Zweiter Saechsischer Landespsychiatrieplan

Zweiter Saechsischer Landespsychiatrieplan Zweiter Saechsischer Landespsychiatrieplan

20.03.2014 Aufrufe

Landespsychiatrieplan Grundversorgung zu erweitern. 4.6 Wohnen Im Verlauf chronischer psychischer Erkrankungen kann es erforderlich werden, dass die Betroffenen zumindest vorübergehend ein Leben und Wohnen in einem geschützten Umfeld benötigen. Im Freistaat Sachsen ist auf Basis der Planungen aus dem Ersten Sächsischen Landespsychiatrieplan als Standardmodell ein abgestuftes dreigliedriges Hilfsangebot bestehend aus Wohnstätten, Außenwohngruppen und aufsuchend ambulant betreutem Wohnen etabliert. Es kann durch Wohnformen wie „Betreutes Wohnen in Familien“ ergänzt werden. Für diesen Bereich der komplementären Versorgung lassen sich im Vorgriff auf die Erörterung der einzelnen Angebotsformen Zielstellungen definieren, die einrichtungsübergreifend gelten. • Das Versorgungssystem folgt in seiner gegenwärtigen Form dem Grundprinzip einer den indiviuellen Erfordernissen chronisch psychisch erkrankter Menschen angepassten Druchlässigkeit der betreuten Wohnformen. Es muss vor dem Hintergrund sich verändernder Bedingungen und Anforderungen weiterentwickelt und ausdifferenziert werden. • Der Bedarf an betreuten Wohnformen ist kontinuierlich und regional zu überprüfen; steigendem Bedarf ist durch den Ausbau weniger institutionalisierter Wohnformen zu begegnen. • Die meisten der in Wohnstätten aufgenommenen Klienten verbleiben in der Regel relativ lang in dieser stationären Einrichtung. Die Rahmenbedingungen müssen daher in allen Bereichen so gestaltet werden, dass die Durchlässigkeit hin zu einer weniger betreuten Wohnform erleichtert wird. Betreute Wohnangebote sollten unter Beachtung des individuellen Hilfebedarfs und unter Nutzung des Persönlichen Budgets noch flexibler ausgestaltet werden. • Es sollten gleichzeitig Rahmenbedingungen geschaffen werden, um bei einem kurzzeitig erhöhten Hilfebedarf Klienten auch kurzfristig und niederschwellig in eine stärker betreute Wohnform aufnehmen zu können (z. B. Krisenwohnen oder Kurzzeitbetreuung). • Für einen Großteil der Klienten aller Wohnformen besteht Optimierungsbedarf bezüglich der beruflichen und vor allem auch der sozialen Wiedereingliederung. Es sind daher, in Zusammenarbeit mit allen relevanten Einrichtungen, Anstrengungen notwendig, um die Bewohner soweit wie möglich beruflich und sozial adäquat und gemeindenah zu integrieren; hierzu zählen ganz besonders auch Maßnahmen der Motivation zur Veränderung. • Es ist in jeder Region zu prüfen, ob für spezifische Bedarfsgruppen ein spezialisiertes Angebot erforderlich ist; ein solches Angebot ist dann in bestehenden Einrichtungen zu 52

Landespsychiatrieplan Grundversorgung implementieren. Falls ein vorübergehender spezifischer Hilfebedarf regional nicht gedeckt werden kann, kann ein entsprechendes wohnortfernes Angebot in Form einer vorübergehenden Behandlung und Betreuung in Anspruch genommen werden. 4.6.1 Sozialtherapeutische Wohnstätten In Sozialtherapeutischen Wohnstätten werden chronisch psychisch kranke Menschen betreut, die ein stationäres Angebot im Bereich Wohnen benötigen und aufgrund ihrer komplexen Problemlagen einen umfangreichen Hilfebedarf haben. Ziel der Betreuung ist die Vermeidung, Beseitigung oder Milderung krankheitsbedingter Beeinträchtigungen und ihrer Folgen, die Aktivierung der Bereitschaft zu eigener Mitwirkung in den mit Wohnen verbundenen Lebensbereichen, der Wiedererwerb oder die Verbesserung sozialer und kommunikativer Fähigkeiten sowie alltagspraktischer Fertigkeiten und die Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Der Bewohner soll letztlich zu einem Leben in einer weniger betreuten Wohnform bis hin zum selbstständigen Wohnen befähigt werden. Die Einrichtungen bieten ihren Bewohnern, in der Regel im Rahmen einer 24-Stunden- Betreuung, neben Unterkunft und Verpflegung auch ein ihrem jeweiligen Bedarf und ihren Bedürfnissen entsprechendes sozialtherapeutisches und -pädagogisches Angebot (z. B. Beratung, Begleitung, Hilfen, Training und Motivation zur Alltagsbewältigung sowie zur Tagesstrukturierung). Wichtige Parameter der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität wurden mit den Leistungstypen gemäß Anlage 1 zum Rahmenvertrag und den darauf aufbauenden Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII festgelegt und in die Praxis umgesetzt. Die ärztliche Versorgung erfolgt durch niedergelassene Fachärzte oder psychiatrische Institutsambulanzen. Die Unterteilung in Übergangseinrichtungen und Dauereinrichtungen ist im Freistaat nicht vorgesehen; es besteht grundsätzlich die Möglichkeit zum unbefristeten Wohnen. Kurzzeitbetreuung hat sich aufgrund der bestehenden Rahmenbedingungen nicht durchgesetzt. Das Angebot an Plätzen ist infolge der Enthospitalisierung stark gestiegen. Im Freistaat Sachsen werden derzeit in über 40 Wohnstätten mehr als 1.350 Plätzen zur Verfügung gestellt; dies entspricht einer Messziffer von 0,33 Plätzen je 1.000 Einwohner und damit in etwa den für den Freistaat Sachsen ermittelten Bedarfszahlen. Die Kapazität der einzelnen Wohnstätten liegt in der Regel zwischen 25 und 35 Plätzen, meist unterteilt in Wohngruppen mit ca. 8 Bewohnern, für die überwiegend Einzelzimmer zur Verfügung stehen. In ca. 50 % der Wohnstätten werden insgesamt etwas mehr als 100 Plätze für eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung gemäß § 1906 BGB vorgehalten. Die Versorgungsrealität ist aus vielfältigen Gründen von einer eher geringen Durchlässigkeit in Richtung einer weniger betreuten Wohnform geprägt, so dass die Unterbringung unnötig oft auf Dauer erfolgt und die Betroffenen zum Teil erheblich vom allgemeinen sozialen Leben entfremdet sind. Die Versorgung komorbid auftretender chronischer somatischer Erkrankungen erfolgt nicht immer ausreichend. Ein besonderes 53

<strong>Landespsychiatrieplan</strong><br />

Grundversorgung<br />

implementieren. Falls ein vorübergehender spezifischer Hilfebedarf regional nicht<br />

gedeckt werden kann, kann ein entsprechendes wohnortfernes Angebot in Form einer<br />

vorübergehenden Behandlung und Betreuung in Anspruch genommen werden.<br />

4.6.1 Sozialtherapeutische Wohnstätten<br />

In Sozialtherapeutischen Wohnstätten werden chronisch psychisch kranke Menschen<br />

betreut, die ein stationäres Angebot im Bereich Wohnen benötigen und aufgrund ihrer<br />

komplexen Problemlagen einen umfangreichen Hilfebedarf haben. Ziel der Betreuung ist<br />

die Vermeidung, Beseitigung oder Milderung krankheitsbedingter Beeinträchtigungen und<br />

ihrer Folgen, die Aktivierung der Bereitschaft zu eigener Mitwirkung in den mit Wohnen<br />

verbundenen Lebensbereichen, der Wiedererwerb oder die Verbesserung sozialer und<br />

kommunikativer Fähigkeiten sowie alltagspraktischer Fertigkeiten und die<br />

Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Der Bewohner soll letztlich zu einem Leben in<br />

einer weniger betreuten Wohnform bis hin zum selbstständigen Wohnen befähigt werden.<br />

Die Einrichtungen bieten ihren Bewohnern, in der Regel im Rahmen einer 24-Stunden-<br />

Betreuung, neben Unterkunft und Verpflegung auch ein ihrem jeweiligen Bedarf und ihren<br />

Bedürfnissen entsprechendes sozialtherapeutisches und -pädagogisches Angebot (z. B.<br />

Beratung, Begleitung, Hilfen, Training und Motivation zur Alltagsbewältigung sowie zur<br />

Tagesstrukturierung). Wichtige Parameter der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität<br />

wurden mit den Leistungstypen gemäß Anlage 1 zum Rahmenvertrag und den darauf<br />

aufbauenden Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII festgelegt und in die Praxis<br />

umgesetzt. Die ärztliche Versorgung erfolgt durch niedergelassene Fachärzte oder<br />

psychiatrische Institutsambulanzen.<br />

Die Unterteilung in Übergangseinrichtungen und Dauereinrichtungen ist im Freistaat nicht<br />

vorgesehen; es besteht grundsätzlich die Möglichkeit zum unbefristeten Wohnen.<br />

Kurzzeitbetreuung hat sich aufgrund der bestehenden Rahmenbedingungen nicht<br />

durchgesetzt.<br />

Das Angebot an Plätzen ist infolge der Enthospitalisierung stark gestiegen. Im Freistaat<br />

Sachsen werden derzeit in über 40 Wohnstätten mehr als 1.350 Plätzen zur Verfügung<br />

gestellt; dies entspricht einer Messziffer von 0,33 Plätzen je 1.000 Einwohner und damit in<br />

etwa den für den Freistaat Sachsen ermittelten Bedarfszahlen. Die Kapazität der einzelnen<br />

Wohnstätten liegt in der Regel zwischen 25 und 35 Plätzen, meist unterteilt in<br />

Wohngruppen mit ca. 8 Bewohnern, für die überwiegend Einzelzimmer zur Verfügung<br />

stehen.<br />

In ca. 50 % der Wohnstätten werden insgesamt etwas mehr als 100 Plätze für eine mit<br />

Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung gemäß § 1906 BGB vorgehalten.<br />

Die Versorgungsrealität ist aus vielfältigen Gründen von einer eher geringen<br />

Durchlässigkeit in Richtung einer weniger betreuten Wohnform geprägt, so dass die<br />

Unterbringung unnötig oft auf Dauer erfolgt und die Betroffenen zum Teil erheblich vom<br />

allgemeinen sozialen Leben entfremdet sind. Die Versorgung komorbid auftretender<br />

chronischer somatischer Erkrankungen erfolgt nicht immer ausreichend. Ein besonderes<br />

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