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Zum Verhältnis von Glauben und Naturwissenschaft - Erzdiözese ...

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DIÖZESE INNSBRUCK<br />

ERZDIÖZESE SALZBURG<br />

Nr. 100 – April 2013<br />

Glaube <strong>und</strong> <strong>Naturwissenschaft</strong>en<br />

betrachten<br />

die eine Welt aus<br />

verschiedenen Blickwinkeln.<br />

Foto: PantherStock<br />

Liebe Leserin!<br />

Lieber Leser!<br />

Die Zeit schreitet unhaltbar<br />

voran. Auch<br />

wenn das „Moment“ regelmäßig<br />

zum Innehalten<br />

einlädt. Heute erscheint,<br />

nach nicht ganz zehn<br />

Jahren, die 100. Ausgabe<br />

der Beilage der Diözese<br />

Innsbruck in der Tiroler<br />

Tageszeitung. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> widmen wir<br />

uns dieses Mal nicht nur<br />

einem Thema, nämlich<br />

„Religion <strong>und</strong> <strong>Naturwissenschaft</strong>“.<br />

Der Mittelteil<br />

ist dem Jubiläum des<br />

„Moment“ gewidmet,<br />

seiner Entstehungsgeschichte,<br />

der Vielfalt an<br />

Themen, denen wir uns<br />

widmen konnten, <strong>und</strong> den<br />

Gründen, warum es sich<br />

lohnt, immer wieder innezuhalten.<br />

Christa Hofer<br />

<strong>Zum</strong> Verhältnis <strong>von</strong> <strong>Glauben</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Naturwissenschaft</strong><br />

Christlicher Glaube<br />

<strong>und</strong> <strong>Naturwissenschaft</strong>en<br />

widersprechen<br />

sich nicht. Sie betrachten<br />

die eine Welt<br />

aus unterschiedlichen<br />

Perspektiven. Sie haben<br />

verschiedene Methoden<br />

dazu <strong>und</strong> stellen<br />

unterschiedliche<br />

Fragen.<br />

Bei der Frage der Entstehung<br />

der Welt <strong>und</strong><br />

ihrer Entwicklung fragt<br />

die Theologie zum Beispiel,<br />

warum es die Welt überhaupt<br />

gibt (Leibniz: Ich w<strong>und</strong>ere<br />

mich, dass es überhaupt etwas<br />

gibt <strong>und</strong> nicht vielmehr<br />

nichts). Sie stellt also die<br />

gr<strong>und</strong>sätzlichen Fragen nach<br />

der Existenz der Welt <strong>und</strong> des<br />

Lebens. Die Evolutionstheorie<br />

als naturwissenschaftliche<br />

Theorie stellt diese gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />

Fragen nach dem<br />

„Warum“ nicht, sondern<br />

Evolutionstheoretiker wollen<br />

herausfinden, wie diese<br />

Welt entstanden sein könnte<br />

<strong>und</strong> wie sie sich dann vom<br />

Unbelebten über das Belebte<br />

hin zum menschlichen Geist<br />

entwickelt haben könnte.<br />

Sie stellen Hypothesen über<br />

diese Entwicklung auf <strong>und</strong><br />

versuchen, diese Hypothesen<br />

durch bestimmte Messungen<br />

(z. B. bei Darwin durch Messen<br />

der verschiedenen Finkenschnäbel)<br />

oder durch<br />

Experimente zu bestätigen<br />

(verifizieren) oder als falsch<br />

abzulehnen (falsifizieren).<br />

Foto: helmut@klauninger<br />

Matthias Beck<br />

studierte Pharmazie, Humanmedizin<br />

<strong>und</strong> Theologie <strong>und</strong><br />

lehrt am Institut für Systematische<br />

Theologie der Uni Wien<br />

mit dem Forschungsschwerpunkt<br />

Medizinische Ethik.<br />

Interpretation der Welt<br />

<strong>Naturwissenschaft</strong>en<br />

bringen also keine Wahrheit<br />

hervor, sondern sie stellen<br />

Hypothesen über die Zusammenhänge<br />

in der Natur<br />

auf <strong>und</strong> versuchen, diese<br />

Hypothesen zu bestätigen.<br />

Die Theologie hingegen hat<br />

keine Messinstrumente, sie<br />

macht keine Experimente<br />

<strong>und</strong> die Bibel ist auch kein<br />

naturwissenschaftliches<br />

Buch. Sie ist ein Buch, in dem<br />

Erfahrungen <strong>von</strong> Menschen<br />

mit ihrem Gott Jahwe <strong>und</strong><br />

später mit der Person Jesu<br />

Christi aufgeschrieben sind.<br />

Im Alten Testament geht es<br />

auch um Erschaffung der<br />

Welt <strong>und</strong> wie man sich das<br />

vorgestellt hat. Eine naturwissenschaftliche<br />

Beschreibung<br />

ist das nicht. Die Methoden<br />

<strong>und</strong> Fragestellungen<br />

<strong>von</strong> <strong>Naturwissenschaft</strong> <strong>und</strong><br />

Theologie sind also gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

andere <strong>und</strong> können<br />

sich nicht widersprechen.<br />

Im Gegenteil: Aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

unterschiedlichen Fragestellungen<br />

können sie sich bei<br />

der Interpretation der Welt<br />

gegenseitig bereichern.<br />

Ein alter Satz <strong>von</strong> Anselm<br />

<strong>von</strong> Canterbury lautet: „Fides<br />

quaerens intellectum“,<br />

der Glaube sucht den Intellekt.<br />

Christlicher Glaube ist<br />

darauf ausgerichtet, <strong>von</strong> der<br />

Vernunft durchdrungen zu<br />

werden. Glaube ist kein Gegensatz<br />

zur Vernunft, sondern<br />

bringt die Vernunft erst<br />

zu ihrer vollen Entfaltung. Er<br />

geht über die innerweltliche<br />

Vernunft hinaus. Er ist also<br />

nicht un-vernünftig, sondern<br />

– wenn man so sagen<br />

darf – über-vernünftig. „Ich<br />

glaube, um zu verstehen“<br />

(credo ut intelligam) ist ein<br />

weiterer Satz des Anselm<br />

<strong>von</strong> Canterbury. Der richtige<br />

christliche Glaube führt zu<br />

einem tieferen Verständnis<br />

der Welt. Ohne die Ausrichtung<br />

des Menschen auf das<br />

Absolute (Gott) bleibt die<br />

Vernunft womöglich hinter<br />

ihren Möglichkeiten zurück.<br />

Der Mensch muss über sich<br />

selbst hinauswachsen, er<br />

übersteigt den Menschen<br />

um ein Unendliches (Pascal).<br />

Der Mensch ist Mensch<br />

<strong>von</strong> seiner Art her <strong>und</strong> <strong>von</strong><br />

dort her kommt ihm Würde<br />

zu. Aber im Zuge seiner Bildung<br />

<strong>und</strong> Ausbildung muss<br />

er auch zum Menschen erzogen<br />

werden, damit er nicht<br />

hinter dem Anspruch des<br />

Lebens zurückbleibt. Es ist<br />

christliche Lehre, dass das<br />

Leben jedes einzelnen Menschen<br />

zur Entfaltung <strong>und</strong><br />

zur Fülle kommen soll (Joh<br />

10.10). Dazu bedarf es der<br />

Erziehung, der Bildung <strong>und</strong><br />

der Ausbildung. Es bedarf<br />

der Herzensbildung <strong>und</strong> der<br />

Geistesbildung sowie der<br />

körperlichen, geistigen <strong>und</strong><br />

geistlichen Nahrung.<br />

Diverse Perspektiven<br />

So sind auch die ersten<br />

Universitäten entstanden:<br />

Um die Kathedralen herum<br />

versammelten sich in Kathedralschulen<br />

Lehrer <strong>und</strong><br />

Schüler. Universitäten mit<br />

ihren Fakultäten sollen das<br />

eine Universum aus verschiedenen<br />

Perspektiven betrachten.<br />

Die Theologie war dabei<br />

zunächst die Universalwissenschaft<br />

Nummer eins <strong>und</strong><br />

hat auch bis heute an alten<br />

Universitäten die Fakultätsnummer<br />

01 behalten.<br />

Bereichern, inspirieren<br />

Im Lauf der Geschichte<br />

brach die Einheit der<br />

Wissenschaften auseinander<br />

<strong>und</strong> spätestens mit der<br />

Unterscheidung <strong>von</strong> Geist<br />

<strong>und</strong> Materie durch René<br />

Descartes entwickelten sich<br />

auch Geistes- <strong>und</strong> <strong>Naturwissenschaft</strong>en<br />

auseinander.<br />

Nach dem Durchgang durch<br />

die Diversifizierung der verschiedenen<br />

Wissenschaften<br />

ist heute die Zeit gekommen,<br />

wo die Wissenschaften sich<br />

wieder aufeinander zubewegen<br />

<strong>und</strong> sich komplementär<br />

ergänzen. Das geschieht<br />

schon in vielen ethischen<br />

Diskussionen, es kann aber<br />

auch im Zueinander <strong>von</strong><br />

Quantenphysik <strong>und</strong> Theologie<br />

oder im Bereich <strong>von</strong><br />

Genetik, Epigenetik <strong>und</strong><br />

Theologie geschehen. Die<br />

Wissenschaften sind <strong>von</strong>einander<br />

zu unterscheiden<br />

<strong>und</strong> sie gehören dennoch zusammen:<br />

unvermischt <strong>und</strong><br />

ungetrennt. Der christliche<br />

Glaube widerspricht nicht<br />

der naturwissenschaftlichen<br />

Forschung, er kann sie im<br />

Gegenteil durch neue Fragestellungen<br />

bereichern <strong>und</strong><br />

inspirieren.<br />

M a t t h I a S B e C k<br />

weltbild<br />

Ansicht. Nicht nur Galileo<br />

Galilei, auch der Theologe<br />

Christoph Scheiner SJ geriet<br />

in Auseinandersetzung<br />

mit der Kirche. Seite 2<br />

heilgArten<br />

heilen. „Eine ausgeglichene<br />

Seele sowie ein ges<strong>und</strong>er<br />

Geist sind Ursprung<br />

körperlicher Ges<strong>und</strong>heit“:<br />

So ein Gr<strong>und</strong>stein der<br />

Heilk<strong>und</strong>e nach Hildegard<br />

<strong>von</strong> Bingen. Seite 2<br />

jubiläum<br />

100. Ausgabe. Vier Seiten<br />

Einblick in die Entstehung<br />

<strong>und</strong> Entwicklung des<br />

„Moment“, das vor zehn<br />

Jahren das erste Mal erschienen<br />

ist. Seiten 3 bis 6<br />

geSpräch<br />

interesse wecken. Als<br />

„Bew<strong>und</strong>erer der <strong>Naturwissenschaft</strong>“<br />

bezeichnet<br />

sich Hans Laiminger<br />

selbst. Als Katholik setzt<br />

er sich intensiv mit Religion<br />

auseinander. Seite 7<br />

interview<br />

Fragestellung. Religion<br />

fängt dort an, wo <strong>Naturwissenschaft</strong><br />

aufhört.<br />

Der Physiker Rainer Blatt<br />

stellt die Frage nach dem<br />

Wie, nicht aber nach dem<br />

Warum. Seite 8


2 TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 115-BG Freitag, 26. April 2013<br />

Heilen mit Hildegard <strong>von</strong> Bingen<br />

„Gartln“ tut der Seele gut<br />

„Eine ausgeglichene Seele sowie ein ges<strong>und</strong>er<br />

Geist sind Ursprung körperlicher Ges<strong>und</strong>heit.“<br />

Dieser Satz ist ein Gr<strong>und</strong>stein der Heilk<strong>und</strong>e nach<br />

Hildegard <strong>von</strong> Bingen, welche die Benediktinerin<br />

im Mittelalter begründete. Die Heilk<strong>und</strong>e weckt<br />

auch im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert das Interesse vieler, eine<br />

Anhängerin ist Katharina Hechenberger. „Mich<br />

fasziniert vor allem das ganzheitliche Menschenbild<br />

der Hildegard <strong>von</strong> Bingen. Außerdem ist bei ihr<br />

ein blindes Gottvertrauen spürbar“, sagt die Obfrau<br />

des „St. Hildegardvereins Reith im Alpbachtal“. Die<br />

Heilk<strong>und</strong>e der Hildegard <strong>von</strong> Bingen ist gekennzeichnet<br />

<strong>von</strong> umfangreichen Werken über Religion,<br />

Medizin, Musik, Ethik <strong>und</strong> Kosmologie. Die Heilige<br />

war bekannt für ihren unermüdlichen Einsatz an<br />

der Seite der Armen <strong>und</strong> Kranken sowie als Prophetin,<br />

Schriftstellerin <strong>und</strong> Beraterin <strong>von</strong> Kaisern<br />

<strong>und</strong> Königen.<br />

Der Verein im Tiroler Unterland wurde 2008 gegründet,<br />

vor zwei Jahren konnte der Plan eines<br />

Gartens umgesetzt werden. Am Waldrand, nicht<br />

weit vom Gemeindezentrum entfernt, befindet sich<br />

der r<strong>und</strong> 1000 Quadratmeter große Schau- <strong>und</strong><br />

Erholungsort. „Unser Ziel ist es, den Gästen die<br />

Lehre der Hildegard <strong>von</strong> Bingen näherzubringen<br />

<strong>und</strong> ihnen einen besonderen Zugang zur Natur zu<br />

ermöglichen“, sagt Hechenberger. Neben liebevoll<br />

gestalteten Ruheplätzen, einem Barfußweg sowie<br />

einem Bachlauf finden die Gäste zahlreiche Kräuterbeete<br />

<strong>und</strong> einen kleinen Weinberg. „Einige Heilmittel<br />

nach Hildegard <strong>von</strong> Bingen sind mit Wein<br />

hergestellt, zum Beispiel der Herzwein. Dieser<br />

stärkt das Herz <strong>und</strong> erfreut die Seele, außerdem<br />

wirkt er beruhigend“, weiß die Obfrau. Im Garten<br />

sind die Kräuter nach ihrer Wirkung eingeteilt: In<br />

der Abteilung „Atemwege <strong>und</strong> Lunge“ wächst u. a.<br />

Salbei, bei „Gemüt“ hingegen gedeiht Ysop.<br />

der vereinsvorstand (stehend <strong>von</strong> links): Hilda moser,<br />

irmgard rendl, Hanni vorhofer, gabi Fürst <strong>und</strong> maresi<br />

margreiter. vorne <strong>von</strong> links: maria naschberger <strong>und</strong><br />

Katharina Hechenberger.<br />

Foto: Hildegardverein<br />

Einer der zentralen Begriffe der Lehre der Hildegard<br />

<strong>von</strong> Bingen ist die „Discretio“, das rechte<br />

Maß. „Der Sinn des Lebens liegt letztlich darin, das<br />

Leben als solches zu pflegen <strong>und</strong> dazu gehört die<br />

achtsame Auseinandersetzung mit sich selbst: mit<br />

den eigenen Stärken, Talenten <strong>und</strong> Tugenden“, sagt<br />

Hechenberger. So sei es wichtig, auf ein gutes Verhältnis<br />

zwischen Arbeit <strong>und</strong> Freizeit oder zwischen<br />

Schlafen <strong>und</strong> Wachen zu achten. Die Tirolerin ist<br />

überzeugt, dass mit Wissen über die Heilk<strong>und</strong>e einigen<br />

Krankheiten vorgebeugt werden könne.<br />

Näheres zum Garten <strong>und</strong> zu Hildegard <strong>von</strong> Bingen<br />

erfahren Interessierte im Internet unter<br />

www.hildegardgarten.info.<br />

Moment<br />

26. april 2013 – Sonderbeilage<br />

andrea hutteGGer<br />

andrea.huttegger@kommunikation.kirchen.net<br />

Gründungsherausgeber: Komm.-Rat Joseph S. Moser, April 1993†;<br />

Herausgeber: Gesellschafterversammlung der Moser Holding AG;<br />

Medieninhaber (Verleger): Schlüsselverlag J. S. Moser GmbH.; Hersteller:<br />

Intergraphik Ges. m. b. H.; Sonderpublikationen, Leitung:<br />

Frank Tschoner; Redaktion: Karin Bauer, Matthias Beck, Heike Fink,<br />

Daniel Furxer, Christa Hofer, Walter Hölbling, Andrea Huttegger,<br />

Wolfgang Kumpfmüller, Daniela Pfennig, Romana Pockstaller.<br />

Diözese Innsbruck, Abteilung ÖA: Karin Bauer. Erzdiözese Salzburg,<br />

Amt für Kommunikation: Wolfgang Kumpfmüller.<br />

Anschrift für alle: Brunecker Straße 3, 6020 Innsbruck, Postfach 578,<br />

Tel. 0 512/53 54-0, Fax 0 512/53 54-3577. moment@dibk.at<br />

Geozentrisches oder<br />

heliozentrisches Weltbild<br />

Nicht nur Galileo Galilei,<br />

auch der Theologe<br />

<strong>und</strong> Astronom Christoph<br />

Scheiner SJ geriet<br />

in Auseinandersetzung<br />

mit der Kirche.<br />

Das ungleiche Paar Kirche<br />

<strong>und</strong> <strong>Naturwissenschaft</strong><br />

geriet schon<br />

früh in Streit. Galileo Galilei<br />

ist wohl der Bekannteste,<br />

der seine Lehren widerrufen<br />

muss te. Auch der Ingolstädter<br />

Astronom Christoph Scheiner<br />

SJ, der ab 1618 einige<br />

Jahre in Innsbruck lebte, bekam<br />

die Autorität der Kirche<br />

deutlich zu spüren. Galileo<br />

Galilei geriet im 17. Jh. mit<br />

der römisch-katholischen<br />

Kirche in Konflikt, als er das<br />

heliozentrische Weltbild <strong>von</strong><br />

Nikolaus Kopernikus mit Hilfe<br />

<strong>von</strong> Beobachtungen mit<br />

dem Fernrohr zu beweisen<br />

versuchte. Er musste seine<br />

Lehren, dass sich die Erde<br />

um die Sonne dreht, widerrufen<br />

<strong>und</strong> wurde ab 1633 unter<br />

Hausarrest gestellt.<br />

Begründung in der Bibel<br />

Kopernikus selbst blieb<br />

diese Auseinandersetzung<br />

erspart, da er Protestant war.<br />

Martin Luther belächelte ihn<br />

jedoch als Narr, der die Kunst<br />

der Astronomia verdrehe.<br />

Die Auffassung, dass die Erde<br />

ruhe, während sich die Sonne<br />

bewege, wurde biblisch <strong>von</strong><br />

Luther vor allem durch die<br />

Stelle in Josua 10, 12-13 begründet,<br />

in der es heißt: „(12)<br />

Damals redete Josua mit dem<br />

HERRN an dem Tage, da der<br />

HERR die Amoriter vor den<br />

Israeliten dahingab, <strong>und</strong> er<br />

sprach in Gegenwart Israels:<br />

Sonne, steh still zu Gibeon,<br />

<strong>und</strong> Mond, im Tal Ajalon!<br />

(13) Da stand die Sonne still<br />

<strong>und</strong> der Mond blieb stehen,<br />

bis sich das Volk an seinen<br />

Feinden gerächt hatte. Ist<br />

dies nicht geschrieben im<br />

Buch des Redlichen? So blieb<br />

die Sonne stehen mitten am<br />

Himmel <strong>und</strong> beeilte sich<br />

nicht unterzugehen fast einen<br />

ganzen Tag.“<br />

Christoph Scheiner SJ<br />

wortbedeutung <strong>von</strong> glauben<br />

<strong>Glauben</strong> heißt „für wahr halten“<br />

Das Verb „glauben“<br />

entstand aus dem<br />

mittelhochdeutschen<br />

„gelouben“, dessen Wortbedeutung<br />

„für lieb halten“,<br />

„gutheißen“ war. Gegenwärtig<br />

besitzt „glauben“ drei Bedeutungsdimensionen.<br />

Für möglich halten<br />

Erstens bedeutet das Wort<br />

„glauben“ so viel wie etwas für<br />

möglich <strong>und</strong> wahrscheinlich<br />

halten, annehmen, meinen.<br />

„Sie glaube sich zu erinnern“<br />

ist ein Verwendungsbeispiel.<br />

Außerdem drückt es ein<br />

„fälschliches <strong>Glauben</strong>“ aus,<br />

wenn man beispielsweise etwas<br />

oder jemanden für etwas<br />

oder jemanden anderen hält.<br />

Ein Beispiel dafür sind die<br />

folgenden zwei Phrasen: ich<br />

Christoph Scheiner SJ (geboren 1573) wurde <strong>von</strong> Erzherzog Maximilian III. 1618 nach Innsbruck<br />

geholt, wo er mehrere Jahre verbrachte. Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sheiner_Viewing_Sunspots_1625.jpg<br />

(1573–1670) wurde ein anderes<br />

Schicksal zuteil. Prof.<br />

Dr. Franz Daxecker befasste<br />

sich eingehend mit dem<br />

Astronomen <strong>und</strong> Theologen<br />

Scheiner, dem auch spektakuläre<br />

Entdeckungen am<br />

menschlichen Auge gelangen:<br />

„Christoph Scheiner<br />

war mit ziemlicher Sicherheit<br />

der Erste, dem der Nachweis<br />

<strong>von</strong> Sonnenflecken gelang.<br />

Durch den so genannten<br />

Prioritätenstreit mit Galilei,<br />

der fast gleichzeitig ähnliche<br />

Beobachtungen machte,<br />

wurde Scheiner bekannt.<br />

Vordergründig ging es wohl<br />

darum, wer die Sonnenflecken<br />

zuerst entdeckte, im<br />

Gr<strong>und</strong>e genommen aber entbrannte<br />

der Streit zwischen<br />

zur pErSon<br />

prof. Dr. Franz<br />

Daxecker, Professor<br />

an der<br />

Universitätsklinik<br />

für Augenheilk<strong>und</strong>e<br />

<strong>und</strong><br />

Optometrie in<br />

Innsbruck, befasste<br />

sich eingehend mit dem<br />

Astronomen <strong>und</strong> Theologen<br />

Christoph Scheiner.<br />

glaubte mich im Recht; wir<br />

glaubten uns unbeobachtet.<br />

„glauben heißt, die unbegreiflichkeit<br />

gottes ein leben<br />

lang aushalten.“<br />

Karl Rahner<br />

Foto: Daxecker<br />

Für wahr halten<br />

Zweitens bedeutet „glauben“<br />

etwas für wahr oder<br />

richtig halten, gefühlsmäßig<br />

<strong>von</strong> der Richtigkeit einer Sache<br />

oder einer Aussage überzeugt<br />

sein: ich glaube schon,<br />

dass es sich so verhält; sie<br />

glaubt ihm jedes Wort. Diese<br />

Beispiele drücken die unreflektierte<br />

Komponente<br />

dieses Verbes aus. Es zeigt,<br />

den Anhängern des heliozentrischen<br />

<strong>und</strong> des geozentrischen<br />

Weltbilds“, erläutert<br />

Daxecker.<br />

Scheiner fand heraus, dass<br />

sich Merkur <strong>und</strong> Venus um<br />

die Sonne drehen, <strong>und</strong> vertrat<br />

das kopernikanische Weltbild.<br />

Am 13. Dezember 1614<br />

erhielt er jedoch vom Generaloberen<br />

Claudio Aquaviva<br />

die Ermahnung, „nicht die<br />

Meinung der Modernen zu<br />

lehren“ <strong>und</strong> „sich mit der<br />

soliden <strong>und</strong> älteren Lehrmeinung,<br />

dem geozentrischen<br />

System, zu versöhnen“.<br />

Christoph Scheiner fügte<br />

sich dieser Ermahnung <strong>und</strong><br />

lehrte <strong>und</strong> publizierte nicht<br />

mehr in diese Richtung. Seine<br />

Forschungen zu den Sonnenflecken<br />

<strong>und</strong> vor allem<br />

zum menschlichen Auge<br />

waren für die katholische<br />

Kirche keine Bedrohung<br />

ihres Weltbildes mehr.<br />

Arbeit zu Sonnenflecken<br />

1616 bis 1630 wurde<br />

Scheiners Hauptwerk „Rosa<br />

Ursina sive Sol“ gedruckt,<br />

in dem Scheiner unter anderem<br />

genau die Sonnenflecken<br />

<strong>und</strong> sein Festhalten<br />

am geozentrischen System<br />

begründet. Zeitzeugen <strong>von</strong><br />

dass man sich einer Mehrheit<br />

anschließt, mit dem Strom<br />

schwimmt. Hier ist auch die<br />

Redewendung „jemanden etwas<br />

glauben machen wollen“<br />

erwähnenswert, die „jemandem<br />

etwas einzureden versuchen“<br />

meint. Die christliche<br />

Dimension <strong>von</strong> „glauben“<br />

meint aber mehr als das Mitlaufen<br />

mit der Menge: Religiöser<br />

Glaube ist eine Herzenssache.<br />

Vom <strong>Glauben</strong> erfüllt sein<br />

Schließlich steht das Wort<br />

„glauben“ für vom <strong>Glauben</strong><br />

erfüllt sein, gläubig sein. Darunter<br />

verstehen wir, dass wir<br />

fest <strong>und</strong> unbeirrbar glauben.<br />

Es meint auch, im <strong>Glauben</strong><br />

<strong>von</strong> der Existenz einer Person<br />

oder Sache überzeugt sein,<br />

Scheiner berichteten jedoch,<br />

dass er im Innersten nach wie<br />

vor an das kopernikanische<br />

System glaubte.<br />

Bezeichnend ist die Erklärung<br />

<strong>von</strong> Galilei, warum<br />

er nicht mehr an das heliozentrische<br />

Weltbild glaube:<br />

„Die Theologen beschäftigen<br />

sich mit dem Gedanken, das<br />

Buch des Copernicus <strong>und</strong> die<br />

darin enthaltene Lehre <strong>von</strong><br />

der Erdbewegung zu verbieten.<br />

Ich hielt sie damals<br />

für wahr, bis es jene Herren<br />

für gut fanden, das Buch zu<br />

verbieten <strong>und</strong> die Lehre für<br />

falsch <strong>und</strong> im Widerspruch<br />

mit der Hl. Schrift zu erklären.<br />

Heute weiß ich, wie sehr<br />

es sich gehört, zu gehorchen<br />

<strong>und</strong> an die Entscheidungen<br />

der Oberen zu glauben, als<br />

an Beschlüsse, die höchsten<br />

Erkenntnissen entspringen,<br />

an die mein kleiner Geist<br />

nicht aus sich heraus heranreicht<br />

. . .“ Christoph Scheiner<br />

mag es in seinem inneren<br />

Exil wohl ähnlich gegangen<br />

sein. Die Kirche errang<br />

damals einen Etappensieg<br />

gegen die <strong>Naturwissenschaft</strong>.<br />

Jedoch nur vorläufig.<br />

d A N i e l f u r x e r<br />

daniel.furxer@ dibk.at<br />

etwas für wahr <strong>und</strong> wirklich<br />

halten: Im christlichen Sinn<br />

bedeutet „glauben“ also, <strong>von</strong><br />

der Existenz Gottes überzeugt<br />

zu sein, ihn für wahr zu<br />

halten, an die Auferstehung<br />

zu glauben. Der Glaube ist<br />

folglich eine gefühlsmäßige,<br />

nicht <strong>von</strong> Beweisen, Fakten<br />

oder Ähnlichem bestimmte<br />

Gewissheit oder religiöse<br />

Überzeugung. Ludwig Wittgenstein<br />

fasste „glauben“ wie<br />

folgt zusammen: „An einen<br />

Gott glauben heißt sehen,<br />

dass es mit den Tatsachen<br />

der Welt noch nicht getan ist.<br />

An einen Gott glauben heißt<br />

sehen, dass das Leben einen<br />

Sinn hat.“<br />

d a n i e l a<br />

p F e n n i G<br />

daniela@pfennig.at


DIÖZESE INNSBRUCK<br />

ERZDIÖZESE SALZBURG<br />

Nr. 100 – April 2013<br />

100.<br />

AusgAbe<br />

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Staunen über das Geschenk –<br />

Die Seele in die Sonne halten<br />

Nicht das Starksein öffnet mich für die Fre<strong>und</strong>schaft, sondern gerade das Schwachsein.<br />

Man könnte auch sagen, der Mensch ist in der Krise, wenn er keine Fre<strong>und</strong>e hat.<br />

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Sie schreiben Zeilen aus<br />

Gold<br />

Ich schreib‘ aus meiner<br />

Seele<br />

Ich hab nur zeigen gewollt,<br />

Was hier passiert<br />

Ich schreib‘ Dir Zeilen aus<br />

Blut<br />

Und ich hoffe Du fühlst es<br />

Es gibt ein kostbares Gut<br />

<strong>und</strong> es verbirgt sich in Dir.<br />

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Die Gegenwart Gottes erfüllt<br />

unsere Sehnsucht nach dem Du<br />

Die Gegenwart Gottes schenkt uns Menschen Kraft <strong>und</strong> Trost, felsenfesten Halt,<br />

Orientierung, religiöse Geborgenheit <strong>und</strong> die Hoffnung auf ewiges Glück.<br />

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Im Sakrament begegnen wir<br />

Gott auf menschliche Weise<br />

In den christlichen Sakramenten sucht Gott die Begegnungen mit uns Menschen, weil er uns liebt.<br />

Die wirksame Gegenwart ist spürbar im menschlichen Zusammentreffen in der Kirche.<br />

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Junge Menschen setzen sich<br />

Ziele <strong>und</strong> träumen die Zukunft<br />

Wenn wir uns über die Welt <strong>und</strong> ihre Ungerechtigkeiten beklagen, sollten wir selbst einmal<br />

dafür sorgen, dass Gleichberechtung <strong>und</strong> Fairness herrschen.<br />

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Hinsehen lohnt sich: Was wir<br />

im Auge haben, das prägt uns<br />

Qualitativ gute Werke zeitgenössischer Künstlerinnen <strong>und</strong> Künstler führen uns zu häufig<br />

vergessenen Wahrheiten. Vor diesen Einsichten verblassen Kitsch <strong>und</strong> schlechter Geschmack.<br />

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Die Entstehung des Lebens liegt<br />

nicht nur in Menschenhand<br />

Die Geburt ist ein wiederkehrendes W<strong>und</strong>er der Natur, welches zu großem Glück,<br />

in manchen Fällen aber auch zu Leid <strong>und</strong> Schmerz führen kann.<br />

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Mit weit geöffneten Augen den<br />

Horizont des Herzens erweitern<br />

Mit einem „Jahr der Welt_Kirche“ rückt die Diözese Innsbruck das Anliegen einer weltweiten<br />

Gerechtigkeit <strong>und</strong> Solidarität in den Mittelpunkt.<br />

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JUGEND<br />

Gottesdienst. In Wattens<br />

haben sich Jugendliche<br />

<strong>und</strong> der Kaplan in den Kopf<br />

gesetzt, einmal monatlich<br />

zu einer eigenen Messe<br />

einzuladen. Seite 2<br />

FARBEN<br />

Symbole. Weiß, Rot,<br />

Violett, Grün <strong>und</strong> Rosa<br />

sind die Farben, die in der<br />

Liturgie verwendet werden.<br />

Nicht nur für Gewänder,<br />

sondern auch für liturgische<br />

Orte. Seite 2<br />

KRAF TQUELLEN<br />

Gottesdienst. Liturgie ist<br />

gelungen, wenn sie den<br />

Menschen zu Herzen geht<br />

<strong>und</strong> das Leben zur Sprache<br />

bringt. Seite 3<br />

F RAUEN<br />

Mit Schwestern feiern.<br />

Seit 1986 gibt es in Tirol<br />

Frauenliturgien. Bei diesen<br />

treffen sich Frauen aller Altersstufen,<br />

die Impulse für<br />

ihr Leben suchen. Seite 3<br />

SINNE<br />

Interview. Der Innsbrucker<br />

Universitäts-Professor<br />

Reinhard Meßner über<br />

Liturgie <strong>und</strong> Sinnlichkeit,<br />

Hochgebet <strong>und</strong> Alltagssprache.<br />

Seite 4<br />

Warum ist diese Nacht<br />

ganz anders als alle anderen<br />

Nächte? So fragt der<br />

Jüngste am Beginn der<br />

Feier des jüdischen Osterfestes.<br />

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Die Liebe Gottes<br />

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Glaube des Menschen<br />

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Gegenwart Gottes<br />

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In der Osterliturgie wird die<br />

Liebe Gottes allgegenwärtig<br />

Liturgie inszeniert nicht unsere Träume oder Bedürfnisse. Sie ist ein Zugang zur<br />

Wirklichkeit Jesu, ohne die wir im eigenen Saft stecken bleiben würden.<br />

Manfred Scheuer.<br />

Foto: Parigger<br />

Trauer, Angst <strong>und</strong> Tod des Karfreitags münden in die Freude der österlichen Auferstehung.<br />

Fotos: Böhm<br />

Pilgern boomt. Und wie.<br />

Die Leute machen sich<br />

tatsächlich auf den Weg –<br />

meistens den Jakobsweg.<br />

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Mit lachendem Auge<br />

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Bewusster Bruch<br />

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Ist das alles „Pilgern“?<br />

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Volk Gottes unterwegs<br />

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Pilgern bringt Menschen dem<br />

Wesen ihrer Existenz näher<br />

Pilgern heißt, sich der Bürde des Fremdseins auszusetzen, mit der Routine des Alltags zu brechen.<br />

Pilgern hilft, seelische <strong>und</strong> materielle Dimension des Daseins ins Gleichgewicht zu bringen.<br />

Die Jakobsmuschel ist seit Jahrtausenden das zentrale Symbol für die Pilger auf den Pilgerwegen nach Satiago de Compostela.<br />

Foto: Fink<br />

Peter Lindenthal.<br />

Foto: Pedrop<br />

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THEOLOGIE<br />

Erdung. Pilgern heißt, sich<br />

auf den Weg einzulassen,<br />

es ist meditatives Gehen<br />

<strong>und</strong> die Verb<strong>und</strong>enheit mit<br />

der Erde, sagt Lioba Hesse.<br />

Seite 2<br />

PILGERN HEUTE<br />

Moderne Zeiten. Das Pilgern<br />

an sich hat sich durch<br />

die Jahrh<strong>und</strong>erte kaum<br />

verändert. Die Ausstattung<br />

der meisten Pilger hingegen<br />

ist heutigem Standard<br />

angepasst. Seite 3<br />

TIROLER WEG<br />

Tirol erpilgern. Elf Tage<br />

brauchte ein Pilgergruppe,<br />

um Tirol auf den Spuren<br />

des alten Jakosweges zu<br />

durchqueren. Seite 4<br />

H ERBERGE<br />

Wohnen im Widum. Pfarrer<br />

Andreas Tausch hat in seinem<br />

Widum in Inzing eine<br />

Herberge für Pilger eingerichtet.<br />

Seite 6<br />

NEUE W EGE<br />

Wendepunkt. Wilhem Holzhammer<br />

macht sich regelmäßig<br />

auf, um für mehrere<br />

Wochen täglich 20 Kilometer<br />

ganz allein auf dem<br />

Jakobsweg unterwegs zu<br />

sein. Seite 8<br />

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BEICHTE<br />

Aussprache. In der Beichte<br />

darf der Mensch mit Gott<br />

über die Schattenseiten<br />

seines Lebens sprechen<br />

<strong>und</strong> sich dabei <strong>von</strong> ihm angenommen<br />

fühlen. Seite 2<br />

JUGEND<br />

Sprache. Das Bewusstsein<br />

ist vorhanden, die Vokabel<br />

„Todsünde“ Jugendlichen<br />

aber oft fremd. Für sie<br />

braucht es eine andere<br />

Sprache. Seite 2<br />

HINTERGRUND<br />

Die sieben Todsünden.<br />

Sie zerstören das Verhältnis<br />

des Menschen<br />

zu sich selbst, zu den<br />

Mitmenschen <strong>und</strong> auch zu<br />

Gott. Seiten 2 <strong>und</strong> 3<br />

KUNST<br />

Darstellung. Seit Jahrh<strong>und</strong>erten<br />

hat der Erzengel<br />

Michael viel zu tun, die Las-<br />

ter dieser Welt immer<br />

wieder in den Orkus zu werfen.<br />

Seite 3<br />

I NTERVIEW<br />

Beziehungen. Was eine<br />

Todsünde ist, ist heute<br />

weniger klar definiert. Der<br />

Weg aus der Sünde führt<br />

stets über den individuellen<br />

Leidensdruck. Seite 4<br />

Geiz ist geil! Neid kurbelt<br />

die Wirtschaft an. Und die<br />

Wollust? Unsere Spaßgesellschaft<br />

hat die Todsünde<br />

ins Gegenteil verkehrt.<br />

J . N I E W I A D O M S K I<br />

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Sündenkatalog<br />

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Gott im Abgr<strong>und</strong><br />

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Freiheit zum Sündigen hat sich<br />

in ein Verhängnis verwandelt<br />

Die Todsünden sind wie eine Leitplanke an der Lebensautobahn. Sie zeigen, dass es links<br />

in den Sumpf <strong>und</strong> rechts in den Abgr<strong>und</strong> geht.<br />

Jozef Niewiadomski. Foto: Böhm<br />

Der moderne Mensch ist dazu verurteilt, immer mehr zu wollen <strong>und</strong> trotzdem nie genug zu haben.<br />

Foto: www.waldhaeusl.com<br />

„Könnt ihr es mit der Religion<br />

an der Schule nicht<br />

einfacher machen?“, fragt<br />

der Direktor einer höheren<br />

Schule.<br />

M a t t h i a s s c h a r e r<br />

Er muss für katholische,<br />

evangelische,<br />

orthodoxe,<br />

muslimische <strong>und</strong> keinem<br />

religiösen Bekenntnis angehörende<br />

Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler fünf verschiedene<br />

Angebote organisieren, wenn<br />

im St<strong>und</strong>enplan Religions-<br />

bzw. Ethikunterricht steht.<br />

Das Beispiel zeigt auf, aus<br />

welcher Richtung der <strong>von</strong><br />

den unterschiedlichen Kirchen<br />

<strong>und</strong> Religionsgemeinschaften<br />

inhaltlich verantwortete<br />

Religionsunterricht<br />

wieder ins öffentliche Gerede<br />

kommt. Längst haben sich<br />

die Argumente der 68-er Bewegung,<br />

die den Marxismusunterricht<br />

dem Religionsunterricht<br />

gleich stellen oder<br />

letzteren aus Ideologieverdacht<br />

gänzlich aus der Schule<br />

entfernen wollte, beruhigt.<br />

Auch die liberale Position,<br />

die Religion ausschließlich<br />

in den privaten Bereich der<br />

Familie verbannen will, hat<br />

sich tot gelaufen, seit selbst<br />

im „katholischen“ Tirol bewusst<br />

geworden ist, dass sich<br />

ethische <strong>und</strong> religiöse Traditionen,<br />

die einer demokratischen<br />

Gesellschaft ihren<br />

Rückhalt geben, nicht wie<br />

<strong>von</strong> selbst vermitteln. Neuerdings<br />

kommt aber aus unterschiedlichen<br />

Richtungen die<br />

kritische Anfrage an den differenzierten<br />

Religionsunterricht,<br />

in dem sich die Vielfalt<br />

der Kirchen <strong>und</strong> Religionsgemeinschaften<br />

widerspiegelt.<br />

Der Ruf nach einem einheitlichen<br />

Unterrichtsfach für<br />

alle Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

als Ethikunterricht, als Religionsk<strong>und</strong>e<br />

oder als „Religion<br />

<strong>und</strong> Kultur“, wie es kürzlich<br />

in der Schweiz eingeführt<br />

wurde, wird lauter.<br />

Kultur <strong>und</strong> Religion<br />

Auffallend an der Forderung<br />

nach einem <strong>und</strong>ifferenzierten<br />

Unterrichtsfach<br />

für alle Schüler ist der Anlass,<br />

der die Debatte auslöst. Er<br />

liegt im Bewusstwerden einer<br />

multireligiösen Gesellschaft.<br />

Dabei zeigt die zunehmende<br />

Präsenz <strong>von</strong> Menschen mit<br />

nichtchristlicher Religionszugehörigkeit,<br />

dass Kultur <strong>und</strong><br />

Religion zu einer neuen Herausforderung<br />

für ein friedliches<br />

Zusammenleben <strong>von</strong><br />

Menschen geworden sind.<br />

Speziell an Kindergärten <strong>und</strong><br />

Schulen wird der Bildungsnotstand<br />

im Hinblick auf den<br />

kompetenten Umgang mit<br />

der Religionsvielfalt immer<br />

offensichtlicher. Die naive<br />

Annahme, dass konfessionell<br />

ungeb<strong>und</strong>ene, aufgeklärt-liberale<br />

Lehrer, die sozusagen<br />

„über“ allen Religionszugehörigkeiten<br />

stehen, mit dem<br />

Potential der Religionen am<br />

kompetentesten umgehen<br />

könnten, hat sich als fataler<br />

Irrtum erwiesen. Menschen,<br />

die sich in einer Kirche oder<br />

Religionsgemeinschaft beheimatet<br />

fühlen, fühlen sich<br />

<strong>von</strong> Menschen aus einer<br />

anderen Religion viel besser<br />

verstanden als <strong>von</strong> liberalungeb<strong>und</strong>enen<br />

Menschen;<br />

die Kompetenz zum Religionsdialog<br />

hängt offensichtlich<br />

an der religiösen „Antenne“,<br />

die ohne Beziehung<br />

zu einer lebendigen <strong>Glauben</strong>sgemeinschaft<br />

ihre Empfangsqualität<br />

einbüßt. So ist<br />

ein differenzierter Religionsunterricht<br />

am besten dafür<br />

geeignet, zukunftsfähige Religionskompetenz<br />

im Sinne<br />

religiöser Dialogfähigkeit zu<br />

vermitteln.<br />

Offenes Angebot<br />

Der<br />

Religionsunterricht<br />

wird heute als Dienst an den<br />

Schülern <strong>und</strong> an der Schule<br />

verstanden, der ohne Gewissenszwang<br />

allen offen steht,<br />

ob sie gläubig sind oder ob sie<br />

sich im Moment als suchend<br />

oder ungläubig betrachten. Es<br />

geht um ein offenes, überzeugendes<br />

Angebot für die Sinnsuche<br />

<strong>und</strong> Lebensorientierung<br />

junger Menschen. Die Ideologisierung<br />

durch Religion, vor<br />

der manche große Angst haben,<br />

wird in einem offenen,<br />

philosophisch-theologisch<br />

verantworteten Religionsunterricht<br />

gerade ins Gegenteil<br />

verkehrt: Die vielfachen pseudoreligiösen<br />

Einflüsse, denen<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche in der<br />

<strong>von</strong> Markt <strong>und</strong> Medien dominierten<br />

Gesellschaft ausgesetzt<br />

sind, können aufgedeckt<br />

<strong>und</strong> in einen konstruktiven<br />

Umgang mit Religion gewandelt<br />

werden.<br />

Dabei können durch ein<br />

differenziertes Religionsangebot<br />

die Angehörigen aller<br />

Kirchen <strong>und</strong> Religionsgemeinschaften<br />

sowohl in ihrer<br />

glaubensspezifischen Weise,<br />

wie auch <strong>von</strong>einander <strong>und</strong><br />

miteinander lernen, was das<br />

Leben in einer pluralen <strong>und</strong><br />

säkularen Gesellschaft hält<br />

<strong>und</strong> trägt <strong>und</strong> woran es sich<br />

lohnt, das Leben auszurichten.<br />

Matthias Scharer ist Universitätsprofessor<br />

für Katechetik/<br />

Religionspädagogik <strong>und</strong> Religionsdidaktik<br />

an der Theologischen<br />

Fakultät Innsbruck.<br />

Ein überzeugendes Angebot für<br />

die Sinnsuche junger Menschen<br />

In einer multireligiösen Gesellschaft steht der Religionsunterricht vor der Herausforderung, den<br />

Menschen eine religiöse Dialogfähigkeit zu vermitteln <strong>und</strong> ein offenes Angebot zu sein.<br />

Der Religionsunterricht hält Angebote für die Lebensorientierung junger Menschen bereit. Moment hat die Religionslehrerin Katharina Strebitzer <strong>und</strong> die<br />

„Tigerenten-Klasse“ in der Volksschule Innere Stadt in Innsbruck besucht.<br />

Foto: Tatschl<br />

Matthias Scharer.<br />

F.: Stocker<br />

Nr. 53 – Jänner 2009<br />

Liebe Leserin!<br />

Lieber Leser!<br />

Mathematik – da geht es<br />

um Zahlen, Formeln, Summen<br />

<strong>und</strong> Quotienten. Physik<br />

– eine St<strong>und</strong>e lang Eindringen<br />

in die Geheimnisse<br />

des Universums. Englisch –<br />

Vokabeln <strong>und</strong> Grammatik.<br />

Das alles ist wichtig <strong>und</strong><br />

hat seine Berechtigung.<br />

Und wo kommt im Unterricht<br />

der Mensch selbst zur<br />

Sprache? Wo sind Freiräume,<br />

in denen Fragen beantwortet<br />

werden, die sich<br />

jenseits <strong>von</strong> Multiplikation<br />

<strong>und</strong> Gesetz der Schwerkraft<br />

stellen? Der Religionsunterricht<br />

kann so ein Freiraum<br />

sein, ein Ort, an dem<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

das Leben selbst in Augenschein<br />

nehmen können:<br />

mit allen Hoffnungen <strong>und</strong><br />

Fragezeichen, mit Ängsten,<br />

mit ihrer Trauer <strong>und</strong> ihrer<br />

Freude.<br />

In diesem Moment spüren<br />

wir den Chancen nach, die<br />

ein Religionsunterricht in<br />

der heutigen Gesellschaft<br />

bietet. Wir lassen Lehrer,<br />

Experten <strong>und</strong> Schüler zu<br />

Wort kommen, die <strong>von</strong> ihren<br />

Erfahrungen mit diesem<br />

Schulfach berichten.<br />

Walter Hölbling<br />

ANSPRACHE<br />

Religionsunterricht. Heinz<br />

Werlberger ist mit ganzem<br />

Herzen bei seinem Religionsunterricht.<br />

Ein Patentrezept<br />

gibt es nicht, ist er<br />

überzeugt. Seite 2<br />

BilduN g<br />

Religiöse Werte. Der<br />

Religionsunterricht an<br />

Schulen ist in der B<strong>und</strong>esverfassung<br />

verankert. Das<br />

Bildungsziel an Österreichs<br />

Schulen hat eine klare religiöse<br />

Dimension. Seite 2<br />

ETHi K<br />

Keine Konkurrenz. Angelika<br />

Perkhofer ist Ethiklehrerin<br />

an der HTL Bau<br />

<strong>und</strong> Kunst. Sie sieht viele<br />

Gemeinsamkeiten in Ethik-<br />

<strong>und</strong> Religionsunterricht.<br />

Seite 3<br />

PlädoyER<br />

Geheimnis. Der Religionsunterricht<br />

ist für Schüler<br />

in der heutigen Welt<br />

unverzichtbar, sagt Josef<br />

Gredler, Fachinspektor für<br />

katholischen Religionsunterricht<br />

an Volks- <strong>und</strong><br />

Hauptschulen in der Diözese<br />

Innsbruck<br />

Seite3<br />

iNTERviE w<br />

Religion <strong>und</strong> Kultur. Die<br />

Rektorin der kirchlichen<br />

Hochschule Edith Stein,<br />

Regina Brandl, über Religionsunterricht<br />

<strong>und</strong> Lehrerausbildung.<br />

Seite 4<br />

Nr. 54 – Februar 2009<br />

Keine Frage: Unser Land<br />

Tirol hat ein gutes Sozialnetz.<br />

Aber ebenso wahr<br />

ist: Irgendwo ist der H<strong>und</strong><br />

drinnen.<br />

l o t h a r M ü l l e r<br />

Von der Dritten, Vierten<br />

Welt ist hier noch gar nicht<br />

die Rede! Nicht <strong>von</strong> der<br />

„Armut dort“, der zigprozentigen<br />

Arbeitslosigkeit,<br />

der Kindersterblichkeit <strong>und</strong><br />

Ausbeutung – dort. Wir beschränken<br />

uns hier auf unsere<br />

eigene Heimat; mit den<br />

etwa 70.000 armen oder armutsgefährdeten<br />

Tiroler Mitmenschen,<br />

Mitbürgerinnen<br />

<strong>und</strong> Mitbürgern. Dazu gleich<br />

noch die neueste Meldung:<br />

Etwa 7000 Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

bedürfen hier, in<br />

der Heimat, dringend sozialpsychologischer<br />

Hilfe.<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche sind<br />

unsere Zukunft, meinte dazu<br />

Prof. Gerhard Schüssler <strong>von</strong><br />

der Klinik für Medizinische<br />

Psychologie <strong>und</strong> Psychotherapie<br />

Innsbruck. Müssen wir<br />

die 7000 <strong>von</strong> ihrer, unserer<br />

Zukunft abziehen?<br />

Und noch eine Frage: Wie<br />

verantworten wir das – vor<br />

ihnen, vor uns, vor Gott?<br />

Was fehlt?<br />

In der Armutsbekämpfung<br />

ist irgendwo „der H<strong>und</strong> drinnen“.<br />

Wir haben gewaltige<br />

„Sozialbudgets“. Sehr viele<br />

Hilfseinrichtungen <strong>und</strong> Engagierte,<br />

die mit hohem Einsatz<br />

tätig sind. Wir haben ein<br />

bisher sehr gut funktionierendes<br />

Pensionssystem, das<br />

der früher gefürchteten automatischen<br />

„Altersarmut“<br />

entgegenwirkt. Inklusive der<br />

neuen Selbstständigenvorsorge<br />

<strong>und</strong> der für die „Neuen<br />

Selbstständigen“. Wir<br />

haben die Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong><br />

Sozialsprengel, Sozialarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> -arbeiter auf allen<br />

Ebenen. Vielleicht haben<br />

wir überall zu wenig – wie<br />

etwa bei der „Schuldnerberatung“<br />

oder bei der Vorsorge<br />

gegen „Kaufsucht“. Ich sehe<br />

dies bei den Schicksalen, die<br />

beim neuen Unterstützungsfonds<br />

der Arbeiterkammer<br />

Tirol auf den Tisch kommen.<br />

Und noch was haben wir:<br />

Studien, politische Resolutionen,<br />

Absichtserklärungen<br />

– haufenweise. So viele, dass<br />

ein gelegentliches Verlorengehen<br />

auch nicht allzu viel<br />

ausmacht.<br />

Redet mit uns!<br />

Ich weiß, wie wichtig<br />

Geld, Einrichtungen <strong>und</strong><br />

Strukturen sind. Ich weiß<br />

aber auch, dass sie noch<br />

nicht alles sind. Darauf hat<br />

Prof. Hartmann Hinterhuber,<br />

Leiter der Psychiatrischen<br />

Universitätsklinik in Inns-<br />

bruck, nach langen Diskussionen<br />

im „Alexihaus“ (Haus<br />

für Obdachlose in Innsbruck)<br />

hingewiesen. Es geht um das<br />

„Case Management“, zu<br />

Deutsch: das Bemühen, den (!)<br />

betroffenen Menschen möglichst<br />

in seiner ganzen Geschichte<br />

<strong>und</strong> Situation zu<br />

sehen. Und dann – mit ihm<br />

– zu handeln. Immer in der<br />

Einzahl! Und so etwas erfordert<br />

nicht nur Geld, sondern<br />

vor allem Zeit, Kommunikationsfähigkeit,<br />

Zuwendung.<br />

Ein aktuelles Beispiel. Für die<br />

tief betroffene Arbeitslose<br />

(Reinigungsbereich) ist die<br />

persönliche Hilfe bei der Formulierung<br />

<strong>von</strong> Bewerbungsschreiben<br />

viel wichtiger als<br />

ein paar H<strong>und</strong>erter. Und<br />

warum denn erhoben die im<br />

Alexihaus lebenden „Wohnungslosen“<br />

in einem Weihnachtsaufruf<br />

den Wunsch:<br />

„Redet mit uns!“?<br />

Es geht nicht nur ums<br />

Geld, um Strukturen. Es geht<br />

um mehr: um den ganz normalen<br />

menschlichen „Umgang“,<br />

um das Investieren<br />

<strong>von</strong> Zeit, vor allem aber um<br />

Interesse <strong>und</strong> Zuwendung. Es<br />

geht also um die so genannten<br />

„soft skills“, die überall<br />

sonst auch gefordert sind: im<br />

Umgang der Ärzte mit den<br />

Patientinnen <strong>und</strong> Patienten,<br />

in Marketingstrategien, im<br />

Verhältnis <strong>von</strong> Lehrenden<br />

<strong>und</strong> Lernenden, im Wahrnehmen<br />

sozialer Verantwortung<br />

durch Unternehmen<br />

usw. Wer erfolgreich sein<br />

will, weiß um die Bedeutung<br />

dieser „soft skills“. In der Medizin<br />

<strong>und</strong> im Pharmabereich<br />

ist man schon einen Schritt<br />

weiter: „Personalisierte Medizin“<br />

– so die Bezeichnung<br />

der möglichst großen Annäherung<br />

an die betroffenen<br />

Menschen.<br />

Bei der wirkungsvollen<br />

Hilfe für arm gewordene<br />

oder armutsgefährdete Mitbürgerinnen<br />

<strong>und</strong> -bürger<br />

fehlt dieser Ansatz noch<br />

weitgehend. Ist ja auch sehr<br />

aufwändig: Er bedarf der Zuneigung<br />

zu jedem einzelnen<br />

Schicksal – mit Beratung,<br />

zum Teil schneller Überbrückungshilfe,<br />

Interesse für<br />

die persönliche Geschichte,<br />

die Zukunft usw. Und das<br />

zusätzlich zur Weiterentwicklung<br />

der Finanzierung,<br />

der Strukturen <strong>und</strong> Einrichtungen.<br />

Klar: Auch das ist<br />

schon schwer genug.<br />

Wenn ich mir für die Armutsbekämpfung<br />

im Land<br />

etwas wünschen dürfte,<br />

dann das: Stärkt die Schuldnerberatung<br />

<strong>und</strong> gebt den<br />

bewährten<br />

Einrichtungen<br />

Kapazitäten für ein „Case<br />

Management“. Ein bisschen<br />

mehr Zeit für jede/n. Vor<br />

allem in den Bezirken.<br />

Viele Facetten<br />

Die Armut ist so verschieden,<br />

wie es die betroffenen<br />

Menschen sind. Sie hat viele<br />

Gesichter, häufig die <strong>von</strong><br />

Kindern. Und dem müssen<br />

wir Rechnung tragen, wenn<br />

wir bei der Bekämpfung erfolgreich<br />

sein wollen.<br />

„Personalisierte Hilfe“ unter<br />

Beachtung der Lebensgeschichten:<br />

Das ist nicht billiger<br />

aber wirkungsvoller.<br />

Dr. Lothar Müller, Ex-Politiker,<br />

Seelsorger an der Klinik<br />

Innsbruck, war Assistent am<br />

Institut für Moraltheologie<br />

bei Univ.-Prof. Hans Rotter in<br />

Innsbruck. Er befasst sich in<br />

Theorie <strong>und</strong> Praxis mit sozialen<br />

Problemen.<br />

Armutsbekämpfung in Tirol:<br />

Irgendwo ist der H<strong>und</strong> drinnen<br />

Genügend Geld, soziale Einrichtungen <strong>und</strong> Strukturen sind wichtig. Wichtig sind aber auch<br />

genügend Zeit <strong>und</strong> Kompetenz, sich <strong>von</strong> Armut betroffenen Mitmenschen persönlich zuzuwenden.<br />

Lothar Müller.<br />

Foto: Stocker<br />

In Tirol sind 70.000 Menschen arm oder armutsgefährdet.<br />

Foto: Caritas<br />

Liebe Leserin!<br />

Lieber Leser!<br />

70.000 bis 100.000 Menschen<br />

in Tirol leben an<br />

bzw. unter der Armutsgrenze.<br />

Eine Zahl, die so<br />

hoch <strong>und</strong> so erschreckend<br />

ist, dass man sie nicht<br />

glauben möchte. Doch sie<br />

ist Realität. Nicht nur für<br />

die Betroffenen, die jeden<br />

Tag kämpfen müssen, um<br />

diesen irgendwie zu überstehen,<br />

sondern auch für<br />

alle Einrichtungen, die sich<br />

täglich für sie einsetzen.<br />

Und sie ist bittere Realität<br />

für die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

aus diesen Familien.<br />

Nicht, weil sie im Rennen<br />

um die coolsten Klamotten<br />

nicht mitmachen können.<br />

Sondern weil ihnen viele<br />

Wege <strong>und</strong> Möglichkeiten<br />

sich zu entfalten <strong>und</strong> zu<br />

entwickeln nicht offen stehen.<br />

Verlorene Chancen,<br />

die ihnen <strong>und</strong> auch unserer<br />

Gesellschaft einen Teil der<br />

Zukunft rauben. Ein Verlust,<br />

den wir uns eigentlich<br />

nicht leisten können.<br />

Christa Hofer<br />

vernetzt<br />

Hilfe. Menschen in finanzieller<br />

Not unter die Arme zu<br />

greifen, ist ein wichtiges,<br />

aber keineswegs das einzige<br />

Anliegen der Pfarrcaritas<br />

Zirl. Seite 2<br />

existenz<br />

Krise. Herausforderungen<br />

aus der Sicht der Tiroler<br />

Caritas, um gegen Armut<br />

<strong>und</strong> die Folgen der Wirtschaftskrise<br />

ankämpfen zu<br />

können. Seite 2<br />

projekt<br />

Taka Tuka. Kinder aus<br />

Familien mit suchtkranken<br />

Elternteilen sind vielen<br />

Risiken ausgesetzt – <strong>und</strong><br />

sie sind besonders schnell<br />

armutsgefährdet. Seite 3<br />

sozialmärkte<br />

Günstig einkaufen. Die<br />

Tiroler Sozialmärkte in<br />

Imst, Innsbruck, Schwaz<br />

<strong>und</strong> St. Johann verzeich-<br />

nen einen steigenden Zulauf.<br />

Seite 3<br />

interview<br />

Kraftverlust. Für Armutsforscher<br />

Clemens Sedmak<br />

kann Armut nicht nur am<br />

Geld gemessen werden.<br />

Sie wirkt sich auch auf Beziehungen<br />

aus. Seite 4<br />

„Fair wirtschaften“: nur<br />

Blabla? – Im Folgenden<br />

die Ausführungen eines<br />

Unternehmers, der sich<br />

ernsthaft darum bemüht.<br />

G e r h a r d S t o c k e r<br />

Zu Beginn eine Feststellung<br />

des deutschen B<strong>und</strong>espräsidenten<br />

Dr. Horst Köhler,<br />

der in seiner „Berliner Rede“<br />

am 24. März 2009 meinte:<br />

„Die Soziale Marktwirtschaft<br />

hat uns gezeigt: Solidarität ist<br />

nicht Mitleid. Solidarität ist<br />

Selbsthilfe. Wenn das Band<br />

zwischen Oben <strong>und</strong> Unten<br />

Halt gibt, dann kommt Kraft<br />

in eine Gesellschaft. Und<br />

mit ihr die Fähigkeit, auch<br />

scheinbar unlösbare Aufgaben<br />

zu bewältigen . . . Arbeit,<br />

Kapital <strong>und</strong> Nachhaltigkeit<br />

gehören zusammen. Bei uns.<br />

Und überall.“<br />

Diese Worte gefallen mir.<br />

In meinen beruflichen Funktionen<br />

hatte <strong>und</strong> habe ich die<br />

Möglichkeit, „bei uns“ auf<br />

das wirtschaftliche Gestalten<br />

Einfluss zu nehmen. Ich versuche<br />

schlicht <strong>und</strong> einfach,<br />

Wirtschaft fair zu leben. Ich<br />

kann damit nicht ein Ergebnis<br />

garantieren, wohl aber<br />

das Bemühen. Dass es mitunter<br />

sehr schwer sein kann,<br />

fair zu wirtschaften, habe<br />

ich als Obmann <strong>von</strong> Wacker<br />

Tirol/Innsbruck erlebt. Im<br />

Profisport regiert extrem die<br />

Kurzfristigkeit: „Ich will alles<br />

– <strong>und</strong> das sofort!“<br />

„Goldene Regel“<br />

Mein oberstes Prinzip ist<br />

die „Goldene Regel“: Behandle<br />

dein Gegenüber so,<br />

wie du selbst behandelt werden<br />

willst. Damit ist ausgeschlossen,<br />

jemandem etwas<br />

anzubieten, was man selbst<br />

nicht annehmen würde. Es<br />

ist automatisch sicher<br />

gestellt,<br />

Verantwortung für seine<br />

Umgebung zu übernehmen:<br />

für die K<strong>und</strong>en, für die<br />

Lieferanten, für die Familie<br />

aber auch für alle anderen<br />

Partner.<br />

Ein Erlebnis, das unsere<br />

Umgebung verblüffte <strong>und</strong><br />

damit (positiv) verunsicherte:<br />

Ein K<strong>und</strong>e wollte einen<br />

Schaden höher darstellen als<br />

er war, „da das eh die Versicherung<br />

zahlt“. Wir sagten<br />

nein, weil unsere Versicherung<br />

auch ein Partner ist,<br />

den wir fair behandeln. Damit<br />

schaffen wir Vertrauen,<br />

die Basis für effizientes <strong>und</strong><br />

freudvolles Handeln. Über<br />

Fairness zu reden ist einfach,<br />

danach zu handeln schwierig.<br />

Gilt es doch, die Nachhaltigkeit<br />

des Tuns ständig<br />

zu prüfen <strong>und</strong> über den kurzfristigen<br />

Erfolg zu stellen.<br />

Kritisch hinterfragen<br />

Arbeit, Kapital <strong>und</strong><br />

Nachhaltigkeit<br />

gehören<br />

zusammen. Was heißt das<br />

konkret? Wir bei STASTO<br />

wollen nur „mitarbeitende<br />

GesellschafterInnen“, damit<br />

das Miteinander <strong>von</strong> Arbeit<br />

<strong>und</strong> Kapital schon in den<br />

Gesellschaftsstrukturen gesichert<br />

ist. Wir ermöglichen<br />

den MitarbeiterInnen, sich<br />

als Stiller Gesellschafter zu<br />

beteiligen <strong>und</strong> damit auch<br />

Erträge aus Kapitalvermögen<br />

zu erwirtschaften. Aber nur<br />

so lange, als sie auch im Unternehmen<br />

arbeiten. Dass damit<br />

Behörden <strong>und</strong> Kammern<br />

(noch) nicht viel anzufangen<br />

wissen, ist nachvollziehbar.<br />

Gilt es doch, Denkmuster in<br />

den Kategorien „Arbeitgeber,<br />

Arbeitnehmer, Besitzer, Kapitalgeber“<br />

kritisch zu hinterfragen.<br />

Für uns ist klar: Alle, die<br />

am Erfolg des Unternehmens<br />

mitarbeiten, sollen daran<br />

Teil haben. Der Erfolg soll<br />

„möglichst gerecht“ verteilt<br />

werden. Das ist in der Praxis<br />

nicht einfach. Wir sagen:<br />

Zuerst soll der Mitarbeiter/<br />

die Mitarbeiterin ein Einkommen<br />

erzielen, das ihnen<br />

ermöglicht, bei sparsamer<br />

Lebensführung ein Auskommen<br />

zu finden. Dann soll die<br />

Firma nach den gleichen Kriterien<br />

der Sparsamkeit eine<br />

künftige Existenz <strong>und</strong> Entwicklung<br />

finanzieren. Ein darüber<br />

hinaus gehender Ertrag<br />

schließlich wird „möglichst<br />

gerecht“ verteilt, d. h. es wird<br />

<strong>von</strong> einer großen Mehrheit<br />

als „gerecht“ empf<strong>und</strong>en.<br />

Arbeitgeber ist der K<strong>und</strong>e<br />

<strong>und</strong> nicht ein „Arbeitgeber<br />

Stocker“ zum Beispiel. Nur<br />

K<strong>und</strong>en schaffen Arbeit. Dies<br />

müssen gerade jetzt viele Unternehmen<br />

schmerzlich zur<br />

Kenntnis nehmen. Besonders<br />

Unternehmer <strong>und</strong> Führungskräfte<br />

sind angehalten,<br />

ihre Aufgabe mit Freude, Liebe,<br />

Demut <strong>und</strong> Dankbarkeit<br />

zu erfüllen. Immer in dem<br />

Bewusstsein: Das irdische Leben<br />

ist kurz <strong>und</strong> die menschliche<br />

„Macht“ begrenzt. Ich<br />

bin mit dem „Sinn“ meines<br />

Lebens zufrieden. Ein Weitertragen<br />

in die nächsten<br />

Generationen ist jetzt meine<br />

Aufgabe. Wer Nachfolgern<br />

Perspektiven <strong>und</strong> Hoffnung<br />

gibt, hat „sinnvoll“ gelebt.<br />

Dieser Herausforderung stelle<br />

ich mich gerne.<br />

Ehrliches Miteinander<br />

Handschlagqualität, Offenheit<br />

<strong>und</strong> ein ehrliches<br />

Miteinander vereinfachen<br />

<strong>und</strong> verschönern das Leben.<br />

Jeder soll das probieren. Ich<br />

bin sicher: Es lohnt sich!<br />

Gerhard Stocker ist Gründer<br />

<strong>und</strong> Gesellschafter der Firma<br />

STASTO Ing. Stocker KG <strong>und</strong><br />

war Obmann des FC Wacker<br />

Tirol/Innsbruck.<br />

Faires Wirtschaften: Was ist<br />

das? Wie kann es funktionieren?<br />

Besonders Unternehmer <strong>und</strong> Führungskräfte sind angehalten, ihre Aufgabe mit<br />

Freude, Liebe, Demut <strong>und</strong> Dankbarkeit zu erfüllen.<br />

Gerhard Stocker.<br />

Foto: Stocker<br />

Handschlagqualität, Offenheit <strong>und</strong> ein ehrliches Miteinander vereinfachen <strong>und</strong> verschönern das Leben.<br />

Foto: Shutterstock/Liv Friis-Larsen<br />

Nr. 56 – April 2009<br />

Liebe Leserin!<br />

Lieber Leser!<br />

Ethisch handeln in der<br />

Wirtschaft, auf Nachhaltigkeit<br />

achten, Verantwortung<br />

zeigen. Schlagworte, die im<br />

Zuge der Wirtschaftskrise<br />

plötzlich in den Vordergr<strong>und</strong><br />

gerückt sind. Befinden<br />

wir uns also mitten in<br />

einem Wertewandel? Oder<br />

sitzt allen nur der Schrecken<br />

<strong>und</strong> die Angst vor der<br />

Zukunft <strong>und</strong> all den Prob-<br />

lemen, die zu bewältigen<br />

sind, in den Knochen?<br />

Diese Ausgabe <strong>von</strong><br />

Moment widmet sich den<br />

Begriffen Ethik <strong>und</strong> Wirtschaft.<br />

Wir haben Unternehmer<br />

<strong>und</strong> Sozialethiker<br />

gefragt, welche Werte für<br />

sie wichtig sind <strong>und</strong> wo sie<br />

ein Umdenken für notwendig<br />

erachten. Gleichzeitig<br />

haben wir auch nachge-<br />

hakt, wie ethisch es die Kirche<br />

in Wirtschaftsfragen<br />

nimmt.<br />

Christa Hofer<br />

Unternehmen<br />

Betrieb. Mit einem Jahresbudget<br />

<strong>von</strong> 36 Mio.<br />

Euro <strong>und</strong> fast 1000 Beschäftigten<br />

ist die Diözese<br />

Innsbruck ein wichtiger<br />

Wirtschaftsfaktor. Seite 2<br />

anerkennU ng<br />

Pater-Jakob-Gapp-Preis.<br />

Mit ihm werden Firmen ausgezeichnet,<br />

die sich bemühen,<br />

Ziele <strong>und</strong> Kriterien der<br />

Katholischen Soziallehre<br />

zu erfüllen. Seite 2<br />

konkU rrenz<br />

Im Gespräch. Ethik <strong>und</strong><br />

Markt – passt das zusammen<br />

oder ist die Beziehung<br />

dieser beiden Begriffe zum<br />

Scheitern verurteilt? Moment<br />

fragte nach. Seite 3<br />

V eranL agU ng<br />

Ethik. Auch die Diözese<br />

Innsbruck veranlagt einen<br />

Teil ihrer Gelder in Aktien<br />

<strong>und</strong> Anleihen am Kapitalmarkt<br />

– nach strengen<br />

Kriterien. Seite 3<br />

interV iew<br />

Finanzmarkt. Ein unregulierter<br />

Markt schafft kein<br />

Gemeinwohl, erklärt der<br />

Moraltheologe <strong>und</strong> Sozial-<br />

ethiker Wilhelm Guggenberger.<br />

Seite 4<br />

Nr. 58 – Juni 2009<br />

Erlösung ist zentrales<br />

Wort im christlichen <strong>Glauben</strong>.<br />

Jesus Christus sei der<br />

Erlöser. Sein Tod am Kreuz<br />

befreie. Doch kaum jemand<br />

begreift.<br />

M o n i k a r e n z<br />

Selbst Gläubigen fällt es<br />

schwer, hinter dem Geheimnis<br />

eine Wirklichkeit zu entdecken.<br />

Ähnlich erging es<br />

mir im Theologiestudium,<br />

wenn ich – als promovierte<br />

Psychologin – den Professoren<br />

heikle Fragen stellte.<br />

Immer wieder hörte ich,<br />

dass Jesu Tod am Kreuz erlöse,<br />

doch niemand konnte<br />

mir Antwort geben, wo<strong>von</strong><br />

<strong>und</strong> wie dieser Mechanismus<br />

funktioniere.<br />

Wie kann einer, der vor<br />

2000 Jahren gestorben ist,<br />

heutige Menschen aus ihrer<br />

Schuld befreien? Satisfactions-Theorien,<br />

wonach Jesus<br />

durch seinen Sühnetod<br />

den Zorn <strong>von</strong> Gottvater beschwichtigt<br />

habe, führen auf<br />

Irrwege eines heimlich sadis-<br />

tischen Gottesbildes. Viele<br />

verstehen nicht. Sie verabschieden<br />

sich vom Christlichen<br />

<strong>und</strong> basteln ihren<br />

eigenen <strong>Glauben</strong>. Dies führt<br />

aber nicht zu einer Antwort<br />

in der Frage nach Erlösung,<br />

noch zur Erfüllung tiefer<br />

Sehnsüchte.<br />

Das Dilemma bleibt. Warum<br />

dann doch Erlösung<br />

<strong>und</strong> wo<strong>von</strong>? Damit befasste<br />

ich mich im Projekt „Erlösung<br />

aus Prägung“ an der<br />

Psychoonkologie des Kantonsspitals<br />

St. Gallen.<br />

Erlösungsbedürftig?<br />

Ich frage: Ist er es nicht?<br />

Kann sich der Mensch selbst<br />

erlösen? Wo <strong>von</strong> Erlösung<br />

gesprochen wird, muss einsichtig<br />

werden, wo<strong>von</strong>. In<br />

Märchen wird aus Tabu <strong>und</strong><br />

Verwünschung erlöst. Ist<br />

das menschliche Erfahrung?<br />

Liegen „verfluchte“ Urerfahrungen,<br />

unbewusst <strong>und</strong><br />

in Symbolen verschlüsselt,<br />

an den Anfängen religiöser<br />

Heilssuche? Das Christentum<br />

spricht <strong>von</strong> Erlösung<br />

aus Sünde. Sünde – mittelhochdeutsch<br />

s<strong>und</strong>e – meint<br />

nicht nur verwerfliche Tat,<br />

sondern Ab-Sonderung, ein<br />

Gespaltensein. Paulus unterschied<br />

zwischen den vielen<br />

Sünden <strong>und</strong> der einen, seit<br />

Adams Tat vererbten Sünde.<br />

Worin bestand sie? Der Sündenfall<br />

beschreibt mythologisch,<br />

was entwicklungspsychologisch<br />

bei der Ich-Werdung<br />

geschieht: Sonderung<br />

meint Abnabelung vom paradiesischen<br />

Urzustand. Das<br />

geschieht naturgegeben, wo<br />

immer der Mensch als Ich<br />

Bedürfnisse, Gefühle hat.<br />

Schon intra-uterin, beim Urmenschen,<br />

beim Tier begann<br />

es. Ein Sein ging über in Reflexe<br />

des Habens. Das Ich hat<br />

Angst. Es begehrt. Es sieht<br />

sich als Zentrum der Macht,<br />

will so <strong>und</strong> nicht anders. Die<br />

Bibel spricht <strong>von</strong> der Versuchung,<br />

Gott gleich sein zu<br />

wollen. Sünde als Prägung<br />

muss man dynamisch denken<br />

– auch Erlösung.<br />

Was erlöst?<br />

Warum erlöst Jesu Tod<br />

am Kreuz? Psychologisch<br />

betrachtet ist dieser reine<br />

Konsequenz. Jesus war zuerst<br />

Heiler, Liebender, <strong>und</strong><br />

verkündete den Gegenzustand<br />

zur Sonderung, nämlich<br />

ein Angeschlossensein<br />

des Menschen an den Vater.<br />

Dies erleben Menschen etwa<br />

im Koma, in spirituellen Erfahrungen<br />

oder im Sterben.<br />

Mitten im Leben versteht<br />

man das nicht.<br />

Jesus wurde nicht verstanden,<br />

<strong>von</strong> den Mächtigen gar<br />

abgelehnt. Er wiederum ließ<br />

sich treffen, nicht aus Masochismus,<br />

sondern weil das<br />

der einzige Weg war, seine<br />

erlösende Botschaft <strong>und</strong> Liebe<br />

nicht zu verleugnen. Dass<br />

er sich dennoch nicht identifizierte<br />

mit dem Hohn der<br />

Feinde, besagen Worte wie:<br />

Ja, ich bin ein König. Noch<br />

heute gibt es Schwerkranke,<br />

die in Würde ihr Leid hinnehmen,<br />

ihr Kreuz tragen. Nicht<br />

weil dies heroisch wäre, sondern<br />

weil es Realität ist. Und<br />

sie werden eigenartig glücklich,<br />

haben weniger Angst,<br />

Spannung <strong>und</strong> Schmerz <strong>und</strong><br />

sagen etwa: „Ich bin frei, nur<br />

ich zu sein.“ Andere, neurotische<br />

Deutungen <strong>von</strong> Kreuz<br />

rufen nach Rebellion, wohl<br />

auch im Sinne Jesu.<br />

Der Erfahrende sieht<br />

Mit dem Tod endete Jesu<br />

Geschichte. Die Mächtigen<br />

hatten gesiegt. Ob <strong>und</strong> wie<br />

es ein Darüberhinaus – Ostern/Gott<br />

– gibt, bleibt dem<br />

Geheimnis der Erfahrenden<br />

überlassen. Damals wie heute.<br />

„Durch Gnade bin ich,<br />

was ich bin“ (1 Kor 15,10).<br />

Monika Renz ist Musik- <strong>und</strong><br />

Psychotherapeutin <strong>und</strong> leitet die<br />

Psychoonkologie am Kantonsspital<br />

in St. Gallen (Schweiz).<br />

* * * * *<br />

Buchtipp: Monika Renz<br />

(2008): Erlösung aus Prägung.<br />

Paderborn: Junfermann<br />

Erlösung: Hinter dem Geheimnis<br />

eine Wirklichkeit finden<br />

Noch heute gibt es Schwerkranke, die in Würde ihr Leid hinnehmen, ihr Kreuz tragen. Nicht<br />

weil dies heroisch wäre, sondern weil es Realität ist. Und sie werden eigenartig glücklich.<br />

Monika Renz.<br />

Foto: Jürg Stricker<br />

Der Tod <strong>von</strong> Jesus Christus am Kreuz befreit. Doch kaum jemand begreift.<br />

Foto: Shutterstock/JoLin<br />

Liebe Leserin!<br />

Lieber Leser!<br />

Im Zeichen des Kreuzes.<br />

Unter diesem Motto steht<br />

die aktuelle Ausgabe <strong>von</strong><br />

Moment. Das Kreuz als<br />

Zeichen des Christentums,<br />

als Symbol <strong>von</strong> Schmach<br />

<strong>und</strong> Sieg, als Symbol, für<br />

das gestorben wurde, in<br />

dessen Namen aber auch<br />

Leid zugefügt wurde. Was<br />

bedeutet das Kreuz für einen<br />

Ort, der sich der Passion<br />

verschrieben hat, für<br />

eine Ordensfrau der Kreuzschwestern,<br />

für Menschen,<br />

die sprichwörtlich ihr Kreuz<br />

zu tragen haben? Diesen<br />

Fragen <strong>und</strong> noch weiteren<br />

Aspekten sind wir nachgegangen,<br />

wir laden sie ein<br />

mitzugehen. Christa Hofer<br />

gedenken<br />

NS-Opfer. Eine Gedenktafel<br />

weist seit kurzem am Priesterseminar<br />

der Erzdiözese<br />

Salzburg auf Opfer des<br />

Regimes der Nationalsozialisten<br />

hin. Seite 2<br />

passionsspiel<br />

Thiersee. Für den Ort ist<br />

die Passion nicht nur kulturelles<br />

Gut oder wirtschaftlicher<br />

Faktor, sondern vor<br />

allem ein Erlebnis des sozialen<br />

Miteinanders. Seite 2<br />

g ipfelkreuze<br />

Tradition. Flurkreuze, Wetterkreuze,<br />

Gipfelkreuze.<br />

Die Theologin <strong>und</strong> Autorin<br />

Claudia Paganini war diesen<br />

Traditionen auf der<br />

Spur. Seite 3<br />

geschichte<br />

Vertriebene. Katholisch<br />

werden oder gehen, hieß<br />

es für zahlreiche Evangelische<br />

im 16., 17. <strong>und</strong> auch<br />

noch im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert in<br />

Tirol. Seite 3<br />

interview<br />

Leidens- <strong>und</strong> Kraftsymbol.<br />

Schwester Gertrud Müller,<br />

Kreuzschwester im Kloster<br />

Hall, über das Kreuz als<br />

Wegweiser im christlichen<br />

Alltag. Seite 4<br />

Wir erleben die Zerstörung<br />

<strong>von</strong> Ökosystemen <strong>und</strong><br />

Lebensräumen, die sich in<br />

Jahrtausenden entwickelt<br />

haben.<br />

S . M a y r h o f e r<br />

Internationale Konzerne<br />

beuten vor allem in Ländern<br />

der Dritten Welt Bodenschätze<br />

<strong>und</strong> andere Ressourcen<br />

aus, wobei die dortige Bevölkerung<br />

keinen Nutzen da<strong>von</strong><br />

hat. Ein derartiges Verhalten,<br />

das weder auf die Rechte der<br />

Bevölkerung noch auf eine<br />

nachhaltige Nutzung der<br />

Ressourcen achtet, verletzt<br />

nicht nur die Rechte der<br />

derzeitigen Menschen, sondern<br />

auch die Gerechtigkeit<br />

gegenüber späteren Generationen,<br />

weil es ihre Lebensgr<strong>und</strong>lage<br />

zerstört.<br />

Eine Reihe <strong>von</strong> Organisationen<br />

<strong>und</strong> Wissenschaftlern<br />

verlangt wegen der<br />

vielfachen<br />

Auswirkungen<br />

eines solch ausbeuterischen<br />

Verhaltens <strong>und</strong> kurzfristigen<br />

Profitdenkens ein Umdenken.<br />

Auch die Kirche nimmt<br />

sich dieser Fragen an, weil<br />

das Leben <strong>und</strong> die Zukunft<br />

der Menschen da<strong>von</strong> betroffen<br />

sind.<br />

Da Franziskus ein besonderes<br />

Nahverhältnis zur Natur<br />

hatte, möchte ich drei<br />

Gesichtspunkte der franziskanischen<br />

Spiritualität zur<br />

Frage der Schöpfungsverantwortung<br />

näher betrachten.<br />

Zeichen der Liebe<br />

Franziskus hat ein feines<br />

Gespür für die Gegenwart<br />

Gottes in den Geschöpfen<br />

entwickelt, wobei er ein besonderes<br />

Empfinden für die<br />

Schönheit <strong>und</strong> das Zusammenwirken<br />

der Geschöpfe<br />

hat. Er erfährt darin etwas<br />

<strong>von</strong> der Größe <strong>und</strong> Liebe<br />

Gottes, sodass Lob <strong>und</strong> Dank<br />

aus seinem Herzen kommen.<br />

Er ruft im Sonnengesang die<br />

Geschöpfe als seine Geschwis-<br />

ter auf, in dieses Lob einzustimmen.<br />

Er geht ehrfurchtsvoll<br />

mit den Geschöpfen um<br />

<strong>und</strong> schützt das Leben. Darum<br />

muss das Leben Vorrang<br />

vor dem Geld <strong>und</strong> dem Profit<br />

haben.<br />

Alle Geschöpfe bilden sozusagen<br />

eine universale Familie.<br />

Unsere Erde wird im Sonnengesang<br />

als unsere Mutter<br />

bezeichnet. Diese Sichtweise<br />

deckt sich auch mit der Evolution<br />

des Kosmos <strong>und</strong> des<br />

Lebens auf der Erde, obwohl<br />

der Ausgangspunkt dafür<br />

verschieden ist. Die menschliche<br />

Heilsgeschichte ist nach<br />

Paulus in die kosmische Vollendung<br />

eingebettet: „Denn<br />

wir wissen, dass die gesamte<br />

Schöpfung bis zum heutigen<br />

Tag seufzt <strong>und</strong> in Geburtswehen<br />

liegt“ (Röm 8, 22). Die<br />

Ethik der Gerechtigkeit <strong>und</strong><br />

des Lebensrechtes gilt für<br />

die gesamte Schöpfung, die<br />

man daher nicht einfach den<br />

wirtschaftlichen Interessen<br />

opfern darf. Die Zerstörung<br />

der Lebensräume gefährdet<br />

weiters den Frieden, weil es<br />

auch für die Menschen eng<br />

wird.<br />

Die franziskanische Armut<br />

erschöpft sich daher nicht in<br />

einem asketischen Denken,<br />

sondern verlangt die Solidarität<br />

mit den Armen <strong>und</strong> einen<br />

sorgsamen Umgang mit<br />

den Gebrauchsgegenständen<br />

<strong>und</strong> der Energie. Sie ist auch<br />

eine Kritik am Konsumverhalten<br />

unserer Gesellschaft.<br />

Wir müssen den eigenen Lebensstil<br />

überdenken. Zur Zeit<br />

verbrauchen wir in Mitteleuropa<br />

so viel an Rohstoffen<br />

<strong>und</strong> Energie, dass die Erde<br />

mehr als doppelt so groß<br />

sein müsste, würden sich alle<br />

Menschen einen solchen Lebensstil<br />

leisten. Das bedeutet<br />

aber, dass ein erheblicher<br />

Teil der Menschheit mit wesentlich<br />

weniger Ressourcen<br />

auskommen muss.<br />

Ehrfurcht zeigen<br />

Franziskus sieht vor<br />

allem den konkreten Menschen<br />

<strong>und</strong> nicht nur die<br />

Menschheit, die einzelnen<br />

Geschöpfe <strong>und</strong> nicht nur<br />

die Schöpfung. Er schenkt<br />

dem einzelnen Lebewesen<br />

seine Aufmerksamkeit <strong>und</strong><br />

sieht seinen eigenständigen<br />

Wert <strong>und</strong> seine Einzigartigkeit.<br />

Die Erfahrung des Konkreten<br />

erfasst das Gemüt <strong>und</strong><br />

öffnet den Blick auch für das<br />

jeweilige Umfeld, sodass der<br />

komplexe Lebensraum wahrgenommen<br />

wird.<br />

Diese Sichtweise bewirkt<br />

also die Achtung vor jedem<br />

Geschöpf, sodass es nicht<br />

mutwillig oder aus Gier vernichtet<br />

werden darf. Der<br />

Mensch erfährt sich als Kind<br />

dieser Erde, weiß sich aber<br />

auch hineingenommen in<br />

das Geheimnis Gottes. Diese<br />

umfassende Sicht der Schöpfung<br />

gibt eine gute Basis für<br />

ein<br />

verantwortungsvolles<br />

Verhalten gegenüber der<br />

Schöpfung, weil hier Ökologie<br />

<strong>und</strong> soziale Gerechtigkeit<br />

eng mit einander verknüpft<br />

sind.<br />

Franziskanerpater Severin<br />

Mayrhofer war Biologielehrer<br />

<strong>und</strong> Administrator am Franziskanergymnasium<br />

in Hall.<br />

Umweltschutz ist eng mit<br />

sozialer Gerechtigkeit verb<strong>und</strong>en<br />

Die Ausbeutung unserer Erde verletzt die Rechte der Menschen <strong>und</strong> der späteren<br />

Generationen, weil dadurch ihre Lebensgr<strong>und</strong>lage zerstört wird. Gefordert ist ein Umdenken.<br />

P. Severin Mayrhofer.<br />

Die Erde vor weiterer Ausbeutung schützen <strong>und</strong> so die Lebensbasis für künftige Generationen erhalten.<br />

Fotos: Keystone; Hölbling<br />

Liebe Leserin!<br />

Lieber Leser!<br />

Meldungen <strong>von</strong> Hungersnöten,<br />

Überschwemmungen<br />

oder Dürrekatastrophen<br />

kennt jeder. Ebenso die<br />

Schlagworte Klimaveränderung<br />

<strong>und</strong> Ausbeutung natürlicher<br />

Ressourcen.<br />

Sie tauchen mit unerschütterlicher<br />

Regelmäßigkeit in<br />

den Medien auf. Ebenso die<br />

Frage, wie wir alle eigentlich<br />

mit unserer Umwelt<br />

umgehen. Diese Ausgabe<br />

des Moment widmet sich<br />

der Schöpfungsverantwortung.<br />

Wir wollen zeigen,<br />

dass es um mehr geht als<br />

um Umweltschutz. Dass<br />

Gerechtigkeit, faires Teilen,<br />

Solidarität gefragt sind.<br />

Wir stellen Menschen vor,<br />

die durch ihr Handeln<br />

beispielgebend sind, <strong>und</strong><br />

haben einige Tipps parat,<br />

die jeder <strong>von</strong> uns umsetzen<br />

kann.<br />

Christa Hofer<br />

wertschätzen<br />

Bio-Bauernhof. Birgit <strong>und</strong><br />

Karl Raich sind konsequent<br />

ihren Weg gegangen, haben<br />

ihre Ideen am Hof umgesetzt<br />

<strong>und</strong> schätzen, was<br />

sie besitzen. Seite 2<br />

biofair<br />

Essen <strong>und</strong> lernen. Entspannt<br />

über Ernährungsgewohnheiten<br />

<strong>und</strong> nachhaltigen<br />

Lebensstil nachdenken,<br />

das bietet das biofaire<br />

Frühstück. Seite 2<br />

energie<br />

Solarstrom. Das Haus der<br />

Begegnung nutzt Sonnenenergie<br />

in Innsbruck. Im<br />

Lechtal initiierte Pfarrer<br />

Otto Walch das Projekt<br />

„Sonnenblumen“. Seite 3<br />

alltag<br />

Tipps. Ökologisch nachhaltig<br />

leben <strong>und</strong> trotzdem<br />

nicht auf Genuss verzichten?<br />

– Ja, das ist möglich.<br />

Das zeigen einige Ratschläge<br />

für den Alltag. Seite 3<br />

interview<br />

Richtig handeln. Respekt<br />

als Mindestmaß der<br />

Schöpfungsverantwortung<br />

wünscht sich Umweltverfahrenstechniker<br />

Andreas<br />

Moser. Seite 4<br />

Nr. 60 - September 2009<br />

DIÖZESE INNSBRUCK<br />

ERZDIÖZESE SALZBURG<br />

Nr. 66 – März 2010<br />

Nahrung für den Körper,<br />

Nahrung für den<br />

Geist, Nahrung für die<br />

Seele: Da gibt es lebenswichtige<br />

Zusammenhänge.<br />

W<br />

ährend wir uns in<br />

den<br />

westlichen<br />

Ländern Gedanken<br />

über bewusste Ernährung machen,<br />

sind viele Menschen in<br />

anderen Ländern <strong>von</strong> Unterernährung<br />

bedroht <strong>und</strong> suchen<br />

Wege zu überleben. In<br />

unseren Supermärkten sind<br />

die Regale voll <strong>und</strong> das Angebot<br />

ist mehr als reichlich:<br />

Manches wird als vitaminreich<br />

angepriesen, anderes<br />

als verdauungsfördernd, wieder<br />

anderes als fettarm.<br />

Die Sorge um die Ernährung<br />

ist berechtigt. Ich<br />

denke, dass wir uns mit drei<br />

Aspekten auseinandersetzen<br />

sollen, die für unseren Körper<br />

<strong>und</strong> unseren Geist <strong>von</strong><br />

Bedeutung sind:<br />

– übergewichtig,<br />

– unterernährt,<br />

– einseitig ernährt.<br />

Diese Überlegungen führen<br />

mir manche Situationen<br />

des Lebens unserer Gesellschaft<br />

vor Augen: Unser Lebensrhythmus<br />

verlangt <strong>von</strong><br />

uns immer mehr Kraft. Unser<br />

Konsumdrang zeigt uns, dass<br />

der Mensch mehr braucht als<br />

zu konsumieren, um glücklich<br />

zu sein. Unsere Zukunfts-<br />

ängste zeigen uns die Enge<br />

im Herzen. Die wachsende<br />

Vereinsamung in unserer<br />

Umgebung warnt uns vor unges<strong>und</strong>en<br />

Entwicklungen.<br />

Paradoxe Situationen stehen<br />

vor uns: Es gibt Menschen,<br />

die körperlich <strong>und</strong><br />

geistig einseitig ernährt sind.<br />

Andere ernähren sich körperlich<br />

bewusst, während sie die<br />

geistige Nahrung vernachlässigen.<br />

Ges<strong>und</strong>es Leben<br />

Was kann uns Menschen<br />

helfen, ges<strong>und</strong> zu wachsen<br />

<strong>und</strong> zu leben? – Die Nahrung,<br />

das Kauen, das Verdauen sind<br />

wichtig. Wir brauchen Räume<br />

im Leben, die uns helfen,<br />

auf der einen Seite ges<strong>und</strong>e,<br />

ausgeglichene Nahrung zu<br />

finden, auf der anderen aber<br />

uns beim Kauen <strong>und</strong> Verdauen<br />

zu unterstützen. Der<br />

Lebensrhythmus hat unsere<br />

Esskultur verändert. Alles<br />

muss schnell vor sich gehen,<br />

daher Schnellimbiss, aufgewärmtes<br />

Essen, Konserven.<br />

Eine Zeit lang sind diese<br />

Wege hilfreich. Doch der<br />

Mensch weiß, dass er nicht<br />

nur Nahrung braucht, um<br />

glücklich zu leben. Dafür<br />

sind auch die Begegnung mit<br />

Menschen <strong>und</strong> ihre Zuwendung<br />

wichtig. Der Mensch<br />

braucht Werte, die das Leben<br />

bereichern <strong>und</strong> den Schritten<br />

einen Inhalt geben.<br />

Ein erster Schritt zu einer<br />

ges<strong>und</strong> machenden Ernährung<br />

würde bedeuten: Halt<br />

machen auf unserem Lebensweg,<br />

um überprüfen zu<br />

können, welche Werte unsere<br />

Lebensgestaltung prägen.<br />

Die Kunst des Kauens<br />

Ich denke, dass das Kauen<br />

nicht nur beim Essen wichtig<br />

ist, sondern auch im Umgang<br />

mit den Situationen,<br />

Konflikten <strong>und</strong> Problemen,<br />

die uns das Leben serviert.<br />

Wir neigen dazu, manches<br />

schnell<br />

hinunterzuschlucken.<br />

Nicht selten stellen wir<br />

aber fest, dass all das, was<br />

wir nicht verdauen können,<br />

zu Gift wird. Ich meine das<br />

nicht nur körperlich, sondern<br />

auch geistig.<br />

Wir wollen Zeiten finden,<br />

um zu kauen, was uns<br />

der Alltag bringt: Worte, die<br />

wir nicht verstehen, Begegnungen,<br />

Konflikte, freudige<br />

Ereignisse, Enttäuschungen<br />

<strong>und</strong> Versagen. In solchen<br />

Momenten helfen mir verschiedene<br />

Schritte, das<br />

Gleichgewicht wiederzugewinnen:<br />

Ich suche die Stille,<br />

ich spreche mich mit Fre<strong>und</strong>en<br />

aus, ich lese in der Bibel,<br />

ich nehme teil an religiösen<br />

Kursen <strong>und</strong> Seminaren, ich<br />

finde im Gebet Hilfe.<br />

Der menschliche Körper<br />

macht uns auf eine weitere<br />

Möglichkeit<br />

aufmerksam.<br />

Wir können nicht alles bei<br />

uns behalten, was wir in<br />

uns hinein essen. Vieles ist<br />

Ballast <strong>und</strong> wird wieder ausgeschieden.<br />

Vieles, was der<br />

Alltag uns bringt, werden wir<br />

auch hinter uns lassen; wir<br />

können nicht alles mit uns<br />

tragen <strong>und</strong> aufbewahren.<br />

Wie wohltuend können<br />

Menschen sein, die uns als<br />

Klagemauer oder Mistkübel<br />

zur Seite stehen. Sie hören<br />

uns einfach zu. Hier sehe ich<br />

einen weiteren Schritt zur<br />

Ausgeglichenheit <strong>von</strong> Körper,<br />

Seele <strong>und</strong> Geist.<br />

Manchmal wende ich<br />

mich Gott zu. Ich bringe<br />

alles vor Ihn hin, was mich<br />

belastet, was ich nicht in den<br />

Griff bekomme, was mich<br />

traurig macht. Der Glaube<br />

hilft mir in solchen Engpässen<br />

des Lebens.<br />

Vier Dimensionen<br />

Zur körperlichen Ges<strong>und</strong>heit<br />

gehören mehrere Aspekte,<br />

etwa Nahrung, Schlaf,<br />

Bewegung, Freizeit. Zur Ges<strong>und</strong>heit<br />

des Geistes <strong>und</strong> der<br />

Seele würde ich auch vier Dimensionen<br />

erwähnen: Länge,<br />

Breite, Höhe <strong>und</strong> Tiefe.<br />

Als Länge bezeichne ich meine<br />

Lebensgeschichte, die ich<br />

in den Griff bekomme: durch<br />

Gespräche mit Fre<strong>und</strong>en<br />

oder mit Fachleuten, durch<br />

Aussprache <strong>und</strong> Beichte.<br />

Als wertvolle Ergänzung<br />

zur Länge betrachte ich die<br />

Breite. Hier sehe ich die Kontakte,<br />

das soziale Leben. Tiefe<br />

ist jene Ebene, die mir hilft,<br />

aus der Mitte <strong>und</strong> nicht an<br />

der Oberfläche zu leben. Mit<br />

Höhe meine ich den Blick<br />

nach oben: Erkenntnisse, die<br />

mir helfen, Werte zu entdecken,<br />

die Offenheit für den<br />

<strong>Glauben</strong>, die Orientierung<br />

auf Gott hin.<br />

Der Mensch ist eine Einheit:<br />

Körper, Geist, Seele.<br />

Eine ges<strong>und</strong>e Nahrung für<br />

den Körper will die Basis<br />

schaffen, damit der Geist<br />

sich darin wohlfühlen kann.<br />

Auch der Geist <strong>und</strong> die Seele<br />

brauchen Nahrung, damit<br />

sie nicht verkümmern <strong>und</strong><br />

der Körper nicht zu einer leeren<br />

Hülle wird.<br />

Der Mensch braucht Werte, die das<br />

Leben bereichern, ihm Inhalt geben<br />

Es braucht mehr als<br />

nur bloße Nahrung,<br />

um glücklich zu leben.<br />

Foto: AP/Lukatsky<br />

P. Antonio Sagardoy<br />

ist Autor zahlreicher Bücher<br />

mit religiösem Inhalt. Er leitet<br />

die Niederlassung der Karmeliten<br />

auf der Hungerburg<br />

<strong>und</strong> ist Spiritual des Innsbrucker<br />

Priesterseminars.<br />

Foto: privat<br />

A N t o N i o<br />

S A G A r D o y<br />

Liebe Leserin!<br />

Lieber Leser!<br />

D ie Missbrauchsfälle<br />

sind seit Wochen<br />

Thema in der Kirche <strong>und</strong><br />

in der Öffentlichkeit. Die<br />

nächste Ausgabe des<br />

MOMENT, die am 29.<br />

April erscheint, wird sich<br />

daher zur Gänze mit<br />

Missbrauch <strong>und</strong> Gewalt<br />

an Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

befassen. Es sollen<br />

dabei Experten zu Wort<br />

kommen, die helfen können,<br />

Signale <strong>von</strong> Gewalt<br />

jeglicher Form gegen Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendliche zu<br />

erkennen. Aufgezeigt werden<br />

aber auch therapeutische<br />

Möglichkeiten für<br />

Opfer, rechtliche Aspekte<br />

sowie Beratungsstellen für<br />

Betroffene.<br />

Christa Hofer<br />

schweigen<br />

stille erleben. Zwei<br />

Schwestern haben für sich<br />

eine außergewöhnliche<br />

Art des „Wellnessurlaubs“<br />

für Geist <strong>und</strong> Seele<br />

entdeckt. seite 2<br />

rezept<br />

Bibelkuchen. In der Bibel<br />

gibt es zahlreiche Stellen,<br />

in denen Nahrungsmittel<br />

erwähnt werden. Ein Rezept<br />

zum Nachschlagen<br />

<strong>und</strong> Nachbacken. seite 2<br />

klosterleBen<br />

gemeinsam fasten. Der<br />

Körper ist bei den meisten<br />

unserer Gesellschaft satt.<br />

„Doch was ist mit der Seele“,<br />

fragt Pater Alexander<br />

Puchberger. seite 3<br />

innere einkehr<br />

zur ruhe kommen. Einige<br />

Anregungen <strong>und</strong> Gebete<br />

für die innere Einkehr, die<br />

sich für eine kurze Zeit der<br />

Besinnung zu Hause eignen.<br />

seite 3<br />

interview<br />

kost. Für Franz Troyer<br />

gehört die Bibel zum täglichen<br />

Brot – meditierend<br />

über einem Text oder daran<br />

kauend wie auf einer<br />

harten Brotkruste. seite 4<br />

Kinder haben das<br />

Recht, vor körperlicher<br />

oder seelischer Gewalt<br />

geschützt zu werden.<br />

F<br />

älle <strong>von</strong> Gewalt <strong>und</strong><br />

Missbrauch erschüttern<br />

zur Zeit die österreichische<br />

Öffentlichkeit. In<br />

Fachkreisen ist schon lange<br />

bekannt, dass hierarchische,<br />

in sich geschlossene Systeme<br />

ein Klima der Gewalt <strong>und</strong> des<br />

Missbrauchs<br />

begünstigen.<br />

Die Kirche ist dabei keine<br />

Ausnahme, denn es betrifft<br />

auch Schulen, Internate,<br />

Pflegeheime, Kinderheime<br />

sowie sehr häufig Familien.<br />

Kinderrechtskonvention<br />

Kinder haben das Recht<br />

vor körperlicher oder seelischer<br />

Gewaltanwendung,<br />

Schadenszufügung oder Misshandlung,<br />

vor Verwahrlosung<br />

oder Vernachlässigung,<br />

schlechter Behandlung oder<br />

Ausbeutung, einschließlich<br />

des sexuellen Missbrauchs<br />

geschützt zu werden. So<br />

steht es in Artikel 19 der UN-<br />

Kinderrechtekonvention,<br />

die in Österreich seit 1992 in<br />

Kraft ist.<br />

Gewalt in der Erziehung<br />

hat eine lange „Tradition“<br />

<strong>und</strong> obwohl sie in Öster-<br />

reich schon seit 1989 gesetzlich<br />

verboten ist, vollzieht<br />

sich ein Einstellungswandel<br />

dazu nach wie vor nur zögerlich.<br />

Gemäß dem Allgemeinen<br />

Bürgerlichen Gesetzbuch<br />

(§ 146a) ist jede unzumutbare,<br />

dem Kindeswohl abträgliche<br />

Handlung verboten. Das<br />

schließt nicht nur Körperverletzungen<br />

<strong>und</strong> das Zufügen<br />

körperlicher Schmerzen aus,<br />

sondern auch jede sonstige,<br />

die Menschenwürde verletzende<br />

Handlung. Trotzdem<br />

wird Gewalt als Erziehungsmittel<br />

nach wie vor toleriert.<br />

Meinungen wie, „Eine Ohrfeige<br />

hat noch niemandem<br />

geschadet“ oder „Die Kinder<br />

betteln ja regelrecht darum“,<br />

sind noch immer häufig zu<br />

hören. Vor allem die vielfältigen<br />

Formen psychischer<br />

Gewalt (Beleidigungen, Demütigungen<br />

. . .) werden <strong>von</strong><br />

vielen überhaupt nicht als<br />

solche erkannt.<br />

Die Kinder- <strong>und</strong> Jugendanwaltschaft<br />

ist in unterschiedlichen<br />

Stadien mit<br />

Gewalt gegen Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

konfrontiert – <strong>von</strong><br />

der Beratung bei Verdachtsmomenten<br />

bis hin zur Vermittlung<br />

<strong>von</strong> Betroffenen<br />

zur rechtlichen <strong>und</strong> psychologischen<br />

Prozessbegleitung<br />

<strong>und</strong> zu therapeutischen Hilfen.<br />

In der Präventionsarbeit<br />

setzen wir uns für eine Erziehungshaltung<br />

ein, die Kindern<br />

Lebenskompetenz vermittelt<br />

<strong>und</strong> sie dazu anleitet,<br />

selbstbewusst mit sich <strong>und</strong><br />

verantwortungsvoll mit anderen<br />

umzugehen. Kindern<br />

die Chance zu geben, „stark“<br />

zu werden, muss uns allen<br />

ein wichtiges Anliegen sein.<br />

Dadurch wird die Gefahr<br />

herabgesetzt, dass Kinder zu<br />

Opfern <strong>von</strong> physischer, psychischer<br />

oder sexualisierter<br />

Gewalt werden.<br />

Geheimhaltungsdruck<br />

Für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

ist es immer schwer, über<br />

solche traumatischen Erlebnisse<br />

zu sprechen. Hauptursache<br />

für die hohe Dunkelziffer<br />

vor allem bei sexualisierter<br />

Gewalt ist der große<br />

Geheimhaltungsdruck, der<br />

auf den Opfern lastet <strong>und</strong> bei<br />

so vielen zu Sprachlosigkeit<br />

<strong>und</strong> Handlungsunfähigkeit<br />

führt. Das vom Täter/der<br />

Täterin geforderte Schweigen<br />

wird oft mit Drohungen<br />

untermauert, die beim Opfer<br />

Angst <strong>und</strong> Schuldgefühle erzeugen.<br />

Das „Nicht-darüber-<br />

Reden-können“ (<strong>und</strong> „-dürfen“)<br />

ist vor allem bei Gewalt<br />

<strong>und</strong> Missbrauch innerhalb<br />

der Familie ein zentrales<br />

Merkmal.<br />

Um dem Problem der (sexualisierten)<br />

Gewalt gegen<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche begegnen<br />

zu können, reicht<br />

allein die strafrechtliche Verfolgung<br />

der Täter/Täterinnen<br />

nicht aus. Vor allem wenn<br />

man bedenkt, wie viele Verfahren<br />

ohne eine Verurteilung<br />

enden. Für einen wirksamen<br />

Kinderschutz muss<br />

u. a. in folgende Bereiche<br />

investiert werden:<br />

• Prävention: In allen<br />

Einrichtungen, in denen<br />

Kinder <strong>und</strong> Erwachsene zusammentreffen<br />

(Kindergärten,<br />

Schulen, Horte, Internate,<br />

pädagogische Wohngemeinschaften,<br />

Vereine,<br />

Jugendzentren etc.) müssen<br />

die Themen Gewalt <strong>und</strong><br />

Missbrauch bereits in der<br />

Ausbildung der dort Tätigen<br />

verankert sein bzw. Fortbildungen<br />

verpflichtend vorgesehen<br />

werden.<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

sollen ermutigt werden,<br />

Grenzen zu setzen bzw. sich<br />

an externe Vertrauenspersonen<br />

zu wenden.<br />

• Strafrecht: In den<br />

vergangenen Jahren konnten<br />

für Opfer Verbesserungen erkämpft<br />

werden. So gibt es<br />

mittlerweile einen Rechtsanspruch<br />

auf Prozessbegleitung<br />

für Opfer <strong>von</strong> Gewalt <strong>und</strong><br />

Missbrauch. Wie es aussieht,<br />

wird dieser Anspruch aber<br />

durch die fehlenden finanziellen<br />

Mittel massiv gefährdet!<br />

Rückfallsquote senken<br />

• Täter-/Täterinnenarbeit:<br />

Um die im Bereich<br />

der Sexualdelikte hohen<br />

Rückfallquoten zu verringern,<br />

muss mit den Tätern/<br />

Täterinnen gearbeitet werden.<br />

Diese Therapien dienen<br />

dem Schutz der Kinder <strong>und</strong><br />

Jugendlichen.<br />

Das Ziel aller Maßnahmen<br />

muss sein, Angst <strong>und</strong> Scham,<br />

aber auch Verleugnung durch<br />

eine Kultur der Offenheit<br />

<strong>und</strong> Zivilcourage zu ersetzen,<br />

so dass sich Kinder <strong>und</strong><br />

Jugendliche vertrauensvoll<br />

öffnen <strong>und</strong> auch „schlimme<br />

Geheimnisse“ aussprechen<br />

können. Außerdem muss<br />

Kinderschutz immer Priorität<br />

haben <strong>und</strong> darf nicht an<br />

fehlenden finanziellen Ressourcen<br />

scheitern!<br />

Angst, Scham <strong>und</strong> Verleugnung<br />

durch Kultur der Offenheit ersetzen<br />

Es muss uns allen ein<br />

Anliegen sein, Kindern<br />

die Chance zu geben,<br />

stark zu werden.<br />

Elisabeth Harrasser<br />

ist Kinder- <strong>und</strong> Jugendanwältin<br />

des Landes Tirol. Broschüren<br />

zum Thema „Gewalt an<br />

Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen“<br />

sind kostenlos in der Kinder-<br />

<strong>und</strong> Jugendanwaltschaft erhältlich.<br />

Foto: Die Fotografen<br />

elisabeth haRRasseR<br />

Symbolfoto: Shutterstock/S.ilvia Bogdanski<br />

DIÖZESE INNSBRUCK<br />

ERZDIÖZESE SALZBURG<br />

Nr. 67 – April 2010<br />

Liebe Leserin!<br />

Lieber Leser!<br />

S eit Wochen sind die<br />

Missbrauchsfälle Thema<br />

in der Kirche <strong>und</strong><br />

in der Öffentlichkeit. In<br />

dieser Ausgabe <strong>von</strong><br />

MOMENT befassen wir<br />

uns daher zur Gänze mit<br />

Missbrauch <strong>und</strong> Gewalt<br />

an Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />

Wir haben Expertinnen<br />

<strong>und</strong> Experten<br />

gebeten, zum Thema Stellung<br />

zu nehmen. Weiters<br />

sollten u. a. therapeutische<br />

Möglichkeiten für Opfer<br />

vorgestellt <strong>und</strong> die rechtliche<br />

Aspekte beleuchtet<br />

werden. Zu finden ist in<br />

dieser Ausgabe außerdem<br />

eine Auswahl an Beratungs-<br />

<strong>und</strong> Hilfseinrichtungen<br />

für Betroffene.<br />

Christa Hofer<br />

christa.hofer @ tt.com<br />

moraltheologie<br />

Vergiftete Beziehung.<br />

Missbrauch ist ein<br />

schwerwiegendes Gegenzeugnis<br />

gegen die Aufgabe<br />

der Kirche, für Christus<br />

einzustehen. Seite 2<br />

therapie<br />

mit Narben leben. Die<br />

Psychotherapeutin Margret<br />

Aull über Therapiemöglichkeiten<br />

<strong>und</strong> was<br />

durch sie erreicht werden<br />

kann. Seite 3<br />

hilfeStelluNg<br />

information. Ombudsstellen<br />

<strong>und</strong> Hilfseinrichtungen,<br />

an die sich Betroffene<br />

wenden können. Eine<br />

Auswahl für Tirol <strong>und</strong><br />

Salzburg. Seite 3<br />

rechtSlage<br />

Strafen <strong>und</strong> Verjährung.<br />

In den vergangenen Jahren<br />

hat es in Österreich<br />

sukzessive eine Verschärfung<br />

des Sexualstrafrechts<br />

gegeben. Seite 3<br />

iNterView<br />

hintergr<strong>und</strong>. Der Psychotherapeut<br />

<strong>und</strong> Männerberater<br />

Martin Christandl<br />

über Ursachen <strong>von</strong> sexualisierter<br />

Gewalt <strong>und</strong> Chancen<br />

einer Therapie. Seite 4<br />

Die Rastlosigkeit, der<br />

Terror der Uhr, die<br />

Vereinnahmungen der<br />

lauten, ständig einfordernden<br />

Welt rauben<br />

uns die Zeit <strong>und</strong> das<br />

Leben.<br />

W<br />

enn Gott leibhafter<br />

Mensch geworden<br />

ist, muss er sich<br />

wohl etwas dabei gedacht<br />

haben. Gott ist ein unendlich<br />

leidenschaftlicher Leben-Schaffer;<br />

sprüht seit<br />

<strong>und</strong>enklichen Zeiten vor Lebenslust.<br />

Ein Blick in die unermüdlich<br />

sich erneuernde<br />

Natur mit all ihrer grenzenlosen<br />

Vielfalt liefert den Beleg.<br />

Leben, Lebendigkeit ist<br />

göttlich. Dies zu erkennen,<br />

zu entdecken, bedarf des<br />

lebendig-spielerischen Kults,<br />

der Kultivierung, der Muße.<br />

Die wir nicht oder zuwenig<br />

haben. Die Rastlosigkeit,<br />

der Terror der Uhr, die Vereinnahmungen<br />

der lauten,<br />

ständig fordernden, einfordernden<br />

Welt rauben uns<br />

die Zeit <strong>und</strong> das Leben. Die<br />

Lebens-Sehnsucht geht in<br />

eine andere Richtung.<br />

Einmal keine Rolle spielen<br />

müssen, den unwiederholbaren<br />

Augenblick mit allen<br />

Sinnen genießen. Wach <strong>und</strong><br />

gelassen zugleich das Hier<br />

<strong>und</strong> Jetzt, den Lebensstrom<br />

wahrnehmen. Den Gedanken<br />

freien, phantasievollen,<br />

erfinderischen Lauf lassen.<br />

Aufnahmebereit das Schöne,<br />

Lebendige suchen <strong>und</strong> finden.<br />

Zweckfrei, absichtslos,<br />

sinnen-froh, gerade dadurch<br />

sinn-voll <strong>und</strong> kreativ das Leben<br />

gestalten dürfen. Bedingungslos<br />

lieben <strong>und</strong> geliebt<br />

sein. Warum können wir das<br />

so schwer annehmen? Vielleicht<br />

deshalb, weil unsere<br />

Zivilisation nicht zuletzt eine<br />

„ZUVIELisation“ geworden<br />

ist. Das Haben <strong>und</strong> Habenmüssen<br />

das Sein <strong>und</strong> Seindürfen<br />

überlagert hat. Und<br />

uns zu Unzufriedenen, Unerfüllten<br />

(es ist nie genug),<br />

Konkurrenten, Gejagten <strong>und</strong><br />

Unfreien macht.<br />

Im Hamsterrad<br />

Die Menschen <strong>und</strong> Leben<br />

verachtenden Systeme des<br />

Faschismus, Kommunismus<br />

wurden abgelöst vom Konsumismus.<br />

Der Machtanspruch<br />

ist derselbe geblieben: Uniformierung<br />

<strong>und</strong> Weltherrschaft.<br />

Das Hamsterrad dreht<br />

sich: kaufen, konsumieren,<br />

wegschmeißen. Dinge wie<br />

Menschen. Die Folgen: Vermüllte<br />

Natur, vermüllte Geis-<br />

ter, verarmte Konten <strong>und</strong><br />

verarmte<br />

Lebensqualität<br />

inmitten der unübersichtlichen,<br />

angereicherten, leblosen<br />

Quantitäten.<br />

Verheerender Ausdruck<br />

dieser Lebensfeindlichkeit<br />

sind die Berge weggeworfener<br />

Lebensmittel. Ein teuflisches<br />

Opfer, dessen Verwesungsdampf<br />

den verwirrten<br />

Göttern der raffenden <strong>und</strong><br />

anpreisenden<br />

Konsumgesellschaft<br />

huldigt <strong>und</strong> uns<br />

schon jetzt teuer zu stehen<br />

kommt. Das Ganze hat ja<br />

seinen Preis. Dessen Kosten<br />

tragen nicht zuletzt die Armen,<br />

die zunehmend in die<br />

Sozialmärkte <strong>und</strong> Tafeln abwandern<br />

müssen.<br />

Daneben das Stakkato des<br />

Dauerstreites, die Streubomben<br />

der Gewalt <strong>und</strong> Gewaltbilder,<br />

die pausenlos auf uns<br />

niederprasseln <strong>und</strong> uns ein<br />

Bild der Welt zeichnen, wo<br />

der Tod <strong>und</strong> nicht das Leben<br />

das Zepter in Händen hält.<br />

Dies alles geht nicht spurlos<br />

an uns vorüber. Es beeinflusst<br />

unser Denken <strong>und</strong><br />

Fühlen, unsere Welt- <strong>und</strong><br />

Menschenbilder. Treibt uns<br />

in die Mutlosigkeit, Gleichgültigkeit,<br />

in den „Kältetod<br />

des (Mit)Gefühls“, beeinträchtigt<br />

Frohsinn, Hoffnung<br />

<strong>und</strong> Lebensfre<strong>und</strong>lichkeit.<br />

In diese Welt kann <strong>und</strong> darf<br />

man doch keine Kinder setzen!?<br />

Wohl eine der bedenklichsten<br />

Ausdrucksformen<br />

der Lebens-Verweigerung ist<br />

der eklatante Rückgang der<br />

Geburten. Unsere Gesellschaft<br />

ist im wahrsten Sinn<br />

nicht mehr „guter Hoffnung“.<br />

Und die Freude über<br />

die Kinder, die uns geschenkt<br />

sind <strong>und</strong> werden, hält sich in<br />

Grenzen. Wohl bleibt der Jubel<br />

über ein neues Kind?<br />

Für eine Lebensglocke<br />

In vielen Gemeinden unseres<br />

Landes läutet nach dem<br />

Ableben eines Menschen das<br />

so genannte Sterbeglöckchen.<br />

Wäre es nicht ein faszinierender<br />

Brauch, wenn<br />

wir nach der Geburt eines<br />

neuen Gemeindebürgers die<br />

Lebensglocke läuten würden,<br />

die Gemeinde teilhaben lassen<br />

am Geschenk des neuen<br />

Lebens? Verb<strong>und</strong>en mit der<br />

Aufforderung, diesen neuen<br />

Erdenbürgern eine lebenswerte<br />

Umwelt, die Teilhabe<br />

am Leben zu ermöglichen,<br />

Schutz- <strong>und</strong> Entfaltungsräume<br />

zu sichern. Sie zu schützen<br />

vor dem Zugriff der Ökonomisierung,<br />

Verzweckung<br />

<strong>und</strong> dem Müll der medialen<br />

Gewalt- <strong>und</strong> Todeswelten.<br />

Wo stehen die Entsorgungscontainer,<br />

in die wir leidenschaftlich<br />

die „Todesgames“<br />

<strong>und</strong> das lebensfeindliche<br />

Zeug unserer Küchenladen,<br />

Wohn- <strong>und</strong> Kinderzimmer<br />

werfen könnten?<br />

Ich wünsche mir eine Renaissance<br />

einer Lebensbewegung,<br />

die nicht nur die<br />

Umwelt-, sondern auch die<br />

Innenweltverschmutzung in<br />

das Visier ihrer Bemühungen<br />

stellt, leidenschaftlich für<br />

das Leben, das Überleben<br />

kämpft. Eine Bewegung, die<br />

entschieden der Rasterfahndung<br />

nach dem behinderten<br />

Leben entgegenwirkt, wie<br />

auch den permanent lauernden<br />

Ungeistern der aktiven<br />

Sterbehilfe. Wir brauchen<br />

neuen Lebensmut. Den<br />

Mut zum Unvollkommenen,<br />

das das Leben immer ist,<br />

ständig sich Wandelnden.<br />

Den Mut zum Widerstand,<br />

den Mut zu Pause, den<br />

Mut zu sinnlichen Gottesdiensten,<br />

den Mut zur Mit/<br />

Leidenschaft, ja einfach den<br />

Mut zum Leben.<br />

Wer leidenschaftlich lebt, erlebt<br />

den Augenblick mit allen Sinnen<br />

Kinder können sich<br />

noch an kleinen Dingen<br />

erfreuen. Erwachsene<br />

haben dieses<br />

Gefühl oft schon verloren.<br />

Foto: Shutterstock/ B. Becla<br />

Georg Schärmer<br />

ist Direktor der Caritas der<br />

Diözese Innsbruck.<br />

Foto: Berger<br />

g e o R g<br />

s c H ä R m e R<br />

DIÖZESE INNSBRUCK<br />

ERZDIÖZESE SALZBURG<br />

Nr. 68 – Mai 2010<br />

Liebe Leserin!<br />

Lieber Leser!<br />

Wann haben Sie sich das<br />

letzte Mal so richtig an einer<br />

Kleinigkeit erfreut? An<br />

einer Blume, die ihre ganze<br />

Blütenpracht entfaltet<br />

hat? An einem glucksenden<br />

Kinderlachen? Schön,<br />

wenn Sie sich daran erinnern<br />

können, Ihnen dieser<br />

wertvolle Moment bewusst<br />

geworden ist. Angesichts<br />

der Hektik, in der wir uns<br />

im Alltag oft verlieren,<br />

sind solche Augenblicke<br />

etwas Besonderes. Dieses<br />

Moment widmet sich<br />

dem Leben, der Lust <strong>und</strong><br />

Freude daran, aber auch<br />

seiner Wertschätzung.<br />

Und wir wollen Sie auf<br />

die „Woche für das Leben“<br />

verweisen, die Ende<br />

Mai stattfindet.<br />

Christa Hofer<br />

kraftquellen<br />

lebensenergie. Irgendwann<br />

ist jeder „Akku“<br />

einmal leer. Spätestens<br />

dann ist Handlungsbedarf<br />

gegeben <strong>und</strong> er muss aufgeladen<br />

werden. Seite 2<br />

hirtenbrief<br />

Woche des lebens. Möglichst<br />

vielen Menschen<br />

soll Mut zum Leben überhaupt<br />

<strong>und</strong> zu Ehe, Familie<br />

<strong>und</strong> Kindern gegeben<br />

werden. Seite 2<br />

porträt<br />

positives sehen. Carolin<br />

Steiner, Eltern-Kind-<br />

Zentrum-Leiterin <strong>und</strong><br />

Künstlerin, versucht<br />

Lebensfreude an andere<br />

weiterzugeben. Seite 3<br />

urSprung<br />

initiative. Die Erzdiözese<br />

Salzburg ist Erfinderin der<br />

„Woche für das Leben“.<br />

Gegründet wurde sie 2004<br />

<strong>von</strong> Erzbischof Alois Kothgasser.<br />

Seite 3<br />

intervieW<br />

lebensfreude auch im<br />

alter. Ernst Pohler, Alt-<br />

dekan <strong>von</strong> Breitenwang,<br />

behauptet <strong>von</strong> sich,<br />

froh <strong>und</strong> zufrieden zu<br />

sein. Seite 4<br />

Vielleicht denken Sie<br />

jetzt an drohend erhobene<br />

Zeigefinger <strong>und</strong><br />

Gewissenbisse . . . anstößig!<br />

– oder aber:<br />

Anstoß zum Leben <strong>und</strong><br />

Wachsen, Anleitung<br />

zum Gelingen <strong>von</strong> Beziehungen,<br />

universales<br />

Gr<strong>und</strong>gesetz der<br />

Menschheit?<br />

H<br />

at man Ihnen die<br />

Zehn Gebote frühzeitig<br />

vermiest, sie<br />

mit schmallippigem M<strong>und</strong><br />

als Erziehungskeule benützt<br />

(„Sei brav, Gott sieht alles!“<br />

– ein unguter Typ, der Angst<br />

macht!)? Oder kam für Sie die<br />

Botschaft der Zehn Gebote<br />

durch Menschen, die Ihnen<br />

Geborgenheit <strong>und</strong> Liebe<br />

<strong>und</strong> damit eine Ahnung <strong>von</strong><br />

Gottes Menschenfre<strong>und</strong>lichkeit<br />

gaben? Viel hängt da<strong>von</strong><br />

ab, aber nicht alles.<br />

Ich bin kein Weihwasserfloh;<br />

doch: Auf meiner<br />

Lebensreise bin ich dankbar<br />

für die Wegzeichen der Zehn<br />

Gebote.<br />

Schlichte Klarheit<br />

Wenn ich den flirrenden<br />

Dschungel <strong>von</strong> esoterischer<br />

Ratgeberliteratur mit den<br />

Zehn Geboten vergleiche, so<br />

bestechen mich diese durch<br />

ihre schlichte Klarheit <strong>und</strong><br />

überzeitliche Eindeutigkeit.<br />

Kurz <strong>und</strong> bündig wird uns<br />

nahegelegt, was wir tun <strong>und</strong><br />

lassen sollten, um die zwischenmenschlichen<br />

Kontakte<br />

positiv <strong>und</strong> gemeinschaftsstiftend<br />

zu gestalten.<br />

„Du sollst nicht töten, kein<br />

falsches Zeugnis geben gegen<br />

deinen Nächsten . . .“, das<br />

leuchtet ein. Wer <strong>von</strong> uns<br />

sehnt sich nicht nach angstfreien<br />

Beziehungen, in denen<br />

wir Ehrlichkeit, Respekt<br />

<strong>und</strong> Rücksicht erleben? Diese<br />

Sehnsucht verbindet uns mit<br />

allen Menschen guten Willens,<br />

ungeachtet ihrer Herkunft<br />

oder Religion. „Zwar<br />

hab‘ ich mit dem <strong>Glauben</strong><br />

nicht so viel am Hut wie die<br />

Tiroler“, sagte ein deutscher<br />

Autor, „aber als Psychologe<br />

weiß ich keine bessere Formel<br />

für gelingendes Leben<br />

als: Du sollst deinen Nächs-<br />

ten lieben wie dich selbst.“<br />

Und der weltberühmte Paläontologe<br />

Teilhard de Chardin<br />

SJ schrieb: „Immer schon<br />

war das Gebot der Nächstenliebe<br />

gültig, aber niemals war<br />

es so dringlich wie heute,<br />

wo seine Missachtung oder<br />

Befolgung über die Zerstörung<br />

oder das Gedeihen der<br />

Menschheit<br />

entscheiden<br />

wird.“ Adolf Hitler sagte den<br />

Zehn Geboten den Kampf<br />

an, „weil sie die Schwachen<br />

vor den Starken schützen“!<br />

Hitler, der Millionen in den<br />

Tod jagte <strong>und</strong> H<strong>und</strong>erttausende<br />

als Zwangsarbeiter<br />

verschleppen <strong>und</strong> ausbeuten<br />

ließ, nannte den Dekalog<br />

„die Peitsche eines Sklavenhalters“.<br />

Wert <strong>und</strong> Würde<br />

Im Gegenteil! Diese Einladungen<br />

zum rechten Tun<br />

geben uns allen Wert <strong>und</strong><br />

Würde. Mit ihrem „du sollst“<br />

trauen sie uns zu, wachstums-<br />

<strong>und</strong> wandlungsfähig<br />

zu sein, Leben zu gestalten<br />

<strong>und</strong> an der Vollendung der<br />

Schöpfung mitzuarbeiten.<br />

Kein Freibrief, sondern ein<br />

Freiheitsbrief, der uns alle,<br />

getauft oder ungetauft, als<br />

Kinder Gottes ausweist <strong>und</strong><br />

uns zum aufrechten Gang<br />

ermutigt. R. M. Rilke drückte<br />

das so aus: „Mit meinem<br />

Reifen reift dein Reich.“ Der<br />

Dekalog redet uns <strong>von</strong> Gott,<br />

dem großen Du, das uns mit<br />

Liebe umfängt <strong>und</strong> unsere<br />

liebende Antwort erwartet,<br />

sei sie auch noch so leise <strong>und</strong><br />

zaghaft.<br />

„Ich habe mein Gesetz in<br />

euer Herz gelegt“, heißt es in<br />

der Bibel. Dieses innere Gesetz<br />

gibt uns eigene Urteilskraft,<br />

Unabhängigkeit <strong>und</strong><br />

die Freiheit, unmenschliche<br />

weltliche Gesetze zu unterlaufen.<br />

Diesem „subversiven<br />

Gehorsam“ (siehe Veronica<br />

Gradl in „Wachsam wachsen“)<br />

folgten die vielen stillen<br />

Helden <strong>und</strong> Heldinnen,<br />

die unter Lebensgefahr <strong>von</strong><br />

den Nazis Verfolgte versteckten<br />

<strong>und</strong> beschützten.<br />

Und heute? Leuchtet nicht<br />

auch in unserer modernen,<br />

coolen Gesellschaft dieses innere<br />

Gesetz in vielerlei Form<br />

auf? Bewusst oder unbewusst<br />

folgen sie ihm, die Eltern, die<br />

sich liebevoll um ihre Kinder<br />

bemühen, die strahlenden<br />

jungen Leute, die so behutsam<br />

mit Behinderten <strong>und</strong><br />

Alten umgehen, die vielen<br />

Freiwilligen <strong>und</strong> Ehrenamtlichen,<br />

die sich ohne jede<br />

Gewinnsucht für Gutes engagieren,<br />

<strong>und</strong> die Menschen,<br />

die sich <strong>von</strong> der Not in anderen<br />

Ländern berühren lassen<br />

<strong>und</strong> handeln …<br />

Nicht zu vergessen: Wesentliche<br />

Forderungen der<br />

Zehn Gebote sind längst<br />

Bestandteil unserer Zivilisation<br />

geworden. Wenn aber<br />

in der Politik „christliche Argumente“<br />

zur Ausgrenzung<br />

<strong>und</strong> Ablehnung anderer<br />

Menschen missbraucht werden,<br />

dann kotzt mich dieser<br />

Frevel an.<br />

Und die Kirche? Wann immer<br />

sie in aller Welt (Bischof<br />

Kräutler ist ein Beispiel) die<br />

Stimme für die Armen <strong>und</strong><br />

Benachteiligten erhebt, ist<br />

sie wirklich glaub-würdig.<br />

Wenn allerdings ein paar ihrer<br />

Amtsträger – im Gegensatz<br />

zu den vielen mit Herz in der<br />

Seelsorge Tätigen – meinen,<br />

sie müssten die Zehn Gebote<br />

einengend „fortschreiben“,<br />

dann klingt es so, wie wenn<br />

ein unbegabter Musiker Variationen<br />

zu einem großen<br />

Thema <strong>von</strong> Bach erfindet:<br />

beides wird nicht gehört.<br />

Eine Ermutigung<br />

Ich erlebe die Zehn Gebote<br />

als Ermutigung zum Immermehr-Mensch-Werden,<br />

stoße<br />

aber schmerzlich an meine<br />

engen Grenzen <strong>und</strong> das Auseinanderklaffen<br />

<strong>von</strong> Einsicht<br />

<strong>und</strong> Verwirklichung. Mich<br />

tröstet das Bibelwort: „Gott<br />

ist größer als unser Herz.“<br />

Nach 27-jähriger Haft sagte<br />

Nelson Mandela: „Wir alle<br />

sind Kinder Gottes <strong>und</strong> dazu<br />

bestimmt zu leuchten,


4 TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 115-BG Freitag, 26. April 2013<br />

zum geleit<br />

Danke für<br />

Momente<br />

Ihrer Zeit<br />

Von Christa Hofer<br />

Stress <strong>und</strong> Hektik prägen<br />

häufig unseren<br />

Alltag. Sich zurückzuziehen,<br />

einfach für ein paar<br />

Momente innezuhalten, ist<br />

mitunter zur Herausforderung<br />

geworden. Nicht zuletzt<br />

die Meldungen über steigende<br />

Zahlen an <strong>von</strong> Burnout<br />

betroffenen Menschen<br />

weisen darauf hin.<br />

Als im Dezember 2003,<br />

vor knapp zehn Jahren, die<br />

Geschäftsleitung der Tiroler<br />

Tageszeitung <strong>und</strong> die Verantwortlichen<br />

in der Diözese<br />

Innsbruck sich mit der ersten<br />

Ausgabe des „Moment“ entschlossen,<br />

einen ungewöhnlichen<br />

Weg zu beschreiten,<br />

war nicht klar, dass dieser<br />

so erfolgreich sein würde.<br />

Seit damals werden im<br />

„Moment“ einmal monatlich<br />

Themen der Zeit in den Mittelpunkt<br />

gerückt. Themen,<br />

die nicht immer die Schlagzeilen<br />

beherrschen, aber es<br />

durchaus wert sind, genauer<br />

betrachtet zu werden. Für das<br />

Redaktionsteam, dem seit<br />

fünf Jahren auch Kolleginnen<br />

<strong>und</strong> Kollegen der Erzdiözese<br />

Salzburg angehören, ist dies<br />

eine Besonderheit <strong>und</strong> auch<br />

ein Privileg. Auch aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> blicken wir mit Stolz<br />

auf die vergangenen Jahre<br />

zurück <strong>und</strong> freuen uns auf<br />

die nächsten spannenden<br />

Themen.<br />

All dies wäre aber nicht<br />

möglich, wenn uns Leserinnen<br />

<strong>und</strong> Leser nicht über<br />

die Jahre die Treue gehalten<br />

<strong>und</strong> sich monatlich auf das<br />

Innehalten eingelassen <strong>und</strong><br />

uns Momente ihrer Zeit geschenkt<br />

hätten. Dafür im Namen<br />

des gesamten Teams ein<br />

herzliches Danke!<br />

christa.hofer@tt.com<br />

Danke allen<br />

Leserinnen<br />

<strong>und</strong> Lesern,<br />

die dem Moment<br />

ihre Zeit<br />

schenken!<br />

100 Momente zum Innehalten<br />

<strong>und</strong> drei Gründe, warum es lohnt<br />

Welche Gründe lassen<br />

sich benennen, so dass<br />

man sagen kann, 100<br />

Momente haben Menschen<br />

dazu verleitet,<br />

im hektischen Alltag<br />

auch einmal innezuhalten?<br />

Es liegt in der Natur <strong>von</strong><br />

Jubiläen, dass sie zum<br />

einen gefeiert gehören<br />

<strong>und</strong> zum anderen nach einer<br />

kritischen Rückschau<br />

verlangen. Hält man Rückschau<br />

unter einem kommunikationswissenschaftlichen<br />

Aspekt, so ergeben sich naturgemäß<br />

Divergenzen, weil<br />

das Aufeinandertreffen <strong>von</strong><br />

Glaube <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

selten reibungsfrei verläuft.<br />

Gleichzeitig ist Reibung Energie,<br />

<strong>und</strong> Energie bedeutet<br />

immer auch Bewegung.<br />

Warum also ist das „Moment“<br />

aus kommunikationswissenschaftlicher<br />

Perspektive<br />

ein gelungenes Blatt?<br />

Oder anders gefragt: Welche<br />

Gründe lassen sich benennen,<br />

so dass man sagen kann,<br />

100 „Momente“ haben Menschen<br />

dazu verleitet, im hektischen<br />

Alltag auch einmal<br />

innezuhalten?<br />

Blick auf die Sender<br />

Im „Moment“ kommen<br />

Menschen mit ganz unterschiedlichem<br />

Lebenshintergr<strong>und</strong><br />

zu Wort. Das garantiert<br />

eine Vielfalt <strong>von</strong> Stimmen<br />

<strong>und</strong> somit verschiedene<br />

Perspektiven zu einem ganz<br />

bestimmten Thema: Geht<br />

es um Jugendliche (Heft<br />

10/2012), kommen neben<br />

Jugend(sozial)arbeitern unterschiedlicher<br />

Einrichtungen<br />

auch die Jugendlichen selbst<br />

zu Wort. Geht es in einem<br />

anderen Heft um Leistung<br />

<strong>und</strong> Erfolg (Heft 05/2012), lesen<br />

wir <strong>von</strong> einem Leistungssportler<br />

<strong>und</strong> einem Religionslehrer,<br />

welche Bedeutung Erfolg<br />

in ihrem Leben hat. Die<br />

Texte der GastautorInnen<br />

sind in Inhalt <strong>und</strong> Sprache<br />

immer authentisch <strong>und</strong> vermitteln<br />

eine bunte Vielfalt<br />

der Kirchengemeinschaft.<br />

Verb<strong>und</strong>enheit mit der Kirche<br />

ist freilich den meisten<br />

Beiträgen gemein.<br />

Wortkunst<br />

willkommunion<br />

Brückenschlag zwischen Glaube <strong>und</strong> Gesellschaftsthemen.<br />

Blick auf die Empfänger<br />

Die Beilage richtet sich<br />

zuerst an alle Leser der Tiroler<br />

Tageszeitung. Ob es jene<br />

Menschen anspricht, deren<br />

Glaube nicht fest im alltäglichen<br />

Fühlen, Denken <strong>und</strong><br />

Handeln verankert ist, wissen<br />

wir nicht. Es gibt keine<br />

eindeutig formulierte Zielgruppe<br />

bzw. keine Untersuchung<br />

zur Leserschaft. Umso<br />

wichtiger ist es, die gesamte<br />

Leserschaft im Auge zu behalten<br />

<strong>und</strong> sich einer klaren,<br />

verständlichen Sprache zu<br />

bedienen. Ein ansprechendes<br />

Layout unterstützt diese Verständlichkeit.<br />

Gr<strong>und</strong> I: Das „Moment“<br />

verführt seine LeserInnenschaft<br />

zum Innehalten, weil<br />

Text <strong>und</strong> Bild ansprechend,<br />

kohärent <strong>und</strong> verständlich<br />

formuliert bzw. gestaltet sind.<br />

Unabhängig vom Zugang zur<br />

Kirche kann jeder <strong>und</strong> jede<br />

verstehen, worum es geht.<br />

Das ist eine wesentliche Voraussetzung<br />

für Kommunikation,<br />

die gelingen soll.<br />

Foto: PantherStock<br />

Blick auf die Botschaft<br />

Eines wird schnell klar:<br />

Überfliegt man die 100 Ausgaben,<br />

so geht es immer um<br />

einen Brückenschlag zwischen<br />

gesellschaftlich relevanten<br />

Themen <strong>und</strong> dem<br />

christlichen <strong>Glauben</strong>; um<br />

die Frage, wie die Kirche<br />

mit den Herausforderungen<br />

der Zeit umgehen <strong>und</strong> wie<br />

sie die Menschen auf ihren<br />

Wegen unterstützen kann.<br />

Dass hier die breite Zielgruppe<br />

annehmbare Antworten<br />

erwartet, die einem dogmatischen<br />

Verständnis widersprechen<br />

können, stellt<br />

eine der Herausforderungen<br />

für das Redaktionsteam dar.<br />

Das „Moment“ begnügt sich<br />

nicht damit, – neben den<br />

obligatorischen Bezügen<br />

Wortkunst<br />

Sakra.<br />

mental<br />

zum Kirchenjahr – die Aktualität<br />

christlicher Werte anhand<br />

<strong>von</strong> aktuellen Themen<br />

auf den Prüfstand zu stellen.<br />

Das Blatt scheut auch nicht<br />

vor Kritik an der eigenen<br />

Organisation zurück <strong>und</strong><br />

widmet sich durchaus jenen<br />

Themen, mit welchen die<br />

Kirche gerade in den letzten<br />

Jahren in die Schlagzeilen<br />

geraten ist: etwa dem Missbrauch<br />

(Heft 04/2010) oder<br />

auch der Rolle der Frau in<br />

der Kirche (Heft 07/2012).<br />

Ohne dies noch weiter auszuführen,<br />

kann man durchaus<br />

feststellen, dass die Beilage<br />

um eine Verortung in<br />

der heutigen Gesellschaft<br />

bemüht ist.<br />

Gr<strong>und</strong> II: Das „Moment“<br />

lädt seine LeserInnenschaft<br />

ein, innezuhalten, weil es<br />

mit Vorurteilen gegenüber<br />

kirchlicher Berichterstattung<br />

aufräumt <strong>und</strong> nach der Aktualität<br />

christlicher Botschaft<br />

in unserer Gesellschaft fragt.<br />

Das könnte ein Start für einen<br />

künftigen konstruktiven<br />

Austausch <strong>von</strong> Kirche <strong>und</strong><br />

Gesellschaft sein.<br />

Blick auf die Wirkung<br />

Es stellt sich noch eine weitere<br />

Herausforderung für das<br />

Redaktionsteam: Das „Moment“<br />

ist ein Themenheft.<br />

Nun liegt es aber in der Natur<br />

der Medien, stets am Puls der<br />

Zeit zu sein. Denn der Wert<br />

einer Information ergibt sich<br />

aus ihrer Aktualität. Nichts<br />

ist bekanntlich so alt wie eine<br />

Zeitung <strong>von</strong> gestern <strong>und</strong> dies<br />

gilt auch für die Beilage einer<br />

Zeitung. Themenhefte aber<br />

sind selten brandaktuell. Das<br />

hat mit der Arbeitsweise der<br />

Redaktion <strong>und</strong> der Organisation<br />

verschiedenster Gastautoren<br />

zu tun. Die Themen des<br />

„Moment“ sind daher meist<br />

so gewählt, dass sie sich dem<br />

Verfallsdatum bis zu einem<br />

gewissen Grad entziehen.<br />

Damit entzieht sich das Blatt<br />

ganz bewusst der übermächtigen<br />

dynamischen Logik der<br />

Medien <strong>und</strong> formuliert ein<br />

Gegenprogramm.<br />

Gr<strong>und</strong> III: Das „Moment“<br />

fordert seine LeserInnenschaft<br />

zum Innehalten heraus,<br />

indem es multiperspektivisch<br />

an ein Thema herangeht.<br />

Das „Moment“ liefert<br />

keine schnellen Antworten,<br />

bietet dafür viele Denkanstöße<br />

zu komplexen Fragen. Hier<br />

ist ein Gr<strong>und</strong>stein zum Dialog<br />

gelegt. 100 „Moment“-<br />

Ausgaben überzeugen. Die<br />

Botschaft Christi zu kommunizieren<br />

wird immer eine Herausforderung<br />

bleiben, in jedem<br />

„Moment“ <strong>von</strong> neuem.<br />

S A B i n E<br />

v o l G G E r<br />

ist Geschäftsführerin der SvWP<br />

Kommunikationsmanagement<br />

Grußworte zur 100. Ausgabe <strong>von</strong> Moment<br />

100 Ausgaben „Moment“, das ist einmal eine Zahl. Zahlen<br />

<strong>und</strong> Quoten haben ja zurzeit eine übergroße Bedeutung.<br />

Aber Zahlen können nicht das menschliche Wort, nicht<br />

das Verstehen ersetzen <strong>und</strong> keine Kommunikation ermöglichen.<br />

„Moment“, das sind menschliche Erfahrungen,<br />

Suchbewegungen, Testimonials, kontroverse Themen, Informationen,<br />

Hinführungen zu Festen, Dialoge. „Moment“<br />

kommt aus einer guten Zeitgenossenschaft,<br />

nicht blauäugig<br />

gegenüber jeder Mode, aber<br />

gar nicht weltfremd. Ich gratuliere<br />

dem Redaktionsteam<br />

zur Arbeit <strong>und</strong> wünsche dem<br />

„Moment“ weiterhin das Interesse<br />

der LeserInnen.<br />

Als ich noch Bischof in Innsbruck war, haben wir uns<br />

mit der Idee beschäftigt, einmal im Monat eine Beilage<br />

mit Themen aus Religion <strong>und</strong> Gesellschaft in der<br />

Tiroler Tageszeitung zu gestalten. Ich freue mich, dass<br />

das „Moment“ in den zehn Jahren des Bestehens immer<br />

wieder interessante Diskussionsbeiträge geliefert<br />

hat. Seit fünf Jahren gestaltet die Erzdiözese<br />

Salzburg die Inhalte mit, um<br />

besonders die 63 Pfarren im<br />

Unterland anzusprechen. So<br />

ist „Moment“ zu einem guten<br />

Beispiel für diözesanübergreifende<br />

Zusammenarbeit<br />

geworden. Weiterhin<br />

Gottes Segen!<br />

Ausgehend <strong>von</strong> der Diözese Innsbruck ist seit knapp fünf<br />

Jahren auch die Erzdiözese Salzburg an der inhaltlichen<br />

Gestaltung des „Moment“ beteiligt.<br />

Foto: Markus Stamm<br />

Manfred Scheuer<br />

Bischof<br />

<strong>von</strong> Innsbruck.<br />

Foto: Diözese Innsbruck<br />

Alois Kothgasser<br />

Erzbischof<br />

<strong>von</strong> Salzburg.<br />

Foto: eds


Freitag, 26. April 2013<br />

TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 115-BG 5<br />

Die Geburtsst<strong>und</strong>e des „Moment“<br />

Das vier- bis achtseitige<br />

„Moment“ bot <strong>und</strong><br />

bietet Freiräume, oft<br />

<strong>und</strong>enkbar scheinende<br />

Themen-Kombinationen<br />

in den Mittelpunkt<br />

zu stellen.<br />

Es ist ein trüber Spätherbsttag.<br />

Die Nebel<br />

scheinen über dem<br />

ganzen Land Oberösterreich<br />

zu liegen <strong>und</strong> es dicht zuzudecken.<br />

Doch als das Auto<br />

die Straße hoch über den Donaufluss<br />

hinaufklettert, wird<br />

es hell <strong>und</strong> sonnig. Haibach<br />

ob der Donau ist das Ziel. Seit<br />

kurzen Wochen ist bekannt,<br />

dass der Universitätsprofessor<br />

Manfred Scheuer als neuer<br />

Bischof nach Innsbruck<br />

kommt. Die Weihe findet<br />

einige Tage vor Weihnachten<br />

statt. Der beste Anlass,<br />

um ein neues Zeitungsprodukt<br />

aus dem Hause Moser<br />

Holding diesem Thema zu<br />

widmen.<br />

Besuch in Haibach<br />

In Haibach ob der Donau<br />

begrüßt die Mutter des<br />

Bischofs die Gäste aus Tirol.<br />

Direkt am Kirchplatz ist das<br />

Elternhaus, eine Bäckerei.<br />

Der Bruder, der die Bäckerei<br />

nun führt, <strong>und</strong> die Schwester,<br />

eine Lehrerin, gewähren<br />

Walter Hölbling <strong>und</strong> mir Blicke<br />

auf die Familie Scheuer.<br />

Alte Familienfotos werden<br />

herausgekramt.<br />

Wortkunst<br />

gemein<br />

schaft<br />

Acht Seiten werden es<br />

schließlich, mit denen das<br />

„Moment“ seine Geburtsst<strong>und</strong>e<br />

zum Thema „Der<br />

neue Bischof <strong>von</strong> Innsbruck“<br />

erlebt.<br />

Es war eine Zeit, in der<br />

es wieder einmal uncool,<br />

ja geradezu antiquiert war,<br />

kirchenrelevante Themen<br />

aufzugreifen. Da war es<br />

schon fast revolutionär, als<br />

sich die Geschäftsleitung<br />

entschloss, eine Kooperation<br />

mit der Diözese Innsbruck<br />

abzuschließen. Zehn Mal<br />

im Jahr sollte eine vier- bis<br />

achtseitige Beilage Themen<br />

der Zeit in einer Breite <strong>und</strong><br />

Dichte behandeln, die sonst<br />

im Hauptblatt, der Tiroler<br />

Tageszeitung, so nicht Platz<br />

finden können.<br />

Für jede Journalistin bot<br />

das „Moment“ sonst kaum<br />

vorhandene <strong>und</strong> damit heiß<br />

begehrte Freiräume. Den<br />

Freiraum, viele Themen zu<br />

wählen (die Titelseite der<br />

aktuellen Ausgabe gewährt<br />

einen Blick darauf). Den<br />

Freiraum, Menschen mit<br />

ihrem jeweiligen ExpertInnenwissen<br />

in die Zeitung zu<br />

holen, auch vordergründig<br />

zu eher <strong>und</strong>enkbaren Kombinationen<br />

– wie etwa bei den<br />

Schwerpunkten „Kirche <strong>und</strong><br />

Geld“, „Kirche <strong>und</strong> Tourismus“,<br />

„Kirche <strong>und</strong> Medien“.<br />

Schließlich den Freiraum,<br />

ein Layout zu entwickeln,<br />

das völlig reduziert in den<br />

Hintergr<strong>und</strong> tritt, um damit<br />

dem Wort <strong>und</strong> den Menschen<br />

Platz einzuräumen.<br />

Momente der Begegnung<br />

„Sie machen doch die Momente“,<br />

werde ich auch jetzt<br />

noch – fünf Jahre nach dem<br />

Ausscheiden aus dem Redaktionsteam<br />

– immer wieder<br />

gefragt. „Die Momente“<br />

– das zeigt am besten, was<br />

das Produkt „Moment“ erreicht<br />

hat: LeserInnen viele<br />

Momente der Begegnung<br />

zu schenken. „Das Moment<br />

ist für mich der einzige direkte<br />

Berührungspunkt mit<br />

der Kirche“, gestanden im<br />

Lauf der Zeit nicht wenige<br />

LeserInnen. Das „Moment“<br />

wurde am Erscheinungstag<br />

aus der Zeitung herausgenommen,<br />

nicht, um es zu<br />

entsorgen, sondern um es<br />

aufzubewahren. Dem „Moment“<br />

wurde ein längeres<br />

Leben zugesprochen als der<br />

Tageszeitung. Manche sollen<br />

sogar zu Sammlern geworden<br />

sein.<br />

Die erste Ausgabe des „Moment“, die vor knapp zehn Jahren erschienen ist. Sie widmete sich dem damals neuen Bischof <strong>von</strong><br />

Innsbruck, Manfred Scheuer.<br />

Foto: Moment<br />

Klarer Auftrag<br />

Warum ist dies gelungen?<br />

Es wurden <strong>von</strong> Beginn an<br />

gute Rahmenbedingungen<br />

geschaffen <strong>und</strong> ein klarer<br />

Auftrag formuliert. Die Umsetzung<br />

erfolgte immer in<br />

enger Zusammenarbeit zwischen<br />

den Abteilungen der<br />

diözesanen Öffentlichkeitsarbeit<br />

<strong>und</strong> der Tiroler Tageszeitung.<br />

Von der Redaktionssitzung,<br />

in der die Ausgaben<br />

geplant werden, bis zur<br />

Schlusskorrektur geht es um<br />

die gemeinsame Qualitätskontrolle.<br />

So der Rahmen.<br />

Der Anspruch an den Inhalt<br />

ist hoch: Es sollen Angebote<br />

gemacht werden, aber<br />

nichts erzwungen werden.<br />

Das „Moment“ soll bilden,<br />

berühren, Heimat anbieten,<br />

(selbst)kritisch sein, Orientierung<br />

geben <strong>und</strong> öffnen<br />

– sowohl <strong>von</strong> innen, also<br />

der kirchlichen Struktur,<br />

nach außen als auch <strong>von</strong><br />

außen nach innen. Es galt,<br />

vom Reichtum der Menschen<br />

im kirchlichen Umfeld<br />

zu schöpfen <strong>und</strong> Neues<br />

zu schaffen. Und der Anspruch<br />

wurde <strong>von</strong> Beginn<br />

an ans „Moment“ gelegt,<br />

sich ständig zu hinterfragen<br />

<strong>und</strong> immer wieder zu<br />

erneuern.<br />

B i r g i T T<br />

D r e w e s<br />

ist Journalistin, Medien- <strong>und</strong><br />

Kommunikationstrainerin<br />

Grußworte zur 100. Ausgabe <strong>von</strong> Moment<br />

Moment heißt aus dem Lateinischen übersetzt „bewegen,<br />

entstehen“. Der Titel ist sehr stimmig, denn beim Lesen<br />

stelle ich immer wieder fest, dass ich mich gern „hineinziehen“<br />

lasse <strong>von</strong> bewegenden Beiträgen, die am Puls der Zeit<br />

sind <strong>und</strong> uns gesellschaftlich unter den Nägeln brennen.<br />

Tausende Tiroler Leser schätzen die Vielfalt <strong>und</strong> die Tiefe<br />

der Berichterstattung – jene, die der katholischen Kirche<br />

sehr verb<strong>und</strong>en sind, genauso<br />

wie jene, die einfach die Berichterstattung<br />

über Themen<br />

der Zeit schätzen. Für die TT<br />

ist „Moment“ eine wertvolle<br />

Bereicherung. Danke allen<br />

Verantwortlichen für die hervorragende<br />

Kooperation!<br />

Silvia Lieb<br />

stellvertretende Vorstandsvorsitzende<br />

der Moser Holding.<br />

Foto: Böhm<br />

Herzliche Gratulation zur 100. Ausgabe der Beilage „Moment“!<br />

Was mit einem guten Gespräch <strong>und</strong> vielen Ideen<br />

begonnen hat, schreibt mittlerweile eine fast zehnjährige<br />

Erfolgsgeschichte. Themen des Lebens in diesem Kontext<br />

einer breiten Leserschaft zugänglich zu machen,<br />

findet großen Anklang. Wir fragen nicht nur die TT, sondern<br />

auch unsere Beilagen<br />

immer wieder<br />

auf ihre Beliebtheit hin ab<br />

<strong>und</strong> erhalten für „Moment“<br />

durchwegs beste Noten.<br />

Diesen Erfolg verdanken wir<br />

dem engagierten Redaktionsteam<br />

<strong>und</strong> der hervorragenden<br />

Zusammenarbeit<br />

mit der Diözese Innsbruck.<br />

Hermann Petz<br />

Vorstandsvorsitzender<br />

der Moser Holding.<br />

Foto: Aichner<br />

wortkunst<br />

Die wortkunst-Ausstellung im<br />

Stift Stams im Winter 2011/12<br />

war der erste markante Auftritt<br />

des www.sprachkabi.net.<br />

Seither hat Wilfried Schatz die<br />

WortKunst als eigenes Genre<br />

auch über Tirol hinaus etabliert.<br />

Die Ziele sind zugleich<br />

einfach <strong>und</strong> anspruchsvoll: die<br />

Moment<br />

26. April 2013 – Sonderbeilage<br />

Menschen zum Schmunzeln<br />

bringen, zum Nachdenken <strong>und</strong><br />

zur Kommunikation anregen<br />

<strong>und</strong> den Blickwinkel verändern.<br />

Aus Anlass der 100. Ausgabe<br />

des „Moment“ hat Wilfried<br />

Schatz einige Sprach-Beispiele<br />

geliefert. Sie sind auf diesen<br />

Seiten zu lesen.<br />

Gründungsherausgeber: Komm.-Rat Joseph S. Moser, April 1993†;<br />

Herausgeber: Gesellschafterversammlung der Moser Holding AG;<br />

Medieninhaber (Verleger): Schlüsselverlag J. S. Moser GmbH.;<br />

Hersteller: Intergraphik Ges. m. b. H.; Sonderpublikationen, Leitung: Frank<br />

Tschoner; Redaktion: Karin Bauer, Christa Hofer, Walter Hölbling, Andrea<br />

Huttegger, Wolfgang Kumpfmüller, Sabine Volgger. Gestaltung: Lukas Letzner.<br />

Diözese Innsbruck, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit: Karin Bauer.<br />

Erzdiözese Salzburg, Amt für Kommunikation: Wolfgang Kumpfmüller.<br />

Anschrift für alle: Brunecker Straße 3, 6020 Innsbruck, Postfach 578,<br />

Tel. 0 512/53 54-0, Fax 0 512/53 54-3577. moment@dibk.at


6 TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 115-BG Freitag, 26. April 2013<br />

Von der christlichen Botschaft bis zu Menschen <strong>und</strong> ihren Initiativen reicht der Themenbogen, mit dem sich das „Moment“ jeden Monat befasst.<br />

Fotos: PantherStock<br />

Einblicke <strong>und</strong> Ausblicke für<br />

Kirche <strong>und</strong> Gesellschaft<br />

Monat für Monat stellt<br />

die Beilage „Moment“<br />

ein kirchliches oder<br />

gesellschaftliches<br />

Thema in den Mittelpunkt<br />

<strong>und</strong> betrachtet<br />

es aus christlicher<br />

Sicht.<br />

Moment mal“ – so<br />

klingt es, wenn<br />

man zu einem bestimmten<br />

Thema auch etwas<br />

sagen will. Monat für Monat<br />

tut die Beilage „Moment“<br />

genau das: Sie greift Themen<br />

<strong>von</strong> Kirche <strong>und</strong> Gesellschaft<br />

auf <strong>und</strong> beleuchtet sie aus<br />

christlicher Sicht.<br />

Feste im Kirchenjahr<br />

Ein Anliegen des „Moment“<br />

war <strong>und</strong> ist es, immer<br />

wiederkehrende Feste im<br />

Lauf des Jahres zum Thema<br />

zu machen. Auch aus dem<br />

Bewusstsein heraus, dass der<br />

tiefere Sinn <strong>von</strong> christlichen<br />

Festen wie Weihnachten,<br />

Ostern oder Pfingsten den<br />

Menschen nicht mehr so geläufig<br />

ist. Umso mehr, wenn<br />

diese in der öffentlichen<br />

Wahrnehmung zu Festen<br />

des Konsums (Weihnachten)<br />

oder des Kurzurlaubs (Ostern,<br />

Pfingsten) mutiert sind.<br />

Auch besondere Formen des<br />

religiösen Lebens, etwas Klöster<br />

<strong>und</strong> Orden, christliche<br />

Gemeinschaften <strong>und</strong> Initiativen<br />

finden im „Moment“<br />

ihren Niederschlag. Und ob<br />

es sich um das Pilgern handelt,<br />

um die Tage der Fastenzeit<br />

oder um die Bedeutung<br />

der Kar- <strong>und</strong> Ostertage – die<br />

bunte Welt der religiösen<br />

Erfahrungen hat stets einen<br />

zentralen Platz.<br />

Immer wieder greift „Moment“<br />

Themen auf, die in<br />

Kirche <strong>und</strong> Gesellschaft kontrovers<br />

diskutiert werden<br />

oder als zentrale Fragen für<br />

die Zukunft unserer Gesellschaft<br />

gelten. Dazu zählen<br />

etwa Beiträge zur Frage, wie<br />

in der Gegenwart mit alten<br />

Menschen umgegangen<br />

wird oder welchen Schutz<br />

das Leben <strong>von</strong> Beginn an<br />

bis zu seinem Ende genießt.<br />

Immer wieder widmete sich<br />

das „Moment“ auch Fragen<br />

des richtigen Umgangs mit<br />

Geld <strong>und</strong> Ressourcen <strong>und</strong><br />

einer ökologisch <strong>und</strong> sozial<br />

verträglichen Form des Wirtschaftens.<br />

Ganz im Gegensatz<br />

zur immer wieder geäußerten<br />

Meinung, die Kirche solle<br />

sich nur um ihre eigenen Anliegen<br />

kümmern, mischt sie<br />

sich damit engagiert in wichtige<br />

Fragen der Gesellschaft<br />

ein. Immer wieder hat das<br />

„Moment“ aktuelle Ereignisse<br />

zum Anlass genommen,<br />

um bestimmte Themen aufzugreifen.<br />

So etwa mit Beiträgen<br />

zum Gedenkjahr 1809–<br />

2009, zu den Ergebnissen der<br />

großen Jugendstudie 2012<br />

oder auch zu kirchlichen Ereignissen<br />

wie der Eröffnung<br />

des neuen Diözesanhauses.<br />

In der öffentlichen Wahrnehmung<br />

besonders positiv<br />

aufgenommen wurde jenes<br />

„Moment“, das sich im April<br />

2010 mit dem Thema Missbrauch<br />

in der katholischen<br />

Kirche auseinandersetzte.<br />

Das gute Beispiel<br />

Bei aller Kritik an dem, was<br />

in unserer Gesellschaft schiefläuft,<br />

ist es dem „Moment“<br />

ein Anliegen, sich nicht im<br />

Aufzählen des Negativen zu<br />

erschöpfen. Es gehört zu den<br />

wesentlichen Merkmalen<br />

dieser Beilage, Menschen, Initiativen<br />

<strong>und</strong> Einrichtungen<br />

vor den Vorhang zu holen,<br />

die durch engagiertes Handeln<br />

einen positiven Beitrag<br />

für Mensch <strong>und</strong> Gesellschaft<br />

liefern. Dazu zählen<br />

Geschichten darüber, wie<br />

Menschen ihren <strong>Glauben</strong> im<br />

Alltag leben, ebenso wie Beiträge<br />

über gelebten Umweltschutz<br />

oder Initiativen zur<br />

Pflege <strong>von</strong> älteren <strong>und</strong> pflegebedürftigen<br />

Menschen.<br />

Als Beilage der Tiroler<br />

Tageszeitung wendet sich<br />

das „Moment“ an eine sehr<br />

breite Leserschaft. Damit<br />

verb<strong>und</strong>en ist die Herausforderung,<br />

kirchliche „Insiderthemen“<br />

ebenso wie theologische<br />

Abhandlungen zu<br />

vermeiden <strong>und</strong> den Kern der<br />

christlichen Botschaft in einer<br />

allgemein verständlichen<br />

Weise zur Sprache zu bringen.<br />

Und mit dieser Herausforderung<br />

ist auch das hoch<br />

gesteckte Ziel des „Moment“<br />

formuliert: den Leserinnen<br />

Wortkunst<br />

moment<br />

<strong>und</strong> Lesern den Reichtum<br />

des christlichen <strong>Glauben</strong>s in<br />

einer Weise zu vermitteln,<br />

die <strong>von</strong> den Menschen verstanden<br />

wird. Denn nur so<br />

ist es möglich, diesen auch<br />

im eigenen Leben umzusetzen.<br />

Und wenn es gelingt,<br />

mit dem „Moment“ da <strong>und</strong><br />

dort einen Funken zu zünden,<br />

dann hat dieses Projekt<br />

seinen Sinn erfüllt.<br />

w a l T e r<br />

h ö l B l i n g<br />

walter.hoelbling@ dibk.at<br />

Grußworte zur 100. Ausgabe <strong>von</strong> Moment<br />

Neues zu schaffen, ist eine der schönsten Selbstbefriedigungen.<br />

Beständiges zu erleben, übertrifft den<br />

kurzfristigen Schöpfungs-Lustgewinn. Die Beteiligung<br />

an Ersterem war leichter, als Zweiteres zu ermöglichen.<br />

Umso größer ist der Dank an alle, die 100<br />

„Moment“-Ausgaben lang jenes Innehalten gewährleistet<br />

haben, aus dem Glau- be, Religion <strong>und</strong><br />

Kirche ihren gesellschaftlichen<br />

Stellenwert beziehen.<br />

Also zollt heute ein Tiroler<br />

Protestant gerne den Blattmachern<br />

jenen Respekt,<br />

der einst ihm als Geburtshelfer<br />

entgegengebracht<br />

wurde.<br />

Meine Vision vor zehn Jahren war es, eine Beilage zu<br />

einer Zeitung ins Leben zu rufen, die <strong>von</strong> Menschen<br />

gelesen wird, die an kirchlichen <strong>und</strong> gesellschaftlichen<br />

Themen interessiert sind, aber auch jene, die<br />

der Kirche fernstehen, zum Nachdenken anregt. Die<br />

Beilage „Moment“ ist einmal monatlich Teil der Tiroler<br />

Tageszeitung <strong>und</strong> erreicht damit fast jeden Tiroler<br />

Haushalt. TheologInnen <strong>und</strong><br />

ExpertInnen beleuchten ein<br />

spezielles Thema pro Ausgabe<br />

aus unterschiedlichen<br />

Blickwinkeln. Ich wünsche<br />

mir noch viele gelungene<br />

<strong>und</strong> <strong>von</strong> vielen LeserInnen<br />

geschätzte Ausgaben.<br />

Wir „Salzburger“, das sind Andrea Huttegger, Daniela<br />

Pfennig <strong>und</strong> ich, arbeiten seit mittlerweile fünf Jahren<br />

sehr gerne im Redaktionsteam <strong>von</strong> „Moment“ mit. Die<br />

TT-Beilage ist uns ans Herz gewachsen <strong>und</strong> für den<br />

Tiroler Teil der Erzdiözese zu einem wichtigen Kommunikationsmittel<br />

geworden. Es ist für uns eine Herausforderung,<br />

jeden Monat die passenden<br />

Themen, GesprächspartnerInnen<br />

<strong>und</strong> AutorInnen<br />

zu finden. Wenn dann auch<br />

Rückmeldungen <strong>von</strong> Lesern<br />

kommen, freut uns das besonders.<br />

In diesem Sinn<br />

wünschen wir dem „Moment“<br />

eine gute Zukunft!<br />

Peter Plaikner<br />

ist Medienberater <strong>und</strong> Lehrgangsmanager für politische<br />

Kommunikation an der Donau-Universität Krems. Foto: plaiknerpublic<br />

Karin Bauer<br />

ist Leiterin der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit<br />

<strong>und</strong> Kommunikation der Diözese Innsbruck.<br />

Foto: I. Rieder<br />

Wolfgang Kumpfmüller<br />

ist Leiter des Amtes für Kommunikation <strong>und</strong><br />

Öffentlichkeitsarbeit der Erzdiözese Salzburg.<br />

Foto: eds


Freitag, 26. April 2013<br />

TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 115-BG 7<br />

Staunen, entdecken<br />

<strong>und</strong> Fragen stellen<br />

Als „Bew<strong>und</strong>erer der<br />

<strong>Naturwissenschaft</strong>“<br />

bezeichnet sich Hans<br />

Laiminger selbst. Als<br />

Katholik setzt er sich<br />

aber auch intensiv mit<br />

Religion auseinander.<br />

Die <strong>Naturwissenschaft</strong><br />

kann uns den Weg<br />

zu einem Ziel weisen,<br />

nicht aber das Motiv, dass<br />

wir ihn auch tatsächlich gehen,<br />

ist Laiminger überzeugt.<br />

Die Motivation komme aus<br />

nicht rationalen Quellen. „So<br />

überzeugend <strong>und</strong> erfolgreich<br />

die naturwissenschaftliche<br />

Methode scheinen mag,<br />

auch der ‚härteste Physiker’<br />

kann daraus keinen ‚Sinn des<br />

Lebens’ logisch herleiten.“<br />

Für Hans Laiminger sind<br />

<strong>Naturwissenschaft</strong> <strong>und</strong> Religion<br />

dann vereinbar, wenn<br />

die Vertreter beider Bereiche<br />

ihre methodischen Grenzen<br />

einhalten. Eben diese Methodengrenze<br />

versuchte der ehemalige<br />

Biologie- <strong>und</strong> Physik-<br />

Lehrer seinen Schülern im<br />

Unterricht klarzumachen,<br />

z. B. mit einem Vergleich aus<br />

der Musik: „Mozarts ‚Kleine<br />

Nachtmusik’ steht in G-Dur.<br />

Das ist eine objektive Feststellung<br />

genauso wie ein naturwissenschaftlicher<br />

Sachverhalt.“<br />

Die melodischen<br />

<strong>und</strong> rhythmischen Strukturen<br />

in dieser Musik seien<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich für alle Menschen<br />

gleich erkennbar. Ob<br />

die Musik jedoch schön ist<br />

oder nicht, entscheide jeder<br />

Hörer für sich. „Ausschlaggebend<br />

hier ist: Mozart ging<br />

es nicht um G-Dur oder einen<br />

bestimmten Rhythmus,<br />

sondern um eine ‚innere<br />

Botschaft’, die sich der rationalen<br />

Analyse entzieht, die<br />

durch eine Analyse vielleicht<br />

sogar zerstört würde“, sagt<br />

Laiminger. Ähnlich betrachtet<br />

der Tiroler die Situation<br />

eines religiösen Menschen:<br />

„Das Wesentliche ist logisch<br />

nicht beweisbar.“ Als spannend<br />

empfindet Laiminger<br />

den fächerübergreifenden<br />

Unterricht, z. B. die Kombination<br />

<strong>von</strong> Religion <strong>und</strong><br />

wortbedeutung <strong>von</strong> wissen<br />

Nur Fakten zählen<br />

Die ursprüngliche Bedeutung<br />

des Wortes<br />

„wissen“ ist „gesehen<br />

haben“. Daher leitet sich<br />

auch die Bedeutungsentwicklung<br />

ab: etwas gesehen<br />

haben <strong>und</strong> daher etwas wissen.<br />

„Zwischen gott <strong>und</strong> naturwissenschaften<br />

finden wir<br />

nirgends einen widerspruch.<br />

sie schließen sich nicht aus,<br />

wie heute manche glauben<br />

<strong>und</strong> fürchten, sie ergänzen<br />

<strong>und</strong> bedingen einander.“<br />

Max Planck<br />

„Wissen“ meint, entweder<br />

durch eigene Erfahrung oder<br />

durch die Mitteilung <strong>von</strong><br />

außen Kenntnis <strong>von</strong> etwas<br />

Das Bild ist im Forschungslabor <strong>von</strong> Sandoz entstanden, das Laiminger in seiner aktiven Zeit als<br />

Lehrer mit einer Wahlpflichtgruppe Biologie besucht hat.<br />

Foto: Laiminger<br />

Physik. „So bew<strong>und</strong>ernswert<br />

die Physik auch ist, Moral<br />

<strong>und</strong> Verantwortung lassen<br />

sich aus ihr nicht logisch<br />

herleiten. Nun haben aber<br />

gerade physikalisch-technische<br />

Entwicklungen oft<br />

ungeahnte, ja unvorstellbare<br />

Auswirkungen, wie etwa die<br />

Atombombe.“ Jeder <strong>Naturwissenschaft</strong>ler<br />

<strong>und</strong> Techniker<br />

hätte schließlich eine<br />

Verantwortung als Mensch.<br />

Bei vielen bekannten <strong>Naturwissenschaft</strong>lern<br />

habe dieses<br />

Verantwortungsgefühl seine<br />

Wurzeln in einer Art Religion<br />

im weitesten Sinne, meint<br />

Laiminger.<br />

termin<br />

Vortrag: 21. Mai, Kitzbühel,<br />

Lebenbergweg 2, Mesnerhaus,<br />

8.30 Uhr: „Lügen die Sterne?“<br />

(Über den Unsinn der Astrologie),<br />

Referent: Hans Laiminger.<br />

oder jemandem zu haben.<br />

Dadurch können zulässige<br />

Aussagen gemacht werden:<br />

etwas genau, sicher, bestimmt<br />

wissen. Beispielhaft<br />

können hier die nachstehenden<br />

Phrasen angeführt werden:<br />

ich weiß eine Adresse;<br />

sie weiß, was sie will; er weiß<br />

die Lösung; weißt du schon<br />

das Neueste?<br />

Sicher sein<br />

„Wissen“ bedeutet auch,<br />

in der Lage sein, etwas zu<br />

tun: sich zu helfen wissen;<br />

sie weiß etwas aus sich zu<br />

machen. Außerdem heißt<br />

„wissen“ über etwas oder<br />

jemanden unterrichtet sein<br />

sowie sich einer Sache in<br />

ihrer Bedeutung, Tragweite<br />

<strong>und</strong> Auswirkung bewusst<br />

Offenheit <strong>und</strong> Toleranz<br />

Es sei wichtig, dass Kirchen<br />

<strong>und</strong> Religionsgemeinschaften<br />

Offenheit <strong>und</strong><br />

Toleranz gegenüber der <strong>Naturwissenschaft</strong><br />

entwickeln.<br />

„Ich kann als Katholik oder<br />

Angehöriger einer anderen<br />

Konfession nicht einfach<br />

objektive naturwissenschaftliche<br />

Tatsachen wegleugnen“,<br />

sagt Laiminger.<br />

Interesse wecken<br />

Bei seinen Schülern hätte<br />

er vor allem das Interesse<br />

wecken wollen, Dinge in der<br />

Natur zu entdecken <strong>und</strong> zu<br />

experimentieren. Es gehe<br />

darum, junge Leute zum<br />

Staunen <strong>und</strong> zum Fragen<br />

zu bringen. „Lehrer sollten<br />

aber auch vermitteln, wie<br />

wichtig nicht nur saubere<br />

Logik ist, sondern auch ein<br />

vernetztes Denken im Sinne<br />

der altgriechischen Weisheit<br />

‚Bedenke das Ganze’.“ Eine<br />

solche Denkweise führe zu<br />

einer Verantwortung gegenüber<br />

den Mitmenschen <strong>und</strong><br />

der Natur, sagt Laiminger,<br />

der auch Autor des Biologie-<br />

Lehrbuchs „Entdecken – Erleben<br />

– Verstehen“ ist.<br />

Ablehnung gegenüber<br />

der Religion kann der Tiroler<br />

nachempfinden, jedoch<br />

dürfe sie nicht gehässig sein.<br />

„Dass Menschen nach einer<br />

sein – zum Beispiel: <strong>von</strong> jemandes<br />

Schwierigkeiten<br />

wissen. Des Weiteren meint<br />

das Verb „wissen“ <strong>von</strong> etwas<br />

Kenntnis haben beziehungsweise<br />

sicher sein, dass<br />

sich jemand oder etwas in<br />

einem bestimmten Zustand,<br />

an einem bestimmten Ort<br />

befindet oder sich etwas in<br />

bestimmter Weise verhält.<br />

Verdeutlichen können diese<br />

Dimensionen die folgenden<br />

Beispiele: jemanden zu Hause<br />

wissen; sich in Sicherheit<br />

wissen; er wollte diese Äußerung<br />

ganz anders verstanden<br />

wissen.<br />

Fakten, Begründungen<br />

Generell wird Wissen als<br />

ein für Personen oder Gruppen<br />

verfügbarer Bestand <strong>von</strong><br />

Erklärung für das bisher Unerklärliche<br />

suchen, halte ich<br />

für einen Gr<strong>und</strong>zug unserer<br />

Existenz.“ Seine Bew<strong>und</strong>erung<br />

für die Wissenschaft<br />

teilt der pensionierte Lehrer<br />

heute nach wie vor mit Publikum.<br />

Er hält Vorträge mit<br />

Titeln wie „Haben Sie heute<br />

schon Gene gegessen?“ oder<br />

„Die Welt im Kopf“. Aktuelles<br />

Thema der Vortragsabende<br />

ist „Die Welt in Balance<br />

halten. Wie wir unseren<br />

Kindern eine lebenswerte<br />

Welt erhalten“. Einerseits<br />

gehe es bei Letzterem um<br />

globale Kreisläufe, andererseits<br />

um die Frage „Was ist<br />

lebenswert?“. Die Menschen<br />

seien neugierig, würden Antworten<br />

haben wollen auf<br />

f<strong>und</strong>amentale Fragen wie die<br />

Entstehung des Lebens. Auch<br />

ihn treibt die Neugier an, momentan<br />

arbeitet er an einem<br />

Buch, in dem er Vorgängen<br />

in der Natur, aber auch Rätseln<br />

des <strong>Glauben</strong>s <strong>und</strong> irrationalen<br />

Dingen auf den Gr<strong>und</strong><br />

zu gehen versucht.<br />

A N d R e A<br />

Fakten, Theorien <strong>und</strong> Regeln<br />

verstanden, der sich durch<br />

den größtmöglichen Grad<br />

an Gewissheit auszeichnet,<br />

sodass <strong>von</strong> Gültigkeit beziehungsweise<br />

„Wahrheit“<br />

ausgegangen wird. Wissenschaft<br />

ist demnach ein<br />

begründetes, geordnetes,<br />

für sicher gehaltenes Wissen,<br />

das durch objektive<br />

Forschung hervorgebracht<br />

wird. Paradoxerweise können<br />

daher als Wissen deklarierte<br />

Sachverhaltsbeschreibungen<br />

wahr oder falsch,<br />

vollständig oder unvollständig<br />

sein. Es stellt sich also<br />

die Frage, wo die Grenzen<br />

des Wissens liegen.<br />

d a n i e l a<br />

H u T T e g g e R<br />

andrea.huttegger@<br />

kommunikation.kirchen.net<br />

p F e n n i g<br />

daniela@pfennig.at<br />

spiritualität <strong>und</strong> medizin<br />

Der Menschen Heil(ung)<br />

Mit Entwicklung der modernen Medizin <strong>und</strong> ihrer<br />

naturwissenschaftlichen Methoden schien<br />

sich eine rein biologische Betrachtungsweise <strong>von</strong><br />

Krankheit sowie die strikte Trennung <strong>von</strong> Medizin<br />

<strong>und</strong> Religion <strong>und</strong> somit auch <strong>von</strong> Heilung <strong>und</strong> Heil<br />

durchzusetzen. Jedoch besonders dort, wo Medizin<br />

an ihre Grenzen stößt, stellt die Sehnsucht der<br />

Menschen nach Spiritualität, Ganzheitlichkeit <strong>und</strong><br />

Transzendenz das gängige Konzept in Frage. Glaube<br />

<strong>und</strong> Spiritualität <strong>und</strong> deren Auswirkungen auf<br />

den Heilungsverlauf sind mittlerweile nicht mehr<br />

nur ein Thema für die Seelsorger, sondern haben<br />

auch ihren Weg in die naturwissenschaftliche Forschung<br />

gef<strong>und</strong>en.<br />

Die Wahrnehmung spiritueller Bedürfnisse ist<br />

gesetzlich verankertes Patientenrecht <strong>und</strong> zählt<br />

heute zu den medizinischen Qualitätsmerkmalen<br />

<strong>von</strong> Krankenanstalten <strong>und</strong> Pflegeeinrichtungen.<br />

Dass Menschen aus ihrem <strong>Glauben</strong> Kraft schöpfen<br />

können, um schwere Lebenskrisen zu akzeptieren,<br />

ohne daran zu zerbrechen, ist durchaus beobachtbar,<br />

wenn auch bisher nicht wissenschaftlich erwiesen.<br />

Wissenschaftliche Forschung: Seit 2010 existiert<br />

am Campus Großhadern des renommierten Klinikums<br />

München der weltweit erste Lehrstuhl für<br />

„Spiritual Care“, dessen Ziel es ist, Möglichkeiten<br />

zu finden, um Menschen auch in ausweglosen<br />

ges<strong>und</strong>heitlichen Situationen Hilfestellungen zu<br />

erschließen. Der Lehrstuhl ist mit dem Mediziner<br />

<strong>und</strong> Jesuiten Eckhard Frick <strong>und</strong> dem evangelischen<br />

Theologen Niels Christian Hvidt ökumenisch<br />

besetzt <strong>und</strong> interdisziplinär vernetzt. Auch in Österreich<br />

beschäftigt sich die interreligiöse Ärzteplattform<br />

mit der Bedeutung <strong>von</strong> persönlicher Einstellung<br />

<strong>und</strong> Spiritualität für den Heilungsverlauf.<br />

Spiritualität als Kraftquelle: Hartmann Hinterhuber,<br />

<strong>von</strong> 1983 bis 2011 Vorstand der psychiatrischen<br />

Klinik in Innsbruck <strong>und</strong> bis heute Präsident<br />

Körper <strong>und</strong> seele als einheit betrachten. Foto: PantherStock<br />

<strong>von</strong> pro mente Tirol, stellt fest, dass „das Interesse<br />

an Spiritualität boomt“ <strong>und</strong> auch in den Human<strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitswissenschaften an Bedeutung<br />

gewinnt. „In der Suchttherapie ist Spiritualität bereits<br />

seit 70 Jahren eine wesentliche Säule <strong>und</strong> –<br />

eingebettet in ein umfassendes Therapiekonzept<br />

– eine potenzielle Ressource bei der Verarbeitung<br />

<strong>von</strong> Krisen <strong>und</strong> Krankheiten.“ So seien Spiritualität<br />

<strong>und</strong> der Gedanke des Dienens Gr<strong>und</strong>haltungen<br />

des Konzepts der Anonymen Alkoholiker. „Mit bis<br />

heute herausragendem Erfolg“, wie Hinterhuber<br />

bestätigt. Trotzdem sieht er den aktuellen Spiritualitätsboom<br />

durchaus kritisch: „Er ist geprägt <strong>von</strong><br />

einer starken Fokussierung auf das Ich <strong>und</strong> der<br />

Frage: Wie werde ich glücklich <strong>und</strong> zufrieden?“<br />

Somit sei er in seiner Ausprägung auch ein Spiegel<br />

des Narzissmus unserer Gesellschaft, so Hinterhuber.<br />

Dennoch wirke Spiritualität positiv: „Sie ist<br />

Lebenshilfe, teilnehmendes Mitgehen, Begleiten<br />

durch Lebenskrisen <strong>und</strong> ein gemeinsames Suchen<br />

nach dem verborgenen Sinn des Erlebten.“<br />

Körper <strong>und</strong> Seele: Der Ruf nach ganzheitlicher<br />

Medizin bedeute laut Hinterhuber aber keineswegs<br />

ein quantitatives Mehr an diagnostischen <strong>und</strong><br />

therapeutischen Verfahren oder das Ausschöpfen<br />

aller alternativen Heilmethoden. „Es geht um eine<br />

reife <strong>und</strong> tiefgehende Betrachtungsweise <strong>von</strong> Körper<br />

<strong>und</strong> Seele, <strong>von</strong> Gemüt <strong>und</strong> Verstand des Menschen,<br />

der nicht nur nach seiner Heilung, sondern<br />

auch nach seinem Heil sucht.“<br />

roM ana PocKStaller<br />

romana.pockstaller@dibk.at


8 TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 115-BG Freitag, 26. April 2013<br />

Mit Ionenfallen erforschen Wissenschaftler in aller Welt die Quantenwelt.<br />

Fotos: IQOQI/Lackner<br />

Religion fängt dort an, wo<br />

<strong>Naturwissenschaft</strong> aufhört<br />

Rainer Blatt, Professor<br />

am Institut für Experimentalphysik<br />

der Uni<br />

Innsbruck, sucht Antworten<br />

darauf, wie sich<br />

bestimmte Phänomene<br />

physikalisch erklären<br />

lassen. Als <strong>Naturwissenschaft</strong>ler<br />

stellt er<br />

die Frage nach dem<br />

Wie, nicht aber nach<br />

dem Warum.<br />

Welche Werte sind Ihnen in<br />

den <strong>Naturwissenschaft</strong>en essentiell<br />

wichtig?<br />

Rainer Blatt: Ethik stellt<br />

in der <strong>Naturwissenschaft</strong> die<br />

Fragen nach den Grenzen<br />

der Forschung: Darf alles gemacht<br />

<strong>und</strong> versucht werden,<br />

was man sich als Wissenschaftler<br />

ausdenken kann?<br />

Darf ich alle mir möglichen<br />

Experimente machen? Für<br />

die Rückbindung der Forschung<br />

an ethische Werte<br />

gibt es Ethikkommissionen<br />

<strong>und</strong> Wissenschaftsverbände,<br />

in denen unterschiedliche<br />

Professionen Fragestellungen<br />

<strong>und</strong> Forschungsvorhaben<br />

mit vielen Blickwinkeln auf<br />

ethische Werte hin prüfen.<br />

Aber diese ethischen Grenzen<br />

haben auch einen individuellen<br />

Aspekt. Die meisten<br />

Wissenschaftler würden sich<br />

weigern, für Waffentechnologien<br />

zu arbeiten. Dennoch<br />

kann auch Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

militärisch genutzt<br />

werden. Es geht also immer<br />

auch um eine persönliche<br />

Gr<strong>und</strong>haltung als Mensch,<br />

<strong>und</strong> die ist mitunter geprägt<br />

<strong>von</strong> religiösen Wertvorstellungen.<br />

Berührungspunkte<br />

Wo sehen Sie Berührungspunkte<br />

der <strong>Naturwissenschaft</strong><br />

mit der Religion?<br />

Rainer Blatt: Das eine ist<br />

eine klar abgrenzbare Wissenschaft,<br />

wenn Sie wollen,<br />

ein Handwerk. Das andere<br />

ist eine nicht unbedingt rational<br />

erklärbare Sache, die<br />

jeder Mensch mit sich selbst<br />

<strong>und</strong> mit seinem Gott ausmachen<br />

muss.<br />

Die Physik stellt im Unterschied<br />

zur Religion Fragen<br />

nach dem Wie <strong>und</strong> nicht<br />

nach dem Warum. Die <strong>Naturwissenschaft</strong><br />

sucht nach<br />

„Die Fragen, was Leben<br />

ausmacht, was ein ‚ICH‘ ist,<br />

können physikalisch nicht<br />

beantwortet werden.“<br />

Rainer Blatt<br />

Gesetzmäßigkeiten <strong>von</strong><br />

Ereignissen. Berührungspunkte<br />

zur Religion sehe ich<br />

allenfalls im naturwissenschaftlich-philosophischen<br />

Grenzbereich, aber auch da<br />

ist große Vorsicht geboten.<br />

Wie erklären Sie den Ursprung<br />

des Lebens aus Sicht des<br />

<strong>Naturwissenschaft</strong>lers? Kann<br />

zur person<br />

professor rainer<br />

Blatt ist Professor<br />

am Institut<br />

für Experimentalphysik<br />

der<br />

Uni Innsbruck,<br />

das er <strong>von</strong> 2000<br />

bis 2013 leitete.<br />

Seit 2003 ist er auch Wissenschaftlicher<br />

Direktor am Institut<br />

für Quantenoptik <strong>und</strong> Quanteninformation<br />

der Österreichischen<br />

Akademie der Wissenschaften,<br />

deren wirkliches Mitglied er seit<br />

2008 ist. Er studierte Physik an<br />

der Universität in Mainz, wo er<br />

1981 promovierte.<br />

Für seine Forschungstätigkeit<br />

erhielt Rainer Blatt zahlreiche<br />

Preise <strong>und</strong> Auszeichnungen. Er<br />

ist Mitglied im Herausgeberrat<br />

mehrerer Fachpublikationen.<br />

Der seit 1995 in Tirol tätige Physiker<br />

machte mit seinen Kollegen<br />

Innsbruck zu einem weltweit<br />

sichtbaren Forschungsstandort<br />

für Quantenphysik.<br />

als Erstursache nicht ein göttlicher<br />

Wille dahinter stehen?<br />

Rainer Blatt: Der eigentliche<br />

Ursprung ist der Big<br />

Bang, aus dem der gesamte<br />

Kosmos entstanden ist. Das<br />

ist durch Beobachtungen<br />

sehr gut belegt <strong>und</strong> die Evolutionstheorie<br />

hat sich bisher<br />

immer bestätigt, musste<br />

allenfalls modifiziert werden.<br />

Was den Big Bang aber<br />

ausgelöst hat, ist eine sehr<br />

spekulative <strong>und</strong> keine physikalische<br />

Frage. Alle anderen<br />

Erklärungsversuche sind reine<br />

Spekulation, so etwa die<br />

Theorie des „Intelligent Design“,<br />

die wissenschaftlich<br />

nicht haltbar ist, mehr sogar,<br />

sie ist allenfalls pseudowissenschaftlich<br />

oder schlechthin<br />

„junk science“.<br />

In der Religion spricht man<br />

<strong>von</strong> „unsterblich“: Ist für die<br />

<strong>Naturwissenschaft</strong> „unendlich“<br />

das, was für die Religion<br />

unsterblich ist?<br />

Rainer Blatt: Der Unendlichkeitsbegriff<br />

kann<br />

mathematisch abstrakt sehr<br />

präzise formuliert werden.<br />

In der Theologie ist das<br />

ein ganz anderer Begriff.<br />

Über die theologische <strong>und</strong><br />

philosophische Debatte<br />

dazu bin ich zu wenig informiert,<br />

um diesen Unendlichkeitsbegriff<br />

mit dem<br />

Begriff „unsterblich“ auch<br />

nur annähernd zu vergleichen.<br />

Dazu müsste man erst<br />

einmal naturwissenschaftlich<br />

definieren, was sterblich<br />

<strong>und</strong> das Ende <strong>von</strong> Leben ist<br />

<strong>und</strong> in welchem Verständnis<br />

man es verwendet – zeitlich,<br />

räumlich oder wie sonst definiert?<br />

Atome <strong>und</strong> Moleküle<br />

vergehen nicht, sie existieren<br />

weiter, eventuell in einer<br />

anderen Zusammensetzung.<br />

Dazu muss man sich die Frage<br />

stellen, was Leben überhaupt<br />

ausmacht, was ein<br />

„Ich“ ist. Aber diese Fragen<br />

sind physikalisch nicht beantwortbar.<br />

Wie sehen Sie als Physiker<br />

den Begriff Zufall?<br />

univ.-prof. rainer Blatt im Labor.<br />

Rainer Blatt: In einem<br />

quantenmechanischen Sinn<br />

wird der Zufall als im Prinzip<br />

nicht vorhersehbarer, d. h.<br />

auch nicht berechenbarer<br />

Ausgang einer quantenmechanischen<br />

Messung beschrieben.<br />

Der Zufall spielt<br />

in der Quantenphysik eine<br />

zentrale Bedeutung. Beispielsweise<br />

kann man bei<br />

einem Experiment, in dem<br />

man einzelne Lichtteilchen<br />

auf einen halbdurchlässigen<br />

„<strong>Glauben</strong> ist ein Begriff,<br />

der in der naturwissenschaft<br />

so nicht Verwendung<br />

findet.“<br />

Rainer Blatt<br />

Spiegel sendet, nicht vorhersagen,<br />

ob ein solches Lichtteilchen<br />

durchgelassen oder<br />

reflektiert wird. Diese Vorgänge<br />

sind auch im Prinzip<br />

nicht berechenbar <strong>und</strong> daher<br />

„zufällig“.<br />

Logisch widerspruchsfrei<br />

Wann können Sie behaupten,<br />

etwas zu wissen, wann<br />

glauben Sie etwas?<br />

Rainer Blatt: <strong>Glauben</strong> ist<br />

ein Begriff, der in der <strong>Naturwissenschaft</strong><br />

so nicht verwendet<br />

wird. Ich habe eine<br />

Hypothese, die ich teste. Und<br />

wenn ich erfolgreich bin,<br />

dann bildet sich daraus eine<br />

Theorie. Wissen entsteht<br />

durch überprüfbare Beobachtungen<br />

<strong>und</strong> Messungen<br />

bzw. nachvollziehbare mathematische<br />

Ableitungen,<br />

die logisch widerspruchsfrei<br />

sind. Dieses Wissen ist nicht<br />

unverrückbar, sondern falsifizierbar,<br />

auch modifizierbar<br />

<strong>und</strong> zu präzisieren. Die Physik<br />

ist aber offen. Sie hat kein<br />

absolutes Weltbild, keinen<br />

absoluten Standpunkt, wie<br />

ihn die Religion durchaus für<br />

sich beansprucht.<br />

Wie beurteilen Sie Phänomene,<br />

die Sie mit <strong>Naturwissenschaft</strong><br />

nicht erklären können<br />

– werden Sie dafür noch Erklärungen<br />

finden oder nehmen Sie<br />

diese als unerklärlich hin?<br />

Rainer Blatt: Es gibt viele<br />

Dinge zwischen Himmel<br />

<strong>und</strong> Erde, die wir uns zumindest<br />

noch nicht erklären<br />

können. Aber aufgr<strong>und</strong> meiner<br />

naturwissenschaftlichen<br />

Ausbildung versuche ich erst<br />

einmal, natürliche Erklärungen<br />

zu finden. Wenn solche<br />

Phänomene im Rahmen<br />

der <strong>Naturwissenschaft</strong> nicht<br />

erklärbar sind, muss das Gebäude<br />

der <strong>Naturwissenschaft</strong><br />

erweitert werden. Das ist die<br />

ureigenste Aufgabe der Physik,<br />

<strong>und</strong> wir gehen immer auf<br />

die Grenzbereiche zu. Wir<br />

schauen auf die Welt <strong>und</strong><br />

machen quasi viele Bilder<br />

<strong>von</strong> allen Seiten <strong>und</strong> lassen<br />

daraus ein Weltbild entstehen.<br />

Neue Erkenntnisse erweitern<br />

dieses Weltbild um<br />

neue Facetten. So sind z. B.<br />

gerade im Moment noch unerklärliche<br />

Phänomene, die<br />

unter gleichen Bedingungen<br />

immer wieder auftreten,<br />

enorm faszinierend für uns<br />

Physiker. Denn <strong>Naturwissenschaft</strong>ler<br />

sind neugierige<br />

Menschen.<br />

<strong>Glauben</strong> Sie an Gott?<br />

Rainer Blatt: Ja, ich glaube<br />

an Gott. Das ist unabhängig<br />

<strong>von</strong> der <strong>Naturwissenschaft</strong><br />

zu sehen <strong>und</strong> auch eine da<strong>von</strong><br />

unabhängige Sache – sie<br />

stehen für mich nicht im<br />

Widerspruch. Der Glaube ist<br />

wie ein sicherer Hafen, eine<br />

Tradition, in die ich auch<br />

hineingeboren wurde. Entscheidend<br />

ist für mich dabei<br />

ein Gerüst an ethischen<br />

Gr<strong>und</strong>werten, das Orientierung<br />

gibt. Das ist mir sehr<br />

wichtig.<br />

D A s IN t ERv IEW FühR t E<br />

heike Fink<br />

heike.fink@chello.at

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