Einführung in die Mineralfarben - KEIM
Einführung in die Mineralfarben - KEIM
Einführung in die Mineralfarben - KEIM
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
M<strong>in</strong>eralfarben<br />
1
Inhalt<br />
Der Begriff der Beschichtung 3<br />
Was bedeutet m<strong>in</strong>eralisch? 4<br />
Der chemische Kreislauf der m<strong>in</strong>eralischen B<strong>in</strong>demittel 5<br />
Der Kalk als B<strong>in</strong>demittel 6 - 7<br />
Die Aufbereitung des Luftkalkes als B<strong>in</strong>demittel 8<br />
Der Abb<strong>in</strong>devorgang des Luftkalkes (Carbonatisierung) 9<br />
Traditionelle Kalkputze 10<br />
Die Maltechniken a fresco und a secco 11<br />
Das Salzbildepotential des Kalkes 12<br />
Der Quarz als B<strong>in</strong>demittel 13<br />
Die Herstellung von Kaliwasserglas als B<strong>in</strong>demittel 14<br />
Die Abb<strong>in</strong>dung von Kaliwasserglas (Verkieselung) 15<br />
Die re<strong>in</strong>e Silikatfarbe (Zweikomponentensilikatfarbe) 16 - 17<br />
Die Dispersionssilikatfarbe 18<br />
Die Kieselsolfarbe 19<br />
Wässerige Wandfarben im Überblick 20<br />
Der Feuchtehaushalt m<strong>in</strong>eralischer Farben 21<br />
Die physikalischen Grössen zur Beschreibung des Feuchtehaushaltes 22<br />
Sd-Wert 23<br />
W-Wert 24<br />
V-Wert 25<br />
Die m<strong>in</strong>eralische Optik 26 - 27<br />
2
Der Begriff der Beschichtung<br />
Unter dem Begriff der Beschichtungen<br />
s<strong>in</strong>d im folgenden Beitrag Wand- bzw.<br />
Fassadenbeschichtungen zu verstehen.<br />
Es handelt sich hierbei um Putze,<br />
Abriebe, Schlämmen, Farben und Lasuren,<br />
wobei den Farben besonderes<br />
Augenmerk geschenkt wird. Im m<strong>in</strong>eralischen<br />
Bereich s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Grenzen zwischen<br />
<strong>die</strong>sen e<strong>in</strong>zelnen Beschichtungsarten<br />
nicht immer e<strong>in</strong>deutig zu ziehen,<br />
so zum Beispiel zwischen Putz und<br />
Schlämme oder Farbe und Lasur.<br />
Die Funktion <strong>die</strong>ser Beschichtungen<br />
ist e<strong>in</strong>e zweifache: Zum e<strong>in</strong>en gestalten<br />
und zieren sie <strong>die</strong> Architekturoberfläche<br />
durch ihre Struktur und ihr<br />
Colorit. Zum anderen schützen sie <strong>die</strong><br />
Bausubstanz. Man spricht <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem<br />
Zusammenhange von Opferschichten.<br />
Der Anstrich opfert sich durch Verwitterung<br />
dem Putz, der Putz opfert sich<br />
se<strong>in</strong>erseits, <strong>in</strong> längeren Zyklen, dem<br />
Mauerwerk. Es ist s<strong>in</strong>nvoll, zum Schutz<br />
der Bausubstanz, Opferschichten zu<br />
wählen, <strong>die</strong> sich durch allmählichen<br />
Abtrag abbauen und nicht als versprödeter,<br />
abblätternder Sondermüll anfallen.<br />
M<strong>in</strong>eralische Putz- und Farbsysteme<br />
weisen <strong>die</strong>sbezüglich <strong>die</strong> besten<br />
Eigenschaften auf. Sie erlauben der<br />
Architektur e<strong>in</strong> Altern <strong>in</strong> Würde.<br />
Putze und Anstrichstoffe werden durch<br />
ihr B<strong>in</strong>demittel def<strong>in</strong>iert; z. B. Kalk-Putz,<br />
Kunstharz-Putz, Leim-Farbe, Dispersions-Farbe,<br />
Ölfarbe, Silikat-Farbe. Das<br />
B<strong>in</strong>demittel bestimmt hauptsächlich<br />
<strong>die</strong> Eigenschaften e<strong>in</strong>er Beschichtung.<br />
Unter der Vielzahl verschiedenartiger<br />
B<strong>in</strong>demittel weisen <strong>die</strong> m<strong>in</strong>eralischen<br />
ganz spezifische chemische, physikalische<br />
und ästhetische Eigenschaften<br />
auf. Diese werden im Folgenden beschrieben.<br />
3
2<br />
1<br />
M<strong>in</strong>eralische Verb<strong>in</strong>dungen (1)<br />
Was bedeutet<br />
m<strong>in</strong>eralisch?<br />
In der Chemie unterscheidet man allgeme<strong>in</strong><br />
zwischen anorganischen und<br />
organischen Verb<strong>in</strong>dungen. Die m<strong>in</strong>eralischen<br />
Verb<strong>in</strong>dungen s<strong>in</strong>d allesamt<br />
anorganischer Natur.<br />
Auch bei den B<strong>in</strong>demitteln für Putz und<br />
Farbe unterscheidet man zwischen m<strong>in</strong>eralischen<br />
und organischen. M<strong>in</strong>eralische<br />
Beschichtungen s<strong>in</strong>d solche mit<br />
e<strong>in</strong>em m<strong>in</strong>eralischen B<strong>in</strong>demittel. Bei<br />
m<strong>in</strong>eralischen Farben stehen als B<strong>in</strong>demittelbasis<br />
der Kalk (CaCO3) oder der<br />
Quarz (SiO2) zur Verfügung.<br />
Basieren auf M<strong>in</strong>eralien. Diese bilden das<br />
Glied zwischen Molekülen und Geste<strong>in</strong>en:<br />
Atom - Molekül - M<strong>in</strong>eral - Geste<strong>in</strong> -<br />
Erdkruste<br />
E<strong>in</strong> Geste<strong>in</strong> kann aus e<strong>in</strong>em oder mehreren<br />
M<strong>in</strong>eralien bestehen. Granit setzt sich<br />
beispielsweise zusammen aus den M<strong>in</strong>eralien<br />
Feldspat, Quarz und Glimmer.<br />
Organische Verb<strong>in</strong>dungen (2)<br />
Basieren auf der Chemie der Kohlenwasserstoffe.<br />
Kohlenwasserstoffe werden primär<br />
von Pflanzen durch Photosynthese gebildet.<br />
Neben den natürlich organischen<br />
gibt es auch künstlich (=synthetische) organische<br />
Verb<strong>in</strong>dungen.<br />
So bezeichnet man beispielsweise sowohl<br />
Naturharze wie auch synthetische Kunstharze<br />
als organisch, weil sie Kohlenwasserstoffe<br />
enthalten.<br />
4
Der chemische Kreislauf<br />
m<strong>in</strong>eralischer Farbb<strong>in</strong>demittel<br />
Kalk und Quarz werden bergmännisch<br />
gewonnen und <strong>die</strong>nen als Basis zur<br />
Herstellung von B<strong>in</strong>demitteln für Putz<br />
und Anstrich. Diese M<strong>in</strong>eralien durchlaufen<br />
vom Abbau über <strong>die</strong> Formulierung<br />
zum B<strong>in</strong>demittel bis zur ihrer Abb<strong>in</strong>dung<br />
e<strong>in</strong>en chemischen Kreislauf.<br />
An dessen Ende steht e<strong>in</strong>e chemisch<br />
wieder identische Verb<strong>in</strong>dung wie der<br />
Rohstoff: Kalk wird zu Kalk, Quarz zu<br />
Quarz. Man spricht vom Kreislauf der<br />
m<strong>in</strong>eralischen B<strong>in</strong>demittel. Die Abb<strong>in</strong>dung<br />
der m<strong>in</strong>eralischen B<strong>in</strong>demittel erfolgt<br />
demnach als chemische Reaktion.<br />
Zuschlagstoffe, Pigmente und Untergrund<br />
werden chemisch mite<strong>in</strong>ander<br />
verbunden. Die Untergründe müssen<br />
für <strong>die</strong>se Reaktion auch m<strong>in</strong>eralischer<br />
Natur se<strong>in</strong>: Ste<strong>in</strong>, Kalk- oder Zementputz,<br />
Beton.<br />
Gegenüber den M<strong>in</strong>eralfarben b<strong>in</strong>det<br />
<strong>die</strong> Mehrheit der organischen Farben<br />
physikalisch, das heisst durch „kleben“<br />
ab. Daher neigen <strong>die</strong>se zu bauphysikalisch<br />
eher problematischen Filmbildungen<br />
und s<strong>in</strong>d langfristig schwieriger<br />
oder gar nicht renovierbar.<br />
Kalkste<strong>in</strong><br />
abb<strong>in</strong>den<br />
=”carbonatisieren”<br />
brennen<br />
Kalkhydrat<br />
(Sumpfkalk)<br />
löschen<br />
Ätzkalk<br />
(Brandkalk)<br />
Quarz und Pottasche<br />
abb<strong>in</strong>den<br />
=”verkieseln”<br />
schmelzen<br />
Wasserglaslösung<br />
lösen<br />
Wasserglasschmelze<br />
5
Der Kalk als<br />
B<strong>in</strong>demittel<br />
„Der Kalk“ existiert<br />
nicht, sondern e<strong>in</strong>e<br />
Vielzahl verschiedener<br />
Kalktypen. Als<br />
Farbb<strong>in</strong>demittel eignet<br />
sich aber nur magnesiumarmer<br />
Luftkalk.<br />
Kalk kommt <strong>in</strong> der Natur als Kalkste<strong>in</strong>,<br />
Marmor, Kreide, div. M<strong>in</strong>eralien (z.B.<br />
Kalkspat) vor. Es ist das älteste m<strong>in</strong>eralische<br />
B<strong>in</strong>demittel, das schon <strong>die</strong> alten<br />
Ch<strong>in</strong>esen, Ägypter, Griechen und Römer<br />
verwendeten. Man unterscheidet<br />
zwischen:<br />
Luftkalk<br />
Luftkalk b<strong>in</strong>det als Ca(OH)2 (= B<strong>in</strong>dmittel)<br />
an der Luft durch Aufnahme von<br />
CO2 = Carbonatisierung (siehe Kalkreislauf).<br />
Nur magnesiumarmer Luftkalk<br />
eignet sich als Farbb<strong>in</strong>demittel.<br />
Weisskalk / CaCO3<br />
mit max. 5 % Verunre<strong>in</strong>igung<br />
(MgCO3 = Magnesiumcarbonat)<br />
Hydraulischer Kalk =<br />
Wasserkalk<br />
Der hydraulische Kalk wird aus tonhaltigem<br />
Kalkgeste<strong>in</strong> gewonnen, zusätzliche<br />
Bestandteile s<strong>in</strong>d Ca-Silikate und<br />
Ca-Alum<strong>in</strong>ate. Der Abb<strong>in</strong>devorgang<br />
erfolgt zunächst unter fester E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />
von Wassermolekülen (Hydratation)<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> Kristallstruktur (Kristallwasser),<br />
weswegen hydraulische B<strong>in</strong>demittel<br />
auch unter Wasser abb<strong>in</strong>den können.<br />
Weiter b<strong>in</strong>det der hydraulische Kalk<br />
auch durch Carbonatisierung ab. Hydraulische<br />
Kalke bilden Calciumsilikathydrate<br />
- CSH.<br />
Dolomitkalk / CaCO3 MgCO3<br />
ca. 50 % MgCO3<br />
6
Bild l<strong>in</strong>ks: Kalkste<strong>in</strong> CaCO3,<br />
Bild Mitte: historischer Kalkofen,<br />
Bild rechts: Sumpfkalk Ca(OH)2<br />
E<strong>in</strong>teilung nach DIN 1060<br />
(Kalknorm)<br />
Kalk =<br />
M<strong>in</strong>eral, Geste<strong>in</strong>,<br />
B<strong>in</strong>demittel, Füllstoff,<br />
Pigment, Filterstoff,<br />
Futtermittelzusatz<br />
Trasskalk<br />
Trass ist vulkanisch (Tuff) oder durch<br />
Meteore<strong>in</strong>schlag entstandenes Glas.<br />
Trass enthält Kieselsäure (SiO2) und bildet<br />
bei der Abb<strong>in</strong>dung schwerlösliche<br />
und säurestabile Calciumsilikathydrate<br />
(CSH). Trass kann Salz bildende Alkalien<br />
enthalten (Kalium, Natrium), deren<br />
Gehalt für <strong>die</strong> Verwendung von Trass<br />
als Mörtelbeimischung wegen der sonst<br />
e<strong>in</strong>tretenden Salzbildung unter 0.1 %<br />
bleiben sollte. Durch <strong>die</strong> Beimischung<br />
alkaliarmen Trasses zum Luftkalk erhält<br />
man äusserst resistente Putze, <strong>die</strong> aber<br />
nach der Verarbeitung ke<strong>in</strong>esfalls frühzeitig<br />
austrocknen dürfen, da sonst <strong>die</strong><br />
CSH-Bildung nicht vollständig abläuft<br />
und der Putz dadurch nicht richtig abb<strong>in</strong>det.<br />
Weisskalk (Zahl entspricht dem<br />
Gehalt an Calciumhydroxid <strong>in</strong> %)<br />
Weisskalk 90<br />
Weisskalk 80<br />
Weisskalk 70<br />
Dolomitkalk (Zahl entspricht dem<br />
Gehalt an Calciummagnesiumcarbonat<br />
<strong>in</strong> %)<br />
Dolomitkalk 85<br />
Dolomitkalk 80<br />
Hydraulischer Kalk (Zahl entspricht<br />
der Druckfestigkeit <strong>in</strong> N/mm²)<br />
Hydraulischer Kalk 2<br />
Hydraulischer Kalk 3,5<br />
Hydraulischer Kalk 5<br />
7
Die Aufbereitung des<br />
Luftkalkes als B<strong>in</strong>demittel<br />
Bei Wasserzugabe von 35 Gewichtsprozenten<br />
entsteht Kalkhydratpulver<br />
(Trockenlöschen).<br />
Bei Wasserzugabe von bis zu 55 Gewichtsprozenten<br />
entsteht Kalkbrei oder<br />
Sumpfkalk (Nasslöschen).<br />
Bei höherer Wasserzugabe entsteht<br />
trübe, weisse Kalkmilch, welche filtriert<br />
oder dekantiert Kalks<strong>in</strong>terwasser<br />
ergibt. Kalks<strong>in</strong>terwasser ist e<strong>in</strong>e klare,<br />
gesättigte Calziumhydroxidlösung.<br />
CO 2<br />
CaCO 3<br />
CaO<br />
Calciumcarbonat<br />
Kalkste<strong>in</strong><br />
Brennen bei ca. 800°C,<br />
CO 2 entweicht,<br />
44% Gewichtsabnahme<br />
Calciumoxid<br />
Ätzkalk<br />
H O 2<br />
CaO<br />
Ca(OH) 2<br />
Calciumoxid<br />
Ätzkalk<br />
hoch alkalisch<br />
Löschen mit<br />
Wasser<br />
unter starker<br />
Wärmeentwicklung<br />
Calciumhydroxid,<br />
gelöschter Kalk<br />
hoch alkalisch<br />
8
Der Abb<strong>in</strong>devorgang des Luftkalkes<br />
(Carbonatisierung)<br />
Durch CO2-Aufnahme aus der Luft b<strong>in</strong>det<br />
der Kalk von aussen nach <strong>in</strong>nen<br />
ab; er carbonatisiert. Dazu braucht er<br />
Feuchte. Zu frühes Trocknen führt zu<br />
mangelhafter B<strong>in</strong>dung.<br />
Der Kalk brennt auf. Andererseits beh<strong>in</strong>dert<br />
permanente Feuchte den CO2-<br />
Zutritt und damit auch <strong>die</strong> Abb<strong>in</strong>dung.<br />
Bezeichnungen von Calciumcarbonat<br />
und Calciumhydroxid<br />
CaCO3<br />
Calciumcarbonat<br />
Weisskalk<br />
Fe<strong>in</strong>kalk<br />
Stückkalk<br />
Luftkalk<br />
Ca(OH)2<br />
Calciumhydroxid<br />
Weisskalkhydrat (Pulver)<br />
Sumpfkalk (Brei)<br />
Grubenkalk<br />
Kalkb<strong>in</strong>demittel<br />
Ca(OH) + CO + H O<br />
CaCO + 2H O<br />
2 2 2 3 2<br />
Ca(OH) 2 CaCO 3<br />
9
Traditioneller Kalkputz hat <strong>die</strong><br />
Farbe bzw. das „Lokalkolorit“<br />
des regionalen Kalkgeste<strong>in</strong>s<br />
Traditionelle<br />
Kalkputze<br />
Traditioneller Kalkputz<br />
hat <strong>die</strong> Farbe bzw. das<br />
„Lokalkolorit“ des regionalen<br />
Kalkgeste<strong>in</strong>s<br />
10<br />
Calciumhydroxid vermengt mit Sand<br />
<strong>die</strong>nt als Putzb<strong>in</strong>demittel. Aufgrund der<br />
sehr kostspieligen Transporte wurden<br />
früher meist lokale Kalkvorkommen<br />
verwendet. Da je nach Re<strong>in</strong>heit des<br />
Kalkvorkommens das Geste<strong>in</strong> weiss,<br />
gräulich, gelblich oder rötlich vorliegt,<br />
war den Putzen und Kalktünchen der<br />
Gegenden, wo Kalk abgebaut wurde,<br />
e<strong>in</strong> charakteristisches Lokalkolorit eigen.<br />
Meist be<strong>in</strong>haltet Kalkste<strong>in</strong> natürliche<br />
hydraulische Bestandteile (z. B. Ton).<br />
Da <strong>die</strong>se mit Wasser abb<strong>in</strong>den, können<br />
solche hydraulischen Kalke nicht<br />
e<strong>in</strong>gesumpft gelagert werden. Der<br />
gebrannte Kalk wurde früher entsprechend<br />
direkt auf der Baustelle e<strong>in</strong>gesumpft<br />
(starke Wärmeentwicklung)<br />
und <strong>in</strong> noch warmem Zustand verarbeitet<br />
(Warmputz). Diese Warmputze<br />
s<strong>in</strong>d oft härter und beständiger als<br />
re<strong>in</strong>e Sumpfkalkputze. An historischer<br />
Bausubstanz f<strong>in</strong>det man, entgegen<br />
weit verbreiteten Me<strong>in</strong>ungen, überwiegend<br />
Putze mit hydraulischen Komponenten.<br />
Re<strong>in</strong>e Sumpfkalkputze bildeten<br />
<strong>die</strong> Ausnahme.<br />
Re<strong>in</strong>e Sumpfkalkputze, d.h. Putze<br />
ohne hydraulische Anteile, b<strong>in</strong>den relativ<br />
langsam von aussen nach <strong>in</strong>nen<br />
ab, wobei sich an der Oberfläche<br />
durch Feuchtetransport Calciumhydroxid<br />
konzentriert und dort abb<strong>in</strong>det.<br />
So entsteht e<strong>in</strong>e harte, transparente<br />
und glänzende Kalkschicht, <strong>die</strong> S<strong>in</strong>terschicht.<br />
Diese kann so dicht se<strong>in</strong>, dass<br />
der weitere CO2-Zutritt <strong>in</strong> den Kalkputz<br />
beh<strong>in</strong>dert wird und sich der Abb<strong>in</strong>devorgang<br />
(Carbonatisierung) dadurch<br />
stark verlangsamt. S<strong>in</strong>terschichten können<br />
mechanisch oder chemisch durch<br />
Absäuern entfernt werden. Re<strong>in</strong>e Kalkputze<br />
brauchen e<strong>in</strong>e gewisse Schichtdicke,<br />
um nicht frühzeitig auszutrocknen;<br />
ebenso sollten sie ab e<strong>in</strong>er gewissen<br />
Schichtdicke, wegen der Frostgefahr<br />
des Herbstes, vor der zweiten Jahreshälfte<br />
appliziert werden.
Frescomalerei im Kloster St.<br />
Georg <strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> am Rhe<strong>in</strong><br />
Die Maltechniken<br />
a fresco und a secco<br />
Bei der Frescotechnik werden <strong>in</strong><br />
Wasser angeteigte, alkalistabile, kalkechte,<br />
m<strong>in</strong>eralische Pigmente oder<br />
Kalkmilch auf den noch frischen Kalkputz<br />
gestrichen. Die Pigmentb<strong>in</strong>dung<br />
erfolgt durch <strong>die</strong> Carbonatisierung des<br />
Kalkes. Bei der Kristallisation lagern<br />
sich Carbonatkristalle um <strong>die</strong> Pigmente<br />
und schliessen <strong>die</strong>se <strong>in</strong> der oberflächlichen<br />
S<strong>in</strong>terschicht e<strong>in</strong>.<br />
E<strong>in</strong> Anstrich <strong>in</strong> Frescotechnik ist<br />
beständiger als e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> Seccotechnik,<br />
weil durch den frischen<br />
Putz mehr B<strong>in</strong>demittel für <strong>die</strong> Pigmente<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />
zur Verfügung<br />
steht.<br />
Bei der Seccotechnik wird Kalkmilch<br />
(s. o.) auf den abgebundenen Kalkputz<br />
gestrichen. Gründliches Vornässen<br />
und Nachnässen mit Kalks<strong>in</strong>terwasser<br />
erhöht <strong>die</strong> Beständigkeit des Anstrichs.<br />
Der Kalk kann bis etwa sieben Prozent<br />
mit kalkechten Pigmenten abgetönt<br />
werden.<br />
11
Das Salzbildepotential<br />
des Kalkes<br />
Silikatfarbe ist härter<br />
und beständiger,<br />
Kalkfarbe weicher<br />
aber dafür chemisch<br />
weniger stabil weil<br />
der Kalk mit Säuren<br />
reagiert<br />
Immer wieder werden <strong>in</strong> Fachdiskussionen<br />
Kalk- und Silikattechnik als sich<br />
konkurrenzierend dargestellt. Diese<br />
Diskussionen s<strong>in</strong>d nicht zielführend, da<br />
jede der Techniken ihre spezifischen<br />
Eigenschaften mit Vorzügen und Nachteilen<br />
aufweist. Die Techniken ergänzen<br />
sich.<br />
Die Verbrennungsgase Schwefeldioxid,<br />
Stickoxid und Kohlendioxid zusammen<br />
mit Wasser ergeben Säuren,<br />
<strong>die</strong> wiederum mit Kalk bauschädliche<br />
Salze bilden.<br />
Sämtliche entstehenden Salze können<br />
<strong>in</strong> gelöster Form durch Kapillaraktivität<br />
<strong>in</strong>s Mauerwerk aufgenommen werden.<br />
Die Salzbildung ist durch Kristallisation<br />
mit e<strong>in</strong>er Volumenausdehnung verbunden,<br />
was zu Abplatzungen führt. Die<br />
gebildeten Salze s<strong>in</strong>d hygroskopisch<br />
(= wasseranziehend) und sorgen so<br />
für Mauerfeuchte, was auch zu Abplatzungen<br />
durch Frost führen kann. Durch<br />
<strong>die</strong> Wasserlöslichkeit der sich bildenden<br />
Salze können stark säurebelastete<br />
Kalkanstriche und Putze, <strong>in</strong>sbesondere<br />
jene ohne hydraulische Zusätze, frühzeitig<br />
abwittern. Aufgrund des deutlich<br />
gesunkenen Schwefelgehaltes der<br />
Luft weisen Kalkanstriche an Fassaden<br />
seit ca. 1980 wieder e<strong>in</strong>e bessere Gebrauchstauglichkeit<br />
auf.<br />
Vorteil von Kalk <strong>in</strong> Innenräumen:<br />
Extrem hohe Schadstoffabsorbtion nach<br />
den oben beschriebenen Chemismen.<br />
Schwefel- und Stickoxide werden im<br />
Innenraum durch Kalkputze <strong>in</strong>nerhalb<br />
von kurzer Zeit irreversibel gebunden.<br />
Hier spielt <strong>die</strong> Wasserlöslichkeit der<br />
Reaktionsprodukte von Kalk und Säuren<br />
ke<strong>in</strong>e Rolle.<br />
Schimmelwidrig aufgrund der anfänglichen<br />
Alkalität, Offenporigkeit, Hydrophilie<br />
und der anorganischen Materie.<br />
SO3<br />
NOx<br />
CO2<br />
Schwefelsäure<br />
Salpetersäure<br />
Kohlensäure<br />
H2SO4<br />
HNO3<br />
H2CO3<br />
+ H2O<br />
Schwefelsäure H2SO4<br />
Salpetersäure HNO3<br />
Kohlensäure H2CO3<br />
+<br />
CaCO3<br />
Gips<br />
Salpeter<br />
Calciumhydrogencarbonat<br />
CaSO4<br />
Ca(NO3)2<br />
Ca(HCO3)2<br />
12
Bild l<strong>in</strong>ks: Kaliwasserglas ungelöst<br />
Bild oben: Keim’sche Farbpulver<br />
Der Quarz<br />
als B<strong>in</strong>demittel<br />
Quarz oder Kieselsäure,<br />
chemisch SiO2,<br />
ist e<strong>in</strong> sehr häufiges<br />
M<strong>in</strong>eral.<br />
In der Natur kommt es als Geste<strong>in</strong>,<br />
Quarzsand oder Kristall vor. In Komb<strong>in</strong>ation<br />
mit anderen M<strong>in</strong>eralien bildet<br />
SiO2 diverse andere Geste<strong>in</strong>sarten.<br />
Granit besteht z.B. aus Feldspat,<br />
Quarz und Glimmer. Quarz ist e<strong>in</strong><br />
hartes, säurebeständiges M<strong>in</strong>eral, das<br />
<strong>in</strong> Form von Sand vielseitig e<strong>in</strong>gesetzt<br />
wird z.B. als Zuschlagstoff für Putze,<br />
als Füllstoff, als Strahlmittel, etc.<br />
Quarz bildet aber auch den Ausgangsstoff<br />
für <strong>die</strong> Glasproduktion. Seit<br />
dem späten Mittelalter verstand man<br />
es, Quarz auch zu Wasserglas zu<br />
schmelzen, fand aber wohl ke<strong>in</strong>e rechte<br />
Verwendung dafür. Die Wassergläser<br />
haben <strong>die</strong> spezifische Eigenschaft,<br />
wasserlöslich zu se<strong>in</strong>. Es gibt Natriumund<br />
Kalium- und Lithiumwasserglas. Als<br />
B<strong>in</strong>demittel für Putze und Farben eignet<br />
sich nur das Kaliumwasserglas, auch<br />
Kaliumsilikat genannt. Farben und Putze,<br />
<strong>die</strong> so gebunden s<strong>in</strong>d, nennt man<br />
Silikatfarben bzw. Silikatputze.<br />
Adolf Wilhelm Keim, Forscher und<br />
Handwerker aus München und Wegbereiter<br />
der Silikattechnik (= Wasserglastechnik),<br />
prägte den Begriff der<br />
M<strong>in</strong>eralfarbe für Kaliwasserglas gebundene<br />
Farben. Mit der Patentierung<br />
se<strong>in</strong>er Keim’schen M<strong>in</strong>eralfarben im<br />
Jahre 1878 verhalf er dem Kaliwasserglas<br />
als B<strong>in</strong>demittel für Farben und<br />
Putze zum Durchbruch. Se<strong>in</strong>e herausragende<br />
Leistung bestand allerd<strong>in</strong>gs<br />
nicht nur <strong>in</strong> der gezielten Verwendung<br />
von Kaliwasserglas, sondern <strong>in</strong><br />
der Formulierung m<strong>in</strong>eralischer Pulver<br />
verschiedenster Farbe, <strong>die</strong>, mit Kaliwasserglas<br />
gemischt, <strong>die</strong> legendäre<br />
Keim’sche M<strong>in</strong>eralfarbe ergeben.<br />
13
Die Herstellung von<br />
Kaliwasserglas als B<strong>in</strong>demittel<br />
Quarzsand und Kaliumcarbonat werden<br />
zusammen geschmolzen. Daraus<br />
ergibt sich e<strong>in</strong> wasserlösliches Glas.<br />
Daher stammt <strong>die</strong> Bezeichnung Wasserglas.<br />
Wird <strong>die</strong>ses Glas dann unter<br />
Druck bei ca. 200 Grad gelöst, entsteht<br />
flüssiges Wasserglas. Die Kaliwasserglaslösung<br />
<strong>die</strong>nt als B<strong>in</strong>demittel<br />
für <strong>die</strong> Silikatfarbe und wird auch als<br />
Fixativ bezeichnet.<br />
CO2 CO2<br />
+<br />
+<br />
SiO2 SiO2<br />
Siliciumdioxid Siliciumdioxid<br />
„Quarzsand“ „Quarzsand“<br />
K2CO3 K2CO3<br />
Kaliumcarbonat Kaliumcarbonat<br />
„Pottasche“ „Pottasche“<br />
alkalisch alkalisch<br />
schmelzen schmelzen bei 1400°C, bei 1400°C, K2O (SiO2)4 K2O (SiO2)4<br />
CO2 CO2 entweicht entweicht „Kaliwasserglas“<br />
„Kaliwasserglas“<br />
= wasserlösliche = wasserlösliche Schmelze Schmelze<br />
+<br />
+<br />
H2O H2O<br />
K2O (SiO2)4 K2O (SiO2)4<br />
„Kaliwasserglas“<br />
„Kaliwasserglas“<br />
= wasserlösliche = wasserlösliche Schmelze Schmelze<br />
Festes Festes Wasserglas Wasserglas wird wird bei bei K2O (SiO2)4 K2O (SiO2)4 <strong>in</strong> H2O <strong>in</strong> H2O gelöst. gelöst.<br />
ca. 200°C ca. 200°C unter unter Druck Druck <strong>in</strong> <strong>in</strong> Durch Durch weiteres weiteres Verdünnen Verdünnen<br />
Wasser Wasser gelöst. gelöst. Es entsteht Es entsteht und leichtes und leichtes E<strong>in</strong>färben E<strong>in</strong>färben<br />
e<strong>in</strong>e flüssige e<strong>in</strong>e flüssige Kaliwasserglaslösungglaslösung.<br />
B<strong>in</strong>demittel B<strong>in</strong>demittel der Silikatfarben.<br />
der<br />
Kaliwasser-<br />
entsteht entsteht Fixativ. Fixativ. Es ist Es das ist das<br />
Silikatfarben.<br />
14
Der Abb<strong>in</strong>devorgang von<br />
Kaliwasserglas (Verkieselung)<br />
Achtung:<br />
re<strong>in</strong>e Silikatfarben<br />
können nur mit m<strong>in</strong>eralischen<br />
und saugfähigen<br />
Untergründen<br />
abb<strong>in</strong>den.<br />
Es entsteht unter anderen Verb<strong>in</strong>dungen<br />
wieder Kieselsäure (SiO2); damit<br />
schliesst sich der Quarzkreislauf.<br />
Da Pigment sowie m<strong>in</strong>eralische Füllstoffe<br />
chemisch mit dem B<strong>in</strong>demittel<br />
(Kaliwassergals) reagieren, wird <strong>die</strong>se<br />
Farbe <strong>in</strong> zwei Komponenten geliefert;<br />
<strong>in</strong> Farbpulver und Fixativ. Man nennt<br />
deshalb <strong>die</strong>ses System auch Zweikomponenten-Silikatfarbe.<br />
Die beiden<br />
Komponenten werden erst vor der<br />
Verarbeitung zusammengebracht (e<strong>in</strong>gesumpft).<br />
CO2<br />
Besonders geeignet s<strong>in</strong>d Trasskalkputze,<br />
Kalkzementputze, Kalkputze<br />
(wenn gut carbonatisiert), Beton und<br />
gewisse Naturste<strong>in</strong>e. All <strong>die</strong>se Untergründe<br />
enthalten Kalk (CaCO3) als<br />
chemischen Reaktionspartner für das<br />
Kaliwasserglas. M<strong>in</strong>eralische Pigmente<br />
(Metalloxide) und m<strong>in</strong>eralische<br />
Füllstoffe reagieren ebenfalls mit dem<br />
Kaliwasserglas. So entsteht unter Aufnahme<br />
von Luftkohlensäure (CO2), e<strong>in</strong><br />
äusserst licht-, hitze- und säurebeständiger<br />
re<strong>in</strong>m<strong>in</strong>eralischer Anstrich.<br />
Den dreifachen Abb<strong>in</strong>devorgang<br />
von Silikatfarben nennt man Verkieselung.<br />
Luftkohlensäure<br />
SiO2 x H2O<br />
Kieselgel<br />
+ K2CO3<br />
Pottasche<br />
(=amorpher Quarz) (gelöst im Anstrich)<br />
+<br />
M<strong>in</strong>eralische<br />
Pigmente<br />
kristall<strong>in</strong> gebundenes Pigment<br />
K2O (SiO2)4 <strong>in</strong> H2O<br />
gelöst<br />
Fixativ<br />
Kalkhaltiger<br />
Untergrund<br />
(CaCO3)<br />
z.B. m<strong>in</strong>eralischer<br />
Putz<br />
CaSiO3 x H2O<br />
Calciumsilikathydrat<br />
hitze-, UV- und säurestabil<br />
15
Die re<strong>in</strong>e Silikatfarbe<br />
(Keim’sche A-, B-, und C-Technik)<br />
Aufgrund der Säureempf<strong>in</strong>dlichkeit<br />
des Kalkes g<strong>in</strong>gen zu Zeiten der Industrialisierung<br />
immer wieder Fassadenmalereien<br />
<strong>in</strong> Kalktechnik frühzeitig<br />
verloren, was den Ruf nach e<strong>in</strong>er beständigeren<br />
Technik laut werden liess.<br />
Adolf Wilhelm Keim entwickelte gegen<br />
Ende des 19. Jahrhunderts <strong>die</strong> Silikatfarbe<br />
als chemisch stabilere Alternative<br />
zur Kalktechnik, zunächst aber nur<br />
für Ziermalereien.<br />
A-Technik<br />
Die A-Technik, Keim-Künstlerfarben,<br />
lehnt sich vom Arbeitsablauf<br />
her noch an <strong>die</strong> Kalkfresko-Technik<br />
an. Zwar wird auf e<strong>in</strong>em schon<br />
abgebundenen m<strong>in</strong>eralischen<br />
Putz, dem Malgrund gearbeitet,<br />
doch werden auch hier, wie bei<br />
der Kalkfrescotechnik, <strong>in</strong> Wasser<br />
angeteigte m<strong>in</strong>eralische Pigmente<br />
appliziert. Diese werden nach<br />
Fertigstellung der Malerei mit verdünntem<br />
Fixativ mehrfach besprüht<br />
und damit eben fixiert. Das heisst,<br />
bei der A-Technik s<strong>in</strong>d eigentlicher<br />
Malvorgang und B<strong>in</strong>devorgang<br />
noch völlig vone<strong>in</strong>ander getrennt.<br />
16
B-Technik<br />
Die B-Technik, Keim-Dekorfarben,<br />
geht e<strong>in</strong>en Schritt weiter. Hier<br />
werden Farbpulver (= Pigment und<br />
Füllstoffe) und Fixativ vor der Applikation<br />
mite<strong>in</strong>ander e<strong>in</strong>gesumpft<br />
und anschliessend verarbeitet.<br />
Aufgrund der oben beschriebenen<br />
chemischen Reaktion zwischen<br />
den zwei Komponenten kann <strong>die</strong><br />
e<strong>in</strong>gesumpfte Farbe nur während<br />
maximal drei bis fünf Tagen verarbeitet<br />
werden. Sobald <strong>die</strong> Farbe<br />
auf den m<strong>in</strong>eralischen Untergrund<br />
kommt, beg<strong>in</strong>nt sie b<strong>in</strong>nen weniger<br />
Stunden irreversibel abzub<strong>in</strong>den.<br />
Das Verhältnis von Farbpulver<br />
und Fixativ muss ausgewogen<br />
und der Saugfähigkeit des Untergrundes<br />
angepasst se<strong>in</strong>. Bei zu<br />
ger<strong>in</strong>gem Fixativanteil neigt der<br />
Anstrich zum Kreiden, bei zu hohem<br />
Anteil zu sehr dichten, harten<br />
und glänzenden Verglasungen.<br />
C-Technik<br />
Die C-Technik, Keim-Purkristalat,<br />
ist mit der B-Technik identisch,<br />
nur werden hier gröbere Pigmente<br />
und Füllstoffe verwendet.<br />
Im Gegensatz zur B-Technik, <strong>die</strong><br />
für Dekormalereien bestimmt ist,<br />
werden <strong>in</strong> der C-Technik grossflächige<br />
Malerarbeiten ausgeführt.<br />
Mit der C-Technik war es erstmals<br />
möglich, grosse Fassadenflächen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tensiven und beständigen<br />
Farbton (rot, gelb, blau, ...)<br />
zu streichen. Diese coloristischen<br />
Möglichkeiten wurden erstmals<br />
<strong>in</strong> der Architekturbewegung der<br />
Zwanziger Jahre Die farbige Stadt<br />
<strong>in</strong> grösserem Umfange umgesetzt.<br />
Exponenten <strong>die</strong>ser Bewegung<br />
s<strong>in</strong>d Bruno Taut, Otto Rudolf Salvisberg,<br />
Le Corbusier<br />
E<strong>in</strong> Farbkonzept der<br />
späten 20er Jahre<br />
des letzten Jahrhunderts,<br />
daneben<br />
das entsprechende<br />
Keim’sche Farbpulver.<br />
17
Dispersionssilikatfarben<br />
Die Dispersionssilikatfarbe<br />
(Organosilikatfarbe)<br />
Aufgrund der raschen Entwicklung der<br />
Petrochemie <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten<br />
haben immer mehr organische Verb<strong>in</strong>dungen<br />
<strong>in</strong> der Putz- und Anstrichstechnologie<br />
Anwendung gefunden. Putze<br />
mit organischen Bestandteilen eignen<br />
sich aber nur bed<strong>in</strong>gt oder überhaupt<br />
nicht für e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Silikatfarbe, deren<br />
B<strong>in</strong>demittel (Wasserglas) e<strong>in</strong>en<br />
re<strong>in</strong>en m<strong>in</strong>eralischen Untergrund als<br />
chemischen Reaktionspartner braucht.<br />
Um auch auf teilweise organisch gebundene<br />
Putze streichen zu können,<br />
wurde <strong>die</strong> Dispersionssilikatfarbe (Bezeichnung<br />
nach DIN), <strong>in</strong> der Schweiz<br />
auch Organosilikatfarbe genannt, entwickelt.<br />
Dieser Farbtyp enthält e<strong>in</strong>en organischen<br />
dispergierten B<strong>in</strong>demittelzusatzt<br />
(Acrylb<strong>in</strong>der) und <strong>in</strong> der Regel<br />
auch hydrophobierende (= wasserabweisende)<br />
Bestandteile. In der Deutschen<br />
Industrie Norm DIN 18.363<br />
2.4.1. wird der gesamte organische<br />
Anteil e<strong>in</strong>er Dispersionssilikatfarbe auf<br />
max. fünf Masseprozente beschränkt.<br />
Damit ist gewährleistet, dass der bauphysikalisch<br />
wichtigste Aspekt der<br />
re<strong>in</strong>en Silikatfarbe, nämlich <strong>die</strong> hohe<br />
Dampdiffusionsfähigkeit, nicht bee<strong>in</strong>trächtigt<br />
wird. Bis zu e<strong>in</strong>em organischen<br />
Anteil von fünf Prozent entsteht<br />
noch ke<strong>in</strong>e dampfdiffusionshemmede<br />
Filmbildung <strong>in</strong> der Anstrichsmatrix.<br />
18
Die Kieselsolfarbe<br />
E<strong>in</strong>e neuartige B<strong>in</strong>demittelkomb<strong>in</strong>ation<br />
weist <strong>die</strong> Sol-Silikatfarbe auf. Hier<br />
kommt e<strong>in</strong>e von Keimfarben patentierte,<br />
stabilisierende Komb<strong>in</strong>ation aus<br />
Kieselsol (≈ vorverkieseltes Wasserglas<br />
mit reduziertem Alkalianteil) und klassisches<br />
Wasserglas zum E<strong>in</strong>satz. Diese<br />
neue Komb<strong>in</strong>ation ergibt e<strong>in</strong>e gesteigerte<br />
B<strong>in</strong>dekraft bzw. e<strong>in</strong>e hervorragende<br />
Haftung auch auf organischen<br />
H<strong>in</strong>tergründen. Da Keim’sche Kiselsolfarben<br />
auch mit e<strong>in</strong>en organischen<br />
Anteil von weniger als fünf Prozenten<br />
formuliert s<strong>in</strong>d, können sie als Dispersionssilikatfarben<br />
nach DIN bezeichnet<br />
werden.<br />
Sol-Silikatfarbe<br />
19
Wässerige Wandfarben<br />
im Überblick<br />
Merke:<br />
Siliconharzfarben s<strong>in</strong>d<br />
siliconharzhaltige<br />
Dispersionsfarben.<br />
Farben mit e<strong>in</strong>em höheren Dispersionsanteil<br />
als fünf Prozent müssten laut DIN<br />
als Dispersionsfarben bezeichnet werden.<br />
Diese Norm ist <strong>in</strong> der Schweiz<br />
bekannt, aber nicht verb<strong>in</strong>dlich, weswegen<br />
unter der Bezeichnung M<strong>in</strong>eralfarbe<br />
oder Silikatfarbe fälschlicherweise<br />
alle möglichen, mitunter sogar re<strong>in</strong><br />
organisch gebundenen Farbsysteme<br />
(wie z.B. <strong>die</strong> Siliconharzfarbe) angeboten<br />
werden.<br />
Unter der chemischen Reaktion der Verkieselung<br />
b<strong>in</strong>den jedoch ausschliesslich<br />
Silikatfarben und Dispersionssilikatfarben<br />
(= M<strong>in</strong>eralfarben) ab.<br />
Silikatfarben<br />
Dispersionssilikatfarbe<br />
Kieselsolfarbe<br />
Siliconharzfarben<br />
Dispersionsfarben<br />
nach DIN def<strong>in</strong>iert:<br />
0% organischen Anteile<br />
nach DIN def<strong>in</strong>iert: organischer<br />
Anteil < 5%<br />
nicht def<strong>in</strong>iert<br />
nicht def<strong>in</strong>iert<br />
2 Komponenten (Farbpulver<br />
+ Fixativ) A-, B- und C-Technik<br />
z.T. anwendungsfertig<br />
e<strong>in</strong>e Komponente anwendungsfertig<br />
e<strong>in</strong>e Komponente anwendungsfertig<br />
e<strong>in</strong>e Komponente anwendungsfertig<br />
Pigmente und Füllstoffe re<strong>in</strong><br />
m<strong>in</strong>eralisch<br />
Pigmente und Füllstoffe re<strong>in</strong><br />
m<strong>in</strong>eralisch<br />
Pigmente und Füllstoffe m<strong>in</strong>eralisch<br />
und oder organisch<br />
Pigmente und Füllstoffe m<strong>in</strong>eralisch<br />
und oder organisch<br />
Abb<strong>in</strong>dung re<strong>in</strong> m<strong>in</strong>eralisch<br />
(chemisch)<br />
Abb<strong>in</strong>dung überwiegend<br />
m<strong>in</strong>eralisch (chemisch), teils<br />
organisch (physikalisch)<br />
Abb<strong>in</strong>dung re<strong>in</strong> organisch<br />
(physikalisch)<br />
Abb<strong>in</strong>dung re<strong>in</strong> organisch<br />
(physikalisch)<br />
auf m<strong>in</strong>. Untergründen ke<strong>in</strong>e<br />
Grun<strong>die</strong>rung erforderlich<br />
auf m<strong>in</strong>. Untergründen ke<strong>in</strong>e<br />
Grun<strong>die</strong>rung erforderlich<br />
auf m<strong>in</strong>. Untergründen Grun<strong>die</strong>rung<br />
erforderlich<br />
auf m<strong>in</strong>. Untergründen Grun<strong>die</strong>rung<br />
erforderlich<br />
20
Der Feuchtehaushalt<br />
m<strong>in</strong>eralischer Farben<br />
Es muss zwischen<br />
historisch-traditionellen<br />
und modernen<br />
Techniken unterschieden<br />
werden.<br />
Ausschlaggebend für <strong>die</strong> Gebrauchstauglichkeit<br />
von Putz und Farbe ist ihr<br />
spezifischer Feuchtehaushalt.<br />
An historischer Bausubstanz werden im<br />
Fassadenbereich üblicherweise re<strong>in</strong> m<strong>in</strong>eralische<br />
Beschichtungen verwendet<br />
(Kalkputz, Kalkfarbe oder re<strong>in</strong>e Silikatfarbe).<br />
Diese Beschichtungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
der Regel wassersaugend (=hydrophil)<br />
und sehr dampfdiffusionsoffen.<br />
Die im Vergleich zur heutigen Technologie<br />
verwendeten grossen Putzschichtdicken<br />
von z. T. mehreren Zentimetern<br />
und ihrem spezifischen Porengefüge<br />
können auch mit grösseren Wassermengen<br />
gut umgehen. Schäden durch<br />
Frost oder Kondensationsfeuchte s<strong>in</strong>d<br />
eher selten.<br />
In der heutigen Beschichtungs- und<br />
Wärmedämmtechnologie wird <strong>die</strong><br />
Opferschicht Putz auf e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imum an<br />
Schichtdicke reduziert. Dies bedeutet,<br />
dass besonderes Augenmerk auf den<br />
Feuchtehaushalt des Beschichtungsaufbaus<br />
gelegt werden muss. H<strong>in</strong>terfeuchtungen,<br />
<strong>die</strong> zu Frostschäden führen,<br />
s<strong>in</strong>d zu vermeiden, weshalb moderne<br />
Putze und Anstriche durchweg wasserabweisend<br />
(=hydrophob) formuliert<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
21
Die pysikalischen Grössen zur<br />
Beschreibung des Feuchtehaushaltes<br />
W – Wert<br />
(Wasseraufnahme <strong>in</strong> Liter/m2x24h)<br />
Sd – Wert<br />
(Dampfdiffusionswiderstand <strong>in</strong> Metern)<br />
V – Wert<br />
(Dampfdiffusionsstromdichte = „Trocknung“<br />
<strong>in</strong> Gramm Wasser /24h bei<br />
23°C)<br />
= Anstrich<br />
Der Sd-Wert beschreibt den<br />
Dampfdiffusionswiderstand<br />
der Farbe bzw. Beschichtung<br />
Der W-Wert beschreibt <strong>die</strong> Wasseraufnahme<br />
der Farbe (flüssig).<br />
Der V-Wert beschreibt <strong>die</strong> Wasserabgabe<br />
durch <strong>die</strong> Farbe (dampfförmig).<br />
Er ist abhängig vom Sd-Wert:<br />
V-Wert = 21/Sd-Wert bei 23°C.<br />
<strong>KEIM</strong>FARBEN AG<br />
22
Sd-Wert =<br />
Dampfdiffusionsfähigkeit <strong>in</strong> Metern<br />
Der Sd-Wert errechnet<br />
sich aus dem Produkt<br />
von μ und s.<br />
μ = Konstante, <strong>die</strong> besagt, wievielmal<br />
dichter als Luft e<strong>in</strong> Stoff ist.<br />
s = Schichtdicke (<strong>in</strong> Metern)<br />
Sd-Wert = μ x s (m)<br />
Der sd-Wert gibt an, welcher Luftschichtdicke<br />
der Dampfdiffusionswiderstand<br />
e<strong>in</strong>es Baustoffes entspricht (<strong>in</strong><br />
Metern).<br />
M<strong>in</strong>eralische Beschichtungen<br />
s<strong>in</strong>d sehr porös und unerreicht<br />
dampfdiffusionsfähig.<br />
Organisch gebundene Beschichtungen<br />
können leicht zehn- bis<br />
hundertmal dichter se<strong>in</strong>.<br />
Beispiel:<br />
Re<strong>in</strong>silikatfarbe sd-Wert 50 x 0,0002<br />
m = 0,01 m.<br />
23
W-Wert = Wasseraufnahmekoeffizient<br />
(Wasseraufnahme)<br />
Wasseraufnahmekoeffizient<br />
<strong>in</strong> kg<br />
Wasser/m2 x √h<br />
Die Wasseraufnahme, ausgedrückt<br />
im W-Wert, besagt, wie viel flüssiges<br />
Wasser bei Dauerberegung <strong>in</strong> den<br />
Untergrund während 24 Stunden e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gt.<br />
Stark Wasser aufnehmende<br />
(= hydrophile) Beschichtungen haben<br />
e<strong>in</strong>en hohen W-Wert, Wasser abweisende<br />
(= hydrophobe) Beschichtungen<br />
haben e<strong>in</strong>en niedrigen W-Wert. Man<br />
spricht von e<strong>in</strong>em hydrophoben Untergrund,<br />
wenn w < 0,5 ist. M<strong>in</strong>eralische<br />
Beschichtungen s<strong>in</strong>d von Natur<br />
aus eher Wasser aufnehmend, können<br />
aber durch den E<strong>in</strong>satz von hydrophobierenden<br />
Zusätzen wasserabweisend<br />
ausgerüstet werden.<br />
Multiplizert man den W-Wert (Herstellerangabe)<br />
e<strong>in</strong>er Beschichtung mit 5<br />
(≈√24) so weiss man, wie viel Wasser<br />
bei Dauerberegnung <strong>in</strong> 24 Stunden<br />
pro Quadratmeter Oberfläche aufgenommen<br />
wird.<br />
Beispiel:<br />
W-Wert = 0,1<br />
ergibt 0,5 kg Wasseraufnahme<br />
pro m2 <strong>in</strong> 24 h (hydrophob)<br />
W-Wert = 0,6<br />
ergibt 3,0 kg Wasseraufnahme<br />
pro m2 <strong>in</strong> 24 h (hydrophil)<br />
24
V-Wert = Wasserdampfdiffusionsstromdichte<br />
(Austrocknung)<br />
V-Wert-<strong>in</strong> Gramm-<br />
Wasser/m2 x 24h<br />
Der V-Wert ist vom Sd-Wert abhängig<br />
und gibt an, welche Menge flüssigen<br />
Wassers <strong>in</strong> Gramm pro Quadratmeter<br />
und Tag verdunsten können.<br />
V-Wert = 21/sd-Wert<br />
Beispiel für e<strong>in</strong>e<br />
re<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>eralfarbe:<br />
Sd-Wert = 0,01 m: V-Wert =<br />
21/ 0,01 = 2100g (m2xTag)<br />
Die Berechnung des V-Wertes bezieht<br />
sich auf Laborbed<strong>in</strong>gungen bei 23<br />
Grad. Pro 10 Grad tieferer Temperatur<br />
halbiert sich der V-Wert. Entsprechend<br />
der unerreichten Dampfdiffusionsfähigkeit<br />
von M<strong>in</strong>eralfarben ist auch deren<br />
Fähigkeit zur Austrocknung unerreicht<br />
hoch.<br />
Austrocknung <strong>in</strong> Abhängigkeit von der Dampfdiffusion<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
Werte vom <strong>KEIM</strong>-Granital<br />
<strong>KEIM</strong>-Purkristalat und <strong>KEIM</strong>-Soldalit.<br />
Gemessen bei 23°C.<br />
Pro 10°C tiefere Temperatur<br />
halbieren sich <strong>die</strong> V-Werte.<br />
V-Wert<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
0.01<br />
0.02<br />
0.03<br />
0.04<br />
0.05<br />
0.06<br />
0.07<br />
0.08<br />
0.09<br />
0.1<br />
0.11<br />
0.12<br />
0.13<br />
0.14<br />
0.15<br />
Ab e<strong>in</strong>em V-Wert von 150 (g/m2 x d)<br />
spricht <strong>die</strong> EN 1062 – 1 von „hohen“,<br />
also guten Werten!<br />
sd-Wert<br />
0.16<br />
0.17<br />
0.18<br />
0.19<br />
0.2<br />
0.21<br />
0.22<br />
0.23<br />
0.24<br />
0.25<br />
0.26<br />
0.27<br />
0.28<br />
0.29<br />
0.3<br />
25
Die m<strong>in</strong>eralische Optik<br />
M<strong>in</strong>eralische B<strong>in</strong>demittel schliessen<br />
im Gegensatz z.B. zu Dispersionen<br />
<strong>die</strong> Pigmente nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Film e<strong>in</strong>,<br />
sondern lassen <strong>die</strong> Lichtstrahlen direkt<br />
auf das Pigment treffen, von wo sie<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten W<strong>in</strong>kel kristall<strong>in</strong><br />
reflektiert werden. Filmbildende B<strong>in</strong>demittel<br />
dagegen reflektieren das Licht<br />
eher abgedunkelt und diffus.<br />
Ca(OH) 2<br />
Pigment<br />
Pigment<br />
m<strong>in</strong>eralische Lichtreflexion:<br />
gerichtet<br />
brillant<br />
strukturbetonend<br />
Lichtreflexion des Filmbildners:<br />
diffus<br />
stumpf<br />
egalisierend<br />
26
Bild l<strong>in</strong>ks: M<strong>in</strong>eralfarben<br />
wirken strukturbetonend.<br />
Bild rechts: Charakteristisches<br />
Bild e<strong>in</strong>er auftrocknenden<br />
Re<strong>in</strong>silikatfarbe.<br />
Bild l<strong>in</strong>ks: Charakteristische Lichtreflexion<br />
der Re<strong>in</strong>m<strong>in</strong>eralfarbe<br />
am Dreikönigshaus <strong>in</strong> Trier.<br />
Bild unten: M<strong>in</strong>eral- und Kalkfarben<br />
leuchten kristall<strong>in</strong>.<br />
27