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St. Elisabeth-Krankenhaus<br />
<strong>KKRN</strong> – Das Klinikquartett<br />
16<br />
Wieder eigenständig atmen lernen<br />
Weaning-Station im St. Elisabeth-Krankenhaus hat eigenen<br />
Atemtherapeuten / Bettenzahl von fünf auf acht aufgestockt<br />
Tracheotomie: Sie ist die<br />
Voraussetzung, um mit<br />
der Entwöhnung vom Beatmungsgerät<br />
zu beginnen.<br />
17<br />
Marius Hackfort bei der Anpassung<br />
einer Beatmungsmaske.<br />
Marius Hackfort ist Atemtherapeut und gehört<br />
damit zu den wenigen Pflegekräften in Deutschland,<br />
die diese berufsbegleitende Ausbildung<br />
absolviert haben. Die Atemtherapie ist ein noch<br />
junges Berufsbild. Aber wie wichtig Atemtherapeuten<br />
sind, wird verständlich, wenn man weiß,<br />
wo Marius Hackfort arbeitet: Der Pfleger betreut<br />
langzeitbeatmete Patienten auf der Weaning-<br />
Station des St. Elisabeth-Krankenhauses.<br />
Weil dort inzwischen immer mehr Patienten auch<br />
aus den umliegenden Kliniken behandelt werden,<br />
wurde der Weaning-Bereich im Dorstener Haus<br />
unlängst von fünf auf acht Betten aufgestockt.<br />
Doch was versteht man überhaupt unter<br />
Weaning? Und was macht die Arbeit auf einer<br />
solchen Station so besonders? Der Begriff<br />
Weaning stammt aus dem Englischen und bedeutet<br />
wörtlich übersetzt „Abstillen, Entwöhnung“.<br />
Aufgabe des ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen<br />
Teams ist es, die Menschen vom Beatmungsgerät<br />
zu entwöhnen. Dass Patienten nach<br />
großen operativen Eingriffen oder bei schweren<br />
Grunderkrankungen vorübergehend invasiv mit<br />
Hilfe eines Tubus (das ist ein Beatmungsschlauch,<br />
der durch den Mund in die Luftröhre geführt<br />
wird) beatmet werden müssen, ist im Klinikalltag<br />
nichts Ungewöhnliches. Bei den meisten Patienten<br />
dauert die künstliche Atemhilfe auch nur kurze<br />
Zeit. Danach sind sie wieder in der Lage, selbstän-<br />
dig durch Nase und Mund zu atmen. Aber es gibt<br />
auch Menschen, die so schwer krank sind, dass<br />
ihre Atemtätigkeit über einen längeren Zeitraum<br />
von der Maschine übernommen werden muss.<br />
„Und genau darin liegt das Problem: Je länger die<br />
Patienten beatmet werden, umso schwieriger wird<br />
es, wieder aus eigener Kraft Luft zu schöpfen. Denn<br />
der Körper gewöhnt sich an die maschinelle Hilfe.<br />
Und dies kann die Atemmuskulatur so weit schwächen,<br />
dass die eigene Atemleistung nicht ausreicht.<br />
Die Patienten benötigen dann eine schrittweise<br />
Entwöhnung von der Beatmung mit einem jeweils<br />
individuellen Konzept. Das ist nicht nur von der<br />
Beatmungsdauer abhängig, sondern auch von den<br />
zugrunde liegenden Erkrankungen“, erläutern Dr.<br />
Thomas Holtbecker und Dr. Hermann Thomas. Die<br />
beiden Mediziner leiten die Klinik für Pneumologie,<br />
Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin,<br />
zu der auch die Weaning-Einheit gehört.<br />
Der erste praktische Schritt für ein erfolgreiches<br />
Weaning ist die Anlage einer Trachealkanüle.<br />
Dabei schafft man durch einen kleinen Einschnitt<br />
in Hals und Luftröhre einen künstlichen Luftweg,<br />
in den eine Kanüle eingelegt wird. Sie löst die Beatmung<br />
durch einen Tubus, der durch den Mund<br />
in die Luftröhre geführt wird, ab. Die Tracheotomie<br />
ist auch die Voraussetzung, um langzeitbeatmete<br />
Patienten wieder wach und von der künstlichen<br />
Atemhilfe unabhängig werden zu lassen. Damit<br />
die Patienten spontan atmen können, werden<br />
Kanüle und Beatmungsgerät getrennt. Sind die<br />
Patienten nach einiger Zeit der Eigenatmung erschöpft<br />
und benötigen wieder künstliche Unterstützung,<br />
dann wird das Beatmungsgerät erneut<br />
an die Trachealkanüle angeschlossen.<br />
Das Team der Weaning-Station versucht nun, die<br />
Phasen, in denen die Patienten wieder eigenständig<br />
atmen, kontinuierlich auszudehnen. „Erfolgreiches<br />
Weaning ist in erster Linie Erfahrungsmedizin.<br />
Man muss wissen, wie man bei jedem einzelnen<br />
Patienten vorgehen muss, damit die Entwöhnung<br />
gelingt. Und man braucht ein erfahrenes Team, das<br />
erkennt, wie<br />
belastbar die<br />
Spontanatmung bereits<br />
wieder ist und wann jemand so erschöpft<br />
ist, dass er erneut künstlich beatmet werden<br />
muss“, erläutern die beiden Chefärzte. Anfangs<br />
sind es vielleicht nur wenige Minuten, in denen<br />
die Menschen wieder aus eigener Kraft Atemluft<br />
schöpfen können. Nach wenigen Tagen sind aus<br />
Minuten vielleicht schon Stunden geworden. Während<br />
der ganzen Zeit der Entwöhnung werden auf<br />
der Station auch Lungenfunktion, Herzfrequenz,<br />
Blutdruck, Sauerstoffsättigung des Blutes und die<br />
Abatmung des Kohlendioxids überwacht.<br />
Zurück zu Marius Hackfort. Als Atemtherapeut<br />
ist er so etwas wie die Schnittstelle zwischen<br />
Medizinern und Pflegekräften und stets der<br />
erste Ansprechpartner, wenn Probleme mit der<br />
Maschine oder der Beatmung auftreten. „Für uns<br />
bedeutet seine Arbeit eine große Entlastung“, freuen<br />
sich die beiden Chefärzte. Das Aufgabenspektrum<br />
des Atemtherapeuten ist ebenso vielfältig wie<br />
abwechslungsreich: Dazu gehört zum Beispiel das<br />
Trachealkanülen- und vor allem das Sekretmanagement.<br />
Denn um Komplikationen, wie etwa<br />
Infektionen, zu vermeiden, müssen die Patienten<br />
vom Schleim aus den Bronchien befreit werden.<br />
Zur Verbesserung der Lungenleistung dienen<br />
spezielle Übungen, die der Atemtherapeut in<br />
Zusammenarbeit mit den Physiotherapeuten und<br />
Pflegekräften durchführt. Eine seiner wichtigsten<br />
und zeitaufwändigsten Aufgaben ist die individuelle<br />
Anpassung einer speziellen Beatmungsmaske.<br />
Denn einige Menschen benötigen auch<br />
nach dem Klinikaufenthalt eine Atemunterstützung.<br />
Dazu tragen sie zu bestimmten<br />
Zeiten, überwiegend nachts, eine Nasen- oder<br />
Gesichtsmaske. Mit Hilfe eines Schlauchs, der an<br />
ein Gerät angeschlossen ist, wird beständig Atemluft<br />
in die Nase gedrückt. Dadurch erholt sich die<br />
Atemmuskulatur, und die Menschen sind tagsüber<br />
deutlich leistungsfähiger. „Manchmal kann es<br />
mehrere Tage dauern, die Maske individuell anzupassen<br />
und auszupolstern. Denn wenn sie nicht<br />
optimal sitzt, können sehr schnell Druckgeschwüre<br />
entstehen“, erläutert der Atemtherapeut, zu<br />
dessen Aufgaben auch die Schulung von Patienten<br />
und gegebenenfalls Angehörigen mit<br />
der Atemmaske gehört. Neben den vielfältigen<br />
pflegerischen Tätigkeiten ist Marius Hackfort auch<br />
für die Dokumentation des Krankheitsverlaufs<br />
verantwortlich. „Wir halten bei jedem Patienten fest,<br />
wie seine Entwöhnung verläuft. Das dient nicht nur<br />
unserer eigenen Qualitätssicherung, sondern wir<br />
stellen unsere Daten auch für die wissenschaftliche<br />
Forschung zur Verfügung.“<br />
Marius Hackfort ist für die Patienten auf der<br />
Weaning-Station ein wichtiger Begleiter auf dem<br />
Weg zurück ins Leben. Wer langsam wieder lernen<br />
muss, aus eigener Kraft zu atmen, braucht viel<br />
Unterstützung. Denn die Atemnot ist anfangs<br />
immer da, und sie löst Angst und schlimmstenfalls<br />
Panik aus. „Für mich ist es wichtig, den Patienten in<br />
der schwierigen Zeit der Entwöhnung immer wieder<br />
zu signalisieren, dass ich da bin, dass ich Zeit habe<br />
und dass ich notfalls jederzeit eingreifen kann. Und<br />
ich bestärke die Patienten bei ihren Fortschritten. So<br />
kann ich ihnen Mut machen und Zuversicht geben,<br />
dass die Entwöhnung gelingen wird.“ Die Patienten<br />
danken es ihm und dem gesamten Team auf der<br />
Weaningstation mit der höchsten Währung, die<br />
ihnen zur Verfügung steht: ihrem Vertrauen.<br />
Angst nehmen und Mut zusprechen:<br />
Marius Hackfort und Johanna Grömping<br />
bei der Betreuung eines Patienten auf<br />
der Weaningstation.