Heft 2.09 (PDF) - WISSENSCHAFT in progress
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Vorlesen<br />
Brief<br />
4. Die Auswertung des Tagebuchs im Unterricht<br />
28<br />
Die Auswertung des Philosophischen Tagebuchs im Unterricht<br />
geschieht nach den von Thies ebenfalls vorgestellten Möglichkeiten<br />
(vgl. Ebd., 30). Es ist vorteilhaft, mit Schülerzitaten<br />
oder -rezensionen das Thema der vergangenen Stunde wiederholen<br />
zu können, denn Schüler hören (aus verständlichen entwicklungspsychologischen<br />
Gründen) beim Vorlesen eher h<strong>in</strong>,<br />
wenn Texte von Gleichaltrigen vorgelesen oder besprochen<br />
werden, als wenn ungleich ältere Autoren das Wort erhalten.<br />
Bei der Vorstellung und Besprechung der Texte muss natürlich<br />
darauf geachtet werden, dass ke<strong>in</strong> Schüler – so pathetisch dies<br />
auch kl<strong>in</strong>gen mag – e<strong>in</strong>en seelischen Schaden erleidet; die Gefahr<br />
e<strong>in</strong>er Selbstoffenbarung ist durch die Methode des Tagebuchs<br />
jederzeit gegeben.<br />
Das zu vermeiden, kl<strong>in</strong>gt im Allgeme<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>facher, als es<br />
ist: Jüngere Schüler zeigten im Umgang mit fremden Texten e<strong>in</strong>e<br />
verblüffend niedrige Hemmschwelle <strong>in</strong> der Beurteilung und<br />
Bewertung der <strong>in</strong>haltlichen und formalen Darstellungen und<br />
wurden <strong>in</strong> ihrer Kritik nicht selten (zu) persönlich. Ältere Schüler<br />
h<strong>in</strong>gegen konnten ihre Anmerkungen zu Gedanken objektiver<br />
formulieren, neigten aber im gleichen Maße dazu, ihre eigenen<br />
Texte nicht mehr zur Diskussion zur Verfügung zu stellen.<br />
Ob dies nun e<strong>in</strong> typisches Problem fehlender (oder wenigstens<br />
nicht ausgereifter) Gesprächskultur ist, sei e<strong>in</strong>mal dah<strong>in</strong><br />
gestellt; bemerkt werden kann zum<strong>in</strong>dest, dass sich das Philosophische<br />
Tagebuch nur sehr begrenzt für die “Veröffentlichung‘<br />
im Unterricht eignet, wozu die genannte von den Schülern<br />
schwer zu formulierende Kritik aber auch technische<br />
Schwierigkeiten (alle Schüler müssen den – natürlich handschriftlichen<br />
– Text zur Verfügung haben, um nach e<strong>in</strong>er angemessenen<br />
Lesezeit darüber urteilen zu können) beitragen.<br />
Thies stellt 1990 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Aufsatz die Möglichkeit vor, das<br />
Tagebuch als dialogische Form zum Briefwechsel weiterzuführen.<br />
Bei e<strong>in</strong>em solchen Briefverkehr (oder besser “Buchverkehr‘)<br />
würden Schüler und Lehrer oder Schüler und Schüler gleichberechtigte<br />
Partner <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dialog über philosophische Probleme<br />
werden. Die gewonnenen Vorteile hierbei überwiegen deut-