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<strong>Einführung</strong> in die Bayerische Kirchengeschichte<br />

Prof. Dr. Manfred Heim<br />

8. Januar 2014<br />

3. Die Christianisierung der Baiern<br />

3 Die Christianisierung der Baiern<br />

• Das Gebiet:<br />

Stammesherzogtum der Agilolfinger<br />

• An der Spitze ist um das Jahr 550 ein katholischer Herzog aus dem Geschlecht<br />

der Agilolfinger bezeugt: Garibald (Lex Baiuvariorum, 7.-8. Jh.: „Der Herzog aber,<br />

der dem Baiernvolk vorsteht, der war immer aus dem Geschlecht der Agilolfinger<br />

und muss es immer sein.“)<br />

• Hauptresidenz der Agilolfinger = erste „Hauptstadt“ Bayerns: Regensburg<br />

• Enge Verbindung mit den Langobarden durch Eheschließungen (z. B. Authari<br />

und Theodolinde, katholisch, Vertraute Papst Gregors des Großen [590-604])<br />

Beachte: Eheschließungen als politisches Instrument<br />

• Die Gewinnung der Baiern für die katholische Kirche liegt im politischen Interesse<br />

der Franken und der Langobarden (Franken planen in dieser Zeit einen Zug<br />

gegen Byzanz, Langobarden streben die Eroberung Italiens an; Baiern liegt auf<br />

dem Weg nach Byzanz und sollen für die Langobarden eine Rückendeckung<br />

darstellen; zudem haben die Baiern mit dem Besitz der Donaustraße und eines<br />

Großteils der östlichen und mittleren Alpenpässe wichtige Trümpfe in der Hand)<br />

• Beachte:<br />

Religion / Christentum / Kirche als entscheidendes Integrationsmittel!<br />

(Konstantin der Große, Chlodwig)<br />

Mission im frühmittelalterlichen Europa (Epoche „stetiger Mission“)<br />

als Grundlage für die Entstehung einer christlich-abendländischen<br />

Kultur<br />

o Motivation der Missionsträger:<br />

Eschatologische Weltsicht und Peregrinatio (Eschatologie [gr.] = Lehre von<br />

den letzten Dingen; peregrinatio [lat.] = Aufenthalt in der Fremde [mhd.:<br />

Elend!];<br />

Wanderschaft, Pilger-, Wallfahrt = Prinzip der „Imitatio Christi“: „Hier hast du<br />

doch keine bleibende Stätte.“ Taufbefehl Jesu: Mt 28, 18-20)<br />

o Monastischer Hintergrund der Missionare:<br />

von Südgallien nach Irland (Patrick), über Schottland (Columban d. Ä., d. J.)<br />

und England zu den Westfranken, von dort nach Baiern<br />

• Exkurs:<br />

• Bei der Christianisierung Baierns (6.-8. Jh.) treffen drei Impulse zusammen:<br />

o Das Christentum der im Land gebliebenen kelto-romanischen Bevölkerung<br />

o Die Mission der Iren / Iroschotten / Irofranken (Westfranken)<br />

o Die Mission und kirchliche Organisation benediktinischer Angelsachsen<br />

• Erster gesicherter Missionsbeleg aus dem frühen 7. Jh.:<br />

Abt Eustasius von Luxovium (Luxeuil-les-Bains, Burgund [Gründung<br />

Columbans d. J.]) wirkt im Auftrag des irischen „Mönchsvaters“ Columban d. J.;<br />

Begleiter: Mönch Agrestius und Agilus, der im baierischen Gebiet zurück bleibt<br />

Beachte:<br />

irische / iroschottische / westfränkische Mission in Baiern kam über die<br />

kolumbanischen Klöster im Frankenreich, im Auftrag und mit Förderung der<br />

fränkischen Herrschaft (fränkischer Einfluss sichtbar am alten Patrozinium des<br />

fränkischen Reichspatrons St. Martin, auch St. Georg)<br />

• Nach der alten Weltenburger Haustradition reichen die Anfänge des Klosters in<br />

die Zeit irisch-kolumbanischen Mission zurück; ältestes, sicher bezeugtes<br />

Kloster: Herrenchiemsee (Anfang 7. Jh.)<br />

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<strong>Einführung</strong> in die Bayerische Kirchengeschichte<br />

Prof. Dr. Manfred Heim<br />

8. Januar 2014<br />

3. Die Christianisierung der Baiern<br />

• Wichtige Initiatorin auch:<br />

Langobardenkönigin Theodolinde, die eng mit Papst Gregor I. (590-604)<br />

kooperiert (Monza Domschatz), um arianische Langobarden zum katholischen<br />

Glauben zu bekehren<br />

[zur Erinnerung: nach dem Arianismus (benannt nach dem Alexandrinischen<br />

Geistlichen Arius) sei der Logos = Sohn Gottes geschaffen, Christus<br />

wesensähnlich (gr.: homoiusios) mit dem Vater; katholische Position seit 325<br />

(Nicäa; beachte: 324!): wesensgleich (gr.: homousios); obwohl 381 auf dem<br />

Konzil von Konstantinopel verurteilt, blieben große Teile der christianisierten<br />

Germanen bis weit in das 7. Jh. hinein Arianer]<br />

• Wichtigste Träger und Förderer der Mission (einschließlich Awaren und Slawen):<br />

Agilolfingerherzöge Theodo (695/96-717/18), Hucbert (725/28-735/36), in<br />

besonderer Weise Odilo (735/36-748) und Tassilo III. (748-788; 772 wird<br />

berichtet, ihm habe Gott den Sieg über die Karantanen geschenkt; vgl.<br />

Konstantin 312!)<br />

• Mitte/Ende 7. Jh. wirken die „drei Apostel Baierns“:<br />

Korbinian (Freising), Emmeram (Regensburg), Rupert (Salzburg; St. Peter,<br />

Nonnberg); beachte: „Fall St. Emmeram“!<br />

• 711/12:<br />

Bischofshofen als Stützpunkt für die Christianisierung der slawischen<br />

Karantanen (Ostmission); „Conversio Bagoariorum et Carantanorum“, 870<br />

(wichtige Denkschrift über die Verdienste der Salzburger Kirche bei der Mission<br />

im Osten)<br />

• Herzogtum Baiern bis 700 im Wesentlichen christianisiert, jetzt: Organisation!<br />

• 716:<br />

erster Beleg im „Liber Pontificalis“ für die Regierungszeit Papst Gregors II. (715-<br />

731): „Theodo quippe dux gentis Baivariorum cum aliis gentis suae … primus<br />

de gente eadem“<br />

• 15. Mai 716 oder 717 zweiter Beleg:<br />

päpstlicher Organisationsentwurf (Zeichen für Unabhängigkeitsstreben<br />

Theodos)<br />

• Organisatorische Durchführung aber erst durch den angelsächsischen<br />

Benediktiner Wynfreth (Winfrid) Bonifatius (716-754), der im Auftrag Papst<br />

Gregors II. germanische Länder missioniert und kirchlich organisiert (beachte<br />

den monastischen Hintergrund: 529 gründet Benedikt von Nursia auf dem<br />

Montecassino das Stammkloster des Benediktinerordens)<br />

• Strategie anders als bei den Iroschotten:<br />

Romverbundenheit, Mission von „oben“ nach „unten“<br />

• Nach seiner dritten Romreise 737/38 errichtet Bonifatius als päpstlicher „Legat<br />

Germaniens“ die Bistümer Regensburg, Passau, Salzburg und Freising<br />

(schriftliche Bestätigung durch Papst Gregor III., 29. Oktober 739)<br />

• Abschluss 798:<br />

Erhebung Salzburgs zur Metropole (Erzbistum) der baierischen Kirchenprovinz<br />

(mit Säben/Brixen, 1215 auch Chiemsee), nicht Regensburg („damnatio<br />

memoriae“ Tassilos III., der zehn Jahre zuvor abgesetzt worden war)<br />

• Für das heutige Bayern auch:<br />

Eichstätt, Würzburg (Kilian); Augsburg, Bamberg (gehören zur Kirchenprovinz<br />

Mainz)<br />

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<strong>Einführung</strong> in die Bayerische Kirchengeschichte<br />

Prof. Dr. Manfred Heim<br />

8. Januar 2014<br />

3. Die Christianisierung der Baiern<br />

• Diese Ordnung blieb im Wesentlichen bis zum Beginn des 19. Jh. bestehen,<br />

vielfach ist sie heute noch grundlegend<br />

• Gesamtwürdigung:<br />

Die frühmittelalterliche Mission vollbrachte durch „übergentile Orientierung“<br />

eine „enorme Kulturleistung“, weil so das Christentum „nach der Abwendung<br />

von regionalisierten Polytheismusformen zur Identitätsstiftung beitragen“ konnte<br />

(Padberg, Inszenierung 424); damit wurde der Kulturtransfer über die<br />

Völkerwanderungszeit hinaus in das Mittelalter hinein gesichert<br />

„Die europäische Kultur ist von Anfang an nicht homogen gewesen, nicht in sich<br />

stimmig und nicht aus einem Guß. Sie hat eben einen doppelten Ursprung: Sie ging<br />

einerseits aus einer profanen Wurzel hervor, aus der griechisch-römischen, der<br />

antiken Kultur, und andererseits aus einer sakralen, der christlichen Religion. Beide<br />

Komponenten gelangten durch das Nadelöhr der europäischen Überlieferung, das 7.<br />

Jahrhundert, von der Spätantike ins Frühmittelalter, und sie wurden von dort, teils<br />

sich gleich bleibend, teils sich wandelnd, weitergegeben an die späteren Epochen.“<br />

(Manfred Fuhrmann, Humanismus und Christentum. Die doppelte Orientierung der europäischen<br />

Schule [Jacob Burckhardt-Gespräche auf Castelen 14], Basel 2003, S. 8)<br />

• Merkformel: „RAI“ (Religion als Integration / Identitätsstiftung)<br />

„Wenn man an nichts glaubt, wenn nichts einen Sinn ergibt und wenn wir in nichts<br />

einen Wert entdecken können, dann ist alles erlaubt und nichts von Bedeutung.<br />

Dann gibt es weder gut noch böse, und Hitler hatte weder recht noch unrecht. Es gibt<br />

Leute, die Millionen von Unschuldigen ins Krematorium schicken, und solche, die<br />

sich aufopfernd der Krankenpflege widmen. Es gibt Menschen, die dir mit der einen<br />

Hand die Ohren langziehen und mit der anderen die Schmerzen lindern. Die die<br />

Toten ehren und sie gleichzeitig auf den Müllhaufen werfen. Alle diese<br />

Verhaltensweisen haben den gleichen Wert. Und da wir gedacht haben, daß nichts<br />

einen Sinn hat, mußten wir daraus schließen, daß derjenige recht hat, der erfolgreich<br />

ist… Wenn nichts wahr oder falsch ist, gut oder schlecht, wenn der einzige Wert die<br />

Effizienz ist, dann ist die einzige Regel, nach der man sich zu richten hat, diejenige,<br />

die uns nahelegt, so effizient wie möglich, mit einem Wort die Stärkeren zu sein. Und<br />

dann besteht die Welt nicht mehr aus Gerechten und Ungerechten, sondern aus<br />

Herren und Sklaven. Recht hat, wer herrscht.“<br />

(Albert Camus, Vortrag über das Thema „Die Krise des Menschen“<br />

an der Columbia University New York, 1946)<br />

„Wie aber die Gottesfurcht die Ursache für die Größe der Staaten ist, so ist ihr<br />

Schwinden die Ursache des Verfalls. Denn wo die Gottesfurcht fehlt, da muß ein<br />

Reich in Verfall geraten, oder die Furcht vor dem Fürsten muß den Mangel an<br />

Religion ersetzen.“<br />

(Nicolò Macchiavelli, Discorsi. Gedanken über Politik und Staatsführung,<br />

verfasst zwischen 1513 und 1517)<br />

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