Mögel_Beeinträchtigung der frühen Mutter-Vater-Kind-Beziehung
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Workshop<br />
Beeinträchtigung <strong>der</strong> frühen<br />
<strong>Mutter</strong>-<strong>Vater</strong>-<strong>Kind</strong>-<strong>Beziehung</strong> durch<br />
häusliche Gewalt<br />
Fachtagung Kin<strong>der</strong>schutzzentrum und Stiftung<br />
Opferhilfe, St. Gallen, 8. Juni 2012<br />
Lic. phil. Maria Mögel<br />
Marie Meierhofer Institut für das <strong>Kind</strong><br />
www.mmi.ch<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Übersicht<br />
• Wie reagieren Säuglinge und Kleinkin<strong>der</strong> auf Gewalt<br />
zwischen ihren Bezugspersonen? Was heisst das für<br />
ihre Entwicklung?<br />
• Wie verän<strong>der</strong>t sich dadurch die <strong>Beziehung</strong> zwischen<br />
<strong>Mutter</strong> und <strong>Kind</strong>?<br />
• Wie verän<strong>der</strong>t sich die <strong>Beziehung</strong> zwischen <strong>Vater</strong> und<br />
<strong>Kind</strong>?<br />
• Können wir Fachleute Belastungszeichen bei den<br />
Kin<strong>der</strong>n und in <strong>der</strong> <strong>Beziehung</strong> erkennen?<br />
• Was können/müssen wir tun, um die kindliche<br />
Entwicklung und die Elternschaft zu schützen?<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Bertold - ein Baby hört auf zu spielen<br />
Psychotherapeutische <strong>Mutter</strong>-Baby-Begleitung in psychosozial<br />
hoch belasteter Situation.<br />
Gute Entwicklung im <strong>Mutter</strong>-<strong>Kind</strong>-Heim bis Bertold halbjährig ist,<br />
dann <strong>Mutter</strong> mit <strong>Kind</strong> alleine<br />
• Eltern wohnen nicht zusammen, grosse Konflikte<br />
• <strong>Mutter</strong>-<strong>Kind</strong>-<strong>Beziehung</strong> etwas angetrieben, <strong>Mutter</strong> sehr<br />
impulsiv, aber Spielfreude und Verlässlichkeit in <strong>der</strong> <strong>Mutter</strong>-<br />
<strong>Kind</strong>-Interaktion<br />
• Als Bertold 12 Monate alt ist, betritt er plötzlich die Praxis<br />
nicht mehr, vermeidet den Blickkontakt, spielt alleine in Ecke<br />
o<strong>der</strong> klammert an <strong>der</strong> <strong>Mutter</strong><br />
• Was ist passiert?<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Säuglinge teilen die Atmosphäre zwischen ihren Eltern/Bezugspersonen<br />
Lausanner Jeu-à-trois, Fivaz-Depeursinge<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Paar- und Familiendynamik<br />
• In Situationen häuslicher Gewalt kollabiert die<br />
triadische Kompetenz (Klitzing 2011) <strong>der</strong> Eltern<br />
• Häusliche Gewalt impliziert evtl. auch sexuelle<br />
Gewalt, Erregung und auch Gewalt gegenüber den<br />
Kin<strong>der</strong>n<br />
• In Kombination mit an<strong>der</strong>en Risikofaktoren verliert<br />
die Familie ihre Schutzfunktion als Entwicklungsraum<br />
• Bieten die erweiterte Familie und das soziale Umwelt<br />
dem kleinen <strong>Kind</strong> Empathie und Verlässlichkeit?<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Kin<strong>der</strong> als „Zeugen“ von häuslicher<br />
Gewalt<br />
Kleinstkin<strong>der</strong> können sich nicht von den Emotionen, z.B. Angst<br />
und aggressive Erregung ihrer Erwachsenen distanzieren!<br />
Säuglinge/ Krabbelkin<strong>der</strong><br />
orientieren sich an <strong>der</strong> affektiven Atmosphäre ihrer Umgebung.<br />
Sie sind zur Regulierung ihrer eigenen Emotionen von <strong>der</strong> Hilfe<br />
und Gestimmtheit ihrer primären Bezugsperson(en) abhängig<br />
Kleinkin<strong>der</strong>/ Vorschulkin<strong>der</strong><br />
können sich (mit Unterstützung) etwas besser von fremden<br />
Affekten distanzieren, fühlen sich aber oft selbst als Verursacher<br />
<strong>der</strong> Reaktionen <strong>der</strong> Erwachsenen<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Säuglinge orientierten sich am Affektausdruck <strong>der</strong> <strong>Mutter</strong><br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12<br />
Tronick, Still-Face-Experiment, 1978
Traumastörungen<br />
Erwachsene und grössere Kin<strong>der</strong><br />
• Psychotraumatisches Ereignis : Selbst- o<strong>der</strong> miterlebte<br />
Personen- o<strong>der</strong> Umweltgewalt, die das Gefühl von Ohnmacht,<br />
Überflutung, Kontrollverlust auslöst<br />
• Akute Belastungsreaktion (ICD-10 F43.0) Schock, Dissoziation<br />
bis ein Monat<br />
• Anpassungsstörung (ICD-10 F 43.2) Angst, Depression,<br />
beeinträchtigtes Sozialverhalten<br />
• Posttraumatische Belastungsstörung (ICD 10 F 43.1)<br />
Wie<strong>der</strong>erleben, Vermeiden, Hyperarousal, länger als ein<br />
Monat<br />
• An<strong>der</strong>e Folgestörungen (Dissoziation, Somatisieren,<br />
Persönlichkeitsverän<strong>der</strong>ung)<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Developmental trauma disor<strong>der</strong><br />
(Van <strong>der</strong> Kolk, 2005)<br />
Diagnostische Kriterien für Kleinkin<strong>der</strong><br />
1. Erlittene multiple o<strong>der</strong> chronische Belastungen,<br />
subjektiv traumatisch erlebt<br />
(z.B. Gewalt, Platzierung, ungenügende elterliche<br />
Sensitivität, medizinische Behandlung)<br />
2. Retraumatisierung: durch Trigger-Situationen<br />
ausgelöste dysregulierte Zustände, z.B. plötzliches<br />
Einschlafen, frozen fearfulness<br />
3. Negative Erwartungen und Zuschreibungen<br />
4. Funktionelle Störungen (Einnässen, Erbrechen)<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Lara – Developmental Trauma<br />
• physische Gewalt beginnt<br />
als Lara 9 Monate alt ist<br />
• Trotz baldiger Trennung <strong>der</strong><br />
Eltern, mehrere Wechsel<br />
von Wohnort und Tagesbetreuung<br />
wegen Stalking des<br />
<strong>Vater</strong>s und Drohungen<br />
gegen Betreuer<br />
• Zerstörtes soziales Netz,<br />
Migration<br />
• Psychische Erkrankung <strong>der</strong><br />
<strong>Mutter</strong><br />
• Lara zeigt Schwierigkeiten<br />
in:<br />
- Aufmerksamkeits- und<br />
Affekttregulation<br />
- Sprachentwicklung<br />
- zeigt Momente von<br />
Abwesenheit<br />
- erträgt keine Situation<br />
„zu dritt“<br />
- Bindungsstörung<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Posttraumatische Stress-Störung<br />
bei Säuglingen und Kleinkin<strong>der</strong>n<br />
(Zeanah, Scheeringa 2005) (DC:0-3R)<br />
• Erhöhte Erregbarkeit (Hyperarousal): Albträume,<br />
Schlafprobleme, Hypervigilanz, eingeschränkte Konzentration<br />
• Wie<strong>der</strong>erleben (Re-experiencing of the trauma event)<br />
posttraumatisches Spiel, Albträume, Stress bei<br />
Traumatriggern, flashback o<strong>der</strong> Dissoziation<br />
• Abflachung/Vermeidung <strong>der</strong> Reagibilität (numbing of<br />
responsiveness): sozialer Rückzug, Verlust von<br />
Entwicklungsfertigkeiten, eingeschränkte Affekte und<br />
Spielfähigkeit<br />
• Evtl. neu auftretende Aggressivität, Trennungsangst,<br />
altersunangemessene sexuelle Verhaltensweisen (als<br />
körperliche Spannungsabfuhr und Selbstberuhigung)<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
• Schlafstörungen<br />
Zeichen von Übererregung<br />
(Hyperarousal)<br />
• Eingefrorener<br />
Gesichtsausdruck, Augen<br />
weit offen, unbewegliche<br />
Mimik (Frozen Fearfulness)<br />
• Trotz Überaufmerksamkeit<br />
(Hypervigilanz)<br />
eingeschränktes Explorieren<br />
• Konzentrationsmangel,<br />
Amnesie, Flash-backs,<br />
Albträume<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12<br />
S. Bottticelli
Zeichen von Wie<strong>der</strong>erleben<br />
• Flashback?<br />
Louis erlebte Gewalt seines <strong>Vater</strong>s gegen die <strong>Mutter</strong> intrauterin und<br />
in den ersten 12 Lebensmonaten<br />
Nach <strong>der</strong> Trennung <strong>der</strong> Eltern und psychotherapeutischen<br />
Behandlung <strong>der</strong> <strong>Mutter</strong> fällt er ab Eintritt in <strong>der</strong> Krippe und in<br />
einem Alter, als er sicher gehen gelernt hat durch plötzliche,<br />
unkontrollierbare Attacken gegen Babys auf<br />
• Dissoziation<br />
Alessio, 6 Monate, erstarrt in lauten Momenten o<strong>der</strong> wenn er sich<br />
selbst überlassen ist; entdeckt er eine Lampe, in die er schauen<br />
kann, atmet er tiefer und etwas entspannter. Er erlebte mit vier<br />
Wochen intensivmedizinische Behandlung infolge physischer<br />
Gewalt.<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Zeichen von Abflachen<br />
(Numbing)<br />
Lara: 2,5 Jahre nach Trennung <strong>der</strong> Eltern und 6<br />
Monate nach dem letzten, begleiteten <strong>Vater</strong>kontakt<br />
• Trennt sich Lara scheinbar sehr leicht von <strong>Mutter</strong>, ist<br />
danach aber kaum spielfähig<br />
• Altersadäquates Puppenhausspiel (z.B. Story Stem<br />
Completion Task) ist mit Lara kaum durchführbar; löst<br />
entwe<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>erleben (flashs) o<strong>der</strong> „flache“<br />
Antworten aus. Z. B. Spricht sie vom lieben Papi und<br />
schickt die <strong>Vater</strong>puppe schnell weg zur Arbeit o<strong>der</strong><br />
unterbricht das Spiel<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Folgen häuslicher Gewalt<br />
für die <strong>Mutter</strong>-<strong>Vater</strong>-<strong>Kind</strong>-<strong>Beziehung</strong><br />
Traumatisierung bewirkt:<br />
• Beeinträchtigung <strong>der</strong><br />
elterlichen/mütterlichen –<br />
Empathie und Abgrenzung<br />
• Beeinträchtigung <strong>der</strong><br />
Bindungssicherheit -<br />
<strong>Kind</strong> nimmt Erwachsenen nicht<br />
mehr als Beschützer wahr.<br />
• Die Eltern sind in dem Moment<br />
furchterregend, wenn sie am<br />
meisten gebraucht würden und<br />
gleichzeitig schwach<br />
• Verlust <strong>der</strong> Spielfreude in <strong>der</strong><br />
<strong>Beziehung</strong><br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Traumatische Verzerrung<br />
<strong>der</strong> <strong>Mutter</strong>-<strong>Kind</strong>-Interaktion<br />
• Die kindliche Aggression/Angst triggert bei <strong>der</strong> <strong>Mutter</strong><br />
traumatisches Erleben von Gewalt<br />
> das provoziert mütterliche Gegenaggression o<strong>der</strong> Rückzug<br />
• Das <strong>Kind</strong> wird mit eigener und frem<strong>der</strong> emotionaler Erregung<br />
überflutet<br />
> wird so unfähig zur Selbstregulation und kann Hilfe nicht<br />
annehmen (desorganisierte Bindung)<br />
• Die Abwesenheit von Empathie bei selbst traumatisierten<br />
Eltern kann als Abwehr gegen Überflutung durch die<br />
kindlichen Ängste und Affekte verstanden werden<br />
(Schechter DS, 2009)<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Stressbelastung traumatisierter<br />
Mütter bei Trennungsreaktion des <strong>Kind</strong>es<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12<br />
D. Schechter
Folgen für den sozialen Austausch<br />
• Unruhe, Aggressivität (statt Lernen und Insight)<br />
• flight/fight Verhalten auf Angst, Hilflosigkeit, Trennungsangst<br />
• Misstrauen (alles und je<strong>der</strong> ist potenziell gefährlich) o<strong>der</strong><br />
Bindungsdiffusion (Fremde sind berechenbarer als die nahen<br />
Bezugspersonen)<br />
• Kin<strong>der</strong> vermeiden Dreiersituationen bzw. lenken dann<br />
Aggression auf sich<br />
• Die Kin<strong>der</strong> sind oft anspruchsvoll, for<strong>der</strong>nd, unberechenbar,<br />
wechseln zwischen intensiver Bedürftigkeit und<br />
unkontrollierter Aggression<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Transgenerationelle Weitergabe<br />
<strong>der</strong> destruktiven Aggression<br />
Säugling<br />
Körpernahes Erleben<br />
• Gefühl <strong>der</strong> Überwältigung<br />
funktionelle Störungen<br />
• Inkorporation <strong>der</strong><br />
Gewaltsituation als<br />
körperliches Selbsterleben<br />
• Körperschemastörungen<br />
• Hyperarousal und<br />
Impulsivität<br />
Kleinkind<br />
Spiel- und Sozialverhalten<br />
• Desorganisiertdesorientierte<br />
Bindung<br />
zur Angstbewältigung und<br />
vor Verlustangst<br />
• Angriff als vorherrschen<strong>der</strong><br />
Selbstschutz (z.B. Flash)<br />
• Identifikation mit Aggressor<br />
Erregungsabfuhr<br />
Gedankenwelt des<br />
Vorschulkind:<br />
Was ist richtig (falsch)? Erlaubt- verboten?<br />
Zwanghafte Identifikation mit beiden Eltern<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Folgerungen für den Umgang<br />
mit den Kin<strong>der</strong>n<br />
• 1. Priorität: Sicherheit herstellen!<br />
• Auch dann sind oft geschützte Räume für das <strong>Kind</strong><br />
nötig: z.B. Krippe, Grosseltern an<strong>der</strong>e ausreichend<br />
empathische Bezugspersonen<br />
- die Zeichen von präverbaler und<br />
psychosomatischer Angst erkennen können<br />
- bei denen das <strong>Kind</strong> über das Vorgefallene sprechen<br />
kann, auch wenn es noch ganz klein ist!<br />
- wo es in seiner Spielfreude, Körper-, Selbst- und<br />
Fremdwahrnehmung unterstützt wird (antidepressiv)<br />
• Begleitung <strong>der</strong> belasteten <strong>Mutter</strong>-<strong>Kind</strong>-<strong>Beziehung</strong><br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Therapeutische Behandlung<br />
traumabelasteter <strong>Mutter</strong>-<strong>Kind</strong>-<strong>Beziehung</strong><br />
• Unterstützung <strong>der</strong> mütterlichen<br />
Mentalisierungsfähigkeit, d.h. eigene Gedanken und<br />
Gefühle reflektieren, tolerieren und von Emotionen<br />
des <strong>Kind</strong>es unterscheiden; Signale beim <strong>Kind</strong><br />
erkennen, aushalten, ohne selbst dysreguliert zu<br />
werden<br />
• Z.B. Clinician assisted video-feedback exposure<br />
CAVES (Schechter 2006)<br />
• Psychotherapeutische <strong>Mutter</strong>-<strong>Kind</strong>-Interventionen<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Einzeltherapie <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> ?<br />
Einzeltherapie mit einem <strong>Kind</strong> setzt die Mitarbeit und das<br />
Einverständnis seiner Eltern o<strong>der</strong> Pflegeeltern und Beistand<br />
voraus, damit das <strong>Kind</strong> nicht in Loyalitätskonflikte gerät.<br />
Sind die Verhältnisse sicher und stabil genug, so dass das<br />
posttraumatische Verhalten nicht mehr adaptiv ist ?<br />
Ist eine Zusammenarbeit mit den Eltern/Obhutspersonen<br />
möglich?<br />
Ertragen die Eltern die Perspektive des <strong>Kind</strong>es schon?<br />
Löst Behandlung noch zuviel destruktiven Neid/Angst bei<br />
Eltern aus ?<br />
Die Behandlung soll die Bindungsstörung nicht vertiefen!<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Einzeltherapeutische Themen<br />
• (Auto-)Aggressive und<br />
depressive Affekte spiegeln,<br />
mentalisieren, verstehen,<br />
interpretieren<br />
• Belastete Identifikation mit<br />
Eltern und an<strong>der</strong>en<br />
Bezugspersonen bearbeiten<br />
• Von Schuld- und<br />
Schamgefühlen entlasten<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Die Perspektive eines Kleinkindes<br />
Edith, 3 Jahre alt<br />
• Mit <strong>Mutter</strong> in einem Frauenhaus<br />
zeigt E. Trennungsangst<br />
und Phobie vor geschlossenen<br />
Türen<br />
• Im posttraumatischen Spiel<br />
mit <strong>der</strong> Therapeutin taucht<br />
<strong>Mutter</strong> als Aggressorin auf<br />
• <strong>Mutter</strong> berichtet, Edith will<br />
Eltern zusammenbringen<br />
• Familienbild, mit Oma als primärer<br />
Bezugsperson verweist<br />
auf Ambivalenzkonflikt von E.<br />
Ediths Familienbild<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
<strong>Vater</strong> und <strong>Kind</strong><br />
Retraumatisierung o<strong>der</strong> Neubegegnung?<br />
In <strong>der</strong> konventionellen Besuchssituation<br />
Erleben Kin<strong>der</strong> oft, zusätzlich o<strong>der</strong> anstatt ihrer<br />
eigenen Gefühle, Angst und Wut <strong>der</strong> <strong>Mutter</strong>.<br />
Väter ordnen die Verwirrung des <strong>Kind</strong>es oft als<br />
Zurückweisung und Angriff <strong>der</strong> Mütter ein. In<br />
eskalierten Situationen kommt es zur<br />
Rollenumkehr: <strong>der</strong> <strong>Vater</strong> wird zum Opfer, kämpft<br />
um das Besuchsrecht, zieht sich aber vom realen<br />
<strong>Kind</strong> und seinen Bedürfnissen zurück.<br />
Das trägt zur Entfremdung zwischen <strong>Vater</strong> und<br />
<strong>Kind</strong> bei; verstärkt bei älteren Kin<strong>der</strong>n<br />
Schuldgefühle<br />
Ausweg: Therapeutisch begleitete Besuche?<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Kontroverse:<br />
Kontakte zwischen <strong>Vater</strong> und <strong>Kind</strong> ?<br />
IMMER<br />
• Beschaffenheit <strong>der</strong> <strong>Vater</strong>-<strong>Kind</strong>-<strong>Beziehung</strong> abklären<br />
Vertrautheit/Verlässlichkeit/Verfügbarkeit (Bindung)<br />
• Angst/Spielfreude; Strukturierung/Flexibilität<br />
Un<strong>der</strong>/Overinvolvement/Turn-Taking<br />
Zeichen von Abuse<br />
PRO<br />
• Verlust von elterlicher <strong>Beziehung</strong><br />
(Rolle/Zugehörigkeit/Identifikation) kann Traumatisierung<br />
verstärken<br />
• Begleitete (!) Kontakte können helfen, traumatische Erfahrung zu<br />
verarbeiten<br />
CONTRA<br />
• Retraumatisierung ( oft bei unbegleiteten Kontakten)<br />
• Involviertheit des <strong>Kind</strong>es in erwachsene Gewalt<br />
• <strong>Vater</strong> übernimmt Verantwortung für die ausgeübte Gewalt nicht<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Netzwerke für Eltern und Kin<strong>der</strong><br />
• VB-Meldung bei häuslicher Gewalt, wenn Kin<strong>der</strong> im Spiel sind<br />
• Wenn häusliche Gewalt im Zusammenhang mit elterlicher<br />
Drogenabhängigkeit, psychiatrischer Erkrankung, Dissozialität<br />
o<strong>der</strong> kultureller Isolation steht: Ist multi/transdisziplinäre<br />
Arbeit nötig (Psychiatrie, Suchtfachstelle, Kin<strong>der</strong>arzt); Helfer<br />
<strong>der</strong> Erwachsenen müssen wissen, dass und wie die Kin<strong>der</strong><br />
mitbetroffen sind<br />
• Kin<strong>der</strong>garten, Krippe, Heim als sicherer Platz (Rayonverbot,<br />
Polizist als Helfer)<br />
• Projekte für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche z. B. KidsPunkt<br />
(Winterthur) und KidsCare (Zürich) für die frühe <strong>Kind</strong>heit<br />
anpassen.<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Zusammenfassung<br />
• Häusliche Gewalt verunsichert und belastet die frühkindliche Selbst- und<br />
<strong>Beziehung</strong>sentwicklung durch eine Überflutung mit Angst und Erregung<br />
schwer und langfristig<br />
Die Entwicklungseinschränkungen betreffen:<br />
1. das Bindungserleben: Desorganisierte o<strong>der</strong> ambivalente Bindung<br />
2. die Affektregulation und Verhaltenskontrolle<br />
3. schränken die Kognition ein (Dissoziation, Hypervigilanz, Vermeidung)<br />
4. stören die Selbst- und <strong>Beziehung</strong>sentwicklung (Selbstvertrauen,<br />
Selbstwirksamkeit, Identifikation mit relevanten Objekten)<br />
• Die elterliche Empathie und Kompetenz sowohl des gewaltausübenden<br />
wie des bedrohten/geschlagenen Elternteils nimmt Schaden!<br />
• Chronische häusliche Gewalt wird traumatisch erlebt. Die Gefahr <strong>der</strong><br />
sozialen und epigenetisch transgenerationalen Weitergabe (passiv und<br />
aktiv) ist sehr gross<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Häusliche Gewalt, 8.6.12
und in eigener Sache<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12
Literaturangaben<br />
• Diagnostische Klassifikation Zero to Three (2005)<br />
• Graf, A., D. Irblich, et al. (2008). "Posttraumatische Belastungsstörungen bei<br />
Säuglingen und Kleinkin<strong>der</strong>n." Prax. Kin<strong>der</strong>psychol. Kin<strong>der</strong>psychiat. 57: 247-263.<br />
• Liebermann, A. (2007). "Ghosts and Angels: Intergenerational patterns of<br />
Transmission and Treatment of the Traumatic Sequelae of Domestic Violence."<br />
Infant Mental Health Journal 28(4): 422-439.<br />
• Sauermann, M. : „ Der Kleine und das Biest“, Klett Kin<strong>der</strong>buch Verlag<br />
• Schechter, D. and E. Willheim (2009). "When Parenting Becomes Unthinkable:<br />
Intervening with traumatized parents and their toddlers." Journal of the American<br />
Academy of Child & Adolescent Psychiatry 48(3): 249-254.<br />
• Von Klitzing, K. and S. Stadelmann (2011). "Das <strong>Kind</strong> in <strong>der</strong> triadischen<br />
<strong>Beziehung</strong>swelt." Psyche. Zeitschrift für Psychoanalyse und ihre Anwendungen<br />
65(9-10): 953-072.<br />
• Ziegenhain, U. (2009). "Frühe Bindungserfahrungen und Trauma." Trauma &<br />
Gewalt 3(2): 136-147.<br />
Häusliche Gewalt, 8.6.12