Skript Unternehmensführung 1
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<strong>Skript</strong> <strong>Unternehmensführung</strong> 1<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 1
Prof. Dr. B. Dohmen/WS 20013/14, 5. Semester Landwirtschaft<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> für AGRAR-Unternehmen (Teil I)<br />
1. <strong>Unternehmensführung</strong> als Managementprozess<br />
1.1 Aufgaben der <strong>Unternehmensführung</strong><br />
1.2 Anforderungen an die Persönlichkeitsmerkmale von Managern<br />
1.3 Führungsstile und ihre Beurteilung<br />
1.4 Die Zielsetzungsprozess im landwirtschaftlichen Unternehmen<br />
1.5 Der Planungs- und Entscheidungsprozess<br />
1.5.1 Arten der Planung<br />
1.5.2 Theorie des Entscheidens<br />
1.5.3 Instrumente zur Planung und Entscheidungsfindung<br />
1.5.3.1 Informationsbereitstellung durch Informationssysteme<br />
1.5.3.2 Planungstechniken<br />
1.5.3.2.1 Qualitative Planungstechniken<br />
1.5.3.2.2 Quantitative Planungstechniken<br />
1.5.3.2.2.1 Mathematische Optimierungsverfahren<br />
1.5.3.2.2.2 Heuristisch experimentelle Verfahren<br />
1.5.3.2.2.3 Finanzmathematische Verfahren (Investitionsrechnung)<br />
1.6 Betriebsvergleiche im Kontrollprozess<br />
1.6.1 Kennzahlen und Gruppierungsmerkmale<br />
1.6.2 Horizontale Betriebsvergleiche<br />
1.6.3 Vertikale Betriebsvergleiche<br />
1.6.4 Benchmarking<br />
2. Management des bio-ökonomischen Subsystems „Produktion“<br />
2.1 Spezielle Bereiche zur Prozessoptimierung in der Pflanzenproduktion<br />
2.1.1 Bereich Pflanzenschutz<br />
2.1.1.1 Ökonomik des Pflanzenschutzes<br />
2.1.1.2 Resistenzmanagement<br />
2.1.2 Präzisionslandwirtschaft<br />
2.1.2.1 Fahrerassistenzsysteme<br />
2.1.2.2 Ortsspezifischer Pflanzenbau<br />
2.2 Spezielle Bereiche zur Prozessoptimierung in der Tierproduktion<br />
2.2.1 Wahl der Fütterungsstrategie in der Milchproduktion<br />
2.2.2 Bestimmung des optimalen Mastendgewichtes<br />
2.3 Bestimmung der optimalen Produktionsrichtung<br />
2.3.1 Gegenstand und Basis einer Betriebsplanung<br />
2.3.2 Betriebsvoranschlagsmodelle – Möglichkeiten und Grenzen<br />
2.3.3 Einsatz linearer Programmierungsmodelle (vgl. LP-<strong>Skript</strong>)<br />
2.3.4 Fallstudie mit Übungen am PC (vgl. LP-<strong>Skript</strong>)<br />
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3. Management des soziotechnischen Subsystems Beschaffung<br />
3.1 Beschaffung von Verbrauchsgütern (Beschaffung i.e.S.)<br />
3.1.1 Der Beschaffungsplan<br />
3.1.1.1 Bedeutung der Lagerhaltung im Beschaffungsprozess<br />
3.1.2.2 Kosten der Lagerhaltung<br />
3.1.2.3 Optimaler Lagerbestand bei kontinuierlichem Verbrauch<br />
3.1.2.4 Optimaler Bestellzeitpunkt bei diskontinuierlichem Verbrauch<br />
3.1.2 Gestaltung rechtlicher Rahmenbedingungen<br />
3.1.3 Kontrolle des Beschaffungsablaufes<br />
3.2 Beschaffung von Gebrauchsgütern<br />
3.2.1 Grundsätzliche Überlegungen zur Beschaffung von Nutzfläche<br />
3.2.1.1 Mögliche Zupachtmodelle<br />
3.2.1.2 Beurteilung von Landkauf<br />
3.2.1.3 Crop Sharing<br />
3.2.2 Beschaffung von Maschinen<br />
3.2.2.1 Eigenmechanisierung<br />
3.2.2.2 Überbetriebliche Maschinenverwendung (ÜMV)<br />
3.3 Beschaffung von Rechten<br />
3.3.1 Rechtsformen für landwirtschaftliche Unternehmen<br />
3.3.1.1 Kriterien zur Beurteilung einzelner Formen<br />
3.3.1.2 Besonderheiten: EG, „Mini-GmbH“ und GmbH & Co.KG<br />
3.3.2 Bezugs- und Absatzrechte in der Landwirtschaft<br />
3.4 Beschaffung von Kapital<br />
3.4.1 Finanzierungsmöglichkeiten aus der Sicht der Kapitalherkunft<br />
3.4.2 Finanzplanung<br />
3.4.3 Bedeutung des „Ratings“ durch Banken (Basel II)<br />
3.5 Beschaffung von Arbeitskräften<br />
4. Management des soziotechnischen Systems Absatz<br />
4.1 Marketing-Mix in der Primärstufe der Agrarwirtschaft<br />
4.1.1 Produktpolitik<br />
4.1.2 Preispolitik in der Landwirtschaft<br />
4.1.3 Distributionspolitik<br />
4.1.3.1 Direktvermarktung<br />
4.1.3.2 Horizontale Integration<br />
4.1.3.3 Vertikale Integration<br />
4.1.4 Kommunikation<br />
4.2 Lagerhaltung im Absatzprozess<br />
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5. Literaturhinweise:<br />
Bodmer U. und Heissenhuber A.: Rechnungswesen in der Landwirtschaft. Stuttgart<br />
1993<br />
Dabbert S. und J. Braun: Landwirtschaftliche Betriebslehre Grundwissen Bachelor.<br />
UTB Stuttgart 2006<br />
Doluschitz R. u. Spilke J.: Agrarinformatik Stuttgart 2002<br />
Giselbrecht: Handbuch der Betriebsfinanzierung in der Landwirtschaft. Bayrische<br />
Raiffeisen Vertriebs- und Verlagsges., München 19??<br />
Kuhlmann F.: Betriebslehre der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Stuttgart 2003<br />
Mohr R.: Vermarktungsstrategien für den Landwirtschaftlichen Betrieb, 2006 Berlin,<br />
UFOP-Praxisinformation<br />
Mußhoff, O. u. Hirschauer N.: Modernes Agrarmanagement, München 2010<br />
Odening M. und Bokelmann W.: Agrarmanagement Landwirtschaft und Gartenbau. Stuttgart<br />
2000<br />
Reisch: Betriebs- und Marktlehre. Stuttgart 1994<br />
Reisch und Zeddies: Einführung in die landwirtschaftliche Betriebslehre. Spezieller<br />
Teil, Stuttgart 1992<br />
Scheuerlein A.: Finanzmanagement für Landwirte. München 1997<br />
Steinhauser, Langbehn, Peters: Einführung in die lw. Betriebslehre - Allgemeiner<br />
Teil. Stuttgart 1992<br />
Steffen/Born: Betriebs- und <strong>Unternehmensführung</strong> in der Landwirtschaft. Stuttgart 1987<br />
Wagner P.: Marketing in der Agrar- und Ernährungswirtschaft, Stuttgart 2000<br />
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1. <strong>Unternehmensführung</strong> als Managementprozess<br />
Landwirtschaftliche Unternehmen sind genauso wie gewerbliche Unternehmen zielgerichtete,<br />
zweckorientierte soziotechnische Wirtschaftssystemsysteme, in deren Transformationsprozesse<br />
mit einer bestimmten Zielsetzung eingegriffen wird. Da alle Eingriffe<br />
letztendlich zielgerichtete Auswahlhandlungen darstellen, ist <strong>Unternehmensführung</strong> in<br />
seiner Gesamtheit sowie in den Einzelaktionen ein laufend zu bewältigender Managementprozess,<br />
der sich gemäß Abb. 1 in verschiedene Phasen einteilen lässt. In diesen<br />
sind 5 markante Punkte erkennbar: Ziele setzen, planen, organisieren, realisieren und<br />
schließlich kontrollieren.<br />
Abb. 1: Phasen im Managementprozess<br />
Diese Punkte sind von der <strong>Unternehmensführung</strong> im Rahmen der einzelnen Mangamentphasen<br />
aufzugreifen und umzusetzen. Dabei zählen zur <strong>Unternehmensführung</strong> Entscheidungsbefugte<br />
(Führungskräfte bzw. Manager), d. h. im Unternehmen tätige Personen,<br />
denen die Verantwortung für die einzelnen Phasen des Managementprozesses obliegt.<br />
Wir erkennen an dieser Stelle, dass der Begriff „<strong>Unternehmensführung</strong>“ im allgemeinen<br />
Sprachgebrauch doppeldeutig verwendet wird: Zum einen ist der Prozess der Führung<br />
eines Unternehmens gemeint, zum andern das „Top-Management“, also die obersten<br />
Führungskräfte. In der Landwirtschaft können in kleinen Unternehmen Führungskraft und<br />
Arbeitskraft in einer Person vereint sein, nämlich dem „Landwirt“. In größeren deutschen<br />
Agrarunternehmen ist die Anzahl der Führungskräfte „sehr schlank gehalten, und beschränkt<br />
sich auf maximal zwei Führungsebenen: Geschäftsführer bzw. Vorstände (AG<br />
bzw. e.G.) und ggf. noch Bereichsleiter.<br />
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1.1 Aufgaben der <strong>Unternehmensführung</strong><br />
Je nachdem, ob die <strong>Unternehmensführung</strong> unmittelbar auf den Betrieb bzw. das Unternehmen<br />
einwirkt, oder sich mit der Wahrnehmung der Beziehungen nach außen befasst,<br />
spricht man von direkten oder indirekten Aufgaben der <strong>Unternehmensführung</strong>.<br />
Zu den direkten Aufgaben der <strong>Unternehmensführung</strong> im Rahmen des Managementprozesses<br />
(vgl. Abb. 1) zählen:<br />
a) Lenkung<br />
b) Leitung<br />
c) Verwaltung<br />
Zu a (Lenkung):<br />
Die Unternehmensleitung bereitet bei dieser Aufgabe das Unternehmen auf die Zukunft<br />
vor. Dabei gilt es zunächst Ziele zu setzen und eine Strategie, d.h. einen Leitfaden zur<br />
Gestaltung des Unternehmens zu entwickeln. Vorstellungen über die künftigen Entwicklungen<br />
(ggf. Visionen) in Verbindung mit angestrebten Zielen (vgl. Kap. 1.4) werden in<br />
langfristige Organisationsplanungen mit konkreten Maßnahmen eingearbeitet. Aufgaben<br />
dieser Art sind im Regelfall Gegenstand der strategischen <strong>Unternehmensführung</strong>.<br />
Zu b (Leitung):<br />
Hierbei handelt es sich um die Steuerung des aktuellen Betriebsablaufes, dem sogenannten<br />
„operativen Geschäftsablauf“.<br />
Im Rahmen der technischen Leitung fallen u.a. auch die Vorbereitung und Bereitstellung<br />
von Produktionsmitteln sowie die Anweisung bzw. Einweisung von Arbeitskräften.<br />
In das Aufgabenfeld der wirtschaftlichen Leitung gehört neben Bezugs- und Absatzentscheidungen<br />
vor allem auch die Planung der kurzfristigen Betriebsorganisation. Mit<br />
jeder Einzelentscheidung im Leitungsprozess, die sich den strategischen Richtlinien unterordnen<br />
muss, sind z.T. signifikante Auswirkungen auf das Betriebsergebnis (Gewinn) sowohl<br />
nach oben als auch nach untern verbunden.<br />
Schließlich gehört zur Leitung auch die Organisation und Realisierung von getroffenen<br />
Entscheidungen.<br />
Zu c (Verwaltung):<br />
Zunächst seien hier die registrierenden Verwaltungstätigkeiten genannt: Buchführung ggf.<br />
inkl. einer Kosten- und Leistungsrechnung, das Führen von Ackerschlagkarteien bzw.<br />
Herden-Managementprogrammen, die Erfüllung entsprechender Dokumentationspflichten,<br />
die Schriftgutablage u.a. gehören zu diesem Bereich der Verwaltung.<br />
Zu den gestaltenden Aufgaben der Verwaltung zählen der Geldverkehr, das Ausfüllen von<br />
Formularen und Anträgen sowie die gesamte Geschäftskorrespondenz.<br />
Schließlich bildet der gesamte Bereich der Kontrolle (Bezugs-, Produktions- und Absatzkontrolle)<br />
einen wichtigen Teil der Verwaltungsaufgaben. Große Industrieunternehmen<br />
bilden ganze Abteilungen (Unternehmenscontrolling oder Stäbe), die sie mit<br />
dieser Aufgabe beauftragen.<br />
Im Rahmen der Wahrnehmung indirekter Aufgaben der <strong>Unternehmensführung</strong> sind im<br />
Wesentlichen 3 Schwerpunkte zu nennen:<br />
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d) Interessenvertretung<br />
e) Aufgabendelegation<br />
f) Aus- und Weiterbildung<br />
Zu d (Interessenvertretung):<br />
Neben der klassischen Interessenvertretung im Berufsverband oder im Genossenschaftswesen<br />
zählt heute immer mehr Interessenvertretung nach außen zu diesem Bereich.<br />
Die Bedeutung von PR-Maßnahmen (Öffentlichkeitsarbeit) darf gerade heute auch<br />
in der Landwirtschaft nicht unterschätzt werden, auch wenn sie meist das Einzelunternehmen<br />
ressourcenmäßig überfordern. Der „Tag des offenen Hofes“ ist aber beispielsweise<br />
eine derartige PR-Maßnahme, die von jedem landwirtschaftlichen Unternehmen<br />
geleistet werden kann. Der Aufkleber „Landwirtschaft dient allen“ war sicherlich eine gelungene<br />
PR-Maßnahme, die vom Berufsverband und der deutschen Agrarmarketinggesellschaft<br />
ins Leben gerufen wurde.<br />
Zu e (Aufgabendelegation):<br />
Gemeint ist hier die Vergabe von Arbeiten an betriebsfremde Personen bzw. Drittfirmen.<br />
Beratung, externe Buchführung, Lohndrusch etc. sind Beispiele hierfür. Letztendlich kann<br />
auch die Kooperation mit anderen landwirtschaftlichen Unternehmen eine Art Aufgabendelegation<br />
darstellen.<br />
Zu f (Aus- und Weiterbildung):<br />
Hier haben auch landwirtschaftliche Unternehmen eine soziale Verantwortung, denn die<br />
Leitlinie der sozialen Marktwirtschaft „Eigentum verpflichtet“, gilt nicht nur für das Gewerbe.<br />
Wer nicht in die Weiterbildung seiner Mitarbeiter investiert, lässt „Humankapital verkommen“.<br />
Im ländlichen Raum der neuen Bundesländer kommt gerade landwirtschaftlichen<br />
Unternehmen bei der Ausbildung von Jugendlichen eine zentrale Rolle zu.<br />
Betriebliche Weiterbildung steht bei der gewerblichen Wirtschaft schon lange hoch im<br />
Kurs. Neben dem Besuch von Tagungen, Fachmessen und Fachvorträgen gehört das<br />
Lernen am Arbeitsplatz sowie das selbstgesteuerten Lernen zu den am häufigsten genutzten<br />
Formen der Weiterbildung in der Industrie. In der Landwirtschaft wird sträflicherweise<br />
berufliche Weiterbildung noch als ein „Luxus“ betrachtet, den man sich nicht leisten<br />
kann.<br />
Zu beachten ist, dass Aus- und Weiterbildung nicht nur eine finanzielle Frage ist, sondern<br />
die Maßnahmen müssen auch sehr gut vorbereitet sein. Nicht jedes Weiterbildungsseminar<br />
ist für jeden Mitarbeiter sinnvoll, und nur ein abwechslungsreicher und sorgfältig abgestimmter<br />
Ausbildungsplan bewahrt Azubis vor Langeweile und Frust.<br />
1.2 Anforderungen an die Persönlichkeitsmerkmale von Managern<br />
Die Erfüllung von Führungsaufgaben in Agrarunternehmen stellt in den drei nachfolgenden<br />
Bereichen Anforderungen an den Manager:<br />
- Fachliche Kenntnisse und Erfahrungen<br />
- Betriebswirtschaftliche Kenntnisse<br />
- Führungsqualitäten<br />
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Fachliche Kenntnisse und Erfahrungen:<br />
Die Ansprüche an den Umfang des Kenntnis- und Erfahrungsbereiches von Führungskräften<br />
in der Landwirtschaft sind fortlaufend gestiegen und werden auch in Zukunft weiter<br />
rasant ansteigen. Durch mechanisch/biologisch/organisatorisch technische Fortschritte<br />
treten in den Betrieben ständig neue Probleme auf, deren Lösung von den verantwortlichen<br />
Managern Wissen auf allen relevanten Gebieten der Produktionstechnik erfordert.<br />
Die Anforderungen an dieses Wissen sind sowohl theoretischer als auch praktischer Art,<br />
weil theoretisches Wissen allein noch nicht dazu befähigt, Urteile über die Durchführbarkeit<br />
von Anregungen oder Zielen zu fällen. Dazu bedarf es auch der praktischen Erfahrung,<br />
die nur in praktischer, selbstverantwortlicher Tätigkeit erworben werden kann.<br />
Betriebswirtschaftliche Kenntnisse<br />
Da das Zielsystem der Unternehmung i.d.R. ökonomische Zielvariabeln enthält, kann eine<br />
akzeptable Zielerreichung nur mit fundierten kaufmännischen bzw. betriebswirtschaftlichen<br />
Kenntnissen erreicht werden.<br />
Führungsqualitäten<br />
Während in der Vergangenheit dieser Bereich bei der Auswahl von Führungskräften<br />
„sträflich“ vernachlässigt worden ist, konzentriert sich heute in der gewerblichen Wirtschaft<br />
die Beurteilung von Führungspotential auf die Ausprägung folgender fünf Schlüsselqualifikationen:<br />
1. Analyse:<br />
Darunter versteht man das Vermögen, eine Sachlage korrekt aufzugliedern, einzuschätzen<br />
und zu beurteilen.<br />
2. Delegation:<br />
Delegation ist die Fähigkeit, Prioritäten zu setzten und entsprechend Kompetenzen und<br />
Aufgaben funktionsgerecht zu übertragen. Vielen Managern fehlt diese Fähigkeit, in komplexen<br />
Führungssituationen wichtige, unwichtige und dringende Sachverhalte zu unterscheiden<br />
und diese an die dafür qualifizierten Personen weiterzuleiten.<br />
3. Soziales Geschick<br />
Hierbei geht es um das Vermögen, den Zusammenhang sozialer Beziehungen und die<br />
Bedürfnisse anderer Menschen zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren.<br />
4. Organisationsvermögen<br />
Darin zeigt sich das Ausmaß, verschiedene Arbeitsabläufe aufeinander abzustimmen und<br />
möglichst konfliktfrei zu koordinieren. Führungskräfte sollten Organisationstalent aufweisen.<br />
5. Entscheidungsqualität<br />
Hierin zeigt sich die Fähigkeit, auch unter Zeitdruck die Fehlerrate aller getroffenen Entscheidungen<br />
möglichst gering zu halten. Es geht im Wesentlichen darum, unter den angebotenen<br />
Möglichkeiten keine falschen Alternativen auszuwählen sondern die richtigen<br />
Aktionen zu ergreifen.<br />
Da es häufig nicht gelingt, alle relevanten Informationen zusammenzutragen und noch viel<br />
weniger die zukünftigen Entwicklungen zu erfassen, bedeutet jeder getroffene Entschluss<br />
eine Schritt ins Ungewisse. Aber die Erhaltung und Weiterentwicklung eines Unternehmens<br />
erfordert ungeachtet dieses Informationsmangels Entschlüsse.<br />
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Neben diesen 5 Schlüsselqualifikationen ist eine hohe Merkmalsausprägung für folgende<br />
Eigenschaften bei Führungskräften wünschenswert, die sich z.T. in den Schlüssenqualifikationen<br />
widerspiegelt:<br />
- Sprachliche Logik und Präzision:<br />
Die Bedeutung sprachlicher Fähigkeiten für Problemlösungskompetenz wird neuerdings<br />
wieder erkannt. Denn alle höheren Denkleistungen sind nach den heutigen Erkenntnissen<br />
der Denkpsychologie an die Sprache gebunden. Wer sich nicht verständlich machen<br />
kann, hat es schwer! Auch nützen die besten Ideen nichts, wenn sie nicht richtig "verkauft"<br />
werden können. Führungskräfte müssen also präsentieren können und dabei die Auswahl<br />
entsprechender Medien unter Berücksichtigung der Zielgruppe wählen.<br />
- Durchsetzungsvermögen:<br />
Dieses Merkmal bringt den Grad der Fähigkeit zum Ausdruck, Ziele direkt und gegen Widerstände<br />
auf der sachlichen oder persönlichen Ebene zu verwirklichen. In diesem Zusammenhang<br />
ist auch Standfestigkeit zu sehen, die den Grad der Bereitschaft anzeigt, bei<br />
der Verwirklichung von Zielen geistig und körperlich durchzuhalten, ohne sich von seinem<br />
Weg abbringen zu lassen.<br />
- Kontaktfähigkeit:<br />
Kontaktfähigkeit, also die Fähigkeit in einer Kontaktsituation ein positives privates und berufliches<br />
Gesprächsklima herzustellen, muss streng von der Kontaktbereitschaft unterschieden<br />
werden. Letztere sagt etwas über die Bereitschaft aus, ein Kommunikationsverhältnis<br />
überhaupt anzuknüpfen. Beide Merkmale spiegeln sich u.a. im sozialen Geschick<br />
wider.<br />
- Initiative:<br />
Dieses Merkmal bestimmt den Grad der Bereitschaft und Fähigkeit, aktiv Probleme aufzugreifen<br />
oder Ideen zu produzieren und deren Lösung bzw. Verwirklichung in die Wege<br />
zu leiten. Vorraussetzung dafür ist ein gewisses Maß an Aufgeschlossenheit für Neuerungen<br />
bzw. Ideen anderer.<br />
- Verantwortungsbewusstsein:<br />
Dieses Merkmal äußert sich in der Bereitschaft, die Verantwortung für Mitarbeiter, Sachwerte<br />
und Aufgaben unter Beachtung der geistigen und körperlichen Leistungsgrenzen<br />
anderer sowie der eigenen Person zu übernehmen. Verantwortungsbewusstsein drückt<br />
sich u.a. im sozialen Geschick aus.<br />
- Aufrichtigkeit<br />
Hierin drückt sich der Grad der Selbstkritik und der Ehrlichkeit Mitmenschen gegenüber<br />
aus. Auch Aufrichtigkeit spiegelt sich im sozialen Geschick wieder.<br />
Die folgende pointierte Beschreibung zeigt, wie vielfältig und auch widersprüchlich die Anforderungen<br />
an eine Führungskraft sind.<br />
„Die ideale Führungspersönlichkeit braucht die Würde eines Erzbischofs, die Selbstlosigkeit<br />
eines Missionars, die Beharrlichkeit eines Steuerbeamten, die Erfahrung eines<br />
Wirtschaftsprüfers, die Arbeitskraft eines Kulis, den Takt eines Botschafters, die Genialität<br />
eines Nobelpreisträgers, den Optimismus eines Schiffbrüchigen, die Findigkeit eines<br />
Rechtsanwaltes, die Gesundheit eines Olympiakämpfers, die Geduld eines Kindermädchens,<br />
das Lächelns eines Filmstars und das dicke Fell eines Nilpferdes.“<br />
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1.3 Führungsstile und ihre Beurteilung<br />
1. Der autoritäre Führungsstil<br />
Nach dem Motto „Wer führt, hat als einziger die Übersicht und die richtigen Lösungen“ ist<br />
dieser Stil stark leistungsorientiert und lenkt jede Aktivität der Mitarbeiter in die von der<br />
Führungskraft gewünschte Richtung. Die Führungskraft ist klar und eindeutig in den Aussagen<br />
und Instruktionen, polarisiert gerne und trifft alle wesentlichen Entscheidungen allein.<br />
Es wird in der Regel wenig Anteilnahme gegenüber den Bedürfnissen der Mitarbeiter<br />
gezeigt, die Beziehung zu den Mitarbeitern ist eher distanziert. Aufgaben werden direkt<br />
und ohne Diskussion zugewiesen. Das Hauptaugenmerk wird auf den Erfolg und das Ergebnis<br />
des Projektes gelegt. Alles wird bis ins letzte Detail erklärt, es gibt für alle Fälle<br />
passende Lösungen, Mitarbeiter werden offen oder verdeckt getadelt, wahrend Kritik an<br />
der eigenen Person prinzipiell ausscheidet.<br />
Derartige Führungskräfte besitzen in der Regel gute Fachkenntnisse und kennen meist<br />
sämtliche Lösungswege selber, ohne den Mitarbeitern die Chance zu geben, eigene Lösungswege<br />
zu finden. Häufig besitzen diese Führungskräfte ein ausgeprägtes Überlegenheitsgefühl<br />
und sehen die Ursache für mangelnden Erfolg einzig und allein in mangelnder<br />
Intelligenz oder fehlender Einsatz- und Lernbereitschaft der Mitarbeiter.<br />
Vorteile: Hohe Entscheidungsgeschwindigkeit, übersichtliche Kompetenzen und gute Kontrolle.<br />
Wenn die Kontrolle durch die Führungskraft fehlt, lassen die Ergebnisse aber sofort<br />
nach.<br />
Nachteile: Durch diesen bestimmenden Stil kommt es zu einem angespannten Klima innerhalb<br />
der Abteilung und Mitarbeiter verhalten sich eher passiv, angepasst und unselbstständig.<br />
Meinungen, Haltungen und Lösungen werden oft kritiklos übernommen. Die eigene<br />
Produktivität bleibt auf der Strecke. Talente werden nicht erkannt. Manchmal kommt es<br />
zu massiver Auflehnung oder zu Trotzreaktionen (Reaktanz bzw. innere Kündigung)!<br />
Der patriarchalische Führungsstil ist eine extreme Form des autoritären Stils. Das Leitbild<br />
ist hier die Autorität des Patriarchen. Die Mitarbeiter haben zwar jederzeit Zugang zu ihm,<br />
sind aber zum absoluten Gehorsam verpflichtet.<br />
2. Der kooperative Führungsstil<br />
Dieser Stil ist geprägt durch Gespräche, Abstimmung und vor allem gegenseitigem Respekt<br />
der Führungskräfte untereinander und gegenüber den Mitarbeitern. Die Vorgesetzten<br />
sind sich ihrer Vorbildfunktion und ihrer Verantwortung bewusst.<br />
Wer diesem Stil folgt, trifft als Führungskraft die Entscheidungen gemeinsam mit den Mitarbeitern,<br />
beteiligt diese am Prozess (klar umschriebene Aufgaben und Befugnisse, eigene<br />
Verantwortungsbereiche) und erhöht dadurch Motivation und Selbstständigkeit, fördert<br />
die Leistungsbereitschaft, lässt Kreativität und neue Ideen zu, gibt wichtige Informationen<br />
weiter, befürwortet eine offene Kommunikation und schafft sich als Führungskraft im Endeffekt<br />
Entlastung. Wie die Aufgaben erledigt werden, und wie hoch der zeitliche Aufwand<br />
dafür sein darf, wird im zeitlichen Konsens festgelegt. Das sach- und termingerechte Erreichen<br />
der Ziele wird gemeinsam angestrebt. Es findet ein Zusammenwirken von Führungskraft<br />
und Mitarbeitern statt. Bei Fehlern wird in der Regel nicht bestraft, sondern geholfen.<br />
Vorteile: Hohe Motivation der Mitarbeiter, die Kreativität steigt und der Vorgesetzte wird<br />
entlastet. Das Arbeitsklima ist meistens angenehm.<br />
Nachteile: Die Arbeitsgeschwindigkeit kann sinken. Es kommt unter Umständen zu längeren<br />
Debatten und Disziplinschwierigkeiten unter den Mitarbeitern.<br />
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3. Der Laisser-faire-Führungsstil<br />
Der Ansatz lautet kurz: „Es passiert, was passieren muss, und es ist das Richtige!“. Die<br />
Mitarbeiter sind bei diesem Stil oft sich selbst überlassen, und die Führungskraft zeigt geringe<br />
Anteilnahme an den Erwartungen der Mitarbeiter. Instruktionen sind oft unklar. Zu<br />
kontroversen Meinungen der Mitarbeiter wird so gut wie nie Stellung genommen. Man tritt<br />
den Mitarbeitern gegenüber sehr unpersönlich auf und bringt kaum eigene Ideen ein, sondern<br />
eher fremde Verfahren, an denen starr festgehalten wird. Der Führungskraft sind diejenigen<br />
Mitarbeiter am liebsten, die keine unbequemen Fragen stellen.<br />
Vorteile: Gewährung von Freiheiten und sehr eigenständige Arbeitsmöglichkeiten für die<br />
Mitarbeiter.<br />
Nachteile: Mangelnde Disziplin, Kompetenz-Streitigkeiten, Rivalitäten, Unordnung und<br />
Durcheinander. Es entsteht Resignation statt Motivation. (Quelle: N LW 8/2006)<br />
Wie führt man richtig?<br />
Was ist nun der optimale Führungsstil? Eigentlich gibt es da kein Richtig und kein Falsch.<br />
Nur eines ist klar: Er soll die Mitarbeiter aktivieren, für ein gutes Arbeitsklima sorgen und<br />
dazu dienen, gemeinsam mit den Mitarbeitern die gesetzten Ziele zu erreichen.<br />
1.4 Die Zielsetzungsprozess<br />
Wie wichtig es eigentlich ist, Ziele zu haben, besagt ein alter Seemannsspruch: „Wer nicht<br />
weiß, wo er hin will (also kein Ziel hat), für den ist jeder Wind günstig“.<br />
In der klassischen Produktionstheorie wird als eine zentrale Annahme der „Homo Oeconomicus“<br />
unterstellt, der mit seiner monovariablen Zielfunktion ausschließlich seine Entscheidungen<br />
an dem Ziel der Gewinn- bzw. Nutzenmaximierung orientiert.<br />
Die Bedeutung umfassenderer Zielvorstellungen sind bereits um 1800 von THAER zum<br />
Ausdruck gebracht worden. Er bezeichnetet die Gewinnung eines möglichst hohen Geldreinertrages<br />
zwar als „wirtschaftliche Aufgabe der Landgutwirtschaft“, fügte aber hinzu,<br />
dass diese Auffassung zu engherzig sei.<br />
Die Realität zeigt, dass Unternehmer ebenso wie alle anderen Wirtschaftssubjekte multivariate<br />
Zielfunktionen verfolgen. Ziele von Unternehmern sind in starkem Maße persönlichkeitsbezogen,<br />
und deswegen ist die Zielstruktur einzelner Unternehmen oft sehr unterschiedlich.<br />
Zum besseren Verständnis von Zielsystemen ist es zunächst hilfreich, Erkenntnisse aus<br />
der Verhaltenspsychologie mit in die Überlegungen einzubeziehen. Diese zeigen, dass<br />
Bedürfnisbefriedigung als ein übergeordnetes Prinzip menschlichen Verhaltens anzusehen<br />
ist. Nicht die Maximierung der Befriedigung solcher Bedürfnisse steht dabei im Vordergrund,<br />
sondern das Erreichen eines bestimmten Niveaus der Bedürfnisbefriedigung.<br />
Die Motivationsforschung klassifiziert die Bedürfnisse des Menschen. Gemäß der Motivpyramide<br />
von Maslow werden zwei Motivklassen inhaltlich differenziert:<br />
Defizitmotive - Wachstumsmotive<br />
Die fehlende Befriedigung der Defizitmotive führt zu Krankheit, Befriedigung zu Gesundheit<br />
bzw. Wiedergenesung. Die Erfüllung der Wachstumsmotive führt zu Selbstverwirklichung.<br />
Allerdings ist die Aktivierung der Wachstumsmotive nur auf Grundlage befriedigter<br />
Defizitmotive möglich. Damit besteht zwischen beiden Motivklassen ein Hierar-<br />
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chienprinzip, bei dem das nächsthöhere Motiv nur dann aktiviert werden kann, wenn das<br />
darunter stehende Befriedigung gefunden hat. Die logische Konsequenz dieses Ansatzes<br />
von Maslow ist, dass das jeweils hierarchisch noch nicht befriedigte Motiv das stärkste<br />
Motiv ist (prepotency: Der Mensch lebt wohl vom Brot allein - nämlich dann, wenn er kein<br />
Brot hat).<br />
Für Unternehmer sind (nach Hax) vor allem folgende Motive Ursachen eines bestimmten<br />
Handelns:<br />
a) Einkommensmotiv<br />
b) Pflichtmotiv<br />
c) Prestigemotiv<br />
Zu a (Einkommensmotiv):<br />
Das Einkommensmotiv leitet sich weitgehend aus dem Existenzsicherungsmotiv zur Befriedigung<br />
materieller und physiologischer Grundbedürfnisse ab. Auch Sicherheitsbedürfnisse<br />
- Geld macht nicht glücklich, aber es beruhigt - sowie das Streben nach Gewinn<br />
bzw. Wertschöpfung und schließlich die Selbstverwirklichung spielen in das Einkommensmotiv<br />
hinein.<br />
In der heutigen BWL sind die Zielsysteme von Entscheidungsmodellen sehr stark auf das<br />
Einkommensziel hin fixiert und damit auf eine materielle Welt mit Expansion des materiellen<br />
Besitzes.<br />
Zu b (Pflichtmotiv):<br />
Dieses Motiv bewirkt, dass sich der einzelne mit seinen Handlungen einer größeren Solidargemeinschaft,<br />
der Familie oder dem Staat gegenüber verpflichtet fühlt. Der Satz „Eigentum<br />
verpflichtet“ ist auf dieses Motiv zurückzuführen.<br />
Zu c (Prestigemotiv):<br />
Neben dem Wunsch nach einem besonderen Status in der Gesellschaft kommt dieses<br />
Motiv in Unternehmen und Haushalten vor allem durch demonstrative Investitionen zum<br />
Ausdruck.<br />
Um komplexere Zielsysteme verwirklichen zu können, gilt es zunächst im Rahmen einer<br />
Zielhierarchie in Ober- bzw. Muss-Ziele, Mittel- oder Wunschziele und Unterziele, d h. Ziele<br />
mit relativ geringer Bedeutung zu unterscheiden. All diese Ziele lassen sich wiederum<br />
durch sog. Zielvariabeln beschreiben. Man kann verschiedene Arten von Zielvariabeln<br />
(vgl. Abb. 2) unterscheiden.<br />
Für einzelne Zielvariabeln werden in der Realität selten Extremwerte formuliert, sondern<br />
es werden mittlere „Befriedigungsgrade“ (Zielerreichungsgrade) angestrebt, die dann auch<br />
überwiegend von der das Unternehmen umgebenden Umwelt akzeptiert werden.<br />
Die meisten betriebswirtschaftlichen Planungsverfahren sind prinzipiell darauf angelegt,<br />
Oberziele unter Einhaltung von Nebenzielen zu maximieren (Gewinn, Freizeit etc.) bzw.<br />
zu Minimieren (Kosten, Arbeitseinsatz, Kapitalbedarf etc.). Insofern stellen ihre Ergebnisse<br />
nicht immer das dar, was die Menschen wirklich wollen. Realistischer wären Modelle<br />
mit Zielsystemen, die die darin festgelegten zahlreichen Ziele und ihre unterschiedliche<br />
Beziehungen verbinden. Die folgende Abb. 2 zeigt einmal beispielhaft auf, welche Ziele<br />
Unternehmen in der Praxis verfolgen.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 12
Abb. 2: Zielvariabeln und Unternehmensziele<br />
In der Realität ist die Unterscheidung in Ober-, Mittel- und Unterziele für die <strong>Unternehmensführung</strong><br />
je nach Abhängigkeit der Beziehungen, die zwischen den einzelnen Hierarchien<br />
bestehen, nicht immer unproblematisch. Grundsätzlich unterscheidet man folgende<br />
Beziehungstypen:<br />
Zielgleichheit oder Zielidentität<br />
Zielharmonie oder Zielkomplementarität<br />
Zielneutralität oder Zielindifferenz<br />
Zielkonflikt oder Zielkonkurrenz<br />
Für die Praxis von Bedeutung sind nur die Zielkomplementarität bzw. die Zielkonkurrenz.<br />
Zielneutralität stellt einen Grenzfall dar und bei Zielgleichheit existiert letztendlich keine<br />
multivariate Zielfunktion.<br />
Zielkonkurrenz besteht beispielsweise zwischen den klassischen ökonomischen Zielen<br />
Liquidität und Rentabilität. So wird z. B. bei Finanzierungsalternativen hohe Liquidität<br />
meist über teuere Finanzierungsformen erreicht, hingegen birgt eine billige Finanzierung<br />
oft die Gefahr, durch hohe Tilgungsbeiträge ggf. die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens<br />
zu gefährden. Deshalb sagt der Volksmund auch nicht zu Unrecht, „lieber ein bisschen<br />
unrentabel als illiquide“.<br />
Ebenso können Umsatzziele als Mittel- oder Wunschziele dem Erreichen eines Mussbzw.<br />
Oberzieles dienen, allerdings muss dies nicht immer so sein! Es gibt zahlreiche Beispiele<br />
aus der Großindustrie, wo durch Fusionen zwar die Umsätze gestiegen sind, aber<br />
keinesfalls die Rentabilität erhöht werden konnte.<br />
Die Zielvariabeln Gewinn/Einkommen und Freizeit/Urlaub verhalten sich oft konkurrierend.<br />
Die Erfüllung des einen Zieles führt in der Praxis in den meisten Fällen zu einer Minde-<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 13
ung des anderen Zieles. Ebenso konkurriert der Erhalt von möglichst vielen Arbeitsplätzen<br />
in den genossenschaftlichen landwirtschaftlichen Großbetrieben der neuen<br />
Bundesländer meist mit dem Ziel, hohe Gewinne zu erwirtschaften. Schließlich konkurrieren<br />
auch oft Rentabilitätsziele mit ökologischen Zielen, zumindest bei kurz- und mittelfristiger<br />
Betrachtungsweise.<br />
Für die <strong>Unternehmensführung</strong> besteht der Ausgangspunkt bei der Festlegung eines Zielsystems<br />
zunächst in der langfristigen Festlegung eines Leitbildes (Unternehmensphilosophie),<br />
das die grundsätzliche Ausrichtung des Unternehmens (Strategie) bestimmt. Zu<br />
diesen strategischen Zielen zählen Vorgaben zur Rechtsform (z.B. Personen- oder Kapitalgesellschaft),<br />
zur Arbeitsverfassung (z.B. Familien- oder Lohnarbeitsbetrieb, Kooperation<br />
etc.) sowie zu den Geschäftsfeldern, in denen das Unternehmen aktiv sein will. Auch<br />
Mindestanforderungen an die Kapitalrentabilität können strategische Ziele sein.<br />
Die strategischen Ziele ihrerseits bilden die Grundlage für die operativen Ziele, die sich<br />
auf die laufend notwendigen Einzelentscheidungen in einzelnen Betriebs- oder Unternehmensbereichen<br />
beziehen. Hierbei muss immer wieder geprüft werden, ob einzelne<br />
operative Ziele geändert werden müssen, um den strategischen Zielen zu entsprechen.<br />
Insgesamt bleibt zusammenfassend festzuhalten: Unternehmen orientieren sich an komplexen<br />
Zielsystemen mit Zielhierarchien. Neben ökonomischen Zielvariabeln bestimmen<br />
auch wesentlich außerökonomische Ziele das Handeln von Unternehmen. Bei der Realisierung<br />
von Zielsystemen werden selten Extremwerte angestrebt, sondern akzeptable<br />
Zielerreichungsgrade.<br />
1.5 Der Planungs- und Entscheidungsprozess<br />
„Wer plant der irrt, wer aber gar nicht plant, der bleibt verwirrt“. Mit diesem Sprichwort<br />
lässt sich die Notwendigkeit der Planung auf sehr einfache Art beschreiben.<br />
1.5.1 Arten der Planung<br />
Je nach Planungshorizont unterscheidet man in der industriellen Planung, wie in Abb. 3<br />
dargestellt, verschiedene Planungsarten: Die langfristige Planung für Zeiträume über fünf<br />
Jahre, die mittelfristige Planung für Zeiträume von ca. zwei bis fünf Jahren und die kurzfristige<br />
Planung für Zeiträume bis zu einem Jahr. Die „Fertigungsplanung“ wäre im landwirtschaftlichen<br />
Unternehmen mit der alljährlich stattfindenden Anbauplanung zu vergleichen.<br />
Des Weiteren lassen sich Planungen nach dem hierarchischen Überordnungsverhältnis<br />
der Planungsstufen einteilen:<br />
Die strategische Planung bestimmt die Strategien für das Unternehmen und seine Teilbereiche<br />
für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Sie umfasst die Faktoren, Quellen und Tätigkeiten<br />
des Unternehmens, aus denen dessen Erfolg resultiert. Die strategische Planung<br />
erstreckt sich sowohl auf das Unternehmen insgesamt als auch auf dessen Teilbereiche<br />
(Geschäftsbereiche oder Geschäftsfelder) und Funktionen.<br />
Die operative Planung hat die Aufgabe, die Entscheidungen bzw. Vorgaben der strategischen<br />
Planung in Vorgaben bzw. Einzelmaßnahmen der Teilbereiche der Unternehmen<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 14
zu transformieren. Die Strategien die für die Planungseinheiten festgelegt wurden, müssen<br />
nun in detaillierte operative Programme übersetzt werden.<br />
Abb. 3: Planungsarten und Planungshorizonte<br />
Bei der Planung nach Bereichen unterscheidet man Beschaffungsplanung, Lagerplanung,<br />
Produktionsplanung, Absatzplanung, Finanzplanung, Kostenplanung, Ergebnisplanung,<br />
Bilanzplanung, Personalplanung etc.<br />
Nach dem Integrationsgrad lässt ich die Planung folgendermaßen unterscheiden:<br />
- Integrierte Gesamtplanung mit der Planung aller Unternehmensbereiche unter völlig<br />
gegenseitiger Abstimmung in sachlicher und zeitlicher Sicht (Simultane Betrachtungsweise).<br />
- Nichtintegrierte Teilplanung, bei der die einzelnen Unternehmensbereiche relativ isoliert<br />
geplant werden (Partielle Betrachtungsweise).<br />
1.5.2 Theorie des Entscheidens<br />
Generell ist für rationale Entscheidungen ein schrittweises Vorgehen typisch. Rationale<br />
Entscheidungen trifft man nach dem Erbiebigkeitsprinzip:<br />
„Handle stets so, dass durch die gewählte(n) Handlungsalternative(n), d. h. durch die gewählte<br />
Zuordnung von Inputs und Outputs, die optimale Ausprägung der verfolgten Ziele<br />
erreicht wird!“<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 15
Abb. 3: Bestimmung der optimalen Handlungsalternative<br />
Wie aus Abb. 3 hervorgeht, lässt sich die optimale Handlungsalternative prinzipiell in vier<br />
Schritten ermitteln.<br />
1. Zusammenstellung aller möglichen Handlungsalternativen<br />
2. Trennung von zulässigen und unzulässigen Handlungsalternativen<br />
3. Innerhalb der zulässigen Handlungsalternativen werden die technisch effizienten<br />
von den technisch ineffizienten Handlungsweisen getrennt. Die technisch effizienten<br />
Lösungen liegen - bildlich gesprochen - auf den Isoquanten (bei Faktoreinsatzentscheidungen)<br />
bzw. auf den Produktionsmöglichkeitskurven bei Produktionsentscheidungen.<br />
4. Als optimale Handlungsalternative(n) sind diejenigen aus den technisch effizienten<br />
zu wählen, die bei vorgegebenem Mitteleinsatz den größtmöglichen Zielerreichungsgrad<br />
(Nutzenmaximum) ermöglichen. Dazu stehen dem Management je nach Entscheidungssituation<br />
unterschiedliche Entscheidungsinstrumente zur Verfügung.<br />
In Abhängigkeit von der Qualität und Zuverlässigkeit der Daten (Datensituation) lassen<br />
sich Entscheidungen entsprechend Abb. 4 kategorisieren und die dafür einsetzbaren Planungsinstrumente<br />
ableiten.<br />
Von Entscheidungen unter Sicherheit spricht man im Rahmen der Entscheidungstheorie<br />
dann, wenn der Entscheidungsträger die Alternativen und den eintretenden Umweltzustand<br />
mit Sicherheit kennt und damit sämtliche Konsequenzen aus einer Handlung voraussagen<br />
kann.<br />
Die Unterscheidung von Unsicherheit in Ungewissheit und Risiko hat sich sprachlich<br />
noch nicht komplett in der Fachliteratur etabliert. So wird teilweise nur eine Zweiteilung in<br />
Unsicherheit (Wahrscheinlichkeiten unbekannt) und Risiko (Wahrscheinlichkeiten bekannt)<br />
vorgenommen. Auch wenn die so ist, so wollen wir in Anlehnung an Müller (1993),<br />
je nachdem, ob man Eintrittswahrscheinlichkeiten für die Umweltzustände kennt, folgende<br />
zwei Fälle bei Entscheidungen unter Datenunsicherheit unterscheiden:<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 16
1.) Entscheidung unter Risiko: Dem Entscheider sind die Alternativen, die möglichen<br />
Umweltzustände und die Ergebnisse bei Wahl einer bestimmten Alternative und Eintritt<br />
eines bestimmten Umweltzustandes bekannt. Darüber hinaus kennt er auch die Eintrittswahrscheinlichkeiten<br />
der Umweltzustände objektiv (z. B. beim Lotto) oder subjektiv (aufgrund<br />
von Schätzungen oder von Vergangenheitswerten).<br />
Abb. 4: Entscheidungen bei unterschiedlicher Datenqualität<br />
Entscheidungssituationen und Planungsinstrumente<br />
Entscheidungen<br />
unter Sicherheit unter Unsicherheit<br />
- Voranschläge<br />
- LP-Modelle<br />
- Investitionsmodelle unter Risiko unter Ungewißheit<br />
- Monte Carlo - Szenariotechnik<br />
objektive Wahrscheinlichkeiten<br />
subjektive Wahrscheinlichkeiten<br />
2.) Entscheidung unter Ungewissheit: Hier werden in der Entscheidungstheorie Entscheidungssituationen<br />
bezeichnet, bei denen zwar die Alternativen, die möglichen Umweltzustände<br />
und die Ergebnisse bei Wahl einer bestimmten Alternative und Eintritt eines<br />
bestimmten Umweltzustandes bekannt sind, in denen aber die Eintrittswahrscheinlichkeiten<br />
der Umweltzustände unbekannt sind. Diese werden manchmal auch Entscheidungen<br />
bei objektiver Unsicherheit genannt. In der Entscheidungstheorie wurden zahlreiche Verfahren<br />
entwickelt, um trotz der Ungewissheit geeignete Entscheidungsregeln anwenden<br />
zu können (u.a Maximin- und Maximax-Reglen sowie die Laplace-Regel nach dem Erwartungswert).<br />
Literatur: W. Müller: Risiko und Ungewissheit, in: Waldemar Wittmann u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre,<br />
Schaffer-Pöschel, Stuttgart 1993<br />
1.5.3 Instrumente zur Planung und Entscheidungsfindung<br />
Instrumente zur <strong>Unternehmensführung</strong> müssen in der heutigen Zeit folgenden Ansprüchen<br />
genügen:<br />
- Unterstützung zielorientierten Wirtschaftens<br />
- Schnelle Anpassung an die sich verändernde Umwelt<br />
- Auswahl von (neuen) Handlungsalternativen<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 17
- Frühe Kontrollmöglichkeit getroffener Entscheidungen<br />
- Schnelle Erlernbarkeit und einfache Handhabung<br />
Zur Erfüllung dieser Ansprüche sind im Wesentlichen zwei Typen von Instrumenten geeignet,<br />
Informationssysteme sowie Planungstechniken, die als Entscheidungshilfe ggf. mit<br />
Entscheidungsmodellen fungieren. Vorab sei für alle Kritiker Folgendes klar herausgestellt:<br />
Moderne Informationssysteme und Entscheidungsmodelle ersetzten zwar nicht den<br />
Menschen, aber sie erweitern seine Fähigkeit in der Wahrnehmung von Zuständen und<br />
Ereignissen und im objektiven Vergleich von früheren Wahrnehmungen bzw. Ereignissen.<br />
Zu Begin einer jeden Planung und Entscheidung steht die Informationsbeschaffung. In<br />
modern geführten Unternehmen geschieht dies u. a. mit Hilfe von Informationssystemen.<br />
1.5.3.1 Informationsbereitstellung durch Informationssysteme<br />
Ein Informationssystem dient der rechnergestützten Erfassung, Speicherung, Verarbeitung,<br />
Pflege, Analyse, Benutzung, Verbreitung, Disposition, Übertragung und Anzeige von<br />
Information bzw. Daten. Es besteht aus Hardware (Rechner oder Rechnerverbund), Datenbank(en),<br />
Software, Daten und all deren Anwendungen. Informationssysteme sind soziotechnische<br />
Systeme, die aus Teilsystemen für optimale Bereitstellung von Information<br />
und (technischer) Kommunikation dienen<br />
Bevor wir uns aber mit Informationssystemen näher befassen, gilt es zunächst einmal die<br />
Struktur der Informationsgewinnung darzustellen. Quellen der Informationsbeschaffung<br />
können eigene Beobachtungen sowie interne oder externe Daten und Nachrichten sein.<br />
Meist sind sie für sich alleine noch keine Informationen sondern erst die Vorstufe dazu.<br />
Sie bekommen erst Informationsgehalt, wenn sie verarbeitet oder aufbereitet werden, indem<br />
sie mit anderen Daten verglichen oder in Beziehungen gesetzt werden.<br />
Informationen haben für die <strong>Unternehmensführung</strong> nur dann einen Sinn, wenn sie operative<br />
und/oder strategische Unternehmensentscheidungen unterstützen können. Eine wahllose<br />
Sammlung von Daten ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Unternehmung ist Verschwendung<br />
von Zeit und Geld. Von daher besteht eine zentrale Management-Aufgabe<br />
darin, vorliegende Informationen dahingehend zu sortieren, ob sie für die Führung der Unternehmung<br />
wichtig und in betriebliche Zusammenhänge gebracht werden können oder<br />
nicht. Gutes Informations-Management, d.h. die richtigen Informationen zur richtigen Zeit<br />
am richtigen Ort, ist ein Indiz für die Qualität der <strong>Unternehmensführung</strong>.<br />
Unternehmensexterne Informationssysteme stellen einen Know-how-Pool dar, den Einzelunternehmen<br />
meist aus Kostengründen nicht halten bzw. aufbauen können oder dies<br />
auch nicht wollen.<br />
Eines der inzwischen bekanntesten Informationssysteme ist das World Wide Web<br />
(WWW), ein weltweites, auf Computernetzen basierendes „Hypertext Informationssystem“.<br />
Hypertextdokumente enthalten Verweise auf andere Dokumente. Im Rahmen des<br />
World Wide Web können solche Verweise auch Dateien (Daten oder gar Programme) auf<br />
anderen Rechnern ansprechen.<br />
Man kann Informationssysteme nach vielfältigen Punkten typisieren. Hier die wichtigsten<br />
Beispiele dafür:<br />
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Informations-Retrieval-Systeme (IRS bzw. Suchmaschinen) ermöglichen die<br />
Suche nach Informationen, die in Dokumenten, also weitgehend natürlichsprachlichen<br />
Texten, enthalten sind und im Rahmen des Dokumentationsprozesses<br />
extrahiert werden.<br />
Management- (MIS) und Administrative Informationssysteme (ADIS): Ein<br />
Managementinformationssystem unterstützt Entscheidungsträger in allgemeinen<br />
Organisationen bzw. im Fall von administrativen Informationssystemen<br />
speziell in Organisationen der staatlichen Verwaltung bei der Entscheidungsfindung<br />
und dem Organisationssteuerungsprozess.<br />
Datenbankmanagementsysteme (DBMS) basieren dagegen auf einer Sammlung<br />
elektronisch gespeicherter Informationseinheiten und dienen der Erfassung<br />
und Verwaltung dieser Daten in Datenbanken. Im Gegensatz zu IRS verarbeiten<br />
Datenbankmanagementsysteme nur eindeutig definierte Suchanfragen.<br />
Ein Beispiel hierfür ist die Online-Datenbank „Pflanzenschutzmittel“ des<br />
Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), über<br />
die Informationen zu jedem zugelassenen Pflanzenschutzmittel abgerufen werden<br />
können.<br />
Geo-Informationssysteme (GIS) sind rechnergestützte Systeme, die aus<br />
Hardware, Software, Daten und den Anwendungen bestehen. Mit ihm können<br />
Daten raumbezogen digital erfasst und redigiert, gespeichert und reorganisiert,<br />
modelliert und analysiert sowie alphanumerisch und graphisch präsentiert werden.<br />
Sie spielen auch in der Landwirtschaft eine zunehmende Rolle, sowohl in<br />
der Agrarverwaltung als auch im Einzelunternehmen. Beispiel für GIs-<br />
Anwendungen im Agrarbetrieb sind Pachtflächenmanagement oder Precison<br />
Farming. GIS bezeichnet sowohl eine Technologie als auch Produkte. Die Abgrenzung<br />
der Begriffe Land-, Geo- und Rauminformationssysteme (LIS, GIS<br />
und RIS) ist in der Fachliteratur nicht ganz einheitlich.<br />
Unternehmensbezogene Informationssysteme haben zunächst die Aufgabe, Daten über<br />
den Zustand der Unternehmung sowie über seine potentiellen Handlungsalternativen zu<br />
erfassen. Sie können der Unternehmensleitung „auf Knopfdruck“ in einer Entscheidungssituation<br />
die erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen Darüber hinaus<br />
sollten sie nach der Durchführung einer Entscheidung möglichst schnell ein „Feedback“<br />
über den neuen Zustand des Unternehmens geben (Controlling).<br />
Buchhaltung und Rechnungswesen:<br />
Die Buchführung ist die lückenlose, sachliche und zeitliche Aufzeichnung aller Geschäftsvorfälle<br />
einer Unternehmung. Die Buchführung ist ein Teil des Rechnungswesens, in dem<br />
alle betrieblichen Vorgänge zahlenmäßig erfasst und zugerechnet werden. Unter dem<br />
Rechnungswesen versteht man ein System zur zahlenmäßigen, d. h. mengen- und wertmäßigen<br />
Erfassung, Aufbereitung und Darstellung der wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens<br />
(= betriebliches Rechnungswesen). Es dient damit der Planung, Steuerung<br />
und Kontrolle des betrieblichen Geschehens und lässt sich untergliedern in die Bereiche<br />
Planungsrechnung (z. B. Finanzplanung), Zeitraum- oder Periodenrechnung (z. B. Buchhaltung),<br />
Objektrechnung (Kalkulation) und Betriebsstatistik bzw. Betriebsvergleich. Für<br />
finanzwirtschaftlich orientierte Entscheidungen ist das Rechnungswesen eine der wichtigsten<br />
Informationsquellen.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 19
Probleme im Umgang mit Informationen aus der Buchhaltung ergeben sich allerdings in<br />
Zeiten stärkerer Geldwertänderungen (Inflation). Da in der buchhalterischen Praxis mit<br />
dem Nominalwertprinzip (€ = €) gearbeitet wird, beinhalten die ausgewiesenen Gewinne<br />
in Zeiten mit höheren Inflationsraten mehr oder weniger hohe Anteile von „Scheingewinnen“.<br />
Entsprechende Korrekturrechnungen sind dann erforderlich, um nicht aufgrund von<br />
Fehlinformationen zu Fehlentscheidungen zu gelangen. Dies gilt auch für mehrjährige<br />
Rentabilitätsanalysen mit Ackerschlagkarteien bzw. Herdenmanagementprogrammen. Auf<br />
die spezielle Problematik der Geldwertänderung (Inflation) wird noch ausführlich im Rahmen<br />
des vertikalen Betriebsvergleiches eingegangen (vgl. Kapitel 1.6.2.2).<br />
Monitor- und Kontrollsysteme<br />
Hierunter fallen generell Systeme zur Prozesserfassung und -steuerung in der Landwirtschaft.<br />
Bei Offline-Systemen werden die über Sensoren erfassten Daten zunächst unter<br />
Zuhilfenahme eines entsprechenden Rechners gesammelt und nach einem Ordnungsund<br />
Kontrollprinzip (Plausibilitätskontrolle) gespeichert. Bei einer Online-Überwachung<br />
werden die zu Informationen verarbeiteten Daten auf einem Monitor bzw. Display dargestellt.<br />
Greift der Rechner dann selbst in den Produktionsprozess ein, handelt es sich bereits um<br />
ein „Hybridsystem“, einer Kombination von Informations- und Entscheidungssystemen.<br />
Dabei erfolgt über Steuerung und Regelung die automatische Einstellung eines bestimmten<br />
Sollwertes, der von der Unternehmensleitung vorgegeben wird. Derartige „Hybridsysteme“<br />
sind in Agrarunternehmen bereits mit wachsender Tendenz in der Tier- und Pflanzenproduktion<br />
im Einsatz. Praktische Beispiele sind die automatische Kraftfutterzuteilung<br />
in der Milchkuhhaltung (Transponderfütterung) oder die automatische N-Düngung in Getreide<br />
und Raps, die durch spezielle Sensoren in Verbindung mit einem Algorithmus gesteuert<br />
wird (vgl. auch Precision Farming, Kapitel 2.2.2.1)<br />
1.5.3.2 Planungstechniken<br />
Unternehmerische Entscheidungen werden aufgrund des Wissens um mögliche Handlungsalternativen<br />
und deren Bewertung durch die Unternehmensleitung gefällt. Unabhängig<br />
von der Art der anstehenden Entscheidung kann eine Bewertung der einzelnen Handlungsalternativen<br />
nur an Hand der Konsequenzen vorgenommen werden, die aus ihnen<br />
resultieren. Die Quantifizierung der ökonomischen Konsequenzen von Handlungsalternativen<br />
erfolgt durch „Rechnen“, wobei man heute auf computergestützte Planungstechniken<br />
zurückgreifen kann und dies auch unbedingt tun sollte!<br />
Planungstechniken sind strukturierte und formalisierte Vorgehensweisen, die den Menschen<br />
bei der Lösungsfindung und Analyse im Planungsprozess unterstützen sollen. Die<br />
in der jeweiligen Entscheidungssituation sinnvoll einzusetzenden Planungstechniken hängen<br />
von der Zielsetzung und der Art der Planung (strategische bzw. operative Planungen),<br />
für die sie eingesetzt werden sollen, ab. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die<br />
Merkmale operativer und strategischer Planung.<br />
Die Notwendigkeit operativer Planungen in der Landwirtschaft ergibt sich zunächst aus<br />
den vorhandenen begrenzten Produktionskapazitäten bzw. -faktoren einerseits und den<br />
damit realisierbaren Produktionsverfahren andererseits. So liegt jeder Betriebsorganisation<br />
eine bestimmte Prozesskombination zugrunde und jede mögliche Prozesskombination<br />
stellt dabei eine Handlungsalternative dar.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 20
Aber auch Inputentscheidungen wie z. B. im Rahmen der optimalen speziellen Intensität<br />
oder der kostenminimalen Kombination von Produktionsfaktoren (Minimalkostenkombination)<br />
sind Gegenstand operativer Planungen, die über Handlungsalternative in einem Entscheidungsfeld<br />
zu befinden haben. Schließlich gehören auch und Bezugs- sowie Absatzentscheidungen<br />
zum „operativen Geschäft“.<br />
Tabelle 1: Merkmale strategischer und operativer Planung<br />
Unterscheidungsmerkmale Strategische Planung<br />
Operative Planung<br />
Planungsträger Höchste Führungsebene Mittlere Führungsebene<br />
Zeitliche Reichweite<br />
Inhaltliche Reichweite<br />
Konkretisierungsgrad der<br />
Aussagen<br />
Langfristige Planung<br />
Gesamtheit der<br />
Unternehmensaktivitäten<br />
Globale Aussagen<br />
Mittel- bis kurzfristige<br />
Planung<br />
Aktivitäten der Teilbereiche<br />
des Unternehmens<br />
Detaillierte Aussagen<br />
Sicherheitsgrad Relativ große Unsicherheit Geringe Unsicherheiten<br />
Zentralisierungsgrad Zentrale Planung Dezentrale Planung<br />
Umwelt- und<br />
In erster Linie<br />
Benötigte Informationen<br />
Unternehmensinformationen Unternehmensinformationen<br />
Neben operativen Entscheidungen stehen auch im Agrarunternehmen strategische Entscheidungen<br />
an, die die mittel- und langfristige Unternehmensentwicklung betreffen. Auch<br />
hierfür stehen der <strong>Unternehmensführung</strong> zahlreiche Planungstechniken zur Entscheidungsvorbereitung<br />
zur Auswahl. Es würde insgesamt zu weit führen, die große Anzahl<br />
existenter Planungstechniken zur Verdichtung des Entscheidungsfeldes zu beschreiben.<br />
Wir wollen uns im Folgenden auf diejenigen Techniken beschränken, die für die praktische<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> von Agrarunternehmen von Bedeutung sind.<br />
Es muss an dieser Stelle aber noch einmal ausdrücklich betont werden, dass trotz aller<br />
Computerunterstützung Planungs- und Entscheidungsmodelle nicht mehr als Hilfsmittel<br />
für die Entscheidungsfindung sein können. Die <strong>Unternehmensführung</strong> muss im Hinblick<br />
auf ihre Entscheidungen bei der Verwendung von Planungstechniken deren mehr oder<br />
weniger starke Vereinfachung der Wirtschaftwirklichkeit berücksichtigen, die auch von<br />
noch so komplex gestalteten Entscheidungsmodellen nie voll nachgebildet werden kann.<br />
Und schließlich darf das Management auch nicht vergessen, dass die Entscheidungsvorbereitung<br />
durch Planungstechniken nur so gut sein kann, wie die eingesetzten Daten. Aus<br />
Datenmüll kann logischerweise auch nur Planungsmüll werden, der mit an Sicherheit<br />
grenzender Wahrscheinlichkeit zu Fehlentscheidungen führen wird!<br />
1.5.3.2.1 Qualitative Planungstechniken<br />
Qualitative Planungstechniken basieren auf Kenntnissen, Erfahrungen, Einsichten, Überlegungen<br />
und Intuitionen. Zu den bekanntesten Verfahren zählen: Entscheidungsbaumverfahren,<br />
Entscheidungstabellen, Delphi-Modelle, Szenario-Technik u.a. .<br />
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Bei Entscheidungen unter Unsicherheit (vgl. Abb. 4) bietet sich bei Ungewissheit der Daten<br />
die „Szenario Technik“ auch in der Landwirtschaft an. Dazu werden Handlungsstrategien<br />
aufgestellt, deren Ergebnisse in der Regel durch ökonomische Kennwerte wie z.B.<br />
Gewinnerwartung, Kapitalwert verschiedener Investitionen oder die Barliquidität verschiedener<br />
Anbaupläne kurz vor Beginn der Ernte beurteilt werden können. Sie ergeben sich<br />
aus entsprechenden Berechnungen, in denen die jeweilige Handlungsalternative beim<br />
Eintreffen bestimmter Zukunftslagen „Zn“ hinsichtlich eines vorher definierten Zielwertes<br />
(Ergebnis) durchgerechnet wird. Die Entscheidung für eine Alternative wird dann mit Hilfe<br />
von Entscheidungsregeln bzw. –strategien herbeigeführt, die unterschiedliche Risikoeinstellungen<br />
des Entscheidungsträgers berücksichtigen können.<br />
1.5.3.2.2 Quantitative Planungstechniken<br />
Sie basieren auf mathematisch-statistischen Verfahren. Je nachdem, ob sie eindeutige<br />
Lösungen mit analytischen Algorithmen suchen, Simulationen experimentell verwenden<br />
oder finanzmathematische Verfahren zur Entscheidung heranziehen, kann man sie in drei<br />
Gruppen aufteilen.<br />
1.5.3.2.2.1 Mathematische Optimierungsverfahren<br />
Mathematische Optimierungsverfahren, die oft in Zusammenhang mit dem Begriff "Operations<br />
Research" genannt werden, können in besonderem Maße für komplexere Planungen<br />
eingesetzt werden. Als analytische Verfahren ermitteln sie eine eindeutig optimale<br />
Lösung oder stellen fest, dass sich keine Lösung ableiten lässt. Je nachdem, ob bestimmte<br />
Größen bzw. Vorgänge in einem Zeitpunkt oder über einen Zeitraum erfasst werden,<br />
handelt es sich um statische oder dynamische Modelle.<br />
Zu den bekanntesten und leistungsfähigsten Methoden in der Agrarökonomie zählt heute<br />
die Lineare Programmierung (Lineare Optimierung). Kernstück ist ein unterbestimmtes<br />
lineares [Un]Gleichungssystem, das unter Verwendung des sog. Simplex-Algorithmus<br />
nach mehreren Iterationen so gelöst wird, dass die Zielgröße einen Extremwert (Maximum<br />
oder Minimum) erreicht. Die dabei ggf. anfallende umfangreiche Rechenarbeit wird heute<br />
von PCs in Verbindung mit entsprechender Software übernommen.<br />
Ideale Einsatzgebiete für LP-Verfahren sind operative Planungen, bei denen den Gesamtbetrieb<br />
betreffende Entscheidungen über kurzlebige Wirtschaftsgüter und Geld (Kapital)<br />
anstehen. Wenn die bestehende Unsicherheit der Daten nur von untergeordneter Bedeutung<br />
ist und einen geringen Einfluss auf die Zielkriterien hat, ist der Einsatz derartig<br />
„deterministischer Modelle“ relativ unproblematisch.<br />
Neben der Bestimmung von optimalen Produktionsprogrammen für den Gesamtbetrieb<br />
eignen sich diese Verfahren auch für Optimierungsrechnungen in Teilbereichen eines Agrarunternehmens.<br />
Ein in diesem Sinne häufiges Anwendungsgebiet ist die Ermittlung der<br />
kostengünstigsten Futtermischung, bei der je nach Mastabschnitt oder Milchleistungsgruppe<br />
unterschiedliche Mindest- bzw. Höchstmengen an wertbestimmenden Futterbestandteilen<br />
bei geringsten Kosten je Einheit enthalten sein sollen. Auch Düngungsfragen<br />
lassen sich mit LP-Modellen bearbeiten.<br />
Schließlich kann die Lineare Programmierung auch in der strategischen Unternehmensplanung<br />
mit entsprechend formulierten statischen und dynamischen Ansätzen zur Beurteilung<br />
von Finanzierungs- und Investitionsstrategien herangezogen werden. Da es sich wie<br />
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ereits gesagt bei diesem Instrument allerdings um ein deterministisches Entscheidungsmodell<br />
handelt, das für die eingegebenen Daten eine 100%tige Eintreffenswahrscheinlichkeit<br />
unterstellt, sind weiterführende Rechnungen mit stochastischen Ansätzen im<br />
Rahmen einer strategischen Unternehmensplanung unbedingt erforderlich.<br />
Im weiteren Sinne kann man auch die Weiterentwicklung von computergestützten Informationssystemen<br />
zu Expertenmodellen zu den analytisch-mathematischen Verfahren<br />
zählen. So helfen beispielsweise Herbizid-Beratungsprogramme bei der Auswahl eines<br />
Mittels aus der Vielzahl registrierter Präparate. Dabei werden neben den Preisen einzelner<br />
Präparate auch die Dosis-Wirkungsbeziehungen und ggf. die wirtschaftlichen Bekämpfungsschwellen<br />
für spezifische Unkräuter in Betracht gezogen, um über entsprechende<br />
Suchallgorithmen eine Entscheidung mit dem Ziel „Wirtschaftliche Bekämpfung zu<br />
minimalen Mittelkosten/ha“ zu ermöglichen. Ähnliche Modelle gibt es auch im Fungizidbereich<br />
bzw. zur Beantwortung von Düngungsfragen.<br />
1.5.3.2.2.2 Experimentell-heuristische Verfahren<br />
„Heurismen“ (vgl. gr. „heuräka“ = ich habe es gefunden) sind Verfahren, die das Auffinden<br />
von Lösungen, die einem bestimmten Ziel entsprechen, unterstützen. Ihr Einsatz bietet<br />
sich u.a. an, wenn analytische Verfahren unmöglich oder zu arbeitsaufwendig sind. Allerdings<br />
führen heuristische Verfahren ggf. nicht zu optimalen Lösungsvorschlägen, da sie ja<br />
nicht mit Hilfe systematischer Suchallgorithem arbeiten.<br />
In der einfachsten Form besteht das Verfahren aus einem mehr oder weniger systematischen<br />
Probieren, wobei bei Entscheidungsproblemen mit einer Vielzahl von Handlungsalternativen<br />
das Auffinden einer optimalen Lösung rein zufällig wäre. Dennoch finden<br />
solche „Voranschlagsverfahren“ gerade in der landwirtschaftlichen Beratung häufig Anwendung.<br />
Mit Tabellenkalkulationsprogrammen (z.B. EXCEL, Lotus, Multiplan etc.) lassen<br />
sich so relativ schnell und bequem eine größere Anzahl von Alternativen (Betriebspläne,<br />
Futtermischungen etc.) nach dem Prinzip „Was wäre, wenn ...?“ durchrechnen. Allerdings<br />
müssen zunächst die Ergebnisse einer jeden solchen „What-IF-Simulation“ vom Entscheidungsträger<br />
festgehalten, anschließend verglichen und dann schließlich zu einer<br />
Finalentscheidung herangezogen werden. Das Verfahren schlägt keine Handlungsalternative<br />
zur Entscheidung vor.<br />
Betriebszweigspezifische Informationssysteme wie Sauenplaner bzw. Kuhplaner oder eine<br />
entsprechende Verwendung von Ackerschlagprogrammen erlauben Planungen ohne<br />
systematischen Suchallgorithmus und sind gängige Planungsinstrumente für „What-IF-<br />
Simulationen“ im Rahmen der operativen <strong>Unternehmensführung</strong>.<br />
.<br />
Im Rahmen von Entscheidungen unter Unsicherheit stoßen derartig einfache Verfahren<br />
allerdings schnell an die Grenzen ihrer Anwendbarkeit. Die Unternehmensleitung steht<br />
nämlich dann vor dem Auswahlproblem, Handlungsalternativen vergleichen zu müssen,<br />
die unterschiedliche Eintreffenswahrscheinlichkeiten haben. In Verbindung mit Szenariotechnik<br />
könnte man zwar aus einer mehr oder weniger großen Anzahl von Lösungen dann<br />
unter Zuhilfenahme von Risiko-Entscheidungsstrategien in weiteren Rechenschritten Finallösungen<br />
ermittelt werden, die das Risikoverhalten der Unternehmensleitung berücksichtigen,<br />
hätte aber keine quantitativen Größen (Wahrscheinlichkeiten) für das verbleibende<br />
Risiko bzw. die möglichen Chancen, die mit der vorgeschlagenen Entscheidung<br />
verbunden sind.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 23
Eine ähnliche und in diese Richtung gehende Vorgehensweise resultiert aus dem „Trial<br />
and Error“ Prinzip. „Versuch-und-Irrtum“ ist eine heuristische Methode, um Probleme zu<br />
lösen, bei der so lange zulässige Lösungsmöglichkeiten probiert werden, bis die gewünschte<br />
Lösung gefunden wird. Dabei wird oft bewusst auch die Möglichkeit von Fehlschlägen<br />
in Kauf genommen.<br />
Die Methode findet oft dann Anwendung, wenn keine systematischen Verfahren zur Verfügung<br />
stehen. In der Informatik finden sich viele „algorithmische“ Verfahren, die auf dem<br />
Versuch-und-Irrtum-Ansatz beruhen. Dazu gehören klassische Backtracking-Algorithmen,<br />
die rekursiv eine Menge von möglichen Lösungen durchsuchen, bis eine richtige Lösung<br />
gefunden wird.<br />
Bei Planungen unter Unsicherheit bieten heute die Verfahren der Monte-Carlo-<br />
Simulationen neue Wege an, wobei mit Hilfe der Simulationstechnik das Gesamtrisiko<br />
komplexer Entscheidungen quantifiziert werden kann. Hierbei werden die Auswirkungen<br />
stochasticher Eingangsdaten auf die Zielfunktion in Form eines Produktions-, Unternehmens-<br />
bzw. Investitionsmodells simuliert. Dazu werden für die unsicheren Parameter (Dateninputgrößen)<br />
Schwankungsbereiche über objektiv oder subjektiv ermittelte Wahrscheinlichkeitsverteilungen<br />
vorgegeben und die Auswirkungen auf die Plangrößen des<br />
Unternehmens simuliert. Das Ergebnis derartiger Risiko- und Chancenanalysen sind spezielle<br />
Erwartungswerte für bestimmte Ereignisse (z.B. Verlustrisiko oder „Value at Risk“)<br />
bzw. eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die untersuchten Zielwerte. Eine solche Planungsstechnik<br />
führt über Risikotransparenz zu einer entscheidenden Verdichtung des<br />
Entscheidungsfeldes und liefert damit in der <strong>Unternehmensführung</strong> entsprechend ihrer<br />
Risikoneigung eine nicht zu unterschätzende Entscheidungshilfe.<br />
1.5.3.2.2.3 Finanzmathematische Verfahren<br />
Finanzmathematische Verfahren (Investitionsmodelle) sind in der Regel spezielle Rechnungen,<br />
die die Vorzüglichkeit einer Investition über den Kapitalwert, den "Return on Investment"<br />
(R.o.I.) sowie die Amortisationszeit bewerten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht<br />
sind Investitionen durch diejenigen Ein- und Auszahlungsströme charakterisiert, die sie<br />
ursächlich im Unternehmen auslösen („Incremental Cash-Flow"). Die Auszahlungen setzen<br />
sich zusammen aus den Anfangsauszahlungen für das Investitionsobjekt, den fixen<br />
Auszahlungen für das Vorhandensein und die Erhaltung der Betriebsbereitschaft der Anlage(n)<br />
sowie aus den proportionalen Auszahlungen für den Einsatz an Arbeit, Energie<br />
und Materialien zum Betrieb. Die Einzahlungen ergeben sich vor allem als Erlöse aus dem<br />
Absatz der mit dem Investitionsobjekt erstellten Leistungen.<br />
Zur Durchführung dynamischer Wirtschaftlichkeitsanalysen von Investitionen müssen an<br />
den genannten Zahlungsströmen modellintern zwei finanzmathematische Manipulationen<br />
vorgenommen werden:<br />
(1) Um alle Aus- und Einzahlungen einer Investition vergleichbar zu machen, müssen diese<br />
auf einen zuvor gewählten gemeinsamen Bezugszeitpunkt auf- bzw. abgezinst (diskontiert)<br />
werden, wobei zur Vereinfachung unterstellt wird, dass alle Zahlungen jeweils nur zu<br />
einem bestimmten Termin der Periode, in der Regel zum Ende des Jahres, anfallen.<br />
(2) Flußgrößen (periodisierte Zahlungsströme) sind in Bestandsgrößen zum jeweils gewählten<br />
Bezugszeitpunkt zu transformieren und umgekehrt. Das heißt, jährliche (periodische)<br />
Renten sind mit einem Rentenbarwertfaktor in Gegenwartswerte (Rentenbarwerte)<br />
bzw. Gegenwartswerte mit dem Annuitätenfaktor in Renten (Annuitäten) umzurechnen;<br />
„ewige Renten" werden mit dem Kapitalisierungsfaktor in Gegen-wartswerte (Kapitalwerte)<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 24
umgerechnet. Auf diesen beiden Datenmanipulationen basieren die „klassischen" Verfahren<br />
der dynamischen Investitionsplanung.<br />
Ungeachtet der eventuellen Notwendigkeit einer gesamtbetrieblichen Analyse (LP-Modell)<br />
der Rentabilität- und Liquiditätsgesichtspunkte einer Investition im konkreten Anwendungsfall<br />
können Investitionsmodelle zunächst unter der Prämisse sicherer Erwartungen<br />
aufgestellt und nachfolgend mit Hilfe der Szenario- oder Simulationstechnik für Betrachtungen<br />
unter Unsicherheit modellmäßig erweitert werden.<br />
Abb. 5a: Modellierung Einzahlungs-Auszahlungsrechnung für die Schweinemast<br />
Die Abbildungen 5a und 5b zeigen beispielhaft den Aufbau eines Investitionsmodells in<br />
Excel für einen zu planenden Schweinestall. Das Projekt ist mit einer Nutzungsdauer von<br />
20 Jahren gerechnet. Dargestellt sind in der ersten Excel-Tabelle (vgl. Abb. 5a) zunächst<br />
die detaillierten Ein- und Auszahlungen, die sich aus der Investition ergeben. Zusammengefasst<br />
und finanzmathematisch verrechnet werden dann die Summenwerte in der folgenden<br />
zweiten Excel-Tabelle (vgl. Abb. 5b). Dazu werden die Ein- und Auszahlungen auf<br />
den Austangszeitpunkt T o diskontiert und akkumuliert. Die Summe der jährlichen diskontierten<br />
Cash-Flows des Projektes ergibt sich in der Zelle W9. Es ist der bereits erwähnte<br />
Kapitalwert der Investition.<br />
Abb. 5b: Bewertungsteil des Investitionsmodells für die Schweinemast<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 25
Excel bietet für die Kapitalwertberechnung sowie für die Ermittlung der internen Verzinsung<br />
(IKV) auch Formel an. Unser Projekt verzinst sich jährlich mit 10,9% p.a. . Die Amortisationszeit<br />
des Projektes ist dann erreicht, wenn der akkumulierte diskontierte Cash-<br />
Flow das erste Mal einen positiven Wert erreicht. In unserem Beispiel ist ersichtlich (vgl.<br />
Abb. 5b, Zeile9, Spalten M und N) dass dies das 11. Jahr ist. Dieser Umschlagspunkt<br />
wird auch oft als „Break-Even-Point“ oder Gewinnschwelle bezeichnet.<br />
1.6 Betriebsvergleiche im Kontrollprozess<br />
Ohne Vergleiche wäre die Beurteilung der Effizienz von Produktionsprozessen, Betriebszweigergebnissen<br />
oder gar Unternehmensergebnissen kaum denkbar. Um ggf. Verbesserungspotentiale<br />
aufzuspüren, ist die Durchführung eines Vergleiches zwischen zwei oder<br />
mehreren Kontrollgrößen erforderlich. Der Betriebsvergleich ist gerade in der Landwirtschaft<br />
ein wichtiges Instrument der Unternehmenskontrolle, um ggf. Schwachstellen aufzuspüren.<br />
Er ist damit eine Art Vorstufe zur Problemanalyse.<br />
Betriebsvergleiche können mit unternehmenseigenen Daten aus Vorjahren im sog. vertikalen<br />
Betriebsvergleich durchgeführt werden. Ebenso ist auch der Vergleich mit anderen<br />
Unternehmen im horizontalen Betriebsvergleich üblich, der sich im einfachsten Fall auf<br />
Daten eines Jahres bezieht. Denkbar ist auch eine Kombination, in der der Betrieb über<br />
verschiedene Jahre mit sich selbst und anderen Betrieben verglichen wird. Die folgende<br />
Übersicht zeigt die Möglichkeiten betrieblicher Vergleiche auf.<br />
Abb. 6: Mögliche Formen des Betriebvergleiches in der Landwirtschaft<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 26
Der einzelbetriebliche Vergleich ist in der Regel ein Zeitvergleich, der Kennzahlen eines<br />
Unternehmens über eine Zeitreihe „vertikal“ vergleicht oder Soll- und Ist-Daten gegenüberstellt.<br />
Mehrbetriebliche Vergleiche sind in der Regel Konkurrenzvergleiche, die sowohl horizontal<br />
und vertikal durchgeführt werden können. Dabei ist der Vergleich eines Einzelbetriebes<br />
mit Gruppen oder auch der Vergleich einzelner Gruppen untereinander denkbar.<br />
Selten findet man Vergleiche, in denen Einzelbetriebe horizontal miteinander verglichen<br />
werden (Benchmarking). Es stellt sich dabei aber die Frage, ob dies zielführend im Sinne<br />
einer kritischen Überprüfung des eigenen Unternehmens ist.<br />
1.6.1 Kennzahlen und Gruppierungsmerkmale für Betriebsvergleiche<br />
Im Rahmen von Betriebsvergleichen wird systematisch und nach bestimmten Methoden<br />
ein Vergleich betrieblicher Kenngrößen vorgenommen, um wirtschaftliche Tatbestände<br />
von Unternehmen zu messen und zu beurteilen. Dazu ist es notwendig, eine Auswahl von<br />
Kennwerten vorzunehmen, die in die Vergleiche einbezogen werden sollen.<br />
Um Input-Output-Relationen zu vergleichen, eigenen sich zunächst einmal Produktivitätskennziffern,<br />
mit deren Hilfe naturale oder monetäre Erträge auf knappe Faktoren wie z.B.<br />
die landwirtschaftliche Nutzfläche (z. B. dt/ha), Arbeitskräfte, Stallplätze oder auch Kapital<br />
bezogen werden. Damit erhält man Informationen über die Verwertung dieser begrenzt<br />
verfügbaren Faktoren.<br />
Will man darüber hinaus den Input noch weiter analysieren, dann müssen aus Kostenstellen-<br />
und Kostenträgerrechnungen, die in professionellen Agrarunternehmen z.B. in Form<br />
von Schlag- bzw. Tierkarteien angelegt sind, entsprechende Kennwerte abgeleitet werden.<br />
Bezieht man den Einsatz von zwei Produktionsfaktoren aufeinander, dann kommt man zu<br />
Intensitätskennziffern. Bekannte Beispiele sind der N-Aufwand je ha, der Kraftfutteraufwand<br />
je Kuh etc. Sie können in Form rein naturaler Größen wie z.B. N-Verbrauch/dt Getreide,<br />
Kraftfuttereinsatz/kg Milch etc. erhoben werden.<br />
Die Anzahl der möglichen Kennwerte ist nahezu unbegrenzt, viele dieser Werte sind jedoch<br />
untereinander hochgradig korreliert und verbessern damit nicht unbedingt die Aussage<br />
des Vergleiches. Deshalb sollte die Auswahl der Kennwerte in Ausrichtung auf das<br />
Betriebssystem sowie auf die Ziele, die mit der Analyse verbunden sind, erfolgen.<br />
Für ökonomische Auswertungen auf Unternehmensebene sind nachfolgend Kennziffern<br />
für die Rentabilität, Liquidität und die Stabilität beschrieben und erläutert.<br />
Kennzahlen der Rentabilität:<br />
Das Ziel der Rentabilitätsanalyse ist die Ermittlung des Ertrages des eingesetzten Kapitals<br />
und der eingesetzten Arbeit im Vergleich zum benötigten Aufwand. Einen Überblick über<br />
die in der Landwirtschaft gängigen Rentabilitäsgrößen gibt die nachfolgende Abb. 6. Der<br />
wichtigste Erfolgsmaßstab hierbei ist der Gewinn. Aus ihm erfolgt die Entlohnung für die<br />
unternehmerische Tätigkeit der <strong>Unternehmensführung</strong> sowie die Verzinsung des eingesetzten<br />
Eigenkapitals. Allerdings ist dabei der „bereinigte Gewinn“ zu ermitteln, weil nur er<br />
den tatsächlichen Erfolg im Abrechnungszeitraum dar stellt, da er um zeitraumfremde und<br />
außergewöhnliche Einflüsse korrigiert ist. Zeitraumfremde Einflüsse sind beispielsweise<br />
Erträge aus vorausgezahlten Pachten (vgl. Rechnungsabgrenzungsposten), unvorherge-<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 27
sehene Reparaturaufwendungen aufgrund eines Unfalls oder Veräußerungsgewinne bei<br />
Anlageverkäufen (vgl. Aufdeckung stiller Reserven). Durch diese Bereinigung wird es<br />
möglich, die wirkliche Ertragskraft des Unternehmens abzuschätzen. Von daher ist der<br />
bereinigte Gewinn besser für die Beurteilung der Rentabilität eines Unternehmens geeignet.<br />
Bezieht man den Gewinn auf das eingesetzte Eigenkapital, so erhält man die Eigenkapitalrentabilität,<br />
die ausdrückt, wie sich das eingesetzte Eigenkapital verzinst. Diese<br />
Größe kann aber in Betriebsvergleichen nur dann verwendet werden, wenn der Faktor<br />
Arbeit bereits entlohnt ist. Dies ist nicht in allen Rechtsformen gegeben! Der Zinsertrag<br />
des Eigenkapitals beschreibt die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung nach Abzug von<br />
„Lohnansätzen“ für noch nicht entlohnte Arbeitskräfte. Je größer dieser Wert ist, desto<br />
rentabler hat das Unternehmen c.p. gewirtschaftet. Will man Personen- und Kapitalgesellschaften<br />
bzw. Genossenschaften in punkto Eigenkapitalrentabilität vergleichen, dann sollte<br />
man diese Größe verwenden.<br />
Abb. 7: Erfolgsgrößen der Unternehmensrentabilität<br />
Es sollte jedoch erwähnt werden, dass Kennzahlen der Eigenkapitalrentabilität stark von<br />
der Bewertung des Vermögens auf der Aktivseite der Bilanz abhängen. Wird das Vermögen<br />
zu hoch bewertet, so errechnet sich ein geringerer Zinsertrag bzw. eine geringere<br />
Eigenkapitalrentabilität, wird es zu gering bewertet, so errechnen sich höhere Kennwerte.<br />
In der Landwirtschaft ergibt sich hier vor allem ein Problem aus der Bewertung von Eigentumsflächen.<br />
Liegen diese im Einzugsbereich wirtschaftlich florierender Großstädte, dann<br />
sind die Verkehrswerte relativ hoch anzusetzen, wodurch die Eigenkapitalrentabilität entsprechend<br />
niedrig ausfällt.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 28
Eine Kenngröße zum Vergleich der aus der noch nicht entlohnten eingesetzten Arbeit erzielten<br />
Verwertung des Eigenkapitals ist der Arbeitsertrag. Will man diese Größe zwischen<br />
Personen- und Kapitalgesellschaften/Genossenschaften vergleichen, dann ist diese<br />
Größe bei der letztgenannten Gruppe so nicht anwendbar. Vielmehr ist auf den berechneten<br />
Wert noch der vorher in der GuV abgezogene Arbeitsaufwand für entlohnte Arbeitskräfte<br />
aufzuaddieren.<br />
Die Gesamtkapitalrentabilität wird in gewerblichen Unternehmen oft berechnet, um den<br />
Einfluss unterschiedlicher Kapitalstrukturen beim horizontalen Betriebsvergleich zu unterbinden.<br />
Die Verzinsung des Gesamtkapitals sollte mit den Zinszahlungen verglichen werden,<br />
die für das Fremdkapital geleistet werden. Ist die Gesamtkapitalrentabilität höher als<br />
der Fremdkapitalzins, kann darauf geschlossen werden, dass im Unternehmen ein höherer<br />
Gewinn erzielt wird, als in Form von Fremdkapitalzinsen abgeführt werden muss. Außerdem<br />
könnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass durch eine weitere Fremdkapitalaufnahme<br />
die Eigenkapitalrentabilität gegenüber der Gesamtkapitalrentabilität erhöht<br />
werden könnte (Leverage-Effekt). Dabei wird jedoch unterstellt, dass das Fremdkapital<br />
immer zu dem gleichen Zinssatz aufgenommen werden kann. Tatsächlich ist das aber nur<br />
bis zu einer gewissen betriebsspezifischen Bonitätsgrenze möglich. Darüber hinaus werden<br />
die Kreditgeber aufgrund des Risikos höhere Zinsen verlangen.<br />
Kennzahlen der Liquidität:<br />
Unter „Liquidität“ im Sinne der Zahlungsfähigkeit versteht man die Fähigkeit eines Wirtschaftssubjektes,<br />
seinen finanziellen Verpflichtungen termingerecht und beitragsgenau<br />
nachzukommen. Sie wird gemessen durch Liquiditätsgrade (z. B. Barliquidität bzw. Liquidität<br />
1. Grades etc.). Die Barliquidität ist eine statische Kennzahl für einen bestimmten<br />
Stichtag. Sie gibt das Verhältnis der liquiden Mittel zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten<br />
an. Die liquiden Mittel sind der Barbestand (Bargeld) und die Bankguthaben. Dabei sollen<br />
sich gemäß der „absolute liquidity ratio“ die liquiden Mittel zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten<br />
wie 1:5 verhalten. Die Aussagekraft der Barliquidität, ist aber gering, weil nur ein<br />
Teil der kurzfristigen Verbindlichkeiten am Stichtag fällig ist. Die Kennzahl sagt nichts darüber<br />
aus, wie groß dieser Teil tatsächlich ist. Ist dieser Teil groß, dann ist die Unternehmung<br />
bereits illiquide, auch wenn die Relation 1:5 eingehalten worden ist. Außerdem ist<br />
eine starre Relation bezüglich der Kennziffer wie 1:5 problematisch, da sie durchaus für<br />
eine bestimmte Unternehmung, für eine bestimmte Branche oder für eine bestimmte Wirtschaftssituation<br />
variieren kann.<br />
Es gibt weitere Liquiditätsgrade (1., 2. und 3. Grades), die sich aus den Eigenschaften von<br />
Vermögensobjekten im Hinblick auf ihre Geldnähe (leicht in Geld umzuwandeln) oder<br />
Geldferne (schwer in Geld umzuwandeln) herleiten. Dem Messkonzept liegt die Überlegung<br />
zugrunde, dass die Zahlungsfähigkeit Fall dann erhalten werden kann, wenn den<br />
nach Fälligkeitsfristen geordneten Verbindlichkeiten jeweils Vermögenswerte mit gleichen<br />
Liquidierbarkeitszeiten gegenüberstehen. Die Zahlungsverpflichtungen sollen demnach<br />
durch entsprechende flüssige oder flüssig zu machende Vermögenswerte gedeckt werden.<br />
Große Bedeutung hinsichtlich der Beurteilung der Liquidität (aber auch der Stabilität) haben<br />
die Kapitaldienstgrenzen. Die langfristige Kapitaldienstgrenze gibt Auskunft darüber,<br />
ob die Unternehmung den Kapitaldienst für das aufgenommene oder noch aufzunehmende<br />
Fremdkapital erwirtschaften kann. Sie drückt jenen Betrag aus, der maximal für die<br />
Zahlung der Zins- und Tilgungsraten zur Verfügung steht. Die Kapitaldienstgrenze ist ab-<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 29
hängig von der Ertragskraft des Unternehmens und den Lebenshaltungskosten der Unternehmerfamilie.<br />
Der Kapitaldienst sollte geringer oder maximal gleich der langfristigen Kapitaldienstgrenze<br />
sein, damit das Unternehmen nicht Gefahr läuft, „die alten Schulden“ mit neuen Krediten<br />
bezahlen zu müssen. Außerdem darf die langfristige Kapitaldienstgrenze nicht ausschließlich<br />
durch Zinsen ausgefüllt werden, da dann kein Eigenkapital mehr gebildet werden<br />
kann, um die Verbindlichkeiten nachhaltig zu tilgen. Kann der Kapitaldienst nicht aus der<br />
langfristigen Kapitaldienstgrenze bedient werden, reicht also die Eigenkapitalbildung nicht<br />
aus, können zusätzlich die Abschreibungen hinzugezogen werden. Man spricht dann von<br />
der mittelfristigen Kapitaldienstgrenze. Die mittelfristige Kapitaldienstgrenze kann nur in<br />
solchen Unternehmen in Betracht gezogen werden, in denen gerade große Investitionen<br />
getätigt worden sind und dadurch in den nächsten Jahren keine Ersatz- oder Neuinvestitionen<br />
notwendig werden. Die kurzfristige Kapitaldienstgrenze gibt den maximalen Betrag<br />
an, der für Zins- und Tilgungszahlungen aufgewendet werden kann, wenn keine Investitionen<br />
vorgenommen werden.<br />
Eine weitere Kennzahl zur Bestimmung der Liquidität ist der Cash Flow. Er stellt den Einnahmenüberschuss<br />
eines Unternehmens dar und beschreibt dessen Finanzkraft, Geldvermögen<br />
zu bilden und Investitionen zu finanzieren. Je höher der Cash Flow, desto<br />
günstiger ist die Liquidität des Unternehmens, da ein größerer Betrag zur Schuldentilgung<br />
und für Investitionen zur Verfügung steht.<br />
Zwei Kennzahlen, die in Zusammenhang mit dem Cash Flow stehen, sind die Schuldentilgungsdauer<br />
und der Innenfinanzierungsgrad eines Unternehmens. Die Schuldentilgungsdauer<br />
gibt an, wie viel Jahre das Unternehmen bei gegebenem Cash Flow benötigen würde,<br />
um seine Verbindlichkeiten „abzuzahlen“. Das Ergebnis kann jedoch nur ein grober<br />
Anhaltspunkt sein, da es unterstellt, dass der gesamte Cash Flow zur Schuldentilgung<br />
verwendet wird und über die Jahre relativ konstant bleibt. In der Realität werden aus dem<br />
Cash Flow auch Investitionen getätigt. Der Innenfinanzierungsgrad stellt dar, inwieweit ein<br />
Unternehmen in der Lage ist, seine Investitionen aus dem Cash Flow zu finanzieren. Auch<br />
hier muss die gleiche Vorsicht bei der Interpretation angewendet werden, da der Cash<br />
Flow nicht nur für Investitionen zur Verfügung steht.<br />
Kennzahlen der Stabilität:<br />
Aus der Gewinnrate, die eigentlich als eine Kennziffer für die Rentabilität angesehen werden<br />
könnte, geht hervor, mit wie viel Prozent der Gewinn am Unternehmensertrag (Umsatz)<br />
beteiligt ist. In Betrieben mit hohen Gewinnen liegt die Gewinnrate meist wesentlich<br />
höher als in Unternehmen mit geringeren Unternehmensgewinnen. Je größer die Gewinnrate<br />
eines Unternehmens ist, desto geringer ist das Verlustrisiko in Zeiten sinkender Erzeugerpreise<br />
am Absatzmarkt. Deshalb ist diese Kennzahl – auch Umsatzrentabilität genannt<br />
- ist besonders dann wichtig, wenn der Betrieb Aufstockungsinvestitionen vornehmen<br />
will. Bei Personenunternehmen mit natürlichen Personen muss zuvor allerdings der<br />
Gewinn – wie bereits dargestellt – um die Entlohnung der nichtentlohnten Familienarbeitskräfte<br />
bereinigt werden, um die Unternehmen natürlicher Personen mit denen juristischer<br />
Personen vergleichbar zu machen.<br />
Die Eigenkapitalbildung (auch als Eigenkapitalveränderung bezeichnet) zählt zu den<br />
wichtigsten Stabilitätskriterien und stellt dar, inwieweit der Gewinn und die Einlagen die<br />
Entnahmen abdecken können, bezieht also den Privatbereich in die Auswertungen ein,<br />
der in den Unternehmen natürlicher Personen eine große Rolle spielt. Eine hohe Eigenkapitalbildung<br />
ist immer dann notwendig, wenn die Abschreibungsbeträge für Ersatzinvestitionen<br />
durch die Inflation verringert werden. Sie wird für Schein-Nettoinvestitionen benö-<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 30
tigt, das ist die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem ursprünglichen<br />
Anschaffungswert, und für Wachstumsinvestitionen. Letztere sind notwendig, um zumindest<br />
einen angemessenen Gewinn für die steigenden Lebenshaltungskosten zu erwirtschaften.<br />
Weitere Indikatoren zur Ermittlung der Stabilität sind die Investitionen im Zusammenhang<br />
mit dem Wachstum. Investieren bedeutet die Festlegung und Umwandlung finanzieller<br />
Mittel in Vermögenswerte. Der Umfang der Investitionen stellt die Zukunftsvorsorge eines<br />
Unternehmens dar. Je größer das Investitionsvolumen, desto besser ist die Zukunftsvorsorge<br />
und die erwartete Ertragskraft des Unternehmens. Diese Beurteilung muss jedoch<br />
relativiert werden durch die Einbeziehung der im gleichen Zeitraum aufgetretenen Desinvestitionen<br />
(Abgänge und Abschreibungen). Zur Vermeidung falscher Bewertungen der<br />
Investitionstätigkeit sollten stets die Nettoinvestitionen betrachtet werden. In diesem Zusammenhang<br />
ist die Anlagenintensität zu sehen, die angibt, in welchem Umfang Kapital<br />
im abnutzbaren Anlagevermögen (Gebäude- und Maschinenvermögen) gebunden ist. Eine<br />
hohe Anlagenintensität stellt eine hohe Fixkostenbelastung dar und vergrößert das Risiko<br />
der Anlagenentwertung durch den technischen Fortschritt. Außerdem verringert sie<br />
die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens an Marktveränderungen und damit seine<br />
Stabilität.<br />
Die Kennzahlen Eigenkapitalquote bzw. Verschuldungsgrad oder Fremdkapitalquote<br />
liegt die Überlegung zugrunde, dass ein Unternehmen finanziell stabil ist, wenn das<br />
Fremdkapital das Umlaufvermögen nicht übersteigt. Existenzgefährdung tritt dann ein,<br />
wenn Umlauf-, Vieh- und Anlagevermögen durch Fremdkapital finanziert werden. Bei 80<br />
Prozent Fremdkapital als nur 20% Eigenkapitalquote ist für produzierende Unternehmen<br />
i.d.R. eine starke Gefährdung gegeben.<br />
Für Vergleiche mit Betriebsgruppen sind gewisse Vorraussetzungen einzuhalten, wenn<br />
eine brauchbare Aussagefähigkeit derartiger Analysen gegeben sein soll. Eine statistisch<br />
einwandfreie Vorgehensweise verlangt eigentlich die Aufspaltung der Vergleichsunternehmen<br />
in verschiedene Vergleichsgruppen derart, dass die für die Analyse verbleibenden<br />
Kennwerte möglichst unabhängig von den Gruppierungsmerkmalen sind (vgl. Abb. 7).<br />
Anderenfalls enthalten die Ergebnisse des späteren Vergleiches einen nicht bekannten<br />
wechselseitigen Einfluss zwischen Gruppierungsmerkmal[en] und den betrachteten Kennziffern.<br />
Zunächst sind beim Vergleich von Agrarunternehmen homogene Gruppen bezüglich der<br />
natürlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse zu bilden. Weiterhin ist es sinnvoll, nach der<br />
Produktionsrichtung in Form vergleichbarer Betriebssysteme der Agrarwirtschaft zu gruppieren<br />
(vgl. Marktfruchtbaubetriebe; Futterbaubetriebe u.ä.).<br />
Die Arbeitsverfassung, Rechtsform und Eigentumsverfassung haben ebenfalls verzerrenden<br />
Einflüsse und sind daher auch Gruppierungsmerkmale. Für Vergleiche von Agrarunternehmen<br />
mit unterschiedlicher Arbeitsverfassung bzw. Rechtsformen müssen ggf. Korrekturen<br />
für noch nicht entlohnte Faktoren vorgenommen werden. Der Zinsertrag des eingesetzten<br />
Eigenkapitals von Familienunternehmen kann nur mit dem von Kapitalgesellschaften<br />
bzw. Genossenschaften verglichen werden, wenn für die noch nicht entlohnten<br />
Arbeitskräfte realistische Lohnansätze bzw. Entlohnungen für Führungskräfte angesetzt<br />
sind. Ebenso ist der Arbeitertrag dieser beiden Gruppen so nicht vergleichbar, im Falle der<br />
Genossenschaften und Kapitalgesellschaften müssten die bereits abgezogenen Gehälter<br />
und Löhne wieder hinzugerechnet werden.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 31
Die gleiche Problematik tritt auch beim Vergleich der Eigenkapitalentlohnung auf. Pachtbetriebe<br />
verfügen bei gleicher Flächenausstattung naturgemäß über ein geringeres Eigenkapital<br />
als vergleichbare Unternehmen mit einem hohen Anteil an Eigentumsflächen.<br />
Wenn ein Ziel des Unternehmens darin besteht, grundsätzlich die im Familienbesitz befindlichen<br />
Flächen nicht zu veräußern, fällt ihre Eigenkapitalentlohnung und ebenso der<br />
Unternehmergewinn entsprechend niedriger aus. Dies heißt aber noch lange nicht, dass<br />
diese Unternehmen unrentabler arbeiten. Einen Ausweg bieten hier das Herausnehmen<br />
der Eigentumsflächen aus der Bilanz und die Einbeziehung eines angemessenen Pachtansatzes<br />
für die Eigentumsflächen.<br />
Abb. 8: Gruppierungsmerkmale im landwirtschaftlichen Betriebsvergleich<br />
Als letzte Untergliederung können so gefilterte homogene Gruppen nach dem Grad ihres<br />
Erfolges gegliedert werden. In der Praxis (u. a. in Beratungsringen) ist es üblich, eine Aufteilung<br />
in erfolgreiche, durchschnittliche sowie weniger erfolgreiche Unternehmen vorzunehmen<br />
(vgl. Tab. 4). Dabei werden zur schärferen Herausarbeitung der Extreme vielfach<br />
50% der Betriebe als Durchschnittsgruppe und jeweils 25% der Betriebe mit der schlechtesten<br />
bzw. 25% mit der besten Erfolgsgröße zu Gruppen zusammengefasst (Gruppierung<br />
über Quartile).<br />
Das Erfolgskriterium kann dabei sehr unterschiedlich gewählt werden: Die Erfolgsmessung<br />
kann anhand von naturalen Produktivitätskennziffern (Flächenertrag/ha oder Milchleistung/Kuh)<br />
erfolgen, sinnvoller in Hinblick auf wirtschaftliche Zielsetzungen des Unternehmens<br />
sind Rentabilitätsmaßstäbe wie Deckungsbeitrag/knappen Faktor, der Unternehmensgewinn<br />
oder die Eigenkapitalrentabilität.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 32
Das praktische Problem einer „sauberen“ Gruppierung besteht in der Tatsache, dass mit<br />
zunehmender Filterung bzw. Homogenisierung die Anzahl der verfügbaren Vergleichsunternehmen<br />
überproportional abnimmt. Wenn die verbleibenden Gruppen zahlenmäßig zu<br />
klein werden (N < 20), ist ihre Aussagefähigkeit auch stark eingeschränkt. In der Praxis<br />
geht man dieses Problem meist recht pragmatisch an, indem man sich auf weitgehende<br />
Ähnlichkeiten der wesentlichen Merkmale beschränkt und dabei den Anspruch auf „absolute“<br />
Vergleichbarkeit aufgibt.<br />
Schließlich führt eine zu starke Homogenisierung der Gruppen ggf. dazu, dass keine Unterschiede<br />
mehr zum Vergleichsobjekt bestehen und sich damit keine „Schwachstellen“<br />
ergeben. Ist dagegen die Zahl der nicht vergleichbaren Gruppierungsmerkmale zu groß,<br />
so ist das Auffinden der Merkmale, die den Unterschied ausmachen und ggf. Ansatzpunkte<br />
für eine Verbesserung sind, schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Es gilt daher in der<br />
Praxis einen akzeptablen Kompromiss zwischen diesen beiden Extrema bei der Bildung<br />
von Vergleichsgruppen zu finden.<br />
1.6.2 Horizontale Betriebsvergleiche<br />
Derartige komparative Analysen beruhen auf den Vergleichen von Kennzahlen desselben<br />
Wirtschaftsjahres. Dabei ist der Vergleich von Betriebsgruppen ebenso möglich, wie die<br />
Gegenüberstellung einzelner Agrarbetriebe mit einer bzw. mehreren Betriebsgruppen.<br />
Das in Tabelle 2 aufgezeigte Beispiel ist ein Gruppenvergleich innerhalb eines Schweineerzeugerringes.<br />
Tabelle 2: Beispiel eines horizontalen Betriebsvergleiches zwischen Gruppen<br />
WJ 2011/12<br />
alle Betriebe<br />
Gruppierungskriterium ist hier eine Rentabilitätsgröße, vgl. direktkostenfreie Leistung/m 2<br />
Stallfäche. Mit diesem Erfolgsmaßstab wird die Verwertung eines knappen Faktors, näm-<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 33
lich der „Stallfläche“ ausgewiesen. Man sieht, dass erfolgreiche Betriebe diesen Faktor mit<br />
über 40€/m 2 besser verwerten können als die schlechten Mäster.<br />
In der pflanzlichen Produktion ergibt sich beim Vergleich von Betriebszweigen bzw. Kulturen<br />
ein Problem bei starker Inhomogenität der Schläge: Da die Aggregation von Werten<br />
der Einzelschläge zu betrieblichen Werten einen Informationsverlust darstellt, sind bei<br />
größeren Unterschieden zwischen den Einzelschlägen oder gar innerhalb einzelner<br />
Schläge keine Ansatzpunkte für die Überprüfung bzw. ggf. in Frage kommende Änderung<br />
der Input-Output-Relation einzelner Schläge mehr möglich. Ähnliche Probleme ergeben<br />
sich auch in der Tierproduktion, wenn die Herde starke Inhomogenitäten aufweist. Man<br />
müsste dann eigentlich den Vergleich auf schlechte, mittlere und gute Schläge bzw. Tiergruppen<br />
ausdehnen. Dies ist mit den heutigen Ackerschlag-, Kuh- oder Sauenkarteien<br />
prinzipiell möglich, bedeutet aber einen erheblichen Auswertungsmehraufwand und ist in<br />
der Praxis z.Z. noch oft unüblich.<br />
1.6.3 Vertikale Betriebsvergleiche<br />
Das Prinzip des vertikalen Vergleiches besteht darin, ggf. sogar gleiche, d. h. identische<br />
Unternehmen, zu verschiedenen Zeitpunkten miteinander zu vergleichen. In den Vergleich<br />
werden im Wesentlichen ähnliche Kennziffern einbezogen wie beim horizontalen Betriebsvergleich.<br />
Eine besondere Bedeutung bekommt der vertikale Betriebsvergleich, wenn man identische<br />
Einzelschläge bzw. Einzeltiere oder Tiergruppen über Jahre hinweg gegenüberstellen<br />
kann. Mit Hilfe entsprechend geführter Managementprogramme - Schlagkarteien<br />
oder Herdenmanagementprogramme -, die über getroffene Entscheidungen sowie<br />
damit erreichte Zustände Auskunft geben, können Folgerungen für darauf aufbauende<br />
Entscheidungen gezogen werden. Mit einem derartigen produktionsspezifischen und einzelbetrieblichen<br />
Informationssystem lassen sich ggf. Kausalitäten zwischen dem schlagbzw.<br />
tierspezifischen Output und den gewählten Inputs wie z.B. Dünger, PSM oder Futtermittel<br />
ableiten.<br />
Allerdings gibt es beim vertikalen Betriebsvergleich auch Einschränkungen bei der Vergleichbarkeit,<br />
sowohl beim einzel- als auch beim mehrbetrieblichen Vergleich.<br />
Wenn sich z.B. die Flächen- oder Arbeitskräfteausstattung signifikant geändert hat,<br />
oder im Betriebssystem einschneidende Änderungen stattgefunden haben, ist u.U. die<br />
unmittelbare Gegenüberstellung der Kennwerte nicht mehr gegeben.<br />
Des Weiteren ergeben sich Verzerrungsprobleme, wenn in die Kennziffern monetäre Größen<br />
einfließen. Produkt- und Faktorpreisänderungen sowie und Geldwertänderungen<br />
(Inflation) lassen nur eine Vergleichbarkeit über einen begrenzten Zeitraum zu, es sei<br />
denn, dass Korrekturrechnungen diesbezüglich vorgenommen werden können, die allerdings<br />
teilweise recht aufwendig sind. In der gewerblichen Wirtschaft wird dies bei vertikalen<br />
Vergleichen generell getan, indem man bestimmte Kennziffern um Preis- bzw. Wechselkurseffekte<br />
bereinigt bzw. nominale Gewinne deflationiert und um die darin enthaltenen<br />
Scheingewinne bzw. –verluste herausrechnet.<br />
Die in den folgenden Tabellen aufgeführten Beispiele zeigen geradezu „lehrbuchartig“,<br />
welche Fehlinterpretationen möglich sind, wenn bei längeren Zeitreihen die Inflation außer<br />
Acht gelassen wird.<br />
Schaut man sich in Tabelle 5a den Deckungsbeitrag/Kuh bzw. je Betrieb in dieser Gruppe<br />
an, dann stellt man nach der Geldwertkorrektur (Deflationierung) ernüchtert fest, dass die<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 34
Rentabilität tatsächlich sogar gesunken und nicht, wie hier fälschlicherweise aufgewiesen,<br />
gestiegen ist.<br />
Tabelle 3: Beispiel für einen vertikalen Betriebsvergleich in der Milchproduktion<br />
Tabelle 4: Beispiel für einen vertikalen Betriebsvergleich in der Schweinemast<br />
Auch in Tabelle 4 sind die ausgewiesenen Rentabilitätskennziffern zu deflationieren, was<br />
die Unterschiede zwischen dem ersten und letzen Jahr noch deutlicher macht! Außerdem<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 35
sind die sich jährlich stark ändernden (volatilen) Produkt- und Faktorpreise in die Betrachtung<br />
einzubeziehen.<br />
Ein weiteres Problem des vertikalen Betriebsvergleiches liegt in den Auswirkungen des<br />
technischen Fortschritts. Technische Fortschritte verschieben ggf. Input-Output-Relationen<br />
bei Transformationsprozessen, womit eine Anpassung der speziellen Intensität an<br />
ein neues Optimum erforderlich sein kann (nichtneutrale technische Fortschritte). Wenn<br />
nun die Daten der Vorjahre als Sollwerte dienen, unterbleibt ggf. eine erforderliche Anpassung.<br />
Weiterhin kann sich die Witterung, die in der Außenwirtschaft für die landwirtschaftlichen<br />
Produktionsprozesse von zentraler Bedeutung ist, unmittelbar in den Vergleichswerten<br />
vorausgegangener Jahre niederschlagen. Es gibt jedoch keine „amtlichen“ Korrekturfaktoren<br />
für das Wetter, etwa vergleichbar mit Inflationskoeffizienten zur Geldwertkorrektur.<br />
Daraus leitet sich auf jeden Fall die Notwendigkeit ab, geeignete Wetteraufzeichnungen<br />
der einzelnen Jahre bereitzuhalten, um ggf. Abweichungen im Input-Output-Verhältnis mit<br />
ungewöhnlichen Witterungsdaten zu korrelieren.<br />
Neben witterungsbedingten Ertragsschwankungen sind u.a. die Aufwendungen von Pflanzenschutzmaßnahmen<br />
wetterabhängig. Trockenperioden senken tendenziell die Aufwendungen,<br />
während feuchtwarme Jahre die Aufwendungen in die Höhe schnellen lassen.<br />
Hier bietet es sich an, ggf. Durchschnittwerte aus mehreren Jahren zu bilden, um längere<br />
Vergleichszeiträume miteinander vergleichen zu können.<br />
Ein ganz besonderes Problem vertikaler Mehrbetriebsvergleiche sind sogenannte „Migrationseffekte“<br />
zwischen den Gruppen. So kann es passieren, dass im Laufe der Zeit<br />
Gruppenmitglieder in eine andere Gruppe „auf- oder absteigen“ oder ganz aus der untersuchten<br />
Grundgesamtheit ausscheiden (vgl. obige Beispiele). Dies kann zu signifikanten<br />
Veränderungen in den betrachteten Kennziffern führen und damit zu Fehlinterpretationen.<br />
Von daher ist es oft wünschenswert, dass bei vertikalen Gruppenvergleichen nur identische<br />
Betriebe in die Untersuchung einbezogen werden. Sollte dies nicht möglich sein,<br />
dann muss zumindest darauf verwiesen werden, dass es sich nicht um identische Betriebe<br />
handelt.<br />
Die aufgezeigten Probleme der Instrumentariums „Betriebsvergleich“ zeigen, dass die<br />
Einsatzmöglichkeiten nicht überschätzt werden dürfen. Abgesehen von der besonderen<br />
Problematik vertikaler Vergleiche gilt generell bei mehrbetrieblichen Vergleichen: Durch<br />
den Vergleich mit anderen Unternehmen werden lediglich Unterschiede aufgezeigt. Auf<br />
keinen Fall liefert dieser Vergleich generell Sollwerte, an die einzelbetriebliche Bedingungen<br />
– ohne kritische Prüfung - angepasst werden sollen! Dennoch liegt ein unbestreitbarer<br />
Vorteil dieses Instrumentes liegt darin, dass Ansatzpunkte für das Erkennen<br />
von Problemen und damit die Vorraussetzungen für eventuelle Effizienzverbesserungen<br />
geliefert werden können. Das Sprichwort „Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung“<br />
ist vielleicht eine geeignete Gebrauchsphilosophie für dieses Instrument.<br />
1.6.4 Benchmarking<br />
Benchmarking bedeutet vereinfacht ausgedrückt, sich mit dem „Besten" einer Branche zu<br />
vergleichen. Das zentrale Element eines Benchmarking-Prozesses ist ein überbetrieblicher<br />
Kennzahlenvergleich. Gegenstand der Kennzahlenvergleiche sind im Allgemeinen<br />
betriebliche Funktionen, Prozesse und Methoden. Diese werden durch geeignete Kenn-<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 36
zahlen (Verknüpfung von Kosten-, Zeit-, und Mengendaten) beschrieben und können mit<br />
äquivalenten Prozessen im eigenen Betrieb (internes Benchmarking) oder in anderen Betrieben<br />
(externes Benchmarking) verglichen werden.<br />
Ziel des Benchmarking ist es, die eigene Leistung zu messen und einzuschätzen. Auf diese<br />
Weise sollen ggf. Leistungslücken (performance gaps) aufgedeckt und Maßnahmen zu<br />
ihrer Beseitigung ergriffen werden, aber auch erfolgreiche Strukturen als solche identifiziert<br />
und weiterentwickelt werden. Benchmarking kann auf das eigene Unternehmen, die<br />
eigene Branche oder gar branchenübergreifend eingesetzt werden. Die möglichen Bezugsbereiche<br />
des Benchmarkings sind in der folgenden Abbildung dargestellt.<br />
Abb. 9: Dimensionen des Benchmarkings<br />
Der Begriff Benchmarking umfasst neben der Auswertung und Beurteilung des Vergleiches<br />
auch die aufgrund der Ergebnisse beschlossenen Maßnahmen, deren Umsetzung<br />
und Erfolgskontrolle. Das bedeutet, Benchmarking ist kein einmaliger Informationsaustausch,<br />
sondern ein permanenter Prozess zur Wirtschaftlichkeitssteuerung.<br />
Der Gegenstand des Vergleiches, also eine Geschäftsfunktion, ein Produktionsbereich<br />
oder sonstige Leistung, muss eindeutig definiert, das heißt gegen andere Leistungen abgegrenzt<br />
werden. Ein Vergleich ist nur dann sinnvoll, wenn er sich auf einen konkreten, für<br />
alle Beteiligten einheitlichen Gegenstand bezieht. Die Kennzahlen sollten so festgelegt<br />
werden, dass sie die Dimensionen Kosten, Qualität (Leistungsumfang) und Zeit beschreiben.<br />
Die konkreten Definitionen bzw. Größen sind natürlich auf der Grundlage der Funktion<br />
bzw. Leistung zu wählen, die verglichen werden soll.<br />
Um eine mehrdimensionale Betrachtung zu gewährleisten, sind in der Regel mehrere<br />
Kennzahlen notwendig. Dabei ist jede Kennzahl immer im Zusammenhang mit den anderen<br />
Größen zu betrachten. Eine einzelne Zahl besitzt meist nur geringe Aussagekraft. Ziel<br />
sollte es sein, den Analysengegenstand durch ein geeignetes Kennzahlensystem möglichst<br />
ausgewogen darzustellen und Ursache-Wirkungszusammenhänge aufzuzeigen.<br />
Bei der Auswahl der Vergleichsunternehmen werden normalerweise Konkurrenten herangezogen,<br />
die den zu analysierenden Geschäftsbereich in ähnlicher Form<br />
aufweisen. Das größte Hindernis im Zuge der Vorbereitung des Benchmarking-Prozesses<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 37
stellt die Gewinnung der Vergleichsdaten der anderen Unternehmen dar, da die benötigten<br />
Kenntnisse von Konkurrenten oftmals gar nicht oder nur unvollständig gewonnen<br />
werden können.<br />
2. Management des bio-ökonomischen Subsystems „Produktion“<br />
Im Managementbereich Produktion werden sehr viele operative Entscheidungen zur Prozessgestaltung<br />
bzw. –optimierung getroffen. Dazu zählen u.a. Intensitätsentscheidungen,<br />
Überlegungen zur Minimalkostenkombination, Aspekte der Nachhaltigkeit (Resistenz u.<br />
ä.).<br />
Weiterhin sind wesentliche Managementaufgaben darin zu sehen, die Durchführung getroffener<br />
Entscheidungen zu organisieren und den Prozessablauf zu kontrollieren. Gerade<br />
in größeren Betrieben gehören hierzu die tägliche Einsatzplanung der Arbeitskräfte bzw.<br />
Maschinen und die dabei zu lösenden Führungsaufgaben.<br />
Sowohl in der Tier- als auch in der Pflanzenproduktion spielt die Einhaltung gewisser<br />
Terminvorgaben eine immer größere Rolle (Time is Money). Da in modernen Agrarunternehmen<br />
die Personal- und Maschinenkapazitäten schon fast „ausgereizt“ sind, stelle Jahre<br />
mit ungünstigem und unerwartet extremen Witterungsverlauf die Produktionsmanager<br />
vor beachtliche Probleme, termingebundene Arbeiten zeitlich einzuhalten.<br />
2.1 Potentiale zur Prozessoptimierung in der Pflanzenproduktion<br />
Im Vordergrund der Überlegungen zur Prozessoptimierung steht das biologischteschnische<br />
System Kulturpflanze, das im Prozess der Bestandsführung mit den Inputgrößen<br />
Saatgut, Dünger, PSM und ggf. Wasser (Bewässerung) in Verbindung mit unterschiedlichen<br />
Kombinationen von Arbeit und Maschinenkapital im Hinblick auf die Unternehmensziele<br />
versorgt werden muss. Unternehmensentscheidungen im diesem Rahmen<br />
betreffen grundsätzlich Bereiche der optimalen speziellen Intensität sowie die kostenminimale<br />
Kombination von Produktionsfaktoren. Dazu müssen die funktionalen Beziehungen<br />
einzelner Inputgrößen zum Output in Form statischer Produktionen, sowie die funktionalen<br />
Beziehungen der Inputs zueinander in Form von Substitutionsfunktionen bekannt sein.<br />
Darüber hinaus müssen Vorstellungen über die Beeinflussbarkeit von Wachstumsprozessen<br />
zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Form von dynamischen Produktionsfunktionen<br />
(Wachstumskurven) vorliegen.<br />
2.1.1 Im Bereich des Pflanzenschutzes<br />
Mit Pflanzenschutzmaßnahmen kann ein Agrarunternehmen mehrere Ziele verfolgen:<br />
Ausschöpfung des genetischen Ertragspotentials<br />
Reduktion der Ertragsvarianz<br />
Lockerung der biologischen Fruchtfolgegrenzen<br />
Senkung der Produktionskosten<br />
Einteilen lassen sich Pflanzenschutzmaßnahmen (vgl. Abb. 10) in den nachfolgenden Entscheidungsbaum.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 38
Abb. 10: Entscheidungsbaum für Pflanzenschutzmaßnahmen<br />
Zur Pflanzenhygiene zählen alle diejenigen Einzelmaßnahmen, die letztendlich die Eigenkräfte<br />
des biologischen Subsystems Kulturpflanze unterstützen. Entschieden werden<br />
muss u.a. über die zur Auswahl stehenden standortgerechte Sorten sowie die Gestaltung<br />
der Fruchtfolge. Die für die Entscheidungsfindung notwendige Quantifizierung des ökonomischen<br />
Nutzens solcher Maßnahmen gestaltet sich in der Praxis z.T. recht schwierig.<br />
Bekämpfungsmaßnahmen haben im Gegensatz zu Hygiene-Inputs immer ein bzw. mehrere<br />
klar definierte Bekämpfungsziele. Dabei kann man prophylaktisch oder kurativ vorgehen.<br />
Eine grundsätzliche Untergliederung der Bekämpfungsverfahren ergibt sich aus der<br />
Art der eingesetzten Mittel: Chemische, physikalisch- mechanische sowie biologische Verfahren<br />
können gewählt werden.<br />
Besondere Bedeutung hat weltweit eine ganz neue Richtung des Pflanzenschutzes erhalten,<br />
die auf gentechnisch veränderte Pflanzen (transgene Pflanzen) aufbaut. In der EU<br />
sind transgene Pflanzen im kommerziellen Anbau nicht erlaubt.<br />
2.1.1.1 Ökonomie des Pflanzenschutzes<br />
Ähnlich wie bei der Düngung erfolgt die ökonomische Beurteilung einer Pflanzenschutzmaßnahme<br />
nach dem Grenzkostenprinzip: Eine Maßnahme ist dann wirtschaftlich, wenn<br />
die monetäre Grenzleistung die Grenzkosten übersteigt.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 39
Bei den Hygienemaßnahmen zählen zu den entscheidungsrelevanten Kosten (Grenzkosten)<br />
die mit dem Verzicht auf bestimmte Pflanzensorten bzw. Fruchtfolgen einhergehenden<br />
Nutzungskosten (entgangene Deckungsbeiträge) sowie ggf. die Mehrkosten, die aus<br />
der besonderen Produktionstechnik inkl. aller damit einhergehenden Nutzungskosten für<br />
Arbeit und Maschinen resultieren.<br />
Die Grenzkosten physikalisch-mechanischer Verfahren resultieren aus den variablen Maschinenkosten<br />
für Schlepper und Geräte, ggf. den anteilmäßigen Abschreibungen für<br />
neuanzuschaffende Spezialmaschinen, der Energie für Bekämpfung (z. B. Abflammen)<br />
sowie den oft nicht unerheblichen Opportunitätskosten für Arbeit, Maschinen und Kapital.<br />
Zu den Grenzkosten chemischer Pflanzenschutzverfahren zählen neben den Mittelkosten<br />
im Wesentlichen die variablen Maschinenkosten der Ausbringung, eventuell anfallende<br />
Opportunitätskosten für Arbeit und Maschinen und wie bei der Düngung ggf. zusätzliche<br />
Ernte- bzw. Transportkosten infolge höherer Erträge.<br />
Die moneträren Grenzleistungen von Pflanzenschutzmaßnahmen resultieren grundsätzlich<br />
aus folgenden Komponenten:<br />
+ Monetärer Wert der verhinderten Ertragsausfälle<br />
+ Monetärer Wert der verhinderten Qualitätsabschläge<br />
+ Reduzierte Erntekosten (Trockung, etc. incl. Nutzungskosten)<br />
Bei chemischen bzw. gentechnischen Bekämpfungsverfahren ergibt sich ggf. darüber hinaus<br />
noch folgende Zusatzleistung:<br />
+ Steigerung des Gesamt-DB durch engere Fruchtfolgen (vgl. Stoppelweizen)<br />
Anhaltswerte für die zu erwartenden Ertrags- bzw. Qualitätsverluste in Abhängigkeit von<br />
dem Befallsproblem (Schadschwellen) und -grad sind in zahlreichen Literaturquellen zu<br />
finden ebenso die Wirkungs-Beziehungen. Mit Hilfe von Informationssystemen in Form<br />
externer Datenbanken, in die man sich per Internet einloggen kann, ist es heute möglich,<br />
relativ schnell und zuverlässig die entsprechenden Informationen zu bekommen. Ggf. liefen<br />
diese Informationssysteme sogar Entscheidungen (vgl. LIZ-System für die Auswahl<br />
von ZKR-Herbiziden).<br />
Bei chemischen Verfahren ergibt sich ein komplexes Entscheidungsproblem in der optimalen<br />
Auswahl der Mittel und ihrer Dosierung sowie der Bestimmung des optimalen Anwendungszeitpunktes.<br />
Bezüglich der Dosierung gilt bei der Insekten-, Pilz und Unkraut-/Ungrasbekämpfung mit<br />
Nachauflaufherbiziden sehr häufig der Grundsatz, dass mit zunehmendem Entwicklungsstadium<br />
der Schaderreger die Dosis erhöht werden muss, um eine ausreichende Wirkung<br />
zu gewährleisten.<br />
Darüber hinaus wirken die Aktivsubstanzen einzelner Produkte unterschiedlich auf die<br />
einzelnen Bekämpfungsobjekte und ihre Entwicklungsstadien. Wir wollen dies am Beispiel<br />
des Herbizideinsatzes exemplarisch aufzeigen.<br />
Zunächst gilt es die für einen Schlag optimale Wirkstoffmischung aus der Vielzahl der angebotenen<br />
Präparate herauszufinden. Dabei muss zunächst entscheiden werden, ob ein<br />
Vorauflauf- bzw. Vorsaatverfahren oder eine Nachauflaufbekämpfung gewählt wird. Dazu<br />
müssten eigentlich für jeden Schlag historische und aktuelle Bonituren vorliegen, die die<br />
Basis für eine individuell geeignete kostenminimale Mittelauswahl bzw. -mischung darstellen.<br />
In der Praxis ergibt sich allerdings das Problem, dass die Kosten der Bonitur infolge<br />
hoher Opportunitätskosten für die erforderliche Arbeit - Unkrautbonituren sind relativ ar-<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 40
eitsaufwendig - so hoch ausfallen, dass sie die ggf. möglichen Mitteleinsparungen übertreffen.<br />
Aus diesem Grunde wird in vielen Kulturen - vor allem wenn die Herbizidpreise<br />
gering sind - auf eine Bonitur verzichtet und eine Mischung zusammengestellt, die alle für<br />
den Standort potentiell in Frage kommenden Unkrautprobleme hinreichend lösen kann.<br />
Infolge der vielfach anzutreffenden Produktvielfalt, ist es ggf. schwierig, eine Auswahl zu<br />
treffen, da das Wirkungsspektrum der Mittel und ihre Preise z.T. recht unterschiedlich<br />
sind. Eine Entscheidungshilfe kann man sich mit entsprechend zusammengestellten Excel-Datenbanken<br />
und ihren Filteroptionen zusammenstellen, wie das folgende Beispiel für<br />
die Unkrautbekämpfung in Mais zeigt.<br />
Zunächst schafft man sich aus entsprechenden Veröffentlichungen (vgl. Übersicht 11)<br />
einen Überblick über zugelassene Präparate, ihr Wirkungssprektrum und ihre Hektarkosten.<br />
Übersicht 11: Ausgewählte Herbizide zur Unkrautbekämpfung in Mais (Stand 2006)<br />
Dann überträgt man die Informationen in eine Datenbank, dabei vergibt man für die Wirkungsklassifikation<br />
entsprechend der Symbolik „Noten“, hier im Beispiel zwischen 1 (sehr<br />
gute Wirkung) und 5 (keine Wirkung). Anschließend sortiert man die Produkte nach ihrer<br />
Produktleistung und Ihrem Hektarpreis. Wie aus Tabelle 5 zu entnehmen ist, erfüllen nur 4<br />
Produkte eine mindestens gute Unkrautbekämpfung bei allen Unkräutern, wobei ihre Hektarkosten<br />
allerdings sehr unterschiedlich ausfallen. Wenn auf einem Schlag Ausfallraps<br />
kein Problem darstellt, könnte man auf das erste Produkt zugreifen und würde fast 30<br />
€/ha bei gleicher Problemlösung sparen.<br />
Produkte mit der Note 3 und schlechter in ihrem Wirkunsspektrum sollten nur dann eingesetzt<br />
werden, wenn die entsprechenden Unkräuter nicht auftreten, da es sonst zu einer<br />
ungewollten Vermehrung dieser „Indikationslücken“ kommen könnte bzw. sogar zur Resistenzbildung<br />
gegenüber dem Wirkstoff!<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 41
Tabelle 5: Sortierung der Mittel nach Produktleistung und Produktpreis<br />
Eine weitere Option zur Realisierung der Minimalkostenkombination im chemischen Pflanzenschutz<br />
bietet die Mischung von Produkten. Dabei können grundsätzlich additive, synergistische<br />
und antagonistische Wirkungen auftreten. Der letztere Fall verbietet i. d. Regel<br />
eine solche Mischung. Wenn zwei Produkte additiv und unabhängig voneinander wirken,<br />
dann lässt sich ihre Gesamtwirkung nach folgender Formel abschätzen:<br />
Wirkung P1 + Wirkung P2 – Wirkung P1*P2<br />
Dabei stellt P den Wirkungsgrad in Form einer Zahl zwischen 0 und 1 dar. Nehmen wir an,<br />
P1 wirke mit 80% und P2 auch mit 80% gegen ein spezifisches Problemunkraut, dann ist<br />
bei additiver Gesamtwirkung eine Kontrolle von 0,94 also 94% zu erwarten. Die Einzelprodukte<br />
hätten in der Praxis keine Anwendung gefunden, ihre Mischung sorgt immerhin<br />
für eine gute Kontrolle. Wenn die Kosten der Mischung dann noch niedriger ist als ein Alternativprodukt,<br />
dann lohnt es sich, die Produkte zu mischen, sofern diese mischfähig<br />
(chemisch bzw. physikalisch) sind.<br />
2.1.1.2 Notwendigkeit eines Resistenzmanagementkonzeptes<br />
Wenn ein Pflanzenschutzwirkstoff keine Wirkung mehr gegen Schadorganismen zeigt,<br />
spricht man gemeinhin von "Resistenz". Aber nicht alle Resistenzen folgen dem gleichen<br />
Prinzip, denn Ursache und Ausprägung dieses Effektes können sehr unterschiedlich sein.<br />
Schadorganismen werden grundsätzlich im Hinblick auf ihre Sensitivität (Empfindlichkeit)<br />
gegen Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe charakterisiert. Und in dieser Eigenschaft gibt es<br />
Unterschiede: Grundsätzlich haben nicht alle Schädlinge die gleiche Sensitivität gegen<br />
einen Wirkstoff: Einige sind so hoch empfindlich, dass sie schon von einer geringen Wirkstoffmenge<br />
abgetötet werden. Andere dagegen reagieren wenig sensitiv und vertragen<br />
eine weit höhere Dosis als die Gesamtpopulation. Nimmt der Anteil dieser Organismen<br />
(z.B. Pilze) zu, dann kommt es zur Wirkungsminderung oder gar zum Wirkungsverlust und<br />
in der Praxis spricht man dann von "Resistenz".<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 42
Die folgende Abbildung 12 zeigt am Beispiel von Fungiziden, dass eine Schadpilzpopulation<br />
vor dem erstmaligen Einsatz durch eine bestimmte Fungizid-Sensitivität gekennzeichnet<br />
ist. Ein gewisser Teil der Population reagiert hoch empfindlich (linker Kreis) auf<br />
das Fungizid, während ein anderer Teil wenig empfindlich ist(rechter Kreis). Unter diesen<br />
befinden sich immer auch einige besonders unempfindliche, die sogar die ausgebrachte<br />
Felddosis überleben. Das kann fatale Folgen haben, weil sie sich bei fortgesetzter Anwendung<br />
der gleichen Wirkstoffgruppe weiter vermehren und die Basis für eine neue,<br />
noch weniger sensitive Pilzpopulation bilden.<br />
Abb. 12: Schematische Darstellung der Sensitivität einer Pilzpopulation<br />
Chemische Pflanzenschutzmittel greifen in lebenswichtige Prozesse ein (mode of action)<br />
und verursachen biochemische Blockaden an so genannten Wirkorten (place of action).<br />
Hierbei handelt es sich in den meisten Fällen um Enzymproteine oder Rezeptoren in den<br />
Membranen der Zellorganellen. Diese Wirkorte können sich im Laufe der Zeit verändern,<br />
weil bei der Vermehrung der Pilze genetischen Neukombinationen ablaufen und jederzeit<br />
spontane Mutationen auftreten können.<br />
Wenn ein Wirkstoff nur an einem einzigen Wirkort angreift (international: OSI = one site<br />
Inhibitor), kann bereits eine Punktmutation dazu führen, dass keine biochemische Wirkung<br />
mehr entritt und der Schadorganismus (z. B. Pilz) vom Pflanzenschutzmittel nicht mehr<br />
abgetötet wird. Im Fungizidbereich gehören leider Strobilurine zu dieser Gruppe, so dass<br />
die Entwicklung resistenter Schadpilze eigentlich nicht überraschen sollte. Bei Strobilurinen<br />
und anderen Wirkstoffen, die nur einen Angriffspunkt im pilzlichen Stoffwechsel aufweisen<br />
(OSI), ist die Fitness der selektierten Mutanten im Vergleich zur Ausgangspopulation<br />
in vielen Fällen unverändert hoch. Deshalb kommt es in den selektierten Populationen<br />
bei weiterem Einsatz des gleichen Wirkstoffes zu einer immer schärferen Auswahl der<br />
besonders unempfindlichen Individuen.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 43
Wie in der folgenden Abb. 13 dargestellt, können sich auf diese Weise Resistenzfaktoren<br />
von teilweise 100 oder sogar 1000 etablieren Das bedeutet also, die Schadpilze vertragen<br />
das 100- bzw. 1000-fache im Vergleich zur Ausgangspopulation! So kommt es dann<br />
schnell zum völligen Versagen eines Wirkstoffes. Für die Wirkstoffgruppe der Strobilurine<br />
ist beim Erreger der Blattseptoria die Mutation des Gens G143A bereits im Jahr 2000 wissenschaftlich<br />
beschrieben worden.<br />
Abb. 13: Selektion einer Pilzpopulation<br />
Hat ein Wirkstoff dagegen zwei oder mehr Wirkorte (MSI = multi site inhibitor), sind natürlich<br />
zwei oder mehr Mutationen gleichzeitig an verschiedenen Genen erforderlich, um eine<br />
Wirkungsverminderung auszulösen. Damit sinkt bei diesen Wirkstoffen die Wahrscheinlichkeit<br />
des Auftretens resistenter Mutanten, die den Chemieangriff schadlos überstehen,<br />
erheblich. Zwar gibt es auch hier Verschiebungen in der Fungizidempfindlichkeit (shifting)<br />
als Folge häufiger Anwendungen, aber bislang ist es noch nie zu einem völligen Wirkungsverlust<br />
gekommen!<br />
Insbesondere bei den Triazol-Fungiziden mit ihren zwei Angriffspunkten im Pilzstoffwechsel<br />
hat sich gezeigt, dass die durch fortgesetzte Anwendung von Azolen selektierte Population<br />
erheblich an „Fitness" einbüßt. So ist die Vermehrungsfähigkeit der wenig sensitiven<br />
Stämme stark verringert. Deshalb ergibt sich nach einem längerem Selektionsprozess ein<br />
Gleichgewicht (s. Abb. 14). Dieser Effekt wird oft als "shifting" bezeichnet.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 44
Wie aus der Abb. 14 hervorgeht, zeichnet sich die neue Pilzpopulation dadurch aus, dass<br />
sie mehr Wirkstoff verträgt als die Ausgangpopulation. Der sogenannte „Mittlere Resistenzfaktor"<br />
ist zwar höher als bei der Ausgangspopulation, dennoch liegt die Empfindlichkeit<br />
der selektierten Pilze immer noch unter der üblichen Felddosis des Fungizidwirkstoffes.<br />
Solange also keine extrem reduzierten Aufwandmengen zur Anwendung gelangen, ist<br />
auch nicht mit nennenswerten Wirkungsverlusten zu rechnen.<br />
Abb. 14: „Shifting“ beim Einsatz eines MSI-Fungizids (z. B. Triazole)<br />
Erforderliche Überlegungen zu einer Antiresistenzstrategie für Herbizide:<br />
Wie komplex die Überlegungen zum Aufbau einer wirkungsvollen Strategie sind und wie<br />
umfangreich das entsprechende Fachwissen sein muss, geht aus dem folgenden Beispiel<br />
hervor. Ähnliche Überlegungen sind auch im Bereich des Fungizid- und Insektizideinsatzes<br />
anzustellen.<br />
Die Begrenzung der Fruchtfolge nur zwei oder drei Kulturen und die damit einhergehende<br />
intensivere (häufigere) Anwendung bestimmter Herbizidwirkstoffe begünstigen die Entwicklung<br />
„herbizidresistenter“ Unkräuter. Denn durch die wiederholte Anwendung von<br />
Herbiziden mit dem gleichen Wirkungsmechanismus kommt es zu einem Selektionsdruck,<br />
der das Überleben entsprechend angepasster (resistenter) Individuen begünstigt. Wird die<br />
Bekämpfungsstrategie nicht verändert, können sich resistente Individuen in der Population<br />
ausbreiten, bis diese schließlich überwiegen und ernsthafte Bekämpfungsprobleme entstehen.<br />
Deshalb müssen Entscheidungsträger für die Durchführung einer erfolgreichen<br />
Antiresistenzstrategie bei der Mittelauswahl berücksichtigen, wie die einzelnen Herbizide<br />
aufgenommen werden, wo sie in der Pflanze wirken und wann sie am besten appliziert<br />
werden.<br />
Funktionsweise von Herbiziden:<br />
Nach Art der Aufnahme in die Pflanze, der Weiterleitung und der Wirkung werden Herbizide<br />
in Kontaktherbizide und systemische Herbizide unterteilt.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 45
Kontaktherbizide: Manchmal auch Abbrenner genannt, dringen ausschließlich oder vorwiegend<br />
über das Blatt ein und werden in der Pflanze weitergeleitet. Sie schädigen an<br />
und in der Nähe der Stelle des Eindringens. Die Wirkung der Kontaktherbizide beschränkt<br />
sich somit auf Pflanzen ohne Reservestoffe, wie z. B. einjährige Unkräuter.<br />
Systemische Blattherbizide werden vorwiegend über das Blatt mit anschließender Weiterleitung<br />
(Translokation) in der Pflanze aufgenommen. Der Weitertransport erfolgt hauptsächlich<br />
mit dem Assimilationsstrom in den Leitbahnen der Pflanze. Assimilate werden<br />
aber nur weiter transportiert, wenn die Blätter mehr produzieren als sie zum eigenen Aufbau<br />
und zur Veratmung brauchen. Aus voll entwickelten assimilationsfähigen Blättern erfolgt<br />
bei günstigen Witterungsbedingungen die größte Stoffauslagerung. Junge, noch in<br />
der Entwicklung befindliche Blätter exportieren keinen Zucker. Sie leiten auch Herbizide<br />
kaum weiter.<br />
Bodenherbizide: Ihre Aufnahme erfolgt über die Wurzeln mit anschließender Weiterleitung<br />
in die Pflanze, wo sie in den Blättern oder anderen Pflanzenteilen zur Wirkung kommen.<br />
Da die Aktivsubstanz nur mit Hilfe von Wasser in den Boden gelangen kann, sollten<br />
Bodenherbizide daher nur bei feuchten Böden angewendet werden. Bei Trockenheit können<br />
diese Produkte völlig wirkungslos sein. Wichtige Bodenherbizide werden überwiegend<br />
im Vorsaatverfahren oder im Vorauflauf, teilweise auch im frühen Nachauflauf, gegen<br />
Gräser und Dikotyle eingesetzt.<br />
Einige Herbizide wirken sowohl über das Blatt als auch über den Boden und zeichnen<br />
sich in der Regel durch einen unterschiedlichen Grad der Blatt- bzw. Bodenaufnahme aus.<br />
Je nach Ausprägung dieser Eigenschaften kann der Einsatz im Vorauflauf (z.B. Fenikan),<br />
frühen Nachauflauf (z. B. Bacara) oder Nachauflauf ab 3-Blatt-stadium (Atlantis, Husar)<br />
erfolgen. Die kombinierte Blatt- und Bodenwirkung kann auch durch eine Mischung verschiedener<br />
Wirkstoffe erzielt werden.<br />
Betrachtet man die Wirkungsweisen von Herbiziden, dann stellt man fest, dass in den<br />
meisten Fällen das Herbizid über ein Protein einen für die Pflanze notwendigen Stoffwechselprozess<br />
blockiert. Das Protein ist meistens ein Enzym, das die jeweilige biochemische<br />
Reaktion im Stoffwechsel steuert. Es können aber auch Struktur- und regulatorische<br />
Bindestellen gehemmt werden. Herbizide besitzen in der Regel einen Hauptwirkmechanismus,<br />
häufig aber auch noch weitere Wirkorte, an denen sie in den pflanzlichen<br />
Stoffwechsel eingreifen.<br />
Herbizide werden nach ihren Angriffspunkten im Stoffwechsel der Pflanzen verschiedenen<br />
Gruppen zugeordnet. Folgende Wirkungsweisen werden unterschieden:<br />
• Hemmung der Photosynthese<br />
• Hemmung der Pigmentsynthese<br />
• Hemmung der Aminosäuresynthese<br />
• Hemmung der Fettsäuresynthese<br />
• Hemmung der Zellteilung<br />
Die Photosynthese ist ein zentraler Stoffwechselprozess der Pflanzen und eignet sich daher<br />
besonders gut als Angriffspunkt für Herbizide. Photosynthesehemmer hemmen das<br />
Elektronentransportsystem des Photosystems II oder verhindern die Bildung von Radikalen<br />
(Photosystem I). Die Energie des Lichts kann dann von der Pflanzenzelle nicht mehr<br />
gespeichert werden.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 46
Herbizide können auch im Umfeld der Photosynthese eingreifen, indem sie die Bildung<br />
von wichtigen Verbindungen (Pigmente) hemmen. Pigmente sind biologische Farbträger<br />
wie Chlorophylle, Cytochrome und Carotinoide. Die Carotinoide haben innerhalb der Photosynthese<br />
eine Schutzfunktion, die von diesen Herbiziden ausgeschaltet wird.<br />
Herbizide, die in die Bildung von Aminosäuren eingreifen und so den Protein- oder Enzymaufbau<br />
stören, schalten in der Regel drei wichtige Enzyme aus: Die Glutaminsynthetase<br />
(Angriffspunkt von Glufosinate), die 5-EPSPS-Synthase (Angriffspunkt für Glyphosate)<br />
und die Acetolactat-Synthase (AES-Hemmer). Das zuletzt genannte Enzym ist der<br />
Angriffsort der Sulfonylharnstoffe und der Imidazolinone.<br />
Der Fettstoffwechsel spielt eine entscheidende Rolle beim Aufbau der Zellmembran. Eine<br />
Störung im Stoffwechsel durch Herbizide führt zu einer dünneren Kutikula und damit zu<br />
einer gestörten Wasseraufnahme.<br />
Andere Herbizide wirken wie Pflanzenhormone (Auxinherbizide) und führen zu einem unkontrollierten<br />
Zellwachstum. Daher rührt auch der Name Wuchsstoffe für die Vertreter dieser<br />
Gruppe. Dazu gehören die Phenoxyessigsäuren mit den bekannten MCPA-, MCPP-Pund<br />
2,4 D-Verbindungen.<br />
Einige Herbizide hemmen das Steuerungssystem (Mikrotubulisystem) der Zellen, sodass<br />
Zellen mit mehreren Kernen oder zu vielen Chloroplasten gebildet werden. Der Gräserwirkstoff<br />
Flufenacet wird dieser Gruppe zugeordnet, die die Zellteilung im Pflanzengewebe<br />
unterbindet.<br />
Abschließend sei ein Beispiel für eine professionelle Wirkstoffrotation zur Bekämpfung<br />
von Ackerfuchsschwanz oder Windhalm ausgeführt: Für die Anwendung in Getreidefruchtfolgen<br />
sind verschiedene Produkte mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen verfügbar<br />
und man sollte alle für seine spezielle Situation verfügbaren Produkte prüfen und diese<br />
alternierend einsetzen. In einer Fruchtfolge mit Weizen, Gerste und Raps oder Zuckerrüben,<br />
bei der Ackerfuchsschwanz, Windhalm und Flughafer vorherrschen, könnte im ersten<br />
Jahr im Weizen ein AES-Wirkstoff (z. B. Atlantis), im zweiten Jahr in der Gerste ein<br />
Wirkstoff, der die Zellteilung hemmt (z. B. Cadou), und im dritten Jahr ein ACCase-<br />
Wirkstoff (FOP oder DIM) in Raps oder Zuckerrüben zur Gräserbekämpfung verwendet<br />
werden.<br />
Zusammenfassung Antiresistenz-Managementstrategie:<br />
Eine Antiresistenzstrategie ist ein integriertes Konzept und muss vor dem Auftreten von<br />
Wirkungsverlusten implementiert sein, da sie von ihrer Konzeption her der Entstehung<br />
resistenter Erregerpopulationen Einhalt gebieten soll. In solch einer Strategie sind alle<br />
Maßnahmen vereinigt, die zu einer Reduktion des Selektionsdruckes führen, so auch den<br />
Anbau resistenter Sorten und pflanzenbauliche Maßnahmen zur Reduktion des Erregerpotentials.<br />
Auf der Wirkstoffseite stehen folgende Maßnahmen im Vordergrund: Behandlung zum<br />
richtigen Zeitpunkt, Vermeidung unnötiger Behandlungen, keine kurativen oder eradikativen<br />
Anwendungen, Kombination von Aktivsubstanzen mit unterschiedlichen Resistenzmechanismen<br />
(Wirkstoffrotation durch Wirkstoffgruppenwechsel) und der Einschluss von<br />
Kontaktwirkstoffen in das Spritzprogramm.<br />
Eine Antiresistenzstrategie ist sehr spezifisch und kann von Region zu Region unterschiedlich<br />
aufgebaut sein und je nach Situation von Jahr zu Jahr variieren. Wichtige Daten<br />
für die Anpassung an die Resistenzsituation liefert das Resistenzmonitoring.<br />
Antiresitenzmanagement ist eine zentrale und strategische Aufgabe der <strong>Unternehmensführung</strong>.<br />
Seit 1985 sind keine neuen Wirkorte (Place of action) für den Wirkungsansatz<br />
von chemischen Pflanzenschutzmitteln gefunden worden und von der Entdeckung eines<br />
Moleküls bis zu seiner Zulassung und der damit erst möglichen Markteinführung vergehen<br />
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heute mindestens 10 Jahre. Die für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verantwortlichen<br />
Führungskräfte bzw. Landwirte müssen sich deshalb klar vor Augen halten, dass es<br />
bei Antiresistenzmanagement nicht um ökologische Belange, sondern um den Erhalt von<br />
wichtigen Produktionsmitteln der Landwirtschaft geht, die wir alle in den nächsten 10<br />
Jahren noch brauchen.<br />
2.1.2 Durch Präzisionslandwirtschaft (Precison Farming)<br />
Grundsätzlich betrachtet, fordert eine nachhaltige Produktionsweise von allen an der Herstellung<br />
der Produkte Beteiligten ein, den ökonomischen, ökologischen und sozialen Bedürfnissen<br />
unsere Gesellschaft gerecht zu werden, ohne die Entwicklungschancen nachfolgender<br />
Generationen negativ zu beeinträchtigen. Seit einigen Jahren hat sich im diesem<br />
Kontext mit „Präzisionslandwirtschaft“ ein neuer landwirtschaftlicher Fachbegriff etabliert,<br />
der für eine auf noch mehr Nachhaltigkeit ausgerichtete Input-Managementstrategie<br />
in der Agrarproduktion steht. Es gibt sehr vielfältige und umfangreiche Definitionen, was<br />
denn nun unter Präzisionslandwirtschaft zu verstehen ist. Die kürzeste Formulierung<br />
stammt aus dem Ursprungsland, den USA, ist allerdings heute mit der Begrenzung auf<br />
„Management of Variability“ zu eng gefasst. Zur Präzisionslandwirtschaft zählen inzwischen<br />
auch „Fahrerassistenzsysteme“ und ortsbezogene Dokumentationssysteme.<br />
2.1.2.1 Fahrerassistenzsysteme<br />
Zu nennen sind hier, Dokumentations- (u.a. Ertragskartierung), Lenkhilfen bzw. –<br />
automaten, Hangführung von Anbau- bzw. Anhängegeräten und Vorgewendemanagement-Systeme.<br />
Seitdem Satellitentechnik samt GPS-Funktionalität und Korrektursignalen Einzug in die<br />
Landwirtschaft gehalten haben, ist die Entwicklung von einfachen Lenkhilfen bis hin zu<br />
vollautomatischen Lenksystemen rasant vorangeschritten. Man teilt in der Praxis Parallelfahrsysteme<br />
in 3 Gruppen ein. Bei der Lenkhilfe gibt es keine aktive Steuerung des<br />
Schleppers, der Fahrer lenkt nach der Anzeige auf einem Monitor und hält so die Spur.<br />
Lenkassistenten und Lenkautomaten greifen aktiv in die Steuerung des Schleppers auf<br />
Basis eines Navigationsrechners ein. Die höchste Genauigkeit lässt sich mit Lenkautomaten<br />
erzielen.<br />
Als Argumente führen die Hersteller folgende Punkte an:<br />
- Man arbeitet unabhängig von äußeren Bedingungen, Tag und Nacht, im Nebel, bei<br />
Dunkelheit oder in Staubwolken.<br />
- Fahrer schaffen pro Stunde mehr Fläche, können sich voll auf die Maschine konzentrieren,<br />
Überlappungen vermeiden und stehende Bestände schonen.<br />
Insgesamt leitet sich aus Lenkhilfen bzw. Lenksystemen eine Senkung Arbeitserledigungskosten<br />
und der Betriebsmittelkosten wie Dünge- und Pflanzenschutzmittel ab. Durch<br />
eine präzisere Aussaat sind Saatguteinsparungen und Mehrerträge/ha durch präzise Reihenabstände<br />
möglich. Bisherige Untersuchungen zeigen, dass sich bei entsprechender<br />
Auslastung die erforderlichen Investitionen alleine schon aus der Einsparung in der Bodenbearbeitung<br />
amortisieren. Eine einzelbetriebliche Analyse ist aber in jedem Fall erforderlich.<br />
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Bei der Steuerung von Anbaugeräten bzw. Anbaugeräten werden Kurven- und Hangeffekte<br />
berücksichtigt, so dass eine präzisere Maschinenführung möglich wird.<br />
Beim Vorgewendemanagement übernimmt ein Rechner den gesamten Wendevorgang<br />
und automatisiert alle Lenkarbeiten und Gerätebetätigungen. Zapfwelle, Hydrauliksteuergeräte<br />
und Differentialsperre können genauso automatisch geschaltet werden wie der<br />
Lenkeinschlag und der Geschwindigkeitsverlauf während des Wendevorgangs. Der ökonomische<br />
Effekt resultiert ggf. aus effizienterem Arbeiten durch Vermeidung von Überlappungen<br />
und Fehlstellen und damit aus potentiellen Kosteneinsparungen bei Dünger, Saatgut<br />
und Diesel.<br />
2.1.2.2 Ortsspezifischer Pflanzenbau (Site specific Crop Management)<br />
Auf fast allen landwirtschaftlich genutzten Feldern (Schlägen) sind räumlich definierbare<br />
Zonen mit unterschiedlicher Ertragsfähigkeit anzutreffen (Managementzonen). Will man<br />
neben der Optimierung der speziellen Intensität innerhalb des Schlages auch zugleich<br />
einen noch besseren Umwelt- und Verbraucherschutz garantieren, dann erfordert dies je<br />
nach Variabilität des Bodens eine Variation der Intensität ertragssteigernder bzw. ertragssichernder<br />
Betriebsmitteln. Das Management hat dann zur prüfen, ob und ggf. wie Saatgut,<br />
Dünge- und Pflanzenschutzmittel, Wasser und Energie zur Bewässerung sowie Diesel<br />
im Bereich der Bodenbearbeitung noch gezielter und damit „zwangsweise“ variabel<br />
innerhalb eines Schlages einzusetzen sind. Erstmalig formuliert worden sind diese produktionstechnischen<br />
Grundideen bezogen auf die Düngung an der Universität von Illionois<br />
(C. M. Linsey u. Bauer F. C., 1929). Die Begründung ihres Gedankenansatzes leitet sich<br />
aber letztendlich aus den grundlegenden Arbeiten des Agrikulurchemikers von Liebig ab<br />
(J. von Liebig, 1842).<br />
In der Praxis gilt es zunächst, ertragsbegrenzende Faktoren innerhalb eines Schlages<br />
zielsicher und unter einem ökonomisch vertretbaren Aufwand zu identifizieren und räumlich<br />
in Form von thematischen Karten als Management-Zonen zu definieren. Dann ist ggf.<br />
(!) eine Inputstrategie zu entwickeln, wie diese Zonen unter der Zielsetzung einer nachhaltigen<br />
Produktionsweise mit den einzelnen Betriebsmitteln intensitätsmäßig, d h. mit unterschiedlichen<br />
Inputmengen, zu bewirtschaften sind. Und schließlich sind dann die Betriebsmittel<br />
mit einer variablen Dosierungsvorrichtung (VRT = variable rate technology)<br />
auszubringen, was i.d.R. mit entsprechenden Investitionsausgaben verbunden und als<br />
Investition zu prüfen ist.<br />
Ortsspezifisches Inputmanagement bedeutet allerdings in der Praxis nicht grundsätzlich<br />
immer, dass nach der Umstellung auf VRT in der Gesamtbilanz eine Reduktion der eingesetzten<br />
Betriebsmittel erfolgt. Theoretisch wäre auch denkbar, dass in der Summe die<br />
gleiche Menge ausgebracht wird, allerdings nur effizienter räumlich verteilt. Es ist sogar<br />
denkbar, dass insgesamt mehr ausgebracht wird, nämlich dann, wenn die ertragsstarken<br />
Managementzonen intensitätsmäßig suboptimal bewirtschaftet wurden, weil sich der Betrieb<br />
am Mittelwert ausgerichtet hat bzw. bestimmte „Budgets“ für die Betriebsmittel vorgegeben<br />
sind.<br />
Um einem „gefährlichen“ Irrtum vorzubeugen, muss man an dieser Stelle noch einmal klar<br />
herausstellen, dass eine undifferenzierte Reduktion oder gar der generelle Verzicht auf<br />
Dünge- und Pflanzenschutzmittel nichts mit Präzisionslandwirtschaft oder gar nachhaltiger<br />
Wirtschaftsweise im Sinne der eingangs aufgeführten Definition zu tun hat. Bezogen auf<br />
den Einsatz von Düngemitteln gilt seit Liebig grundsätzlich, dass Nährstoffe, die über die<br />
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Ernte dem Boden entzogen und in Form von Ernteprodukten vom Schlag abgefahren<br />
wurden, ab einer bestimmten, kritischen Untergrenze (sog. Versorgungsstufe) dem Boden<br />
in einer umweltverträglichen Form wieder über organische und/oder mineralischen Düngemitteln<br />
zurückgeführt werden müssen. Ansonsten wird Raubbau auf Kosten der kommenden<br />
Generationen betrieben!<br />
Zurück zum anfänglichen Grundgedanken: Um auf ertragsbegrenzende Faktoren ggf. mit<br />
der Erhöhung oder Reduktion des Betriebsmitteleinsatzes innerhalb eines Schlages reagieren<br />
zu können, bedarf es eines „zonalen Managementansatzes mit drei strategischen<br />
Handlungsanweisungen:<br />
1. Zonale Limitanten erkennen:<br />
Abgesehen von den Küstenregionen ist in den Neuen Bundesländern während der<br />
Hauptwachstumsphase von einer deutlichen negativen klimatischen Wasserbilanz (-150<br />
bis –300 mm) auszugehen. Dadurch ist zunächst einmal die Ertragsfähigkeit innerhalb<br />
eines Schlages im Wesentlichen durch die betreffende Bodenart und die Mächtigkeit der<br />
Auflage weitgehend vorbestimmt. Ggf. überlagert bzw. verzerrt wird diese natürliche Ertragsbegrenzung<br />
durch eine ackerbaulich hervorgerufene Ertragsbegrenzung in Form<br />
mangelnder Grunddüngerversorgung. Unterabhängige Untersuchungen in Sachsen-<br />
Anhalt und auch in den benachbarten Bundesländern Sachsen und Thüringen haben<br />
nachgewiesen, dass die Versorgung unserer Böden vor allem mit P und K in den letzten<br />
Jahren einen gefährlichen und besorgniserregenden Trend in Richtung Unterversorgung<br />
aufweist.<br />
Für eine erste Sichtbarmachung von Wachstumslimitanten innerhalb eines Schlages hat<br />
sich für die landwirtschaftliche Praxis u. a. die dynamische Aufbereitung von Satellitenbildern<br />
als eine effiziente und kostengünstige Informationstechnologie erwiesen.<br />
2. Zonale Limitanten bestimmen<br />
Klarheit über die Wirksamkeit von Limitanten in ausgewiesenen Zonen können derzeit nur<br />
die klassischen nasschemischen Analysen geben. Bevor über teilschlagspezifische Düngungsvarianten<br />
befunden werden kann, ist eine Bodenbeprobung zur Erfassung des Versorgungszustandes<br />
einzelner Managementzonen unbedingt anzuraten.<br />
Zu bedenken ist die Reihenfolge, in der man Limitanten angeht: Man kann nur mit dem<br />
Kopf schütteln, wenn in der Praxis eine Variation der N-Düngung durchgeführt wird, ohne<br />
überhaupt geprüft zu haben, ob nicht Grunddüngerdefizite bereits die Wirksamkeit der N-<br />
Düngung begrenzen. Aber solange die Entscheidungsträger auf vielen Betrieben bei der<br />
Bodenbeprobung nicht auf die einzufordernde Qualität achten, sondern diese nur als eine<br />
möglichst billig zu erledigende bürokratische Auflage betrachten, werden wertvolle Optimierungspotentiale<br />
verschenkt. Eine Beprobung, die ohne Vorinformationen und GPS<br />
vorgenommen wird und Einstiche aus unterschiedlichen Zonen vermischt, ist weitgehend<br />
unbrauchbar.<br />
3. Auf zonale Limitanten reagieren<br />
Während bis vor wenigen Jahren nur Großbetrieben und Lohnunternehmer sich kapitalintensive<br />
Applikationstechniken „Made in USA“ leisten konnten, stehen heute preisgünstige<br />
Alternativen zur Auswahl, die mit den technischen Möglichkeiten vorhandener Schlepper<br />
und Applikationsgeräte in Verbindung mit preiswerten Navigationssystemen (PDA’s) eine<br />
kostengünstige teilschlagspezifische Ausbringung von Betriebsmitteln ermöglichen.<br />
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Fassen wir zusammen: Die durch ortsspezifischen Pflanzenbau mögliche Prozessoptimierung<br />
in der Pflanzenproduktion eröffnet unter Einbeziehung der neusten technischen Entwicklungen<br />
die Chance auf Realisierung beträchtlicher Gewinnreserven. Allerdings fängt<br />
Präzisionslandwirtschaft zunächst einmal im Kopf an. Ähnlich wie in der Tierproduktion, in<br />
der eine konsequent nach Leistungsgruppen ausgerichtete Fütterung schon seit langem<br />
Standart ist, müssen auch in der Pflanzenproduktion neue Wege beschritten werden. Die<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> muss lernen, Schläge ggf. in unterschiedlich Leistungs- bzw. Mangelzonen<br />
(Managementzonen) einzuteilen, um diese dann optimal mit Betriebsmitteln zu<br />
versorgen. Dies ist allerdings nicht ohne den vorab ökonomisch zu prüfenden Einsatz moderner<br />
Informations- und Kommunikationstechnik möglich.<br />
Variable Aussaat:<br />
Das Grundprinzip variabler Aussaat in Trockengebieten besteht darin, in Zonen mit geringerem<br />
Wasserhaltevermögen die Mengen/ha zu reduzieren, um so der Einzelpflanze<br />
mehr „knappes“ Wasser zur Verfügung zu stellen und die Erträge zu stabilisieren. Denn<br />
auf (sehr) leichten diluvialen Standorten darf kein zu dichter Bestand etabliert werden, weil<br />
dieser in seiner vegetativen Entwicklung das begrenzt verfügbare Wasser zu stark in Anspruch<br />
nehmen würde. Die Folge wäre eine Beeinträchtigung des Einzelährenertrages.<br />
Ein weiterer positiver Effekt wären die eingesparten Saatgutkosten. Im Getreide müssen<br />
dazu allerdings auch die passenden Sorten (einzelährenbetont) gewählt werden, damit die<br />
„dünnere“ Saat nicht durch die Ausbildung von Seitentrieben kompensiert wird. Reduktionen<br />
bis zu 25% sind heute je nach Bodenbonität schon in der Praxis gängig. Im Mais- und<br />
Zuckerrübenanbau wird die Ablageweiter erhöht und damit der Pflanzenbestand je m 2 reduziert.<br />
Variabler Pflanzenschutz:<br />
Da größere Schläge bezüglich ihrer Unkraut-/Ungrasflora ggf. beträchtliche Inhomogenitäten<br />
aufweisen, müssten eigentlich sogar innerhalb eines Schlages die Dosis und eventuell<br />
das Mischungsverhältnis geändert werden, um die Mittelkosten zu minimieren. Praktisch<br />
scheitert eine derartige Minimalkostenkombination verschiedener Wirkstoffe innerhalb eines<br />
Schlages [noch] an automatisierbaren Boniturverfahren und entsprechend steuerbarer<br />
Ausbringungstechnik.<br />
Variable Bodenbearbeitung:<br />
Der Verlust von Bodenfruchtbarkeit durch Erosion gilt als eines der größten Probleme, die<br />
die moderne Landwirtschaft zu bewältigen hat. Die Auswirkungen sind irreversibel und<br />
treten schleichend ein. Die teilflächenspezifische Bodenbearbeitung kann gerade hier einen<br />
aktiven Beitrag zum Bodenschutz leisten, indem die Bearbeitungsintensität gezielt an<br />
die örtlichen Bedingungen angepasst wird.<br />
Arbeiten der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft FAL haben gezeigt, dass bei<br />
heterogenen Schlägen (unterschiedliche Bodenarten) eine an die Bodenart angepasste<br />
Tiefe der Bodenbearbeitung zu beachtlichen Einsparungen bei den Arbeitserledigungskosten<br />
führen kann. Es gibt allerdings derzeit noch keine kommerziell verfügbaren technischen<br />
Lösungen.<br />
2.2 Potentiale zur Prozessoptimierung in der Tierproduktion<br />
In der tierischen Produktion existiert eine Vielzahl biologisch-technischer Systeme. Es<br />
werden neben dem Tier selbst (Tiermaterial) im Wesentlichen Energie und Nährstoffe einem<br />
Produktionspool zugeführt, aus dem dann Körpersubstanz aufgebaut und erhalten<br />
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wird. Der erwünschte Output eines solchen Systems besteht aus abgegebenen Koppelprodukten,<br />
die oft die Hauptleistung in Form von Milch, Eier, Ferkel, Kälber, etc. darstellen,<br />
sowie Produkten, die als Prozessergebnis durch Wachstum (Mast) veränderte Tierkörper<br />
liefern. Tierische Exkremente stellen für Agrarunternehmen heute ggf. wertvolle<br />
Energie- bzw. Nährstoffquellen dar, die als kontrollierter Input wieder in die biologischtechnischen<br />
Subsysteme der Pflanzenproduktion eingehen.<br />
2.2.1 Wahl der Fütterungsstrategie in der Milchproduktion<br />
Wegen der besonderen Bedeutung der Fütterung als Kosteneinflussgröße haben wir diesem<br />
Input ein eigenes Kapitel gewidmet. Die Notwendigkeit laufender Entscheidungen zur<br />
Fütterung ergibt sich aus der Dynamik der Transformationsprozesse in dem biologischtechnischen<br />
System Nutztier. Der Output bzw. Status dieser Prozesse, ändert sich mit<br />
fortlaufendem Futterinput in das biologische Subsystem Tier, sei es in Form der Leistungsabgabe<br />
von Milch (Quantität sowie auch Qualität) oder Eiern, dem Tierkörpergewicht<br />
oder der Fleischqualität bei Mastverfahren, oder dem Trächtigkeitszustand eines Tieres<br />
bei der Produktion von „neuem Tiermaterial“. Daraus folgt, dass die Futtermenge bzw. -<br />
zusammensetzung im Sinne der ökonomischen Zielsetzungen innerhalb mehr oder weniger<br />
kleiner Zeitintervalle durch Input-Entscheidungen optimiert werden muss.<br />
Im Hinblick auf ökonomische Zielvariablen gilt es in der Milchproduktion die Fütterung<br />
ständig dem Laktationsverlauf der Kuh kostenminimal und dabei möglichst wiederkäuersowie<br />
bedarfsgerecht anzupassen. Daraus resultiert generell die Frage nach der Fütterungsstrategie.<br />
In Abhängigkeit von der vorhandenen Fütterungstechnik und der Herdengröße<br />
haben sich vor allem die dreigeteilte Fütterung (Grundfutter + Ausgleichsfutter +<br />
Leistungsfutter) und die Totale Mischration (TMR) als Systeme für die kontrollierbare und<br />
leistungsorientierte Fütterung durchgesetzt. Die praktische Anwendung erfolgt aber in einer<br />
Vielzahl von Zwischenvarianten.<br />
Entscheidend für den Erfolg der Fütterung wird jedoch auch immer sein, wie sie im Betrieb<br />
in ein ausgefeiltes Fütterungsmanagement eingebettet ist. Voraussetzung für eine leistungsbezogene<br />
Fütterungsoptimierung ist neben der Kenntnis der Grund- und Kraftfutterzusammensetzung<br />
die tierindividuelle Outputerfassung in Form der Milchmengenmessung<br />
beim Melken.<br />
Dreigeteilte Fütterung:<br />
Die dreigeteilte Fütterung besteht aus einer Grundration aus Grobfutter sowie energieund/oder<br />
proteinreichem Ausgleichsfutter und einem für die Milchsynthese abgestimmten<br />
Leistungsfutter. Dieses Fütterungssystem eignet sich besonders zur leistungsbezogenen<br />
Ausfütterung der Einzelkuh, vor allem in Betrieben, in denen eine differenzierte Grundration<br />
für unterschiedliche Leistungsniveaus aus arbeitswirtschaftlichen Gründen nicht<br />
zweckmäßig ist. Das Ziel sind hohe Grobfutterleistungen. Die Leistungsfuttergabe erfolgt<br />
mit Kraftfutterautomaten und ist durch die über den ganzen Tag verteilbaren kleinen Kraftfutterportionen<br />
den physiologischen Bedürfnissen der Kuh nach einem weitestgehend<br />
konstanten Pansenmillieu angepasst worden. Die Kraftfutterfütterung erfolgt nach der<br />
Leistung und beugt somit einem Luxusverbrauch und damit verbundener Verfettung der<br />
Kühe in der zweiten Laktationshälfte vor. In der Praxis erfolgt die Milchmengenmessung<br />
über gleitende Mittel, die automatisierte Kraftfutterzuteilung über vorprogrammierte<br />
Höchstmengen, die innerhalb eines vorgegebenen Zeitintervalls vom Einzeltier abgerufen<br />
werden können.<br />
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Sie stellt aber auch hohe Anforderungen an den Fütterungsmanager, die Leistungsentwicklung<br />
und Körperkondition des Einzeltieres zu verfolgen und gegebenenfalls Korrekturen<br />
bei der Fütterung vorzunehmen. Das System geht von einer für jede Kuh<br />
weitestgehend gleichen Grundfutteraufnahme aus. Insbesondere bei einer züchterisch<br />
noch sehr uneinheitlichen Herde muss dies nicht so sein. Hieraus erwachsen<br />
dann besondere Anforderungen an den Fütterungsmanager, das Fressverhalten der<br />
Einzelkuh und die Grundfutterverdrängung richtig einzuschätzen.<br />
In Herden oder Kuhgruppen mit hoher täglicher Milchleistung wird die in der Regel<br />
über den Kraftfutterautomaten verabreichte Futtermenge bis zu 12 kg täglich betragen.<br />
Das bringt einerseits Probleme mit der pro Kuh zur Verfügung stehenden Zugangszeit<br />
zum Automaten mit sich bzw. mit der pro Zugang freigegebenen Kraftfuttermenge.<br />
Andererseits ist es kaum möglich, über ein einzelnes Leistungsfutter sowohl die Bedürfnisse<br />
einer Kuh im Leistungsbereich 20-25 kg als auch 40-50 kg Tagesproduktion abzudecken.<br />
Neben einem eher konventionellen Kraftfutter für den mittleren Leistungsbereich ist dann<br />
zusätzlich ein Leistungsfutter erforderlich, das höhere Anteile qualitativ hochwertigen und<br />
pansenstabilen Proteins sowie pansenstabiler Stärke enthält und gut mineralisiert und<br />
vitaminisiert ist. Eine ausreichende Zahl gut erreichbarer Kraftfutterautomaten ist eine unbedingte<br />
Voraussetzung dafür, dass die Kühe auch die ihnen zugedachten Mengen an<br />
Leistungsfutter aufnehmen können.<br />
Aus der Komplexität der anstehenden Entscheidungen sowie ihrer Durchführung und Kontrolle<br />
ergibt sich die Notwendigkeit, Mikroelektronik als organisatorisches Hilfsmittel einzusetzen.<br />
Damit wird die Arbeitsplatzausstattung bei dieser Fütterungsstrategie technisch<br />
anspruchsvoll. Die <strong>Unternehmensführung</strong> muss dies bei der Personalauswahl sowie -<br />
weiterbildung berücksichtigen. Arbeitskräfte, die das Grundprinzip der „Computerlogik“ bei<br />
dieser Prozessteuerung nicht verstehen, können keine eigenverantwortliche Position in<br />
einer derart prozessorgesteuerten Milchproduktion übernehmen und sind bei ihren Tätigkeiten<br />
zu überprüfen (Kontrolle).<br />
Totale Mischration (TMR):<br />
Das TMR-System zielt auf die optimale Versorgung einer ganzen Gruppe. Die Rationszusammensetzung<br />
ist für alle Kühe der Gruppe gleich und richtet sich nach deren durchschnittlichen<br />
Futteraufnahmevermögen und dem Nährstoff- und dem Energiebedarf der<br />
Durchschnittskuh der Gruppe. Der wesentliche Aspekt dieses Fütterungsverfahrens ist,<br />
dass die Steuerung der Milchleistung ausschließlich über die Menge des aufgenommenen<br />
Futters erfolgt. Das Verfahren setzt sich weniger aus arbeitswirtschaftlichen Gründen<br />
durch, sondern vor allem deshalb, weil bei richtiger Anwendung die Kühe mit jedem Bissen<br />
am Tag das gleiche Futter aufnehmen. Die Pansenbedingungen und damit die<br />
Wachstumsbedingungen für die Pansenmikroben sind dann konstant und damit optimal.<br />
Von Nachteil kann sein, dass der Fütterer sich nicht mehr so intensiv mit der Einzelkuh<br />
beschäftigt. Daher wachsen die Anforderungen an die Fütterungskontrolle und an ein<br />
ausgefeiltes Fütterungsmanagement.<br />
Die richtige Anwendung des TMR-Verfahrens ist wichtig. Eine ausschließlich über die<br />
Mischration versorgte Kuh kann bei Schwankungen in der Qualität des Futters und in der<br />
Fütterung eine unausgewogene Versorgung mit Nährstoffen und Energie nicht mehr durch<br />
»Auswählen« der Futterkomponente ausgleichen. Fehler in der Rationsvorlage wirken<br />
sich somit umso gravierender auf die Leistung der Gruppe aus. Die Genauigkeit der Fütterungsarbeit<br />
muss zunehmen, wobei das Wissen um das Futteraufnahmevermögen der<br />
Kuhgruppen entscheidend ist. Wichtig ist es weiterhin, den aktuellen Trockenmassegehalt<br />
der die Ration bildenden Futterkomponenten und natürlich deren Inhaltsstoffe zu kennen.<br />
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Die Unternehmensleitung muss sich immer vor Augen halten, dass Fehler in der Fütterung<br />
einerseits und sehr gutes Fütterungsmanagement andererseits zu einem erheblichem<br />
Minder- oder Mehrverzehr und damit schlechterer oder besserer Leistung der Kühe<br />
führen können. Und dies wirkt sich direkt auf den Gewinn in der Milchproduktion aus.<br />
2.2.2 Bestimmung des optimalen Mastendgewichtes<br />
Im Gegensatz zur Milchviehhaltung, bei der die Leistungsabgabe kontinuierlich über einen<br />
längeren Zeitraum erfolgt, vollzieht sich die Output-Bildung bei den Zuchtverfahren sowie<br />
auch bei allen Mastverfahren erst mit der Zeit.<br />
Auf die Mastleistung wirken zwei Komponenten, einmal die Futterverwertung und zum<br />
anderen die täglichen Gewichtszunahmen. Es ist bekannt, dass die tägliche Gewichtszunahme<br />
mit zunehmendem Gewicht sich verändert und im mittleren Gewichtsstadium<br />
etwa ihr Maximum erreicht. Auch die Futterverwertung - der Quotient aus Futterverbrauch<br />
und Zunahme - verändert sich in Abhängigkeit von der Wachstumsphase.<br />
Aus diesem typischen Verlauf ergibt sich für die <strong>Unternehmensführung</strong> das Entscheidungsproblem,<br />
bei welchem Gewicht die vorteilhafteste Ausmästung erreicht werden<br />
kann. Es ist dies die Frage nach dem optimalen Mastendgewicht und damit nach der optimalen<br />
Mastdauer. Mit zunehmender Ausmästung erhöhen sich c.p. die Futterkosten je<br />
kg Output, es verringert sich die Umtriebsgeschwindigkeit und ggf. werden auch schlechtere<br />
Preise aufgrund rückläufiger Qualitäten erzielt. Die <strong>Unternehmensführung</strong> muss also<br />
unter Berücksichtigung ökonomischer Zielvariablen dasjenige Mastendgewicht ansteuern,<br />
bei dem der Gewinn bezogen auf den am stärksten begrenzenden Produktionsfaktor maximal<br />
ist. Da dies i.d.R. der Stallplatz ist, gilt es, den DB/Mastplatz zu maximieren.<br />
Zur Entscheidungsfindung können heuristische Verfahren herangezogen werden, wenn<br />
die entsprechenden Daten verfügbar sind. Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse einer<br />
Studie aus Bayern zur Bestimmung des optimalen Mastendgewichtes.<br />
Zur Beantwortung der Frage wurde ein Versuch an der BLT Grub nach ökonomischen<br />
Gesichtspunkten ausgewertet. Unter praxisgerechten Bedingungen waren insgesamt 216<br />
Tiere in drei Gruppen zu je 72 Tieren (1/2 weibliche Tiere / 1/2 Kastraten) aufgestaut. Als<br />
Zielgewichte wurde ein Lebendgewicht von 105 kg, 115 kg sowie 125 kg angestrebt. Dabei<br />
sollten die Kastraten mit 100 kg, 110 kg beziehungsweise 120 kg geschlachtet werden,<br />
die weiblichen Tiere in den drei Gewichtsgruppen sollten jeweils um 10 kg schwerer<br />
gemästet werden. Die Fütterung bestand aus zwei Phasen: In Phase I wurde ad libitum<br />
gefüttert, ab circa 70 kg LG wurde die Futtermenge rationiert zugeteilt.<br />
Alle Tiere wurden im Schlachthof Landshut geschlachtet, weil hier auch eine Bonitierung<br />
des Bauches in Form von Bauchpunkten erfolgte. Die Abrechnung basierte auf einem<br />
Preisgruppensystem (Bezahlung nach Handelswertklassen). Für den Wirtschaftlichkeitsvergleich<br />
wurde auch die Abrechnung nach einer in Bayern gebräuchlichen Preismaske<br />
(Bezahlung nach dem Muskelfleischanteil) simuliert.<br />
Mittels der im Versuch festgestellten Mittelwerte wurden in einer Modellrechnung die Deckungsbeiträge<br />
mit dem zum Versuchszeitpunkt aktuellen Preisniveau berechnet (vgl. Tabelle<br />
8). Dabei erzielte die mittlere Mastendgewichtsgruppe jeweils den höchsten Deckungsbeitrag<br />
je Mastplatz und Jahr, wobei die Unterschiede bei der Abrechnung nach<br />
der Preismaske auf Basis des Muskelfleischanteils deutlicher ausfielen. Die leichten<br />
Mastschweine erbrachten nach beiden Abrechnungssystemen den jeweils niedrigsten<br />
Deckungsbeitrag.<br />
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Tabelle 6: Bestimmung des optimalen Mastendgewichtes<br />
Es kann kurzfristig von Vorteil sein, das langfristig optimale Mastendgewicht den zyklischen<br />
Preisbewegungen auf den Schlachtviehmärkten anzupassen. Beginnen die Preise<br />
aufgrund von saisonalen oder konjunkturellen Angebotsüberhängen zu sinken, dann kann<br />
es ökonomisch sinnvoll sein, die Mast „vorzeitig“ abzubrechen. Die knappen Mastplätze<br />
würden sich dann ggf. durch eine vorgezogene Neuaufstallung weitaus besser verwerten,<br />
wenn das Ende der folgenden Mastperiode in eine Phase höherer Schlachtpreise fällt.<br />
Umgekehrt muss die <strong>Unternehmensführung</strong> bei zum geplanten Absatzzeitpunkt anziehenden<br />
Preisen schnell darüber befinden, ob nicht eine Verlängerung der Mast zu abschöpfbaren<br />
Grenzgewinnen führt. In beiden Fällen können derartigen Entscheidungen<br />
allerdings termin- sowie qualitätsbezogene Absatzverpflichtungen durch vertikale oder horizontale<br />
Integration entgegenstehen.<br />
Die Ausführungen zum optimalen Mastendgewicht bzw. der optimalen Mastdauer haben<br />
gezeigt, dass die Wirtschaftlichkeit mit derartigen Management-Entscheidungen signifikant<br />
beeinflusst werden kann. Neben Daten, die die produktiontechnischen Input-Output-<br />
Relationen wiedergeben, sind vor allem Preisentwicklungen für Inputgrößen (Futter, Jungtiere)<br />
sowie für Outputgrößen abzuschätzen. Dabei kann für die <strong>Unternehmensführung</strong><br />
der Zugriff auf externe Datenbanken von beträchtlichem Nutzen sein, um das Risiko von<br />
Fehlentscheidungen zu reduzieren.<br />
2.3 Bestimmung der optimalen Produktionsrichtung<br />
Die Entscheidungsträger von Agrarunternehmen werden laufend mit der Frage der Anpassung<br />
ihres Unternehmens an eine weitergehende Entwicklung konfrontiert und müssen<br />
hierüber Entscheidungen treffen. Grundsätzlich lassen sich für Agrarunternehmen<br />
folgende Produkt-Produkt-Beziehung unterscheiden, die es bei allen Ansätzen zur Betriebsplanung<br />
zu berücksichtigen gilt:<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 55
- Parallele Produktion:<br />
Die zur Auswahl stehenden Produktionsverfahren sind im Produktionsprozess unabhängig<br />
voneinander und stehen damit in keiner Beziehung.<br />
- Konkurrierende oder alternative Produktion:<br />
Die zur Auswahl stehenden Produktionsverfahren konkurrieren um knappe Produktionsfaktoren<br />
bzw. -mittel. Die Erzeugung des Produktes „A“ kann nur bei gleichzeitiger Einschränkung<br />
des Outputs eines anderen Produktionsverfahren erfolgen, womit Nutzungskosten<br />
(Opportunitätskosten) in Höhe des/der entgangenen DB des bzw. der verdrängten<br />
Produktionsverfahren anfallen.<br />
Bei der Verdrängung können unterschiedliche Grenzraten der Transformation auftreten.<br />
Praktisch von Bedeutung sind lineare, zunehmende sowie abnehmende Austauschraten<br />
zwischen Produkten, und damit unterschiedlich hohe Nutzungskosten. Dieser Punkt ist<br />
von besonderer Bedeutung, da verschiedene Hilfsinstrumente zur Betriebsplanung lineare<br />
Austauschbeziehungen unterstellen. Dies kann ggf. zu beträchtlichen Planungsfehlern<br />
und damit zu Fehlentscheidungen führen, wenn z.B. Fruchtfolgeeffekte oder Degressionseffekte<br />
unberücksichtigt bleiben. Mit den Möglichkeiten der gemischt ganzzahligen<br />
linearen Programmierung können aber nichtlineare Grenzraten der Transformation approximativ<br />
nachgebildet werden.<br />
- Koppelproduktion:<br />
Hierbei ist mit der Produktion eines Gutes zwangsläufig die Produktion eines anderen<br />
bzw. mehrerer anderer Produkte verbunden. Je nach betriebsspezifischen Bedingungen<br />
kann es sich dabei um erwünschte bzw. willkommene Outputs handeln oder um solche,<br />
die die Produktionsmöglichkeiten einschränken (vgl. Gülleanfall in veredelungsstarken<br />
Gebieten).<br />
Mittel- und langfristig werden im Agrarunternehmen die Produktionsfaktoren Boden und<br />
Kapital variabel. Dann gilt es mittelfristige Betriebsentwicklungspläne aufzustellen, die in<br />
die Unternehmensstrategie passen. Ggf. ist die Unternehmensstrategie an neue Marktentwicklungen<br />
anzupassen.<br />
Kurzfristig ändern sich Preise oder Kosten und Arbeitskräfte können hinzukommen oder<br />
ausscheiden. Damit ergibt sich das Planungsproblem, wie die einzelnen tierischen oder<br />
pflanzlichen Produktionsverfahren für das kommende Wirtschaftsjahr so kombiniert werden<br />
sollen, um mit der kurzfristig gegebenen Ausstattung an längerlebigen Produktionsmitteln<br />
bzw. den begrenzt verfügbaren Produktionsfaktoren Boden und Kapital ein den<br />
Unternehmenszielen gerecht werdendes Produktionsprogramm zu fahren.<br />
3.2.1 Gegenstand und Basis einer kurzfristigen Betriebsplanung<br />
Wesentliches Merkmal einer kurzfristigen (operativen) Betriebsplanung ist, dass alle Entscheidungen<br />
jederzeit ohne bzw. mit nur unwesentlichen Verlusten rückgängig gemacht<br />
werden können. Der Begriff „jederzeit rückgängig“ darf dabei nicht zu eng ausgelegt werden.<br />
Geringfügige Gebäudeänderungen, Anschaffungen kleinerer Maschinen u.ä. sind im<br />
Rahmen der operativen Planung vertretbar.<br />
Die kurzfristige Betriebsplanung eines bereits wirtschaftenden Agrarunternehmens verfolgt<br />
im Wesentlichen zwei Fragestellungen:<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 56
1.) Prüfung, ob die bestehende Organisation des Betriebes im Optimum ist oder ggf.<br />
eine Anpassung an veränderte Produktions- und Marktbedingungen oder Kapazitäten<br />
erforderlich ist.<br />
2.) Prüfung, ob eine bereits klar vorgegebene Handlungsalternative wirtschaftlich ist<br />
oder nicht.<br />
Der gedankliche Ausgangspunkt für das erste Ziel ist der ruhende, d.h. der nicht organisierte<br />
Betrieb. Bei ihm sind alle Kapazitäten als „ungenutzte Reste“ vorhanden und der<br />
Gesamtdeckungsbeitrag ist Null, da im Betrieb nichts produziert wird. Man bezeichnet<br />
diesen fiktiven Ausgangspunkt auch als die „Null-Lösung“. Dieser Ansatz ist auch für ein<br />
neu einzurichtendes Unternehmen zu wählen, allerdings erweitert um strategische Planungsgesichtspunkte.<br />
Als Planungsinstrument bietet sich unter dieser Zielsetzung die Lineare<br />
Programmierung an. Will man die Unsicherheit der eingehenden Daten noch besser<br />
berücksichtigen, dann kann man auf Monte-Carlo-Techniken zurückgreifen, um verschiedene<br />
LP-Lösungen bezüglich ihres Chancen-Risiko-Verhältnisses zu messen.<br />
Oft wird in der Praxis das zweite Ziel verfolgt, wobei nicht die Gesamtorganisation neu<br />
überdacht und ggf. optimiert werden, sondern „nur“ die Rentabilität einer vorgegebenen<br />
Handlungsalternative im Rahmen der derzeitigen Organisation beurteil werden soll. In Falle<br />
derartiger partieller Betrachtungsweisen muss der Grenzgewinn der beabsichtigten Änderung<br />
berechnet werden:<br />
+ DB des/der zusätzlichen Produktionsverfahren<br />
- Nutzungskosten verdrängter Produktionsverfahren<br />
= Grenzgewinn/-verlust der Organisationsänderung<br />
Die Höhe der Nutzungskosten wird von der Austauschrate und der Wettbewerbskraft<br />
des/der verdrängten Produktion bestimmt. Ihre exakte Quantifizierung ist oft wegen der<br />
innerbetrieblichen Wechselseitigkeiten kompliziert und lässt ich am besten über LP-<br />
Ansatze ermitteln, die eine Sekond-Best-Lösung suchen. Als weitere Planungsinstrumente<br />
bieten sich heuristische Verfahren wie z.B. Betriebsvoranschläge (What-If-<br />
Simulationen) mit Hilfe von PC-gestützten Tabellenkalkulationsprogrammen (z.B. Excel<br />
u.a.) an, die im Falle der Datenunsicherheit mit Monte-Carlo-Techniken erweitert werden<br />
können.<br />
Ein wichtiger Teil der Betriebsplanung ist zunächst die sorgfältige Erfassung der Planungsdaten,<br />
weil das Ergebnis einer Planung generell nicht besser sein kann als die Qualität<br />
seiner Ausgangsdaten! Im Allgemeinen sind die Ausgangsdaten unternehmensintern<br />
zu ermitteln. Vor der Übernahme in die Planung müssen sie jedoch auf Konsistenz geprüft<br />
werden, da für eine Reihe produktionstechnischer Daten i.d.R. nur ungenaue bzw. keine<br />
Unterlagen vorliegen (z.B. Grundfutterertrag, Arbeitsaufwand u.a.).<br />
Können Planungsdaten nicht unternehmensintern gewonnen werden, dann wird die Verwendung<br />
von Normdaten (vorwiegend Katalogdaten wie KTBL etc.) erforderlich, die nach<br />
den Bedingungen des zu planenden Agrarbetriebes auszuwählen bzw. anzupassen sind.<br />
Neben den Planungsdaten müssen auch die operativen Planungsziele definiert sein, die<br />
sich aus dem Zielsystem der Unternehmung ergeben.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 57
3.2.2 Betriebsvoranschläge<br />
Bei Voranschlagsverfahren werden gedanklich verschiedene Betriebspläne durchgerechnet<br />
und deren Auswirkungen auf die Planungsziele „simuliert“ (What-If-Simulationen). Zur<br />
Durchführung bieten sich heute Tabellenkalkulationsprogramme an. Dabei wird in einem<br />
standardisierten Rahmen von Zeilen und Spalten ein Betriebsmodell durch entsprechende<br />
Verknüpfung einzelner Input- bzw. Output-Zellen mit dem gewählten Produktionsumfang<br />
sowie den erforderlichen Dateneingabefeldern „gebaut“. Der Aufbau eines solchen Modells<br />
benötigt zwar Zeit, ist aber dann jederzeit an neue Planungsfragen anpassbar. Außerdem<br />
ergibt sich die Möglichkeit, bei einem entsprechenden linearen Modellaufbau die<br />
Daten in LP-Lösungsprogramme (Solver) zu importieren und damit - neben der Arbeitsersparnis<br />
für den Aufbau eines LP-Modells - die Synergien beider Instrumente zu nutzen.<br />
Grundsätzlich haben Voranschlagsmodelle als heuristische Instrumente den Nachteil,<br />
dass sie nicht erkennen lassen, ob eine optimale Betriebsorgansiation mit einem berechneten<br />
Plan erreicht ist. Die <strong>Unternehmensführung</strong> weiß letztendlich nicht, ob mit demselben<br />
Aufwand nicht doch ein höheres Betriebseinkommen oder dasselbe Betriebseinkommen<br />
nicht doch mit einem geringeren Organisationsaufwand durch die Wahl eines anderen<br />
Produktionsprogramms möglich ist.<br />
Trotz dieser Mängel hat der Betriebsvoranschlag auch in Zukunft seine Bedeutung. Er ist<br />
in vielen praktischen Fällen relativ einfach zu handhaben und erlaubt problemlos die<br />
Nachbildung nicht linearer Produktionsbeziehungen durch entsprechende Funktionsgleichungen.<br />
Solange keine größeren Organisationsänderungen zu beurteilen sind, ist er in<br />
vielen Fällen ausreichend.<br />
2.3.3 Einsatz linearer Programmierungsmodelle<br />
Die Lineare Programmierung ist eines der wichtigsten Instrumente des Operation Research.<br />
Der Einzug dieser Verfahren zur Lösung von Optimierungsproblemen gestaltete<br />
sich erst in den letzten 40 Jahren. Erstmalig eingesetzt wurde es für praktische Zwecke im<br />
militärischen Sektor von Wissenschaftlern und Militärs in Großbritannien gegen Ende des<br />
zweiten Weltkrieges.<br />
In der Wirtschaft werden heute PC-basierte LP-Programme zur Entscheidungsfindung<br />
genutzt. Anwendungsgebiete, in denen sich dieses Instrument am stärksten bewährt hat,<br />
sind Produktionsprogrammplanung, Verschnittminimierung und Mischungsoptimierung.<br />
Auch in der Landwirtschaft können LP-Modelle im Rahmen der Futteroptimierung, Düngeund<br />
Betriebsplanung eingesetzt werden. Für die ausführliche Darstellung der Methode in<br />
der Landwirtschaft sei auf das spezielle <strong>Skript</strong> hierzu verwiesen.<br />
3. Management des soziotechnischen Subsystems Beschaffung<br />
In einer arbeitsteiligen Wirtschaft stellt der Beschaffungsprozess, der sich in dem Subsystem<br />
„Beschaffung“ abspielt, die Verbindung zwischen Unternehmen und Umwelt her, bevor<br />
der eigentliche Transformationsprozess (Produktion) beginnt. In diesem soziotechnischen<br />
System interagieren Menschen und Sachgüter verschiedener Unternehmen.<br />
Die wichtigsten Instrumente dafür sind Kommunikation in Form freier Verhandlungen, Absprachen<br />
und Verträge.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 58
Die Beschaffung umfasst im weiteren Sinne:<br />
a) den Einkauf von Sachgütern (Verbrauchs- sowie Gebrauchsgütern), Dienstleistungen<br />
und Rechten (z.B. Lizenzen, Bezugsrechten, Gebrauchsnutzungsrechte etc.)<br />
b) die Einstellung von Arbeitskräften (fest oder nichtständig)<br />
c) die Bereitstellung von Kapital (Finanzierung)<br />
3.1 Beschaffung von Verbrauchsgütern (Beschaffung i.e.S.)<br />
Verbrauchsgüter sind Betriebsmittel industrieller oder landwirtschaftlicher Herkunft, die<br />
während eines Produktionsprozesses verbraucht werden und deshalb regelmäßig neu zu<br />
beschafften sind. Dazu rechnen Saatgut, Dünger, Pflanzenbehandlungsmittel, Jungtiere,<br />
Futtermittel u.a., aber auch die verschiedenen Energieformen (Strom, Gas) und im weitesten<br />
Sinne auch bestimmte Dienstleistungen (Tierarzt, Besamung etc.). Der <strong>Unternehmensführung</strong><br />
kommen im Rahmen des Beschaffungsprozesses vier wesentliche Aufgaben<br />
zu:<br />
1. Planung der Beschaffung:<br />
Dabei gilt es zunächst, die Anforderungen von Seiten der Produktion nach Art, Menge und<br />
Zeitpunkt der Bereitstellung entsprechender Güter genau zu erfassen. Daran schließt sich<br />
eine Analyse des Beschaffungsmarktes an, die Informationen darüber ergeben muss, wer<br />
was zu welchem Preis wann anbietet. Die erforderlichen Marktanalysen lassen sich u.a.<br />
mit modernen Informationssystemen rationell anstellen. Zur Beschaffungsplanung zählt<br />
auch die Entscheidung darüber, ob Güter ggf. früher bezogen und eingelagert werden und<br />
wie die Optimierung des Lagerbestandes sowie der Bestellmengen erreicht werden kann.<br />
2. Vertragsabschluß:<br />
Mit dem Abschluss eines Beschaffungsvertrages werden festgelegt:<br />
- quantitative und qualitative Bedingungen des Gutes<br />
- Erfüllungszeit und -ort der Lieferung<br />
- Preis des Gutes<br />
- Zahlungsziel<br />
- sonstige Vereinbarungen (Rücktritt etc.)<br />
3. Kontrolle des Beschaffungvorganges:<br />
Darunter fallen Terminüberwachung, Warenprüfung, Rechnungskontrolle sowie Registratur<br />
in der Buchhaltung.<br />
4. Lagerhaltung:<br />
Dazu zählen die klassischen Verwaltungsaufgaben wie Instandhaltung des Lagers, Pflege<br />
der Lagerbestände und das Führen der Lagerbücher.<br />
3.1.1 Der Beschaffungsplan<br />
Zunächst wird der mit Hilfe von Modellrechnungen der Bedarf an notwendigen Güterarten<br />
und -mengen sowie deren Einsatzzeitpunkt aus dem Produktionsprogramm abgeleitet und<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 59
zusammengestellt. Dann muss geprüft werden, welche Substitutionsmöglichkeiten zwischen<br />
Betriebsmitteln bestehen und ob zu den von der Betriebsplanung vorgegebenen<br />
Preisen (kritische Beschaffungspreise, Ersatzkostenwerte sowie Kostensummenlimits)<br />
beschafft werden kann. Sollte die Einhaltung von Grenzwerten nicht möglich sein, dann<br />
muss eine Rückmeldung an die Betriebsplanung erfolgen, da ggf. das Produktionsprogramm<br />
zu ändern ist, weil es auf faschen Annahmen beruht.<br />
Wenn der Mengen- und Zeitplan feststeht, muss sich die Unternehmensleitung auf eine<br />
„Beschaffungs-Politik“ bei einzelnen Güter festlegen. Zur Auswahl stehen prinzipiell zwei<br />
Möglichkeiten:<br />
1. Fertigungsynchrone Beschaffung:<br />
Hierbei erfolgt die Beschaffung der jeweils benötigten Güter unmittelbar („just in time“) vor<br />
ihrem Einsatz im Produktionsprozess, womit i.d.R. eine Lagerhaltung entfällt.<br />
Beispiele hierfür sind Strom, Gas und Wasser, aber auch Pflanzenschutz- oder Tierarzneimittel,<br />
die erst unmittelbar vor ihrer Anwendung bezogen werden, ebenso Ersatzteile<br />
für Maschinen.<br />
2. Vorratsbeschaffung:<br />
Sie erfordert eine Lagerhaltung für die entsprechenden Güter und wird in Agrarunternehmen<br />
häufig praktiziert. Beispiele hierfür sind eingelagerte Dünge- oder Futtermittel, Energieträger<br />
(Heizöl, Gas etc.), Saatgut, Pflanzenschutzmittel u.a.<br />
Nach Festlegung der Beschaffungspolitik wird im Beschaffungsplan festgehalten, wann<br />
welches Gut in welcher Menge im Unternehmen sein soll. Unter Berücksichtigung entsprechender<br />
Vorlaufzeiten (Bestellausführungszeiten) ergibt sich der Bestellzeitpunkt für<br />
die einzelnen Güter. Ein geeignetes Hilfsmittel für die rationelle Handhabung von Beschaffungsplänen<br />
können Tabellenkalkulationsprogramme wie Excel sein.<br />
3.1.1.1 Bedeutung der Lagerhaltung im Beschaffungsprozess<br />
Wir hatten bereits ausgeführt, dass die Lagerhaltung für Agrarunternehmen von Bedeutung<br />
ist. Im Wesentlichen werden damit zwei Ziele verfolgt:<br />
1. Vermeidung von Leerlauf in der Produktion:<br />
Aufgrund der Unsicherheiten auf den Beschaffungsmärkten - oft infolge klimatischer Gegebenheiten<br />
- ist die Beschaffung nie ganz risikofrei durchführbar. Verzögerungen in der<br />
Anlieferung bestimmter Güter können sich ggf. katastrophal auf den Produktionsablauf<br />
auswirken. Man denke nur an Pflanzenschutz-, Tierarzneimittel oder Kraftfuttermittel.<br />
Auch Zwischenlager erfüllen die o.a. Funktion, wenn der Produktionsablauf zwischen einzelnen<br />
Produktionsphasen nicht reibungslos ineinandergreift. Dies ist in der Landwirtschaft<br />
sehr häufig der Fall.<br />
2. Ausnutzung von Preisvorteilen:<br />
Durch richtige Entscheidungen zur Güterbeschaffung lassen sich ggf. beträchtliche Preisvorteile<br />
realisieren, die sich in Form entsprechender Frühbezugs- bzw. Mengenrabatte<br />
niederschlagen. Voraussetzung dafür ist eine sorgfältige Analyse der Beschaffungsmärkte.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 60
Im Rahmen des Beschaffungsmanagements ist es Aufgabe der <strong>Unternehmensführung</strong>,<br />
unter Berücksichtigung der Kosten der Lagerhaltung über die Wahl der Bestellmengen<br />
und Festlegung der Bestellzeitpunkte die Lagerbestände für einzelne Güter zu optimieren.<br />
3.1.1.2 Kosten der Lagerhaltung<br />
Da die Kosten der Lagerhaltung eine wichtige Größe darstellen, wollen wir sie im Folgenden<br />
einmal genauer aufschlüsseln. Dabei lassen sich drei große Kostenblöcke bilden, die<br />
auch analog auf Absatz-Lagerhaltung übertragen werden können:<br />
1. Kosten der reinen Lagerung:<br />
Dazu zählen zunächst die Kosten für die Bereitstellung geeigneter Lager mit ihren Kostenarten:<br />
Abschreibungen, Versicherungen und Zinsen bzw. Zinsansätzen für Gebäude u.<br />
technische Einrichtungen (Waage, Förderanlagen, sicherheitstechnische Einrichtungen<br />
etc.), anteilige Steuern (Grundwerbs- bzw. Grundsteuer), Energie und Instandhaltung.<br />
Des Weiteren ergeben sich Kosten aus den Lagerbeständen selbst: Zinsen bzw. Zinsansätze<br />
für das in den Gütern gebundene Kapital, die Versicherungen der Lagerbestände<br />
selbst sowie Verderb und Schwund.<br />
2. Kosten der Bewegung und Behandlung lagernder Güter:<br />
Hierbei ist zunächst an die Kosten der Güterbewegung durch Ein-, Aus- bzw. Umlagern zu<br />
denken. Eventuell sind auch nach längerer Lagerung Kosten für Probenahmen (Analysen)<br />
sowie Kosten für quantitative oder qualitative Erhaltung (Kühlen, Umschaufeln bzw. Wenden<br />
etc.) zu berücksichtigen.<br />
3. Kosten der Lagerverwaltung:<br />
Vor allem die Personalkosten, aber auch die Kosten von Erfassungs- und Überwachungssystemen<br />
(Hard- und Software, Alarmanlagen etc.) sind Bestandteile dieses Kostenblockes.<br />
In der Praxis taucht bei der Beurteilung von Lagerkosten immer wieder die Frage bzw. die<br />
Schwierigkeit auf, welche der o.a. Kosten für Lagerentscheidungen entscheidungsrelevant<br />
sind. Grundsätzlich geht man bei der Beantwortung der Frage von der Fragestellung aus,<br />
welche der o.a. Kosten entstehen bzw. entstehen nicht, wenn ein zu beschaffendes Gut<br />
eingelagert bzw. „just in time“ geliefert wird.<br />
Dabei sind zunächst zwei Fälle zu unterscheiden:<br />
1. Das Lager ist vorhanden<br />
2. Das Lager muss gebaut werden<br />
Wenn ein Lager gebaut werden muss, dann sind alle o.a. Kosten in der Regel entscheidungsrelevant.<br />
Ist aber ein Lager vorhanden, dann muss eine Einzelfallprüfung vorgenommen<br />
werden. Auf jeden Fall sind Abschreibungen für Gebäude und Einrichtungen, die<br />
Zinsen bzw. Zinsansätze dafür sowie anteilige Steuern (u. a. Grunderwerbssteuer bzw.<br />
Grundsteuer) bei einem vorhandenem Lager als „Sunk Costs“ zu betrachten und damit<br />
entscheidungsirrelevant. Es ist aber zu prüfen, ob das Lager nicht alternativ verwendet<br />
werden könnte, denn dann wären ggf. Opportunitätskosten in Betracht zu ziehen.<br />
Die Zinsen bzw. Zinsansätze für das in den Lagerbeständen gebundene Kapital sind immer<br />
entscheidungsrelevant. Ihre Höhe hängt allerdings von der finanziellen Situation<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 61
(Liquiditätslage) des Unternehmens ab. Verfügt das Unternehmen zum Beschaffungszeitpunkt<br />
und über den gesamten Lagerzeitraum hinaus über ausreichendes Geldvermögen,<br />
dass innerbetrieblich nicht anderweitig benötigt wird, dann sind die Zinsansätze mit den<br />
Opportunitätskosten einer Geldanlage mit vergleichbarer Sicherheit zu bewerten. Dies<br />
dürften i. d. R. bei heutigen Geldanlagemöglichkeiten nicht mehr als 1,5 – 2,5% p.a. sein.<br />
Führt jedoch die Lagerentscheidung dazu, dass das Unternehmen dadurch seine Kontokorrentlinie<br />
in Anspruch nehmen oder sogar überziehen muss, dann können die Zinsen<br />
bzw. die dafür anzusetzenden Zinsansätze beachtliche Höhen erfahren. 14 – 20 % p.a.<br />
sind durchaus praxisübliche Werte!<br />
Bei der Beurteilung der Kosten der Bewegung bzw. Behandlung der einzulagernden Güter<br />
kann man in der Regel davon ausgehen, dass diese bei vorhandenen Lagern nur mit den<br />
variablen Kosten zu kalkulieren sind. Dies gilt in den meisten Fällen auch für die Lagerverwaltungskosten.<br />
3.1.1.3 Optimaler Lagerbestand bei kontinuierlichem Verbrauch<br />
Jede Bestellung ist mit „auftragsgebundenen“ Kosten verbunden (Personalkosten, Transportkosten<br />
etc.), die entweder direkt ausgewiesen sind oder über die Güterpreise (Zuschläge<br />
bzw. Rabatte) an das beschaffende Unternehmen weitergegeben werden.<br />
Je höher die Bestellmenge pro Bestellung (Auftrag) ist, desto geringer sind i.d.R. die auftragsgebundenen<br />
Stückkosten (Kosten pro 1 Einheit der Bestellmenge) und desto weniger<br />
Bestellungen pro Jahr sind c.p. (d.h. bei gegebener Verwendungsrate) erforderlich (sinkende<br />
Bestellfrequenz). Bei Gütern, die kontinuierlich wiederbestellt werden müssen,<br />
kann ein Unternehmen über größere Bestellmengen und anschließende Einlagerung die<br />
Bestellfrequenz senken und damit Kosten einsparen. Andererseits entstehen aber auch<br />
durch den Aufbau bzw. das Aufrechthalten von Lagerbeständen Kosten, wie wir bereits<br />
ausführlich diskutiert haben.<br />
Durch geeignete Wahl der Bestellmengen lassen sich die Lagerbestände optimieren. Die<br />
Entscheidung über die zu bestellende Menge und damit über die Bestellfrequenz geht von<br />
einem Vergleich der o.a. entscheidungsrelevanten Kosten aus: Die optimale Bestellmenge<br />
für ein Gut ist dann erreicht, wenn die Summe aus Bestellausführungs- und Lagerkosten -<br />
bei konstanter Gesamtmenge - minimal oder, falls die sinkenden Bestellausführungskosten<br />
über Mengenrabatte weitergegeben werden, die Stückkosten des Gesamtverbrauches<br />
minimal sind.<br />
Wir wollen uns diesen Zusammenhang anhand eines Beispieles genauer ansehen. In der<br />
folgenden Tabelle 7 untersuchen wir den Fall, dass keine Bestellkosten erhoben sondern<br />
mengenabhängige Preisrabatte gewährt werden. In diesem Fall hat der Lieferant mit zunehmender<br />
Bestellmenge Kosteneinsparungen, die er über mengenmäßige Preisnachlässe<br />
an das beschaffende Unternehmen weitergibt.<br />
Wenn ein geeignetes Lager vorhanden ist, sind keine Kosten für die Bereitstellung des<br />
Lagers und der Lagereinrichtungen in Betracht zu ziehen. Deshalb setzen sich in unserem<br />
Beispiel die Lagerhaltungskosten zum größten Teil aus den Kosten für das im Lagergut<br />
gebundene Kapital (Nutzungskosten der Kapitalbindung), Versicherungen und Schwundkosten<br />
zusammen. Sie lassen sich in der Praxis bei kontinuierlichem Verbrauch annähernd<br />
als fester Prozentwert des mittleren Lagerwertes (monetär bewerteter mittlerer Lagerbestand<br />
= halbe Bestellmenge) berechnen und nehmen mit steigenden Lagermengen<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 62
zu. Wir haben für die Versicherung des Lagergutes 2%, für die Zinsansprüche 5% (Nutzungskosten<br />
der Kapitalbindung) und für Schwundkosten 1% angenommen. Zur Lösung<br />
des Beschaffungsproblems haben wir ein heuristisches Entscheidungsmodell auf Basis<br />
eines Tabellenkalkuationsprogrammes (Excel) konstruiert. Die Ergebnisse der unterschiedlichen<br />
Bestellmengen zeigen, dass unter diesen Annahmen ein durchschnittlicher<br />
jährlicher Lagerbestand von 187,5 dt optimal wäre. Dies impliziert 2 Bestellungen zu je<br />
375 dt. Bei dieser Bestellfrequenz sind die Stückkosten mit 123,42 €/t Kraftfutter minimal.<br />
Die Differenz beträgt immerhin über 5.000 € zur Bestellvariante 1.<br />
Tabelle 7: Ermittlung des optimalen Lagerbestandes<br />
Allerdings wird bei dieser Berechnung unterstellt, dass der Beschafftungspreis über die<br />
Zeit hinweg konstant bleibt. Dies ist bei der heutigen „Volatilität“ vieler Faktorpreise nicht<br />
mehr der Fall. Das Ergebnis der Rechnung kann dann ex post durchaus anders ausfallen.<br />
Abb. 15: Entwicklung der Heizölpreis seit 2010<br />
Quelle: Tecson<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 63
Es ist derzeit bei „volatilen“ Rohstoffen kaum vorhersagbar, ob eine höhere Bestellfrequenz<br />
oder eine einmalige Bestellung vorzuziehen ist. Steigen die Rohstoffkosten allerdings<br />
laufend an (vgl. Abb. 15), dann ist je nach Preisanstieg ggf. eine einmalige Befüllung<br />
des Lagers sinnvoll, da bei der nächsten Bestellung die Preise ja schon wieder „davongelaufen“<br />
sind. Ein Beispiel dafür sind die Diesel bzw. Heizölpreise. Weiterhin muss<br />
man auch vor Augen haben, dass es fast unmöglich ist, saisonale Minima beim Einkauf<br />
genau zu treffen. Wie Abb. 15. zeigt, ist der mittelfristige Trend für Heizöl weiterhin steigend,<br />
auch wenn zeitweise Rückläufe zu beobachten sind.<br />
Neben der Frage nach der optimalen Bestellmenge und Lagerauslastung stellt sich darüber<br />
hinaus auch noch die Frage nach dem optimalen Bestellzeitpunkt. Ein Lagerbestand<br />
z.B. für Kraftfutter oder Treibstoffe wird im Zeitablauf verbraucht. Die Wahl des Bestellzeitpunktes<br />
hängt von der Bestellausführungszeit (Vorlaufzeit) sowie von dem betrieblichen<br />
Verbrauch je Zeiteinheit, der sog. Verwendungsrate ab. Dies ist in der folgenden<br />
Abb. 16 dargestellt. Bei einem Lagerbestand von 28 dt, dem sog. Bestellbestand, müsste<br />
spätestens die Bestellungsaufgabe erfolgen, wenn der Lieferant immer genau nach 14<br />
Tagen liefert und die Verwendungsrate weiterhin 2 to/Tag beträgt.<br />
Abb. 16: Ermittlung des optimalen Bestellzeitpunktes<br />
Allerdings treten in der Praxis immer wieder Abweichungen auf. So kann durch unvorhergesehene<br />
Ereignisse auf dem Beschaffungsmarkt die Bestellausführungszeit schwanken,<br />
was im schlechten Fall zu Fehlbeständen führen kann.<br />
Auch die Verwendungsrate unterliegt Schwankungen. Ein Absinken führt dazu, dass zum<br />
Lieferzeitpunkt das Lager noch nicht wie geplant weitgehend geräumt ist und damit die<br />
Bestellung zu früh geliefert wird. Dies führt zwar zu etwas höheren Lagerkosten, ist aber<br />
ökonomisch gesehen weitgehend unbedeutend und in der Praxis auch oft unvermeidbar.<br />
Weitaus ungünstiger und ggf. gefährlich für das Unternehmen ist der Fall, dass die Verwendungsrate<br />
ansteigt und es zu Fehlbeständen (vgl. Abb. 16) kommt. Man denke nur an<br />
einen plötzlichen Kälteeinbruch, der dazu führt, dass der tägliche Heizölverbrauch für die<br />
Beheizung der Zuchstsauenställe ansteigt. Dies führt im ungünstigsten Fall zu einem Ausfall<br />
der Heizung mit allen negativen Konsequenzen für die Ferkelproduktion.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 64
Um der Gefahr solcher Fehlbestände vorzugreifen, halten sich Unternehmen strategische<br />
Reserven, die gegen die Beschaffungs- und Verbrauchsschwankungsrisiken<br />
schützt sollen. Diese Reserve stellt einen langfristig gleichbleibenden Vorrat eines Gutes<br />
dar, der eine reibungslose Fortführung der Produktion aufgrund der o.a. Unsicherheiten<br />
gewährleisten soll. Die Höhe dieser strategischen Reserve kann nur unternehmensspezifisch<br />
ermittelt werden und darf im Normalfall mengenmäßig (nicht physisch) nicht in Anspruch<br />
genommen werden. Die Aufrechterhaltung einer solchen „eisernen Reserve“ verursacht<br />
naturgemäß Lagerkosten, die als eine Art „Versicherungsprämie“ für den „Fall der<br />
Fälle“ zu sehen ist.<br />
3.1.1.4 Optimaler Bestellzeitpunkt bei diskontinuierlichem Verbrauch<br />
Bei diskontinuierlichem Verbrauch wird ein Gut nur wenige Male oder sogar nur einmal im<br />
Rahmen des Produktionsprozesses eingesetzt (z.B. Pflanzenschutzmittel, Dünger, Saatgut<br />
etc.). Das Management eines Agrarunternehmens steht dann meist vor dem Entscheidungsproblem,<br />
ob Bestellungen zur Realisierung von Frühbezugsrabatten oder bei<br />
vorhersehbaren Preissteigerungen vorgezogen werden sollen.<br />
Die Frage, ob eine Vorverlegung von Bezugsterminen für Verbrauchsgüter ökonomisch<br />
sinnvoll ist, lässt sich analytisch lösen, sofern die Rahmendaten mit Sicherheit bekannt<br />
sind. Dazu muss zunächst der Effektivzins eines Rabattes bzw. einer Preiserhöhung ermittelt<br />
werden. Wenn bei vorhandenem Lager die dann entscheidungsrelevanten Lagerkosten<br />
- i.d.R. Versicherung, Zinsansatz und Schwundkosten - kleiner sind als der Effektivzins,<br />
dann ist eine Vorverlegung des Bezuges und Einlagerung der Ware sinnvoll.<br />
Zur Bestimmung des Effektivzinses bedient man sich in der Praxis folgender Formel:<br />
Rabattsatz (in %) x 360<br />
--------------------------------<br />
Lagerzeit (in Tagen)<br />
Im Falle einer vorhersehbaren Preiserhöhung würde man an Stelle des Rabattsatzes den<br />
bevorstehenden Preisaufschlag (in %) einsetzen. Wir wollen die Nutzung der Formel und<br />
die daraus resultierende Entscheidungsfindung an folgendem Beispiel diskutieren: Bei<br />
Herbstbezug eines Pflanzenschutzmittels wird ein Rabatt von 7% gewährt. Das Mittel<br />
kommt erst im Frühjahr zum Einsatz, so dass mit einer Einlagerungszeit von ca. 180 Tagen<br />
zu rechnen ist. Nach der obigen Formel ergibt sich ein Effektivzins von 14% p.a.. Mit<br />
Schwund hat man in diesem Fall nicht zu rechnen, aber der Lagerbestand müsste ggf. mit<br />
1 - 2% seines Wertes versichert werden, wenn es sich um einen größeren Bestellwert<br />
handelt. Wie soll sich die <strong>Unternehmensführung</strong> nun entscheiden?<br />
Die Antwort kann so nicht generell gegeben werden, sie hängt zunächst einmal – bei größeren<br />
Bestellwerten - davon ab, ob das Unternehmen z.Z. „liquide“ ist, oder den Frühbezug<br />
bzw. durch den Frühbezug bedingt die Beschaffung weiterer Betriebsmittel für das<br />
laufende Wirtschaftsjahr über Fremdkapital finanzieren muss (Opportunitätskosten). Im<br />
ersten Fall wäre ein Frühbezug c.p. sinnvoll, da man in Deutschland für kurzfristige Geldanlagen<br />
nicht einmal 2% p.a. erhält und damit die Opportunitätskosten des gebundenen<br />
Kapitals gering anzusetzen sind. Falls das Unternehmen aber durch den Frühbezug seine<br />
Kontokorrentlinie nutzen oder sogar überziehen müsste, könnte der Frühbezug unrentabel<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 65
werden. Wie bereits vorher ausgeführt, muss man heute mit 12 - 20% p.a. Kontokorrentzinsen<br />
rechnen, im Fall einer Überziehung ist noch einmal mit Aufschlägen von 4 – 6 Prozentpunkten<br />
zu kalkulieren. In unserem Beispiel macht dies die Vorteilhaftigkeit eines<br />
Frühbezuges unrentabel.<br />
Bei der Entscheidung muss in der Praxis aber auch noch die Marktsituation für die Güterart<br />
berücksichtigt werden. Gerade bei Pflanzenschutzmitteln ist die Frage zu prüfen, ob<br />
der Anbieter bzw. Hersteller mit Patentauslauf bzw. Billigimporten etc. zu rechnen hat.<br />
Denn dann ist kurzfristig ein Preisrückgang wahrscheinlich. Ein Frühbezug könnte sich als<br />
Fehlentscheidung erweisen, wenn die Preise für das bezogene Produkt im Frühjahr unter<br />
Druck geraten und nachgeben. Umgekehrt gilt es aber auch den volkstümlichen Satz:<br />
„Lieber den Sperling in der Hand, als die Taube auf dem Dach“ in Betracht zu ziehen.<br />
Kommt in folge von Zulassungsproblemen bei Konkurrenzprodukten (Verlängerung einer<br />
abgelaufenen Zulassung) zu plötzlichen Nachfrageüberhängen, dann sind Preissteigerungen<br />
angesagt, ein Frühbezug wäre dann ein „Volltreffer“ gewesen. Ähnliche Überlegungen<br />
gelten auch für Saatgut.<br />
Es wird also immer im Einzelfall zu entscheiden sein, wobei neben dem Effektivzins und<br />
der finanziellen Situation des Unternehmens auch Markttendenzen in das Kalkül einzubeziehen<br />
sind. Gerade in der heutigen Zeit, die sich durch sehr starke Bewegungen bzw.<br />
Votalität (statistisches Maß für die Häufigkeit und Intensität von Preisschwankungen) auf<br />
den Energie- und Rohstoffmärkten auszeichnet, ist eine sorgfältige Marktbeobachtung für<br />
Frühbezugsentscheidungen unabdingbar.<br />
3.1.2 Gestaltung rechtlicher Rahmenbedingungen<br />
Nachdem die Beschaffungsplanung mit der Entscheidung über<br />
- Art und Menge des Verbrauchsgutes<br />
- Beschaffungszeitpunkt<br />
- und Lieferfirma<br />
abgeschlossen ist, muss ein [Kauf]Vertrag geschlossen werden. In einem Kaufvertrag<br />
sind folgende Punkte zu finden:<br />
1. Art, Beschaffenheit und Güte der Ware<br />
2. Menge der Ware<br />
3. Preis der Ware<br />
4. Verpackung der Ware<br />
5. Versand der Ware<br />
6. Lieferzeit<br />
7. Zahlungsbedingungen<br />
8. Erfüllungsort und evt. Eigentumsübertragung<br />
Bei den dabei zu gestaltenden rechtlichen Rahmenbedingungen wollen wir uns im Rahmen<br />
dieser Vorlesung auf die Preisgestaltung, die Zahlungsbedingungen und den Erfüllungsort<br />
beschränken. Diese Faktoren beeinflussen nämlich letztendlich den effektiven<br />
Preis auf dem Betrieb (Loko-Hof-Preis).<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 66
Immer dann, wenn zwischen Angebotsabgabe bzw. Vertragschluss und Auslieferung der<br />
Ware eine gewisse Zeitspanne liegt, besteht die Gefahr, dass die Kostenkalkulation der<br />
Parteien sich verschiebt. Bei fairen Geschäften werden in langfristigen Verträgen die Parteien<br />
die Preisänderungen oft an der veränderten Kostensituation anlehnen. Die Gründe<br />
für die Kostenänderungen sind zumeist:<br />
• Der Einkaufspreis für Rohstoffe oder Zulieferteile ändert sich.<br />
• Der Wechselkurs ändert sich. Das betrifft sowohl den Einkaufspreis für Roh- und<br />
Hilfsstoffe als auch den Verkaufspreis gegenüber dem Käufer.<br />
• Die Lohnkosten ändern sich.<br />
• Andere Kosten, die mit der Produktion zusammenhängen, ändern sich (etwa Produktionsanlagen<br />
müssen aufgrund geänderter Sicherheitsvorschriften aufgerüstet<br />
werden).<br />
Deshalb wird oftmals eine Preisanpassung vereinbart. Hier einige Beispiele für allgemeine<br />
Preisänderungs- oder –gleitklauseln:<br />
Festlegung durch den Verkäufer :<br />
Der Preis wird vom Verkäufer festgelegt, wobei er Preisänderungen mindestens 2 Monate<br />
vor Gültigkeit dem Käufer schriftlich bekannt zu geben hat.<br />
Tagespreisklausel:<br />
Es gelten die am Tag der Lieferung die festgestellen Börsenkurse an der Börse XY.<br />
Indexanpassung:<br />
Der Preis erhöht oder verringert sich in gleichem Maße wie sich der Verbraucherpreisindex<br />
des statistischen Bundesamts der Bundesrepublik Deutschland ändert.<br />
Unbestimmte Klausel:<br />
Sollten sich während der Vertragslaufzeit die Lohn- oder Materialkosten ändern, so ist der<br />
Verkäufer berechtigt, den vereinbarten Basispreis angemessen zu erhöhen.<br />
Einseitige Hausse-Klausel:<br />
Die Preise basieren auf den heutigen Kosten. Steigen die Kosten im Zeitpunkt der Lieferung,<br />
werden die Preise entsprechend erhöht. Sinken die Kosten, gilt der Basispreis.<br />
Einseitige Baisse-Klausel:<br />
Die Preise basieren auf heutigen Kosten. Sinken die Kosten im Zeitpunkt der Lieferung,<br />
werden die Preise entsprechend herabgesetzt. Erhöhen sich die Kosten, gilt der Basispreis.<br />
Kritisch angemerkt werden muss, dass solche Klauseln oft nicht wirklich geeignet sind,<br />
eine optimale Risikoverteilung zwischen den Parteien herbeizuführen. Teilweise wird eine<br />
Partei offensichtlich benachteiligt. Aber auch bei den anderen Klauseln - mit Ausnahme<br />
der Bagatellklausel - fehlt es an einer Konkretisierung der möglichen Preisänderungen.<br />
Die Nachteile solch unbestimmter Klauseln können durch eine definierte Preisgleitformel<br />
gemildert werden. Solche Formeln sind bei knapp kalkulierten Preisen und längerfristigen<br />
Bindungen die beste Lösung, denn sie berücksichtigen die konkrete Situation des<br />
Produzenten. Zugleich können die Parteien sich so konkret darauf einigen, welche Risiken<br />
von welcher Partei getragen werden. Allerdings ist die Ausarbeitung einer solchen Klausel<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 67
aufwendiger und der Hersteller muss diejenigen Faktoren, die in die Gleitklausel einfließen,<br />
offenlegen.<br />
Der Gegensatz von solchen Klauseln sind Fix- bzw. Festpreise, bei denen ein fester Preis<br />
für eine bestimmte Mengeneinheit einer qualitativ festgelegten Ware angegeben wird<br />
(sog. Einheitspreis). Gelegentlich wird auch auch ein Preis für verschiedene Qualitäten,<br />
ein sog. Pauschalpreis ausgemacht.<br />
Wechselkursschwankungen und Änderungen der Rohstoffpreise entziehen sich der Einflussmöglichkeit<br />
der Vertragsparteien. Bei Auslandsbezügen können die Preise folgendermaßen<br />
festgelegt werden:<br />
- in der Währung des Exportlandes<br />
- in der Währung des Importlandes<br />
- in der Währung eines Drittlandes (Leitwährung)<br />
- in einer fiktiven Währung (Goldmark, ECU)<br />
Wechselkursänderungen können schnell ein an sich positiv kalkuliertes Geschäft zu einem<br />
Verlustgeschäft machen, wie das folgende Beispiel zeigt: Der Verkaufspreis für ein<br />
Gut wird in US$ zu einem Zeitpunkt X vereinbart wurde, an dem für 1,00 US$ 0,7 Euro<br />
gezahlt wurde (Vertragsschluss). Als dann die Rechnung in US$ zu bezahlen ist, müssen<br />
für 1,00 US-$ 0,77 Euro gezahlt werden. Der Einkauf ist damit um 10% teurer geworden.<br />
Aus diesem Grund sollte man - außer für dem Fall, dass man auf steigende Kurse der<br />
Fakturawährung spekuliert - stets die eigene Währung als Zahlungsbasis zugrunde legen<br />
oder Instrumente zur Wechselkurssicherung nutzen.<br />
Zur Preisgestaltung zählen auch Vertragsinhalte, die etwas über die Fälligkeit des Rechnungsbetrages<br />
aussagen. Als Zahlungsbedingungen (oder Zahlungskonditionen, engl.<br />
terms of payment) werden die Bedingungen bezeichnet, mit denen eine Rechnung zu begleichen<br />
ist. Sie sind Bestandteil des dazu gehörenden Kaufvertrages und werden je nach<br />
Marktmacht vom Lieferanten und/oder vom Kunden festgelegt. Die Zahlungsbedingungen<br />
bestimmen den Zeitpunkt der Zahlung, die Verteilung der Kosten auf Verkäufer und Käufer<br />
sowie die Art und Weise der Zahlung. Zusätzlich können weitere Konditionen, z. B.<br />
Preisnachlässe bei vorzeitiger Zahlung (Skonto), Wertstellung (Valuta) usw. vereinbart<br />
werden.<br />
Die Valutafrist entsteht dadurch, dass die Rechnung auf einen bestimmten Zeitpunkt nach<br />
der Lieferung datiert (valutiert) wird. Die Skontofrist gibt an, bis wann vom Rechnungsbetrag<br />
Skonto abgezogen werden darf. Innerhalb der Valuta- und Skontofrist wird der Lieferantenkredit<br />
unentgeltlich gewährt. Die Zielfrist (das Zahlungsziel) gibt an, bis wann der<br />
Rechnungsbetrag spätestens ohne Abzug von Skonto fällig ist.<br />
Oft sind Zahlungsfristen so festgelegt, dass es für uns als Einkäufer betriebswirtschaftlich<br />
sinnvoll ist, die Rechnung am letzten Tag der Skontofrist nach Abzug des Skontos zu bezahlen.<br />
Falls wir als Kunde zu diesem Zeitpunkt nicht zahlungsfähig sind, können wir noch<br />
die so genannte Skontobezugsspanne (Zahlungsziel - Skontofrist) ausnutzen und müssen<br />
keinen Bankkredit für die Begleichung der Rechnung in Anspruch nehmen. Wenn man<br />
das vereinbarte Zahlungsziel überschreitet, ergibt sich eine Verzugsfrist, d. h. ein „erzwungener<br />
Lieferantenkredit“. Erzwungene Lieferantenkredite zählen nach einer Untersuchung<br />
von Creditreform aus dem Jahre 2003 zu einem der Hauptgründe für Insolvenzen<br />
im europäischen Ausland.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 68
Unter dem Begriff „Skonto“ wird fälschlicherweise oft ein Barzahlungsrabatt verstanden,<br />
zugegebenermaßen ist die Bezeichnung auch missverständlich. Bei Bezahlung unter Abzug<br />
von Skonto handelt es sich in der Regel nicht um eine Barzahlung, sondern um die<br />
Bezahlung innerhalb einer bestimmten Frist. Dem Kunden wird also auch dann, wenn er<br />
den so genannten „Barpreis“ bezahlt, eine gewisse Kreditleistung „gratis“ erbracht.<br />
Lässt man diese Frist allerdings verstreichen, dann muss er für die Inanspruchnahme des<br />
Lieferantenkredites Opportunitätskosten in Kauf nehmen, nämlich in Form des Verzichts<br />
auf den Skonto. Genaugenommen muss man den Skonto als Verzugszinserlass auffassen,<br />
denn der Rechnungsbetrag enthält bereits Verzugszinsen, die bei Einhaltung der<br />
Skontofrist abgezogen werden. Die Inanspruchnahme der Skontofrist stellt also einen<br />
kurzfristigen unentgeltlichen Lieferantenkredit dar, die Nichtausnutzung dagegen die<br />
Inanspruchnahme eines in der Regel teuren Lieferantenkredites.<br />
Rechnet man die Kosten für den Verzicht auf Skonto, dann ergibt sich oft ein sehr hoher<br />
effektiver Zinssatz pro Jahr (p.a.). Für Rechnungsempfänger kann es sogar von Vorteil<br />
sein, einen Bankkredit aufzunehmen, um den Vorzug eines Skontos auszunutzen. Ob nun<br />
die Ausnutzung eines Skontos sinnvoll ist, lässt sich mit folgender Näherungsformel berechnen:<br />
Wir wollen uns dies an einem Beispiel klarmachen. Ein Landhändler verkauft uns Futtermittel<br />
zu folgenden Bedingungen „Bei Zahlung innerhalb von 8 Tagen abzüglich 2 Prozent<br />
Skonto, innerhalb von 30 Tagen rein netto“. Wie sollen wir uns verhalten?<br />
Dazu ist folgende Rechnung anzustellen:<br />
Es ist nämlich in Wirklichkeit so, dass der Basispreis (Barverkaufspreis) 98% ist und sich,<br />
wenn wir nach Ablauf der Skontofrist erst zahlen, auf 100% erhöht. Insgesamt ergibt sich<br />
daraus ein Verzugszinssatz oder auch Effektivzins des Skontos von über 33% p.a.. Dafür<br />
hätte man in jedem Falle seine Kontokorrentlinie nutzen sollen, dies wäre immer billiger<br />
gewesen. Berücksichtigt man dann noch ggf. 365 Zinstage, dann kommt man sogar auf<br />
33,85 % p.a.. Dennoch wird in der Praxis auf die Ausnutzung des Skontos oft verzichtet,<br />
teilweise aus Bequemlichkeit oder Unwissenheit, oftmals aber auch aus Liquiditätsgründen,<br />
weil die Kontokorrentlinie schon fast ausgeschöpft ist. Und dann gilt natürlich wieder<br />
der alte Grundsatz „Liquidität geht vor Rentabilität“.<br />
Im Gegensatz zum Skonto ist ein Rabatt (von ital.: rabatto, rabattere = niederschlagen,<br />
abschlagen) ein „wirklicher“ Preisnachlass, der in der Regel in Prozent ausgedrückt und<br />
vom Listen-Preis (Netto-Verkaufspreis) einer Ware abgezogen wird. Rabatte werden als<br />
Kaufanreize in der Preispolitik eingesetzt. Die wichtigsten Rabattformen sind:<br />
• Der Mengen- oder Staffelrabatt soll zum Kauf großer Mengen anregen. Meist werden<br />
Rabattstaffeln festgelegt, der Preis verringert sich schrittweise nach Abnahme<br />
einer gewissen Stückzahl. Wird der Nachlass ab einem bestimmten Wert gewährt,<br />
spricht man von einem Warenwertrabatt.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 69
• Der Jahresrabatt wird auf den in einem Jahr getätigten Umsatz gewährt. Er kann<br />
einmalig festgelegt oder nach Umsatz gestaffelt werden.<br />
• Der Positionsrabatt wird meist nur auf eine Rechnungsposition gewährt, kann aber<br />
auch auf mehrere Positionen in der Rechnung gewährt werden.<br />
• Der Treuerabatt soll die Kundenbindung fördern und Konkurrenten abwehren.<br />
• Der Umsatzbonus ist eine Kunden-Gutschrift, die ausgezahlt wird, wenn am Jahresende<br />
ein vereinbarter Gesamtumsatz erzielt wurde.<br />
• Der Funktionsrabatt wird gewährt, wenn sich der Kunde zur Übernahme bestimmter<br />
Aufgaben verpflichtet (zum Beispiel Werbung, Sortieren, Abfüllen).<br />
• Der Wiederverkäuferrabatt ist die dem Groß- und Einzelhandel gewährte<br />
Handelsspanne bei Waren, deren Endverkaufspreis vom Hersteller festgesetzt<br />
wird. Er soll dem Händler einen angemessenen Gewinn sichern.<br />
• Der Saisonrabatt wird bei vorzeitigem Bezug von Waren, die starken Saisonschwankungen<br />
unterliegen, gewährt.<br />
• Beim Naturalrabatt erhält der Käufer statt eines Preisnachlasses kostenlose Exemplare<br />
(dabei wird zwischen Drauf- und Dreingabe unterschieden).<br />
Rabatte waren in Deutschland bis zum 1. August 2001 durch das Rabattgesetz und die<br />
Zugabenverordnung beschränkt. Rabatte durften nicht mehr als 3 % ausmachen. Zugaben<br />
durften lediglich einen geringen Wert haben.<br />
Drauf- und Dreingaben haben eine beträchtliche Bedeutung. Für den Verkäufer hat die<br />
Draufgabe – je nach variablen Produktionskosten - einen geringeren Wert als das eigentliche<br />
Produkt. Vielfach ist es dann in der Beschaffung einfacher, vom Lieferanten eine<br />
Draufgabe zu bekommen, als einen prozentualen Preisnachlass herauszuhandeln. Bei<br />
der „Dreingabe“ wird die vertraglich vereinbarte Menge geliefert, in Rechnung gestellt wird<br />
jedoch eine geringere Menge.<br />
Wichtig ist auch die Festlegung des Erfüllungsortes im Kaufvertrag. Erfüllungsort ist<br />
jener Ort, an dem der Verkäufer dem Käufer die Ware zur vereinbarten Zeit und in der<br />
vereinbarten Menge und Qualität übergeben muss. Am Erfüllungsort gehen Eigentum und<br />
alle Gefahren auf den Käufer über. Geregelt werden können diese Dinge über sog. „Incoterms“.<br />
Abb. 17: Regelung der Erfüllungsorte durch Incoterms<br />
Incoterm-Codes<br />
Code Bedeutung anzugebender Ort<br />
EXW ab Werk (engl.: EX Works)<br />
FOB frei an Bord (engl.: Free On Board)<br />
CIF Kosten, Versicherung und Fracht (engl.: Cost Insurance Freight)<br />
CPT Fracht, Porto bezahlt bis (engl.: Carriage Paid To)<br />
CIP Fracht, Porto und Versicherung bezahlt bis (engl.: Carriage Insurance Paid)<br />
DAF frei Grenze (engl.: Delivered At Frontier)<br />
DES frei ab Schiff (engl.: Delivered Ex Ship)<br />
DEQ frei ab Kai (engl.: Delivered Ex Quay)<br />
DDU frei unverzollt (engl.: Delivery Duty Unpaid)<br />
DDP verzollt (engl.: Delivery Duty Paid)<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 70
Die Incoterms sollen vor allem die Art und Weise der Lieferung von Gütern regeln. Die<br />
Bestimmungen legen fest, welche Transportkosten der Verkäufer, welche der Käufer zu<br />
tragen hat und wer im Falle eines Verlustes der Ware das finanzielle Risiko trägt. Die Incoterms<br />
geben jedoch keine Auskunft darüber, wann und wo das Eigentum an der Ware<br />
von dem Verkäufer auf den Käufer übergeht. Auch Zahlungsbedingungen und Gerichtsstand<br />
werden über sie nicht geregelt. Die folgende Übersicht gibt an, welche Kosten von<br />
wem übernommen werden.<br />
Abb. 18: Incomterms und Kostenübernahme<br />
Die Incoterms haben keine Gesetzeskraft; sie werden nur rechtskräftig, wenn sie zwischen<br />
Käufer und Verkäufer gültig vereinbart werden. Die Anerkennung durch Gerichte<br />
erfolgt nur bei Einbeziehung in einen Vertrag. Um rechtskräftig zu sein, muss im Vertrag z.<br />
B. erwähnt sein "CIF gemäß INCOTERMS 2000", wobei 2000 auf die jeweilige Version<br />
der Incoterms verweist.<br />
3.1.3.1 Kontrolle des Beschaffungsablaufes<br />
Zu den wesentlichen Kontrollfunktionen im Beschaffungsprozess zählen:<br />
- Überwachung der Lieferung in Form der Terminüberwachung und –sicherstellung<br />
- Wareneingangskontrolle und ggf. Sicherstellung von Rückstellproben<br />
- Überprüfung der Rechnungslegung und Überwachung des Zahlungsvorgänge<br />
- Ursachenanalyse bei auftretenden Soll-Ist-Abweichungen<br />
- Lagerhaltungskontrolle und Sicherstellung der Lagerdokumentation<br />
- Warenausgangskontrolle und ggf. Sicherstellung von Rückstellproben<br />
Oft werden diese Aufgaben in der Praxis zu leichtfertig und unvollständig wahrgenommen.<br />
Neuerdings gewinnen vor allem Rückstellproben zunehmende Bedeutung im Rahmen<br />
der sogenannten Rückverfolgbarkeit. Landwirte produzieren u.a. Lebensmittel und müssen<br />
im Zweifelsfall nachweisen können, dass eventuelle Rückstände oder Unreinheiten<br />
nicht in ihren Verantwortungsbereich fallen.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 71
Zusammenfassung:<br />
Die Aufgaben des Beschaffungsmanagements sind sehr vielfältig. Neben der Bedarfsund<br />
Marktanalyse sind Lieferantenauswahl, Gestaltung des Kaufvertrages, Beschaffungsabwicklung<br />
und Lagerhaltung, sowie die Beschaffungskontrolle die zentralen Funktionen.<br />
Abb. 19: Aufgaben des Beschaffungsmanagements (Koppelmann, Uni Köln)<br />
Rein unter dem Gesichtspunkt der Lagerhaltungskosten erscheint es zunächst sinnvoll,<br />
die Beschaffung von Verbrauchsgütern immer erst zum Zeitpunkt des Produktionsbedarfes<br />
zu tätigen, insbesondere wenn diese Kosten progressiv ansteigen.<br />
Entgegengesetzt wirken unabhängig von der Beschaffungsmenge auftretenden Bestellausführungskosten<br />
bzw. mit steigender Bestellmenge einhergehende Kostendegressionen.<br />
Beide führen letztendlich zu sinkenden Stückkosten.<br />
Gegen einen „Einkauf von der Hand in den Mund“ sprechen die Möglichkeiten zur Ausnutzung<br />
von Preisvorteilen bzw. Umgehen von Preissteigerungen. Ebenso sprechen für<br />
eine Lagerung strategische Aspekte zur Vermeidung von Produktionsunterbrechungen.<br />
Zumindest sollte eine strategische Reserve in Erwägung gezogen werden, die gewissermaßen<br />
als eine „naturale Liquiditätsreserve“ fungiert.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 72
3.2. Beschaffung von Gebrauchsgütern<br />
Im Gegensatz zu Verbrauchsgütern, die im Produktionsprozess umgeformt werden, bleiben<br />
Gebrauchsgüter in ihrer ursprünglichen Form erhalten. Sie werden deshalb auch in<br />
der Bilanz im Sachanlagevermögen aktiviert und müssen, sofern sie einem Verschließ,<br />
einer technischen Überalterung (Soft- und Hardware) oder einem Werteverzehr unterlieben,<br />
bilanziell korrigiert werden. Dies erfolgt in der Regel durch die sogenannte Abschreibung.<br />
3.2.1 Grundsätzliche Überlegungen zur Beschaffung von Nutzfläche<br />
Die Fläche erfüllt in der Landwirtschaft eine Doppelfunktion. Zum einen ist sie wie in der<br />
gewerblichen Wirtschaft Standort von Produktionsanlagen bzw. Wirtschaftsgebäuden,<br />
zum anderen besitzt der Boden auch eine eigene Produktionskraft. Als Möglichkeiten der<br />
Beschaffung von Boden kommen Zupacht, Kauf oder spezielle Kooperationsformen in<br />
Betracht. Vor allem bei Pacht und Kauf spielen die Preise eine entsprechende Rolle. Wir<br />
wollen im Folgenden die Bestimmungsfaktoren für die Preisbildung auf dem Bodenmarkt<br />
diskutieren.<br />
Die Höhe der Pachtpreise, zu denen landwirtschaftliche Unternehmer Flächen nachfragen,<br />
orientiert sich vor allem an dem mit der Bewirtschaftung dieser Pachtflächen nachhaltig<br />
erzielbaren zusätzlichen Einkommen. Wesentliche einkommens- und damit pachtpreisbestimmende<br />
Einflüsse sind:<br />
1. Grundstücksindividuelle Faktoren: Z. B die Nutzungsart als Acker- oder<br />
Grünland; die natürliche Ertragskraft der Böden; Lieferrechte.<br />
2. Betriebsindividuelle Faktoren: Managementfähigkeit des Betriebsleiters;<br />
Liquidität des Unternehmens; technischer Stand und Auslastung der Gebäude<br />
und Maschinen.<br />
3. Lokale und regionale Faktoren: Z. B. klimatische Verhältnisse<br />
wie Trockenheitsrisiken; Anteil deckungsbeitragsstarker Früchte auf dem A-<br />
ckerland.<br />
4. Überregionale landwirtschaftliche Faktoren: Z. B. EU-Agrarmarktpolitik;<br />
strukturpolitischen Maßnahmen wie z. B. die Investitionsförderung und die Höhe<br />
sowie Ausgestaltung der (Preis-)Ausgleichszahlungen.<br />
5. Gesamtwirtschaftliche Faktoren: Z. B. die Lage auf den Arbeitsmärkten<br />
und die sich hieraus ergebenden Chancen und Risiken eines Arbeitsplatzwechsels<br />
für die in der Landwirtschaft Erwerbstätigen.<br />
Die Höhe der Kaufpreise für landwirtschaftlich genutzte Flächen (LF) wird außer durch<br />
die mit ihrem Erwerb verbundenen betrieblichen Einkommenserwartungen auch noch<br />
durch weitere Faktoren beeinflusst. Diese Faktoren bewirken, dass das Kaufpreisniveau,<br />
wenn auch mit deutlichen regionalen Unterschieden, durchaus über dem kapitalisierten<br />
Pachtpreisniveau liegt. Die Unterschiede zwischen kapitalisierten Pachtwert und den<br />
Grundstückspreisen haben verschiedene Ursachen. Gründe, die die Nachfrage nach<br />
landwirtschaftlichen Grundstücken auch bei hohen Kaufpreisen fördern, sind beispielsweise:<br />
- Planungssicherheit<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 73
- Erhoffte Wertsteigerungen (Spekulation) auf Umwidmung der Nutzung (z. B. Bau<br />
land oder Gewerbefläche)<br />
- Freie Verfügungsgewalt über Eigentumsflächen<br />
- Wertsicherungseigenschaft in inflationären Zeiten bzw. Geldkrisenzeiten<br />
- Beleihungsgrundlage für Kredite<br />
- Steuerliche Begünstigungen bzw. vermiedene Steuersprünge<br />
Tendenziell nachfragedämpfende und somit kaufpreissenkende Einflüsse können dagegen<br />
von folgenden Größen ausgehen:<br />
- Erwartete höhere Rendite in anderen Kapitalanlageformen.<br />
- Reglementierungen durch das Grundstücksverkehrsgesetz.<br />
- Ungewissheit über die künftige Rendite (unsichere politische Rahmenbedingungen)<br />
Die Frage, ob Zupacht oder Kauf für ein landwirtschaftliches Unternehmen betriebswirtschaftlich<br />
sinnvoll ist oder nicht, kann nur - abgesehen von relativ kleinen Flächenveränderungen<br />
- mit Hilfe gesamtbetrieblicher Planungsmethoden beurteilt werden. Denn zu<br />
den variablen Spezialkosten für die beabsichtigten Produktionsverfahren und den Pachtbzw.<br />
Landkaufkosten kommen i. d. R. auch noch Nutzungskosten für Arbeit und Kapital<br />
oder sprungfixe Kosten für eine dann erforderliche Kapazitätserweiterungen (zusätzliche<br />
Maschinen oder Arbeitskräfte). Darüber hinaus kann die Zupacht bzw. der Zukauf von<br />
Flächen auch Möglichkeiten bieten, die Tierhaltung ggf. weiter aufzustocken, ohne gewerblich<br />
zu werden oder um eine geordnete Gülleausbringung zu gewährleisten. Auch<br />
hier sind gesamtbetriebliche Planungen vor und nach Steuern erforderlich, wobei kurzund<br />
mittel- bzw. langfristige Betrachtungsweisen zu unterscheiden sind. Kurz- bis mittelfristig<br />
können insbesondere bei auslaufenden Betrieben oder aus strategischen Gründen<br />
deutlich über der Grundrente liegende Pachtpreise wirtschaftlich sinnvoll sein.<br />
3.2.1.1 Mögliche Zupachtmodelle<br />
Unter Pacht versteht man die Überlassung einer Sache oder eines Rechtes auf Zeit gegen<br />
Entgelt zum Gebrauch oder zum „Fruchtgenuss“. Fruchtgenuss steht dem Pächter<br />
nur insoweit zu, als kein Raubbau an den Grundstücken getrieben wird. Eine Unterlassung<br />
der regelmäßigen Aufdüngung der entzogenen Nährstoffe ist ein derartiger Raubbau.<br />
Pachtverträge können bei uns mündlich und schriftlich geschlossen werden. Ihre Kündigungsfrist<br />
beträgt nach BGB 1/2 Jahr zum Ende des Pachtjahres. Darüber hinaus bestehen<br />
Möglichkeiten, sog. langfristige Pachtverträge abzuschließen. Durch Kauf bzw. Verkauf<br />
einer Fläche werden Pachtverträge nicht unterbrochen bzw. ungültig. Der Käufer tritt<br />
lediglich in das bestehende Pachtverhältnis ein.<br />
Die Pachtgesetze sind weltweit so unterschiedlich wie die Produktionsbedingungen und<br />
die Traditionen. Das zeigt sich, wenn man einmal jenseits der deutschen Grenze schaut<br />
und die Systeme anderer Länder nebeneinanderstellt. Während in der deutschen bzw.<br />
europäischen Landwirtschaft die Erbringung des Pachtzinses in Form von Geld – der sog.<br />
Geldpacht – üblich ist, sind im Ausland auch andere Entlohnungsvarianten anzutreffen,<br />
die vielleicht einmal auch in Deutschland auf Interesse stoßen könnten. Zu nennen sind:<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 74
Naturalpacht (Sharecropping):<br />
Bei dieser Form ist der Pachtzins mengenmäßig über Ernteprodukte definiert (z. B. 10 dt<br />
Weizen je ha). Dabei können die Naturalien allerdings vom Pächter an den Landhandel<br />
bzw. Abnehmer geliefert werden, wobei der zustehende Erlös dann an den Verpächter<br />
geht.<br />
Eine besondere Form der Naturalpacht ist die Teilpacht, bei der ein gewisser Teil der<br />
Ernte (z. B. 25 %) als Pachtzins vereinbart wird. Naturalpacht ist in Deutschland relativ<br />
unbedeutend, obwohl die Form der Entlohnung eigentlich im Sinne des Produzenten ist.<br />
Denn das Risiko von Preisschwankungen - und im Falle der Teilpacht - von Ertragsschwankungen<br />
wird bei dieser Pachtform voll auf den Verpächter übertragen.<br />
In Polen wurde besonders in der Vergangenheit bei Verträgen mit der staatlichen Bodenagentur<br />
die Pacht in dt Weizen/Roggen (je nach Region) festgelegt. Die Pachten schwankten<br />
in Abhängigkeit der Preisentwicklung. In Nordpolen lagen die Pachten auf leichten<br />
Böden in der Vergangenheit bei 2 bis 4 dt/ha Roggen und auf den guten Böden bei 10 bis<br />
12 dt/ha. Inzwischen sind die Preise weiter angestiegen.<br />
Auch in Südamerika (Brasilien und Argentinien) sind Naturalpachtmodelle sehr häufig anzutreffen.<br />
Speziell in den Zuckeranbauregionen Brasiliens sind immer häufiger Teilpachtmodelle<br />
gängig, bei denen der Landbesitzer mit 15 – 20 % an der geernteten Ware beteiligt<br />
ist und damit auch das Produkionsrisiko mitträgt.<br />
Naturalwertpacht:<br />
Bei dieser Form wird der Pachtzins grundsätzlich in Geld entrichtet, wobei der Geldbetrag<br />
am Börsenpreis landwirtschaftlicher Produkte zum Zahltag gemessen wird. Naturalwertpacht<br />
war in der Vergangenheit in Deutschland unzulässig und ist erst mit der Wiedereinführung<br />
der Wartenterminbörse in möglich geworden, allerdings in der Praxis nicht anzutreffen.<br />
Wahlschuldverhältnisse:<br />
Dies stellt eine Verbindung von reiner Naturalpacht und einer Geldpacht dar. Entweder<br />
bezahlt der Pächter einen Geldbetrag (z.B. 400 €/ha) oder eine Naturalmenge (z.B. 15<br />
dt/Weizen). Auf freien Agrarmärkten kann sich dann der Produzent immer die für ihn<br />
günstigste Variante aussuchen.<br />
Im Zusammenhang mit der Pacht ist auch der Pflugtausch zu nennen: Der Ausdruck bezeichnet<br />
im Grundstücksrecht den zeitweiligen Flächentausch eines landwirtschaftlichen<br />
Grundstücks durch den Pächter mit einem Dritten. Pflugtausch ist in den neuen Bundesländern<br />
weit verbreitet, wobei dann wechselseitig vereinbart, dass die Vertragspartner den<br />
Boden des jeweils anderen bearbeiten.<br />
Ein Pflugtausch kann aus verschiedenen Gründen geboten sein, z.B. um eine geeignete<br />
Fruchtfolge zu gewährleisten oder um die Betriebsfläche zu arrondieren. Der Pflugtausch<br />
richtet sich nach § 589 BGB, d.h. er bedarf der Erlaubnis des Grundstückseigentümers.<br />
3.2.1.2 Beurteilung von Landkauf<br />
Während Pachtverträge ggf. sogar mündlich geschlossen werden können, ist der Kauf<br />
von Grundstücken in Deutschland an strenge Formvorschriften gebunden, die auch Kosten<br />
verursachen.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 75
Zur rein betriebswirtschaftlichen Beurteilung des Zukaufes von Land gelten zunächst die<br />
gleichen Überlegungen wie bei der Zupacht. Der Kauf ist nur dann rentabel, wenn<br />
dadruch ein „Grenzgewinn“ (zusätzlicher Gewinn) realisiert werden kann. Zur ökonomischen<br />
Beurteilung sind bei größeren Änderungen – ähnlich wie bei der Zupacht - gesamtbetriebliche<br />
Planungen (vgl. LP) erforderlich, die ggf. auch steuerliche Aspekte berücksichtigen.<br />
Betriebswirtschaftlich lässt sich der maximale Zukaufspreis für Land aus der Pacht ableiten,<br />
wenn beide Alternativen zur Disposition stehen. Dazu werden die Pachtzahlungen<br />
kapitalisiert. Da man zunächst unendliche Nutzungsdauer unterstellt, lässt sich die Kapitalisierungsformel<br />
erheblich:<br />
KF (für N gegen unendlich): 1/q-1 wobei q = (1 + p/100) ist<br />
Zahlt man beispielsweise eine Pacht von 400 €/ha und rechnet mit einer alternativen langfristigen<br />
Geldanlagemöglichkeit für vorhandene Eigenmittel von 4% p.a. (i= 0,04; Opportunitätszins),<br />
dann ist der Kapitalisierungsfaktor 25. Der maximale Anschaffungsbetrag für<br />
diese Fläche wäre dann<br />
25 * 400 €/ha = 10.000 €/ha<br />
Steht Zupacht nicht als Alternative an, dann lässt sich der maximale Anschaffungspreis für<br />
Land aus den kapitalisierten jährlichen Grenzgewinnen (s.o.) bestimmen. Hierbei spielen<br />
dann ggf. auch steuerliche Aspekte (Steuersprünge) eine Rolle.<br />
Schließlich können aber auch strategische Überlegungen (Versorgungssicherheit mit betriebseigenen<br />
Futtermitteln oder Ausbringungssicherheit für Gülle u.ä.) ein Beweggrund<br />
für Landkauf sein. Die Entscheidung orientiert sich dann meistens nicht an den o.a. Berechnungsverfahren.<br />
3.2.1.3 Crop Sharing<br />
Unter “Crop Sharing” (nicht zu verwechseln mit Sharecropping) versteht man eine Art Zusammenschluss<br />
von Pächter und Verpächter, bei dem der Gewinn aus der gemeinsamen<br />
Produktion entsprechend den Beiträgen beider Vertragsparteien aufgeteilt wird. Die die<br />
praktische Umsetzung sowie die Vor- und Nachteile sind dem folgenden englischsprachigen<br />
Originaltext im Detail zu entnehmen, der die Situation im US-Bundesstaat Missouri<br />
schildert.<br />
“The trend in production agriculture is toward larger farms. Producers accomplish this objective by purchasing<br />
or renting land. The three types of leasing agreements common in Missouri are cash, flexible cash, and<br />
crop share.<br />
A crop share leasing agreement refers to an agreement between a landowner and tenant for the sharing of<br />
the crop as earnings for their contribution in land, labour, and capital. Crop-sharing normally involves grain<br />
crops such as small grains, corn, milo and soybeans. However, crop-sharing also occurs in the production of<br />
cotton, hay, and rice.<br />
The landowner's share of the crop depends on the contribution made towards production of the crop. Landowner's,<br />
at a minimum, contribute land. Similarly, the tenants share of the crop depends on the contribution<br />
made. The tenant will provide, at a minimum, machinery and labour. However, each crop share leasing arrangement<br />
is unique, reflecting the contribution made by each party and the negotiating strength of each<br />
party.<br />
One aspect of negotiating between tenants and landowners is how inputs are split. Traditionally, the tenant<br />
supplies all the labour and the machinery, including paying for all fuel and machinery maintenance. The<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 76
landlord provides the land, pays property taxes, and pays major land maintenance improvement expenses.<br />
The traditional crop-share lease is meant to reflect how income, expenses, and risk are shared between the<br />
tenant farmer and the landlord. The sharing levels are determined by each party's contributions to the business.<br />
As agricultural technology and production practices change over time, shared leases should be reviewed by<br />
both parties to see that income continues to be distributed according to contributions. Most share leases are<br />
based upon customary methods of sharing production and expenses in a community. More than 75% of<br />
share leases in Ohio are 50-50. As a general rule, tenants receive a greater share of the value of crop production<br />
on poorer-quality soils and a lesser share on better soils.”<br />
Abb. 20: Beispiel für ein Rechenschema zur Aufteilung der Kosten im Crop Sharing<br />
Abb. 21: Crop Sharing - Vertragliche Aufteilung von Ein- und Ausgaben<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 77
Als Vor- und Nachteile werden von dem Autor folgende grundstäzliche Punkte gesehen:<br />
Advantages of Shared Leasing:<br />
• The landlord and tenant share risk in both good and bad years alike.<br />
• Both parties can share benefits of improved technology.<br />
• The landlord will benefit from increased yields, prices, or government program payments.<br />
• Joint management may result in more profitable decisions.<br />
• Shared leasing is an efficient financing alternative for farmers as it reduces cash outlay per ha and<br />
spreads fixed machinery cost over more land.<br />
Disadvantages of Shared Leasing:<br />
• Share agreements are more complex, so landowners with limited agricultural knowledge or time may<br />
prefer cash renting.<br />
• Landlord incomes vary and may suffer from lower yields or prices.<br />
• Increased record keeping is required, especially for farmers with multiple landlords.<br />
• The landlord must make marketing decisions on his/her own share of a crop.<br />
• More communication is required by both parties and sharing management with many landlords can<br />
become cumbersome for farming tenants.<br />
• More detail maybe required in the lease agreement.<br />
• Many farmers prefer the management independence that a cash lease offers.<br />
Quellen: http://www.coopext.colostate.edu/ABM/abmcroplease.pdf<br />
Offen ist in Deutschland die rechtliche und vor allem steuerliche Behandlung eines derartigen Modells. Im<br />
einfachsten Falle könnte diese Form als Bewirtschaftungsvertrag angesehen werden, dann stellt die Vereinbarung<br />
einen Dienst- oder Werkvertrag dar. Es ist auf jeden Fall zu prüfen, ob das landwirtschaftliche Unternehmen<br />
dadurch nicht gewerblich wird, weil bestimmte Umsatzgrenzen für Lohnarbeit überschritten werden<br />
oder Betriebsmittel für das „Crop Sharing“ eingekauft werden. Letzteres könnte vom Finanzamt als das<br />
Liefern von bzw. das Handeln mit Betriebsmitteln angesehen werden. Eine derartige Betätigung ist in jedem<br />
Falle gewerblich. Die „Sprung“ in die Gewerblichkeit ist in der Regel mit entsprechenden Nachteilen im<br />
steuerlichen Bereich (u.a. Umsatz- und Gewerbesteuer) sowie in anderen Bereichen (Sozialversicherungsträger,<br />
Investitionsförderung etc.) verbunden.<br />
3.2.2 Beschaffung von Maschinen<br />
Bei der Beschaffung von Maschinen bieten sich grundsätzlich zwei Wege an. Bei der Eigenmechanisierung<br />
wird die Maschine gekauft oder geleast bzw. gemietet. Bei der<br />
Fremdmechanisierung werden die benötigten Maschinenkapazitäten über Dritte in Form<br />
von Lohnunternehmern, Maschinenringen und überbetrieblichen Kooperationsmodellen<br />
bereitgestellt.<br />
BRANDES (1993) betrachtet die verschiedenen Formen überbetrieblicher Kooperationen<br />
in der Landwirtschaft als Versuche, die negativen Konsequenzen von nichtteilbaren Produktionsfaktoren<br />
(z.B. Maschinen) so klein wie möglich zu halten. Die Nachfrage soll dadurch<br />
in der Lage versetzt werden, auch von den „Economics of scale“ profitieren zu können.<br />
3.2.2.1 Eigenmechanisierung<br />
Bei der Eigenmechanisierung ergeben sich Kosten, die auf dien in Abb. 22 aufgeführten<br />
Position zurückzuführen sind. Von diesen Positionen sind Zinsen bzw. Zinsansätze, die<br />
Versicherung und die Unterbringung (Bestandteil der Unterhaltskosten) immer fixe Kosten.<br />
Proportional variable Kosten sind die Betriebstoffe und heute meist auch die War-<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 78
tungskosten. Reparaturkosten zählen zu den nicht proportional variablen Kosten. Schließlich<br />
gelten die Abschreibungen als bedingt variable Kosten, da sie unterhalb einer bestimmten<br />
Auslastung als fixe und oberhalb dieser Abschreibungsschwelle als variable<br />
Kosten auftreten.<br />
Auch die Nutzung von Kreditsubstituten wie Leasing und Maschinenmiete vom Hersteller<br />
bzw. Landhändler führt zur Eigenmechanisierung, da der Betrieb immerhin bezüglich der<br />
betrieblichen Nutzung seine Dispositionsfreiheit hat. Sie stellen lediglich eine andere Finanzierungsform<br />
dar (Kreditsubstitute). Die Kostenermittlung dieser Varianten orientiert<br />
sich im Wesentlichen an den Leasing- bzw. Mietsätzen und den variablen Kosten.<br />
Abb. 22: Positionen zur Berechnung der Maschinenkosten<br />
Subjektive Aspekte, die für die Eigenmechanisierung sprechen, sind:<br />
a) Es besteht freie Verfügungsgewalt über der Einsatz von Technik und Personal<br />
(„Hauptideologiefaktor da Pflanzenproduktion stark witterungsabhängig ist).<br />
b) Die nicht erforderliche Abstimmung mit dem Dienstleister führt zur Einsparung<br />
von Koordinations- und Kontrollkosten.<br />
c) Die Arbeit kann so organisiert werden, dass alle Aufgaben termingerecht und<br />
in der gewünschten Qualität erledigt werden können. Einige Landwirte fuhren<br />
gerade diese Argumente besonders oft ins Feld und behaupten, dass bei überbetrieblicher<br />
Arbeitserledigung das Risiko verspäteter oder schlechter Arbeitserledigung<br />
hoch sei. Gegenargumente sind, dass Lohnunternehmen z.B. meist<br />
die neueste Technik einsetzen und sie es sich gar nicht leisten können,<br />
schlecht zu arbeiten. Auch steht die Gefahr des Ausfalls der eigenen Maschine<br />
im Raum.<br />
d) Es können steuerliche Vorteile durch Sonderabschreibungen (Zinsgewinn<br />
durch Steueraufschub) oder durch die Inanspruchnahme von bestimmten Fördermitteln<br />
(Investitionszuschüsse) auftreten. Dadurch werden die Anschaffungskosten<br />
gesenkt.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 79
e) Bei überbetrieblichem Einsatz der eigenen Technik können die Kosten gesenkt<br />
werden und Gewinnspannen, mit denen normalerweise der Lohnunternehmer<br />
kalkuliert, selbst eingestrichen werden (Erhöhung der Ertragsseite). Allerdings<br />
sind hier steuerliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen.<br />
3.2.2.2 Überbetriebliche Maschinenverwendung (ÜMV)<br />
Die überbetriebliche Maschinenverwendung ist in ihre Ausprägung eine Funktion von verschiedenen<br />
Faktoren. Dazu zählen die Verbesserung der Schlagkraft (Arbeitserledigung<br />
zum optimalen Zeitpunkt), die Überwindung von Arbeitsspitzen und die Berücksichtigung<br />
von Maschinenkosten, die gerade bei kleineren Betrieben oder Spezialmaschinen einen<br />
starken Einfluss auf die gesamte Kostenstruktur der Betriebe bzw. Betriebszweige haben<br />
können. Wichtige Anbieter überbetrieblicher Maschinenverwendung (ÜMV) sind:<br />
1. Die Nachbarschaftshilfe (NBH):<br />
Formloses Ausleihen landwirtschaftlicher Maschinen an Nachbarn auf dem Wege der gegenseitigen<br />
Hilfestellung, in der Regel ohne monetäre Entlohnung (KADNER 1996).<br />
2. Die Maschinengemeinschaft (MG):<br />
Zusammenschluss von Landwirten zum gemeinsamen Kauf und Einsatz einer oder mehrerer<br />
Maschinen => Gemeinschaftseigentum und Rechtsanspruch jedes Mitglied auf anteilige<br />
Benutzung der Maschinen (KADNER 1996). Mögliche Ausprägungsformen sind<br />
Maschinen-Kleingemeinschaften, mit 2 bis 5 Mitgliedern, und Maschinen-<br />
Großgemeinschaften, bis zu über 50 Mitgliedern, die allerdings dann die Rechtsform einer<br />
Genossenschaft annehmen (KADNER 1996).<br />
3. Der Maschinenring (MR):<br />
Zusammenschluss von Landwirten, die ihre freien Maschinen und Arbeitskapazitäten gegen<br />
Entgelt austauschen (KADNER 1996). Es handelt sich um eine intensivierte und organisierte<br />
Form der NBH auf kommerzieller Basis, wobei der MR als Organisation keine<br />
eigenen Maschinen besitzt.<br />
4. Das Lohnunternehmen (LU):<br />
Privates Unternehmen, das mehr als 50% seines Umsatzes durch im Haupt- und Nebenerwerb<br />
gegen Entgelt durchgeführte landwirtschaftliche Dienstleistungen erzielt (KADNER<br />
1996).<br />
Viele Autoren weisen darauf hin, dass eine überbetriebliche Kooperation mit dem Ziel einer<br />
höheren Auslastung von Maschinen nur dann zu empfehlen ist, wenn die Opportunitätskosten<br />
der Arbeit hoch genug sind (BRANDES 1993; ISERMEYER 1981). Demnach<br />
sollte die menschliche Arbeitskraft nur dann durch (überbetriebliche) Mechanisierung ersetzt<br />
werden, wenn sie teurer wird als die Maschine (im überbetrieblichen Einsatz).<br />
Bei Maschinengemeinschaften kann zwischen einer Bruchteilsgemeinschaft und einer als<br />
Gewerbebetrieb organisierten Gemeinschaft unterschieden werden. In dieser Kooperationsform<br />
sind einige steuerliche Regeln wichtig. Die Vollkooperation ist die umfassendste<br />
Form der Zusammenarbeit. In ihr fusionieren die Betriebe der einzelnen Landwirte. Hier<br />
kommt es häufig zu komplexen Fragen bei der steuerlichen Abwicklung.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 80
Die extreme Form des Lohnunternehmereinsatzes, nämlich die Inanspruchnahme für die<br />
komplette Bewirtschaftung eines Betriebes über den Abschluss eines Bewirtschaftungsvertrages<br />
ist recht unkompliziert und birgt steuerlich wenig Risiken. Wichtig ist, dass das<br />
Ziel eines Bewirtschaftungsvertrages, nämlich das Erhalten der selbstständigen Bewirtschaftung,<br />
erreicht wird. Nur dann wird der Bewirtschaftungsvertrag vom Fiskus nicht als<br />
Verpachtung oder Betriebsgemeinschaft angesehen. Die Chancen und Risiken müssen<br />
beim Auftraggeber bleiben.<br />
Was spricht ggf. für einen Dienstleister?<br />
- hohe Schlagkraft mit modernster Technik ohne Übernahme des Investitionsrisikos<br />
- im Krisenfall verlustärmere Rückzugsmöglichkeiten aus der Produktion<br />
- keine Festlegung auf bestimmte Technik, eine probeweise Einführung neuer Techniken<br />
und Verfahren ist möglich<br />
- mit der Dienstleistung wird für die Dauer der Arbeitserledigung geschultes Personal bereitgestellt<br />
und braucht nur für diese Zeit entlohnt werden (gewisser Stamm, der das ganze<br />
Jahr beschäftigt wird, in Spitzen dann Zukauf Arbeit)<br />
- die Dienstleistung wird bei Garantieansprüchen zu Marktpreisen angeboten<br />
- Arbeit und Kapital des Betriebes können möglicherweise anderweitig gewinnbringend<br />
verwendet werden (Nutzungskosten)<br />
- eigene Technik und Arbeitskräfte können in Arbeitsketten eingegliedert werden<br />
- kostenlose Beratung zum Technik- und gegebenenfalls zum Mitteleinsatz (zum Beispiel<br />
Pflanzenschutz)<br />
Zusammenfassung:<br />
Die Frage nach dem Beschaffungsmodus für Maschinen kann nur in einer Einzelfallstudie<br />
geklärt werden. Landwirte und Agrarmanager sind allerdings sehr oft „technikverliebt“ und<br />
verlieren dadurch den klaren Blick für die Realitäten.<br />
Da mit der Eigenmechanisierung ggf. auch Arbeits- bzw. Opportunitätskosten der eingesetzten<br />
Arbeit verbunden sein können, ist in vielen Fällen eine gesamtbetriebliche Planung<br />
– zum Beispiel mit Hilfe entsprechend formulierter gemischt-ganzzahliger LP-<br />
Modelle - erforderlich.<br />
3.3 Beschaffung von Rechten<br />
Zur Beschaffung von Rechten zählt neben der Beschaffung von Verkaufs-, Bezugs-, sowie<br />
Gebrauchs- und Produktionsrechten die Rechtsformwahl der Unternehmung.<br />
3.3.1 Rechtsformen für landwirtschaftliche Unternehmen<br />
Zu den wohl wichtigsten Entscheidungen im Rahmen der <strong>Unternehmensführung</strong> zählt die<br />
Wahl der Rechts- oder Unternehmensform. Dies gilt nicht nur in der Gründungsphase,<br />
sondern es ist auch bei bereits wirtschaftenden Unternehmen von Zeit zu Zeit immer wieder<br />
zu prüfen, ob die derzeitige Rechtsform noch optimal ist.<br />
Wir wollen uns zunächst noch einmal einen Überblick über die möglichen Rechtsformen<br />
verschaffen, die auch in der Landwirtschaft Anwendung finden können. Neben den natürlichen<br />
Personen mit den Einzelunternehmen und den Personengesellschaften GbR, oHG<br />
und KG stehen auch juristische Personen und Mischformen zur Auswahl an. Nicht aufge-<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 81
führt sind in dieser Darstellung die neuen Formen der „UG“ (Unternehmergesellschaft)<br />
und der Limited.<br />
In den letzten Jahren durch Entscheidungen der Europäischen Union in Punkto Rechtsformen<br />
einiges getan. So besteht jetzt auch bei uns die Möglichkeit, die Rechtsform Limited<br />
für eine Firmengründung bzw. Umfirmierung zu verwenden. Vor der eigentlichen Entscheidung<br />
sollte sich aber jeder angehende Unternehmer genau über die Chancen und<br />
Risiken informieren. Schließlich existiert nicht nur eine Rechtsform Limited, das englische<br />
Recht kennt zwei Rechtsformen.<br />
Abb. 23: Mögliche Unterteilung der Rechtsformen<br />
In den letzten Jahren hat sich durch Entscheidungen der Europäischen Union einiges getan.<br />
So besteht jetzt auch hierzulande eine Möglichkeit, die Rechtsform Limited für eine<br />
Firmengründung zu verwenden. Vor der eigentlichen Entscheidung sollte sich aber jeder<br />
angehende Unternehmer genau über die Chancen und Risiken informieren. Schließlich<br />
existiert nicht nur eine Rechtsform Limited, das englische Recht kennt zwei Rechtsformen.<br />
3.3.1.1 Kriterien zur Beurteilung einzelner Formen<br />
Bei der hier dargestellten Vielzahl von Unternehmensformen fragt man sich nun, welche<br />
ist die beste. Mit der Rechtsformwahl sind die verschiedensten Aspekte verbunden und<br />
daher kann die entgültige Entscheidung auch „nur einen Kompromiss“ darstellen, den<br />
man über eine Liste von Kriterien, gewichtet nach ihrer Bedeutung, findet. Wie stark jedes<br />
Kriterium bei der Entscheidung mitspielt, kann nur am Einzelfall dargestellt werden. Allgemein<br />
darf man sicher für Agrarunternehmen vorab feststellen, dass steuerliche sozialabgabenrelevante<br />
Gesichtspunkte sowie Aspekte der staatlichen Investitionsförderung<br />
i.d.R. von wesentlicher Bedeutung sein werden.<br />
Mit der in Abb. 24 aufgezeigten „Siebtechnik“ ist prinzipiell aufgezeigt, wie einer Auswahl<br />
vorgenommen werden kann. Diejenige Rechtsform, die die einzelnen Kriterien am besten<br />
erfüllt, wird gewählt.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 82
Die nachfolgende Übersicht 25 zeigt im Bereich der Steuern und Sozialabgaben auf, welche<br />
Auswirkungen auf den Gewinn nach Steuern durch die Wahl der Rechtsform herbeigeführt<br />
werden können.<br />
Übersicht 24: Kriterien zur Auswahl einer Rechtsform für Unternehmungen<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 83
Ein landwirtschaftliches Unternehmen kann u.a. „qua Rechtsform“ gewerblich werden.<br />
Dies heißt, dass neben der Gewerbesteuerpflicht auch die Möglichkeit verloren geht, sich<br />
und seine Mitarbeiter in den landwirtschaftlichen Sozialkassen zu versichern, die durch<br />
Bundeszuschüsse subventioniert und ggf. beitragsgünstiger sind als die Landes- bzw.<br />
Bundesversicherungsanstalten. Auch geht die Möglichkeit der Pauschalierung der Umsatzsteuer<br />
ggf. verloren. Schließlich muss bedacht werden, dass mit dem Gewerbestatus<br />
auch sämtliche landwirtschaftlichen Investitionsförderprogramme unzugänglich werden.<br />
Übersicht 25: Auswirkungen der Rechtsformwahl auf Steuern und Abgaben<br />
Aus der Übersicht geht klar hervor, dass es auf jeden Fall ratsam ist, vor der Wahl der<br />
Rechtsform bzw. einer „Umfirmierung“ einen auf diesem Spezialgebiet sachkundigen<br />
Steuer- bzw. Unternehmensberater zu Rate zu ziehen.<br />
3.3.1.2 Besonderheiten der GmbH & Co. KG<br />
Eine Besonderheit unter den aufgeführten Rechtsformen stellt im Bezug auf landwirtschaftliche<br />
Unternehmen die GmbH & Co. KG dar.<br />
Grundsätzlich erzielt die GmbH & Co. KG unabhängig vom Unternehmensgegenstand<br />
und ihrer konkreten Geschäftstätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§15 Abs. 3 Nr. 2<br />
EStG), so dass sie kraft Rechtsform stets der Gewerbesteuer unterliegt. Ihre Gesellschafter<br />
erzielen aus ihrer Beteiligung grundsätzlich gewerbliche Einkünfte. Als Gewerbebetrieb<br />
kann sie grundsätzlich keine Umsatzsteuerpauschalierung in Anspruch nehmen.<br />
Die vorstehend beschriebene negative Folge der Gewerblichkeit kann bei Unternehmen,<br />
die Landwirtschaft betreiben, vermieden werden. Die grundsätzliche Gewerblichkeit der<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 84
GmbH & Co. KG resultiert aus der Regelung in § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Dort wird bestimmt,<br />
dass die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft<br />
als Gewerbebetrieb gilt, wenn sie keine Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 S. 1 Nr.<br />
2 ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich<br />
haftende Gesellschafter sind [also GmbH & Co. KG] und nur diese oder Personen, die<br />
nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind (gewerblich geprägte Personengesellschaft).<br />
Landwirtschaft ist jedoch eine Tätigkeit, die dort nicht aufgeführt wird. Die gewerbliche<br />
Prägung kann demnach vermieden werden, wenn es möglich ist, einen beschränkt haftenden<br />
Gesellschafter (Kommanditisten) zum Geschäftsführer der KG zu bestellen. Nach<br />
§ 170 HGB ist der Kommanditist von der Vertretung der KG und gemäß § 164 HGB von<br />
der Geschäftsführung ausgeschlossen. Während die Rechtsprechung den Ausschluss<br />
von der Vertretungsbefugnis für zwingend erachtet, handelt es sich beim Ausschluss von<br />
der Geschäftsführung nach § 164 HGB um dispositives Recht. Gesellschaftsvertraglich<br />
kann demzufolge zumindest neben der Komplementär-GmbH auch einem oder mehreren<br />
Kommanditisten die Geschäftsführungsbefugnis im Sinne des § 164 HGB eingeräumt<br />
werden.<br />
Die Vorteile der GmbH & Co. KG liegen je nach Gestaltungsvariante unter anderem:<br />
• in der beschränkten Haftung,<br />
• in der Möglichkeit einer Fremdorganschaft (beim Erbfall vorteilhaft, wenn aus dem<br />
Kreis der Erben kein geeigneter Unternehmer zur Verfügung steht),<br />
• im kostengünstigen Austausch von Gesellschaftern (ohne Beurkundungskosten),<br />
• in der Lösung von Nachfolgeproblemen im Unternehmen,<br />
• in der flexiblen Gestaltung des Innenverhältnisses der Gesellschaft,<br />
• im Recht, Entnahmen auch ohne Gewinnerwirtschaftung vornehmen zu können,<br />
• in der Möglichkeit, steuerrechtlich Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu erzielen<br />
(bei richtiger Gestaltung der Befugnisse eines Kommanditisten),<br />
• in der Möglichkeit der Vermeidung der Steuerverstickung des der Gesellschaft zur<br />
Nutzung überlassenen Vermögens<br />
• in der Möglichkeit, eine steuerlich anerkannter Altersvorsorge aufzubauen (bei nicht<br />
identischer GmbH & Co. KG).<br />
Aktuelle statistische Erhebungen über die Anzahl landwirtschaftlicher Unternehmen in der<br />
Rechtsform der GmbH & Co. KG liegen z. Z. nicht vor. Ihre praktische Bedeutung wird sie<br />
jedoch in den neuen Bundesländern sicherlich höher ausfallen, als in den alten Bundesländern.<br />
3.3.2 Bezugs- und Absatzrechte in der Landwirtschaft<br />
Zu erwähnen sind hier im Bereich der Absatzrechte das Rüben- bzw. Milchkontingent und<br />
sog. Brennrechte. Im Rahmen weiterer GAT-Verhandlungen ist davon auszugehen, dass<br />
die Bedeutung dieser Rechte in Zukunft weiter sinken wird.<br />
Von ganz aktueller und wachsender Bedeutung im Rahmen von Bezugsrechten ist die<br />
Sicherung eines Wasserrechtes (Entnahmerecht) für Unternehmen, die in Bewässerungsanlagen<br />
investieren wollen. Da mit derartigen Investitionen erhebliche Kapitalbeträge<br />
langfristig gebunden werden, zählt die langfristige Sicherung dieses Rechtes – auch wenn<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 85
dafür signifikante Genehmigungsverfahren erforderlich sind – zu einer strategischen Notwendigkeit.<br />
3.4 Beschaffung von Kapital<br />
Zur Beschaffung im weiteren Sinne zählt auch die Bereitstellung von Kapital (der Begriff<br />
wird hier im Sinne von Kaufkraft bzw. Geld benutzt). Wir wollen im Folgenden die Möglichkeiten<br />
aus der Sicht der Kapitalherkunft weiter diskutieren.<br />
3.4.1 Finanzierungsmöglichkeiten aus der Sicht der Kapitalherkunft<br />
Zunächst sind hier die Wege der Außenfinanzierung zu nennen, die sich in Eigen- bzw.<br />
Fremdfinanzierung aufteilen lassen.<br />
Bei der Eigenfinanzierung bringen entweder die bisherigen Eigentümer in Form von Geldoder<br />
Sacheinlagen (linke Seite der Bilanz) „frisches Eigenkapital“ (rechte Seite der Bilanz)<br />
in das Unternehmen ein, oder es werden neue Gesellschafter gefunden, die am Unternehmen<br />
„beteiligt“ werden. Meist geschieht dies in Form von Geldeinlagen, denkbar wäre<br />
auch eine Sacheinlage. Alle Formen der Eigenfinanzierung führen bilanziell gesehen zu<br />
einer Bilanzverlängerung (Erhöhung des Bilanzvolumens), zu einer Erhöhung des Eigenkapital<br />
und c.p. auch zu einer Erhöhung der Eigenkapitalquote.<br />
Im Falle der Fremdfinanzierung werden durch Dritte Geld (Geldkredite) oder Sachgüter<br />
(Warenkredit) bereitgestellt. Alle Formen der Fremdfinanzierung führen bilanziell gesehen<br />
zu einer Bilanzverlängerung (Erhöhung des Bilanzvolumens), zu einer Erhöhung des<br />
Fremdkapitals und c.p. auch zu einer Erhöhung der Fremdkapitalquote (= Senkung der<br />
Eigenkapitalquote!). Sie werden in der Regel durch den aufzubringenden Kapitaldienst<br />
liquiditätswirksam und sind in die Finanzplanung einzubeziehen.<br />
Im Falle der Innenfinanzierung wird die Kaufkraft in Form von Geld vom Unternehmen bereitgestellt.<br />
Dies kann im Rahmen der Selbstfinanzierung durch einbehaltene (thesaurierte)<br />
Gewinne oder durch das Aufdecken von stillen Reserven geschehen. Letzteres führt<br />
allerdings zu außerordentlichen Erträgen und damit ggf. zu steuerlichen Problemen.<br />
Der zweite Weg führt über die Umschichtungsfinanzierung und kann durch Veräußerungen<br />
(Umsatzprozess oder Verkauf von Aktiva), sowie Nutzung der Abschreibungsbeträge<br />
bzw. der Rückstellungen geschehen.<br />
Für die Beurteilung einzelner Finanzierungsalternativen sind folgende Kriterien heranzuziehen:<br />
Liquidität, Rentabilität, Stabilität und Unabhängigkeit. „Knock-out-Kriterium“ ist die<br />
Liquidität, da im Falle von Zahlungsunfähigkeit die Existenz des Unternehmens gefährdet<br />
ist.<br />
Je nach betrieblicher Situation kann die Wahl der Finanzierungsform unterschiedlichste<br />
Auswirkungen haben. Bei der Fremdfinanzierung steht vor allem die Frage nach den<br />
Auswirkungen auf die Liquidität des Unternehmens im Vordergrund. Dies ist im Rahmen<br />
der Finanzplanung zu untersuchen. Weitere Kriterien sind Rentabilität, Stabilität und die<br />
Auswirkungen auf die Unabhängigkeit. Vor allem die Beteiligungsfinanzierung kann die<br />
Mehrheitsverhältnisse in Kapitalgesellschaften verschieben und somit die Unabhängigkeit<br />
gefährden.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 86
3.4.2 Finanzplanung<br />
Die Finanzplanung – nicht zu verwechseln mit dem Begriff „Finanzierungsplanung“ – dient<br />
der Steuerung der Liquidität des Unternehmens und gehört zu den wichtigsten Aufgaben<br />
der <strong>Unternehmensführung</strong>, weil Zahlungsunfähigkeit zur Insolvenz führt und damit die E-<br />
xistenz des Unternehmens gefährdet.<br />
Zur Erhaltung der Liquidität müssen die zur Verfügung stehenden Zahlungsmittel (liquide<br />
Reserven) und die Einzahlungen größer sein als die Auszahlungen. Damit ist die Zahlungsfähigkeit<br />
abhängig vom den Zahlungsströmen. Auch in landwirtschaftlichen Unternehmen<br />
sind die zu erwartenden Zahlungsströme sehr komplex, um sie mit einer einfachen<br />
Überschlagsrechnung zu erfassen. Benötigt wird ein Liquiditätsplan, der die prognostizierten<br />
Ein- und Auszahlungen eines bestimmten Zeitraumes (in der Praxis monatlich)<br />
gegenüberstellt. Dadurch wird sichtbar, wann und wie lange mit Kapitalbedarf bzw.<br />
Kapitalüberschuss zu rechnen ist.<br />
Basis für eine Liquiditätsplanung kann in der Praxis der monatliche „Geldbericht“ aus der<br />
Buchhaltung sein. Dieser ist allerdings so zu „bereinigen“, dass er die in dem Monat zahlungswirksamen<br />
Ein- und Auszahlungen beinhaltet. Ergänzt werden müssen dann weitere<br />
Aus- und Einzahlungen, die im Geldbericht nicht aufgeführt sind. Die folgenden Tabellen<br />
zeigen den Aufbau eines Liquiditätsplanes für ein landwirtschaftliches Unternehmen.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 87
Übersicht 26a : Liquiditätsplanung - Erfassung der Einzahlungen<br />
12/13<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 88
Übersicht 26 b: Erfassung der Auszahlungen<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 89
Ziel der Liquiditätsplanung ist es, festzustellen, wann genau welche Zahlungen anfallen,<br />
damit das Unternehmen jederzeit seinen eigenen Zahlungsverpflichtungen frist- und vertragsgerecht<br />
nachkommen kann.<br />
Übersicht 27: Planung von Maßnahmen zur Sicherstellung der Liquidität<br />
Zum Ausgleich möglicher Liquiditätsengpässe kann zum einen versucht werden, die Einzahlungen<br />
zu erhöhen (zum Beispiel durch Verkauf von nicht notwendigem Betriebsvermögen<br />
oder Inanspruchnahme von zusätzlichen Krediten) oder die Einzahlungen zeitlich<br />
nach vorne zu verlagern (zum Beispiel durch den Forderungsverkauf an ein Factoring-<br />
Unternehmen oder die Vereinbarung von Mindestanzahlungen mit den Kunden).<br />
Zum anderen können Unternehmen auf Liquiditätsengpässe reagieren, indem sie versuchen,<br />
ihre Auszahlungen zu reduzieren (zum Beispiel durch Verringerung der persönlichen<br />
Entnahmen) oder die Auszahlungen nach hinten zu verlagern (zum Beispiel durch<br />
das Verschieben von geplanten Investitionen auf spätere Perioden). Treten Liquiditätsprobleme<br />
häufiger oder längerfristig auf, so werden diese Einzelmaßnahmen in der Regel<br />
nicht mehr ausreichen.<br />
Fehlende Liquidität (Illiquidität) ist ein Anzeichen dafür, dass prinzipiell der Fortbestand<br />
des Unternehmen gefährdet ist. Bei einer zeitweiligen (temporären) Illiquidität wird dieses<br />
erhöhte Unternehmensrisiko häufig steigende Finanzierungskosten zur Folge haben, weil<br />
zum Beispiel Investoren mehr Kreditsicherheiten und/oder höhere Zinsen verlangen. Eine<br />
temporäre Illiquidität wird aber unter Umständen nicht nur negative Auswirkungen auf die<br />
direkten Finanzierungskosten haben, sondern kann auch zusätzliche Kosten verursachen.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 90
Beispielsweise könnten Lieferanten aufgrund des gestiegenen Unternehmensrisikos ihre<br />
Zahlungsmodalitäten gegenüber dem Unternehmen verschlechtern. Liegt keine temporäre,<br />
sondern eine permanente Illiquidität vor, so ist in der Regel ein Insolvenzverfahren zu<br />
eröffnen, das zu einem Konkurs, zu einem Vergleich oder zu einer Restrukturierung des<br />
Unternehmens führt.<br />
Ein Unternehmen sollte zur Sicherung seines finanziellen Gleichgewichts bestimmte Liquiditätsreserven<br />
aufbauen. Die optimale Dimensionierung dieser Reserven sollte vor<br />
dem Hintergrund gesehen werden, dass durch zu niedrige Reserven das Liquiditätsrisiko<br />
steigt, umgekehrt aber durch zu hohe Reserven die Rentabilität negativ beeinflusst wird.<br />
Einfluss auf die Höhe und Struktur der Liquiditätsreserven haben dabei neben den Finanzierungszielen<br />
und der Risikobereitschaft des Unternehmens unter anderem auch die<br />
Stabilität und Struktur der Zahlungsströme, die Branche und die allgemeine Konjunkturlage.<br />
Liquiditätskennzahlen helfen das finanzielle Gleichgewicht zu erhalten beziehungsweise<br />
die Bedrohung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens zu erkennen, sie sollten aber<br />
nicht überbewertet werden (vgl. 1.6.1). Gebräuchlich sind die drei folgenden Liquiditätskennzahlen:<br />
Bei der Liquidität 1. Grades (Cash Ratio) werden die Zahlungsmittel auf der einen und die<br />
kurzfristigen Verbindlichkeiten auf der anderen Seite zueinander in Relation gesetzt.<br />
Die Liquidität 2. Grades (Quick Ratio) bildet den Quotienten aus Zahlungsmittel plus kurzfristige<br />
eigene Forderungen des Unternehmens und kurzfristigen Verbindlichkeiten.<br />
Die Liquidität 3. Grades (Current Ratio) setzt das Umlaufvermögen ins Verhältnis zu den<br />
kurzfristigen Verbindlichkeiten.<br />
Der Liquiditätsplan komplettiert die finanzwirtschaftliche Planung und ist daher für jedes<br />
Unternehmen eine zwingend notwendige Aufgabe. Er ist stetig aufzustellen, damit ein Unternehmen<br />
immer einen realistischen und aktualisierten Überblick über seine zu erwartenden<br />
Geldströme hat. Unterstützt werden sollte die Liquiditätsplanung durch ein systematisches<br />
Controlling und ein gut funktionierendes Forderungsmanagement.<br />
3.4.3 Bedeutung des „Rating“ durch Banken (Basel II)<br />
Fremdfinanzierung ist durch einen Zahlungsstrom gekennzeichnet, der mit einer Einzahlung<br />
(z. B. aufgrund eines Kredites oder einer Einlage) beginnt und in einer späteren Periode<br />
eine oder mehrere Auszahlungen (an die Kapitalgeber) nach sich zieht. Untersuchungen<br />
haben gezeigt, dass die Landwirtschaft sich vorwiegend über Bankkredite finanziert,<br />
wenn es um eine Fremdfinanzierung geht. Aus diesem Grund ist der im Folgenden erläuterte<br />
Basel II Akkord auch für die Landwirtschaft wichtig.<br />
Banken sahen sich in den vergangenen Jahren einem zunehmenden internationalen<br />
Wettbewerb ausgesetzt. Gleichzeitig stiegen u. a. die Kreditrisiken erheblich an, Kreditausfälle<br />
nahmen in der Anzahl und im Niveau zu. Der Anteil der Insolvenzen in der Landwirtschaft<br />
liegt bei ca. 1,5 - 2 % aller Insolvenzen und blieb konstant.<br />
Der neue Baseler Eigenkapitalakkord (Basel II) möchte die bestehenden Eigenkapitalanforderungen<br />
für Banken im Kreditgeschäft weiterentwickeln. Ziel ist es, die Eigenkapitalunterlegung<br />
an das tatsächliche Kreditausfallrisiko des Einzelengagements anzupassen, um<br />
hierdurch die internationalen Wettbewerbsbedingungen zu harmonisieren und die Sicherheit<br />
und Stabilität des Finanzwesens weiter zu fördern. Zu diesem Zweck werden Banken<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 91
verpflichtet, Kunden zu bonitieren. Die Eigenkapitalanforderungen werden dann statt bisher<br />
pauschal, individuell an der Bonität des Einzelkunden bemessen.<br />
Rating bedeutet „…eine Bewertung der Bonität und damit der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens.<br />
Ratings sind damit Bewertungen, die die Fähigkeit eines Kreditnehmers beschreiben,<br />
seinen Zahlungsverpflichtungen, die er eingeht, in der Zukunft nachzukommen“.<br />
Beim Rating geht es um die Ermittlung der Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kredits,<br />
die mit Hilfe von Noten skaliert wird (z. B. durch Zahlen von 1 bis 20) oder durch Buchstabenkombinationen<br />
von AAA bis CCC) beschrieben wird. Ratingverfahren müssen also in<br />
der Lage sein, die Ausfallwahrscheinlichkeiten eines Kreditportfolios oder Teilportfolios<br />
präzise zu bestimmen.<br />
Die wesentlichen, festzuhaltenden Merkmale im Ratingverfahren beinhalten die Persönlichkeit<br />
des Antragstellers, den Markt bzw. die Branche, die Kundenbeziehungen, die wirtschaftlichen<br />
Verhältnisse sowie sonstige Unternehmensentwicklungen. Die folgende Ü-<br />
bersicht 27 zeigt beispielhaft den „groben“ Aufbau eines Ratingsystems und soll lediglich<br />
die Bedeutung einzelner wesentlicher Punkte hervorheben sowie Beispiele der unternehmerischen<br />
Einflussnahme nennen.<br />
Übersicht 27: Beispielhafte Grobstruktur eines Ratings<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 92
Die oben verwendete Leistungsskala (1 = sehr gut, 20 = sehr schlecht) und die hier dargestellte<br />
Gleichgewichtung einzelner Kriterien sind nur beispielhaft und können in der Finanzierungspraxis<br />
in Abhängigkeit von den einzelnen Ratingsystemen differieren.<br />
Für externe Betrachter und damit auch für Kreditgeber ist das eigene Unternehmen weitestgehend<br />
eine „Black Box“. Insoweit ist es wichtig, das Unternehmen durch Status quo<br />
sowie Risiko abbildende Instrumente transparent zu gestalten. Für die Analyse des Bonitätsrisikos<br />
benötigen die Kreditgeber Angaben, die weit über den Jahres-Abschluss hinausgehen.<br />
Zu den erforderlichen Informationsmaßnahmen zählen somit neben den klassischen<br />
Instrumenten der Jahresabschlussanalyse auch Instrumente, die das Risikomanagement<br />
transparenter gestalten.<br />
Die folgende Abbildung zeigt, welche Auswirkungen die Ratingklasse auf die Kosten eines<br />
Kredites hat. Je schlechter die Bonität des Kreditgebers, umso höher sind die zu zahlenden<br />
Zinsen.<br />
Übersicht 28: Auswirkungen des Ratings auf die Kreditkosten<br />
Für die Einstufung in eine Ratingklasse sind umfangreiche Unterlagen erforderlich, die<br />
weit über den Jahresabschluss hinausgehen.<br />
Mit Basel II wurden wichtige Akzente gesetzt, die nicht nur zum Nachteil der Landwirtschaft<br />
sein müssen. So ist es für Pachtbetriebe u. U. leichter, auch mit weniger Sicherheiten<br />
günstigere Finanzierungskonditionen als nach Basel I-Vorschriften erhalten zu können.<br />
In diesem Kapitel verwendete Quellen:<br />
- Landwirtschaftliche Rentenbank, Schriftenreihe Band 19, 2004<br />
- Basel II und die Landwirtschaft. Landwirtschaftliche Rentenbank, Frankfurt a. M. 2003<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 93
3.5 Beschaffung von Arbeitskräften (Noch in Bearbeitung)<br />
Die Strukturentwicklung in der Landwirtschaft folgt weiterhin dem langjährigen Trend: Die<br />
Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe ist rückläufig. Sie ging von 1999 bis 2007 um 20,6<br />
Prozent zurück, von rund 472 000 auf etwa 374 500. In diesen über 374 Tausend land-,<br />
forst- und fischereiwirtschaftlichen Unternehmen arbeiten knapp 1,3 Millionen Menschen,<br />
das sind 12,9 Prozent weniger als 1999.<br />
Wie in Übersicht 29 deutlich wird, hat Im Zeitraum 2005 bis 2007 hat die Zahl der Beschäftigten<br />
in der deutschen Landwirtschaft jährlich um 1 Prozent weiter abgenommen.<br />
Abnahme bei den Familienarbeitskräften und Zunahme bei den Saisonarbeitskräften<br />
standen sich dabei gegenüber. Die Zahl der ständig Beschäftigten blieb nahezu konstant.<br />
Übersicht 29: Arbeitskräftestruktur in der deutschen Landwirtschaft.<br />
Die Zahl der Auszubildenden in den agrarwirtschaftlichen Berufen ist in den letzten Jahren<br />
deutlich gestiegen. Im Dreijahresdurchschnitt 2006 bis 2008 lag sie um 9 Prozent höher<br />
als im Durchschnitt der Jahre 1999 bis 2001.<br />
Die folgende Abbildung 30 zeigt die Altersstruktur der ständig beschäftigten landwirtschaftlichen<br />
Lohnarbeitskräfte für das frühere Bundesgebiet und die neuen Länder. Es<br />
wird deutlich, dass die jüngeren Altersklassen zwischen 15 und 34 Jahren in den neuen<br />
Bundesländern deutlich schwächer besetzt sind als im früheren Bundesgebiet. Die Altersgruppen<br />
35 bis 44 Jahre und stellen im früheren Bundesgebiet die meisten Lohnarbeitskräfte.<br />
In den neuen Bundesländern konzentriert sich das Alter der Beschäftigten auf die<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 94
mittleren Altersgruppen. Betrachtet man lediglich die Altersgruppe 60 Jahre und älter, so<br />
könnte der Nachwuchsmangel im früheren Bundesgebiet größer sein. Ansonsten sind die<br />
Überalterungstendenz bei den Lohnarbeitskräften und die Dringlichkeit, Nachwuchskräfte<br />
zu gewinnen, in den neuen Bundesländern größer (Davier, Diss. Göttingen 2007).<br />
Abb. 30: Altersstruktur der Arbeitskräfte in der deutschen Landwirtschaft<br />
Für die Beschaffung von Arbeitskräften bieten sich folgende Möglichkeiten an:<br />
Bearbeitung fehlt noch!<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 95
4. Management des soziotechnischen Systems Absatz<br />
Der Absatz als letzte Phase des Betriebsprozesses verfolgt das Ziel, die produzierten<br />
Leistungen dem Nachfrager am Ort und zum Zeitpunkt des Bedarfs in für ihn geeigneten<br />
Mengeneinheiten zur Verfügung zu stellen. Wie bei der Beschaffung besteht die Aufgabe<br />
der <strong>Unternehmensführung</strong> in der Gestaltung eines weiteren sozio-technischen Systems,<br />
das die Beziehungen nach außen regelt.<br />
4.1 Marketing-Mix in der Primärstufe der Agrarwirtschaft<br />
Um absatzwirtschaftliche Ziele besser erreichen zu können, stehen dem Management im<br />
Wesentlichen 4 Instrumente zur Verfügung, die auch als die 4 „P’s“ des Produkt-<br />
Managements bezeichnet werden:<br />
Product (1)<br />
Price (2)<br />
Place (3)<br />
Promotion (4)<br />
4.1.1 Produktpolitik<br />
Die Produktpolitik zielt darauf ab, die Wertschätzung des Abnehmers für das angebotene<br />
Gut zu erhöhen. Sie umfasst u.a. die Beschaffenheit (Grundstoffe, Inhaltsstoffe incl. unerwünschter<br />
Rückstände, Qualität (Handelklasseneinstufung), Form, Farbe, Geruch und<br />
Gebrauchseignung), die Verpackung und die entsprechenden rechtlichen Kriterien (z.B.<br />
Exklusivität durch Patente etc.).<br />
In der Landwirtschaft wird Produktpolitik zunächst über die Wahl des Saatgutes, des Anbauverfahrens<br />
(z.B. kontrollierter Anbau etc.), der Tierrasse, des Haltungsverfahrens (z.B.<br />
extensive Mutterkuhhaltung) etc. gemacht. Durch die Wahl der Produktpolitik werden bereits<br />
Preisspielräume vorgegeben (Handelsklasseneinteilung).<br />
Darüber hinaus kann Produktpolitik auch die Anreicherung des Produktes mit zusätzlichen<br />
Leistungen, die über den Grundnutzen hinausgehen, bedeuten („Added Value“).<br />
So kann beim Angebot von Silomais an Futterbaubetriebe nicht nur das Futter, sondern<br />
auch der Transport bis hin zur Einlagerung und Verschließen des Silos angeboten werden.<br />
Im Bereich der Eierproduktion besteht dieser Zusatznutzen für den Verbraucher darin,<br />
dass durch einer „artgerechtere Haltung“ die Eier von „glücklichen Hühnern“ gelegt<br />
wurden. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob dieser Zusatznutzen objektiv bzw. mit<br />
wissenschaftlichen Methoden nachweisbar ist, oder nur subjektiv vom Konsumenten so<br />
empfunden wird. Wenn der Kunde bereit ist, derartige Produkte auch mit einem Preisaufschlag<br />
zur Kompensation der höheren Produktionskosten zu kaufen, ist diese Produktpolitik<br />
ggf. eine Produktalternative.<br />
4.1.2 Preispolitik in der Landwirtschaft<br />
Die Möglichkeiten einer Preispolitik bestehen für landwirtschaftliche Unternehmen nur auf<br />
wenigen Nischenmärkten. Auf den großen Anbietermärkten für relativ homogene Güter<br />
sind die Preise für den einzelnen Anbieter weitgehend ein Datum. Er kann lediglich seine<br />
Absatzmenge auf den von ihm nicht beeinflussbaren Marktpreis optimieren (sog. Menge-<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 96
nanpasser). Große ostdeutsche Betriebe oder Erzeugergemeinschaften haben zwar einen<br />
kleinen Verhandlungsspielraum, dieser bezieht sich aber letztendlich auf die vom Landhandel<br />
weitergegebenen logistischen Kostenvorteilen bei der Erfassung von größeren<br />
homogenen Partien.<br />
Auf den Nischenmärkten hat auch das einzelne Agrarunternehmen ggf. preispolitischen<br />
Spielraum. Um allerdings absatzwirtschaftliche Ziele mit preispolitischen Maßnahmen<br />
besser erreichen zu können, sind Informationen über die Reaktion der Nachfrager sowie<br />
der konkurrierenden Anbieter erforderlich. Ohne ungefähre Kenntnis der Preiselastizitäten<br />
der Nachfrage für ein Produkt bzw. für eine Produktgruppe wird Preispolitik im Extremfall<br />
zu einem gefährlichen Rolettspiel. Hat man sich erst einmal durch zu hohe Preise „aus<br />
dem Markt katapultiert“, wird es schwer, wieder zurückzukommen.<br />
Es lässt sich über vereinfachte Rechenbeispiele zeigen, wie man bei bekanntem Nachfrageverhalten<br />
den preispolitischen Spielraum optimal nutzen und den optimalen Absatzpreis<br />
ermitteln kann. Zu beachten die dabei die Tatsache, dass meistens nicht die maximale<br />
Absatzmenge durch eine Tiefpreispolitik noch der Preis, der zum maximalen Umsatz führt,<br />
optimal sind. Der Preis ist so zu wählen, dass der durch eine Preisfestlegung erzielbare<br />
Deckungsbeitrag maximiert wird.<br />
4.1.3 Distributionspolitik<br />
Von jedem Euro, den heute ein Verbraucher beim Einkauf von Nahrungsmitteln ausgibt,<br />
erhält der „Urproduzent“ im Durchschnitt für die von ihm eingebrachten Erzeugnisse oft<br />
nur ein Drittel, wenn nicht sogar noch weniger. Damit stellt sich automatisch die Frage, ob<br />
Agrarunternehmen nicht im Bereich des Absatzes stärker an der Wertschöpfung des Nahrungsmittelsektors<br />
teilhaben können.<br />
Im Rahmen der Distributionspolitik stehen dem Management eines Agrarunternehmens<br />
folgende grundsätzlichen Absatzwege zur Auswahl:<br />
- Eigen- bzw. Direktvermarktung<br />
- Zwischenhandel (Landhandel)<br />
- horizontale und vertikale Integration<br />
In diesem Zusammenhang muss auch die Entscheidung gefällt werden, ob Produkte zunächst<br />
betriebsintern gelagert werden oder sofort verkauft werden. Dabei gelten bezüglich<br />
der Lagerkosten und deren Berücksichtigung die grundsätzlichen Überlegungen wie bei<br />
der Beschaffung.<br />
4.1.3.1 Direktvermarktung<br />
Bei diesem Ansatz kommt auf das einzelne Agrarunternehmen die Aufgabe zu, das erzeugte<br />
Produkt selbst und direkt an Verbraucher zu vermarkten. Während man früher die<br />
verschiedenen Formen der Direktvermarktung eher belächelte, hat sich zwischenzeitlich<br />
die Erkenntnis durchgesetzt, dass in Nischenmärkten über Direktvermarktung ggf. deutliche<br />
Einkommensvorteile zu erzielen sind. Nicht nur kleinere Betriebe verfolgen diese Distributionspolitik<br />
erfolgreich, sondern auch eine zunehmende Zahl flächenstarker Betriebe<br />
vermarkten ihre „Spezialitäten“ direkt vom Hof. Neben den „verdienten“ Handelsspannen<br />
sind auch generell höhere Preise durchsetzbar. Allerdings entstehen auch zusätzliche<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 97
Kosten beispielsweise in Form von Personal oder Abschreibungen für Einrichtungen (Hofläden)<br />
bzw. Fahrzeuge (vgl. Fahrverkauf).<br />
Interessant ist dieser Stelle, dass Verbraucher sehr oft als Motive für ihren Hofbesuch neben<br />
dem Einkaufserlebnis in der Landwirtschaft (Event als Added Value) und der erwarteten<br />
Frische vor allem die aufgehobene Anonymität des Produzenten anführen. Wenn dies<br />
ein entscheidender Bewegungsgrund für den Käufer wird, hat der Produzent die Chance,<br />
aus der Anonymität des Massenproduktes auszubrechen. Damit ist sein Produkt nun nicht<br />
mehr so einfach austauschbar. Man kann durch diese Art der Produktdifferenzierung i. d.<br />
R. dann auch einen höheren Preis durchsetzen.<br />
Auch wenn der Umsatzanteil durch Direktvermarktung mit 3 - 5% insgesamt gesehen gering<br />
bleiben wird, so kann dieser Distributionsweg dennoch für das Einzelunternehmen in<br />
Stadtnähe mit einer hohen Wertschöpfung verbunden sein. Bauernmärkte, Abholverkauf,<br />
Gastroservice und Bauernläden sind mögliche Vertriebsformen, die z.T. auch ohne umfangreiche<br />
Investitionen realisierbar sind. Für den größten Teil der landwirtschaftlichen<br />
Produktion wird allerdings dieser Weg nicht gangbar sein.<br />
4.1.3.2 Horizontale Integration<br />
Der zweite Ansatz ist der horizontale Zusammenschluss landwirtschaftlicher Unternehmen<br />
zu Erzeugergemeinschaften, um am Markt stärker oder mit einer eigenen Konzeption auftreten<br />
zu können. Seit der Agrarreform bekommt dieses Konzept wieder einen höheren<br />
Stellenwert. Erfolgreiche Erzeugergemeinschaften legen heute einen großen Wert auf<br />
enge Mitgliederbindung und halten bewusst die Anzahl ihrer Mitglieder gering. Hier liegen<br />
in den neuen Bundesländern große Vorteile auf der Hand: Eine kleine Gruppe von beispielsweise<br />
5 - 10 Betrieben (a 1000 ha), die relativ einfach unter einen Hut zu bringen ist,<br />
bietet die gleiche Menge an, wie eine Erzeugergemeinschaft von 200 westdeutschen Betrieben,<br />
deren Mitgliederzahl schon Probleme vorprogrammiert.<br />
Es existieren heute über 1000 anerkannte und nach dem Marktstrukturgesetz geförderte<br />
Erzeugergemeinschaften. Ein Drittel davon ist auf Qualitätsgetreideproduktion ausgerichtet.<br />
Stark zugenommen hat vor allem die Zahl der Erzeugergemeinschaften von Schlachtvieh<br />
sowie Ferkeln. Es gibt unter den Erzeugergemeinschaften eine Reihe von positiven<br />
Beispielen, aber auch ein große Zahl von „Karteileichen“. Bei den letzteren mangelt es<br />
i.d.R. an professionellem Management, oder es fehlt an Disziplin einzelner Mitglieder, am<br />
Markt geschlossen und einheitlich aufzutreten.<br />
Als Merkmale gut funktionierender Erzeugergemeinschaften sind zu nennen:<br />
- ein einheitlicher Wille<br />
- straffe Organisation & Andienungspflicht<br />
- funktionierende Überwachung und Kontrolle der Vermarktung<br />
- umfassende produktionstechnische bzw. betriebswirtschaftliche<br />
Beratung<br />
- verhandlungsstarkes Management<br />
- zukunftsgerichtete Strategien für die Verarbeitung<br />
Der Grundgedanke von Erzeugergemeinschaften war und ist, durch Zusammenfassung<br />
der landwirtschaftlichen Produktion ihrer Mitglieder am Markt kraftvoll durch eine Angebotskonzentration<br />
auftreten zu können. Heute ist allerdings aus der Zusammenfassung<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 98
von Mengen allein keine überragender Preisvorteil mehr zu erzielen. Es müssen weitere<br />
Merkmale wie Qualitätssicherheit, Lieferzuverlässigkeit, Einheitlichkeit etc. hinzukommen,<br />
um am Markt einen Preisaufschlag durchsetzten zu können. Eine Verbesserung der<br />
Marktstellung ist auch hier nur möglich, wenn man nicht mehr so leicht austauschbar ist.<br />
Man muss sich also durch Produktdifferenzierung einen Vorsprung verschaffen, mit dem<br />
man einen fest abgegrenzten Markt (Marktsegmentierung) besetzt.<br />
4.1.3.3 Vertikale Integration<br />
Der dritte Ansatz geht davon aus, dass eine engere Zusammenarbeit mit den Marktpartnern<br />
der Landwirtschaft gefunden werden muss.<br />
Seitens der Verbraucher werden die Forderungen nach „gesicherter Qualität“ immer lauter.<br />
Produkthaftung und Prozesskontrolle werden in Zukunft nicht nur das Handeln der<br />
Ernährungsindustrie bestimmen, sondern auch Einzug in den vorgelagerten Bereich halten.<br />
Verarbeiter und Handelsketten haben ihr Ohr näher am Verbraucher und können Anforderungen<br />
an die Vorstufen festlegen, um ihre Produkte besser am Markt platzieren zu<br />
können. Von dieser verbesserten Marktstellung profitieren dann wiederum die vorgelagerten<br />
Bereiche (Agrarunternehmen), weil sie auf diese Weise Absatzsicherheit gewinnen.<br />
In Schleswig-Hostein gab bzw. gibt es anschauliche Beispiele dafür, wo die Landwirtschaftskammer<br />
es geschafft hat, mit Partnern aus der Landwirtschaft, den Bezugs- bzw.<br />
Verarbeitungsunternehmen sowie dem Handel Verbundstrategien in Form von Markenprogrammen<br />
umzusetzen. So erfolgte bereits vor Jahren die Vermarktung des Prüfsiegelrindfleisches<br />
„Gutfleisch“ über 130 „Gutfleischmärkte“, die von der Edeka-Nord beliefert<br />
werden.<br />
Für eine erfolgreiche vertikale Integration zwischen Erzeugern und Vermarktern ist eine<br />
Kapitalverflechtung sinnvoll und ggf. sogar erforderlich. Beide Seiten müssen an den<br />
Chancen und Risiken partizipieren. So könnten die regionalen Fleischabteilungen größerer<br />
Handelsketten betriebswirtschaftliche Profit-Center in Form rechtlich eigenständiger<br />
Organisationen (z.B. GmbHs) sein, an denen auch die produzierenden Agrarunternehmen<br />
kapitalmäßig angemessen beteiligt sind.<br />
Gegner derartiger „Vertragslandwirtschaft“ führen häufig das Argument des Verlustes unternehmerischer<br />
Freiheit und Handlungsfähigkeit an. Es stellt sich die Frage, ob nicht gerade<br />
Landwirte oder Betriebsleiter, die aktiv am Aufbau derartiger Kooperationen arbeiten<br />
und damit neue Vermarktungswege schaffen, die eigentlichen Unternehmer sind? Agrarmanager<br />
und Landwirte, die Verträge mit Unternehmen der Lebensmittelindustrie ausarbeiten<br />
und neue Unternehmensmodelle schaffen und sich damit den Problemen derartiger<br />
Verbundstrukturen stellen, sind m.E. Wegbereiter für eine marktorientierte Produktion.<br />
Es gibt auf Dauer kein Entweder/Oder zum kooperativen Marketing oder zur Vertragslandwirtschaft.<br />
Im europäischen Binnenland sind genug andere Produzenten vorhanden,<br />
die gerne bereit sind, nicht bediente Märkte zu besetzen. Allerdings sind die Investitionen<br />
in solche Verbundstrategien besonders in der Aufbauphase erheblich. Eine Amortisation<br />
der eingesezten Mittel ist ggf. erst nach längerer Zeit zu erwarten.<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 99
4.1.4 Kommunikation<br />
Kommunikationspolitik spielt im Marketing eine wichtige Rolle. Neben der Verbesserung<br />
des Bekanntheitsgrades eines Produktes wird zunehmend die Vertrauensbildung zu einer<br />
Marke oder einem Unternehmen Ziel von Werbeaktionen. Gute Werbung hat aber ihren<br />
Preis!<br />
Bedeutung kommt der Werbung im Agrarsektor vor allem in Form von regionaler Gruppen-<br />
oder bundesweiter Gemeinschaftswerbung zu. Träger derartiger Maßnahmen sind<br />
meist spezielle Marketinggesellschaften der einzelnen Bundesländer oder die zentrale<br />
Marketingorganisation der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) in Bonn/Bad Godesberg.<br />
Aber auch der Einzelbetrieb kann durch Zeitungsanzeigen, Flugblattaktionen etc. Werbung<br />
für seine Produkte machen. Dies geschieht dann meist für Nischenprodukte, die direkt<br />
vermarktet werden. Eine elegante und kostengünstige Werbemaßnahme stellen in<br />
diesem Zusammenhang entsprechende Zeitungsartikel in Regionalzeitungen dar.<br />
4.2 Lagerhaltung im Absatzprozess<br />
Die Lagerhaltung spielt auch im Absatzprozess eine zunehmende Rolle. Durch die zunehmende<br />
Liberalisierung der europäischen Agrarpolitik schlagen inzwischen die Instabilitäten<br />
auf den Weltagrarmärkten voll auf den europäischen Binnenmarkt durch. Gerade die<br />
Preisentwicklungen der letzen beiden Jahre haben gezeigt, welche „Volatilität“ die Preisbewegungen<br />
innerhalb kurzer Zeit aufweisen. So schwankte der Weizenpreis innerhalb<br />
der letzen beiden Jahre zwischen 10 – 26 €/dt. Die folgende Abb. 31 gibt einen Überblick<br />
über die Kostenstruktur eines Getreidelagers.<br />
Abb. 31: Kostenstruktur eines Absatzlagers (Beispiel Getreide)<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> 1 – WS 2012/13 Entwurf – HS-Anhalt /Prof. Dr. Dohmen – Stand: Oktober 2013 100
Bei der Berechnung der Lagerkosten sind die Opportunitätskosten (Zinsverlust bzw. Zinszahlungen<br />
für Kontokorrentzinsen) für das in den Lagergütern gebundene Kapital je nach<br />
Liquiditätslage des Unternehmens ggf. sehr unterschiedlich anzusetzen. Für ihre korrekte<br />
Berechnung ist die Alternative „Abverkauf in der Ernte“ heranzuziehen. Das heißt, dass für<br />
die monetäre Bewertung des Lagerbestandes der Preis einzusetzen ist, den man beim<br />
Abverkauf erzielt hätte bzw. erzielen würde.<br />
Wird ein Lager geplant, dann sind die Vollkosten in die Überlegungen einzubeziehen.<br />
Entsprechend dem Beispiel in Abb. 32 müsste auf Dauer der jährliche Preisanstieg mindestens<br />
2, 36 E/dt sein, um die Lagerkosten zu amortisieren.<br />
Abb. 32: Beispielhafte Vollkostenkalkulation der Getreidelagerung<br />
Durch die Möglichkeiten der Lagerhaltung kann ein Agrarunternehmen in Zeiten hoher<br />
Preisvolatilität mit der richtigen Einlagerungsentscheidung beträchtliche Lagergewinne<br />
erwirtschaften. Kommt es allerdings zu einem Preisverfall, dann sind auch entsprechenden<br />
Verlustgefahren möglich. Wir wollen uns die Ausmaße einer Fehlentscheidung an<br />
folgendem Beispiel klarmachen:<br />
Bei Abverkauf in der Ernte könnte ein Agrarunternehmen 20 €/dt Weizen erzielen. Der<br />
Geschäftsführer hofft auf höhere Preise und lagert ein. Es kommt zum Preisverfall und<br />
nach einem halben Jahr wird das Getreide für 15 €/dt verkauft. Der Zinsverlust ist nun<br />
nicht auf den Endpreis sondern auf den Ausgangspreis zu kalkulieren. Bei einem Opportunitätszins<br />
von 5% p.a. sind dies immerhin 0,50 €/dt, die zum Schwund und zu den Versicherungskosten<br />
des Lagerbestandes hinzuzurechnen sind. Auch diese Größen sind auf<br />
den Ausgangswert zu beziehen. Rechnet man noch einmal dafür 5%, dann kommen zusammen<br />
mit dem Preisverlust 6€/dt und damit beträchtliche Kosten aus der Fehlentschei-<br />
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dung zustande. Bei einer Einlagerung von 400 ha Weizen mit einem Durchschnittsertrag<br />
von 70 dt sind dies immerhin fast 170.000 € Gewinnverzicht!<br />
Zusammenfassung:<br />
Das Zusammenspiel des absatzpolitischen Instrumentariums nennt man auch Marketing-<br />
Mix. Die Kunst des Absatz-Managers (Produkt-Managers) besteht darin, diese Instrumente<br />
in Kombination optimal einzusetzen. Man kann Marketing-Mix vielleicht mit einer<br />
Orgel vergleichen: Je nachdem welche Register der Organist bei Spielen der Orgel zieht,<br />
klingt das Stück eines großen Meisters langweilig oder es begeistert die Zuhörer.<br />
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