Zweiter Saechsischer Landespsychiatrieplan

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20.03.2014 Aufrufe

Landespsychiatrieplan Versorgung psychosomatisch erkrankter Menschen 9 Versorgung psychosomatisch erkrankter Menschen Die Versorgung von psychosomatisch erkrankten Menschen betrifft, in Anlehnung an die Definition der Bundesärztekammer, die Erkennung, Behandlung, Prävention und Rehabilitation von Krankheiten und Leidenszuständen, die maßgeblich aufgrund psychosozialer und psychosomatischer Faktoren einschließlich dadurch bedingter körperlich-seelischer Wechselwirkungen verursacht sind und für die ein enges Zusammenund Wechselspiel von körperlichen und psychischen, Krankheit beeinflussenden Faktoren charakteristisch ist. Mit den Befindlichkeitsstörungen (d. h. körperlichen Beschwerden, die überwiegend psychosozial oder psychisch bedingt sind), den funktionellen (somatoformen und dissoziativen) Störungen, den psychosomatischen Störungen im engeren Sinn (d. h. Krankheiten mit einer nachweislichen Organschädigung, die wesentlich von psychischen Faktoren oder Verhaltenseinflüssen verursacht werden) sowie den somatopsychischen Erkrankungen (d. h. körperlichen Grunderkrankungen mit psychischen und psychosozialen Folgen) lassen sich seit Alexander 12 vier Krankheitsobergruppen unterscheiden. Angaben zur Prävalenz psychosomatischer Erkrankungen liegen nur vereinzelt vor und differieren zum Teil erheblich, so dass der Versorgungsbedarf nur schwer abzuschätzen ist. Es ist jedoch allgemein von ansteigenden Fallzahlen auszugehen. Dies und die mit psychosomatischen Erkrankungen häufig verbundenen psychosozialen Folgen und Beeinträchtigungen machen die Versorgung zu einem Thema von gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Patienten mit psychosomatischen Erkrankungen bedürfen einer Behandlung, die sowohl die körperlichen als auch die psychischen Faktoren sowie deren Wechselwirkung berücksichtigt. Dabei muss sich die Heterogenität der Erkrankungen in der Versorgungspraxis widerspiegeln. Die Versorgungssituation im Bereich psychosomatischer Erkrankungen zeichnet sich durch die Polarität zwischen Akutbehandlung und Rehabilitation aus, auch wenn die Abgrenzung auf dem Gebiet psychosomatischer Erkrankungen ebenso schwierig ist wie auf dem Gebiet psychischer Erkrankungen. Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass Maßnahmen der Frührehabilitation ein wichtiger Bestandteil der stationären und ambulanten kurativen Behandlung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen sind. In der Versorgungspraxis erweist sich die Abgrenzung oft deshalb als ungünstig, weil sie mit der Zuständigkeit unterschiedlicher Kostenträger verbunden ist und Akutbehandlung und Rehabilitation durch den Kostenträgerwechsel - im Widerspruch zu der Forderung nach möglichst hoher Behandlungskontinuität - von unterschiedlichen Institutionen übernommen werden müssen. Eine weitere Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Verantwortungsträgern im SGB V- und SGB VI-Bereich ist anzustreben. 82

Landespsychiatrieplan Versorgung psychosomatisch erkrankter Menschen 9.1 Akutbehandlung Patienten mit psychosomatischen Erkrankungen finden sich in der ambulanten Akutversorgung meistens in der Praxis von Hausärzten, Internisten und anderen somatischen Fachärzten, im Rahmen der stationären Akutbehandlung in der Regel in den unterschiedlichen somatischen Fachabteilungen. Diesen Einrichtungen obliegen damit die wichtigen Aufgaben der Diagnostik sowie der Initiierung psychosomatischer und psychotherapeutischer Hilfen. Allerdings ist die Grundversorgung in diesen Bereichen aufgrund struktureller und fachlicher Bedingungen oft einseitig somatisch ausgerichtet, so dass das Wechselspiel von körperlichen und psychischen Faktoren nicht ausreichend beachtet wird und es häufig zu einem Übermaß somatischer Diagnostik und Therapie (Über- und Fehlversorgung) und zu einer Vernachlässigung psychosozialer Maßnahmen (Unter- und Fehlversorgung) kommt. Ein bedarfsgerechtes Versorgungsangebot erfordert daher ein interdisziplinäres Zusammenarbeiten in Form von Konsiliar- und Liaisondiensten. Flankierende Maßnahmen, beispielsweise wirtschaftliche Abrechnungsmodalitäten betreffend, sind hierfür Voraussetzung. Im ambulanten Bereich wird die Facharztversorgung von allen für die Grundversorgung von psychisch erkrankten Menschen zuständigen Fachärzten übernommen. Auf die Diagnostik und Behandlung psychosomatischer Erkrankungen besonders spezialisiert sind dabei die niedergelassenen Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, die die Versorgung komplexer und chronischer psychosomatischer Erkrankungen übernehmen sollen. Allerdings steht im Freistaat Sachsen gegenwärtig für ca. 262.000 Einwohner nur ein solcher Facharzt zur Verfügung, so dass hier von einem nicht ausreichenden ambulanten Angebot auszugehen ist. In der stationären Versorgung psychosomatischer Erkrankungen soll der Konsiliar- und Liaisondienst für die somatischen Abteilungen der Krankenhäuser im Freistaat Sachsen grundsätzlich von Fachärzten dieser Fachdisziplin erbracht werden. Hierzu ist die Schaffung von Strukturen und Abrechnungsmechanismen erforderlich. In den sechs im Freistaat Sachsen etablierten Abteilungen für „Psychosomatische Medizin und Psychotherapie“ stehen gegenwärtig zur spezialisierten stationären Versorgung von psychosomatisch erkrankten Patienten 199 Betten zur Verfügung; gleichzeitig wird ein tagesklinisches Angebot von derzeit 113 Plätzen vorgehalten. Allerdings werden nicht nur Patienten mit psychosomatischen Erkrankungen behandelt, sondern zunehmend Patienten mit „originär“ psychiatrischen Erkrankungen, was mehr und mehr zum Aufbau paralleler stationärer und tagesklinischer Versorgungsstrukturen für dieselben psychischen Erkrankungen führt. Dies gilt als problematisch, da es sowohl zu einer Unterversorgung psychosomatisch erkrankter Patienten als auch zu einer Stigmatisierung schwerer psychischer Erkrankungen führen kann. 83

<strong>Landespsychiatrieplan</strong><br />

Versorgung psychosomatisch erkrankter Menschen<br />

9 Versorgung psychosomatisch erkrankter Menschen<br />

Die Versorgung von psychosomatisch erkrankten Menschen betrifft, in Anlehnung an die<br />

Definition der Bundesärztekammer, die Erkennung, Behandlung, Prävention und<br />

Rehabilitation von Krankheiten und Leidenszuständen, die maßgeblich aufgrund<br />

psychosozialer und psychosomatischer Faktoren einschließlich dadurch bedingter<br />

körperlich-seelischer Wechselwirkungen verursacht sind und für die ein enges Zusammenund<br />

Wechselspiel von körperlichen und psychischen, Krankheit beeinflussenden Faktoren<br />

charakteristisch ist. Mit den Befindlichkeitsstörungen (d. h. körperlichen Beschwerden, die<br />

überwiegend psychosozial oder psychisch bedingt sind), den funktionellen (somatoformen<br />

und dissoziativen) Störungen, den psychosomatischen Störungen im engeren Sinn (d. h.<br />

Krankheiten mit einer nachweislichen Organschädigung, die wesentlich von psychischen<br />

Faktoren oder Verhaltenseinflüssen verursacht werden) sowie den somatopsychischen<br />

Erkrankungen (d. h. körperlichen Grunderkrankungen mit psychischen und psychosozialen<br />

Folgen) lassen sich seit Alexander 12 vier Krankheitsobergruppen unterscheiden.<br />

Angaben zur Prävalenz psychosomatischer Erkrankungen liegen nur vereinzelt vor und<br />

differieren zum Teil erheblich, so dass der Versorgungsbedarf nur schwer abzuschätzen<br />

ist. Es ist jedoch allgemein von ansteigenden Fallzahlen auszugehen. Dies und die mit<br />

psychosomatischen Erkrankungen häufig verbundenen psychosozialen Folgen und<br />

Beeinträchtigungen machen die Versorgung zu einem Thema von gesamtgesellschaftlicher<br />

Relevanz.<br />

Patienten mit psychosomatischen Erkrankungen bedürfen einer Behandlung, die sowohl<br />

die körperlichen als auch die psychischen Faktoren sowie deren Wechselwirkung<br />

berücksichtigt. Dabei muss sich die Heterogenität der Erkrankungen in der<br />

Versorgungspraxis widerspiegeln.<br />

Die Versorgungssituation im Bereich psychosomatischer Erkrankungen zeichnet sich durch<br />

die Polarität zwischen Akutbehandlung und Rehabilitation aus, auch wenn die Abgrenzung<br />

auf dem Gebiet psychosomatischer Erkrankungen ebenso schwierig ist wie auf dem Gebiet<br />

psychischer Erkrankungen. Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass Maßnahmen der<br />

Frührehabilitation ein wichtiger Bestandteil der stationären und ambulanten kurativen<br />

Behandlung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen sind. In der<br />

Versorgungspraxis erweist sich die Abgrenzung oft deshalb als ungünstig, weil sie mit der<br />

Zuständigkeit unterschiedlicher Kostenträger verbunden ist und Akutbehandlung und<br />

Rehabilitation durch den Kostenträgerwechsel - im Widerspruch zu der Forderung nach<br />

möglichst hoher Behandlungskontinuität - von unterschiedlichen Institutionen übernommen<br />

werden müssen. Eine weitere Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den<br />

Verantwortungsträgern im SGB V- und SGB VI-Bereich ist anzustreben.<br />

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