PaperOut Artikel - Kirchen.ch
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Neue Z}r<strong>ch</strong>er Zeitung VERMISCHTE MELDUNGEN Donnerstag, 17.05.2001 Nr.113 60<br />
Satanskult und Mord im Unterrheintal<br />
Zwei Anges<strong>ch</strong>uldigte stehen im Kanton St. Gallen vor Geri<strong>ch</strong>t<br />
brh. Widnau, 16. Mai<br />
«Satanskult, das ist Teufelswerk dur<strong>ch</strong> Mens<strong>ch</strong>enhand»,<br />
s<strong>ch</strong>reibt Christian S<strong>ch</strong>arfetter, emeritierter<br />
Professor an der Psy<strong>ch</strong>iatris<strong>ch</strong>en Universitätsklinik<br />
Züri<strong>ch</strong>, in einem wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Aufsatz über Opfer des Satanskultes. S<strong>ch</strong>arfetter<br />
ist am Donnerstag aufgeboten, als Experte in<br />
einem Mordprozess im St. Galler Unterrheintal<br />
auszusagen. Vor den S<strong>ch</strong>ranken des Bezirksgeri<strong>ch</strong>ts<br />
stehen in Widnau zwei junge Männer,<br />
der eine angeklagt des Mordes, der andere der<br />
Anstiftung zum Mord; dies neben anderen Delikten<br />
wie Gefährdung dur<strong>ch</strong> Sprengstoffe und giftige<br />
Gase in verbre<strong>ch</strong>eris<strong>ch</strong>er Absi<strong>ch</strong>t; der geständige<br />
Mörder ausserdem der mehrfa<strong>ch</strong>en Störung<br />
der Glaubens und Kultusfreiheit sowie der mehrfa<strong>ch</strong>en<br />
Störung des Totenfriedens.<br />
Lebensrettende Verspätung<br />
Im Vordergrund dieses zweitägigen Prozesses<br />
steht ein Mord mit offenbar satanistis<strong>ch</strong>em Hintergrund.<br />
Der heute 26jährige geständige Mörder,<br />
der si<strong>ch</strong> seit zweieinhalb Jahren im vorzeitigen<br />
Strafvollzug befindet, hatte im August 1998<br />
die Mutter seines besten Freundes mit rund 25<br />
Sti<strong>ch</strong>verletzungen getötet. Die Frau hatte den<br />
Kollegen ihres Sohnes, den sie gut kannte, gutgläubig<br />
in ihr Haus in Balga<strong>ch</strong> gelassen, weil er<br />
vorgegeben hatte, telefonieren zu wollen. Kaum<br />
im Hause, griff der junge Mann die Frau mit<br />
einem Messer an. Vergebli<strong>ch</strong> versu<strong>ch</strong>te sie si<strong>ch</strong> zu<br />
wehren, wie Sti<strong>ch</strong>wunden an Armen und Händen<br />
zeigten. Der Täter sagte später in der Untersu<strong>ch</strong>ung<br />
aus, dass er laut seinem Auftrag eigentli<strong>ch</strong><br />
au<strong>ch</strong> den Vater des Freundes hätte töten müssen.<br />
Do<strong>ch</strong> jener war später als erwartet na<strong>ch</strong><br />
Hause gekommen. Er fand seine Ehefrau tot in<br />
der Badewanne.<br />
Hatte der geständige Mörder in den ersten Einvernahmen<br />
zunä<strong>ch</strong>st angegeben, aus eigener<br />
Initiative und aus Hass gegen die Frau gehandelt<br />
zu haben, so rückte er im Laufe der Untersu<strong>ch</strong>ung<br />
mit einem satanistis<strong>ch</strong>en Auftrag heraus. Laut Anklages<strong>ch</strong>rift<br />
hatte der Täter, ein in der Osts<strong>ch</strong>weiz<br />
aufgewa<strong>ch</strong>sener italienis<strong>ch</strong>er Staatsangehöriger,<br />
mit 18 Jahren angefangen, BlackMetalMusik zu<br />
hören und si<strong>ch</strong> mit Satanismus und Okkultismus<br />
zu befassen. Im Herbst 1997 wurde er s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />
satanistis<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>üler des einzigen Sohnes seines<br />
späteren Mordopfers. Jener wird nun der Anstiftung<br />
zum Mord an seiner eigenen Mutter angeklagt,<br />
wobei er diesen Tatbeitrag energis<strong>ch</strong> bestreitet.<br />
Der 28jährige S<strong>ch</strong>weizer hatte si<strong>ch</strong> ebenfalls<br />
seit Jahren ausgiebig mit Satanskulten befasst<br />
und in diesem Zusammenhang au<strong>ch</strong> Kontakt zu<br />
Carl Friedri<strong>ch</strong> Frey alias Akron aufgenommen,<br />
einem umstrittenen «Magier» aus St. Gallen. Bei<br />
beiden Anges<strong>ch</strong>uldigten wurden im Laufe der<br />
Untersu<strong>ch</strong>ung zahlrei<strong>ch</strong>e Bü<strong>ch</strong>er über Satanskult<br />
und entspre<strong>ch</strong>ende Kultgegenstände bes<strong>ch</strong>lagnahmt,<br />
bei beiden Sti<strong>ch</strong>waffen und beim geständigen<br />
Mörder ausserdem eine Kalas<strong>ch</strong>nikow.<br />
Die Anklage geht davon aus, dass der Italiener<br />
seinem S<strong>ch</strong>weizer Freund unterlegen und ihm<br />
vollständig hörig war. In einem s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong> festgehaltenen,<br />
den Untersu<strong>ch</strong>ungsbehörden vorliegenden<br />
Pakt von August 1998 verpfli<strong>ch</strong>tete si<strong>ch</strong><br />
der junge Mann, alle Befehle seines «Vaters Satanas»<br />
sofort auszuführen, seinen eigenen Willen<br />
aufzugeben und bedingungslos gehorsam zu sein.<br />
Derartige Anweisungen Satans, so sagte der Täter<br />
in der Untersu<strong>ch</strong>ung aus, seien ihm von seinem<br />
Freund und Lehrmeister übermittelt worden. Das<br />
Begehen einer «krassen Tat» habe zur Lernphase<br />
gehört; er habe den Auftrag erhalten, die Eltern<br />
seines Freundes umzubringen. Der Freund habe<br />
Vater und Mutter als lästig empfunden, es sei<br />
häufig zum Streit gekommen, und er habe die<br />
Eltern beerben wollen.<br />
Der 28jährige S<strong>ch</strong>weizer und satanistis<strong>ch</strong>e<br />
Lehrmeister war laut der Anklages<strong>ch</strong>rift der Verfasser<br />
des Paktes. Er bestreitet jedo<strong>ch</strong> vehement,<br />
seinem jüngeren Freund einen Auftrag zur<br />
Tötung der Eltern gegeben zu haben, und verlangt<br />
Freispru<strong>ch</strong> in diesem Anklagepunkt. Er befindet<br />
si<strong>ch</strong> im Gegensatz zum geständigen Mörder<br />
na<strong>ch</strong> 95 Tagen Untersu<strong>ch</strong>ungshaft längst wieder<br />
auf freiem Fuss. Die Staatsanwalts<strong>ch</strong>aft des<br />
Kantons St. Gallen verlangt für beide Anges<strong>ch</strong>uldigten<br />
eine Zu<strong>ch</strong>thausstrafe von 15 Jahren, verbunden<br />
mit einer ambulanten psy<strong>ch</strong>iatris<strong>ch</strong>en<br />
Therapie und mit S<strong>ch</strong>utzaufsi<strong>ch</strong>t.<br />
Beiden Männern wirft die Staatsanwalts<strong>ch</strong>aft<br />
ausserdem vor, im Juli 1998 einen Sprengstoffans<strong>ch</strong>lag<br />
auf das Auto eines gemeinsamen Kollegen<br />
verübt zu haben. Bei diesem Ans<strong>ch</strong>lag war<br />
geringer Sa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>aden entstanden. Der 26jährige<br />
© 2001 Neue Zür<strong>ch</strong>er Zeitung AG Blatt 1
Neue Z}r<strong>ch</strong>er Zeitung VERMISCHTE MELDUNGEN Donnerstag, 17.05.2001 Nr.113 60<br />
Täter wird zudem bes<strong>ch</strong>uldigt, zusammen mit<br />
Kollegen aus einem SatanistenZirkel während<br />
mehrerer Jahre im Rheintal Friedhöfe ges<strong>ch</strong>ändet<br />
und Wegkreuze bes<strong>ch</strong>ädigt zu haben.<br />
Sadistis<strong>ch</strong>e Gegenkultur<br />
Der Satanskult, so s<strong>ch</strong>reibt S<strong>ch</strong>arfetter in seinem<br />
wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Aufsatz, verehre den Teufel<br />
und seine (bösen) Dämonen. Die Satanskir<strong>ch</strong>e<br />
sei eine Gegenreligion zum Christentum und seit<br />
den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bekannt.<br />
Andererseits gebe es au<strong>ch</strong> Beri<strong>ch</strong>te über<br />
«Teen Satanism», eine Art Gegenkultur Adoleszenter<br />
in den USA, die einen Kraftraus<strong>ch</strong> von<br />
Aggression und sadistis<strong>ch</strong>er Sexualität feiere.<br />
Diese Gegenkultur, so S<strong>ch</strong>arfetter, verbinde si<strong>ch</strong><br />
mit dem Okkultismus und werde in Gruppenritualen<br />
ausgelebt. Zur Glaubwürdigkeit von Beri<strong>ch</strong>ten<br />
über grauenhafte satanistis<strong>ch</strong>e Rituale<br />
s<strong>ch</strong>reibt der Psy<strong>ch</strong>iater: «Mens<strong>ch</strong>en haben seit je<br />
anderen Mens<strong>ch</strong>en so s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>es Leid zugefügt,<br />
wie es keine Phantasie erfinden kann, wie es<br />
uneinfühlbar ers<strong>ch</strong>eint – und sie tun es weiter.<br />
Diese Horrorges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten sind leider mens<strong>ch</strong>enmögli<strong>ch</strong>.»<br />
© 2001 Neue Zür<strong>ch</strong>er Zeitung AG Blatt 2