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Auditive Verarbeitungs - Netzwerk-projekt.de

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Auch hinsichtlich <strong>de</strong>r phonologischen Bewusstheit<br />

und <strong>de</strong>r Sprachkompetenz waren<br />

keine Therapieeffekte zu beobachten.<br />

Dieses Ergebnis ist nicht ganz überraschend,<br />

wenn Befun<strong>de</strong> aus kontrollierten<br />

Untersuchungen zur Zeitverarbeitungsfähigkeit<br />

sprachentwicklungsgestörter Kin<strong>de</strong>r<br />

berücksichtigt wer<strong>de</strong>n. In Studien,<br />

die einen Zusammenhang zwischen Defiziten<br />

bei <strong>de</strong>r Analyse schnell aufeinan<strong>de</strong>r<br />

folgen<strong>de</strong>r Reize und Sprachstörungen<br />

nahe legten, fan<strong>de</strong>n wesentliche Einflussvariablen<br />

keine ausreichen<strong>de</strong> Beachtung.<br />

Wie bei einer Gruppe von 37 sprachentwicklungsgestörten<br />

Kin<strong>de</strong>rn gezeigt wer<strong>de</strong>n<br />

konnte, sind keine signifikanten Unterschie<strong>de</strong><br />

zu einer Kontrollgruppe hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>r Fähigkeit, akustische Informationen<br />

sequenziell aufzulösen, nachweisbar,<br />

wenn Alter, Intelligenz und Geschlecht<br />

als Kovariaten in die Auswertung<br />

einbezogen wer<strong>de</strong>n [4]. Dass Zeitverarbeitungs<strong>de</strong>fizite<br />

<strong>de</strong>n pathogenetischen<br />

Hintergrund von Sprachstörungen und<br />

damit einen Ansatzpunkt für eine Therapie<br />

bil<strong>de</strong>n, kann somit nicht als empirisch<br />

belegt angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

Die subjektive Einschätzung <strong>de</strong>r Lehrer,<br />

die unter <strong>de</strong>m Training keine Verbesserung<br />

<strong>de</strong>r Leistungen ihrer Schüler beobachten<br />

konnten, entsprach <strong>de</strong>n negativen<br />

psychometrisch erhobenen Befun<strong>de</strong>n.<br />

Ganz an<strong>de</strong>rs lautete das Urteil vieler<br />

Eltern und Kin<strong>de</strong>r. Obgleich sich Auswirkungen<br />

<strong>de</strong>s Trainings auf sprachliche<br />

Fertigkeiten nicht objektivieren ließen,<br />

schätzten diese das Training nicht selten<br />

recht positiv ein. Selbst wenn Eltern bei<br />

ihrem eigenen Kind keine Verbesserung<br />

in sprachlichen o<strong>de</strong>r schulischen Leistungen<br />

bemerkt hatten, sprachen sie sich<br />

für eine Fortsetzung <strong>de</strong>s Trainings aus.<br />

Für Eltern sind <strong>de</strong>mnach nicht nur spezifische<br />

Therapieeffekte für die Bewertung<br />

einer Behandlungsmetho<strong>de</strong> von Be<strong>de</strong>utung.<br />

Die Zeitverarbeitungs<strong>de</strong>fizithypothese<br />

liefert ihnen eine verständliche<br />

und nicht als diskriminierend empfun<strong>de</strong>ne<br />

Begründung für die Probleme ihres<br />

Kin<strong>de</strong>s und gibt ihnen klare Handlungsanweisungen<br />

für <strong>de</strong>ren Beseitigung. Dieser<br />

einfache Erklärungsansatz vermittelt<br />

Sicherheit im Umgang mit Lernstörungen<br />

und kommt damit <strong>de</strong>n Bedürfnissen<br />

von Eltern und Therapeuten sehr entgegen.<br />

Auch dürfte das Bemühen, <strong>de</strong>m Kind<br />

mit einer neuen, technisch aufwändigen<br />

Metho<strong>de</strong> zu helfen, von vielen Eltern als<br />

positiv erlebt wor<strong>de</strong>n sein.<br />

Fazit<br />

Die Zeitverarbeitungs<strong>de</strong>fizithypothe se<br />

als Erklärung für Lern- und Verhaltensprobleme<br />

fin<strong>de</strong>t gegenwärtig bei Fachleuten<br />

und Betroffenen große Akzeptanz,<br />

und ein Zeitverarbeitungstraining zur Behandlung<br />

ist weit verbreitet. Entgegen<br />

<strong>de</strong>r Erwartung konnten wir in unserer<br />

Studie mit psychometrischen Verfahren<br />

keinen nennenswerten Einfluss eines <strong>de</strong>rartigen<br />

Trainings auf die Sprachkompetenz<br />

von Kin<strong>de</strong>rn beobachten. Leistungsverbesserungen<br />

betrafen ausschließlich<br />

unmittelbar geübte Fertigkeiten, und<br />

Transfereffekte auf Lautdifferenzierungsfähigkeit<br />

o<strong>de</strong>r Sprachkompetenz blieben<br />

aus. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n Ergebnissen<br />

<strong>de</strong>r psychometrischen Untersuchungen<br />

wur<strong>de</strong> das Training aber von vielen Eltern<br />

und Kin<strong>de</strong>rn als hilfreich beurteilt.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass<br />

bislang we<strong>de</strong>r ein Zusammenhang zwischen<br />

auditiver <strong>Verarbeitungs</strong>geschwindigkeit<br />

und Sprachleistungen noch die<br />

Wirksamkeit eines Zeitverarbeitungstrainings<br />

als belegt angesehen wer<strong>de</strong>n können.<br />

Ein Training <strong>de</strong>r auditiven <strong>Verarbeitungs</strong>geschwindigkeit<br />

verbessert nicht<br />

die Sprachwahrnehmung.<br />

Korrespondieren<strong>de</strong>r Autor<br />

Dr. Dipl.-Psych. D. Berwanger<br />

Institut und Poliklinik für Kin<strong>de</strong>r- und Jugendpsychiatrie<br />

und Psychotherapie, Ludwig-Maximilians-Universität<br />

Nussbaumstraße 7, 80336 München<br />

dagmar.berwanger@extern.lrz-muenchen.<strong>de</strong><br />

Interessenkonflikt. Die Herstellerfirma (MediTech)<br />

stellte für die Zeit <strong>de</strong>r Studie die Trainingsgeräte (Brain-<br />

Boy Universal) zur Verfügung und gab eine Einweisung<br />

in <strong>de</strong>ren korrekten Gebrauch. Die korrespondieren<strong>de</strong><br />

Autorin versichert, dass im Zusammenhang mit<br />

<strong>de</strong>r Studie ansonsten keine weiteren Verbindungen zu<br />

Firmen bestan<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r finanzielle Zuwendungen erfolgten.<br />

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