anwachsenden Zuzug aus<br />
dem Urner Oberland, den Seitentälern und aus anderen<br />
in- und ausländischen Regionen. So sei die<br />
Neuaufl age des Urner Mundartwörterbuchs auch<br />
Bestandes- und Momentaufnahme innerhalb eines<br />
rasanten sprachlichen Wandels. Und Felix Aschwanden<br />
ist aufgrund der langjährigen Auseinandersetzung<br />
mit der Urner Mundart bestimmt einer<br />
der besten Zeugen und der Dokumentator dieses<br />
Sprachwandels – wobei er betont: „Ich bin kein<br />
Purist!“ Sprachwandel gehöre zu einer lebendigen<br />
Sprache.<br />
Der studierte Germanist und Romanist Felix Aschwanden<br />
zeigte auch nach dem Antritt einer Lehrerstelle<br />
am Kollegium Karl Borromäus zu Beginn<br />
der 1970er-Jahre reges Interesse an sprachlichen<br />
Forschungen und insbesondere an der Urner<br />
Mundart. So erinnert er sich noch gut, wie er im<br />
Jahre 1970 erstmals mit dem anerkannten Mundartforscher<br />
Walter Clauss in Kontakt kam. Ende<br />
60er-Jahre war nämlich von diesem eine Grammatik<br />
der Urner Mundart erschienen, die im Wesentlichen<br />
Ergebnisse der 1928 publizierten Disser-<br />
5
tation zusammenfasste. Felix Aschwanden muss<br />
schmunzeln, wenn er daran zurückdenkt, wie er<br />
„in wissenschaftlichem Eifer der Jugend“ in einer<br />
ganzseitigen Rezension im Urner Wochenblatt<br />
unter dem Titel<br />
„Von den Leiden<br />
und Schicksalen<br />
einer Mundartgrammatik“<br />
nicht<br />
mit kritischen Anmerkungen<br />
geizte,<br />
da ihm einige Teile als etwas gar verkürzt schienen.<br />
Dabei sei es ja gerade das Positive an dieser<br />
Grammatik gewesen, dass die Ausführungen für<br />
breite Leserschichten verständlich waren, wie er<br />
heute betont. Überrascht wurde Felix Aschwanden<br />
jedoch von der Reaktion des Autors: Dieser habe<br />
nämlich nach dem Erscheinen des Artikels Kontakt<br />
mit ihm aufgenommen, was schliesslich eine<br />
zweijährige intensive wissenschaftliche Zusammenarbeit<br />
und eine echte Freundschaft ergeben<br />
habe. Kurz zuvor hatte Walter Clauss im Auftrag<br />
des Urner Staatsarchivs mit der Erarbeitung eines<br />
Urner Mundartwörterbuchs begonnen, wobei die<br />
Wörtersammlung seiner Dissertation als Basis<br />
dienen sollte. Felix Aschwanden zeigte sich dann<br />
spontan bereit, ihm eigentliche „Zuträgerdienste“<br />
zu leisten. Er erinnert sich an zahlreiche gemeinsame<br />
Gespräche mit Walter Clauss, in denen er<br />
die eigenen Ergebnisse seiner Auseinandersetzung<br />
mit der Urner Mundart einbrachte.<br />
Als Clauss schliesslich im Mai 1972 plötzlich starb,<br />
trat der damalige Staatsarchivar Hans Schuler an<br />
ihn heran mit der Bitte, das von Clauss begonnene<br />
Werk weiterzuführen. Nach einer kurzen Bedenkzeit<br />
und Einsicht in die vorhandenen Unterlagen<br />
sagte er zu. In einem ersten Schritt machte er sich<br />
nun daran, die bereits vorhandene Mundartliteratur<br />
intensiv auszuwerten und ein dichtes Netz an<br />
Gewährspersonen aufzubauen, da er das Gefühl<br />
hatte, trotz bisheriger Forschungen harrten noch<br />
einige „mundartliche Schätze“ ihrer Bergung.<br />
Und im Unterschied etwa zum Vorgehen des bekannten<br />
Philologen Friedrich Staub, der im 19.<br />
Jahrhundert bereits ein Netz von Gewährsleuten<br />
in der Urschweiz aufgebaut hatte, wollte er sich<br />
dabei bewusst nicht auf akademisch gebildete<br />
Bevölkerungsschichten wie Pfarrer, Ärzte und<br />
Lehrer stützen, sondern auf Menschen aus allen<br />
Schichten des Volkes. Auch eine altersmässige<br />
buschper<br />
1. munter, lebhaft, gesund , rüstig. 2. perfekt gekleidet<br />
Durchmischung sei ihm sehr wichtig gewesen,<br />
denn zur Bestandesaufnahme gehöre auch die Berücksichtigung<br />
jugendsprachlicher Besonderheiten<br />
der Urner Mundart. Insbesondere bei der Erarbeitung<br />
der ersten Ausgabe des Urner Mundartwörterbuchs,<br />
die schliesslich 1982 publiziert wurde,<br />
hatte Felix Aschwanden aufgrund seiner Lehrtätigkeit<br />
am Kollegi mit Schülerinnen und Schülern<br />
aus allen Regionen <strong>Uri</strong>s und somit mit Sprechern<br />
aller unterschiedlicher Mundartregionen Kontakt.<br />
Unter ihnen habe es auch immer wieder solche<br />
mit grossem Flair für die Mundart gegeben und<br />
regelmässig habe er sich an diese wenden können<br />
mit speziellen Ausdrücken, welche sie dann<br />
wiederum bei sich zu Hause im Kreise der Familie<br />
oder Nachbarn verifi zieren konnten. Dabei hätten<br />
sich stets auch wieder neue Kontakte ergeben und<br />
viele schöne Erinnerungen seien ihm bis heute an<br />
diese Zeit geblieben. Auf<br />
das in den 70er-Jahren<br />
geknüpfte Beziehungsnetz<br />
konnte er sich bei der<br />
schytter<br />
1. dünn, schwach, gebrechlich 2. allg. Bez. für „schlecht“<br />
aktuellen Neubearbeitung<br />
wiederum stützen, zahlreiche<br />
neue Gewährspersonen<br />
seien indes dazugekommen.<br />
Wichtig sei ihm immer gewesen, dass<br />
die entsprechenden Personen wenn möglich aus<br />
Grossfamilien stammten, einen eigenen grossen<br />
Bekanntenkreis besassen und entsprechend gut<br />
ins soziale Umfeld eingebettet waren. Dies sei ihm<br />
Gewähr gewesen für die Qualität der erhaltenen<br />
Informationen.<br />
Im Laufe der vielen eigenen Feldbegehungen, die<br />
er v.a. während der Bearbeitung der ersten Aufl age<br />
des Mundartwörterbuchs unternommen hat, habe<br />
er auch immer wieder<br />
Einblick in alte ländliche<br />
Bräuche erhalten, von<br />
denen mittlerweile viele<br />
aus der Mode gekommen<br />
seien. Besonders<br />
im Gedächtnis haften geblieben<br />
ist ihm dabei ein<br />
Ereignis, welches sich in den 70er-Jahren in einem<br />
abgelegenen Winkel <strong>Uri</strong>s zugetragen habe. In einer<br />
Zeit, in welcher die Kommunikationsmedien noch<br />
nicht allgegenwärtig waren, hat Felix Aschwanden<br />
mit einer Familie einen Termin vereinbart, um diese<br />
über gewisse mundartliche Besonderheiten zu<br />
befragen. Als er schliesslich nach zwei Wochen gegen<br />
späteren Nachmittag ohne nochmalige Rückfrage<br />
zu besagtem Treffen auf dem abgelegenen<br />
Hof erschienen ist, ist er dort auf eine Trauergesellschaft<br />
um einen verstorbenen altledigen Onkel<br />
getroffen, der – wie noch damals vielerorts<br />
üblich – zu Hause aufgebahrt lag. Für kurze<br />
Zeit sei er daher mit diesem Ritual konfrontiert<br />
worden, das ihm als sehr ergreifend in Erinnerung<br />
geblieben ist. Freilich seien die wenigsten<br />
Begegnungen derart tragisch gewesen wie die<br />
geschilderte; aber alle seien sie in der Regel interessant<br />
gewesen und hätten seinen Blick auf die<br />
Urner Heimat stark geprägt.<br />
Seit 2008 arbeitete Felix Aschwanden nunmehr an<br />
der Neuausgabe des Urner Mundartwörterbuchs<br />
und nicht ohne Stolz weist er darauf hin, dass der<br />
vor fünf Jahren mit dem Auftraggeber, dem Gönnerverein<br />
der Kantonsbibliothek <strong>Uri</strong>, vereinbarte<br />
Termin der Publikation eingehalten wurde. Über<br />
30‘000 neue Wörter haben in dieser Zeit Eingang<br />
ins Wörterbuch gefunden, darunter neben vielen<br />
eindeutig als mundartliche Ausdrücke erkennbare<br />
auch zahlreiche Begriffe, die mit dem Standardsprachlichen<br />
eigentlich übereinstimmen. Dahinter<br />
steckt die Absicht des Verfassers, eine tatsächliche<br />
meegig<br />
1. anziehend, sympathisch, liebenswert, hübsch. 2. appetitlich, hygienisch<br />
3. gerne nehmend<br />
Bestandesaufnahme aller in der Urner Mundart aktuell<br />
gebräuchlichen Begriffe zu geben. So werde<br />
beispielsweise ein „Reh“ im Urnerdeutschen eben<br />
auch „Reh“ genannt. Würde dieser Begriff nicht<br />
im Wörterbuch aufgeführt, so dächten womöglich<br />
spätere Forscher oder Wörterbuchbenützer, dieses<br />
Tier habe es im Jahre <strong>2013</strong> in <strong>Uri</strong> gar nicht gegeben.<br />
Aus der gleichen Überlegung hätten deshalb<br />
sogar einige wenige in der Urner Mundart verbreitete<br />
Anglizismen wie bspw. „googlen“ Eingang ins<br />
Urner Mundartwörterbuch gefunden.<br />
Angesprochen auf die v.a. in jüngeren Generationen<br />
verbreitete Tendenz zur Verschriftlichung der<br />
Mundart, stellt er fest, dass dies nicht zum Erhalt<br />
des Lokalkolorits beitrage. Aber Felix Aschwanden<br />
will nicht in den Chor der Jammerer einstimmen,<br />
welche den Niedergang der „reinen Mundart“<br />
beklagten. Er fi nde es im Gegenteil auch schön,<br />
dass die Jungen ihre Mundart als Basis benutzten,<br />
sich gegenseitig auch schriftlich mitzuteilen.<br />
Sprachwandel, so wiederholt er, gehöre nun mal<br />
zu einer lebendigen Sprache. Und daher freut er<br />
sich besonders, dass die Neuausgabe des Urner<br />
Mundartwörterbuchs auch Platz bietet für weitere<br />
Ergänzungen. Seit Dezember 2012, dem offi ziellen<br />
6
Redaktionsschluss des Wörterbuchs, seien bereits<br />
wieder mehrere Seiten Ergänzungen angelaufen,<br />
die im Anhang abgedruckt würden. Alle sind aufgerufen,<br />
künftig daran mitzuarbeiten, das Urner<br />
Mundartwörterbuch als lebendigen Sprachschatz<br />
des „Ürner Tytschen“ mitzugestalten. Das wäre für<br />
ihn die grösste Freude, zu sehen, wie dieses Werk<br />
weiterläuft. Und rückblickend auf nunmehr über<br />
40 Jahre intensive Arbeit an diesem Projekt resümiert<br />
Felix Aschwanden: „Es war mein Schicksal –<br />
aber ein positives!“<br />
wurmä<br />
quälen, nagen<br />
Heii wms?<br />
Nid vill :)<br />
Ich ai nit!! :)<br />
„wms“ = was machsch so<br />
Charlotte Germann,<br />
Illustratorin des Urner Mundart-Wörterbuchs, über die Arbeit an den Illustrationen<br />
Von Ulrich Köchli<br />
Welche Urner Mundart sprechen<br />
Sie? Hat sich während Ihrer<br />
Arbeit an den Illustrationen des<br />
Urner Mundart-Wörterbuchs ihr<br />
Verhältnis zur Urner Mundart verändert?<br />
Mein Vater ist Urner und meine Mutter gebürtige<br />
Luzernerin, dadurch spreche ich – obwohl in Altdorf<br />
aufgewachsen – kein urchiges „Ürneditsch“.<br />
Ich würde sagen, mein Dialekt ist „Innerschweizerisch“,<br />
eine Sprachmischung, die nach meiner<br />
Erfahrung in Altdorf von vielen Leuten gesprochen<br />
wird. Ich würde zwar behaupten, dass ich ein ziemlich<br />
reines „Ürnerditsch“ problemlos hinkriegen<br />
würde, jedoch spricht man ja aber doch lieber<br />
wie einem „dr Schna(a)bel gwaxä isch“. Bei der<br />
Arbeit am UMB war das natürlich nicht immer ein<br />
Vorteil. Ich merkte auch, dass es doch noch viele<br />
Urnerinnen und Urner gibt, die zwar gewisse Begriffe<br />
nicht mehr gebrauchen, aber noch zuordnen<br />
können.<br />
Natürlich war es für mich auch eine urnerische<br />
„Horizonterweiterung“ – jetzt kann ich sogar<br />
manch hartgesottenen Urner ins Grübeln bringen,<br />
wenn ich den einen oder anderen Begriff hervorhole.<br />
Nach welchen Kriterien wurden<br />
jene Begriffe ausgewählt, die illustriert<br />
werden sollten?<br />
Die zu illustrierenden Begriffe wurden jeweils von<br />
Felix Aschwanden ausgewählt und meines Wissens<br />
dem Vorstand des Gönnervereins der Kantonsbibliothek<br />
<strong>Uri</strong> vorgelegt. Hauptsächlich habe ich<br />
Gegenstände illustriert – nicht gegenständliche<br />
Begriffe musste ich nur selten umsetzen, so zum<br />
Beispiel „z’ tiimligä mälchä“ – eine bestimmte Art<br />
des Melkens. Die meisten Illustrationen sind Gegenstände<br />
aus den Bereichen der Alp-, Land-, und<br />
Forstwirtschaft, Handwerk und Haushalt, wovon<br />
viele heute nicht mehr in Gebrauch sind – oder<br />
einfach in einer „industrialisierten“ Form.<br />
Worin bestand die besondere Herausforderung,<br />
ein Wörterbuch zu<br />
illustrieren?<br />
Die Arbeit bestand für mich nur zu einem kleinen<br />
Teil aus der Arbeit am Zeichner-Pult. Die grosse<br />
Herausforderung bestand in der Recherche. Viele<br />
zu illustrierende Begriffe waren urnerische oder<br />
urschweizerische Eigenwörter, deren Bedeutung<br />
ich ohne Bild oder Beschreibung nicht erahnen<br />
konnte, so etwa Begriffe wie „Gepsä“ 1 , „Broggel“ 2 ,<br />
„Lu(u)schi“ 3 oder „Chett“ 4 . Dann gab es andere<br />
Wörter wie „Doppelschäämel“ 5 , „Guntäbissä“ 6 ,<br />
„Chääfernäpper“ 7 oder „Piffelweggä“ 8 – die, so<br />
lautmalerisch sie zwar sind, ich ohne Beschrieb<br />
niemals der richtigen Bedeutung zugeordnet hätte.<br />
Der Beschrieb eines Gegenstandes von Felix<br />
Aschwanden reichte aber meistens auch nicht, um<br />
ihn detailgerecht zu illustrieren. Dort begann erst<br />
die Recherche. Oft handelte es sich auch um Begriffe,<br />
für die es nicht einmal ein entsprechendes<br />
hochdeutsches Wort gibt – oder nur eine unzureichende<br />
Umschreibung. Mit der Google-Recherche<br />
kam ich bei meiner Arbeit darum nicht weit.<br />
Wenn ich mit der Suche nach einer Abbildung oder<br />
eins Originals des Gegenstands in Büchern, Museen<br />
und im Internet nicht weiterkam (was sehr oft<br />
der Fall war), sprach ich mit älteren Leuten, an die<br />
mich Felix Aschwanden verwies. Manchmal hatten<br />
diese Leute noch einen solchen Gegenstand zu<br />
Hause oder zumindest ein Bild oder eine Zeichnung<br />
davon, oft wurde ich aber auch mit einem<br />
weiteren Beschrieb des Gegenstandes vertröstet.<br />
Auffallend war die Herzlichkeit und das Interesse,<br />
welches bei allen Leuten in den Augen leuchtete,<br />
sobald ich mich bei Ihnen nach einem Begriff<br />
erkundigte. Sie entschuldigten sich sogar, wenn<br />
sie mir nicht weiterhelfen konnten. Die Gespräche<br />
führten aber zum Teil auch in eine verwirrliche<br />
Richtung, wenn zum Beispiel urnerisch-regionale<br />
unterschiedliche Auffassungen eines Gegen-<br />
7
standes vorhanden waren. Dort machte ich dann<br />
meistens einen Punkt und konzentrierte mich auf<br />
eine Variante. Einige Gegenstände waren zudem<br />
urnerische Varianten von einem Gegenstand, so<br />
zum Beispiel der Begriff „Häinzä“ (Pfahl mit Querstangen,<br />
woran das Heu zum Trocknen aufgehängt<br />
wird). An sich ist dieser Begriff nicht schwer zum<br />
Recherchieren, aber die Urner benutzen eine andere<br />
„Häinzä“-Konstruktion als z.B. die Bündner. Auf<br />
solche Details musste ich ebenfalls Acht geben.<br />
Welches war der interessanteste<br />
Begriff zum Illustrieren?<br />
Rein zeichnerisch: „Gattersaagi“ (Holzbearbeitungsmaschine),<br />
in der Baumstämme durch aufund<br />
abgehende Sägeblätter in Bretter und Balken<br />
geschnitten werden. Dieser Begriff war wegen<br />
der ganzen Maschinentechnik sehr komplex zum<br />
Zeichnen, dafür leicht zum Recherchieren. Was die<br />
Recherche anbelangt: Da habe ich mir beim „Santiinärli“<br />
(ehemals in Altdorf hergestelltes Honiggebäck)<br />
fast die Zähne ausgebissen Da musste ich<br />
nach langer Recherche die Zeichnung letztendlich<br />
doch rein nach verschiedenen Beschreibungen<br />
anfertigen.<br />
Welche Illustration würden Sie als<br />
besonders gut gelungen bezeichnen?<br />
„Chrees“ (Halskrause, Spitzen an Unterwäsche,<br />
Bluse, Hemd etc.) – zeichnerisch eine ziemliche<br />
Herausforderung wegen der ganzen Details. Aber<br />
auch der „Bockschlittä“ (kurzer Schlitten zum<br />
Holzschleifen) scheint mir gelungen. Aber grundsätzlich<br />
ist es bei knapp 300 Illustrationen schwierig,<br />
einen Favoriten zu fi nden – Mühe habe ich mir<br />
bei allen gegeben :-)<br />
1 = runder, sehr weiter, aber nur wenig tiefer, hölzerner, aus Dauben und<br />
Reifen gebauter Zuber zur Aufbewahrung der Milch<br />
2 = kleines, rundes Holzgefäss zur Aufbewahrung von Milch oder Butter,<br />
auch für Kälbertränke oder zur Verfütterung von Gläck gebraucht, Holzbrente<br />
für Speis und Trank auf dem Feld<br />
3 = Öllämpchen, Talglicht<br />
4 = künstliche Zuleitung des Wassers auf ein Schaufelrad, meistens aus<br />
Brettern; hölzerner Treibwasserkanal bei einer (Säge-)Mühle<br />
5 = ein auf dem Kurzschlitten aufl iegendes (drehbares) Gestell<br />
6 = Holzschleppkeil mit Ring<br />
7 = Bohrer zum Erstellen der Dübellöcher<br />
8 = grosser Spaltkeil<br />
Schülerinnen<br />
&Schüler<br />
von Karin Schaedler, Prorektorin<br />
Poetry Slam<br />
Literaturhalbtag für die 3. und für die 4. Klassen am Freitag, 17. Mai <strong>2013</strong><br />
Was haben die Symbolgestalt eines Pinguins, der<br />
sich fl iegend über seine Artgenossen erheben will,<br />
ein Gedicht über „die heutige Jugend“ und der Refrain<br />
„Das ist Leiden auf hohem Niveau“ miteinander<br />
zu tun?<br />
Dies erschloss sich den Zuhörerinnen und Zuhörern,<br />
den Zuschauerinnen und Zuschauern bei den<br />
Darbietungen der zwei Slam Poeten Simon Chen<br />
und Philipp (Phibi) Reichling.<br />
Die beiden Zürcher sind Spoken-Word-Künstler.<br />
Sie „machen“ Sprachkunst. Es ist ihre grosse Leidenschaft,<br />
ihre Texte dem Publikum um die Ohren<br />
zu schmettern (to slam). Dabei werden sie von der<br />
Reaktion des Publikums befl ügelt, ähnlich wie der<br />
eingangs erwähnte Pinguin. Doch ihre Landung<br />
hier ist sanfter.<br />
Subtiler Humor, aufrüttelnde Kombinationen und<br />
fesselnder Rhythmus prägen die Textvorträge. Ein<br />
schneller Text, besonders ein schneller Text mit<br />
Reimen, kann mitreissend wirken, wie dies auch<br />
Phibi Reichling in einem früheren Interview bestätigte.<br />
Besonders kam das Zusammenspiel, die Kommunikation<br />
mit dem Publikum bei Simon Chens<br />
„Unreim“-Text zum Tragen… Die offenen Vers-Enden<br />
füllten die Schülerinnen und Schüler mit Reim<br />
und Sinn. Zuweilen schaltete sich der Künstler ein<br />
und unterlief die konventionellen Erwartungen an<br />
den Reim durch eine irritierende Sinn-Umkehr.<br />
Gesprochene Wortkunst, die sich vom verschriftlichten<br />
Literatur-Kanon, den Klassikern, absetzt<br />
und sich doch immer wieder überraschend neu<br />
auf sie bezieht. So wie Goethes Faust und Phibi<br />
Reichlings über der Welt schwebender Pinguin, die<br />
beide die Erkenntnis suchen.<br />
8
„Wie lange geht was schon?“<br />
ein Interview mit Matteo Schenardi, unserem Theaterpädagogen<br />
von Sarah Weber<br />
Steckbrief:<br />
Name: Matteo Schenardi<br />
Geburtsjahr: 1976<br />
Zivilstand: verheiratet<br />
Kinder: Vater von 3 Töchtern<br />
Wohnort: Altdorf<br />
Lieblingsfarbe: Gelb<br />
Lieblingsort: Am Ufer eines stehenden Gewässers<br />
Lieblingssprache: Der Gesang der Vögel bei Tagesanbruch<br />
Lieblingsdialekte: Der Schächentaler Dialekt, der<br />
Stadtzürcher Dialekt und der Toskanische Dialekt.<br />
(Dort sagt man HOHA HOLA anstelle von COCA<br />
COLA)<br />
Urner Lieblingsausdruck: „Jä da!“<br />
Prägendstes Theatererlebnis: „D Wurzelchindä“<br />
von Margrit Gysin<br />
Liebste Theaterautoren: Beat Sterchi, er experimentiert<br />
mit Mundart und der gesprochenen Sprache,<br />
und Guy Krneta, ebenfalls Mundartwerke,<br />
u.a. im Genre „Spoken Word“.<br />
Internet 1: www.einzigandr.ch;<br />
Internet 2: www.einzigandr.ch/Matteo Schenardi/<br />
KinderSpielenTheater<br />
Matteo Schenardi, du arbeitest<br />
seit letztem Schuljahr bei uns am<br />
Kollegi als Theaterpädagoge.<br />
Darüber freue ich mich enorm, das ist für mich ein<br />
Glück, ein Geschenk!<br />
Warum hast du dich mit deinem<br />
letztjährigen Stück „Wie lange<br />
geht was schon?“ für eine Produktion<br />
in Mundart entschieden?<br />
Aus drei Gründen:<br />
Erstens einmal wollte ich die Selektion vermeiden,<br />
die durch die unterschiedlichen Sprachniveaus in<br />
der Standardsprache automatisch entsteht: Wer in<br />
der Standardsprache weiter ist, erhält automatisch<br />
eine bessere Rolle im Theaterstück. Und sowohl<br />
die Spielerinnen und Spieler unter sich wie auch<br />
das Publikum selektionieren sogleich nach dem<br />
Sprachkönnen. Ich wollte, dass die Spielerqualitäten<br />
ausschlaggebend sind. Das eigene Wesen,<br />
das Menschsein sollte im Vordergrund der Arbeit<br />
stehen und die Spielerinnen und Spieler sollten<br />
sich als gestaltende Persönlichkeiten erfahren.<br />
Übrigens waren die Schülerinnen und Schüler in<br />
Bisch au chrank?<br />
Näää<br />
Jaa Wiso?<br />
sms<br />
Die<br />
Ja aber ide schuel<br />
He du hesch doch eifach mit mim<br />
handy a es paarne gschribe?<br />
Eini isch e franzosin und het<br />
gmeint, dass ich ihre kolleg<br />
bi und mier zum neue Jahr<br />
gratuliert :)<br />
Serie in diesem Heft<br />
stammt von Drittklässlern der<br />
<strong>Kantonale</strong>n <strong>Mittelschule</strong> <strong>Uri</strong>.<br />
9
verschiedenen Arbeitsbereichen tätig: Plakate herstellen,<br />
Verpfl egung organisieren in der Auftrittswoche,<br />
Kostüm- und Maskenverantwortlichkeit<br />
und so weiter.<br />
Zweitens war die Entscheidung für den Dialekt eine<br />
Entscheidung zu Gunsten der Natürlichkeit: Ich<br />
dringe schneller zu meinem wahren Ausdruck vor,<br />
wenn ich etwas in eigenen Worten ausgedrückt<br />
lese, ich bin näher an meinen Emotionen. Deshalb<br />
habe ich die Schülerinnen und Schüler auch ihre<br />
Texte selber in die Mundart übersetzen lassen.<br />
Dabei spielte es übrigens keine Rolle, ob das Urner<br />
Dialekt war oder ein anderer. Mein Ziel war es, die<br />
Spielerinnen und Spieler näher an sich heranzuführen,<br />
sie zur eigenen Natürlichkeit vordringen zu<br />
lassen, zur eigenen Direktheit. Somit war die Entscheidung<br />
für den Dialekt vor allem ein pädagogischer<br />
Entscheid und sicher kein Entscheid gegen<br />
die Standardsprache. Ich höre, schreibe und lese<br />
die deutsche Sprache sehr gerne und liebe den<br />
Bühnenstandard!<br />
Drittens ist Mundart eine eigenständige Kunstform<br />
und wird von der breiten Öffentlichkeit zusehends<br />
auch wieder als eine solche verstanden.<br />
Mir als Spielleiter hilft der Entscheid zu Gunsten<br />
unserer Alltagssprache also in mehreren Bereichen:<br />
Er unterstützt uns auf dem Weg zu einem<br />
homogenen Ensemble, führt uns als Spielerinnen<br />
und Spieler auf einem erleichterten Weg zu unserer<br />
natürlichen Direktheit und ist gleichzeitig<br />
der Ausdruck einer an Selbstvertrauen tankenden<br />
Kunstform.<br />
Ich schliesse daraus, dass auch<br />
die nächste Produktion eine<br />
Mundartproduktion sein wird?<br />
Ja, ganz klar, das ist eine grundsätzliche Entscheidung.<br />
Was bedeutet der Urner Dialekt<br />
für dich? Nenne drei Stichworte.<br />
Heimat, Identität und Sympathiebonus, da er ein<br />
„Indianerdialekt“ ist, den die wenigsten Menschen<br />
in der Schweiz sprechen.<br />
Du bist im Kollegi zur Schule gegangen.<br />
Welche Art von Schüler<br />
warst du? Und inwiefern hat es<br />
eine Rolle für dich gespielt, dass<br />
dein Vater Marco Schenardi als<br />
Lehrer am Kollegi tätig war?<br />
Ich ging gerne zur Schule. Schon als kleiner Bub<br />
war ich oft dabei, wenn mein Vater am Kollegi<br />
seinen Unterricht vorbereitete. So wollte ich natürlich<br />
auch dorthin. Mit dem Eintritt ins Kollegi<br />
hat sich dann ein neues Umfeld für mich aufgetan,<br />
Horizonte haben sich geöffnet: Plötzlich war ich<br />
mit Lernenden aus den verschiedensten Gemeinden<br />
zusammen! Aber als Lehrerkind war es auch<br />
manchmal schwierig, weil mein Vater sogleich<br />
alles erfuhr, was ich angestellt hatte. Oder weil<br />
sich halt andere Lernende über meinen Vater als<br />
Lehrer unterhielten, zum Glück jedoch meistens<br />
positiv, das hat es mir sehr erleichtert. Ich selbst<br />
war wohl ein eher angepasster Schüler, alle Eskapaden<br />
im grünen Bereich, und engagierte mich im<br />
Theater, in der Kollegimusik und in der Jazzband<br />
des Kollegis.<br />
Was braucht es deiner Meinung<br />
nach, um ein guter Theaterpädagoge<br />
zu sein?<br />
Freude am selber Theaterspielen. Lust, Welten zu<br />
schaffen und zu erfi nden. Offenheit gegenüber<br />
Menschen und die Bereitschaft, sie wirklich kennenlernen<br />
zu wollen. Man muss gerne genau beobachten<br />
und sich Zeit für die Welt nehmen.<br />
Wie bist du selber zum Theater<br />
gekommen?<br />
1988, in der fünften Primarklasse, durfte ich<br />
im Tellspiel den Walterli spielen. Seither war ich<br />
jedes Jahr in ein bis zwei Theaterproduktionen<br />
dabei. Zum Beispiel später dann im Kollegitheater,<br />
im Jugendtheater Altdorf oder bei „Momänt &<br />
Co.“ (Altdorfer Amateurtheatergruppe). Seit zwei<br />
Jahren mache ich berufsbegleitend ein Spezialisierungsstudium<br />
in Theaterpädagogik an der<br />
Pädagogischen Hochschule in Luzern. Das ist eine<br />
Zusatzqualifi kation für Lehrpersonen. Ich bin ja<br />
ausgebildeter Primarlehrer und habe zwölf Jahre<br />
lang auf dieser Stufe unterrichtet.<br />
Erzähle uns von deinem Arbeitsalltag!<br />
Ich habe mehrere Standbeine. Zunächst verstehe<br />
ich mich stark als Pädagoge: Neben dem Kollegitheater<br />
leite ich auch Kindertheaterkurse in Altdorf.<br />
Wir machen keine Produktionen, sondern die<br />
Lust am Spielen und Fabulieren steht im Vordergrund:<br />
Die 5-7–jährigen Kinder der „Theaterkiste“<br />
improvisieren, spielen und kreieren, mit den 8-12–<br />
Jährigen des „Theaterclubs“ mache ich beispielsweise<br />
zusätzlich Maskenspiele und Objekttheater.<br />
Dann arbeite ich auch projektbezogen. Zum Beispiel<br />
im Rahmen einer Projektwoche am Kollegi.<br />
Oder an der BWS <strong>Uri</strong>, dort gebe ich gerade als<br />
Aushilfe Bandlektionen. Gleichzeitig begleite ich<br />
ein Oberstufenprojekt im Kanton Zürich. Zudem<br />
10
kann man mich buchen, um Theaterproduktionen<br />
an Schulen zu coachen.<br />
Schliesslich bin ich zu 40% Hausmann, meine Frau<br />
ist Yogalehrerin. Diese Aufgabe ist mir sehr wichtig,<br />
ich achte darauf, mir diese Zeit für unsere drei<br />
Töchter zu nehmen. Es ist ein Privileg, dass ich das<br />
kann, und ich schätze das sehr.<br />
Eigene Produktionen spielen natürlich auch eine<br />
Rolle. Zur Zeit nehmen Benno Muheim und ich mit<br />
„Einzig und dr Andr“ die CD „SING ME FREE“ auf.<br />
Sie ist nach unserem Bühnenprogramm genannt,<br />
die CD-Taufe feiern wir dann im Oktober <strong>2013</strong> im<br />
theater(uri) in Altdorf. Die Regieassistenz für die<br />
Brunner Produktion „BIG BANG – ein Spektakel!“,<br />
die wir August bis Oktober aufführen, hält mich zur<br />
Zeit ebenfalls in Atem.<br />
„Da hesch ètz scheen i Schyysstaarän<br />
innä gwurschtet.“ von Franz-Xaver Nager<br />
Ürner Spraach-Lissmetä<br />
All der fortschreitenden Visualisierung unserer<br />
Erfahrungswelt zum Trotz – die Sprache ist und<br />
bleibt eine unverzichtbare Kommunikationsschiene.<br />
Sie zeigt, dass sie lebt, indem sie sich wandelt<br />
und neue Formen annimmt. Stichwort Natel beispielsweise:<br />
Wie werden wohl die Urnerinnen und<br />
Urner ihr Smartphone füttern, wenn in ein paar<br />
Jahren die SMS nicht mehr getippt, sondern einfach<br />
gesprochen werden? Entsteht dann wiederum<br />
eine neue Sprache? Und wäre diese näher beim<br />
Schriftdeutschen oder bei der Mundart? Es gibt ja<br />
immerhin Leute, die für ihre E-Messages die Dialektsprache<br />
bevorzugen.<br />
Dass die Schweizer Mundarten erodieren und allmählich<br />
zu einem mittelländischen Mischmasch<br />
fusionieren, lässt sich kaum bestreiten und auch<br />
nicht aufhalten. Auf diesem Hintergrund erscheint<br />
die urige Redensweise eines Bergbauern schon<br />
beinahe als Exotikum. „Da hesch ètz scheen i<br />
Schyysstaarän innä gwurschtet“ – nein, so redet<br />
doch heute niemand mehr. Ausser vielleicht noch<br />
ganz hinten im Schächental, in Bristen oder sonst<br />
irgendwo ap vu dr Wält. – Mag sein, sage ich, aber<br />
andererseits...<br />
Je Globalisiärig, deschto Hiäsigs<br />
Der Komiker Beat Schlatter steigt in die Schwinghosen<br />
und heefelet dä Beesä in einem witzig-liebenswürdigen<br />
Film. Die Sängerin Nadja Räss lädt<br />
zum „Jodeln über Mittag“, und die Zürcher Banker<br />
und Bürodamen rennen ihr die Türe ein. Die DRS2-<br />
Kulturjournalistin Lislot Frei schwärmt vom Festival<br />
Alpentöne, das drauf und dran ist, den Tellspielen<br />
als Urner Kulturevent <strong>Nr</strong>. 1 dr Faanä us dä Händä<br />
z nä. Und so weiter, bis hin zu den vier Kolleegeler,<br />
die vor ein paar Jahren underäinisch als Echo vom<br />
Poschtsack auf Hudigäggeler abfuhren und mit der<br />
Parole „Heimat!“ uf äi Tätsch einen hundertköp-<br />
fi gen Fanclub hinter sich wussten.<br />
Swissness ist in. Da steht, logo, auch das Thema<br />
Mundart neu zur Debatte, nicht zuletzt in der<br />
Literatur. Autoren wie Tim Krohn oder Arno Camenisch<br />
stürmen die Bestsellerlisten mit einer<br />
von Helvetismen geprägten Sprache, Pedro Lenz<br />
schreibt seinen Roman „Der Goalie bin ig“ gleich<br />
ganz in Mundart. Plus Swiss Slang bei Poetry<br />
Slams und Spoken Word Performances, ganz zu<br />
schweigen von der Schweizer Rockszene: Was bliebe<br />
denn, wenn man die Mundart-Songs von der<br />
Liste striche?<br />
Fragt sich nur, warum gerade der Berner Dialekt<br />
so deutlich die Nase vorn hat. Klar war da mal<br />
Franz Hohlers „Totämügerli“ und schon zuvor der<br />
Mani Matter, dessen lakonisch-charmante Lieder<br />
in Schulstuben und an Lagerfeuern landüff-landap<br />
gesungen wurden und werden. Na gut, es gibt halt<br />
mehr Berner als Urner - aber warum füllt dann<br />
nicht das Züridütsch die Hitparade? Manche erklären<br />
das Berner Phänomen damit, dass sich diese<br />
Mundart eben besonders für Songtexte eigne.<br />
Aber bitte, wer sagt denn, dass dies nicht ebenso<br />
für andere Dialekte zutrifft? Schliesslich hat es<br />
die Sina mit ihrem strüübä Wallisertytsch ja auch<br />
geschafft. Das Ganze riecht danach, dass halt die<br />
Schweizer offenbar manche Mundarten sympathischer<br />
fi nden als andere. Zu den Ersteren scheinen<br />
vor allem jene aus Bergregionen zu zählen – also<br />
auch Ürnertytsch?<br />
11
Ludwig Lussmann – auch er wie Danioth Maler<br />
und Schreiber zugleich – geht ganz andersch<br />
uumä ans Werk. Seinen naturalistischen Gemälden<br />
ähnlich ist er auch in den Theaterstücken weniger<br />
um literarische Gestaltung, als vielmehr um exakte<br />
Abbildung bemüht: Seine Theaterfi guren sollen<br />
eins zu eins so reden, wie einem Bergler im Maderanertal<br />
ds Ggredt zum Müül üss troolet. So fi nden<br />
wir in Lussmanns Theatertexten ein wertvolles<br />
Zeugnis des urtümlichen Urner Sprachgestus mit<br />
seinen besonderen Redewendungen oder grammatikalischen<br />
Formen, das anderwyytig fast nur in<br />
alten Tonaufnahmen zu fi nden ist, wo bodenständige<br />
Erzähler aus früheren Zeiten berichten.<br />
12<br />
Sabine Dahinden und Michael Zezzi bekommen<br />
schyynts äister wiider èppä z gheerä, ob es denn<br />
nicht auch ohne diese unsägliche Sprachkrankheit<br />
ginge. Andererseits mühen sich offensichtlich ganzi<br />
Schechä vu Lyt nicht ungern damit ab, dem Berti<br />
Jütz sein „Zoogän am Boogä“ phonetisch halbwegs<br />
richtig zu singen. Auch den meisten meiner auswärtigen<br />
Bekannten gefällt unser Dialekt, einige<br />
fi nden gar, es sei der schönste überhaupt. Das<br />
mäinti ich gwis äf Eer äü, aber warum?<br />
Im Tytschän ussä tätscht s, und<br />
Yyser titschet Wyyssä.<br />
Vor 20 Jahren habe ich erstmals einen Theatertext<br />
mid Ürner Wullä gglissmet. Diese Sprachstrickerei<br />
eröffnete mir einen gänzlich neuen Zugang zu<br />
unserer Mundart. Reden ist wie trinken, schreiben<br />
wie essen: Ersteres gaat schiär umäsälber, für<br />
Letzteres braucht man Tischwerkzeug und müäss<br />
dra chätschä. Zu Kauen hat meistens auch der<br />
Leser. Bemüht man sich um eine einigermassen<br />
korrekte Schreibwiese, so ergibt sich nämlich ein<br />
ziemlich bizarres Schriftbild, das mit den vielen I<br />
und Ä eher an Finnland als an die Schweiz denken<br />
lässt. Ja, die geschriebene Mundart ist gewöhnungsbedürftig,<br />
aber üblicherweise het mä s dè<br />
scho glyy erlickt und kommt schon nach wenigen<br />
Seiten ggläitig fi rsi.<br />
Dass ich mich damals für die Mundart entschied,<br />
hatte einen einfachen Grund: Die Sprechoper<br />
„Attinghausen“ spielt in <strong>Uri</strong>, wir wollten das Stück<br />
mit Urner Laien aufführen, und die wirken nun<br />
mal auf der Bühne einfach überzeugender, wenn<br />
sie wiä Hiäsigi schnuuret, als wenn sie holprig<br />
hochdeutsch „schillern“. Es hat wunderbar funktioniert,<br />
erstaunlicherweise auch mit ausverkauften<br />
Gastspielen im Zürcher Theaterhaus Gessnerallee.<br />
Nach mittlerweile einem halben Dutzend Theatertexten<br />
ist meine Faszination käis Muggäschissli<br />
ggringer geworden – ganz im Gegenteil.<br />
Als gelernter Musikwissenschaftler hat es mir insbesondere<br />
die Musikalität des Urner Dialekts angetan.<br />
So basierten unsere „Sprechopern“ ghäüwän<br />
oder gstochä auf der Behauptung, die Komposition<br />
einer Opernmelodie erübrige sich, weil diese<br />
sowieso schon in der Sprache enthalten sei. Der<br />
Urner Dialekt springt ja wirklich wild rauf und runter<br />
wiän äs Gämschi i dä Gätschän oobä, und auch<br />
der Rhythmus ist beeindruckend: „Die reden ja ternär,<br />
das swingt doch fast wie Jazz“, meinte mein<br />
Aargauer Hauskomponist Christoph Baumann. Der<br />
Grund für diesen Groove könnte in der ohrenfälligen<br />
Präferenz für die zweihebigen Versmasse<br />
(Jambus, Trochäus) liegen, also der ggluschtigen<br />
Aneinanderreihung von abwechselnd betonten<br />
und unbetonten Silben. Schon Heinrich Danioth<br />
hat diese Eigenheit in seinem einzigen grösseren<br />
Mundartwerk, dem „Urner Krippenspiel“, ausgiebig<br />
genutzt und teilweise mittels Endreimen sogar zur<br />
eigentlichen Gedichtsform verdichtet (Auszug aus<br />
der sogenannten „Hasslitanei des Teufels“):<br />
... Wysses Chorä<br />
Brot fi r Morä!<br />
Gnüäg miänt-s’ ha<br />
und wirgä dra!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Är bsägni Mänsch und Vee:<br />
Lach s’nit hindärä,<br />
lach s’nit fi rä<br />
und vermüür<br />
ä jedi Tirä...<br />
Solche Vorlagen waren mir jüngst bei der Abfassung<br />
von „Müller13“ ä groossä Phulf. Weil das<br />
Stück vor rund 100 Jahren spielt, sollten die Zwanziger<br />
Jahre auch in den Dialogen ihren Niederschlag<br />
fi nden. Zwar hat es deshalb bei den Aufführungen<br />
nid äister allnä i dän Oorä gglyttet, dafür verlieh<br />
dieser Kunstgriff dem Text die gewünschte Patina<br />
und trug wesentlich zur Zeichnung der Charaktere<br />
bei. Der nachfolgende Szenenauszug (Tochter Anni<br />
will ihren widerwilligen Vater ins Altenasyl einliefern)<br />
mag dies illustrieren:
Anni: Gseesch, s sind naadis alli frintli hiä, diä<br />
lüäget...<br />
Päüli: Chasch rüäwig äü grad gaa.<br />
Anni: Sèll dr ds Zyg verrüümä?<br />
Päüli: Loont si nit.<br />
Anni: Etz los äinisch, Täädi. Dü wäisch haartupfäg<br />
gnäüw, äs hed ètz èppis miässä gaa. Miär<br />
chèènet ja froo syy, dass mèr uberhäüpt äs<br />
Näscht bèrcho hènt. - Und hiä bisch äü nid<br />
äsoo ap vu dä Lyttä.<br />
Päüli: Alls wäg dyym Toni. Aber s het halt<br />
miässän näiwis Bessers syy.<br />
Anni: Tumms chäibä Lappiziyg! Chasch<br />
ggwiss nyt säägä. Solang äs ggangän isch,<br />
ha dèr wäiss Gott ghulfä. Aber äläi hätt i<br />
ämel dy Betriib nid meegä gschläipfä.<br />
Päüli: Hättsch äü andernä gfallä. Hiäsigä.<br />
Sèttigä, wo hättet meegä tängälä und wetzä<br />
und dr Mischt fi ärä.<br />
Anni: Isch s èppä myy Fääler,<br />
dass nach miär ä käis<br />
me cho isch? Ä Büäb im<br />
Wiägäli, das hät ds Probleem<br />
nu diänig ggleest.<br />
Päüli: Äs Mannävolch het nu<br />
sältä gjunglet.<br />
Anni: Das hed äü niämèr... –<br />
Häi-äi-äi, mä chènnt<br />
schiär mäinä, d Müätter<br />
hätti wägä miär d Finkä<br />
gchlopfet.<br />
Der Urner Dialekt hat also genau<br />
das, was Gioacchino Rossini<br />
als Erfolgsrezept seiner Musik<br />
bezeichnete: eine schöne Melodie<br />
und einen guten Rhythmus.<br />
Nimmt man den vokalen<br />
Farbenreichtum, die knackigen<br />
Konsonanten und die ausgeprägte<br />
Sprechdynamik dazu, ergibt<br />
sich ein Klangereignis, das<br />
der Luzerner Schriftsteller Pedro<br />
Raas als „Rumpeln“ bezeichnete.<br />
Tatsächlich dürfte sich der<br />
saftwurzlige Urner Dialekt nicht<br />
eben für diplomatisches Gesäusel<br />
eignen, passt dafür aber<br />
umso besser auf die Bühne. Wie<br />
der obige Zwischentitel oder der<br />
nachstehende Abschnitt aus<br />
„Wysel“ zeigt, empfi ehlt sich deshalb unser Dialekt<br />
auch für eine literarische Verarbeitung mittels<br />
poetologischen Stilmitteln, wie sie ähnlich im Rap<br />
oder in der Oral Poetry verwendet werden (Binnenreime,<br />
Assonanz, Alliteration etc.).<br />
„Säg was wotsch,<br />
das isch ä füülä Totsch!<br />
Laffä wiä diä wältschä Pfaffä,<br />
tübackä wiän äs Chäämiroor,<br />
und äister d Schnorzän offä,<br />
mä mainti grad,<br />
är wett dr Grind apdeckä.“<br />
Ds Ändi fi r ds Ürnertytsch<br />
chunt so gwiss wiä ds Grindwee<br />
nach èm Fuusel.<br />
Als lebendige Sprache verändert sich selbstverständlich<br />
auch die Urner Mundart laufend, und in<br />
Anbetracht von Globalisierung, Mobilität und Internet<br />
erst recht. Bleibt die Frage, wohin sie driftet.<br />
Verloren geht primär der alte Wortschatz, der noch<br />
stark dem einst dominanten bäuerlichen Umfeld<br />
verbunden ist. Umgekehrt kommt neues Vokabular<br />
hinzu, kleinräumig vor Ort durch die Vermischung<br />
mit andern Schweizer Dialekten, grossräumig<br />
durch die Kontakte mit anderen Sprachen.<br />
Allerdings handelt es sich bei diesen lachoonigen<br />
Wörtern zumeist um Allerweltsvokabeln und<br />
insbesondere Anglizismen, die so auch in andern<br />
Sprachen Eingang fi nden. Das aber bedeutet:<br />
Global gesehen bedeutet diese Entwicklung eben<br />
doch eine kulturelle Verarmung. Könnte man dem<br />
– analog zum Artenschutz in der Tierwelt – mit geeigneten<br />
Massnahmen entgegenwirken? Will man<br />
das überhaupt, oder ist nicht umgekehrt eine internationale<br />
Sprachangleichung gerade erwünscht im<br />
Sinne erleichterter Kommunikation? Vielleicht ist<br />
das auch eine Generationenfrage, wie sie der junge<br />
Noldi in „Ds Gräis“ seinen älteren Alpkollegen so<br />
unter die Nase rieb:<br />
Dü und dyys Evangeeli!<br />
Chat cho, was will.<br />
Solang s vu oobä chunnt,<br />
wird s da unnä gfrässä,<br />
und wènn s Gitzimischt wäär.<br />
Dr Hèrrgott git s,<br />
dr Hèrrgott nimmt s.<br />
Iär chènntet ja bis zum Biidel im Schyyssdräck<br />
staa,<br />
und wurdet nu ds Halleluja chräijä.<br />
Aber ä-soo hènd-èr s ja immer scho gha.<br />
Alles scheen syy laa wiä s isch.<br />
Dr Jung het s vom Altä,<br />
dr Alt vom Grossvatter,<br />
dr Grossvatter vom Ürgrossvatter,<br />
und so wytter und so wytter.<br />
Liäber ds Altä phaltä, as am Nyywä chyywä!<br />
Wie dem auch sei, nach den jüngsten Publikumsreaktionen<br />
bei unserem „Müller13“ zu schliessen,<br />
bereitet der etwas in die Jahre gekommene Urner<br />
Dialekt nicht nur mir erheblichen Spass. Klar hat<br />
nicht jeder Urner Felix Aschwandens Mundartwörterbuch<br />
im Büchergestell stehen, aber ich kenne<br />
viele, die es in gleichem Sinne zur Hand nehmen,<br />
wie andere ins Museum gehen. In ähnlicher Weise<br />
sehe ich auch meine Dialekt-Texte nicht zuletzt<br />
als Echoraum unserer Geschichte. Dabei staune<br />
ich immer wieder, welch bilderreiche Wendungen<br />
unsere Vorfahren erfunden haben, um einfache<br />
Dinge auf originelle Weise auszudrücken. „Da hast<br />
du jetzt aber schön in den Scheissdarm hinein<br />
gewurstet“ - das ist zwar nicht eben die feinste<br />
Ausdrucksweise, aber unbedingt witziger als „das<br />
ist dir misslungen“.<br />
URNERENGLISCH<br />
Wussten Sie, dass der Urner Dialekt wahrscheinlich<br />
aus dem Englischen hervorgegangen ist?<br />
Schon der Literat Mendacius Liar (1635-1789) hat<br />
in seinen Sprachuntersuchungen nachgewiesen,<br />
dass zwischen dem Englischen und dem Ürnertytsch<br />
sehr augenfällige Übereinstimmungen bestehen.<br />
Er schliesst daraus, dass ein gemeinsamer<br />
Ursprung als sehr wahrscheinlich gelten kann. Ein<br />
paar wenige Beispiele müssen hier genügen:<br />
Grammatik: Die englische Fragenformulierung mit<br />
dem Hilfsverb „to do“ ist auch im Urner Dialekt<br />
verbreitet. Beispiel: Tüäsch wiider äinisch täibälä?<br />
Betonung einer Aussage durch nachgestellten<br />
Kurzsatz mit Hilfsverb: He’s not a very clever bloke,<br />
is he. / Är isch nit grad dr Schlääwscht, das<br />
isch er.<br />
Eng verwandtes Vokabular: new / nyyw<br />
Ausgeprägte Tendenz zur Wortverknüpfung mit „n“<br />
vor vokal anlautenden Silben, insbesondere beim<br />
unbestimmten Artikel: a pear - an apple / ä Biirä -<br />
än Epfel<br />
13
Dialekträtsel<br />
von Sarah Weber<br />
Welcher Dialekt gehört zu wem? Verbinden Sie die Textvarianten mit den richtigen Personen und tragen Sie dann die Buchstaben ins passende Feld ein. Das<br />
Lösungswort ist ein typischer Ausdruck aus dem Urner Dialekt. Viel Spass beim Tüfteln! Die Lösung fi nden Sie auf Seite 22 in diesem Heft.<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Noor émmer mee,<br />
mee, mee, mee!<br />
Ond nüüd aus Schnee!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Hei wiener chond<br />
so Pfond för Pfond<br />
ond wachst und stiigt!<br />
luäg, wiä’s nä biigt!<br />
auwes verschtòubt‘r,<br />
auwes verchlëibt‘r!<br />
Schtuude ond Grääbe<br />
topfdeckelääbe!<br />
Wiisses Chorn<br />
S‘Brood för moorn<br />
Gnue mönts ha<br />
ond wörge dra!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Är sägni Mensch und Vieh!<br />
Lass‘ ned héndere<br />
Lass‘ ned före<br />
ond vermuur iedi Tööre!<br />
Lösungsbuchstabe: L<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Nu immer mee<br />
mee, mee, mee<br />
Und nüt als Schnee!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Ou, wiä dä chunt<br />
so Pfund für Pfund<br />
und waxt und stygt!<br />
Luäg, wiän er ufänand schtaplät wird!<br />
Alles vrstübt er,<br />
alles vrchläpt er!<br />
Stuudä und Grääbä<br />
topfdeckelebä!<br />
Wysses Chorn<br />
Brot für morgn<br />
Gnuag müänt sy ha<br />
und würgä dra!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Är segni Mänsch und Vee!<br />
Loos nid nach hindrä<br />
Loos nid noch fürä<br />
und vermuurä jeedi Türä!<br />
Lösungsbuchstabe: C<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Hiatz nua mea Schnee and nix ois Schnee<br />
mea and mea!<br />
And nix ois Schnee!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
A so wia dea kimmd<br />
gons sakrisch kimmd<br />
wira steigt and steigt!<br />
Hiatz schau da des o, wia dea woxst!<br />
Oissi staubt and<br />
vapickt a!<br />
Oi Staudna and Grobn<br />
brettl ebn!<br />
A weiss Koan<br />
des is is Brot fi a moagn<br />
Gnua miassn’s hom<br />
and wirgna dro!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Ea soi d Mona and Vicha segna!<br />
Los eam net hintare<br />
Los eam net bviare<br />
and mauat olle Dian zua!<br />
Lösungsbuchstabe: E<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Numme-n-immer mee,<br />
mee, mee, mee!<br />
Und nüt as Schnee!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Hei, wie-n-er kunnt<br />
so Pfund für Pfund<br />
und waxt und stygt!<br />
Lueg, wie-n-er ufenander gschtaplet wird!<br />
Alles zerstäubt er<br />
alles verkläbt er!<br />
Stude-n-und Gräbe<br />
topfdeckelebe!<br />
Wysses Korn<br />
Brot für morn<br />
Gnueg myen sie ha<br />
und würge dra!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Er sägni Mensch und Vieh!<br />
Loss es nit hindere<br />
Loss es nit füre<br />
und vermuure jedi Türe!<br />
Lösungsbuchstabe: Ä<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Immer no meh,<br />
meh, meh, meh!<br />
Und nüt als Schnee!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Ui wie n er chunnt<br />
so Pfund für Pfund<br />
und wachst und stiigt<br />
Lueg, wie s en ufenand ufe biigt<br />
Ales verstüübt er<br />
ales verchloibt er<br />
Stuude und Gräbe<br />
topfteckelebe<br />
Wiisses Chorn<br />
Brot für moorn<br />
Gnueg müends haa<br />
und wüürge dra<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Er sägni Mänsch und Vee<br />
Las es nid hindere<br />
Las es nid füre<br />
und vermuur jedi Türe!<br />
Lösungsbuchstabe: H<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Nur immer mee,<br />
mee, mee, mee!<br />
Und nyd ass Schnee!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Häi wiän är chunnt<br />
so Pfunt fi r Pfunt,<br />
unt waxt und stygt!<br />
Lüä, wiä’s-ä bygt!<br />
Alles verschtäipt är,<br />
alles verchläipt är!<br />
Schtüüdän und Grääbä<br />
topfdeckelääbä!<br />
Wyssäs Choorä<br />
Brot fi r moorä<br />
Gnüagg miänts ha<br />
und wirgä dra!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Är bsägni Mäntsch und Vee!<br />
Lachs nid hindäärä<br />
lachs nit fi irä<br />
und vermüür ä jeedi Tiirä!<br />
Lösungsbuchstabe: B<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Numen immer mee,<br />
mee, mee, mee!<br />
Und nüt as Schnee!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Uii wiän är chund<br />
so Pfung für Pfung<br />
und wachst und stygt!<br />
Lueg, wiäs nä uufbygt!<br />
Aues verschtübtr,<br />
aues verchläipetr!<br />
Schtuudä und Grääbä<br />
dopfdechuebä!<br />
Wysses Chorn<br />
Brot für morn<br />
Gnueg müessä sie haa<br />
und würgä draa!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Är sägni Mönsch und Vee!<br />
Loos nid nach hinge<br />
Loos nid nach vorne<br />
und vermuur jedi Türä!<br />
Lösungsbuchstabe: Y<br />
14
wms?<br />
niix<br />
Easy, ciao<br />
TV&du?<br />
chunsch use?<br />
Bb<br />
„wms“=was machst du so? „Bb“ = bye bye<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Nu immer mii<br />
mii, mii, mii!<br />
Und nüt as Schnee!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Und wiän er chunnt<br />
so Pfund für Pfund<br />
und wachst und stiigt!<br />
Luäg wiäner wachst!<br />
Alles verstäubt er,<br />
Alles verstäubt er,<br />
Stuudä und Gräbä<br />
topfdeckelebä!<br />
Wiisses Chorä<br />
Brot für moorä<br />
Gnuäg mönd si haa<br />
und würgä draa!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Er sägni Mänsch und Vee!<br />
Las es nüd hindärä<br />
Las es nüd fürä<br />
und vermuurä jedi Tüür!<br />
Lösungsbuchstabe: I<br />
1 Claudia Waidacher<br />
Dialekt: Zürich und Graubünden<br />
2 Beatrice Gross<br />
Dialekt: Zürich (Winterthur)<br />
4 Philippe Derendinger<br />
Dialekt: Solothurn,<br />
Bezirk Lebern West<br />
5 Heinrich Danioth<br />
Dialekt: <strong>Uri</strong><br />
9 Lukas Wariwoda<br />
Dialekt: Oberösterreich<br />
11 Monica Kopp<br />
Dialekt: Luzerner Hinterland<br />
12 Peter Fleischmann<br />
Dialekt: u.a. Glarus<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Nur immr mer<br />
mer, mer, mer<br />
Und nüt wia Schnee!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Oj, wian er kunnt<br />
so Pfunt för Pfunt<br />
und waxt und schtiigtt!<br />
Luag, wian‘er ufanand gschtaplöt wörd!<br />
Alles zerschtüpt er,<br />
alles verkleppt er!<br />
Schtduuda und Gräba<br />
topfdeckeläba!<br />
Wiisses Korn<br />
Brot för morn<br />
Gnuag muand sie ho<br />
und drdra wörga!<br />
Schnee! Schnee! Schnee!<br />
Er söll t‘Mänscha und s’Väh sägna!<br />
Loss es ned hindari<br />
Loss es ned förschi<br />
und tuä jedi Töra vermuura!<br />
Lösungsbuchstabe: D<br />
6 Karin Hiss<br />
Dialekt: Baselstadt und<br />
Baselland<br />
8 Karin Schaedler<br />
Dialekt: Liechtenstein<br />
Y<br />
1 2 4 5 6<br />
Ä 8 9<br />
R 11 12<br />
15
Mund-Art oder die Kunst, in die W<br />
einzumünden<br />
von<br />
Dr. Josef Arnold-Luzzani:<br />
Einige Gedanken zu Danioths literarischem Werk<br />
Als Friedrich Dürrenmatt einmal aus einem seiner<br />
Werke vorlas, und zwar schriftdeutsch mit ausgeprägtem<br />
berndeutschen Akzent, bat ihn ein deutscher<br />
Zuhörer, er möge doch bitte hochdeutsch<br />
sprechen. Dürrenmatt soll erwidert haben: „Ich<br />
kann nicht höcher“! Für Dürrenmatt war auch<br />
schweizerdeutsch gefärbtes Deutsch verstehbar.<br />
Das erinnert mich an eine Begegnung mit einem<br />
deutschen Ehepaar. Als ich ihm von der eidgenössischen<br />
Gründungsgeschichte erzählte – und<br />
zwar in meinem urnerisch gefärbten Hochdeutsch<br />
– sagte die Dame ganz entzückt: „Wunderbar!<br />
Ihren Dialekt verstehe ich ja ausgezeichnet!“ Wäre<br />
es zu einem Austausch gekommen, wenn ich<br />
mich in meine Mundart eingekapselt hätte? Wenn<br />
Deutschschweizer in Anwesenheit von Deutschen<br />
nicht auf Hochdeutsch umstellen, gerät die<br />
Kommunikation ins Stocken, und die Auswärtigen<br />
fühlen sich durch diesen dialektalen Geheimcode<br />
gleichsam in ein Feindesland versetzt.<br />
Wann ist Hochdeutsch angesagt und wann Dialekt?<br />
Diese Frage stellte sich auch dem Urner<br />
Maler und Dichter Heinrich Danioth (1896 - 1953)<br />
immer wieder. Er liebte die Urner Mundart als<br />
authentischen Ausdruck der Seele der Bergler,<br />
sammelte Urner Ausdrücke und fasste sie – alphabetisch<br />
geordnet – in einem privaten Wörterbuch<br />
zusammen. Er „drechselte“ für die „Nächstenliebe“<br />
mit Lust Schnitzelbänke, verfasste unzählige Versgedichte<br />
zu allen möglichen Anlässen. 1 Er<br />
legte jedoch grossen Wert auf Echtheit und vermied<br />
den Rückzug in eine dialektale Heimattümelei.<br />
Der weitsichtige Mann wusste, dass die<br />
vielgerühmte Bodenständigkeit letztlich zur Provinzialisierung<br />
führt, wenn man nur am Vertrauten<br />
und Eigenen festhält und quasi ein idyllisches<br />
Gärtchen im „Heidiland“ pfl egt. In den Augen der<br />
Zeitgenossen war Danioth zwar „yysertänäinä“<br />
(einer von uns), in seinen Gedankengängen aber<br />
blieb er ihnen oft fern. Ihm ging es um mehr als<br />
um eine heile Welt, wie sie im Tourismusprospekt<br />
angepriesen wird. Ihn drängte es, die Hintergründe<br />
und die verborgenen Höhen und Tiefen<br />
des Menschlichen zu ergründen. Er beobachtete<br />
das Zeitgeschehen kritisch und gestaltete dazu<br />
während Jahren im Nebelspalter satirische Zeich-<br />
1 Müller, Eva-Maria: Heinrich Danioths literarisches Werk. Bibliotheksgesellschaft<br />
<strong>Uri</strong>, S. 217ff.<br />
Der Mensch ist hier der Auserwählte und Verworfene in einem. Wohl sind die Höcker seiner Stirne von<br />
hartem Trotz geschwellt, in seinem grossen Blicke aber steht das Weh des Gefangenseins. Die Leidenschaft<br />
zur Freihheit ist an ihm gerühmt - und war gefürchtet bei den Herrschern - doch in den Griffen<br />
dunkler Felsen bleibt er der Ergebene und Demütige. Gott hat ihm karges Bergland zugewiesen, dass er<br />
es nutze um zu leben. Aus kargem Bergland ruft er zurück zu Gott, er mög ihn nicht verlassen!<br />
nungen und Kommentare. In der Ausgabe vom<br />
Oktober 1933 stellte er einen Velofahrer mit einem<br />
Schweizerkreuz auf der Brust dar. Dieser fährt auf<br />
einem Rad, dessen Speichen Hakenkreuze darstellen.<br />
Im Hintergrund ruft ihm Helvetia nach: „Wenn<br />
Du das Genick brechen willst – fahr so weiter!“ 2<br />
Im „Urner Krippenspiel“ 3 verwendet Danioth eine<br />
Mischform. Die Figuren Gottvater, Teufel, Bruno<br />
und Nero (Hitler und Mussolini repräsentierend)<br />
und Engel sprechen hochdeutsch. Um aber näher<br />
an den Wegknecht Joder heranzukommen, muss<br />
der Teufel sein Edeldeutsch ablegen. Es kommt zur<br />
berühmten Szene, wo dieser seinen Zauberspruch<br />
2 Die Erdrosselung der freien Muse. Der satirische Heinrich Danioth.<br />
Herausgegeben zum Anlass der Ausstellung des Danioth Rings und des<br />
Kulturvereins <strong>Uri</strong>. 1983, S. 112.<br />
3 24. Dezember 1945 als Hörspiel am Radio gesendet; Text in Danioth<br />
Monographie, Bd. II, S. 91ff.<br />
deklamiert: „Hocus, pocus, malibocus, / Muskat,<br />
Bibernell und Kümmel! / Wandle dich zum Bauernlümmel!<br />
/ Spuckste auf Grammatica, / ist das<br />
Kuhdeutsch auch schon da! / (probierend) Chichi -<br />
Chachi - Chuchi - Chechi - / Wisi wott ä Wullätechi.<br />
Hitä tanzet diä Jung und dr Alt, / und d Süü und dr<br />
Bock und dr Schtiär und ds Chalb!...“. Die in dieser<br />
Szene präsentierte Überheblichkeit gegenüber<br />
dem kleinen Kuhschweizer und damit auch dessen<br />
Dialekt hat als politischen Hintergrund die damalige<br />
Bedrohung durch den Nationalsozialismus.<br />
Eine undefi nierbare Abwehrhaltung gegenüber<br />
Deutschen ist auch heute noch beobachtbar, und<br />
wir Schweizer sind rasch bereit, deren Verhalten<br />
als überheblich zu beurteilen. Wir regen uns<br />
etwa auf, wenn ein Deutscher mit uns bewusst<br />
langsamer zu sprechen beginnt und leiten aus<br />
16
eiten des Menschlichen<br />
Aus lauer Abendstunde wurden damals Feste, die über Tage und Nächte und über das Hüben und Drüben<br />
einer weiten Passlandschaft sich dehnten. Und Gehöft und Weiler in den Wirbel des Tanzes hineinrissen.<br />
Triumphe jungendlichen Selbstgefühls, das sich zu höchst gehoben wähnte vom Erleben des Gebirges!<br />
Geige, Handorgel und Lied verstummten nicht mehr, und das Feuer schwerer Weine loderte aus uns.<br />
Noch ist mir das Getrampel tanzender Knechte und Mägde im Ohr, und immer rieche ich die Beize ihres<br />
Schweisses. Doch meine Gefährten schweigen. Vor Jahren schon sind sie zerbrochen an der Überfülle<br />
ihres Glücks, und aus dem Gefl echte ihrer Rippen wächst die Feuerlilie!<br />
der Tempoverlangsamung argwöhnisch ab, dass<br />
der Deutsche uns als intellektuell schwerfälliger<br />
einschätzt. Mancher fühlt sich dann behandelt wie<br />
ein kleines Kind. Die Mundart wird abgewertet als<br />
agrammatisches Gequassel, weit entfernt von der<br />
Mund-“Art“, um das Wortspiel zu nennen, das den<br />
Dialekt als Kunst defi niert. Wir fühlen uns minderwertig,<br />
wenn wir mit den sprachlich gewandteren<br />
Deutschen sprechen. Die Mundart wird zur<br />
Mund-Unart, und wir schämen uns. Dahingegen<br />
zeugt Dürrenmatts „Ich kann nicht höcher“ von<br />
einer bestechenden Selbstsicherheit: Zur Mundart<br />
zu stehen, ist ein Akt der Selbstachtung. Allerdings<br />
droht die Gefahr, dass wir den Dialekt als Ausdruck<br />
unserer Identität überbetonen. Man höre etwa das<br />
Geschrei, wenn von Hochdeutsch im Kindergarten<br />
die Rede ist: Das sei die bildungspolitische Vertrei-<br />
bung aus dem Dialekt-Paradies. Unser Verhältnis<br />
zum Hochdeutschen ist gestört. Gymnasiasten<br />
und Gymnasiastinnen etwa reden mit Schülern<br />
aus Genf eher Englisch, wenn sie im Ausgang sind,<br />
um – so vermute ich – die Schriftsprache zu umgehen.<br />
Man fordert und fördert Frühenglisch, weil<br />
nur diese Sprache uns konkurrenzfähig mache.<br />
Englisch sei ein „Muss“, heisst es dann. Welch ein<br />
seltsamer Widerspruch: Hochdeutsch wird zur<br />
Bedrohung, die man abwehrt, Englisch aber zur<br />
Herausforderung, die man annehmen muss!<br />
Danioth spürte dieses Dilemma deutlich. Ob er<br />
diesen Konfl ikt mit Malen überwinden wollte?<br />
Schreibt er doch ins Skizzenbuch: „Malen heisst<br />
Literatur überwinden.“ 4 Doch er kommt von der<br />
Literatur nicht weg. Die Sprache ist für ihn auch<br />
4 Müller, Eva Maria: op.cit., S. 58.<br />
die intellektuelle Grundlage für das Malen. 1942<br />
tritt er mit der Bildermappe „Steile Welt“ 5 erstmals<br />
als Dichter in die Öffentlichkeit. Jedes der zwanzig<br />
Bilder enthält einen Text, der aber keine Bildinterpretation<br />
darstellt. Vielmehr treten Bild und Wort<br />
miteinander in einen faszinierenden Dialog, der<br />
dem Leser und Betrachter ermöglicht, differenzierter<br />
wahrzunehmen und – wie Danioth es bezeichnet<br />
– „Unterschiedlichkeiten“ 6 zu sehen. Von<br />
nun an akzeptiert der Maler auch das vorwiegend<br />
hochdeutsch festgehaltene Wort als Ausdrucksform<br />
seines Gestaltungswillens.<br />
Während er in unzähligen Arbeiten zu allen möglichen<br />
Anlässen in Dialekt schrieb, drängte es ihn<br />
besonders dann zur Schriftsprache, wenn es galt,<br />
tiefere Zusammenhänge zu erspüren. Dies kommt<br />
in einem Kommentar zum Hörspiel „Der sechste<br />
von den sieben Tagen. Ein Bericht vom Winter in<br />
den Bergen“ (1951) zum Ausdruck. 7 Er beantwortete<br />
die kritische, fast vorwurfsvolle Frage, warum<br />
er dieses Hörspiel nicht „ürnerisch“ verfasst<br />
habe, wie folgt: „...Das Menschliche ging mir über<br />
das Urnerische.“ 8 Das Menschliche ist Grenzen<br />
überschreitend. Danioth wehrte sich dagegen,<br />
nur deshalb als Heimatmaler und Heimatdichter<br />
etikettiert zu werden, weil seine Werkstatt in<br />
den urnerischen Tälern und Höhen lag und seine<br />
Gestalten Bauern, Holzer, Jäger, Fuhrknechte etc.<br />
waren. „Man hat mich eigentümlicherweise zum<br />
Heimatmaler gestempelt und doch möchte ich<br />
alles andere sein als nur der Urner. Ich spüre den<br />
Weiten des Menschlichen nach.“ 9 Menschliches<br />
hat Licht und Schatten. „Von höchster Pracht<br />
ist eine Gipfelkette in ihrem Silberglanze. Doch<br />
gewaltiger ist ihr Schatten. Der dunkle Unterbau<br />
des Berges überwiegt...“ 10 Was dieser Schatten<br />
bedeuten kann, illustriert folgende Passage: „Der<br />
Mensch ist hier der Auserwählte und Verworfene<br />
in einem. Wohl sind die Höcker seiner Stirne von<br />
hartem Trotz geschwellt, in seinem grossen Blicke<br />
aber steht das Weh des Gefangenseins. Die Lei-<br />
5 Danioth, Heinrich: Steile Welt. Monographie, Bd. II . NZN Buchverlag<br />
Zürich, S. 60ff.<br />
6 Steile Welt, Blatt 15.<br />
7 Danioth, Heinrich: Der sechste von den sieben Tagen. In: Monographie,<br />
Bd. II., S. 130ff.<br />
8 Radiozeitung <strong>Nr</strong>. 47 von 1953, S. 5.<br />
9 Textfragment aus einem Brief an Hermann Stieger. 5.06.46.<br />
10 Steile Welt, Blatt 5.<br />
17
zerstörerischen Kraft, dem der Mensch in seiner<br />
Todesangst ausgeliefert ist. Wenn das ES, wo sich<br />
„alles Unsichere, Unerfasste und Unfassbare“ 15<br />
staut, in die geordnete Welt eindringt, hilft kein<br />
Gegenzauber mehr, sei er nun christlich oder<br />
heidnisch. Es bleibt nur die magische Ergebenheit<br />
ins Schicksal, verbunden mit der Banngeste des<br />
Rosenkranzgebets im immer gleichen „Tigg Tagg“<br />
der Wanduhr. Man steht wie gebannt vor dem<br />
Naturereignis, das mit archaischer Kraft wütet:<br />
„Bald wühlte er (der Sturm) den Schnee in weiten<br />
Schlingen zu kreisendem Gestöber auf, bald blies<br />
er ihn zu Wirbeln, die rasend über das Gelände<br />
fegten... Aus diesem Chaos wölbt sich für und für<br />
die grosse Wächte auf dem Steilhang ob den Häusern.<br />
Sie wölbt sich Schicht auf Schicht zu einem<br />
Überhang, der einmal stürzen muss...“ 16<br />
Der Maler Heinrich Danioth hat Sprachbilder geschaffen,<br />
die sich ins kulturelle Gedächtnis der<br />
Menschen eingeprägt haben. Seine Art zu schreiben<br />
ist nicht nur eine Mundart-Kunst, sondern<br />
auch Schriftsprache-Kunst, welche die Seelen der<br />
Leserschaft in die grossen Weiten des Menschlichen<br />
einmünden lässt.<br />
15 Renner Eduard: Goldener Ring über <strong>Uri</strong>. Ex libris Lizenzausgabe. Zürich<br />
1978, S. 147-165.<br />
16 Der sechste von den sieben Tagen, S. 141f.<br />
denschaft zur Freiheit ist an ihm gerühmt – und<br />
war gefürchtet bei den Herrschern – doch in den<br />
Griffen dunkler Felsen bleibt er der Ergebene und<br />
Demütige. Gott hat ihm karges Bergland zugewiesen,<br />
dass er es nutze, um zu leben. Aus kargem<br />
Bergland ruft er zurück zu Gott, er möge ihn nicht<br />
verlassen!“ 11 Diese Charakterisierung der Bergler<br />
dürfte auch auf einen Bewohner der französischen<br />
oder slowenischen Alpen, oder Bauern in Afghanistan<br />
oder Tibet zutreffen.<br />
Immer wieder kreist Danioths literarisches Werk<br />
um das Thema „Mensch und bedrohliche Landschaft“.<br />
Sein Freund Eduard Renner hat dafür<br />
Worte von archaischer Kraft gefunden: „Es sind<br />
die alten geistigen Kräfte, die vergessen in der<br />
allmenschlichen Seele schlummern und wieder<br />
erwachen, wenn der Mensch vor einer Umwelt<br />
steht, welche in ihrer grausen Grösse und letzten<br />
Öde die Gefahren der Urzeit heraufbeschwören.“ 12<br />
Ein Symbol dieser grausen Grösse und Öde ist in<br />
Danioths Werk immer wieder der Schnee. Schnee<br />
fasziniert: „Die Flocken ... für Kinderherzen die<br />
Silbersterne eines Wunderreiches ...“ und schreckt<br />
ab: „... mit den Dämpfen aus der Tiefe, mischt sie<br />
der Schneefall jetzt zu einem wahrhaft höllischen<br />
Gemenge“. 13 Schnee ist ein in der Hasslitanei 14 beschriebenes<br />
Teufelswerk:<br />
Schnee! Schnee! Schnee! / nur immer meh, meh,<br />
meh! /<br />
Schnee, Schnee, Schnee! / Häi – wiä-n-är chunnt /<br />
so Pfund fi r Pfund, /<br />
und waxt und schtygt! / Lüeg, wiä›s ä bygt!<br />
Alles verschtäibt är! / alles verchläibt är! / Schtüüdä<br />
und Gräbä, / topfteckeläbä! /<br />
Wysses Chorä / Brot fi r morä! / Gnüeg miänt-s›<br />
ha/ und wirgä dra! /<br />
Schnee! Schnee! Schnee! / Är bsägni Mänsch und<br />
Veh! /<br />
Lachs nit hindärä, / lach s› nit fi rä / und vermüür /<br />
ä jedi Tirä!<br />
Das ist Dialekt-Kunstgesang auf höchstem Niveau!<br />
Die Schnee-Beschwörung trägt animistische<br />
Züge, wird das weisse Element doch von einem<br />
teufl ischen Geisterwesen herbeigezaubert. Der<br />
Schneefall: ein teufl ischer Streich! Nur ein christlicher<br />
„Gegenzauber“ könnte ihn verhindern. In der<br />
schriftsprachlichen Passage von „Der sechste von<br />
den sieben Tagen“ wird der Schnee zu einem unaufhaltsamen<br />
bedrohlichen Schicksal und zu einer<br />
11 Steile Welt, Blatt 1.<br />
12 Eduard Renner: Erratische Blöcke. In: „Du“, August 1951.<br />
13 Der sechste von den sieben Tagen, S. 141.<br />
14 Urner Krippenspiel, S. 98.<br />
18
Sie bringen die Volksmusik<br />
von Florian Arnold<br />
„zunderobsi“<br />
Ihre Kollegen hören lieber Metal als Volksmusik. Doch die vier Musiker<br />
von „Zunderobsi“ – vier ehemalige Kollegi-Schüler – lassen sich nicht<br />
beirren. Zumindest hat man sie in der Szene offen empfangen.<br />
Er wurde schräg angeschaut, als er von seinem<br />
neuen Musikprojekt erzählte. „Meine Kollegen hören<br />
alle Metal“, erzählt Bassist Dominik Rohrer aus<br />
Bürglen. Volksmusik passte da nicht wirklich dazu.<br />
Seine Freundin reagierte nicht anders. „Sie sagte<br />
zu mir, dass sie nie an ein Konzert kommen werde.“<br />
Doch als sie sich einmal überwand, habe sie<br />
zugeben müssen, dass es „eigentlich noch cool“<br />
töne, sagt Rohrer.<br />
Stil fordert Publikum<br />
Die Musik von „Zunderobsi“ – so nennen sich<br />
die vier jungen Urner – tönt zwar nach Ländler,<br />
aber eben doch nicht. „Zunderobsi“ heisst im<br />
Urner Mundart etwa so viel wie „durcheinander“.<br />
Mal ist ihre Musik ganz rhythmisch, dann wieder<br />
ruhig und sanft. Mal tönt es schräg, dann wieder<br />
mystisch, dann temperamentvoll. Einmal wird die<br />
Handorgel- von der Klarinettenstimme gejagt,<br />
dann wieder umgekehrt. Ihren Stil zu beschreiben<br />
sei gar nicht so einfach, sagt Pianist Jonas Gisler<br />
aus Seedorf: „Wir sind immer am Suchen.“<br />
Auf ihrer Facebook-Seite posieren sie statt vor<br />
einem Bergmassiv vor einer Graffi tiwand. Im Profi<br />
l heisst es „Zunderobsi Newfolkmusik“ – neue<br />
Volksmusik. Wobei diese Beschreibung etwas<br />
trügerisch sei, so Gisler: „Viele verstehen unter<br />
Volksmusik einfache Musik, die eben das ganze<br />
Volk hört.“ Der Zunderobsi-Stil fordere aber das<br />
Publikum. „Wir nehmen altes, traditionelles Material<br />
und experimentieren damit“, sagt Akkordeonist<br />
Felix Bissig aus Altdorf. „Wir spielen aber alles auf<br />
unsere eigene Art.“ Die vier orientieren sich dabei<br />
vor allem an der bekannten Gruppe „Hujässler“<br />
mit Markus Flückiger und Dani Häusler. Von dieser<br />
Gruppe spielt „Zunderobsi“ auch einige Kompositionen.<br />
Die Arrangements für ihre Besetzung haben<br />
die jungen Musiker selber notiert. Auch Eigenkompositionen<br />
sind im Repertoire der Urner.<br />
„Hujässler“ brachten sie auf den Geschmack<br />
Die vier Urner haben auf ihren Instrumenten vor<br />
allem Klassik gespielt. Bis dem Klarinettisten Dominik<br />
Bissig und dem Akkordeonisten Felix Bissig<br />
Noten der „Hujässler“ in die Hände kamen. Auch<br />
Pianist Jonas Gisler und Bassist Dominik Rohrer<br />
liessen sich begeistern. Der neue Stil macht ihnen<br />
Spass. „Man kann extrem viel machen“, sagt Jonas<br />
Gisler. „Vieles wirkt schnell neu und abwechslungsreich.“<br />
Die Musik eigne sich aber weniger für die Beiz.<br />
„Da müssten wir das Repertoire etwas umstellen“,<br />
so Gisler. „Doch wir sind sehr offen in der Szene<br />
aufgenommen worden“, erzählt Dominik Bissig. So<br />
seien sie von jemandem weiterempfohlen worden,<br />
noch bevor sie die Person spielen gehört hatte.<br />
Und von Markus Flückiger, einem ihrer Vorbilder,<br />
bekamen sie sogar exklusive Tipps.<br />
Hardcore-Ländlerfans sind kritisch<br />
Hartgesottene Ländlerfans seien ihnen gegenüber<br />
eher kritisch, sagt Dominik Bissig aus Altdorf.<br />
„Aber sie getrauen sich fast nicht, es uns zu sagen.“<br />
Weil ihre Stücke anders tönen, würden sie<br />
eben auch Publikum erreichen, das sonst keine<br />
Volksmusik hört. „Wir hören vor allem Positives.<br />
Einige warten bereits darauf, dass wir die erste CD<br />
rausgeben“, sagt der Klarinettist.<br />
Im Dezember gab „Zunderobsi“ das erste grosse<br />
Konzert im grossen Urner Saal des Theaters <strong>Uri</strong><br />
(Tellspielhaus) in Altdorf. Fast ein Jahr lang hatten<br />
sich die Musikanten darauf vorbereitet. Dafür gab<br />
es viel Applaus vom zahlreich erschienenen Publikum<br />
und gute Rückmeldungen. Das Konzert bleibt<br />
ihnen bestimmt als Anfang einer Karriere in Erinnerung.<br />
Denn danach folgten unzählige Auftritte –<br />
vor kleinerem und grösserem Publikum.<br />
Tönt ganz danach, als ob die vier jungen Urner<br />
noch lange zusammenbleiben möchten. Weitere<br />
Auftritte sind geplant. Doch nur werde das Proben<br />
immer schwieriger, sagt Dominik Bissig. Denn drei<br />
von vier Musiker haben im Sommer 2012 die Matura<br />
gemacht. Nun verschlägt es sie in ganz unterschiedliche<br />
Richtungen. Jonas Gisler und Dominik<br />
Rohrer möchten Musik studieren und besuchen ab<br />
Herbst <strong>2013</strong> das Vorstudium an der Musik-Hochschule<br />
in Luzern. Felix Bissig studiert an der ETH<br />
Erdwissenschaften und Dominik Bissig ist in der<br />
Ausbildung zum Bauingenieur. Trotzdem sind sie<br />
entschlossen: „Wir möchten weiterhin zusammen<br />
Musik machen.“<br />
19
Helden, Mythen, S<br />
Projekt Deutsch / Bildnerisches Gestalten (PUQE)<br />
Die Klassen 2a und 2b lasen in Gruppen verschiedene Bücher von Auguste Lechner.<br />
Die Autorin erzählt in ihren Büchern Sagen und Mythen der Antike und des<br />
Mittelalters neu für ein jüngeres Publikum. Sie adaptiert nicht nur die griechischen<br />
Stoffe um Herkules, der Ilias, der Odyssee, sondern auch die römische Aeneis, die<br />
Artussagen, die Nibelungen und Parzival.<br />
Die Gruppen stellten der ganzen Klasse die verschiedenen bildhaften und ereignisträchtigen<br />
Geschichten vor, was in Anbetracht der Stofffülle nicht immer so<br />
einfach war.<br />
Die Auseinandersetzung mit den klassischen Sagenstoffen fand ihre Fortsetzung<br />
im bildnerischen Gestalten. Als Einstieg wurden den Schülerinnen und Schülern<br />
Grundlagen zur Textillustration und zum Aufbau eines Comic vermittelt. Das Erlernte<br />
setzen die beiden Klassen in Einzel- und Gruppenarbeiten vielfältig und mit<br />
verschiedenen Techniken um: Die Sagenfi guren erhielten ein Gesicht, wichtige<br />
Szenen wurden gezeigt....<br />
Anita Musch, Michel Gogniat, Claudia Waidacher<br />
Bericht Sagenprojekt<br />
Schuljahr 2012/13<br />
Wir Schülerinnen und Schüler der 2a und 2b hatten im Fach<br />
Deutsch den Auftrag, griechische Sagen zu lesen, wie zum<br />
Beispiel „Alexander der Grosse“, und danach in Dreiergruppen<br />
einen Vortrag darüber zu gestalten, was uns teilweise ziemlich<br />
herausforderte, aber doch sehr interessant war.<br />
Auch im Fach „Bildnerisches Gestalten“ mussten wir uns mit<br />
diesen Sagen auseinandersetzen. Wir erhielten die Aufgabe, drei<br />
Arbeiten zu machen. Bei der ersten stand der Held der Sage im<br />
Mittelpunkt, die andere war eine Gruppenarbeit und als Letztes<br />
mussten wir die gesamte Handlung der Sage bildnerisch darstellen,<br />
aber in einer modernen Form. Bei dieser Arbeit konnten wir<br />
sehr kreativ sein, was uns allen sehr gefi el.<br />
Zum Schluss des Projektes fand kurz vor den Sommerferien<br />
noch eine kleine Ausstellung im Eingangsbereich des Kollegis<br />
statt. Die Ausstellung wurde mit einem Apéro eröffnet, nach<br />
einer kurze Ansprache der Lehrpersonen konnten wir Schülerinnen<br />
und Schüler beider Klassen einige der gezeichneten<br />
Werke bestaunen.<br />
Tiffany und Julia<br />
Wie heisst das blaue glace??<br />
Merci<br />
Ja<br />
Aaalte es gut es geilers s4<br />
Mit ohni samsung android<br />
Ich hol mier es s4<br />
Angelo nlu<br />
Blu<br />
He more 15.- susch gits zins 2.- pro tag<br />
Ok<br />
:)<br />
sms<br />
Die<br />
Serie in diesem Heft<br />
stammt von Drittklässlern der<br />
<strong>Kantonale</strong>n <strong>Mittelschule</strong> <strong>Uri</strong>.<br />
He mach ich die folie mit d<br />
Ich mach ja die sehenswürd<br />
Jaa machsch du au nu<br />
Ja besser<br />
??<br />
Hä<br />
20
agen<br />
Hesch du dis Zahnbürstli bi miär<br />
vergesse?<br />
Nei ich ha mis Zahnbürstli mitgnu<br />
wiso?<br />
Au guät will miär hend ja s gliche :)<br />
touristesache au no?<br />
keite bim usfl ug<br />
Also sehenswürdigkeite<br />
Und was isch mit culture?<br />
Culture lemmer use<br />
Und ich muess dir folur au???<br />
Chemmer nid dass ich site de... und<br />
aquarium und du die andere 2 machsch?<br />
21
«Kollegi-Träff»<br />
9. November <strong>2013</strong><br />
Generalversammlung der Ehemaligen, Podiumsgespräch zum Thema<br />
„Medien“ und Gemütlichkeit<br />
Am Samstag, 9. November <strong>2013</strong>, kurz nach dem<br />
Namensfest von Karl Borromäus, bietet sich im<br />
Kollegi die Gelegenheit, zurückzublicken und vorwärts<br />
zu schauen.<br />
Um 15.00 Uhr beginnt die Generalversammlung<br />
des Vereins der Ehemaligen und Freunde (V E&F)<br />
des Kollegiums. In der Kollegi-Kapelle feiert der<br />
Verein im kleinen Rahmen sein 20-Jahr-Jubiläum.<br />
1993 wurde der VE&F auf Initiative des damaligen<br />
Rektors Dr. Josef Arnold gegründet. Die 10. GV<br />
bietet Gelegenheit, auf 20 bewegte Jahre zurückzublicken,<br />
in denen der Verein die Geschicke und<br />
Entwicklung der Schule eng begleitet hat.<br />
Der Kollegi-Treff (ab 16.00 Uhr) bietet wiederum<br />
Gelegenheit, Leute wiederzusehen, die ihre Karriere<br />
einst an einer der Schulen am Kollegi begonnen<br />
haben. Dieses Jahr kehren erfolgreiche Medienschaffende<br />
dorthin zurück, wo zumindest ein Teil<br />
ihrer schulischen Wurzeln liegt. Michael Zezzi,<br />
Moderator bei Radio SRF 3 und im Regionaljournal<br />
Zentralschweiz; Felice Zenoni, Dokumentarfi lmer;<br />
Mario Poletti, Chefredaktor der Rundschau; Omar<br />
Gisler, Journalist und Kommunikationsverantwortlicher<br />
von Ticino Turismo und Marian Balli, Moderatorin<br />
im Regionaljournal Zentralschweiz lassen<br />
die Gäste eintauchen in die Welt der Medien. Das<br />
Gespräch steht unter der Leitung von Bruno Arnold,<br />
Redaktionsleiter der Neuen Urner Zeitung.<br />
Neben Ausschnitten und Reminiszenzen aus dem<br />
Schaffen der Gäste erfahren Sie mehr über den<br />
Werdegang und ihre heutige Tätigkeit. Dabei werden<br />
bestimmt auch Erinnerungen an die Kollegi-<br />
Zeit geweckt!<br />
Anschliessend an den Kollegi-Träff besteht am<br />
Apero die Möglichkeit, alte Bekannte wieder zu<br />
treffen und neue Bekanntschaften zu knüpfen. Im<br />
Versammlungsraum im Obergeschoss besteht die<br />
Möglichkeit, die Gespräche im gemütlichen Rahmen<br />
bei einem Nachtessen fortzusetzen.<br />
Lösung des Dialekträstels auf Seite 14<br />
Ein Chyybääderli ist laut dem Urner Mundart Wörterbuch von Felix Aschwanden:<br />
1. besonders empfi ndlicher Ellenbogennerv, Narrenbein<br />
2. ein im Jahre 1969 gegründetes Altdorfer Kabarett<br />
22
Bestell-Talon: Neues Urner Mundartörterbuch<br />
Subskriptionspreis: Fr. 55.— (gültig bis Ende Mai <strong>2013</strong>) / Porto und Verpackung: Fr. 9.—<br />
Preis Fr. 69.--<br />
Porto Späterer und Verpackung Ladenpreis: Fr. 9.-- Fr. 69.— (Bestellungen können ab 18.11.<strong>2013</strong> am Schalter Sekretariat<br />
(Bestellungen Kantonsbibliothek können abgeholt 18.11.<strong>2013</strong> werden.) am Schalter Sekretariat Kantonsbibliothek abgeholt werden.)<br />
Anzahl Exemplare:<br />
wird abgeholt <br />
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Anrede:<br />
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Talon einschicken an: Kantonsbibliothek <strong>Uri</strong> Stiftung, Bahnhofstr. 13, CH – 6460 Altdorf<br />
Bestellung per Fax oder Telefon: Tel. ++41 41 875 22 21 / Fax ++41 41 875 22 26<br />
Online-Bestellung: www.kbu.ch oder Mail an: kantonsbibliothek@ur.ch bzw. goennerverein@ur.ch<br />
Heey :)<br />
Chunsch hütt ah see?<br />
Ja voll<br />
Wemmer so am 2i?<br />
Hesch du mathe<br />
scho gmacht?<br />
Ich au nid :(<br />
ja sicher, isch mega heiss!!<br />
um weli zit wemmer?<br />
okay:)<br />
nei, ich schnalls voll nid :(<br />
du?<br />
OK :(<br />
sms<br />
Die<br />
Serie in diesem Heft<br />
stammt von Drittklässlern der<br />
<strong>Kantonale</strong>n <strong>Mittelschule</strong> <strong>Uri</strong>.<br />
Chasch englisch?<br />
Scho fertig glernt?<br />
Jaja das seit di richtig :)<br />
Nö<br />
nee<br />
nei. hey, hey no nid am schlafe??<br />
pahaa :P Du scho fertig glernt?<br />
23
FELIX ASCHWANDEN<br />
NEUES<br />
1200<br />
DIE<br />
Geschenk<br />
Idee!<br />
SEITEN STARK<br />
UND RUND 300<br />
ILLUSTRIERTE<br />
BEGRIFFE<br />
(500 Seiten mehr<br />
als bei der ersten<br />
Ausgabe)<br />
Basierend auf dem<br />
«URNER MUNDART WÖRTERBUCH»<br />
(1982) von Felix Aschwanden<br />
und Walter Clauss.<br />
SUBSKRIPTIONS-BESTELLUNG<br />
Impressum <strong>Passwort</strong><br />
Subskriptionspreis: Aufl age 1150Fr. 55.— (gültig bis Ende Mai <strong>2013</strong>) / Porto und Verpackung: :Fr. 9.—<br />
Späterer Ladenpreis: Erscheint zweimal Fr. im 69.— Jahr (Bestellungen können ab 18.11.<strong>2013</strong> am Schalter Sekretariat<br />
Kantonsbibliothek Herausgeber abgeholt werden.)<br />
Verein der Ehemaligen und Freunde<br />
Anzahl Exemplare: der <strong>Kantonale</strong>n <strong>Mittelschule</strong> <strong>Uri</strong><br />
<strong>Kantonale</strong> <strong>Mittelschule</strong> <strong>Uri</strong><br />
wird abgeholt Bestellung per Post zustellen <br />
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Redaktion<br />
Verein der Ehemaligen<br />
Adrian Zurfl uh<br />
<strong>Kantonale</strong> <strong>Mittelschule</strong> <strong>Uri</strong><br />
Dr. Ivo Frey, Rektor<br />
Marcel Huwyler Prorektor<br />
Ulrich Köchli, Lehrer<br />
Sarah Weber, Lehrerin<br />
Anja Dahinden, Bibliothekarin<br />
Layout und Gestaltung<br />
Anja Dahinden<br />
Korrektorat<br />
Ulrich Köchli<br />
Anrede:<br />
Vorname:<br />
Ort:<br />
24<br />
E-Mail: Druck<br />
Druckerei Gasser AG<br />
6472 Erstfeld<br />
Talon einschicken an: Kantonsbibliothek <strong>Uri</strong> Stiftung, Bahnhofstr. 13, CH – 6460 Altdorf<br />
Bestellung per Fax oder Telefon: Tel. ++41 41 875 22 21 / Fax ++41 41 875 22 26