Häring, Matthias - Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen

Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Köln
Masterstudiengang Suchthilfe
(Master of science of addiction prevention and treatment)
Masterthesis
Zur Wirksamkeit ambulanter psychosozialer Betreuung von
chronisch mehrfach geschädigten Abhängigkeitskranken
nach den Prinzipien des Community Reinforcement Approach
Eine Analyse der Wirkfaktoren
vorgelegt von Matthias Häring
Erstprüfer: Herr Wolfgang Scheiblich
Zweitprüfer: Prof. Dr. Wolfgang Schwarzer
Weinheim, 10. Oktober 2013

Einleitung
Selbständigkeitserklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne
Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Die aus
fremden Quellen wörtlich oder sinngemäß übernommenen Gedanken sind als
solche kenntlich gemacht.
Ich erkläre ferner, dass ich die vorliegende Arbeit an keiner anderen Stelle als
Prüfungsarbeit eingereicht habe oder einreichen werde.
Weinheim, 10. Oktober 2013
Matthias Häring

3
Inhalt
1 Einleitung ......................................................................................................... 5
2 Fragestellung ................................................................................................... 6
2.1 Ausgangslage ........................................................................................ 7
2.2 Forschungsfragestellung ........................................................................ 8
3 Theoretischer Hintergrund ........................................................................... 11
3.1 Chronisch mehrfach geschädigte Abhängigkeitskranke ....................... 11
3.1.1 Verständnis und Behandlung von CMA im historischen Kontext........ 11
3.1.2 Definition und Operationalisierung ..................................................... 14
3.1.3 Schädigungssymptomatik .................................................................. 18
3.1.4 Epidemiologie und Versorgungslage .................................................. 19
3.2 Die ambulante psychosoziale Betreuung ............................................. 20
3.2.1 Begriffsklärung ................................................................................... 20
3.2.2 Rechtliche Grundlagen ....................................................................... 21
3.2.3 Zielstellungen ..................................................................................... 21
3.2.4 Einrichtungsspezifische Konzeptelemente ......................................... 23
3.3 Der Community Reinforcement Approach (CRA) ................................. 26
3.3.1 Konzept und Philosophie ................................................................... 26
3.3.2 Evidenzbasierung ............................................................................... 27
3.3.3 Die Behandlungsmodule .................................................................... 29
3.3.4 Die besondere Eignung für CMA ........................................................ 33
4 Untersuchungsaufbau und –durchführung ................................................. 35
4.1 Operationalisierung der Fragestellung ................................................. 35
4.1.1 Die praktizierte Betreuung als Forschungsfeld ................................... 35
4.1.2 Die Wirkfaktoren als zu ermittelnde Größe ........................................ 35
4.1.3 Die Auswahl der Informationsquelle ................................................... 36
4.2 Auswahl der Erhebungsmethode ......................................................... 36
4.3 Entwicklung von Leitfragen .................................................................. 37
4.4 Auswahl der Interviewpartner ............................................................... 38
4.5 Durchführung der Interviews ................................................................ 39
4.6 Datenaufbereitung ................................................................................ 40
4.7 Datenauswertung anhand der qualitativen Inhaltsanalyse ................... 40
5 Untersuchungsergebnisse ........................................................................... 42
5.1 Auswertung der Interviews ................................................................... 42
5.1.1 Soziodemografische Daten ................................................................ 42
5.1.2 Durchführung der Kategoriendefinition ............................................... 43

Einleitung
5.1.3 Auswertung Interview A ..................................................................... 45
5.1.4 Auswertung Interview B ..................................................................... 48
5.1.5 Auswertung Interview C ..................................................................... 49
5.1.6 Auswertung Interview D ..................................................................... 51
5.1.7 Auswertung Interview E ..................................................................... 53
5.1.8 Auswertung Interview F ...................................................................... 54
5.2 Fallübergreifende Darstellung .............................................................. 55
5.2.1 K1: Situation vor der Betreuung ......................................................... 55
5.2.2 K2: Veränderungen durch die Betreuung ........................................... 57
5.2.3 K3: Merkmale der Betreuung ............................................................. 59
5.2.4 K4: Merkmale der Betreuungsperson ................................................. 62
5.2.5 K5: Vermutete Situation nach Betreuungsende ................................. 64
5.3 Ermittelte Wirkfaktoren ......................................................................... 65
5.3.1 Wirksame Betreuungselemente ......................................................... 66
5.3.2 Bedeutende Beziehungselemente ..................................................... 67
5.4 Hypothesengenerierung ....................................................................... 68
6 Zusammenfassung und Diskussion ............................................................ 70
7 Literaturverzeichnis ...................................................................................... 76
8 Tabellenverzeichnis ...................................................................................... 79
9 Anhang ........................................................................................................... 80
9.1 Einverständniserklärung zum Interview ................................................ 80
9.2 Transkribierte Interviews ...................................................................... 81
9.2.1 Interview A ......................................................................................... 81
9.2.2 Interview B ......................................................................................... 90
9.2.3 Interview C ......................................................................................... 97
9.2.4 Interview D ....................................................................................... 106
9.2.5 Interview E ....................................................................................... 115
9.2.6 Interview F........................................................................................ 122
9.3 Induktive Kategoriendefinition ............................................................ 130
9.3.1 Interview A ....................................................................................... 130
9.3.2 Interview B ....................................................................................... 136
9.3.3 Interview C ....................................................................................... 140
9.3.4 Interview D ....................................................................................... 149
9.3.5 Interview E ....................................................................................... 153
9.3.6 Interview F........................................................................................ 158

Einleitung 5
1 Einleitung
Dass die professionelle Suchthilfe der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts nur einen kleinen Teil der behandlungsbedürftigen
Abhängigkeitskranken erreichte, gilt seit Wienbergs „Die vergessene Mehrheit“
ab 1992 als gesicherte Erkenntnis. Durch die hohen Einstiegsbarrieren fanden
in erster Linie abstinenz- und erkennbar änderungsmotivierte Klienten mit
funktionierenden Selbstmanagementkompetenzen den Weg in das klassische
Suchthilfesystem und konnten von diesem profitieren.
Im Zusammenhang mit der zunehmenden Fokussierung der
unterversorgt gebliebenen Mehrheit gewinnt die Gruppe der chronisch
mehrfach geschädigten Abhängigkeitskranken (CMA) an fachlicher
Aufmerksamkeit: CMA wird zu einem der Schlagwörter eines ganzen
Suchthilfejahrzehnts in Deutschland, zeigt doch gerade diese Klientel die
Einseitigkeit der professionellen Suchtbehandlung auf. CMA erscheinen im
Licht klassischer Suchttherapie unfähig zur Einsicht in notwendige
Veränderungen und zu eigenständiger Abstinenz nicht motivierbar. Sie wirken
schwerstabhängig und therapieresistent.
Parallel zu diesem Erkenntnisprozess wird ein US-amerikanischer
Behandlungsansatz in Deutschland von Dr. Reker (ärztlicher Leiter in der Klinik
für Psychiatrie und Psychotherapie im Evangelischen Krankenhaus Bielefeld)
gefördert, welcher als Community Reinforcement Approach (CRA) nicht nur mit
Übersetzungsschwierigkeiten zu kämpfen hat. Als „gemeinschaftlicher
Verstärkungsansatz“ wirkt er auf den ersten Blick wie eine aus verschiedenen
Therapierichtungen kombinierte Methodensammlung und stößt auf
entsprechende Vorbehalte. Der CRA kann seine Abstinenzorientierung nicht
leugnen, aber er beschreitet zu deren Verfolgung einen anderen Weg: statt
Einsicht als Änderungsmotivation setzt CRA auf positive Verstärkung, anstelle
einer bewussten Entscheidung als Abstinenzgrundlage auf Kompetenztrainings.
Was passiert, wenn man CMA und CRA in Verbindung bringt? Beide
scheinen nicht nur als Akronyme gut zu harmonieren. Neben ihren
gemeinsamen Schwierigkeiten, vom Suchthilfesystem wahrgenommen zu
werden, scheinen vor allem inhaltliche Übereinstimmungen eine

Fragestellung
Zusammenarbeit zu begründen: Die Abstinenz zum Selbstzweck ist häufig kein
ausreichender Ausgleich für eine Verzichtsleistung. Sie bedarf lohnenswerter
Anreize aus dem Umfeld des Klienten 1 , um als erstrebenswert zu gelten, und
sie bedarf alltagstauglicher Erfolgsmomente, um erreichbar zu werden.
Mit der vorliegenden Masterarbeit soll die Wirksamkeit ambulanter
psychosozialer Betreuung in Bezug auf die Versorgung von CMA-Klienten
untersucht werden. Bei der Betreuung steht weniger die konsequente
methodische Umsetzung des CRA im Vordergrund, als vielmehr die Philosophie
und Haltung, welche den Ansatz auszeichnet.
Die Untersuchung ist insofern innovativ, als dass die ambulante
Betreuung von CMA mit ihren Wirkfaktoren im Vergleich zu anderen,
vorwiegend stationären Betreuungssettings, nur wenig untersucht wurde.
Studien der Psychotherapieforschung wiederum näherten sich dem
Forschungsfeld eher quantitativ und bestätigten zwar die Person des
Therapeuten in ihrer Bedeutsamkeit, liefern aber nur wenige Informationen zu
den Projektionen und Zuschreibungen durch die Klientel sowie der
Wirkungsweise eines auf soziale Arbeit fokussierten Betreuungsteams.
Der Untersuchungsgegenstand sowie die sich daraus ergebenden
forschungsleitenden Fragestellungen werden im Kapitel 2 vorgestellt. Das
Kapitel 3 widmet sich dem für diese Thesis relevanten theoretischen
Hintergrund. Der Untersuchungsaufbau sowie die Durchführung der Erhebung
erläutert das Kapitel 0. Die Auswertung der Untersuchungsergebnisse mit dem
Ausblick auf zukünftige Forschungsansätze wird im Kapitel 5 hergeleitet.
2 Fragestellung
Im folgenden Kapitel werden der Untersuchungsgegenstand dieser
Masterthesis sowie die daraus abgeleiteten forschungsleitenden
Fragestellungen vorgestellt.
1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der gesamten Arbeit auf die gleichzeitige
Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche männliche
Personenbezeichnungen gelten für beide Geschlechter, wenn nicht ausdrücklich davon
Abstand genommen wurde.

Fragestellung
2.1 Ausgangslage
Das Forschungsinteresse dieser Arbeit bezieht sich auf die praktizierte
ambulante psychosoziale Betreuung von CMA (auch als ambulant betreutes
Einzelwohnen bezeichnet), welche von dem Arbeitsbereich Betreutes Wohnen
der Caritas Suchthilfe im südhessischen Kreis Bergstraße angeboten und
durchgeführt wird. Die Caritas Suchthilfe wird durch eine Suchtberatungsstelle
in Heppenheim verkörpert, welche den Versorgungsauftrag für Menschen mit
Abhängigkeitserkrankungen von legalen Suchtmitteln bekommen hat und
neben dem Betreuten Wohnen die Beratung und Behandlung im Landkreis
übernimmt. Das Versorgungsgebiet der Caritas Suchthilfe umfasst den Kreis
Bergstraße mit ca. 260.000 Einwohnern, welcher mit den größeren Städten
Bensheim, Heppenheim, Lampertheim und Viernheim eine dezentrale
Einwohnerverteilung mit eher ländlichen Strukturen aufweist. In den 1980er
Jahren war diese Suchtberatungsstelle eine der Modellberatungsstellen
„Ambulante Rehabilitation“.
Der Arbeitsbereich Betreutes Wohnen wurde vor über 25 Jahren mit
einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft ins Leben gerufen. Im weiteren
Verlauf kam die aufsuchende ambulante Betreuung hinzu. Die Betreuung wurde
bis 2008 von denselben Mitarbeitern durchgeführt, die auch für Beratung und
ambulante Rehabilitation zuständig waren und kann von ihrer Art her als
abstinenzzentriert beschrieben werden, wobei Rückfälle bei Bereitschaft zur
Aufarbeitung toleriert wurden.
Im Jahr 2008 wurde ein neuer Mitarbeiter explizit für den Aufbau eines
eigenständigen Arbeitsbereiches zur ambulanten psychosozialen Betreuung
von CMA eingestellt. Diese Klientel wurde bisher von der Beratungsstelle kaum
erreicht, und wenn es zu Beratungskontakten kam, dann waren diese aufgrund
voneinander abweichender Zielen zwischen Klient und Berater/Betreuer in der
Regel nur von kurzer Dauer. Der Betreuungscharakter des neu geschaffenen
Angebotes unterschied sich in der Folge deutlich von der bisher praktizierten
Betreuung.
Was fehlte, waren ein konzeptioneller Hintergrund und eine
professionelle Haltung, welche diesen nah am „Betreuten Trinken“ liegenden

Fragestellung
Betreuungsstil auch fachlich legitimieren konnten. In diese Unsicherheit fiel ein
Vortrag von Dr. Reker über den CRA. Dieses Konzept besaß eine hohe
inhaltliche Übereinstimmung mit der Haltung in der praktizierten Betreuung von
CMA: die Abstinenz zum Selbstzweck stellt für CMA häufig kein
erstrebenswertes Ziel dar, sondern benötigt zusätzliche erstrebenswerte
Anreize und Belohnungen, um verfolgt zu werden. Aufgrund der teilweise
massiven biopsychosozialen Belastungen, von denen die schädlichen
Auswirkungen des Suchtmittelkonsums oft nur einen Teilbereich ausmachen,
besitzt der Suchtmittelkonsum eine hohe Funktionalität und ein Verzicht bringt
nur sehr begrenzte Vorteile. In diesem pathogenen Milieu des Betreuten bieten
sich aber auch viele Anreize, deren erfolgreiche Aktivierung im Sinne des CRA
für eine erhöhte Änderungsmotivation und gesteigerte
Selbstwirksamkeitserwartung sorgen können.
In den Folgemonaten nach Beginn der Implementierung wuchs die Zahl
der Betreuungsanfragen deutlich an. Bis heute hat sich die Anzahl der
Mitarbeiter auf vier erhöht, welche aktuell ca. 45 CMA-Klienten mit steigender
Tendenz betreuen.
Im Vergleich zu den früheren Lebensstilen ohne Betreuung ist bei den
meisten Klienten eine Konsumreduktion zu beobachten. Sehr häufig ist zudem
eine Verbesserung verschiedener Lebensbereichen wie Gesundheit, soziale
Kontakte, wirtschaftliche Lage und Wohnsituation eingetreten. Bemerkenswert
ist aber auch, dass der überwiegende Teil der Klienten mehrjährige
Betreuungsverhältnisse in Anspruch nimmt, die im Vergleich zu früheren
Betreuungen nach anderen Maßstäben nur wenigen Betreuten gelangen bzw.
nur wenige zuließen. Damit scheint diese Form der Betreuung stabilere und
attraktivere Kontakte zum Hilfesystem zu ermöglichen.
2.2 Forschungsfragestellung
Die von der Beratungsstelle praktizierte ambulante psychosoziale
Betreuung scheint aufgrund der zunehmenden Zahl an
Betreuungsverhältnissen, aber auch wegen der sichtbaren Erfolge für CMA-
Klienten wirksamer als das frühere Betreuungsangebot zu sein. Von daher

Fragestellung
besteht ein Interesse daran, genauer zu verstehen, welche Wirkfaktoren in der
durchgeführten Betreuung aktiv sind, um diese im Betreuungsprozess gezielter
berücksichtigen, fördern und entsprechend den Bedürfnissen der Betreuten
gestalten zu können, um letztlich eine wirksamere Betreuung zu ermöglichen.
Dieses Erkenntnisinteresse lässt sich durch die folgenden
forschungsleitenden Fragestellungen aufschlüsseln:
1. Welche Konzeptelemente werden bei der Betreuung eingesetzt?
2. Welche Betreuungselemente erleben die Betreuten als hilfreich?
3. Welche Bedeutung hat die Person des Betreuers für den Klient?
Die Frage nach der Wirksamkeit der Betreuung soll in dieser Thesis drei
Themenbereiche fokussieren:
Konzeptelemente: Die Veränderung des Betreuungsangebotes nach
2008 bestand anfangs vor allem aus formalen Veränderungen, durch welche
die Versorgung von CMA-Klienten verbessert werden sollte. Da die Wirksamkeit
der Betreuung auch die Gewährleistung der Versorgung von Hilfebedürftigen
und ein anschlussfähiges Konzept umfasst, soll der erste Frageteil die
vollzogenen Änderungen erfassen und bewerten. Dieser Teil der
Forschungsfragestellung lässt sich nur unzureichend mit der in dieser Arbeit
durchgeführten empirischen qualitativen Forschung beantworten und wird
infolge dessen im Kapitel 3.2.4 als Teil des die Betreuung betreffenden
theoretischen Hintergrundes erörtert.
Betreuungselemente: Dieser Fragebereich legt die Aufmerksamkeit auf
den Wert der Betreuung für den Hilfe in Anspruch Nehmenden. Jeder Betreute
hat eigene Erwartungen, Vorstellungen und Wünsche an eine
Betreuungsleistung. Mit der Frage nach den Betreuungselementen soll geprüft
werden, inwiefern die angebotenen Leistungen mit den Bedürfnissen der
Klientel kompatibel sind.
Person des Betreuers: Der dritte Frageteil zeigt Interesse an der
Bedeutung der betreuenden Mitarbeiter. Es stellt sich die Frage, welche
Merkmale und Eigenschaften CMA als bedeutsam empfinden, welche
Erwartungen mit diesen assoziiert werden und ob Projektionen aktiviert werden.

Fragestellung
Diese Frage dient auch dazu, betreuungsabhängige von personenabhängigen
Effekten zu trennen.

Theoretischer Hintergrund
3 Theoretischer Hintergrund
Im folgenden Kapitel sollen die fachlichen Grundlagen für die wissenschaftliche
Bearbeitung der Fragestellung dieser Arbeit näher erläutert werden. Die
hinzugezogenen Fakten beziehen sich dabei auf die Zielgruppe der chronisch
mehrfach geschädigten Abhängigkeitskranken, die ambulante psychosoziale
Betreuung als Interaktionsform sowie den Community Reinforcement Approach
als vorwiegend haltungsgenerierenden Behandlungsansatz.
3.1 Chronisch mehrfach geschädigte Abhängigkeitskranke
Das folgende Kapitel betrachtet in einem ersten Schritt die Behandlung
Suchtkranker und speziell der CMA im historischen Kontext, um ein Verständnis
für Versorgungslage von CMA zu fördern. Im weiteren Verlauf wird die aktuelle
Definition von CMA vorgestellt sowie deren Operationalisierungen über die
Arbeitsgruppe CMA und die Braunschweiger Merkmalsliste (BML). Ein
Überblick über die Schädigungssymptomatik und Versorgungslage
vervollständigen den theoretischen Hintergrund.
3.1.1 Verständnis und Behandlung von CMA im historischen Kontext
Nach Spode liegen die Anfänge der Suchttherapie im frühen 19.
Jahrhundert mit der Unterscheidung des Konsumverhaltens in mäßigen und
unmäßigen Gebrauch. Damals wurden ebenso übermäßiger Konsum wie auch
der dauerhafte Verzicht als maßlos angesehen. Mit der ersten
Mäßigkeitsbewegung, die ab 1820 von den USA ausgehen sich nach Europa
ausbreitete, wurde anfangs der Konsum von Spirituosen abgelehnt, später kam
es zur Abspaltung eines radikalen Flügels, welcher die Abschaffung sämtlicher
Alkoholika forderte und neben der Selbstverpflichtung auf staatliche
Unterstützung setzte. Mit dieser Bewegung entstanden um 1840 erste
laienmedizinische Hilfe- und Selbsthilfeorganisationen für Suchtkranke,
während die erste Mäßigkeitsbewegung in den folgenden 20 Jahren wieder in
sich zusammenbrach, da sie dem Widerstand von Konsumenten und
Produzenten nicht gewachsen war. Zum Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu
einer zweiten Mäßigkeitsbewegung, in deren Folge sich Ableger der
Guttempler, des Blauen Kreuzes und der Heilsarmee in Deutschland

Theoretischer Hintergrund
etablierten, wobei die ersten beiden Vereine von ihren Mitgliedern um die
Jahrhundertwende den vollständigen Alkoholverzicht verlangten. Durch „das
sektenhafte Gepräge dieser Sonderwelten, die bizarr wirkende
Abstinenzverpflichtung" stießen diese Organisationen jedoch bei der breiten
Bevölkerungsmehrheit auf Ablehnung. (Spode 2012, S. 155-157)
Die Folgen für die Behandlung von Suchtkranken aus dieser Entwicklung
heraus beschreibt Spode so:
„Am Ende des langen 19. Jahrhunderts waren in Deutschland die Fundamente
einer Behandlungskette gelegt, wie sie im Prinzip noch heute besteht. Eine
Grundvoraussetzung war die Pathologisierung des Trinkers gewesen. Ist die
Krankenrolle generell zwiespältig, so gilt dies in besonderem Maße für die Rolle
des Trunksüchtigen. Sie entlastet und sie entmündigt: Der Alkoholkranke hat
seine abweichende Persönlichkeit einzugestehen, und den Experten Folge zu
leisten" (Spode 2012, S. 160)
Nach Reker existierten bereits im späten 19. Jahrhundert nachweislich
erste stationäre Einrichtungen für suchtbelastete Menschen ohne tragfähige
Lebensperspektive und soziale Unterstützung. Die Behandlung dieser Klientel
erfolgte in, für diese Zeit üblichen, paternalistisch geführten totalen
Institutionen, die meist in kirchlicher Trägerschaft waren. Mit Beginn des 2.
Weltkrieges veränderte sich die Versorgungslage grundlegend, als viele solcher
Einrichtungen geschlossen und die Betroffenen im Zuge der
nationalsozialistischen Eugenik in Arbeitslagern untergebracht bzw. ermordet
wurden.
In der Nachkriegszeit orientierten sich in Westdeutschland
Suchthilfebemühungen zunehmend am sogenannten Abstinenzparadigma.
Ausgehend von der Annahme, dass nur am Tiefpunkt angelangte und zur
Einsicht gekommene Suchtkranke zu dauerhaften Verhaltensänderungen fähig
seien, trat die selektive Versorgung von abstinenzmotivierten Klienten in den
Vordergrund. Eine idealtypische Hilfekette aus Beratung, stationärer
Entwöhnung und Selbsthilfegruppenteilnahme sollte zu dauerhafter Abstinenz
befähigen, welche als notwendige Grundlage eines gelingenden Lebensstils
postuliert wurde. Durch diese einseitige Ausrichtung der professionellen

Theoretischer Hintergrund
Suchthilfe wurde ein kleiner Teil der Abhängigkeitskranken adäquat versorgt.
(Martin Reker 2006)
Für Suchtkranke mit geringer Abstinenzmotivation bzw. -fähigkeit führte dieses
Behandlungsprinzip aufgrund der häufig als Misserfolg verstandenen nicht
erreichten Abstinenz zu einem ambivalenten Verhältnis zum klassischen
Suchthilfesystem, da Sollen eben Können voraussetzt. Letztlich wurden die als
chronische Trinker, Therapieresistente und Schwerstabhängige bezeichnete
Klientel fehlplatziert „in Altenheimen oder psychiatrischen Krankenhäusern
behandelt und dort oftmals mehr verwahrt als spezifisch gefördert.“ (Steingass
2004, S. 9). Wer ein solches Behandlungssetting ablehnte, konnte keine
weitere professionelle suchtspezifische Behandlung erwarten. Am Ende der
Versorgung stand die akutmedizinische Entgiftung, welche der
Überlebenssicherung und Vermeidung von Folgeschäden diente.
Weitervermittlungen kamen von dort aus selten vor und waren auch fast nur in
das hochschwellige Suchthilfesystem möglich, so dass Kontaktabbrüche häufig
auftraten.
In dem 1975 veröffentlichten „Bericht zur Lage der Psychiatrie in der
Bundesrepublik Deutschland“ (sog. Psychiatrie-Enquete) werden Suchtkranke
mit chronischem Konsumverhalten und chronischem Schädigungsprofil
erwähnt: „Es ist damit zu rechnen, daß eine nicht unbeträchtliche Zahl von
Alkoholkranken und Drogenabhängigen auf längere Sicht behandlungsunwillig
und auf absehbare Zeit nicht rehabilitationsfähig ist. Dabei handelt es sich
häufig um Patienten mit hochgradigen Verwahrlosungserscheinungen, die
körperlich und psychisch bereits erheblich geschädigt sind, weiterhin akut
gefährdet bleiben und deshalb der Unterbringung auf einer geschlossenen
Station bedürfen." (Deutscher Bundestag 1975, S. 278)
Im Jahr 1985 wird die Symptomatik von CMA durch WANKE und
TÄSCHNER umfassend beschrieben und als Depravation bezeichnet.
Ausgehend von beobachtbarem Verhalten und gesundheitlichen
Einschränkungen verstehen die Autoren unter Depravation v.a. eine spezifische
Persönlichkeitsumformung in der Folge langjährigen Alkoholkonsums, welche
oft mit schwerwiegenden hirnorganischen Veränderungen einhergeht. Als

Theoretischer Hintergrund
sichtbare Auswirkungen werden u.a. Interessenverlust an sich selbst sowie
sozialen Beziehungen, Kritikschwäche gegenüber der eigenen Situation und
Antriebsreduktion, aber auch sozialer Abstieg, oberflächliche Alkoholkumpanei,
Unehrlichkeit und persönlicher Substanzverlust genannt. (Wanke und Täschner
1985)
Der 1988 veröffentlichte Bericht der „Expertenkommission der
Bundesregierung zur Reform der Versorgung im psychiatrischen und
psychotherapeutisch-psychosomatischen Bereich“ versuchte neben den
abstinenzmotivierten auch alle anderen Suchtkranken zu erfassen. In diesem
Zusammenhang wurde auch der Begriff „chronisch mehrfachgeschädigte
Abhängigkeitskranke“ verwendet und Behandlungsempfehlungen
ausgesprochen. (Martin Reker 2006, S. 2)
Im Jahr 1992 beschreibt WIENBERG in seinem Buch CMA als „Die
vergessene Mehrheit“ und bringt die Unter- bzw. Fehlversorgung dieser Klientel
mit Funktionsweise und Selbstverständnis des bestehenden Suchthilfesystems
in Verbindung. (Wienberg 1992)
Im selben Jahr veröffentlicht SCHWOON eine Zielhierarchie für die
Behandlung von Suchtkranken. Nach dieser ist das höchste Ziel einer
erfolgreichen Suchtbehandlung weiterhin eine zufriedene Abstinenz, jedoch
steht davor die Überlebenssicherung und Verhinderung fortschreitender
gesundheitlicher und sozialer Konsumfolgen. (Schwoon 1992)
Im weiteren Verlauf konzentriert sich die fachliche Aufmerksamkeit auf
die Definitionsklärung und Diagnostik von CMA. Im folgenden Kapitel wird auf
diese Entwicklung eingegangen.
3.1.2 Definition und Operationalisierung
Die Bezeichnung „Chronisch mehrfach geschädigte
Abhängigkeitskranke“ wurde 1988 erstmals durch die Expertenkommission der
Bundesregierung verwendet. Einen Definitionsvorschlag für diese Bezeichnung
entwickelten 1999 Leonhardt und Mühler sowie Böttger und Härtel
(Arbeitsgruppe CMA bei der Gesellschaft gegen Alkohol- und Drogengefahren
GAD e.V.) als Arbeitsdefinition für die Untersuchung der Struktur der CMA-

Theoretischer Hintergrund
Population in Sachsen, welcher damals die Zustimmung von der Sächsischen
Landesstelle für Suchtfragen erhielt:
„Chronisch mehrfach geschädigt ist ein Abhängigkeitskranker, dessen
chronischer Alkohol- bzw. anderer Substanzkonsum zu schweren bzw.
fortschreitenden physischen und psychischen Schädigungen (incl.
Comorbidität) sowie zu überdurchschnittlicher bzw. fortschreitender sozialer
Desintegration geführt hat bzw. führt, so dass er seine Lebensgrundlagen nicht
mehr in eigener Initiative herstellen kann und ihm auch nicht genügend familiäre
oder andere personale Hilfe zur Verfügung steht, wodurch er auf institutionelle
Hilfe angewiesen ist." (Leonhardt und Mühler 2006, S. 27)
Nach Aussagen der Arbeitsgruppe CMA sei „es gelungen, eine Definition
vorzuschlagen statt operationalisierte Teilkriterien zu variieren. Bisher existieren
Entwürfe, die sich ausschließlich auf Merkmalslisten stützen. Solche
Merkmalslisten sollten aber sinnvollerweise erst erstellt werden, nachdem in
Form einer Definition die erforderlichen Relationen oder essentiellen
Dimensionen fixiert worden sind. Merkmalslisten können keine Definition
ersetzen, sondern ihre Aufgabe ist es, Definitionen messbar zu machen."
(Arbeitsgruppe CMA 1999a, S. 4).
Neben der Definitionsbildung ist für die Forschungs- und
Versorgungspraxis die möglichst genaue diagnostische Zuordnung und
Abgrenzung bedeutsam. Im Folgenden werden zwei verbreitete Screening-
Verfahren zur Klassifizierung von CMA vorgestellt:
3.1.2.1 Die Operationalisierung über die Arbeitsgruppe CMA
Um Abhängigkeitserkrankte gemäß der definitorischen Festlegung als
CMA konkret einstufen zu können, hat die Arbeitsgruppe CMA 1999 einen
Kriterienkatalog veröffentlicht.
Dieser kann Anwendung finden, wenn eine Abhängigkeitsdiagnose nach
dem ICD-10 vorliegt. Der Vorschlag bezieht sich auf Alkohol- und
Opiatabhängige, kann aber auf andere Substanzen übertragen werden. Die
Kriterien werden in vier Bereiche aufgeteilt: Konsumverhalten,
Behandlungserfahrung, gesundheitliche Situation sowie soziale und rechtliche

Theoretischer Hintergrund
Situation. Jeder Kriteriumsbereich besteht wiederum aus Unterfragen, bei deren
Zutreffen ein Punkt vergeben wird. Wenn in drei der vier Bereiche jeweils
mindestens ein Punkt vorliegt, kann laut dieser Definition von CMA gesprochen
werden. (Arbeitsgruppe CMA 1999b, S. 6–13)
Der Definitionsvorschlag der Arbeitsgruppe CMA wurde in einer
Untersuchung von Schlanstedt et al. auf 1618 Klienten angewendet, welche im
Rahmen des Modellprojekts Nachgehende Sozialarbeit betreut wurden. Die
Ergebnisse des Definitionsvorschlages wurden dem Expertenurteil der
betreuenden Case Manager gegenüber gestellt. Dabei zeigte sich, dass die
Case Manager 76,9% und der Definitionsvorschlag 66,6% der Klienten als
CMA einstufte. Davon ausgehend betrug die Sensitivität (richtig als
CMA erkannte Klienten) 77,8%, die Spezifität (richtig als Nicht-CMA erkannte
Klienten) bei 70,5%. Zudem wurden durch Clusteranalysen drei
unterschiedliche CMA-Gruppen und eine Nicht-CMA-Gruppe ermittelt. Die
Autoren sahen daher eine dichotome Einteilung in CMA und Nicht-CMA als
nicht adäquat an. Kritik üben sie weiterhin an der Überbewertung der
Behandlungserfahrung sowie der strafrechtlichen Belastung. (Schlanstedt et al.
2001, S. 331–332)
3.1.2.2 Die Operationalisierung über die Braunschweiger Merkmalsliste
(BML)
1997 reichte Hilge an der TU Braunschweig eine Dissertation ein, deren
Ergebnisse er 1999 veröffentlichte: mit der Braunschweiger Merkmalsliste
(BML) wird ein diagnostisches Instrument zur Operationalisierung von CMA
vorgestellt, welches sich durch einfache Handhabung und bei gleichzeitig
geringem zeitlichen Aufwand auszeichnet. Die BML wurde an 150
alkoholabhängigen Probanden kreuzvalidiert. Ihre Sensitivität liegt bei .923, ihre
Spezifität bei .852 und die Gesamteffizienz beträgt .870. Sie beinhaltet 11
Items, bei deren Auswertung ein Summenscore ≥4 die Grenze zwischen CMA
und Nicht-CMA bildet. (Hilge und Schulz 1999, S. 55–68)
Die BML besteht aus 11 Items, welche mit ja, nein oder unbekannt
beantwortet werden:

Theoretischer Hintergrund
I. Soziale Situation
1. Zum Zeitpunkt der Beratung/ Behandlung allein stehend/ ohne feste
Partnerschaft (gilt auch für nicht Geschiedene, aber getrennt
Lebende)
2. In den drei Monaten vor der Beratung/Behandlung Sicherung des
Lebensunterhaltes durch Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt)
3. Innerhalb des vergangenen Jahres ununterbrochen arbeitslos
(mindestens 52 Wochen)
4. Zum Zeitpunkt der Beratung/ Behandlung obdachlos, d.h. ohne
eigene Mietwohnung/ ohne Untermietverhältnis oder Wohnen bei
Angehörigen, Wohnen im Heim oder anderen Institutionen oder
weniger als drei Monate in der Wohnung eines Freundes oder
Bekannten
II. Behandlungsvorgeschichte
5. In der Vorgeschichte insgesamt mindestens sechs
Entgiftungsbehandlungen in einem psychiatrischen oder einem
Allgemeinkrankenhaus
6. Mindestens eine Krankenhauseinweisung mit richterlichem
Beschluss, aktuell oder in der Vorgeschichte
7. Unter gesetzlicher Betreuung (Vormundschaft, Pflegschaft),
aktuell oder in der Vorgeschichte
8. Heimunterbringung, aktuell oder in der Vorgeschichte
(Eingliederungshilfe, SGB XII §54)
III. Psychiatrisch-neurologische Befunde
9. Delir, jetzt oder in der Vorgeschichte
10. Korsakow-Psychose (oder andere chronische, organische,
alkoholbedingte Psychosen), jetzt oder in der Vorgeschichte
11. Polyneuropathie, jetzt oder in der Vorgeschichte
Die BML eignet sich nach Angaben von Hilge und Schulz weniger zur
individuellen Therapieplanung als vielmehr zur diagnostischen Abgrenzung,
also ob der Proband tatsächlich zur CMA-Gruppe gehört.

Theoretischer Hintergrund
3.1.3 Schädigungssymptomatik
Wie aus den Merkmalslisten zu ersehen ist, werden CMA vorwiegend
über die Auffälligkeiten in der sozialen Situation, den
Behandlungsvorerfahrungen sowie den psychischen und somatischen
Krankheitsbildern definiert. Eine Einordnung des Störungsbildes CMA nach ICF
ist nicht bekannt, obwohl diese eine differenziertere und für die
Behandlungsplanung praktikablere Zustandsbeschreibung zu sein scheint.
Nachfolgend werden die für CMA charakteristischen Schädigungen in
Anlehnung an die Merkmalsliste der Arbeitsgruppe CMA dargestellt. (vgl.
Arbeitsgruppe CMA 1999, S.10 sowie Leonhardt und Mühler 2006, S.124f)
3.1.3.1 Somatische Schädigungen
CMA sind aufgrund des Suchtmittelkonsums, der wenig
gesundheitsbewussten Lebensweise und einer meist unzureichenden
Anbindung an das medizinische Versorgungssystem einem erhöhten Risiko für
körperliche Erkrankungen ausgesetzt. Zu den bei CMA häufig anzutreffenden
somatischen Schädigungen gehören nach der Merkmalsliste der Arbeitsgruppe
CMA:
Leberzirrhose, Fettleber, chronische Hepatitis, Ösophagusvarizen, chronische
Gastritis, chronische Pankreatitis, Tuberkulose, Kardiomyopathie, Endokarditis,
Herzinsuffizienz, Nierenversagen, AIDS, Kleinhirnataxie, zerebrale Anfälle,
Polyneuropathie, chronische Abszesse, chronische Hauterkrankungen sowie
extrem schlechter Zahnstatus.
3.1.3.2 Psychische Schädigungen
Als CMA-typische psychische Krankheitsbilder gelten:
- Wernicke-Korsakow-Syndrom
- organisches Psychosyndrom
- Demenz
- Psychosen
- Persönlichkeitsstörungen
- Angststörungen
- depressive Syndrome

Theoretischer Hintergrund
3.1.3.3 Soziale Schädigungen
Als Einschränkungen in der sozialen Verankerung von CMA treten häufig
auf:
- Lebensunterhalt (überwiegend): Rente wegen Erwerbsunfähigkeit,
Sozialhilfe, unregelmäßige Einkünfte/ Prostitution/ illegale Einkünfte
- Wohnen: wohnungslos, institutionelles Wohnen, stark verwahrloste
Wohnsituation
- Sozialer Nahbereich: alleinstehend, ohne feste Partnerbeziehung, nur
suchtbezogene Kontakte
- Rechtliche Situation: längere Haftaufenthalte, mehrmalige
Verurteilungen
3.1.3.4 Auffälligkeiten im Vergleich mit anderen Abhängigkeitskranken
Im Vergleich mit anderen Abhängigkeitskranken weisen CMA
umfangreichere Anpassungs- und Bindungsschwierigkeiten auf, denn sie:
- stammen häufiger aus suchtbelasteten Familien
- sind im Durchschnitt älter
- sind häufig ledig geblieben
- haben seltener eine abgeschlossene Berufsausbildung
- sind seltener erwerbstätig
- sind länger abhängig
- konsumieren häufiger verschiedenartige Suchtmittel
- geraten häufiger in aggressive Auseinandersetzungen
- sind (aktuell und in der Vorgeschichte) stärker suizidgefährdet
- brechen Behandlungen häufiger ab
- haben eine 2-3 fach höhere Wahrscheinlichkeit für Rückfälle und
Wiederaufnahmen stationärer Behandlungen (Schwoon 2002, S. 94–
99)
3.1.4 Epidemiologie und Versorgungslage
Nach Steingass leben in Deutschland ca. 400.000 CMA (Steingass
2003). Die Versorgungssituation in Deutschland stellt sich aktuell so dar:
Bundesweit existieren 268 stationäre Einrichtungen der Sozialtherapie mit mehr

Theoretischer Hintergrund
als 10.700 Plätzen, 112 seilstationäre Einrichtungen der Sozialtherapie mit
mehr als 1.200 Plätzen sowie 460 Angebote des ambulanten betreuten
Wohnens mit mehr als 12.000 Plätzen. (Leune 2013, S. 184). Verglichen mit
dem Hilfebedarf, den CMA in aller Regel aufweisen, ist die Zahl der
Hilfsangebote sehr gering. Auch konzentrieren sich die Hilfestellungen auf
stationäre und ambulante Settings. So fordert die Gesundheitsberichterstattung
des Bundes bereits 2008 „...mehr wohn- und gemeindenahe tagesklinische und
andere teilstationäre Therapieangebote auch für Kranke mit gravierenden
psychischen, körperlichen oder sozialen Folgeschäden im Sinne der 'chronisch
mehrfach geschädigten' Alkoholkranken, für die häufig nur eine so genannte
Schadensminimierung (Harm-Reduction-Strategie, keine dauerhafte Abstinenz)
möglich ist." (Bloomfield et al. 2008, S. 23)
3.2 Die ambulante psychosoziale Betreuung
In diesem Kapitel wird eine Begriffsklärung vorgenommen und im
Anschluss daran die Verortung der Hilfestellung im Sozialgesetzbuch
dargestellt. Im weiteren Verlauf erfolgt die Erläuterung der Zielstellungen in der
Betreuung von Suchtkranken und speziell von CMA. Abschließend wird Bezug
genommen auf die Caritas Suchthilfe Heppenheim als Anbieter der ambulanten
psychosozialen Betreuung, indem die Konzeptelemente dieser Einrichtung
vorgestellt werden.
3.2.1 Begriffsklärung
Der Begriff „psychosoziale Betreuung“ ist im deutschen Sprachraum
nicht definiert und wird nicht einheitlich verwendet. Alternative Bezeichnungen
lauten psychosoziale Begleitung und psychosoziale Unterstützung. Seine
Bekanntheit resultiert aus dem Bereich der Substitution, aber auch in der Arbeit
mit psychisch Erkrankten und in medizinischen Kontexten wie z.B. den
Kliniksozialdiensten wird psychosoziale Betreuung häufig verwendet. Verbreitet
sind ebenfalls die Bezeichnungen Betreutes Wohnen oder (ambulant) Betreutes
Einzelwohnen (BEW). Die Begrifflichkeiten werden hier synonym verwendet.

Theoretischer Hintergrund
3.2.2 Rechtliche Grundlagen
Die in dieser Arbeit thematisierte Betreuung für CMA ist ein Angebot der
Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe (§§ 53-60 SGB XII). Diese wird
für behinderte Menschen nach § 2 Abs. 1 SGB IX gewährt: „Menschen sind
behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische
Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für
das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am
Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.“ Die Eingliederungshilfe hat die
Aufgabe, „eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder
deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in
die Gesellschaft einzugliedern“ (§ 53 Abs. 3 SGB XII).
Im engeren Sinn leistet diese Betreuung Hilfen zu selbstbestimmtem
Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in
Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX).
Die Finanzierung übernimmt der überörtliche Sozialhilfeträger, wenn der
Leistungserbringer einen Rahmenvertrag mit diesem abgeschlossen hat
(Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung auf der Grundlage des §
75 Abs. 3 SGB XII in Verbindung mit §§ 76 ff. SGB XII).
Als nachteilig ist in diesem Zusammenhang zu bewerten, dass zwar
weite Bereiche der Eingliederungshilfe einkommens- und vermögensneutral
sind, jedoch die vorliegende Betreuungsleistung nicht eingeschlossen ist. Der
Schutz des eigenen Vermögens kann einen Hinderungsgrund für die
Inanspruchnahme der Leistungen bedeuten, vor allem auch deshalb, weil die
Vorteile dieses Hilfsangebotes häufig erst in der Betreuungssituation
auftauchen, nachdem die anfangs ablehnende Einstellung überwunden ist.
3.2.3 Zielstellungen
Eine allgemeine Zielhierarchie für die Behandlung von Menschen mit
Alkoholabhängigkeit veröffentlichte Schwoon 1992 wie folgt:
- Sicherung des Überlebens

Theoretischer Hintergrund
- Sicherung des möglichst gesunden Überlebens und die
Verhinderung weiterer schwerer Folgeschäden
- Verhinderung weiterer sozialer Desintegration
- Ermöglichung längerer Abstinenzphasen und suchtmittelfreier
Perioden
- Akzeptanz der Abstinenz als gesündeste Lebensform
- autonome und zufriedene abstinente Lebensgestaltung und -
bewältigung
Die vorrangige Zielstellung in der Betreuung von CMA wird auch nach
Leonhardt und Mühler mit der Sicherung des Überlebens angegeben. Als
zentrale Hilfestellung der Betreuung und Behandlung wird die Soziotherapie 2
postuliert, welche „die Schaffung eines strukturierten, schützenden und
stabilisierende Wohn- und Lebensfeldes" ermöglichen soll. (Leonhardt und
Mühler 2006, S. 123)
Bereits 2004 beschrieb Steingass die Ziele der Soziotherapie von
CMA dahingehend, dass die vollständige Rehabilitation meistens nicht möglich
ist und „oft nicht einmal die Rückkehr in ein eigenverantwortliches Leben
außerhalb einer stationären Einrichtung ein realistisches Ziel ist." (Steingass
2004)
Dieser eher stationär orientierten Ausrichtung stehen die Empfehlungen
für eine gemeindenahe Versorgung entgegen, welche 1975 in der Psychiatrie-
Enquete ausgesprochen wurden. Rechtlich unterstützt wird diese Empfehlung
durch die Forderung des §13 SGB XII: "Vorrang haben ambulante Leistungen
vor teilstationären und stationären Leistungen". Auch die
Gesundheitsberichterstattung des Bundes empfiehlt, wie im Kapitel 3.1.4
erwähnt, die Ausweitung ganztägig ambulanter und tagesklinischer
Behandlungsangebote für CMA.
2 Definition Soziotherapie: Bezeichnung für alle Verfahren, mit denen die Krankheitsbewältigung
von Patienten mit psychischen Störungen durch gezielte Maßnahmen zur Gestaltung von Zeit
und Milieu sowie durch Veränderung des sozialen Kontexts gefördert werden soll.
(Pschyrembel 2007)

Theoretischer Hintergrund
3.2.4 Einrichtungsspezifische Konzeptelemente
Der erste der insgesamt drei Teile der Forschungsfrage richtet die
Aufmerksamkeit darauf, welche Konzeptelemente werden bei der Betreuung
eingesetzt werden. Mit dieser Frage soll die Wirksamkeit der Betreuung auf der
konzeptionellen Ebene beantwortet werden.
3.2.4.1 Konzeptionelle Veränderungen seit 2008
Mit Hilfe des ab 2008 geschaffenen Angebotes wurden mehr Klienten im
Rahmen der ambulanten psychosozialen Betreuung versorgt. Vor 2008 lag die
Zahl der Betreuten bei durchschnittlich 5 Klienten, im Herbst 2013 bestanden
ca. 45 Betreuungsverhältnisse.
Eine Hauptursache für den Anstieg der Betreuungen liegt in der verfügbaren
Personalkapazität. Vor 2008 wurden die Betreuungen parallel von Mitarbeitern
der Suchtberatung geleistet, danach wurden hingegen Mitarbeiter eigens für die
Betreuungsarbeit eingestellt. Die Beratung und Betreuung wurde damit auch
personell getrennt. Auf diese Weise können Betreuungstermine erheblich
flexibler vereinbart und gestaltet werden, während die Betreuung parallel zur
Beratungsarbeit durch ein hohes Maß an fixen Terminen gekennzeichnet war.
Die Mitarbeiter wurden anfangs mit Diensthandys, später mit internetfähigen
Smartphones ausgestattet, Dienstwagen wurden zur Verfügung gestellt und die
Supervision für das Betreuungsteam durch einen externen Supervisor
gewährleistet, um die Betreuung quantitativ und qualitativ gewährleisten zu
können.
Ein weiterer Grund für den Anstieg liegt in der Aufnahme von CMA. Vor 2008
wurden ausschließlich abstinenzmotivierte und abstinenzfähige Klienten
betreut, Betreuungen von CMA scheiterten entweder an den hohen
Aufnahmekriterien oder wurden durch wiederholte Konsumphasen schnell
beendet. Das neue Konzept legt den Schwerpunkt auf die Betreuung von CMA
und trägt deren Besonderheiten Rechnung durch:
- Aufgabe der Abstinenzzentrierung und der Implementierung einer
konsumakzeptierenden Haltung

Theoretischer Hintergrund
- Förderung der Konsumreduktion mit Hilfe von Verstärkern im Umfeld des
Klienten in Anlehnung an den CRA
- nachgehende Kontaktgestaltung (z.B. durch regelmäßige Telefonate,
Kurznachrichten (SMS) und Rückrufmöglichkeit)
- Erhöhung der Betreuungsumfänge (die Schwerpunkt der jährlichen
Fachleistungsstundenzahl hat sich von 99 – 120 Fachleistungsstunden
auf 120 – 147 h erhöht), welche dem erhöhten Unterstützungbedarf
gerecht werden.
Eine weitere Ursache für die umfangreichere Versorgung von CMA liegt in der
engeren Vernetzung mit akutmedizinischen Einrichtungen, dem kommunalen
Gesundheitsamt sowie weiteren potentiellen Zuweisern. Auf diese Weise
können CMA, die infolge schlechter Anbindung an das medizinische
Versorgungssystem seltener in Erscheinung treten, in einem höheren Maß
erreicht werden. Die Übernahme der für die Gewährung der Hilfe notwendigen
Antragsformalitäten (in Hessen: integrierter Behandlungs- und
Rehabilitationsplan (IBRP) in Verbindung mit einer fachärztlichen Begutachtung
dem Sozialhilfeantrag) durch die Mitarbeiter des Betreuungsteams entlastet
zudem die Zuweiser von zusätzlichem Arbeitsaufwand und bot gleichzeitig eine
hilfreiche Weiterbetreuung, der die Klienten weniger ablehnend gegenüber
standen im Vergleich zu stationären Soziotherapien oder Entwöhnungen.
Zusammenfassend bewirkte die Erhöhung der Personalkapazität, aber auch die
engere Vernetzung mit dem bestehenden Versorgungssystem und der
Anpassung der Betreuung an die Bedürfnisse der Klientel eine adäquatere und
umfassendere Versorgung von CMA im Kreis Bergstraße.
3.2.4.2 Konzeptionell verankerte Betreuungsprinzipien
Die Prinzipien, auf denen die Betreuung aufgebaut ist, werden in der
Konzeption des Betreuten Wohnens der Caritas Suchthilfe Heppenheim wie
folgt beschrieben:
- Die Maßnahme leistet stets Hilfe zur Selbsthilfe
- Sie stabilisiert und unterstützt die Weiterentwicklung vorhandener
Fähigkeiten und Fertigkeiten

Theoretischer Hintergrund
- Sie nutzt die Ressourcen des/der Betreuten zur
Problembewältigung
- Krisenbegleitung und –bearbeitung haben Vorrang
- Das Betreute Einzelwohnen hat eine Koordinationsfunktion, wenn
mehrere Dienste und/oder Einrichtungen Hilfeleistungen erbringen
- Das gesamte Betreute Einzelwohnen basiert auf dem Prinzip der
Freiwilligkeit
- Die durchführenden Fachkräfte arbeiten nach dem Ansatz des
Community Reinforcement Approach (CRA)
Besonders hervorgehoben sei hier die Koordinationsfunktion. Diese meint
insbesondere die Übernahme der Fallverantwortung sowie die Planung und
Anpassung von Hilfeleistungen, die dem Versorgungsbedarf des Klienten
entsprechen und kann im weiteren Sinne als Case Management betrachtet
werden.
3.2.4.3 Konzeptionell erfasste Maßnahmen und Inhalte
In Bezug auf die ambulanten Betreuungsinhalte für die Versorgung von
CMA konnten für das Land Hessen, aber auch bundesweit, keine Vorgaben
gefunden werden. Die einrichtungsspezifische Konzeption beschreibt die für die
Betreuung maßgeblichen Inhalte folgendermaßen:
- Unterstützung in allen lebenspraktischen Bereichen
- Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts
- Hilfen zum Erhalt der Wohnung
- Unterstützung im Umgang mit Behörden
- Hilfen bei beruflicher Orientierung / Tagesstruktur
- Anbindung an Freizeitgruppen und Selbsthilfegruppen
- Hinführung zur medizinischen Versorgung
- Hilfen bei der Teilhabe am öffentlichen Leben in der Gemeinde
- Ambulante Krisenbewältigung und –intervention
- Regelmäßige Kontakte bei stationärer Krisenintervention
- Hilfen zur Stabilisierung der psychischen Gesundheit
- Erarbeitung der Lebens-/Suchtgeschichte
- Hilfen im Umgang mit der Familie

Theoretischer Hintergrund
- Hilfen im Umgang mit Menschen, Unterstützung bei der
Weiterentwicklung von Konfliktfähigkeit, Gruppenfähigkeit und
Beziehungsfähigkeit
- Angehörigenarbeit
- Hilfen im Umgang mit der Erkrankung
Die Entscheidung über die Anwendung von Maßnahmen wird durch den
Betreuer bzw. das Betreuungsteam getragen und durch Team- oder
Fallbesprechungen sowie Supervision begleitet.
3.3 Der Community Reinforcement Approach (CRA)
Im folgenden Kapitel wird der Community Reinforcement Approach
(CRA) vorgestellt. Dazu werden die dem Ansatz zugrunde liegende Haltung und
die methodischen Elemente skizziert. Im weiteren Verlauf wird auf die
Evidenzbasierung eingegangen und die besondere Eignung für die Arbeit mit
CMA beschrieben.
3.3.1 Konzept und Philosophie
Der CRA ist ein Anfang der 70er Jahren in den USA entstandener
Behandlungsansatz. Maßgeblich an dessen Entwicklung sind Robert J. Meyers
und Jane Ellen Smith beteiligt, welche ihn wie folgt beschreiben:
„Der Community Reinforcement Approach (CRA) ist ein umfassendes
verhaltenstherapeutisches Konzept zur Behandlung von substanzbezogenen
Problemen. Es basiert auf der Grundannahme, dass Verstärker aus dem
sozialen Umfeld erheblichen Einfluss darauf nehmen können, ob ein Mensch
einen Konsum von Alkohol oder Drogen fortsetzt oder einstellt. Diesem Ansatz
folgend zielt das Konzept darauf ab, Verstärker aus dem sozialen, familiären,
beruflichen Umfeld und aus dem Freizeitbereich so in den Behandlungsprozess
zu integrieren, dass hierdurch eine Motivation zur Abstinenz bzw. zur
Aufrechterhaltung der Abstinenz erzeugt oder gefördert wird. Ziel der
Behandlung ist es, einen abstinenten Lebensstil attraktiver zu machen als den
Konsum von Rauschmitteln." (Meyers und Smith 2011, S. 16)

Theoretischer Hintergrund
Der CRA setzt nicht auf Einsicht als zentrale Motivation, sondern auf
positive Verstärkung. Er geht davon aus, dass der Verzicht auf ein Suchtmittel
einen entsprechenden Gegenwert benötigt, um attraktiv zu werden und bietet
dieser Haltung folgend keinen Verzicht als Aussicht, sondern einen Gewinn. So
sieht Reker im CRA nicht nur die methodische Komponente:
„CRA ist mehr als ein Paket therapeutischer Interventionen; es ist eine
Philosophie, die das Subjekt des Suchtpatienten wieder in den Mittelpunkt der
Behandlung rückt." (Meyers und Smith 2011, S. 226)
3.3.2 Evidenzbasierung
Nach Meyers wird der CRA seit 1973 in der Literatur als effektive
Behandlungsform von Alkoholabhängigkeit zitiert. Der CRA wurde seitdem aber
auch in der Behandlung von Opiat-, Kokain- und Cannabisabhängigkeit
erfolgreich eingesetzt. Selbst bei nicht stoffgebundenen Problemlagen wie
Obdachlosigkeit oder davon gelaufenen Jugendlichen hat sich der CRA als
hilfreich erwiesen. (Meyers und Smith 2011, S. 9)
Der CRA ist aufgrund seiner verhaltenstherapeutischen Konzeption
evidenzbasiert, was in verschiedenen Studien belegt wurde. Im Folgenden
werden die wichtigsten Studien in Bezug auf Alkoholabhängigkeit dargestellt,
um die Wirksamkeit des Ansatzes zu unterstreichen:
Eine erste Untersuchung zur Effektivität wurde von Hunt & Azrin 1973
veröffentlicht, in welcher 16 alkoholabhängige Patienten während einer
stationären Behandlung nach einem Standardprogramm behandelt wurden. Die
Hälfte der Patienten erhielt zusätzlich eine CRA-Behandlung. Nach sechs
Monaten wurde in einem Follow-Up ein signifikant besseres Ergebnis bei den
Patienten mit CRA-Behandlung erreicht (Trinktage: 14% vs. 79%, Tage in
institutionalisierter Umgebung: 2% vs. 27%, Tage ohne feste Arbeit: 5% vs.
62%, Tage ohne familiären Kontakt: 16% vs. 36%). Die Untersuchung war eine
der ersten Studien für die Behandlung von Alkoholabhängigkeit mit einer
Kontrollgruppe. (Hunt und Azrin 1973 zitiert nach: Meyers und Smith 2011,
S.26)

Theoretischer Hintergrund
In einer Folgestudie von Azrin 1976 mit 18 Patienten, welche vom
Forschungsdesign der Studie von Hunt und Azrin 1973 glich, wurde die
eingesetzte CRA-Behandlung um vier neue Interventionen erweitert, u.a. um
die Behandlung mit Disulfiram (Antabus ® ). Die signifikanten besseren
Ergebnisse der ersten Untersuchung unter Einbeziehung von CRA wurden in
einem Follow-Up nach sechs Monaten auch in dieser zweiten Untersuchung
bestätigt (Trinktage: 2% vs. 55%, Tage in institutionalisierter Umgebung: 0% vs.
45%, Tage ohne feste Arbeit: 20% vs. 56%, Tage ohne familiären Kontakt: 7%
vs. 67%). (Azrin 1976 zitiert nach: Meyers und Smith 2011, S.26-27)
Eine dritte Studie wurde von Azrin et al. 1982 veröffentlicht und bezog
sich auf 43 ambulant behandelte Patienten und den Einsatz von Disulfiram.
Eingeteilt in drei Gruppen bekam die erste eine strukturierte Basisberatung
(Aufklärung über Disulfiram, Psychoedukation), die zweite zusätzlich ein
Programm zur Festigung der Einnahme-Compliance und die dritte Gruppe
weiterhin ein CRA-Behandlungsprogramm von maximal fünf Therapiesitzungen,
u.a. mit Ablehnungstraining und Entspannungstechniken. Als Ergebnis zeigte
sich in der ersten Gruppe ein deutlicher Abfall der Disulfirameinnahme und
Abstinenzrate, welcher in der zweiten Gruppe weniger stark ausgeprägt war.
Die dritte Gruppe zeigte nach sechs Monaten keine signifikanten Änderungen
hinsichtlich Disulfirameinnahme bei stabiler Abstinenzrate. Als bemerkenswert
wird die Effektivität bei wenigen CRA-Einheiten hervorgehoben. Die
Untersuchung war die erste ihrer Art in einem ambulanten Setting. (Azrin 1982
zitiert nach: Meyers und Smith 2011, S.27-28)
Smith et al. veröffentlichten 1998 eine weitere Effektivitätsstudie zu CRA
in Bezug auf obdachlose Klienten. Nach einer dreimonatigen CRA-Behandlung
im Gruppensetting mit Skillstraining, gesellschaftlichen Veranstaltungen ohne
Alkoholkonsum und Privilegien in der Wohnsituation bei Alkoholabstinenz und
Arbeitsaufnahme konnte im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne CRA-
Behandlung eine signifikante Verbesserung im Verlauf der Abhängigkeit
nachgewiesen werden, während sich unabhängig davon beide Gruppen in
Wohnsituation und Berufstätigkeit verbesserten. (Smith et al. 1998 zitiert nach:
Meyers und Smith 2011, S. 28-29)

Theoretischer Hintergrund
Lange et al. vergleichen in einer Metaanalyse im Jahr 2008 die
Wirksamkeit des CRA mit anderen Behandlungsprogrammen. Als Faktoren für
die Wirksamkeit werden Konsummengen und Trinktage, Tage in stationärer
Behandlung, Tage ohne familiären Kontakt, Tage ohne Arbeit herangezogen.
Es stellt sich heraus, dass der CRA in seiner Wirksamkeit vorwiegend gute
Referenzen in einem Betrachtungszeitraum von 6 Monaten aufweist. Die
wenigen Studien über 1 – 2 Jahre lieferten keine einheitliche Tendenz, was die
besseren Ergebnisse des CRA im Vergleich zu anderen
Behandlungsprogrammen im mittel- und langfristigen Vergleich relativieren
kann. Die Analyse kommt dennoch zu dem Ergebnis, dass CRA eines der
wirksamsten und kostengünstigsten Programme ist, welche zum
Erhebungszeitpunkt existieren. Einen effektiven Einsatz sehen die Verfasser
besonders im intensiven ambulanten Bereich. (Lange et al. 2008, S. 21–22)
3.3.3 Die Behandlungsmodule
Die im Folgenden beschriebenen wesentlichen Behandlungsmodule des
CRA bilden das methodische Rückgrat des Ansatzes und sollen die
Arbeitsweise des CRA verdeutlichen. Die Module werden nicht vollständig,
sondern bedarfsorientiert angewandt. Die Beschreibung orientiert sich am CRA
Manual zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit (Meyers und Smith 2011, S.
19 – 23).
3.3.3.1 Anamnese und Verhaltensanalyse
Die Anamnese dient im CRA der Identifikation und Verstärkung von
Änderungsmotivation, der Erfassung von grundlegenden suchtspezifischen
Informationen und der Durchführung von Verhaltensanalysen (Meyers und
Smith 2011, S. 38).
CRA-Verhaltensanalysen erfassen die Auslöser und Konsequenzen von
Konsumverhalten und werden genutzt, um Risikosituationen zu identifizieren
und alternative Verhaltensweisen zu erarbeiten. Auch hier werden kurzfristig
positive und langfristig negative Konsequenzen des Substanzkonsums
herausgearbeitet.

Theoretischer Hintergrund
Im Unterschied zu den klassischen Verhaltensanalysen werden beim
CRA zusätzlich Verhaltensanalysen zu als positiv empfundenen, nicht mit
Substanzkonsum in Verbindung stehenden Aktivitäten und Verhaltensweisen
durchgeführt. Auf diese Weise können Strategien zur Förderung dieser
Verhaltensweisen implementiert werden und mit Hilfe von
Problemlösetechniken Hindernisse angegangen werden.
3.3.3.2 Abstinenzkonto
Der überwiegende Teil der Klienten kann schwer akzeptieren, ein Leben
ohne Alkohol und Drogen zu leben. Auch wenn die Abstinenz häufig die beste
Option wäre, wirkt die vorübergehende Erprobung derselben als weniger
bedrohlich. Von therapeutischer Seite her werden die Vorzüge der
Abstinenzphase fokussiert und bei Zustimmung durch den Klient ein 90-
tägigerZeitraum vorgeschlagen, welcher zusammen mit diesem auf einen
annehmbaren Zeitraum verhandelt wird. Daran anschließend erarbeiten
Therapeut und Klient einen Plan, um eine durchgehende Abstinenz für diesen
Zeitraum zu erreichen. Falls die dafür notwendigen Fähigkeiten (Skills) nicht
ausreichen, kann der Therapeut aus der Verhaltensanalyse Auslöser
identifizieren und vorübergehende Verhaltensweisen erarbeiten, die mit diesen
konkurrieren.
3.3.3.3 Einsatz von Disulfiram
Es kommt häufig vor, dass Disulfiram (Antabus ® ) einen positiven Einfluss
auf den abstinenzorientierten Behandlungsprozess hat. Die unangenehmen
Symptome in Verbindung mit Alkohol wirken abschreckend gegenüber
Trinkimpulsen. Auch bei der Einführung dieser Methode legt der Therapeut den
Fokus auf die Vorteile der Behandlung. Von besonderer Wichtigkeit ist die
Vermittlung einer konstruktiven Haltung gegenüber Disulfiram: die Einnahme
soll weniger als Kontrolle verstanden werden, sondern als Unterstützung auf
dem Weg zur Abstinenz.
Entscheidet sich der Klient für eine solche Behandlung, wird die
Bedeutung eines unterstützend wirkenden Familienangehörigen, Partner oder
Elternteil herausgearbeitet. Diese als Antabus-Coach bezeichnete Person hat
die Aufgabe, die tägliche Disulfiram-Einnahme zu kontrollieren und durch ein

Theoretischer Hintergrund
tägliches Einnahme-Ritual, welches von Klient und Coach gemeinsames
entwickelt wurde, positiv zu verstärken.
3.3.3.4 Behandlungsplan
Der Behandlungsplan wird mit Hilfe von zwei Erhebungsinstrumenten
entwickelt. Die Zufriedenheitsskala ermöglicht eine Übersicht über die Schwere
von Problemlagen in verschiedenen Lebensbereichen des Klienten. Dieser
schätzt dazu seine aktuelle Zufriedenheit auf einer 10-teiligen Likert-Skala ein.
Die Zufriedenheitsskala besteht aus 10 Items zu den Lebensbereichen
Trinken/Abstinenz, Arbeit/Ausbildung, Umgang mit Geld, soziale Kontakte,
persönliche Gewohnheiten, familiäre Beziehungen, juristische Angelegenheiten,
Gefühlsleben, Kommunikation und allgemeine Zufriedenheit.
Das Arbeitsblatt Behandlungsziele ist die zweite Basis des
Behandlungsplans. Dieses enthält die gleichen Items wie die
Zufriedenheitsskala. Mit Unterstützung des Therapeuten erarbeitet der Klient
hierbei Zielstellungen und deren Umsetzung in den verschiedenen
Lebensbereichen. Der Therapeut achtet dabei auf verhaltenstherapeutische
Richtlinien und verfolgt das übergeordnete Ziel, in nicht konsumassoziierten
Lebensbereichen die Zufriedenheit zu erhöhen. Formuliert werden die Ziele
kurz, positiv und spezifisch (und damit messbar). Bei der sich daran
anschließenden Erarbeitung von Strategien zur Zielerreichung werden oft
Defizite in den Fähigkeiten sichtbar. Die Notwendigkeit, bestimmte Fähigkeiten
zu vermitteln, wird auf dem Arbeitsblatt erfasst. Ebenfalls vermerkt werden für
jedes Ziel und jede Intervention Zeitvorgaben, innerhalb derer die Intervention
durchgeführt bzw. das Ziel erreicht werden soll.
3.3.3.5 Verhaltenstherapeutisches Skills-Training
Der CRA legt den Schwerpunkt auf die Vermittlung sogenannter Skills
(Fähigkeiten), wozu vor allem das Kommunikationstraining, das
Problemlösetraining sowie das Ablehnungstraining gehören.
Das Kommunikationstraining nimmt drei Komponenten einer
idealtypischen Konversation in den Blick: das Äußern von Verständnis, die
teilweise Verantwortungsübernahme für ein Problem sowie das Abgeben eines

Theoretischer Hintergrund
Hilfsangebotes. Der Klient erarbeitet mit dem Therapeut konkrete Situationen
und übt diese im Rollenspiel.
Im Problemlösetraining werden eine exakte Problemdefinition
vorgenommen und anschließend durch Brainstorming viele Lösungen
entwickelt. Der Klient wählt die für sich realisierbare Lösung, erarbeitet die
praktische Umsetzung und antizipiert mögliche Hindernisse. Nach Zustimmung
probiert dieser die Lösung eine Woche lang aus und bespricht den Erfolg der
Intervention mit dem Therapeut. Auf diese Weise können kleinschrittig
spezifische Probleme gelöst werden, wie das Entstehen von Suchtdruck oder
der Aufbau von neuen Beziehungen ohne Konsumbezug.
Das Ablehnungstraining vermittelt Strategien zu verbesserter
Durchsetzungsfähigkeit und übt diese im Rollenspiel ein.
3.3.3.6 Arbeitsberatung
Da eine befriedigende Arbeit verschiedene positive Verstärker beinhaltet,
vermittelt dieses Modul verschiedene Skills, die der Arbeitsaufnahme und deren
Erhalt, aber auch der Verbesserung der Zufriedenheit mit der beruflichen
Situation dienen. Überwiegend werden Techniken des Problemlösens
eingesetzt.
3.3.3.7 Beratung im sozialen und Freizeitbereich
Viele Klienten pflegen Freundschaften oder Freizeitaktivitäten, bei
welchen der Substanzkonsum das verbindende Element ist. Durch Änderungen
oder Aufgabe des Konsumverhaltens entstehender sozialer Druck kann ein
starker Auslöser für einen Rückfall sein. Die Erarbeitung mit dem
Konsumverhalten konkurrierender, nicht konsumassoziierter sozialer Aktivitäten
hat daher einen hohen Stellenwert im CRA. Strategien des Problemlösens
bilden auch hier die Grundlage.
3.3.3.8 Paartherapie
Trotz oder gerade wegen der Abstinenz kommt es in den
Partnerschaften von Klienten zu interpersonellen Schwierigkeiten. Der CRA-
Therapeut bezieht zu deren Bewältigung den Partner des Klienten mit in die
Behandlung ein, um partnerschaftliche Probleme besprechen und die

Theoretischer Hintergrund
Unterstützung des Partners für den Klienten gewinnen zu können. Die
paartherapeutischen Gespräche beinhalten die Arbeit mit einer abgewandelten
Version der Zufriedenheitsskala und dem Arbeitsblatt Veränderungswünsche in
der Partnerschaft. Auf diese Weise bekommt der Therapeut Informationen über
partnerschaftliche Problemfelder, mögliche Ziele und Strategien zu deren
Erreichen. Das Paar bekommt während der Behandlung grundlegende
Kommunikationsfähigkeiten vermittelt und lernt mit Hilfe des Merkblattes
Liebevoller Umgang in der Partnerschaft den zugewandteren Umgang
miteinander.
3.3.3.9 Rückfallprävention
Die Rückfallbehandlung beginnt mit der Verhaltensanalyse des
Konsumverhaltens bereits in einem frühen Stadium der CRA-Behandlung. In
diesem Zusammenhang werden Auslöser für den Konsum identifiziert. Die
Lebensgefährten des Patienten werden im Zusammenhang mit
Frühwarnzeichen ebenfalls in die Behandlung mit einbezogen. Zudem werden
Handlungsstrategien entwickelt für den Umgang mit Auslösern sowie für den
Fall des Auftauchens von Frühwarnzeichen. Bei Rückfällen kommt die
Rückfallversion der CRA-Verhaltensanalyse zum Einsatz.
3.3.4 Die besondere Eignung für CMA
Der CRA geht davon aus, dass der Verzicht auf ein Suchtmittel einen
lohnenden Gegenwert benötigt. Dieser Gegenwert soll durch das Erreichen
lohnenswerter Ziele im Umfeld des Klienten geschaffen werden. Häufig konnten
diese Ziele bisher von allein nicht erreicht werden, da die für deren Erreichung
erforderlichen Kompetenzen gefehlt haben.
Die CMA wiederum befinden sich häufig in einer desolaten
Lebenssituation, in welcher der Verzicht auf den Suchtmittelkonsum keinen
lohnenswerten Sinn ergibt, sondern die nüchterne Betrachtung der Situation
eher konsumfördernd wirkt. Selbst wenn in einer nüchternen Situation durch
kognitive Dissonanz eine Änderungsmotivation entsteht, wird diese aufgrund
der eingeschränkten Ressourcen und fehlenden Anreize schwer aufrecht zu
erhalten sein.

Theoretischer Hintergrund
Die Kompatibilität besteht damit vor allem in den Dimensionen Motivation
und Ressourcen. Der CRA kombiniert die Motivationsförderung mit der
Bereitstellung von Ressourcen, was entscheidend bei der Arbeit mit CMA ist:
das eine geht nicht ohne das andere. Eine starke Motivation kann
Fähigkeitsdefizite nicht ausgleichen, ebenso wie gute Fähigkeiten wenig
bringen, wenn kein erstrebenswertes Ziel vorhanden ist. CMA können so
gesehen davon profitieren, dass der CRA lohnenswerte und erreichbare Ziele
identifiziert und gleichzeitig die dafür benötigten Fähigkeiten konsequent fördert.

Untersuchungsaufbau und –durchführung
4 Untersuchungsaufbau und –durchführung
Im folgenden Kapitel wird das Forschungsdesign dieser Thesis
vorgestellt. Die Operationalisierung der Forschungsfrage bildet den ersten Teil
des Kapitels. Ihr folgt die Auswahl einer geeigneten Erhebungsmethode und die
Beschreibung deren Anwendung. Die Aufbereitung der Daten und die
Vorstellung der Auswertungsmethode schließen dieses Kapitel ab.
4.1 Operationalisierung der Fragestellung
4.1.1 Die praktizierte Betreuung als Forschungsfeld
Das dieser Untersuchung zugrunde liegende Forschungsinteresse
besteht darin, die Wirkungsweise der praktizierten ambulanten psychosozialen
Betreuung besser verstehen zu können. Dabei interessieren die spezifischen
Anteile der Betreuung, also welche strukturellen, inhaltlichen und
personenbezogenen Elemente in Erscheinung treten und die Wirksamkeit
ausmachen. Diese Anteile werden in der Fachliteratur auch als Wirkfaktoren
bezeichnet.
4.1.2 Die Wirkfaktoren als zu ermittelnde Größe
Wirkfaktoren sind ein theoretisches Konstrukt. Sie werden eingesetzt, um
komplexe Systeme wie die Betreuung in wirksame Bestandteile zerlegen und
systematisieren zu können. Nach Pfammatter und Tschacher ist die
Definitionslage diffus. Wirkfaktoren werden „zur Beschreibung von
Therapievariablen verwendet, die im Rückblick für die therapeutische Wirkung
verantwortlich gemacht werden." (Pfammatter und Tschacher 2012, S. 72)
Im Bereich der Psychotherapieforschung wurde diese Systematisierung
angewandt. In einer groß angelegten Studie untersuchte Grawe die
Wirksamkeit von psychotherapeutischen Methoden (Grawe et al. 1994) und
formulierte davon ausgehend vier Heuristiken, welche als grundlegende
psychotherapeutische Wirkfaktoren gelten: Ressourcenaktivierung,
Problemaktualisierung, motivationale Klärung und Problembewältigung. (Grawe
1995)

Untersuchungsaufbau und –durchführung
Steingass greift für die Behandlung von CMA diese vier
psychotherapeutischen Wirkfaktoren auf und ergänzt sie um einen fünften
Faktor: Akzeptanz von Schwächen, Defiziten, Einschränkungen,
Unzulänglichkeiten und Stagnation. (Steingass 2003, S. 16) Streng betrachtet
gehört dieser fünfte Wirkfaktor zur Heuristik Problemaktualisierung.
Aufgrund ihres theoretischen Charakters können Wirkfaktoren nicht
direkt ermittelt werden. Vielmehr ist eine Untersuchung der Betreuung
erforderlich, um Rückschlüsse auf Wirkfaktoren zu ermöglichen.
4.1.3 Die Auswahl der Informationsquelle
Im Wesentlichen kann die Betreuung auf drei Wegen analysiert werden:
- Durch Auskünfte von den Betreuern
- Durch Auskünfte von den Betreuten
- Durch Beobachtung und Recherche
In der Betreuungspraxis haben die betreuenden Fachkräfte häufig eine
Vorstellung und Haltung zur Wirkungsweise ihrer Arbeit entwickelt, die recht gut
bekannt ist. Der Einsatz eines Beobachters würde eher formale Aspekte der
Betreuung registrieren, jedoch weniger Auskünfte zu emotionalem und
kognitivem Erleben beitragen. Die Recherche greift ebenfalls formale Aspekte
auf, aufgrund ihrer Eignung zur Beschreibung von Rahmenbedingungen wurde
sie unter Kapitel 3.2.4 eingebracht. Eine systematische Befragung von Klienten
zu diesem Thema ist bisher nicht erfolgt. Aus diesem Grund soll das Interesse
dieser Arbeit darin bestehen, die Betreuten zu Wort kommen zu lassen. Diese
Erhebung wird keinen objektiven Blick auf die Wirkprinzipien und die
Wirksamkeit erzielen. Sie wird beschreiben, was aus Sicht der Betreuten zum
Zeitpunkt der Befragung an der Betreuung wichtig erschien.
4.2 Auswahl der Erhebungsmethode
Aufgrund der vergleichsweise wenigen wissenschaftlichen Erkenntnisse
zur Fragestellung dieser Masterthesis wird sich die vorgenommene Erhebung
auf die Exploration des Forschungsfeldes konzentrieren. Auf diese Weise

Untersuchungsaufbau und –durchführung
werden ein grundlegendes Verständnis generiert und davon ausgehend
Hypothesen entwickelt.
Für die Beantwortung der Fragestellungen dieser Masterarbeit kommen
Erhebungsverfahren und Methoden der empirischen Sozialforschung zum
Einsatz. Zur Annäherung an den Untersuchungsgegenstand sind qualitative
Methoden geeignet:
„Qualitative Forschung hat den Anspruch, Lebenswelten 'von innen
heraus' aus der Sicht des handelnden Menschen zu beschreiben. Damit will sie
zu einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit(en) beitragen und auf
Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmale aufmerksam machen." (Flick
2012, S. 14)
Als Erhebungsverfahren für diese Art der Fragestellung bietet sich das
problemzentrierte Interview nach Witzel an. Unter diesem Begriff werden alle
Formen der offenen, halbstrukturierten Befragung zusammengefasst. Der
Befragte soll frei zu Wort kommen können, um einem offenen Gespräch nahe
zu kommen. Der Fokus liegt auf einer zentralen Problemstellung, auf die der
Interviewer immer wieder Bezug nimmt. (Mayring 2002, S. 67)
Witzel empfiehlt weiterhin den Einsatz eines Interviewleitfadens, welcher
dazu dienen soll, die anvisierten Inhalte vollständig zu erfassen und sich immer
wieder auf die Fragestellung zu beziehen. (Flick 2011, S. 210)
4.3 Entwicklung von Leitfragen
Für die Erhebung werden mehrere Fragestellungen formuliert, welche
dazu dienen sollen, die Informationen zum Untersuchungsgegenstand
möglichst vollständig zu erfassen. Die allgemein gehaltenen Fragen dienen
dabei zur systematischen Befragung, nicht als Formulierungshilfen. Sie sollen
die in den Forschungsfragen erhobenen Betreuungselemente und die Person
des Betreuers thematisieren:
- Welche Behandlungserfahrungen wurden bisher gemacht?
- Wird die Betreuung als hilfreich erlebt?
- In welchen Lebensbereichen traten Verbesserungen auf?

Untersuchungsaufbau und –durchführung
- Wodurch treten Verbesserungen ein?
- Welche Bedeutung hat die Person des Betreuers?
- Wie wird das Verhältnis zum Betreuer beschrieben?
- Was würde fehlen, wenn die Betreuung enden würde?
4.4 Auswahl der Interviewpartner
In der vorliegenden Untersuchung wurden sechs Probanden interviewt.
Alle Teilnehmer besitzen eine Einstufung als CMA und aktive Nutzer der
ambulanten psychosozialen Betreuung. Dem Interviewer sind drei der
Interviewpartner flüchtig bekannt über die Suchtberatungsstelle, mit einem
Interviewpartner bestand ein Beratungsverhältnis zwecks Beantragung einer
stationären Entwöhnungsbehandlung.
Die Auswahl wurde danach getroffen, welche Teilnehmer nach
Einschätzung der Betreuer in besonderem Maß von der Hilfestellung profitiert
haben, um Betreuungseffekte deutlicher erkennen zu können. Gleichzeitig
sollten die Befragten über eine gewisse Introspektionsfähigkeit und
vergleichsweise gute verbale Ausdrucksfähigkeit verfügen. Die Auswahl ist
daher nicht repräsentativ. Das Ziel dieser Auswahl war, möglichst klare und
aussagekräftige Informationen ermitteln zu können, um die qualitative Analyse
zu erleichtern. Eine Modifikation der Stichprobengröße und –auswahl bis zur
theoretischen Sättigung ist aufgrund des begrenzten Umfangs der Masterthesis
nicht möglich, jedoch ist zu erwarten, dass charakteristische Wirkprinzipien der
Betreuung genannt werden.
Als kritisch bei der Stichprobenauswahl kann bewertet werden, dass die
Betreuer in einem kollegialen Verhältnis zum Interviewer stehen. So ist zu
erwarten, dass die Befragten sozial erwünschte Antworten geben. In Bezug auf
das Anliegen dieser Befragung stellt dieser Umstand nach Einschätzung des
Verfassers keine grundlegende Einschränkung dar: die Untersuchung fokussiert
die positiven Effekte der Betreuung, negative Aspekte liegen nicht im Zentrum
der Aufmerksamkeit und werden auch nicht abgefragt, so dass die Interviewten
nicht in einen inneren Konflikt kommen sollten.

Untersuchungsaufbau und –durchführung
4.5 Durchführung der Interviews
Zur besseren Planbarkeit wurden mit allen Interviewpartnern Termine
vereinbart. Dazu wurde das Anliegen des Interviews kurz vorgestellt, die
grundsätzliche Bereitschaft abgeklärt und weiterhin die Räumlichkeit und der
Zeitpunkt für die Befragung festgelegt.
Bei der Auswahl der Räumlichkeiten für die Durchführung der Interviews
wurde davon ausgegangen, dass diese einen für die vorliegende Untersuchung
vernachlässigbaren Einfluss auf die gegeben Aussagen haben, wenn die
Vertraulichkeit der Gesprächsatmosphäre gewährleistet ist. Folglich wurden drei
Interviewpartner in einem Beratungszimmer der Suchtberatungsstelle befragt,
zwei wurden aufgrund der größeren Entfernung vom Wohnort zur
Beratungsstelle in ihrer Wohnung interviewt und ein Gespräch erfolgte in der
zur Verfügung gestellten Wohnung eines Bekannten des Interviewpartners. Die
Gespräche wurden separat im face-to-face-Kontakt durchgeführt.
Zum Beginn des Gesprächs erfolgten eine Vorstellung des Interviewers
und eine kurze Erklärung von Hintergrund und Zweck der Befragung. Daran
anschließend wurde die im Anhang 9.1 vorliegende Einverständniserklärung zur
Durchführung des Interviews erläutert, durch den Interviewpartner
unterschrieben und diesem eine Kopie ausgehändigt.
Die Aufzeichnung der Befragungen wurde mit einem digitalen
Diktiergerät durchgeführt, welches den Interviewpartnern zum Abbau von
Unsicherheiten jeweils am Anfang des Gespräches kurz erklärt wurde.
Für die Interviews wurde ein Interviewleitfaden eingesetzt, der aber nur
als grobe Orientierungshilfe verwendet wurde, so dass das Interview
unstrukturiert erfolgte. Auf diese Weise konnten die Interviewpartner frei
erzählen und individuelle Akzentuierungen setzen.
Die Dauer der Interviews lag zwischen 25 und 34 Minuten.
Im Anschluss an das Gespräch wurden die Interviewten noch einmal zu
ihrem Einverständnis hinsichtlich der Freigabe des vollständigen Interviews zur

Untersuchungsaufbau und –durchführung
wissenschaftlichen Verwendung gefragt. Dieses wiederholte Einverständnis
wurde in jedem Fall gegeben.
4.6 Datenaufbereitung
Zur weiteren Verarbeitung und Auswertung wurden die mit einem
digitalen Diktiergerät aufgezeichneten Interviews wörtlich transkribiert. Um die
Anonymität zu gewährleisten, wurden die Befragten mit Buchstaben von A-F
anonymisiert, die Mitarbeiter in der Reihenfolge des Auftretens mit M1 – M4,
weitere Personen ebenfalls mit Buchstaben und drei darauf folgenden Punkten
(AY, BY usw.). Orte, Gegenden und Einrichtungen des Versorgungssystems
und wurden in eckige Klammern gesetzt und durch allgemeine Bezeichnungen
ersetzt (Stadt, Gegend, Klinik usw.). In der Textfassung wurden Dialekte in
deutscher Schriftsprache wiedergegeben, Pausen wurden entsprechend ihrer
Länge mit Punkten (.. - Y.) abgebildet. Satzbaufehler wurden beibehalten. Die
Aussagen wurden fortlaufend nummeriert und mit den Buchstaben I (für
Interviewer) und mit A-F (für Befragte) versehen. Die Transkripte wurden
durchgängig vom Verfasser dieser Arbeit angefertigt und sind im Anhang 9.2
beigefügt.
4.7 Datenauswertung anhand der qualitativen Inhaltsanalyse
Als Methode für die Auswertung der Interviews hinsichtlich der
Fragestellung dieser Forschungsarbeit wird die qualitative Inhaltsanalyse nach
Mayring verwendet (vgl. Mayring 2007).
Die qualitative Inhaltsanalyse hat im Vergleich zu Häufigkeits-,
Kontingenz- und Valenzanalysen den Vorteil, dass das Material in den
Kommunikationszusammenhang eingebettet wird. Die Interpretation von
Textstellen erfolgt so innerhalb ihres Kontextes und wird zusätzlich auf ihre
Entstehung und Wirkung hin analysiert. Die qualitative Inhaltsanalyse zeichnet
sich weiterhin durch ihr systematisches, regelgeleitetes Vorgehen aus, was
bedeutet, dass durch vorab festgelegte Regeln die Analyseschritte und
Entscheidungen im Auswertungsprozess nachvollziehbar sind. Ein drittes
Auszeichnungskriterium der qualitativen Inhaltsanalyse ist die Verwendung

Untersuchungsaufbau und –durchführung
eines Kategoriensystems, welches die Ziele der Analyse in Kategorien
zusammen fasst und die Analyse so für andere nachvollziehbarer macht.
(Mayring 2007, S. 42 f)

Untersuchungsergebnisse
5 Untersuchungsergebnisse
In diesem Kapitel wird die Auswertung der ermittelten Informationen
beschrieben und durchgeführt. Im weiteren Verlauf wird die qualitative
Inhaltsanalyse nach Mayring als Auswertungsinstrument vorgestellt und daran
anschließend die darin beinhaltete Kategoriendefinition ausgeführt. Dem
schließt sich die Interpretation der Interviews und die Darstellung der gewonnen
Erkenntnisse an.
5.1 Auswertung der Interviews
Im folgenden Kapitel wird eine kurze soziodemografische Übersicht zu
den Interviewten gegeben. Im weiteren Verlauf werden die Interviews
hinsichtlich der unter Kapitel 5.1.2.4 entwickelten Kategorien analysiert. Der
Einfachheit halber wurden Zitate der Befragten kursiv dargestellt.
5.1.1 Soziodemografische Daten
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die soziodemografischen
Daten der Befragten. Sie dient zur Veranschaulichung der Stichprobe und wird
zur Auswertung der Interviews herangezogen. Die Inhalte wurden dabei einem
vor dem Interview ausgefüllten Fragebogen entnommen, der genaue
Betreuungsbeginn wurde mit den einrichtungsinternen Daten abgeglichen:
Tabelle 1: Soziodemografische Daten
Klient
Alter
Geschlecht
Familienstand
Anzahl
Kinder
Erlernter Beruf
Beginn
Betreuung
rechtl.
Betreuer
A 61 m geschieden 1 Sozialpädagoge 08 / 2009 ja
B 52 m geschieden 0 Industriekaufmann 02 / 2013 ja
C 52 m ledig 1
D 67 m geschieden 2
Fremdsprachenkorrespondent
Facharzt für
Allgemeinmedizin
06 / 2012 nein
09 / 2008 ja
E 53 m ledig 0 Metzger 03 / 2012 nein
F 59 m verwitwet 0 Bäcker 04 / 2009 nein

Untersuchungsergebnisse
Die Stichprobe weist eine vergleichsweise homogene Altersstruktur auf
(52-67 Jahre), ein großer Teil der Betreuten befindet sich jedoch in diesem
Alter. Die Stichprobe besteht ausschließlich aus männlichen Klienten. Es
wurden keine weiblichen Klienten befragt, da diese zum Zeitpunkt der
Befragung verhindert waren oder aufgrund vergleichsweise geringer
Introspektionsfähigkeit nicht ausgewählt wurden. In Bezug auf den
Familienstand ergibt sich ein heterogenes Bild. Auffallend ist, dass kein
verheirateter Proband befragt wurde. Dies lässt sich damit erklären, dass
aktuell nur ein Paar die Betreuung nutzt, welches nicht verheiratet ist. Die
Anzahl der Kinder variiert ebenso wie die berufliche Bildung und der Status der
rechtlichen Betreuung. Die Dauer der Betreuung ist ebenfalls sehr weit
gefächert mit einem Betreuten aus der Anfangszeit des Betreuungsangebotes
und einem der zuletzt aufgenommenen Klienten.
5.1.2 Durchführung der Kategoriendefinition
5.1.2.1 Erster Schritt: Paraphrasierung
Die Transkripte wurden in einer ersten Zusammenfassung in
Kodiereinheiten zerlegt. Als Kodiereinheit wurde ein Sinnzusammenhang von
maximal fünf von einer Person gesprochenen, aufeinander folgenden Sätzen
definiert. Diese Einheiten wurden nach Mayring „in eine knappe, nur auf den
Inhalt beschränkte, beschreibende Form umgeschrieben (Paraphrasierung).“.
(S. 61) Inhaltlich bedeutungslose Textbestandteile wurden dabei weggelassen.
Die Ergebnisse sind im Anhang 9.3 in der Spalte Paraphrase dargestellt.
5.1.2.2 Zweiter Schritt: Generalisierung
Im weiteren Verlauf wurden die entwickelten Paraphrasen in
allgemeinere Formulierungen übergeleitet. Die sich durch die Generalisierung
wiederholenden Bedeutungen innerhalb eines Redeabschnitts wurden
unmittelbar zusammengefasst. Das Resultat ist im Anhang 9.3 in der Spalte
Generalisierung sichtbar.
5.1.2.3 Dritter Schritt: Erste Reduktionsstufe
Im Zuge der sich anschließenden Reduktion wurden bedeutungsgleiche
Paraphrasen weggelassen. Zudem wurden Paraphrasen entfernt, welche in
Bezug auf das angehobene Abstraktionsniveau keine wesentlichen Inhalte

Untersuchungsergebnisse
mehr repräsentieren (Selektion). Die verbleibenden Kernaussagen sind im
Anhang 9.3 in der Spalte Reduktion aufgelistet.
5.1.2.4 Vierter Schritt: Kategorienbildung
Wie einleitend erwähnt, wurden die Interviews unstrukturiert
durchgeführt, wodurch die gegebenen Antworten den
Untersuchungsgegenstand aus verschiedenen Blickwinkeln und
Schwerpunktsetzungen heraus beschreiben. Um die gegeben Antworten nicht
durch ein vorgegebenes theoriegeleitetes Schema zu operationalisieren
(deduktive Kategoriendefinition), sondern in ihrem Umfang möglichst
weitgehend einzubeziehen, wurde die induktive Kategoriendefinition verwendet.
Diese leitet „die Kategorien direkt aus dem Material in einem
Verallgemeinerungsprozess ab, ohne sich auf vorab formulierte
Theoriekonzepte zu beziehen.“ (S.75)
Gerade das induktiv erzeugte Kategoriensystem bietet sich für die
Auswertung der durchgeführten Interviews an, da aufgrund der unstrukturierten
Interviewführung die Inhalte der Interviews durch uneinheitliche Fragestellung
nicht fragenweise miteinander vergleichbar sind und die Vielschichtigkeit der
Antworten eher berücksichtigt werden kann.
Für die Kategoriendefinition wurden die Aussagen der ersten beiden
Interviews auf gemeinsame Kategorien analysiert, da die aus dem ersten
Interview hergeleiteten Kategorien die Aussagen des zweiten Interviews nicht
vollständig bzw. ungenau abbildeten. Im weiteren Verlauf wurden alle
durchgeführten Interviews ausgewertet und das Kategoriensystem bestätigt.
Die Kategorien orientieren sich teilweise an den im Interviewleitfaden
enthaltenen Fragebereichen. Die als Ergebnis ermittelten Kategorien lauten:
K 1: Situation vor der Betreuung
Aufgrund der Antworten auf die Einstiegsfrage nach der Vorbehandlung,
den bisherigen Behandlungserfahrungen und den beschriebenen
Lebenslagen ohne Betreuung wurde diese Kategorie geschaffen. Die
Situationen vor und ohne Betreuung sind sich teilweise sehr ähnlich,
deshalb wurden beide Antwortdimensionen zusammengefasst.

Untersuchungsergebnisse
K 2: Veränderungen durch die Betreuung
Diese Kategorie beinhaltet zum einen die Veränderungen, welche mit
Hilfe der Betreuung entstanden sind, zum anderen, was die Betreuung
bewirkt. Ein Teil der Veränderungen und Wirkungen kann auch als Effekt
der Konsumreduktion gesehen werden. Da die Reduktion von den
Befragten als ein Betreuungsergebnis erlebt wird, erfolgt die Nennung in
dieser Kategorie.
K 3: Merkmale der Betreuung
Diese Kategorie beinhaltet Aussagen zu als hilfreich empfunden
Betreuungselementen, Verhaltensweisen und Haltungen, die allgemein
mit der Betreuung in Verbindung stehen und prinzipiell von jedem
Betreuer so angewendet bzw. vertreten werden.
K 4: Merkmale der Betreuungsperson
Antworten, welche die Person des Hauptbetreuers oder die Beziehung
zu ihr beschreiben, werden in dieser Kategorie eingeordnet. Bei der
Kategoriendefinition und der Zuordnung von Antworten fiel auf, dass sich
K 3 und K 4 teilweise überschneiden. So wird beispielsweise die
Kontinuität der Gespräche im Zusammenhang mit der Betreuung, aber
auch mit der Betreuungsperson erwähnt. Im Sinne des Mehrwertes durch
Einbeziehung des Kontextes von Aussagen wurden diese Dopplungen
zugelassen und über die maximale Reduktion gestellt.
K 5: Vermutete Situation nach Beendigung der Betreuung
Die abschließende Fragestellung des Leitfadens bezieht sich darauf,
welche Folgen die Beendigung der Betreuung für den Interviewten hätte.
Die genannten Antworten und andere Äußerungen zum Betreuungsende
finden sich in dieser Kategorie wieder.
5.1.3 Auswertung Interview A
K 1: Situation vor der Betreuung bzw. ohne Betreuung
A berichtet von mehreren suchtspezifischen stationären Maßnahmen. Er
beschreibt analog der Fragestellung seine Behandlungserfahrung: 1992
Entwöhnung, zwei Entgiftungen 2001 und eine weitere ca. 2011. Den

Untersuchungsergebnisse
Alkoholkonsum kann er von seiner Funktionalität her einordnen und bringt
diesen insbesondere in Verbindung mit der Scheidung 1992: ich wollte mich
einfach betäuben. Nach drei abstinenten Jahren ist er infolge eines
Herzinfarktes 1994 mit Benzodiazepinen in Kontakt gekommen, ohne über das
Abhängigkeitspotenzial aufgeklärt worden zu sein: ich wusste nicht wie
abhängig das macht und was das heißt, einen Entzug zu machen. Er nahm
diese Medikamente über Jahre ein und machte 2001 zwei Entgiftungen, bevor
er zwei Jahre durch einen Freund mit Benzodiazepinen (Alprazolam)versorgt
wurde und aufgrund seiner später beschriebenen Ängste zurückzog: ich konnte
gar nicht aus dem Haus. Ab 2008 habe der Hausarzt ihm Schmerzmittel
verschrieben und er habe weiterhin Benzodiazepine (Diazepam) konsumiert,
die 2011 auf eine Erhaltungsdosis reduziert wurden. Weiterhin beschreibt A,
dass er allein gewesen sei, seine Gedanken sich häufig im Kreis gedreht hätten
und er sich von Ärzten unverstanden gefühlt habe. Alte Freunde besucht er
nicht, weil die es zu etwas gebracht hätten, er aber Grundsicherung bezieht,
was ihn offenbar beschämt. Durch die Herzerkrankung habe er sich nichts
zugetraut, keine Freunde mehr besucht und verließ nur noch zum Einkaufen
und zu Arztbesuchen das Haus. Die ambulante psychosoziale Betreuung wurde
durch einen behandelnden Psychiater angeregt.
Ohne Betreuung würde er wieder zu Hause sitzen bleiben. Selbständige
Unternehmungen zur eigenen Freizeitgestaltung durchzuführen scheint wenig
befriedigend: das reine Unternehmen, ich frag mich zu was.
K 2: Veränderungen durch die Betreuung
A erwähnt, dass sich noch nicht wesentlich viel verändert habe, was im
Vergleich mit den darauf folgenden Aufzählungen untertrieben wirkt: Durch die
Betreuung nimmt er jedoch an Aktivitäten teil, was er aufgrund der früheren
Isolation nicht tat: am Montag mit zum Grillen gegangen, heute waren wir noch
in [Stadt], 1 dadurch komm ich mal raus. Es bestehen mehrere Kontakte, wenn
auch fast ausschließlich im Rahmen der Betreuung. Er berichtet davon, dass es
ihm psychisch besser gehe mit Hilfe der Betreuung und sich damit
zusammenhängend die Klinikaufenthalte wegen Herzproblemen in den letzten
zwei Jahren reduziert hätten. Die allgemeine Situation habe sich stabilisiert: ich

Untersuchungsergebnisse
hab kein Bedürfnis da auszubrechen und mich zu betäuben. Seinen
Tablettenkonsum kann er besser im Griff halten, da der Hauptbetreuer ihn aus
seinem Gedankenkreisen herausholt und es dadurch nicht zu Craving kommt.
Er habe frühere Hobbys wieder begonnen (Fotografieren, Musik) und einen
kostenlosen Computer bekommen, den er in Bezug auf die Hobbys verwendet.
K 3: Merkmale der Betreuung
A hat ein ziemliches Vertrauen in die Betreuer und braucht kein Blatt vor den
Mund nehmen. Die Gesprächsebene erlebt er als intersubjektiv: auf
Augenhöhe. Ein Grundvertrauen sei vorhanden, und da er sein Gegenüber
einzuschätzen lerne, entsteht aus seiner Sicht Vertrauen. Er kann in wenigen
Sätzen sagen was Sache ist, weil die Mitarbeiter ihn kennen und mit ihm schon
etliches durchgekaut haben. Er nennt als Gegenbeispiel das Verhältnis zu einer
Ärztin in der Psychiatrie, mit der er regelmäßige Gespräche führt: da spürt man
so, sie hat die Macht und ich bin der Patient, oder eine arme Sau, und das
gefällt mir nicht. Der Betreuung allgemein misst er einen sehr hohen Wert bei:
Diese sei für ihn im Moment das einzige, was ich überhaupt habe, da zum Sohn
zunehmend weniger Kontakt durch dessen selbständiges Leben bestehe. Zur
Verbesserung des Wohlbefindens trägt diese lockere Umgangsform, die
unkompliziert ist irgendwie, bei. Die Kontakte im Zusammenhang mit der
Betreuung seien tiefer und vertrauter. Mit meinen ganzen Handicaps neige ich
immer zum Rückzug, dabei helfen ihm die Einladungen zu Unternehmungen,
denn sonst würde ich das nicht machen, würde zu Hause sitzen bleiben. Das
sei auch eine finanzielle Frage: wenn du weggehst, musst du erst mal den
Geldbeutel aufmachen. [Diese Textstelle ist besser zu verstehen durch die
Hintergrundinformation, dass bei Aktivitäten im Rahmen der Betreuung die
Fahrtkosten und meist auch Eintrittskosten usw. übernommen sowie oft für das
leibliche Wohl gesorgt ist. Aus diesem Grund sind die Unternehmungen sehr
kostengünstig, was ein weiterer Anreiz für die Teilnahme ist.]. Weiterhin hilft die
Betreuung A, wenn er ist in Bezug auf Ämterkontakte froh, wenn da noch eine
Institution, eine mit Stempel noch hinten dran steht, weil er sich sonst schnell
aufregt und ihm die Luft wegbleibt. A profitiert auch davon, dass er feste
Ansprechpartner gefunden hat: das ist schon gut, dass Ansprechpartner da

Untersuchungsergebnisse
sind, wenn was ist, also wenn was ist dann kann ich jederzeit da drauf
zurückgreifen, das ist schon mal viel wert.
K 4: Merkmale der Betreuungsperson
Er schafft es, ihn aus seinem Gedankenkreisen heraus zu holen, dadurch dass
er einfach Ahnung hat, macht Vorschläge. Dieser hat ein Foto von ihm an
seiner Wand gesehen und da seien sie auf das Hobby Fotografieren
gekommen und der Hauptbetreuer hat ihm privat einen älteren Fotoapparat
ausgeliehen.
K 5: Vermutete Situation nach Beendigung der Betreuung
A sagt hierzu, dass ihm die Kontakte wegbrechen würden und er wieder allein
wäre, was für ihn nicht gut und ein Verlust sei: das Rückgrat würde es mir so
ein bisschen brechen. Es fehlt das Gefühl, da irgendwie noch Leute auf meiner
Seite zu haben. Die Unterstützung bei Entscheidungsfindungen würde fehlen.
5.1.4 Auswertung Interview B
K 1: Situation vor der Betreuung bzw. ohne Betreuung
B kann auf drei Entgiftungen und eine Entwöhnung aufgrund einer
Alkoholabhängigkeit zurück blicken. In Bezug auf eine bipolare affektive
Störung wurde er mehrmals psychosomatisch stationär behandelt und
medikamentös eingestellt. In bisherigen Behandlungen hat er kaum erlebt, dass
Therapeuten von ihrem Privatleben erzählen. Er formuliert vorsichtig, dass
Entscheidungen von ihm nicht akzeptiert so wurden, wenn Therapeuten einen
anderen Weg als geeigneter ansehen. Auch habe er Behandlungen nicht auf
Augenhöhe erlebt. Die Aussage, dass er vor den Gesprächen in der aktuellen
Betreuung kein flaues Gefühl hat, legt nahe, dass dies früher anders gewesen
sein kann. Er hatte früher eine hilfreiche Betreuung, aber die 6-wöchigen
Termin waren ihm aus heutiger Sicht zu weit auseinander, weil er so lange bis
zur Problemklärung warten musste.
K 2: Veränderungen durch die Betreuung
B kann von sich behaupten, dass er durch die Inanspruchnahme der Betreuung
ausgeglichener geworden ist und sieht die Ursache dafür in den regelmäßigen
Gesprächen mit Betreuern, erlebt aber auch die Treffen mit anderen Betreuten

Untersuchungsergebnisse
als Stützpunkte. Bei Schwierigkeiten in der Arbeitssuche baut sich keine
schwarze Wand auf, wo es nicht weiter geht, sondern nimmt durch die
Unterstützung die Situation als nicht aussichtslos wahr. Er fühlt sich weiterhin
durch die die Gespräche erleichtert, da er seine Probleme so teilen kann.
K 3: Merkmale der Betreuung
B sieht in der lebenspraktischen Unterstützung im Alltag den Vorteil der
Betreuung, z.B. bei der Umzugshilfe und der Hilfe bei Behördenproblemen. Er
schätzt die kurzfristigen Termine sowie die schnellen Rückrufe, durch die er
nicht lange auf Unterstützung warten muss, und dass er immer einen
Ansprechpartner hat. Durch die geselligen Angebote lernt er neue Leute
kennen, die ihm ähnlich sind von der Problemlage her und er fühlt sich da wohl.
Kontinuierliche Gespräche findet er wichtig. Neigung zur Hoffnungslosigkeit
sieht er bei sich dadurch reduziert, weil Betreuer sich wirklich mit den Ängsten
und Sorgen der einzelnen Person auseinander setzen und Alltagsunterstützung
bekommen.
K 4: Merkmale der Betreuungsperson
Kontinuität und Stabilität wie in einer Partnerschaft. Er kann mit der
Hauptbetreuerin, der er vertrauen kann, seine Probleme teilen. Irgendwie ist
das so ein bisschen Partnerersatz. Betreuer erzählen von sich auch private
Dinge, z.B. über Urlaub, das sei etwas ganz anderes als in den Gesprächen mit
den Therapeuten in stationären Behandlungen. Betreuung wäre leichter zu
ersetzen, wenn funktionierende Partnerschaft, Beruf und Geld da wären.
K 5: Vermutete Situation nach Beendigung der Betreuung
B geht davon aus, dass er aufgrund des weiterhin vorhandenen rechtlichen
Betreuers nicht ins absolute Chaos stürzen würde.
5.1.5 Auswertung Interview C
K 1: Situation vor der Betreuung bzw. ohne Betreuung
C kennt die ganze Suchtbehandlungskette von Beratung, Entgiftung,
Entwöhnung und Selbsthilfe. In der Selbsthilfe hat es ihm nicht gefallen, da die

Untersuchungsergebnisse
Teilnehmer sich so sehr bemitleidet haben. Die Wohnung war unordentlich,
Papiere lagen durcheinander, seit einem Jahr kein Strom.
K 2: Veränderungen durch die Betreuung
Hat durch die Betreuung die Versorgung mit Strom in seiner Wohnung erreicht,
der ihm ein Jahr abgeschaltet worden war. Seine Wohnung ist jetzt ordentlicher,
seine Unterlagen sind besser geordnet, weil Betreuerin ihn deswegen kritisiert,
aber auch beim Sortieren geholfen hat. Hat Entwöhnung auf sanften Druck hin
durch Betreuerin gemacht. Hat seine Szenekontakte reduziert, weil er keine
Lust mehr auf diese habe und Plätze meidet, wo er diese trifft, was neben der
Betreuung auch an der Entwöhnung liege. Unternimmt mehr als früher, hat
bessere Tagesstruktur, ernährt sich regelmäßiger und gesünder. Ist körperlich
fitter, sein Umfeld ihm zugewandter. Diese Veränderungen sind eine Mischung
aus der Betreuung, welche die Entwöhnung gefördert hat und gleichzeitig ihn
bei seinen Reduktionsversuchen vor der Entwöhnung und bei der Abstinenz
nach der Entwöhnung unterstützt hat. Durch Unterstützung bei der
Geldeinteilung hat er seine Finanzen besser im Griff und weniger Stress. C
lässt sich weniger gehen und reduzierte seine Hochkonsumphasen bzw. wurde
nicht mehr als Notfall eingeliefert, da er rechtzeitig um Einweisung in die
Entgiftung gebeten hatte. Als Ursache dafür sieht er den regelmäßigen Kontakt
zu den verschiedenen Betreuern.
K 3: Merkmale der Betreuung
C erlebt die Haltung in Bezug auf seinen Konsum nicht als Kritik, sondern als
etwas zwischen Ermahnen und Bedauern. Es bleibt seine Entscheidung, ob er
etwas daran ändert, aber die Sorge über sein Verhalten registriert er und er
ahnt, dass eine Fortführung nicht vorteilhaft gewesen wäre: wahrscheinlich
hätte es dem Verhältnis nicht gut getan.
K 4: Merkmale der Betreuungsperson
Hat ihn kritisiert, aber auch gleichzeitig unterstützt. Verhält sich direktiv bei
Rückfällen, was C gut findet: ich brauche jemanden, der mich in den Hintern tritt
Das ist schon in Ordnung. Wenn ich mich da immer so rausschleichen könnte,
das wäre nicht so gut, glaube ich. Betreuerin reagiert emotional auf sein
Verhalten: oh war sie stinkig [schmunzelt].

Untersuchungsergebnisse
Ihm ist die Meinung von der Hauptbetreuerin wichtig, er spricht das auch aus
auf die Frage, ob ihm eine gute Meinung von ihr wichtig sei: ich hoffe das ist so.
Auch weitere Aussagen bestätigen die Bedeutung der Beziehung; ich wollte
mich auch nicht am laufenden Band vor Frau M3 blamieren; machst du nicht,
weil das ist nicht gut für das Verhältnis zur Betreuerin. Die Motivation, die durch
die Beziehung besteht, beschreibt er so: den Zwang macht man sich ja dann,
also ich mir selber, also ich empfinde das nicht als Zwang, sondern ich zwinge
mich halt manchmal Sachen nicht zu machen, die ich sonst machen würde.
Diese gute Beziehung hängt offenbar auch mit den Gesprächsinhalten
zusammen: ich hab auch ein Gefühl, dass ich mit ihr doch ein gutes Verhältnis
habe, ich meine wir reden ja nicht nur ständig über Alkohol oder irgendwelche
anderen Probleme, wir machen auch mal Blödsinn. Die Gesprächsthemen
beschreibt C ähnlich denen einer guten Freundschaft.
C sagt zu der Beziehung: das Verhältnis zwischen mir und Frau M3 ist so, als
wenn sie meine ältere Schwester wäre und ein bisschen auf mich aufpasst. Er
könne mit ihr über alles reden und das werde auch vertraulich behandelt.
Trotzdem sei sie eine Autoritätsperson.
K 5: Vermutete Situation nach Beendigung der Betreuung
Fehlen würde der mehr oder weniger regelmäßige Kontakt. Die Gespräche mit
anderen Bekannten seien weniger hilfreich: da könnte ich mich auch mit
meinem Handy unterhalten. Die letzte vergleichbare Beziehung dieser Art sei
ca. 20 Jahre her: als er eine feste Freundin und Arbeit hatte.
5.1.6 Auswertung Interview D
K 1: Situation vor der Betreuung bzw. ohne Betreuung
D berichtet von mindestens 20 Entgiftungen, einer Kurzzeittherapie und zwei
Entwöhnungen, wobei er die erste nach 2/3 der Zeit abgebrochen hat, weil der
Umgang mit seinem Rückfall während der Therapie für ihn ein Anlass zum
Abbruch war. Die zweite Entwöhnung beendete er regulär. In der ersten
Entwöhnung gab es offenbar tiefere Meinungsverschiedenheiten: die meinen
[Therapeuten der Klinik], wenn man ständig diskutiert und streitet, dann wäre
man irgendwie so feige und das wäre ein Grund, dass man säuft. Ich sage das

Untersuchungsergebnisse
anders herum: wenn mir jemand nicht passt, der mir zu blöd ist, mit dem habe
ich keine Lust zu diskutieren, fertig. D hat die Betreuung erst nach einigem
Zögern angenommen, da er sich unsicher war durch ablehnende Meinungen
von anderen (zu vermutlich rechtlicher Betreuung) und der Befürchtung,
bevormundet zu werden. Nach Kennenlernen der Mitarbeiter fiel es ihm leichter.
K 2: Veränderungen durch die Betreuung
D profitiert besonders von der praktischen Alltagsunterstützung, also der
unkomplizierten Unterstützung selbst bei kleinen handwerklichen Problemen. Er
hat seinen Alkoholkonsum deutlich reduziert. Kümmert sich jetzt mehr um
Schwierigkeiten, weil er Hilfe bekommt. Hat geeignetere Wohnung gefunden mit
Hilfe von Betreuern, auf Antrag mit Reinigungshilfe, da er zu eingeschränkt ist.
Beschäftigt sich wieder mehr mit Hobbys. Geht seit drei Jahren nicht mehr in
trinkendes Umfeld, weil es ihm so gut geht. Hat Kontakte zu anderen Leuten
gefunden durch gemeinsame Unternehmungen. Zu Schwester mehr Kontakt.
K 3: Merkmale der Betreuung
D beschreibt, dass nicht nur jemand zum Reden da ist, sondern auch jemand
der richtig mit anpackt. Die Sorge für ihn ist ebenfalls wichtig: man hat
jemanden, der für mich da ist und sich um mich kümmert. Die Unternehmungen
sind für ihn auch wichtig.
K 4: Merkmale der Betreuungsperson
D beschreibt die Beziehung auf Augenhöhe. Die Gespräche mit den Betreuern
empfindet er als niveauvoller: Man muss dazu sagen, die haben auch ein
bisschen mehr im Kopf. Aus seiner Sicht macht auch eine persönliche Eignung
einen guten Betreuer aus. Und beschreibt den Hauptbetreuer so: Er ist ein
ehrlicher Typ, der immer zur Hilfe bereit ist, Jahr und nicht aufbrausend ist, ja
oder nie beleidigend oder was, es gibt auch andere1 zwischen ihm und mir
stimmt einfach die Chemie. Der Betreuer zeigt ihm auch manchmal die
Richtung oder kritisiere ihn, aber in einer anderen Art, die er annehmen kann.
K 5: Vermutete Situation nach Beendigung der Betreuung

Untersuchungsergebnisse
D beschreibt Angst, wenn es um das Ende der Betreuung geht und wird auch
nachdenklich dabei bzw. spricht leiser. Er wüsste nicht mehr, wie es weiter
gehen würde, da er allein wäre.
5.1.7 Auswertung Interview E
K 1: Situation vor der Betreuung bzw. ohne Betreuung
E hat eine psychosomatische Reha und eine Entwöhnung und mehrere
Entgiftungen absolviert. In den Kliniken war er geschützt (Käseglocke). Hat
Kontrolle erlebt, die für ihn nicht zu dauerhafter Verhaltensänderung, sondern
nur zu Anpassungsleistungen geführt hat.
K 2: Veränderungen durch die Betreuung
E hat mehrere Mitbetreute kennengelernt durch die Betreuung, mit denen er
sich auch privat trifft. Durch den Betreuer lässt sich E weniger gehen. Das
Trinkverhalten hat sich dahingehend geändert, dass die schweren Abstürze
nicht mehr vorkommen.
K 3: Merkmale der Betreuung
E fühlt sich wohl, wenn er weiß, dass er jemanden schnell kontaktieren kann
und weiß, dass er dann schnelle Hilfe bekommt, wenn es ihm schlecht geht.
Diesen Ansprechpartner mit der Vertrauensbasis zu haben sei das wichtigste.
Dadurch dass er keine Familie hat, ist die Betreuung ihm an sich auch wichtig:
er würde gern in eine andere Stadt ziehen, weil er dort Freunde hat, aber weil
dann die Betreuung enden würde, macht er den Umzug nicht. Die Freunde
können folglich die Betreuung nicht ersetzen.
K 4: Merkmale der Betreuungsperson
E beschreibt eine einerseits direktive Vorgehensweise des Betreuers, aber
gleichzeitig eine unterstützende: der Herr M2 gibt mir auch mal einen Tritt in
den Arsch, wörtlich gesagt, kümmere dich erst mal drum, ich helfe dir, aber
kümmere dich erst mal drum. Er fordert E dazu auf, ihn um Unterstützung zu
bitten. Der Betreuer schenkt ihm auch Aufmerksamkeit, wenn er sich in der
Ambivalenz befindet und diese vordergründig ablehnt, aber eigentlich gern
annimmt. E sieht das Verhältnis mehr auf Augenhöhe und erlebt sich nicht nur
als Hilfebedürftigen. Er findet gut, dass bei den Gesprächen nebenher etwas

Untersuchungsergebnisse
passiert, also man nicht nur rum sitzt, sondern z.B. spazieren geht. Ihm gefällt,
dass die Gesprächsinhalte sich nicht nur um Sucht drehen, sondern ganz
alltägliche und teilweise banale Themen sind.
Das Verhältnis ist so, dass der Betreuer ihn als erwachsenen Mensch
behandelt, respektiert ihn, hört ihm zu und akzeptiert, wenn er anderer Meinung
ist. Er verurteilt ihn nicht moralisch und schafft es, ihn zu hilfreichen
Entscheidungen zu motivieren, die er allein nicht treffen würde.
K 5: Vermutete Situation nach Beendigung der Betreuung
Auf die Frage nach dem Ende der Betreuung reagiert E emotional (seufzt, wird
nachdenklich), schildert das als fatal. Für ihn wäre das eine Rückentwicklung,
die nahezu täglichen Kontakte zum Hauptbetreuer würden wegfallen, aber auch
die privaten Kontakte zu den Mitbetreuten würden sich nicht halten. Er
vermutet, dass er schon tot wäre, wenn es die Betreuung nicht gäbe.
5.1.8 Auswertung Interview F
K 1: Situation vor der Betreuung bzw. ohne Betreuung
F kennt nur die Beratungsstelle. Er hat keine weiteren Hilfeleistungen außer der
Beratung und Betreuung bisher in Anspruch genommen. Vor der Aufnahme
lebte er zurückgezogen, mied beschämt Kontakte. Eine Entwöhnung lehnte er
kategorisch ab, weil er seinen Heimatort nicht für längere Zeit verlassen wollte.
Er willigte zögerlich in die Betreuung ein, befürchtete Überwachung und dachte,
dass er seine Wohnung aufgrund der Bezeichnung ‚Betreutes Wohnen‘
aufgeben müsse. Weiß nicht, ob er ohne Betreuung heute noch leben würde.
K 2: Veränderungen durch die Betreuung
F hat sich zahnärztlicher Behandlung unterzogen, was er früher nicht tat. Hat
mit Unterstützung die Privatinsolvenz einleiten können und den belastenden
Briefverkehr abgewickelt. Eine ehrenamtliche Stelle als Wirt in einer
Vereinskneipe hat er aufgeben können und somit seinen Konsum reduziert und
später eingestellt. Er ist deutlich selbstbewusster geworden, gleichzeitig wird er
von Bekannten respektvoller behandelt.
K 3: Merkmale der Betreuung

Untersuchungsergebnisse
Die Betreuer haben versucht ihn zu motivieren für eine Entwöhnung, das hat
ihn unter Druck gesetzt. Da er nicht weg wollte, hat er von sich aus mit dem
Trinken aufgehört und diese Abstinenz bis heute beibehalten. Die regelmäßigen
Gespräche seien ihm wichtig, weil sich dann Schwierigkeiten nicht so aufstauen
würden.
K 4: Merkmale der Betreuungsperson
F ist begeistert von der Hauptbetreuerin. Mit ihr habe er sich über alles
Mögliche, auch über private Themen unterhalten. Sieht einen großen Vorteil
darin, dass die Betreuung durch eine Frau geleistet wird. Vor dieser wolle er
sich nicht blamieren und hat sich folglich bemüht.
F sieht in der Hauptbetreuerin den Ersatz für seine Frau und kann das auch so
benennen. Diese bietet ihm ein hohes Maß an Sicherheit: Im Grunde sehe ich
die Frau als Anker, seit meine Frau weg ist. Er kann die für ihn wichtigen
Themen bereden und Entscheidungen mit ihr besprechen.
K 5: Vermutete Situation nach Beendigung der Betreuung
F hat die Sorge, dass die Betreuung irgendwann nicht mehr bezahlt wird, weil
er zu gesund sei, da er nicht mehr trinkt. Für ihn wäre es schwierig, wenn keiner
mehr vorbeikommen würde, um nach ihm zu schauen. Der Anreiz für
Verhaltensänderungen fällt weg: ach für wen soll man da noch irgendwas gut
machen, für wen? Er befürchtet den Rückfall in alte Verhaltensmuster.
5.2 Fallübergreifende Darstellung
In diesem Kapitel werden die Ergebnisse aller Interviewpartner
entsprechend des Kategoriensystems zusammengefasst.
5.2.1 K1: Situation vor der Betreuung
Die erste Kategorie bildet sich neben den Beschreibungen zur Situation
vor Eintritt in das Hilfesystem aus den Antworten auf die Einstiegsfrage nach
den Behandlungserfahrungen. Ursprünglich war diese Fragestellung zur
thematischen Hinleitung auf das zentrale Interviewthema der Betreuung
gedacht. Die Beantwortungsmöglichkeit durch Fakten wie die

Untersuchungsergebnisse
Behandlungsdauer oder den Behandlungstyp sollte einen vordergründig
sachlichen Einstieg zulassen, der gleichzeitig aber Erinnerungen an
Lebensphasen hervorruft, in denen professionelle Hilfestellungen Einfluss auf
das eigene Leben hatten und somit auch einen emotionalen Einstieg in das
Interview bedeuten konnte. Im Verlauf der Interviewdurchführung zeigte sich,
dass die Frage nach den Erfahrungen mit vorangegangenen Behandlungen
half, die Merkmale der therapeutischen Beziehung in der Betreuung zu
kontrastieren, so dass die Thematik der Vorerfahrungen häufiger fokussiert
wurde und dementsprechend mehr Material entstand, welches zur Bildung
dieser Kategorie führte.
Alle Interviewten entschieden sich zu Gesprächsbeginn für die faktische
Beantwortung. Hinsichtlich der Ermittlung von Wirkfaktoren in Bezug auf die
ambulante psychosoziale Betreuung sind diese Informationen nicht verwertbar,
da die formale Vorbehandlungsgeschichte keinen Einfluss auf die
Wirkungsweise der Betreuung hat. Im weiteren Verlauf wurde, wie eingangs
erläutert, die Aufmerksamkeit eher auf die persönlicheren Erfahrungen mit dem
Hilfesystem gerichtet. Unter diesem Blickwinkel schildern vier Klienten negative
Erfahrungen: Interviewpartner A mit umfangreichen medizinischen
Vorbehandlungen aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen fühlte
sich von Ärzten unverstanden und erlebt in einem solchen Kontakt eine
mangelnde Intersubjektivität. Interviewpartner B äußert sich sehr vage und
deutet Erfahrungen an, in denen seine Entscheidungen von therapeutischer
Seite nicht akzeptiert wurden, weil sie nicht den Vorstellungen derselben
entsprachen. Auch Interviewpartner D schildert empfundene Bevormundungen
innerhalb der stationären Entwöhnung und erlebt die Teilnahme an
Selbsthilfegruppen als wenig hilfreich. Interviewpartner E kritisiert zu häufige
Kontrolle in stationärer Behandlung, welche nach seinem Empfinden nur
Anpassungsleistungen statt dauerhafter Verhaltensänderung fördert. Zu seinen
gefürchteten Erfahrungen gehört auch die moralische Verurteilung von
unerwünschten Verhaltensweisen. Verallgemeinernd kann gesagt werden, dass
durchaus negative Erfahrungen mit dem (Sucht-)Hilfesystem gemacht wurden,
welche vorwiegend als eingeschränkte Akzeptanz und geringen Respekt
gegenüber der eigenen Person wahrgenommen wurden.

Untersuchungsergebnisse
Die Beschreibungen zu den Lebensverhältnissen vor Betreuungsbeginn
bzw. im nicht versorgten Zustand sind charakteristisch für chronisch mehrfach
geschädigte Abhängigkeitskranke: Fast alle Interviewpartner blicken auf
umfangreiche Entwöhnungs- und vor allem Entgiftungsbehandlungen zurück.
Genannt werden ebenfalls schwierige Wohnsituationen, fehlende Anreize für
Veränderungen und die Befürchtung, dass ohne die Betreuung bereits der Tod
infolge des Suchtmittelkonsums eingetreten wäre. Von allen Problemlagen stellt
sich jedoch die soziale Situation als herausragend desolat dar: Alle sechs
Probanden berichten von gravierenden sozialen Problemlagen. Häufig lebten
die Befragten zuletzt isoliert und zurückgezogen, mieden soziale Kontakte oder
vernachlässigten familiäre Beziehungen. In der Folge traten meist
konsumbezogene Kontakte in den Vordergrund, die aber keinen adäquaten
Ersatz für stabile soziale Bindungen bieten konnten.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass genannten prekären
Verhältnisse im Vorfeld der Betreuung nicht explizit erfragt wurden. Es kann
also davon ausgegangen werden, dass die Schädigungen in erheblich
umfangreicherem Maß vorliegen, als es diese Schilderungen vermuten lassen.
Insbesondere im wenig thematisierten somatischen Bereich ist mit
umfangreichen Krankheitsbildern zu rechnen. Damit bestätigen sich die im
Theorieteil unter Punkt 3.1.3 erwähnten Ausführungen zur
Schädigungssymptomatik von CMA.
5.2.2 K2: Veränderungen durch die Betreuung
Die zweite Kategorie konzentriert die Aufmerksamkeit auf die
Veränderungen, welche die Interviewpartner im Wesentlichen mit Hilfe der
Betreuung erreicht haben. Diese Veränderungen wurden gezielt erfragt, wobei
nicht der Anspruch auf Vollständigkeit im Vordergrund der Erkundung stand,
sondern die Benennung der Veränderungen, welche den Befragten wichtig
waren.
In den geführten Interviews gaben vier der sechs Befragten an, eine
Verbesserung ihres psychischen Wohlbefindens zu erleben, wobei
insbesondere die Entlastung bei alltäglichen Schwierigkeiten von großer
Bedeutung zu sein scheint. Neben ausgeglichenen und erleichterten

Untersuchungsergebnisse
Gefühlslagen und allgemeiner Zufriedenheit stellen sich bei zwei Probanden
auch eine geringere Tendenz zur Resignation und ein grundlegendes Gefühl
von Hoffnung und Perspektive trotz gegenwärtig schwieriger (beruflicher)
Situation ein.
Weiterhin wurde häufig die Reduktion des Suchtmittelkonsums genannt.
Fünf Interviewpartner machten diese Aussage. An dieser Stelle sei die einzige
negative Aussage erwähnt, dass ein Proband seit dem Wegfall des Konsums
verstärkt unter Depressionen leidet, die erreichte Suchtmittelreduktion also nicht
nur Vorteile brachte. Wieder dafür spricht der Wegfall von Trinkexzessen und
Notfalleinweisungen aufgrund des massiven Konsums, welche bei zwei
Betreuten weggefallen seien. Ein Klient hat sich auf Anraten der
Hauptbetreuerin zu einer Entwöhnung entschlossen und davon profitiert,
während ein anderer eine psychosomatische Behandlung in Anspruch nahm.
In Bezug auf die Gesundheitssituation nennt die Hälfte der Befragten
eine Verbesserung der körperlichen Verfassung, welches sich in weniger
Klinikaufenthalten, aber auch höherer körperlicher Leistungsfähigkeit und einem
besseren optischen Erscheinungsbild äußert. Gesundheitsbewusstere
Verhaltensweisen wie regelmäßigere Ernährung und sorgsamere Körperpflege
stehen ebenfalls in Verbindung mit der Betreuung.
In der Alltagsbewältigung nennen die Befragten Aufwertungen in der
Wohnsituation durch Wohnungswechsel, Wiederherstellung der
Stromversorgung oder Unterstützung bei der Reinhaltung. Ein Proband gab
eine konsumfördernde Tätigkeit auf, während ein anderer seine finanzielle
Situation durch Geldeinteilung entspannen konnte.
Starke Veränderungen finden sich gerade auch in der sozialen Situation:
Das Kennenlernen neuer Menschen, die Wiederbelebung alter Kontakte, aber
auch die Reduktion von Szenekontakten sind ebenso von Bedeutung wie die
Wandlung zu selbstsicherem und geselligem Verhalten und die respektvollere
Behandlung durch das Umfeld aufgrund der sichtbaren Veränderungen.
Die Bandbreite der Veränderungen durch die Betreuung ist sehr hoch
und wird fast ausschließlich in Richtung positiver Veränderungen beschrieben.

Untersuchungsergebnisse
Sie reicht von der besseren Geldeinteilung bis zur Entwicklung von höherer
Lebenszufriedenheit, von der Reinigung einer verwahrlosten Wohnung bis zum
Kennenlernen einer netten Dame. Die Wirksamkeit der praktizierten
ambulanten psychosozialen Betreuung liegt aufgrund des breiten
Antwortspektrums in der Meliorisierung ganz verschiedener Lebensbereiche
wie der körperlichen und psychischen Verfassung, der materiellen und der
Wohnsituation, der sozialen Einbindung sowie der Tagesstrukturierung mit
einem befriedigenden Freizeitverhalten. Der Einfluss der Betreuung ist nicht auf
Teilbereiche, wie beispielsweise die Klärung der finanziellen Situation
beschränkt, sondern wirkt, mit unterschiedlicher Priorisierung, umfassend in der
Lebenssituation des betreuten Menschen.
5.2.3 K3: Merkmale der Betreuung
Als hilfreiche Merkmale der Betreuung werden in dieser Rubrik einerseits
Betreuungselemente systematisiert, andererseits aber auch vereinzelte
Beziehungsmerkmale dargestellt, die für alle Betreuer gelten.
Verlässliches, kontinuierliches und schnell verfügbares Kontaktangebot
Eine hohe Übereinstimmung der Interviewpartner besteht darin, dass die
Gespräche mit den Betreuern sehr wesentlich für die durchgeführte Betreuung
sind. Diese zeichnen sich zum einen die vergleichsweise hohe Frequenz von
wöchentlichen bis hin zu fast täglichen Kontakten aus, gleichzeitig aber auch
durch eine schnelle Verfügbarkeit, welche der Bedürfnislage der Betreuten
entgegen zu kommen scheint. Inhaltlich wird besonders die Alltagsbezogenheit
der Gespräche betont, die untergeordnete Thematisierung der
Suchtmittelproblematik wird als positiv erlebt. Auch das schlichte
Vorhandensein eines hilfreichen Ansprechpartners muss aufgrund der als
isoliert und zurückgezogenen geschilderten Lebensverhältnisse vor der
Aufnahme in die Betreuung als verbreiteter Mangel angenommen werden, denn
die Verfügbarkeit eines Ansprechpartners wird ebenfalls hervorgehoben.
Sorge und Versorgung
Eng mit den Gesprächen in Verbindung steht die als bedeutsam eingestufte
Äußerung von Sorge der Betreuer in Bezug auf problematische
Verhaltensweisen und Lebenslagen der Betreuten. Diese kann als ein Teil der

Untersuchungsergebnisse
Gesprächsinhalte aufgefasst werden, wurde aber durch die explizite
Benennung von zwei Interviewpartnern (C, E) und durch eine Andeutung (A) als
so wesentlich bei der Interviewführung empfunden, dass die Sorge um die
Person separat erwähnt werden soll. Wie diese geäußerte Sorge von den
Interviewpartnern wahrgenommen und verarbeitet wird, wird aus der Befragung
nicht ersichtlich. Denkbar wäre, dass ein authentisches Interesse des Betreuers
an dem Wohlergehen des Klienten für denselben emotional erlebbar wird. Den
Versorgungsgedanke bringt Interviewpartner D ein, welcher sich durch die
Betreuung umsorgt fühlt.
Praktische Unterstützung im Alltag
Die praktische Hilfestellung wird von vier Interviewpartnern genannt und
besitzt damit eine ähnlich hohe Bedeutung wie das Kontaktangebot. Dazu
gehören alltagspraktische Hilfestellung wie die Organisation einer
Reinigungshilfe aufgrund körperlicher Einschränkungen oder der Hilfe bei der
Geldeinteilung, aber gerade auch im Zusammenhang mit Behördenkontakten
und der Regelung von der Energieversorgung bis zur Informationsbeschaffung
zum Verbraucherinsolvenzverfahren wird die praktische Unterstützung als
hilfreich und vor allem entlastend erlebt. Denn neben der sachlichen
Problematik sind diese Problemlagen häufig mit einer emotionalen Not
verbunden und es kann davon ausgegangen werden, dass deren erfolgreiche
Abwendung Einfluss das Betreuungsverhältnis prägt und somit im weitesten
Sinne ebenfalls ein Merkmal der Betreuung ist.
Akzeptierendes und respektvolles Vertrauensverhältnis
In ihren bisherigen Erfahrungen schildern vier Interviewpartner
nachteilige Erfahrungen mit dem Hilfesystem, die häufig als Abwertung der
Person verstanden werden. Die Wertschätzung als allgemein bekannte
Grundhaltung der klientenzentrierten Gesprächstherapie nach Rogers ist sehr
klar auch ein wichtiges Merkmal der durchgeführten Betreuung und wirkt in der
Interviewführung ansatzweise versöhnend mit bisherigen Negativerfahrungen.
In ihrer Wirkung beschreiben die befragten Klienten das Vorhandensein von
Akzeptanz und Respekt im Zusammenhang damit, dass sie offen und ehrlich
ihre Themen ansprechen können, sich nicht verstellen müssen und keine
Befürchtungen vor anstehenden Gesprächen haben. Ein Proband (E) trifft die

Untersuchungsergebnisse
Aussage, dass er seinen Freunden nicht so sehr vertraue wie den Mitarbeitern
des Betreuungsteams.
Ermöglichung von Peer- und Neukontakten
Die Errichtung dieser Rubrik ist lässt sich damit erklären, dass alle
Befragten soziale Problemlagen vor Betreuungsbeginn aufwiesen (siehe K 1:
Situation vor der Betreuung). Neben den Kontakten zu Betreuern bilden
gemeinschaftliche Unternehmungen mit Mitbetreuten ein wichtiges
Betreuungselement, wie im weiteren Verlauf erklärt werden wird. Auf diese
Weise liegt die Bildung von Peerkontakten in der Sache begründet. Dennoch
werden auch diese Kontakte als hilfreich empfunden: die Interviewpartner E und
F unterhalten auch private Kontakte zu Mitbetreuten, aber auch
Interviewpartner B und D erleben die Gemeinsamkeiten mit anderen Betreuten
als kontaktfördernd und enthemmend. Bemerkenswert erscheint hier, dass
Interviewpartner D die Erfahrungen in der Selbsthilfe als nachteilig empfand,
jedoch im Rahmen der Betreuung die Kontakte zu Mitbetreuten als
ungezwungene Gespräche erlebt und sich in dieser Gruppenkonstellation wohl
fühlt. Die Interviewpartner B und E betonen ebenfalls die Wichtigkeit, die
Möglichkeit zu bekommen, neue Kontakte zu knüpfen, ohne dies näher zu
begründen. Nach Aussagen von Mitarbeitern hätten sich bei Unternehmungen
zusammen mit ebenfalls in Betreuung befindlichen Menschen mit psychischen
Erkrankungen positive neue Kontakte ergeben.
Freizeitangebote
Von vier Interviewten werden die Freizeitangebote als bedeutendes
Betreuungsmerkmal genannt. Hier soll erwähnt werden, dass in der Woche der
Interviewdurchführung ein gemeinsames Grillen stattgefunden hat, welches
aufgrund der leichteren Erinnerbarkeit häufiger genannt wurde. Jedoch wurden
ausgehend von diesem Event Rückschlüsse zu früheren Unternehmungen
gezogen, die in angenehmer Erinnerung waren, so dass davon ausgegangen
werden kann, dass es sich bei der Bereitstellung von Freizeitaktivitäten um
einen wesentlichen Betreuungsinhalt handelt. Erwähnt sei hier ergänzt durch
Schilderungen des Betreuungsteams, dass die Unternehmungen eine gewisse
Attraktivität und Abstimmung mit den Interessen der Betreuten aufweisen, von
denen eine Fahrt nach Frankreich benannt wird, aber auch nicht erwähnte

Untersuchungsergebnisse
Ausflüge wie die Teilnahme an einem Handballspiel in der Allianz-Arena
Mannheim und der Besuch eines Radiosenders als abwechslungsreich und
interessant empfunden wurden.
5.2.4 K4: Merkmale der Betreuungsperson
In dieser Kategorie werden die tragenden Beziehungselemente
herausgearbeitet sowie die Beschreibungen der Betreuungsperson sowie deren
Verhalten hervorgehoben, insofern die Interviewten dies als hilfreich
empfanden. Diese Beziehung kann als helfende Beziehung verstanden werden,
welche im Vergleich zur therapeutischen Beziehung oder der kognitiven
Verhaltenstherapie wesentlich auf die Interaktion zwischen Betreuer und
Betreutem angewiesen ist.
Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit
Diese beiden Elemente der Beziehung werden von fünf Interviewten als
hilfreiche Merkmale hervorgehoben. Interviewpartner A beschreibt, dass es ihm
Vertrauen in die Betreuer hat und diese zunehmend besser einschätzen kann.
Auch von den Interviewpartnern B, D und E ist die vertrauensvolle
Zusammenarbeit bzw. die Vertrauensbasis genannt worden. C schätzt den
vertrauensvollen Umgang mit Besprochenem. Interviewpartner D betont die
Verlässlichkeit und Ehrlichkeit des Betreuers.
Regelmäßiger aufsuchender Kontakt
Diese Rubrik wird von drei Interviewten angesprochen. Sie ähnelt dem
kontinuierlichen Kontaktangebot als Betreuungselement. Die Schilderungen von
zwei Interviewten (E, F) setzen einen leichten Akzent in Richtung der
nachgehenden Hilfestellung: die Kontaktgestaltung wird wie eine Art
Zuwendung oder Entgegenkommen geschildert und dankbar angenommen.
Möglicherweise werden hier eingeschränkte Kontaktfähigkeiten durch den
Betreuer kompensiert.
Direktives Verhalten
Die Interviewpartner C und E profitieren in ihren Aussagen von den
Vorgaben des Betreuers. In beiden Fällen kam es durch die direktiven
Verhaltensweisen zu Einweisungen in akutmedizinische Behandlungen mit

Untersuchungsergebnisse
positivem Ergebnis, gleichzeitig sehen beide Interviewpartner auch in dem
Beitrag zur Alltagsbewältigung deren Nutzen.
Harmonische Beziehung
Eine solche Form des Kontakts benennen die Interviewpartner A und C.
Während A den Kontakt als unkompliziert und entspannend beschreibt,
schildert C das Verhältnis als freundschaftliche Beziehung, die gleichzeitig
durch die beschriebenen Umgangsweisen und Alltagssituationen einer
Partnerschaft und ansatzweise einer Mutter-Kind-Beziehung ähnelt.
Intersubjektivität
Von vier Interviewpartnern (A, C, D, E) wird das Verhältnis zwischen
Betreuern und ihnen als nicht hierarchisch erlebt. Drei dieser Interviewpartner
(A, D, E) blickten auf Behandlungserfahrungen zurück, in welchen ein
hierarchisches Gefälle negative Auswirkungen auf diese hatte.
Anteil am Privatleben des Betreuers
Während Interviewpartner A die private Kamera des Betreuers geliehen
bekommen hat, wird dieser Aspekt ausdrücklich von Interviewpartner B
genannt. Gut zu erkennen ist, dass B eine Grenze in der Beziehung wahrnimmt:
nämlich dass die Äußerungen seiner Betreuerin allgemein gehalten werden. Für
Klienten kann diese Art des Kontakts als Vertrauensbeweis gelten. Ein Betreuer
sieht in der Beteiligung am Privatleben durch Urlaubsberichte eine Form von
Teilhabe, durch welche die Klienten Normalität erfahren und sich daran
orientieren bzw. damit auch identifizieren können.
Annehmbare Kritik durch Akzeptanz der Person
Die Hälfte der Interviewten (C, D, E) erleben den Betreuer als hilfreich in
Bezug auf kritische Anmerkungen. Interviewpartner C betont dabei, dass der
Kontakt bei Fortsetzung des Suchtmittelkonsums zwar reduziert, aber nicht
abgebrochen wird. Interviewpartner D kann Kritik des Betreuers annehmen, da
diese sachlich formuliert wird und er gleichzeitig respektvoll sich verhält.
Interviewpartner E schätzt an seinem Betreuer, dass dieser seine Meinung
respektiert, auch wenn er diese nicht teilt. Moralische Abwertungen, die er
früher erlebt habe, treten in dieser Betreuung nicht auf.

Untersuchungsergebnisse
Auftreten von Übertragungsphänomenen
Von drei Interviewpartnern werden die Hauptbetreuerinnen mit nahen
Angehörigen verglichen. Interviewpartner B beschreibt einen platonischen
Partnerersatz und auch Interviewpartner F benennt ganz klar, dass die
Betreuerin ein Ersatz für seine verstorbene Ehefrau ist. Interviewpartner C
vergleicht das Verhältnis mit dem zu einer älteren Schwester oder einem
älteren Bruder. Überraschend ist, dass die Übertragungsphänomene den
Interviewpartnern bewusst sind. Die Übertragung partnerschaftlicher Gefühle
auf die Betreuungsperson kann in Anlehnung an die Interviewpartner C und F
eine hohe Motivation für Verhaltensänderungen sein. Auch das Empfinden
intensiver positiver Gefühle für einen anderen Mensch kann als gelungene
Entwicklung im Vergleich zur vorherigen zurückgezogenen Lebensgestaltung
gewertet werden.
Wirksamkeit gegengeschlechtlicher Betreuung
Für zwei Interviewpartner (B, F) besteht ein klarer Unterschied in der Art
der Betreuung darin, ob eine Betreuung durch einen Mann oder eine Frau
erbracht wird. Gerade F sieht es als einen großen Vorteil an, dass er von einer
Frau betreut wird, da er sich dieser gegenüber mehr verpflichtet und sich von
ihr besser verstanden fühlt. Beide Interviewpartner vergleichen das
Betreuungsverhältnis mit einer platonischen Partnerschaft und werden von
derselben Bezugsperson betreut. Inwiefern das Gelingen einer Übertragung
von den personellen Eigenschaften abhängt, ist bisher nicht untersucht worden.
5.2.5 K5: Vermutete Situation nach Betreuungsende
Die fünfte Kategorie basiert auf Aussagen dazu, was die Interviewpartner
bei in Kürze endender Betreuung vermissen würden oder wie sich ihre Situation
entwickeln könnte. Diese Fragestellung wurde als Kontrollfrage zu den als
wirksam erlebten Betreuungs- und Beziehungsmerkmalen konzipiert. Folgende
Antwortsystematik ist erkennbar:
Verlust emotionaler Stabilität
Mit fünf Nennungen ist diese Kategorie die am häufigsten genannte. Der
Wegfall von Sicherheit, Zukunftsängste und die allgemeine Befürchtung von
negativen Emotionen spiegeln die hohe Bedeutung der Betreuung für die

Untersuchungsergebnisse
Beteiligten wieder. Diese Antworten unterstützen im Umkehrschluss die
genannte stabilisierende Wirkung der Betreuung.
Weniger oder keine wohlwollenden Kontakte
Vier Interviewpartner sehen eine Reduktion von bedeutsamen Kontakten
an. Die Kontakte zu Mitbetreuten und Hauptbetreuern hängen eng zusammen,
denn die Peerbeziehungen sind offenbar nicht ausreichend stabil, als dass sie
über das Ende der Betreuung hinaus weiter gepflegt werden würden. Die
Fähigkeit und Möglichkeit, neue und gleichwertige Kontakte zu erschließen,
scheint unverändert eingeschränkt zu sein.
Rückfall in altes Problemverhalten
Die Steigerung des Konsumverlangens und des Suchtmittelkonsums,
aber auch die nachlassende Bereitschaft Probleme anzugehen werden von drei
Interviewpartnern genannt. Die Betreuung wird demnach für die
Aufrechterhaltung günstiger Verhaltensweisen weiterhin benötigt, da diese nicht
genug gefestigt sind bzw. Anreize dafür fehlen, diese weiter auszuüben.
Verlust von praktischer Hilfe, Unternehmungen und Anreizen für
Verhaltensänderungen
Diese Befürchtungen werden jeweils einzeln genannt. Für
Interviewpartner B ist der Verlust praktischer Hilfe zu spüren, während
Interviewpartner F die Freizeitaktivitäten vermissen würde. Interviewpartner F
geht davon aus, dass sich Gleichgültigkeit bei ihm einstellen würde, weil keine
Person da wäre, welche seine Bemühungen schätzen würde.
5.3 Ermittelte Wirkfaktoren
Die erste Forschungsfragestellung nach den Konzeptelementen der
Betreuung wurde bereits im Kapitel 3.2.4 beantwortet. Die zweite und dritte
Forschungsfrage nach den als hilfreich empfundenen Betreuungselementen
und der Bedeutung der Person des Betreuers werden in diesem Kapitel
beantwortet. Mit der Interviewdurchführung und der Auswertung der genannten
Inhalte unter Zuhilfenahme des Kategoriensystems wurden die Aussagen der
Klienten als Grundlage für die Beantwortung systematisiert. Die hierbei

Untersuchungsergebnisse
extrahierten wirksamen Merkmale können als Wirkfaktoren der untersuchten
Beziehung verstanden werden und werden im weiteren Verlauf erläutert.
5.3.1 Wirksame Betreuungselemente
Aus den in Kapitel 5.2 erhaltenen Informationen zu wirksamen
Bestandteilen der Betreuung lassen sich die Wirkfaktoren der Betreuung
zusammenfassen. Diese sollen die zweite Forschungsfrage beantworten,
welche nach den als hilfreich empfundenen Betreuungselementen fragt. Als
wirksame Betreuungselemente wurden identifiziert:
- Verlässliches, schnell verfügbares Kontaktangebot
- Praktische Unterstützung im Alltag
- Ermöglichung von Peer- und Neukontakten
- Angebote zur Freizeitgestaltung
Die Interviewpartner profitieren von der schnellen und zuverlässigen
Verfügbarkeit der Ansprechpartner der ambulanten psychosozialen Betreuung.
Vor dem Hintergrund der strukturellen Einschränkungen von CMA scheint die
flexible Hilfestellung Stabilität zu geben. Die oftmals verringerte
Frustrationstoleranz und die mangelnden Fähigkeiten zur Selbstregulation
bedürfen so gesehen der Kompensation durch das Hilfesystem und können
korrigierende emotionale Erfahrungen bewirken.
Die praktische Unterstützung im Alltag kann in Verbindung mit
reduzierten Problemlösefähigkeiten gesehen werden. Ob ein Mangel an
Information, Motivation oder Ressourcen vorliegt, kann nicht beurteilt werden.
Sicher ist, dass die aktive Unterstützung bei der Bewältigung von
Alltagsproblemen von den Interviewten dankbar angenommen wird.
Die Ermöglichung von Peer- und Neukontakten ist in Bezug auf die
depravierte soziale Situation von CMA wirkungsvoll. Das Bedürfnis nach
weiteren sozialen Beziehungen unabhängig von den Beziehungen zu den
Betreuern kann als gesunde Entwicklung gewertet werden. Die Kontaktsuche
zu Peers scheint aufgrund der teilweise ähnlichen Lebensgeschichte
Verbundenheit und Akzeptanz zu fördern.

Untersuchungsergebnisse
Angebote zur Freizeitgestaltung werden ebenfalls als wichtig erlebt. Nicht
zu unterschätzen wird hier die soziale Komponente sein, denn diese Angebote
besitzen durchaus kommunikativen Charakter und zudem auch lohnenden
Anreiz für Konsumverhalten, da die Teilnahme lediglich nicht intoxikierten
Betreuten vorbehalten ist.
5.3.2 Bedeutende Beziehungselemente
Die Person des Betreuers als Forschungsinteresse der dritten
Fragestellung soll im Folgenden dargestellt werden. Die Betreuungsperson
besitzt eine außerordentlich wichtige Funktion für die Wirksamkeit der
Betreuung. Dabei ist sie nicht nur als neutrale Fachperson involviert, sondern
gleichzeitig mit ihrer Persönlichkeit. Das Bindeglied zwischen ihr und dem Klient
ist die helfende Beziehung. Die von den Befragten genannten Zuschreibungen
lassen sich als Beziehungselemente eben dieser helfenden Beziehung
klassifizieren. Als Wirkfaktoren der Beziehungskomponente der Betreuung
werden die folgenden Merkmale genannt und systematisiert:
Reparenting
- Sorge und Versorgung
- aufsuchender Kontakt
- Direktives Verhalten
- konstruktive Kritik
Annahme und Zugehörigkeit
- Akzeptierendes und respektvolles Vertrauensverhältnis
- Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit
- Harmonische Beziehungsgestaltung
- Intersubjektivität
- Wirksamkeit gegengeschlechtlicher Betreuung
Normalisierung
- Anteil am Privatleben des Betreuers

Untersuchungsergebnisse
Reparenting wird in der Psychotherapie als wesentlicher Bestandteil der
therapeutischen Beziehung gesehen. In Berücksichtigung der Angemessenheit
soll durch diese Haltung des Therapeuten dem Klient nachträgliche elterliche
Fürsorge zukommen. (Jeffrey et al. 2005)
Alle Wirkfaktoren dieser ersten Wirkdimension können unter dem
Ermöglichen korrigierender emotionaler Erfahrungen subsummiert werden. Sie
zeigen die basalen Bedürfnisse der CMA auf, gleichzeitig stellt deren
Befriedigung die Möglichkeit zur Weiterentwicklung dar.
Die Annahme und Zugehörigkeit als zweite Kategorie zeigt das starke
Bedürfnis nach einer unbedingten Akzeptanz der Person sowie das enorme
Affiliationsbedürfnis 3 . In Anbetracht der sozialen Schädigungen, welche sich in
der ersten Auswertungskategorie K 1: Situation vor der Betreuung offenbaren,
ist dieses Bedürfnis mehr als verständlich. Dieser Kategorie wird sicher auch
besonderes Gewicht zuteil, da keiner der befragten Probanden verheiratet oder
in einer festen Beziehung ist. Die getätigten Vergleiche des
Betreuungsverhältnisses mit einer partnerschaftlichen Beziehung stützen diese
Annahme.
Normalisierung als wirksamer Bestandteil der Betreuung bildet die
letzte Kategorie. Sie zeigt auf, dass für die Interviewpartner der Abgleich der
Lebensgestaltungen bedeutsam ist. Durch die selektive Teilhabe der Betreuten
am Leben der Betreuer können Vorbilder und Referenzpunkte gefunden werden
und korrigierend wirken. Die theoretischen Grundlagen dieser Kategorie
entstammen dem in den 60er Jahren entwickelten Normalisierungsprinzip, nach
welchem die Betreuungssituation möglichst dem gesellschaftstypischen Alltag
entsprechen soll. Der Alltag selbst sowie diesen zu bewältigen sei nach dieser
Behandlungsmaxime die heilende Kraft.
5.4 Hypothesengenerierung
Die qualitative Exploration des Forschungsfeldes der ambulanten
psychosozialen Betreuung von CMA nach den Grundprinzipien des CRA dient
3 Def. Affiliation: Affiliation ist die Tendenz, unabhängig von den Gefühlen gegenüber
anderen Personen die Gesellschaft anderer zu suchen. (vgl. Stroebe et al. 2003, S. 656)

Untersuchungsergebnisse
der Generierung von Hypothesen, welche konkrete Ansätze für die weitere
Forschung in diesem Bereich aufzeigen.
Eine Erkenntnis der durchgeführten Erhebung ist, dass der helfenden
Beziehung und der Person des Betreuers wesentliche Bedeutungen
zukommen. Der etwas pauschalen Aussage eines Interviewten, dass man für
eine solche Tätigkeit geboren sein müsse, soll in differenzierterer Form
nachgegangen werden. Es besteht ein Interesse an den Eigenschaften und
Fähigkeiten der Betreuungsperson, welche in der Betreuungsarbeit
hervortreten. Eine erste Hypothese lautet:
Hypothese 1
„Es besteht ein Zusammenhang zwischen den spezifischen
Eigenschaften, Fähigkeiten und/ oder Einstellungen eines Betreuers und
der Wirksamkeit der von ihm praktizierten helfenden Beziehung.“
Ein zweiter Ansatz bezieht sich auf die konsequente Anwendung des
CRA auch als methodisches Instrument. Durch die unterstrichene Bedeutung
der Beziehung in der Betreuung von CMA besteht Grund zu der Annahme, dass
auch die Anwendung des CRA durch die Qualität der Beziehung moderiert wird.
Hieraus leitet sich die zweite Hypothese ab:
Hypothese 2
„Es besteht eine positive Korrelation zwischen der subjektiv
empfundenen Bedeutung der helfenden Beziehung und der Wirksamkeit
der Interventionen des CRA.“

Zusammenfassung und Diskussion
6 Zusammenfassung und Diskussion
Die Zielstellung dieser Masterarbeit besteht darin, die wirksamen
Elemente der ambulanten psychosozialen Betreuung von CMA aus der Sicht
der Betroffenen zu erfassen. Mit Hilfe einer explorativen qualitativen
Untersuchung wurden die subjektiven Einschätzungen und Bewertungen
erhoben und systematisch ausgewertet. Als Ergebnisse wurden in Anlehnung
an die Forschungsfragestellung zwei Wirkdimensionen ermittelt: zum einen
Betreuungselemente als formale Bestandteile, zum anderen
Beziehungselemente als interpersonale Bestandteile der Betreuung.
Tabelle 2: Wirksame Betreuungselemente
Verlässliches, schnell verfügbares Kontaktangebot
Betreuungselemente
Praktische Unterstützung im Alltag
Ermöglichung von Peer- und Neukontakten
Angebote zur Freizeitgestaltung
Tabelle 3: Wirksame Beziehungselemente
Sorge und Versorgung
Reparenting
aufsuchender Kontakt
Direktives Verhalten
Beziehungselemente
Annahme und
Zugehörigkeit
Normalisierung
konstruktive Kritik
Akzeptierendes und respektvolles
Vertrauensverhältnis
Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit
Harmonische Beziehungsgestaltung
Intersubjektivität
Wirksamkeit gegengeschlechtlicher Betreuung
Anteil am Privatleben des Betreuers

Zusammenfassung und Diskussion
Diese Wirkfaktoren sind Merkmale der helfenden Beziehung in der
analysierten Betreuung. Es können Parallelen zu den bekannten
psychotherapeutischen Wirkfaktoren nach Grawe und den 14 Heilfaktoren der
Integrativen Therapie nach Petzold hergestellt werden.
Die therapeutische Beziehung nach Grawe ist wie die helfende
Beziehung der Betreuung signifikant für die Ergebnisqualität der Behandlung
und profitiert in gleicher Weise durch das Reparenting. Die ermittelten
Beziehungselemente sind letztlich detailliertere Beschreibungen der
therapeutischen Beziehung als übergreifenden Wirkfaktor.
Die gefundenen Wirkfaktoren stimmen auch mit Heilfaktoren der
Integrativen Therapie überein: Die Beziehungselemente lassen sich auch gut
als Einfühlendes Verstehen und die emotionale Annahme und Stütze
integrieren. Auch die praktische Hilfestellung als Beispiel für ein wirksames
Betreuungselement findet sich in beiden Systematiken.
Schlussendlich lassen sich alle gefundenen Wirkfaktoren den
Systematiken von Grawe und Petzold zuordnen. Dies bestätigt die erwartete
Wirksamkeit der erhobenen Faktoren. Die vollständige Zuordenbarkeit war
jedoch nicht das Ziel dieser Erhebung, sondern die Ermittlung der subjektiv von
den Interviewpartnern als bedeutsam empfundenen Aspekte. Aufgrund des
breiten Antwortspektrums betonen die Wirkfaktoren die Spannweite der als
hilfreich empfundenen Interventionen und Merkmale. Sie heben weiterhin
aufgrund der besonderen emotionalen Beteiligung in den Interviews zudem die
Bedeutung der Beziehung zur Betreuungsperson hervor.
Bedeutung für die Klientel
Die Ergebnisse der Interviews zeigen auf, dass mit den geäußerten
Forderungen nach Orientierung und Korrektur, Akzeptanz, Fürsorge und
Bindung der Wunsch nach Befriedigung sehr basaler Bedürfnisse besteht.
Dieser Bedarf deckt sich mit den im Theorieteil erwähnten, umfangreichen
Schädigungsprofilen von CMA.

Zusammenfassung und Diskussion
Für diese Klientel bedeutet eine Betreuung mit einer helfenden
Beziehung, in welcher die genannten Wirkfaktoren aktiv werden, eine
Befriedigung grundlegender Bedürfnisse. Dieser Prozess geht offenbar mit
einer Reduktion von Zukunftsängsten und einer höheren Lebenszufriedenheit
einher. Im Interesse dieser Klientel sollte eine helfende Beziehung als
essentieller Bestandteil angebotener Hilfestellungen verankert sein.
Bedeutung für die Fachperson
In der Betreuung von CMA werden hohe Erwartungen an die
praktizierenden Fachpersonen gestellt. Aufgrund der multiplen Schädigungen
von CMA muss die Bezugsperson in sehr unterschiedlichen Problembereichen
Beratung und Unterstützung anbieten können. Dazu ist ein breites
sozialarbeiterisches Fachwissen erforderlich. Die Bereitschaft und Fähigkeit zur
aktiven Unterstützung und praktischen Hilfestellung werden eingefordert.
Gleichzeitig sind medizinische Kenntnisse hilfreich, um gesundheitliche
Beeinträchtigungen frühzeitig erkennen und intervenieren zu können.
In besonderer Weise sind Betreuungspersonen in Bezug auf soziale
Kompetenzen gefragt. Wie die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, ist die
helfende Beziehung ein zentraler Bestandteil der Betreuung. Da CMA jedoch
nicht selten ein hohes Maß an Schädigung in ihrem Sozialverhalten aufweisen,
ist die Beziehungsgestaltung mit diesen keine einfache Aufgabe. Betreuer
werden mit Übertragungsphänomen und partnerschaftlichen
Beziehungsangeboten rechnen müssen, ebenso werden Ängste und
Befürchtungen, aber auch Hoffnungen und Erwartungen an sie herangetragen
werden.
Für eine auf Dauer befriedigende Arbeit mit CMA benötigen Mitarbeiter
eines solchen Hilfeangebotes aufgrund der vielseitigen Anforderungen hohe
Kompetenzen bzw. sind auf deren Ausbildung angewiesen. Die Bereitstellung
von Unterstützung ist demzufolge wesentlich. Regelmäßige Supervision,
Intervision und Praxisberatung sollten fester Bestandteil der angeboten
werden, um die Beziehungsgestaltung reflektieren und modulieren zu können
und gleichzeitig eine Förderung mitarbeiterspezifischer Fähigkeiten zu

Zusammenfassung und Diskussion
ermöglichen. Eine von allen Mitarbeitern vertretene Haltung in der
Beziehungsgestaltung im Sinne eines common sense wird zusätzliche
Sicherheit in der Betreuungsarbeit bieten können. Eine hohe Teamkohärenz
und geringe teaminterne Spannungen werden ebenfalls als wesentliche
Grundlage erachtet, um über die für die Betreuungsarbeit benötigten
Ressourcen verfügen zu können.
Für diese praktische Umsetzung bedeuten die ermittelten Wirkfaktoren,
dass die Mitarbeiter sich ihrer Rolle als „Ersatzeltern“ durchaus bewusst
verhalten können. Durch eltern-typische Verhaltensweisen wie der Vorgabe von
Orientierung, das Äußern der Meinung und das Aufzeigen von Grenzen
profitieren CMA. Die Berücksichtigung des Reparenting bei der Gestaltung der
helfenden Beziehung kann zu korrigierenden emotionalen Erfahrungen führen.
Aber auch das Zulassen von Anteilnahme am Leben des Betreuers und die
Gespräche über Alltagsthemen im Sinne der Normalisierung sind nach den
Interviewergebnissen gewünscht. Als Mitarbeiter scheint hier eine gefestigte
persönliche Haltung erforderlich zu sein, um die Balance zwischen Intimität und
Eigenständigkeit im eigenen Interesse wahren zu können.
Konzeptionelle Relevanz
Stationäre soziotherapeutische Einrichtungen für die Behandlung von
CMA haben immer einen vorübergehenden Charakter und mit der Entlassung
wird zwangsläufig eine dauerhafte Kontinuität durchbrochen. Für ein
ambulantes Behandlungssetting bei der Behandlung von CMA spricht, dass
Betreute hier eine dauerhafte Anbindung finden können. Sie können sich auf
gewisse Weise beheimaten und eine stabile Bindung zu dem Mitarbeiterteam
aufbauen. Diese Option wird als ganz entscheidend gewertet, da alle bisherigen
Maßnahmen durch das Hilfesystem zeitlich befristet waren und oft dann, wenn
die Behandlung wirksam wurde, eine Beendigung erfolgte. Eine Korrektur
dieser Erfahrungen ist möglich, wenn die ambulante psychosoziale Betreuung
zieloffen gestaltet und eine dauerhafte Finanzierung zugrunde gelegt wird. Eine
solche langzeitliche Behandlung berücksichtigt das fundamentale

Zusammenfassung und Diskussion
Schädigungsprofil von CMA, weshalb die konzeptionelle Verankerung in der
ambulanten Betreuung von CMA sinnvoll erscheint.
Die hohe Bandbreite der Antworten bezüglich der als wirksam
empfundenen Elemente lässt darauf schließen, dass die Betreuung auch
aufgrund ihrer ganzheitlichen Wirkungsweise hilfreich ist. Konzeptionell sollten
damit einerseits Betreuungsleistungen, andererseits aber auch Grundhaltungen
in der Gestaltung der helfenden Beziehung erfasst werden. Auf diese Weise
würde eine gemeinsame Ausrichtung des Mitarbeiterteams gefördert und
abgesichert werden können.
Diese gemeinsame Ausrichtung wurde bisher durch den CRA flankierend
beschrieben, welcher die Grundhaltung durch seine Prinzipien vertritt: dass
positive Verstärker Verhaltensänderungen fördern und Anreize dafür im Umfeld
des Betreuten gefunden werden sollten. Entstehungsgeschichtlich liegt die
Entwicklung des CRA in der sogenannten kognitiven Wende der
Verhaltenstherapie und ist durch die seit den 90er Jahren begonnene
emotionale Wende noch nicht beeinflusst. Die Ergebnisse der durchgeführten
Erhebung deuten jedoch sehr deutlich darauf hin, dass die Person des
Betreuers und damit die Art der helfenden Beziehung ganz entscheidenden
Einfluss auf Verhaltensänderungen haben (im Sinne sozialer Erwünschtheit).
Der CRA beschreibt dadurch keine Haltung der Beziehungsgestaltung, was in
der Konzeption anwendender Einrichtungen separat ergänzt werden sollte.
Institutionelle Dimension
Auf der institutionellen Ebene bedeutet die Vorhaltung einer wirksamen
ambulanten psychosozialen Betreuung die Akquise und möglichst dauerhafte
Bindung von kompetenten Mitarbeitern. Zur Qualitätssicherung, aber auch zur
Wahrnehmung der Fürsorgepflicht sollten die Förderung von Aus- und
Fortbildungen sowie begleitender Leistungen wie Supervisionen forciert
werden. Die Ausstattung der Mitarbeiter mit materiellen Hilfsmitteln wie
beispielsweise internetfähigen Smartphones und Dienst- statt Privatfahrzeugen
erleichtert die alltägliche Arbeit, unterstützt aber auch die Wahrung persönlicher
Grenzen.

Zusammenfassung und Diskussion
Perspektiven für zukünftige Forschung
Aufgrund des explorativen Charakters der durchgeführten Erhebung
bieten sich mehrere Ansätze für die weitere Forschungsarbeit. Die Bestätigung
der Wichtigkeit der helfenden Beziehung kann als Ausgangspunkt für weitere
Forschungen herangezogen werden. Von Interesse sind die Kompetenzen und
Merkmale des Betreuers, welche eine hilfreiche Beziehung gelingen lassen.
Diese Kenntnisse könnten sich bei angemessenem Einsatz in der
Personalauswahl positiv auswirken, weil einerseits kompetentere Mitarbeiter
ausgewählt werden könnten, welche andererseits aufgrund Eignung für diese
Arbeitsweise zufriedener und weniger schnell überlastet in dieser
anspruchsvollen Arbeit wären. Mit diesem Wissen könnte in der
Einarbeitungsphase auch auf eine gezieltere Förderung dieser Kompetenzen
hingewirkt werden.
Von der helfenden Beziehung profitieren Klienten – oder auch Betreuer?
Aufgrund der sehr geringen Mitarbeiterfluktuation steht zu vermuten, dass diese
Form beruflicher Tätigkeit trotz ihrer Herausforderungen einen lohnenden
Gegenwert haben könnte. Eine Befragung der Mitarbeiter könnte Klarheit in
dieses Forschungsfeld bringen.
Im Hinblick auf die Weiterentwicklung des CRA soll die Frage
aufgeworfen werden, inwiefern die Vorzüge der sogenannten emotionalen
Wende der Verhaltenstherapie in diesen Ansatz integriert werden können. Dies
scheint insofern bedeutsam, da ein Privileg dieses Ansatzes seine umfassende
Ausrichtung ist, welche nicht nur auf die Motivationsbildung zielt (vgl.
Motivational Interviewing), sondern gleichzeitig methodische Angebote zur
Förderung benötigter Fähigkeiten (Skillstraining) bereitstellt.

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Tabellenverzeichnis
8 Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Soziodemografische Daten Seite 42
Tabelle 2: Wirksame Betreuungselemente Seite 70
Tabelle 3: Wirksame Beziehungselemente Seite 70
Tabelle 4: Interview A Zusammenfassung Seite 130
Tabelle 5: Interview B Zusammenfassung Seite 136
Tabelle 6: Interview C Zusammenfassung Seite 140
Tabelle 7: Interview D Zusammenfassung Seite 149
Tabelle 8: Interview E Zusammenfassung Seite 153
Tabelle 9: Interview F Zusammenfassung Seite 158

Anhang
9 Anhang
9.1 Einverständniserklärung zum Interview
1. Die Teilnahme am Interview ist freiwillig.
2. Das Interview dient dem folgenden Zweck: Interview für eine
Masterarbeit an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in
Köln.
3. Für die Durchführung und Auswertung ist verantwortlich:
Matthias Häring
Caritas Suchthilfe Heppenheim, Kalterer Str. 3A, 64646 Heppenheim
Tel.: 06252-700590 E-Mail: m.haering@caritas-bergstrasse.de
4. Die Auswertung wird von der Hochschule betreut. Die
Verantwortlichen tragen dafür Sorge, dass alle erhobenen Daten des
Interviews streng vertraulich behandelt und ausschließlich zum
vereinbarten Zweck verwendet werden.
5. Der Interviewte erklärt sein Einverständnis mit der digitalen
Auszeichnung und wissenschaftlichen Auswertung des Interviews.
Nach Ende der Aufnahme können auf seinen Wunsch einzelne
Abschnitte oder das gesamte Interview gelöscht werden.
6. Die Audiodatei verbleibt auf der Speicherkarte des Diktiergeräts und
wird nach abgeschlossener Verwendung unwiderruflich gelöscht.
Ich kann diese Erklärung jederzeit ganz oder teilweise widerrufen, ohne
dass Nachteile für mich entstehen.
Mit den oben genannten Punkten erkläre ich mich einverstanden.
Ich habe eine Ausfertigung der Einverständniserklärung erhalten.
Heppenheim, den ______________
Datum
____________________
Unterschrift

Anhang
9.2 Transkribierte Interviews
9.2.1 Interview A
1. I: Also Herr A, jetzt zeichnet das Diktiergerät auf, das sieht man an der
roten Lampe da. Ähm.. ich fange mal an Sie zu fragenY sie sind ja
schon seit längerem in verschiedenen Betreuungen oder Einrichtungen
gewesen.
2. A: Na was heißt verschieden, ich meine ich bin in [Entgiftungsstation]
gewesen und es war zuletzt jetzt vor zwei Jahren dürfte jetzt zwei Jahre
her sein und zwei und’n viertel Jahr und davor war ich vor 10 Jahren war
ich mal in der [Entgiftungsstation] gewesen für 2 Wochen und nochmal
10 Jahre davor 1992 genau äh hab ich ne Reha gemacht für
Alkoholabhängigkeit und so weiter. Und da sind die drei Sachen da die
bei mir anstanden. Jetzt bin ich noch in Betreuung bei der Frau SY
ambulant. Ich seh die einmal im Monat und ja und so wies mir geht und
ja, und ob sie noch Ideen hat wie man was verbessern kann oder so ..
und ja..
3. I: Okay, und Herr A bei Ihnen ist das ja soY Sie haben gesagt dass Sie
seit 1992 im Prinzip schon mit dem Alkoholkonsum aufgehört haben ..
4. A: Da warn Scheidungsverfahren das sich ziemlich lange gezogen hat
durchdurchgestanden weils nach der Scheidung immer noch nicht
aufgehört hat hab ich irgendwie so hab ich bewusst getrunken, also nicht
abhängig getrunken sondern ich wollte trunken sein sagen wir mal so,
also war keine körperliche Abhängigkeit in dem Sinn und ich wollt mich
einfach betäuben und ja das ging dann ziemlich heftig, und ich nahm zu
der Zeit dann auch noch.. ich hatt nen Herzinfarkt 1994 und seitdem hab
ich .. ähm.. auf diese Art und Weise bin ich überhaupt zu den
Benzodiazepinen gekommen, ich hatte immer Herzangst gehabt,
Blutdruck hochgeschossen und eindeutig psychosomatische Reaktion
und auf diese Weise bin ich überhaupt zu äh zu äh Benzodiazepinen
gekommen und ich wusste am Anfang gar nicht was das ist. Für mich
war das ne Tablette, ja, ich wusste net wie abhängig das macht und was
das heißt einen Entzug zu machen und das war mir überhaupt alles nicht
klar. Das hab ich gemerkt als ich das probiert hatte..
5. I: Okay, und jetzt ist das ja bei Ihnen, Herr A, diese Situation mit Ihrer
Suchtmittelproblematik, die hat sich ja im Laufe der Jahre, wenn ich das
richtig verstanden habe, immer so’n bisschen verschlimmert..
6. A: Das war jetzt, das war, jetzt, ich hab ja, ich hab ja ne Zeit ohne
Suchtmittel gehabt äh und ähY
7. I: Wann war das?
8. A: Das war jetzt von ´92 bis ´95, tja, dann ´94 hatt ich nen Herzinfarkt da
bin ich ach ähm auch unter anderm durch Herzangst zu nem
Neurologen, hier Dr. MY, und der hat mir damals Tafil verschrieben äh

Anhang
Benzodiazepin ist das, also dasselbe wie der Michael Jackson [lacht]und
äh und das hab ich eigentlich regelmäßig über paar Jahre genommen,
immer eine, ja, und das ähm irgendwann kam mer mal auf die Idee mal
nen Entzug zu machen das hab ich probiert mit äh ins
[ENTGIFTUNGSSTATION] da ähm in [Stadt] und äh also ich bin vollig
ähm und die ham mir Betablocker gegeben Y und äh n Haufen
Medikamente noch und statt eine Tablette morgens mittags abends eine
ja da hab ich gesagt der Entzug fängt ja gut an [lacht] und äh.. jedenfalls
war bin ich da in ne Amnesie reingekommen, ich weiß das nie mehr
genau wie äh wie so’n Abschluss.. also ich bin dann dort weg weil ich
auch gefallen bin und hab mir da Wirbel gebrochen und äh und hat sich
erst im Nachhinein rausgestellt dass die gebrochen sind und jetzt bin ich
da nach 3 Tagen weg äh Kreisklinik gekommen und bin ich da
untersucht worden wollte da weg und kann mich aber an das
Abschlussgespräch gar nicht mehr erinnern. Und wie ich .. äh .. mehrere
gesY äh also Stunde mehrere gesessen bin ich da mit dem Taxi nach
Hause gefahren. Wie hab ich dann zu Hause gemerkt keine Tablette..
da ging das los mit Krampfen und bin ich in die [Entgiftungsstation]. Zum
Entzug. Das war ne Geschichte, das war 2001 gewesen, die ham mich in
der [Entgiftungsstation] total entzogen mit diesem äh äh Tafil und der hat
mich über zwei Jahre lang hat mich n Freund sozusagen versorgt, ich
konnt gar net ausm Haus. War so so irgendwie war des das war
unmöglich da da da war überhaupt was zu machen.
9. I: Wie sah das denn bei Ihnen, Herr A, in den letzten 5 Jahren aus mit
dem Suchtmittelkonsum?
10. A. Ja das, das war, das hat äh in Bezug auf Schmerzmittel .. äh.. also ich
hatt immer so n Druckgefühl äh unterm Brustbein gehabt hab gedacht
das kommt vom Herzen ja hab Schmerzmittel bekommen vom Hausarzt
verschrieben, ja also in den letzten 5 Jahren, also den ersten 2 von den
5, ja, war das ich starke Schmerzmittel genommen habe und äh
Diazepam, bis es ausm Ruder gelaufen ist, ja. Und äh ja seit ich jetzt
wieder in der [Entgiftungsstation] war ist äh die Schmerzmittel total weg
ja aber Diazepam sukzessive erst weg. Ausschleichen, ja. Aber auch
nicht ganz, so dass mer auf 10 oder so kommt. 10mg, ganz geht nicht
weil ich ich dann dann ich krieg das mit’m Herzen nicht hin nicht hin, ja.
Die Betablocker kann ich schlecht nehmen, das geht in die Beine rein,
und hab ich ne Verschlusskrankheit der Beine und Gefäße usw. ja, hat
sich erledigt..
11. I: Herr A, wie kam das denn, dass sie in die Betreuung gekommen sind?
12. A: Ich weiß gar nicht mehr wie das überhaupt zustande kam, ich war
oben am [Straße] bei dem Arzt, wie heißt der Y ich weiß gar nicht mehr
wie der heißt .. mir fällt der Name nicht ein, da hab ich wöchentlich ne
Therapiesitzung gemacht und der muss das mal angeregt haben äh..
13. I: Dr. W...?

Anhang
14. A: Ja, Dr. WY, der muss das angeregt haben mit hier, so, ja, da kam
glaub ich zuerst die Frau M1 zu mirY.
15. I: Und haben sie gemerkt, dass sich bei Ihnen durch die Betreuung, in
Ihrer Situation etwas verbessert?
16. A: Auf jeden Fall. Ich meine ähm im Prinzip ist äh.. war ich ja völlig
alleine und hab mich in irgend nem äh Kreis gedreht mit meinen
Gedanken und äh kam überhaupt nicht mehr vorwärts, denken, hab mich
nicht verstanden gefühlt von den Ärzten, was ihnen noch so noch n Teil
ist die das kannste nicht begreifen äh n Herzkranker versteht mich eher,
sag mer mal so, ja, weil das Gefühl.. das kommt.. so weiter.. da ist die
Panik sofort da, kommt die Herzangst und das.. ja und jaY ich hab mich
ich hab mich quasi durch meine Krankheit, das ist mir nichts mehr
zugetraut hab völlig isoliert. Ich hab keine Freunde nimmer besucht, ich
hab äh, ja , ich war vor allem nur noch zu Hause, und so Einkaufen
gehen, zum Arzt gehen, das mach ich jetzt zwar auch noch, hat sich
zwar nicht wesentlich verbessert, am Montag mit zum Grillen gegangen,
heut war mer noch in Weiterstadt und ich hab halt .. ne ziemliches
Vertrauen in die Betreuer hier und, da brauch ich eigentlich auch kein
Blatt vor den Mund zu nehmen, wir können uns auf normaler Ebene
unterhalten, net so, net so dass auf der einen Seite da sitzt äh Therapeut
und auf der andern der Klient, und diese Ebene ist net so, also auf der
Ebene läuft’s nicht sondern es läuft legerer sag ich mal und und äh die
Aussagen sind trotzdem die gleichen. Also ja, also es kommt mir
entgegen.
17. I: Ist das eher auf Augenhöhe?
18. A: Ja, auf Augenhöhe. Und ähY ich sprech ich sprech trotzdem genauso
offen äh oder vielleicht sogar offener noch drüber als äh bei Frau SY in
der Klinik in äh, wenn ich die einmal im Monat seh oder so.
19. I: Was würden Sie sagen, Herr A, weshalb Ihnen das leichter fällt offen
zu reden? In dem Betreuten Wohnen?
20. A: Na weil eben so’n Grundvertrauen eben da ist und äh ich lern ich
lerne auch mein Gegenüber einzuschätzen, ne, und dadurch entsteht
Vertrauen und von daher kann ich da offener sein als äh .. und die
kennen mich auch besser, ja, also ich brauch nicht tausend Worte zu
machen um verstanden zu werden, ja, weil mer doch schon etliches
durchgekaut haben und brauch ich mich nicht ständig zu wiederholen
sondern brauch nur kann nur in wenigen Sätzen sagen was Sache ist.
Der Frau SY in der [Entgiftungsstation] muss ich von Adam und Eva
anfangen, weil es ..zu Y abgehoben irgendwie, ja, .. und, .. da spürt man
so, sie hat die Macht und ich bin der Patient, oder eine arme Sau und
das gefällt mir nichtY
21. I: Und.. was würden Sie sagen ähm, Herr A, im gesundheitlichen
Bereich, hat Ihnen da das Betreute Wohnen weiter geholfen?

Anhang
22. A: Also ich hab jetzt so n Rekord aufgestellt sogar also äh ich hab
insgesamt 11 Stents im Körper wissen se was Stents sind, also hatte äh
auch ne Bypass-Operation 1999 am Herzen und .. ja die Situation ist
ziemlich schlecht eigentlich, die zwei Bypasse sind zu und äh die rechte
Herzkranzarterie ist zu, und das heißt also bei mir arbeiten vielleicht
noch 2/3 vielleicht vom Herz, 1/3 nicht. Das merk ich ja auch.. und.. äh..
ja.. ich hab jetzt in den letzten 2 Jahren war ich weniger häufig in der
Klinik, also wegen dem Herzen und so weiter, das hat sich also
minimiert. Ich war vor nem Jahr, und da war nix gewesen, also ich glaub
dass da auch ähY so dass die Psycho doch so einen Teil dazu beiträgt
dass sich Gefäße verschließen dass sich Gefäße entzünden können,
dass das möglich ist, also im Fernsehen hab ich schon Berichte
gesehen, ich guck die immer, und äh also die haben das erwähnt, dass
auch Stress Entzündungen machen kann, also der Herzkranzgefäße..
23. I: Versteh ich das dann richtig, dass es Ihnen von der Psyche her besser
geht?
24. A: Ja, das das geht einem besser, ja klar.
25. I: Und das würden Sie mit dem Betreuten Wohnen in Verbindung
bringen?
26. A: Auf alle Fälle, ja. Es ist es ist im Moment das einzige was ich
überhaupt habe, sonst sonst sonst ähm ist da ist da ist mein Sohn ich
hab ein gutes Verhältnis mit dem. Der wohnt mittlerweile in [Stadt], der
ist also auch nicht jedes Wochenende, der hat ne Freundin und äh
arbeitet äh das wird auch weniger, das steht ihm auch zu, der ist 24 fängt
an sein eigenes Leben zu leben, hat auch seinen Bachelor gemacht in
Informatik und der arbeitet jetzt auch schon zwei Jahr.
27. I: Und was würden Sie sagen, Herr A., wie schafft dass das Betreute
Wohnen, dass es Ihnen besser geht?
28. A: Na das ist zum einen diese lockere Umgangsform, die unkompliziert
ist irgendwie, also Y wie soll ich das beschreiben, das ist ein
unkompliziertes MiteinanderY also das ist nicht ich bin der Therapeut
und duY sondern das ist auf ner gleichen Ebene, ich muss hier
niemandem ein X für ein U vormachen oder so..
29. I: Das heißt, kann es sein, dass weniger Erwartungen an Sie gestellt
werden als das in anderen Behandlungen bisher der Fall war?
30. A: Das mag sein, dass das so ist, aber das ist mit Sicherheit nicht der
Grund, dass es mir besser geht, dass es mir besser gehtY
31. I: Ich meine das eher so von dem, dass andere Behandlungsformen
mehr von Ihnen erwarten, also z.B. abstinente Lebensweise oder
Verzicht auf Suchtmittel und bei uns das eher akzeptiert wird?
32. A: Nee, das ist da genau so, ein gewisses Maß von Suchtmitteln wird da
auch toleriert, aber die Tendenz sagt auch.. äh langsamer Entzug und
ganz entziehen werde ich nicht können, das wird nicht mehr gehen, das

Anhang
sind jetzt fast 20 Jahre, so, das geht nicht mehr. Ist auch nicht so dass
ich da irgendwas spüre oder so in dem Sinn, ist nicht..
33. I: Wie sieht das denn aus mit sozialen Kontakten, Herr A, ist das denn
so, dass das Betreute Wohnen da einen Einfluss bei Ihnen darauf hat?
34. A: Ähm.. also es ist so dass ich fast nur Kontakte zum Betreuten
Wohnen habe, sag ich mal. Also ich hab so zu nach außen kaum
Kontakte .. das ist das ist da hab ich sehr wenig gemacht, da bin ich sehr
faul, oder mir geht’s schlecht, was soll ich da erzählen, also das ist
schwierig, ich hab so Freunde, so nen Freundeskreis gehabt, ich war 4
Jahre in der Türkei, 85, äh 87 – 91, hab geheiratet und ähmY ja, da ist
der Kontakt so abgebrochen, zu meinen Freunden. Und hinterher ging
das zurückgehen, das ist nicht so gelaufen, nicht so gelaufen in der
Türkei mit dem Tourismus, ich hab zwei Häuser gebaut und war da mit
der Inneneinrichtung war da nicht so richtig fertig das Geld fehlt noch...
35. I: Herr A, wie hat das Betreute Wohnen das denn geschafft, dass sie
mehr soziale Kontakte haben?
36. A: Ich hab nicht gesagt, dass ich mehr hab, ich hab gesagt, dass ich fast
ausschließlich Kontakte zum Betreuten Wohnen habe, ne. Also ich seh
den Herrn M2, zum Beispiel, zwei Mal so pro Woche, mindestens, ja,
oder es ist ein Grillfest, oder es ist sonst was, und da komm ich mal raus,
aber ich hab sonst wenig Kontakte.
37. I: Kann man denn sagen, dass das Betreute Wohnen, wenn Sie sagen,
dass es nicht mehr Kontakte sind, die Kontakte vielleicht intensiver sind?
Von der Häufigkeit der Gespräche her oder der Verbundenheit her?
38. A: Tiefer und vertrauter, da auf alle Fälle, ja.
39. I: Hat denn das Betreute Wohnen auch einen Einfluss auf Ihre
Tagesstruktur gehabt, also wie Sie Ihren Tag verbringen?
40. A: Na das ist so ne Sache. Mit meinen ganzen Handicaps neig ich immer
zum Rückzug so, mir geht’s schlecht, und das geht nicht, und da wird
heute wieder ne neue Tablette ausprobiert und da ist der Blutdruck auf
90 zu 60 nunter, darum [lacht], dass ich mich zu Hause oft so mit meinen
Tabletten, was ich da so verschrieben gekriegt hab äh rumschlage und
äh ja, dann gar nichts anderes machen kann. Ich meine dann simmer
halt, ist Herr M2 dann vorbei gekommen, sind nach [Stadt] gefahren, und
dann ist der Blutdruck auch bissl in die Höhe und dann gings mir auch
besser [lacht], ja und, das ist ist, ja, das hängt an so vielen kleinen
Dingen, ich hab so eine Liste an Medikamenten, die ich schlucken muss,
ich glaub so 15 verschiedene, Y
41. I: Tut Ihnen das denn gut, dass Herr M2 Sie immer mal zu
Unternehmungen einlädt?
42. A: Ja klar, sonst würde ich das nicht machen, würde zu Hause sitzen
bleibenY
43. I: Warum nicht?

Anhang
44. Ja, dasY wenn de weggehst musste erstmal den Geldbeutel aufmachen
[lacht], das ist ma die eine Sache, dann ist es oft auch so das Zutrauen,
das reine unternehmen, also ich frag mich zu was, ich hab auch so
Befürchtungen, so alte Freunde zu besuchen, alle ham s zu was
gebracht und ich sitz da und ja, .. und beziehe aufstockende
Grundsicherung, das ist irgendwie beschissenes Gefühl..
45. I: Wie geht’s Ihnen denn mit Ihrer materiellen Situation?
46. Na das ist ziemlich schlimm, weil eigentlich, es gehört so vieles mal neu
gemacht in der Wohnung auch, neuer Teppichböden, Küche und
Restliches und .. dafür ist kein Geld da.
47. I: Haben Sie den Eindruck, dass das Betreute Wohnen Sie dabei
unterstützen kann?
48. A: .. schwierig, wir hatten mal zu Anfang .. mir hatten mal so angedacht,
ich glaub.. ich glaub das war sogar ne Idee von mir so so so ne
Wohngemeinschaft zu machen. Davon bin ich weggekommen, einfach
weil die LeuteY ich hab da auch so ne Selbsthilfegruppe so gegründet,
und mit den Leuten mit denen ich mich getroffen hab, die sind ok, die
können auch mal nichts trinken, aber die verzichten nicht ganz auf den
Alkohol. Und von daher kommt da für mich ...äh ein Zusammenwohnen
ist da für mich nicht möglich. Ich hab das also beim JY, also am Telefon
das reicht mir dann schon, so irgendwie, wenn jemand zu viel getrunken
hat oder so, so auf die Art, und dann zusammen wohnen da würde ich
selbst nen Rückfall riskieren und das würde mich wahnsinnig nerven,
wenn einer dann.. zum Schluss kommt die Selbstmitleidphase und .. das
nervt einfach nur. Ich werd dafür nicht bezahlt und das muss
gleichberechtigt sein.
49. I: Haben Sie den Eindruck, dass das Betreute Wohnen Sie dabei
unterstützt, Ihre finanziellen Angelegenheiten zu regeln, also dass es
dafür Unterstützung gibt?
50. A: Also wir haben schon Anträge ausgefüllt und ich hab auch nochn auch
noch auf eigenen Wunsch noch nen Betreuer, den Herrn FY, also wenn
ich mich mit den Ämtern rumschlagen muss, das geht mir ganz schön
auf die Pumpe, und da da bin ich froh, wenn da noch eine Institution,
oder eine mit Stempel noch hinten dran steht, weil ich selbst, mich regt
das auf.. ich werd dann unsicher dann bleibt mir die Luft weg, dann kann
ich nicht mehr richtig..
51. I: Und mit dieser Unterstützung geht das Ihnen besser?
52. A: Auf alle Fälle ja, da kann ich auch mal sagen, dass ich Hilfe brauch,
oder ich lass mir was schreiben, kann mal herkommen, mir was faxen
lassen, so, undY
53. I: Herr A, gibt es denn Ziele, die Sie im Moment in Ihrer aktuellen
Situation haben?
54. A: Ja die ganze Zeit hatte ich so das Ziel, aus der Wohnung
rauszukommen, und so vielleicht mal ein bisschen mehr Leben in mein

Anhang
Leben zu kriegen, aber es äh zeichnet sich nichts richtig ab, also so
gemeinsames Wohnen mit Leuten äh wo ich gedacht hab das wär
möglich, und auch mit der Selbsthilfegruppe, da hab ich sowas angeregt,
da stellt sich eben heraus, dass die Leute nicht abstinent leben. Und da
ist ein Zusammen wohnen nicht möglich für mich, und das mit dem
Betreuer, ich häng so ein bisschen fest, einerseite häng ich in der
Wohnung fest, auf der anderen Seite ist das so ein Haus, wo grad noch
so jemand merkt, wenn ich nen Herzinfarkt hab, also wenn mans so will.
Und in nem Hochhaus würde ich mich bissl unwohl fühlen, und da war
mal ein Angebot, mit ner Wohnung wie bei mir, so Ausrichtung Süd-
West, wenn da den ganzen Tag die Sonne drauf knallt, das macht mir
wahnsinnig zu schaffen. Ja, so auch, das muss auch ne Wohnung sein,
die bisschen anders geschnitten ist, also nicht nach Süden, ich kann mit
nem Balkon nichts anfangen, die Hitze ist einfach zu viel für mich..
55. I: Herr A, ich lenk das Gespräch nochmal ein bisschen in ne andere
Richtung, mich würde noch interessieren: was würden Sie sagen , sind
noch Erfolge oder Ziele, die Sie mit dem Betreuten Wohnen erreicht
haben? Was sind Dinge, wo Sie den Eindruck haben, dafür hat sich das
Betreute Wohnen gelohnt oder dafür wars gut, diese Maßnahme in
Anspruch zu nehmen?
56. A: Na sag mer mal so, ich hab jetzt feste Ansprechpartner überhaupt, ob
das in der [Entgiftungsstation] ist, ob das der Betreuer ist, oder der Herr
M2 von hier, weiß Gott wer noch, M3 und ist ist noch die Frau M4
dazugekommen, und da ist schon gut dass Ansprechpartner da sind,
wenn was ist, also wenn was ist kann ich jederzeit da drauf zurück
greifen, dass ist schon mal viel wert, und mit den Tabletten usw., das hat
sich stabilisiert, also ich hab kein Bedürfnis da auszubrechen und mich
zu betäuben, das ist überhaupt nicht der FallY..
57. I: Würden Sie sagen, dass das Betreute Wohnen Einfluss hatte auf den
Tablettenkonsum?
58. A: Ich sag mal insgesamt ist ne stabile Situation immer besser.
59. I: Ist die dadurch gefördert worden, dass der Herr M2 mit Ihnen diesen
Kontakt hatte?
60. A: Ich denke auch, ich denk schon dass das ne Rolle spielt. Ich wills
auch nicht, aber ich glaub das wäre halt allein schwieriger, ich würde mir
nachher wieder künstlich Probleme schaffen, indem ich immer in meinem
Denken mich im Kreise drehe und so anfange zu verzweifeln, das
vielleicht wieder so ein Drang entstehen könnte, ich hab überhaupt
keinen Drang danachY
61. I: Wissen Sie denn, wie der Herr M2 es schafft, sie da raus zu bringen?
Aus dem Gedankenkreisen?
62. ..dadurch das er einfach Ahnung hat, macht Vorschläge und.. in [Stadt]
wegen dem Computer, meiner ist ziemlich lahm, und den hab ich auch
von ihm, hab jetzt auch nen Internetanschluss, aber der ist so lahm, dass

Anhang
man kein Video gucken kann, also ist zu langsam dafür. Aber das ist
auch wieder ne Möglichkeit, da hab ich angefangen, er hat mir auch nen
Foto geliehen, das hab ich früher mal gemacht, das sind so Sachen, die
verschüttet gegangen sind, also chronischer Geldmangel, sag ich mal
so, kann ich mir auch keine Geräte oder sowas teures kaufen, ja und da
hab ich mit Fotografieren angefangen und Musik wieder aufgenommen,
das sind alles so Sachen, die verschüttet gewesen sind, Musik und
Fotografie sind so zwei Hobbys von mir gewesen, die ich überhaupt
betrieben hab.
63. I: Dass Sie in diesen Bereichen mehr machen wollen, Herr A, hat das
eher der Herr M2 angeregt oder kam die Idee eher von Ihnen?
64. A: Wir sind vielleicht im Gespräch mal vielleicht drauf gekommen.. er hat
ein Foto von mir gesehen an der Wand, und da hat gesehen, dass ich
was mit Fotos am Hut habe, und dann er sich wohl überlegt, wie mer das
anstellen kann, da hat er mir so ne Gebrauchte von ihm, die ist defekt
schon, aber macht nix, die hat er mir für ne Weile zur Verfügung gestellt
und da hab ich am Anfang ziemlich viel, jetzt ist es ein bissl weniger, und
das ist jetzt auf dem PC drauf, ja, hatt ich ja alles nicht gemacht.
65. I: Ging es Ihnen damit besser?
66. A: Mir gings besser. Ich wusst am Anfang gar nicht wie das geht, ja, war
noch den alten Foto gewöhnt mit Dias und so, da hab ich auch noch
einen, schade dass er nicht geht..
67. I: Herr A, ich hab noch zum Abschluss eine Frage, was würden Sie denn
sagen, wenn dieses Betreute Wohnen, wenn das enden würde, was
würden Sie denn am ehesten vermissen?
68. A: Ja, die Kontakte, Kontakte einfach. Das ist, wie soll ich das
beschreiben, Y das ist das is ne gewisse Vertrautheit, ich wär wieder
alleine in dem Sinne. Und das ist nicht gut für mich, das tut ja keinem
gut, das wäre nicht so gut.
69. I: Würde Ihnen da auch so ein stückweit der .. Lebenssinn wegbrechen?
70. A: Ja, so das Rückgrad würde es mir so ein bisschen brechen. So, das
Gefühl, da irgendwie noch Leute auf meiner Seite zu haben, na. Jetzt,
wenn ich da zum Beispiel dran denk, die Frau SY mich in äh ich mein
ich sollte da in die Tagesklinik in [Stadt] mal gehen, zweitens weiß ich
gar nicht was für ein Laden das da ist, ob das für mich das Richtige ist.
Das sind so Entscheidungen, wo mir der Herr M2 oder einer vom
Betreuten Wohnen mir helfen kann, ob ich das machen soll, ob ich da
überhaupt hin pass, ich hab da überhaupt keine Vorstellungen davon,
was da überhaupt läuftY
71. I: Das heißt, Sie wären dann wieder so ein bisschen auf sich selbst
geworfen?
72. A: Ja, ja. Ja, das wäre glaub ich ziemlich heavy, weil da hab ich mich
dran gewöhnt so, so a bissl Unterstützung zu haben, und wenn das
wegbrechen würde, dann wäre ich wieder ziemlich alleine.

Anhang
73. I: Das heißt, diese Kontakte, das würde Ihnen sehr fehlen?
74. A: Total, ja. Das wär.. ich wär wieder alleine in dem Sinn.

Anhang
9.2.2 Interview B
1. I: Also, Diktiergerät läuft jetzt, mich würde mal interessieren, Sie haben ja
gesagt Sie haben ein Alkoholproblem und eine bipolare affektive
Störung, was Sie schon mal für Behandlungserfahrungen hatten..
2. B: Hm, ich sag mal, in der Richtung, also was ich jetzt mit Alkohol, ich
hab drei Entgiftungen gemacht und bin dann aber auch wieder nicht
direkt wieder raus, sondern bin dann medikamentös wieder neu
eingestellt worden, also mit Psychopharmaka, Richtung manisch
depressive Perioden.
3. I: Haben Sie mal ne stationäre Entwöhnungsbehandlung mitgemacht?
4. B: Ja.
5. I: Wieviele waren das?
6. B: Eine.
7. I: Und wann war diese?
8. B: Die war im letzten Jahr.
9. I: 2012..
10. B: Hm, 2012 auf dem [Entwöhnungsklinik].
11. I: Und im Anschluss an die Entwöhnungsbehandlung..
12. B: Adaption hier in [Stadt].
13. I: Das ging bis März 2013?
14. B: Bis Ende Februar, no, ja, klar..
15. I: ÄhmY Herr B., wenn Sie jetzt diese..
16. B: Aber ich also hab zwecks therapeutischen Maßnahmen ich hab aber
psychosomatische Rehas gemacht, also in Kliniken.
17. I: Wissen Sie, in welchen Jahre diese waren?
18. B: Ph, das ist schon 8 Jahre her, in [Stadt].
19. I: 2005?
20. Hm..
21. I: Wenn Sie diese Behandlungen, die sich bisher gemacht haben, mit
dem vergleichen, wie das jetzt im Betreuten Wohnen läuft, was würden
Sie sagen, was sind für Sie so Unterschiede in der Herangehensweise
oder in der Versorgung? Wo dran könnte man das fest machen, was
anders ist?
22. B: Hm, also was ich jetzt an der Betreuten Wohnen sehr schätze, ist das
es eine alltagstaugliche Geschichte, man kriegt in seinem Alltag
geholfen, das finde ich wichtig. Um Sachen zu meistern.
23. I: Wie sieht das bei Ihnen aus Herr B, wo könnte so eine Unterstützung
ansetzen bei Ihnen?
24. B: Na fang mer am Anfang an, bei der Wohnungseinrichtung. Möbel,
also es wurde mir geholfen, dass ich meine Möbel hier hoch bekam und
auch Gebrauchte dazu kaufen konnte, die ich dann transportieren
konnte, dann, ob das jetzt Geschichten mit dem Auseinandersetzen mit
dem Jobcenter oder mit äh Behörden, also alles mögliche, ich finds
Klasse. Man hat ständig nen Ansprechpartner, äh, man wird sofort

Anhang
beachtet, geachtet und man brauch nicht auf nen Termin zu warten, der
ein zwei drei Wochen vielleicht entfernt liegt, sondern.. das passt genau.
Wenn ich heut anruf, oder wenn ich jetzt anrufen würde, dann wüsste ich
ganz genau, dass innerhalb von 10 Minuten jemand zurück ruft.
25. I: Diese Unterstützung bei den Behördengängen, Herr B., wie kann
sowas aussehen oder was ist für Sie dabei hilfreichY was das Betreute
Wohnen leistet?
26. B: Weil die Behörden einfach ganz anders reagieren, wenn jemand vom
Betreuten Wohnen anruft als wie ich als Privatperson [lacht].., da gehn
sie zumindest ans Telefon. Die Sachen zu meistern sind nicht unbedingt
das Problem [grinst] Y Kontakte herzustellen .. [wieder ernst] na ich
muss jetzt dazu sagen, trotz diesem Betreuten Wohnen hab ich noch
nen amtlichen Betreuer, den hab ich also letztes Jahr in ner
Krisensituation.. das hat man mir empfohlen und äh ich war finanziell in ..
bin ich in ner Privatinsolvenz, und da hab ich das für sinnvoll angesehen,
dass ich mir diese Hilfe noch hole. Das ich jetzt bis Februar läuft diese
Insolvenzgeschichte nächsten Jahres, dann sind 7 Jahre rum, die muss
ich jetzt glatt über die Runden kriegen, dass ich da, wie sagt mer, frei bin
[lacht]. Freies Mitglied der Gesellschaft.
27. I: Wie kam das eigentlich, dass dieses Betreute Wohnen für Sie
beantragt wurde oder Sie das in Anspruch genommen haben?
28. B: Also ich kann Ihnen das ganz genau sagen, man hat mich dann von
ner Adaption.. ich wusste gar nicht dass es sowas gibt, und dann hat
man mir das ans Herz gelegt und dann bin ich einfach hier runter und
hab mich einfach informiert bein Herr M2, so ist das zustande
gekommen.
29. I: Das heißt Sie haben ein Vorgespräch geführt, und was hat letztlich
dazu beigetragen, dass Sie sich dafür entschieden haben?
30. B: ich hab einfach auch eingesehen, dass äh dass... ich war neu hier, die
Stadt war neu, ich hab mich ein bisschen unsicher gefühlt, und ich sag
mal, das hat mir das hat mich gereizt in der Zeit dass ich ne
Unterstützung hab. Zusätzlich weil meine Schwester zwar jetzt in [Stadt]
wohnt, das ist ja auch ein Grund, weshalb ich auch nur so in der Ecke
gelandet bin, sage ich mal aber äh man kann ja nicht alles von der
Familie daY ich möchte auch mein eigenes Leben aufbauen, das ist der
neue Umwelt, neue Stadt, neues Bekanntenkreis aufbauen
31. I: Und sind Ihre Erwartungen da erfüllt worden, die Sie an das Betreute
Wohnen hatten?
32. B: Doch, doch.
33. I: Ähm, ich frag mal noch ein bisschen in einen anderen Lebensbereich
rein, haben Sie denn durch das Betreute Wohnen, hat das aus ihrer
Sicht denn Einfluss auf ihre sozialen Kontakte gehabt?
34. B. Hm, es ist zu mindestens eine Struktur, wir machen ja ähm Ausflüge
zusammen mit anderen Erkrankten, sag ich jetzt mal, hier aus der

Anhang
Umgegend, nicht nur aus [Stadt], sondern aus verschiedenen Orten,
ähm, Ausflüge, dann gehen wir ja in dem Herbst und Winter gehen wir ja
brunchen, das ist ja auch wieder gemeinsam, das ist ja eine
gemeinschaftliche Angelegenheit, um andere Leute kennen zu lernen,
von denen braucht man sich nicht zu verstecken, die wissen ja alle.. wir
haben die gleiche Problematik, gesundheitliche Problematik, dass mein
ich jetzt damit, und das äh da ist ne Art Geborgenheit da..
35. I: Okay, ähm, hat das denn für Sie, ich sag mal, im Bereich der
finanziellen Versorgung, oder der materiellen Versorgung einen
Unterschied gemacht, ob sie im Betreuten Wohnen sind oder nicht?
36. B: Pff, die Frage verstehe ich jetzt so gar nicht genau..
37. I: Also zum Beispiel, gabs bei Ihnen mal früher Schwierigkeiten in der
Antragstellung oder in dem Abrufen von irgendwelchen Leistungen, und
dass das Betreute Wohnen, sagen wir mal, um diese Leistungen besser
bemüht oder besser im Blick hat, Ihnen der neue Möglichkeiten eröffnet,
oder sehen Sie da keine Veränderungen?
38. B: Hm, na gut ich meine, da ich schon länger in Hartz IV bin , äh, mit
vielen Sachen war ich konfrontiert, bei dem Umzug zum Beispiel wusste
ich nicht was man da bekommt oder nicht bekommt und das war mir
schon eine Unterstützung, weil das finde ich vom Amt schon ein
bisschen haarig, man kriegt ja nicht eine Unterlage dies steht Ihnen als
Hartz-IV-Empfänger zu, dies können sie alles bei uns, ihre Wunschliste
quasi, das musste ja alles selber erarbeiten, und hier ist halt hier ist halt
sag mal im Betreuten Wohnen, ja die Mitarbeiter wissen, was man
machen kann, was man nicht machen kann. Das ist schon eine
Unterstützung, klar.
39. I: Das heißt die können Ihnen so ein bisschen Informationen geschaffen,
die ihnen selbst jetzt nicht so zugänglich sind?
40. B: Ja.
41. I: Ähm, haben Sie denn gemerkt, dass sich bei Ihnen im Bereich
Gesundheit, Allgemein, dass sich dadurch beim Betreuten Wohnen
etwas geändert hat?
42. B: Hm, ich denke schon, dass ich ausgeglichener bin.
43. I: Ja, was denken Sie, womit das zusammenhängt?
44. B: Eben mit dieser kontinuierlichen Arbeit, man hat jede Woche
mindestens ein Gespräch, entweder Einzelgespräche bei sich selber an
der Wohnung oder hier in der in der Beratungsstelle. Dann diese
zusätzlichen Treffen mit allen zusammen, das sind so Ankerpunkte, ja,
so feste Stützpunkte ja, Eckpfeiler, das finde ich gut..
45. I: Hat das betreute Wohnen den Einfluss auf ihr Konsumverhalten oder
ihre Abstinenz gehabt, die Sie leben?
46. B: Na zumindest weiß ich, dass ich einen Ansprechpartner hab, wenn
irgendwas sein sollte..
47. I: Das ist Ihnen wichtig?

Anhang
48. B: Ja, denke schon. Also nicht denke ich schon, sondern ja. Ne
vertrauensvolle Zusammenarbeit.
49. I: Ist das ein Unterschied, diese zu vertrauensvolle Zusammenarbeit, im
Vergleich mit den Institutionen, mit denen sie vorher zu tun hatten aus
diesem Hilfesystem?
50. B: Y also ich komm aus dem [Landkreis], da war ich in der
Institutsambulanz angegliedert, und in der Ambulanz selber hatte ich
auch eine Ansprechpartnerin, die mir quasi im Alltag geholfen hat. Das
war aber jetzt nicht so konzentriert wie hier, sondern diese Gespräche
haben mal so im Abstand von sechs Wochen stattgefunden. Und die
Frau, bei der ich damals war, ist leider heute nicht mehr dort beschäftigt,
weil sie in Rente ist. Das war eine sehr erfahrene Frau und sie.. äh.. also
es war auch mehr eine Alltagsarbeit, keine psychosomatische oder äh
psychische Geschichte, es ging nur um Alltagsangelegenheiten, neue
Wege sich auf zu tun oder neue Möglichkeiten zu suchen, was man
machen kann.
51. I: Denken Sie, Herr B, dass es manchmal ein Vorteil ist, wenn man sich
auf die Alltagsschwierigkeiten konzentriert statt in das therapeutische so
einzugehen?
52. B: Hm, ganz einfach weil ich mein ganzes Leben schon genug Therapie
gemacht habe, und ich glaube man kann sich auch übertherapieren, da
bin ich mittlerweile überzeugt von, dass man nicht mehr man selber ist,
sondern nur noch äh Therapie ist, weil man selber sein eigenes Ich
verliert, durch zu viel therapieren, das meine ich.
53. I: Das heißt, aktuell erleben Sie diese Alltagsunterstützung schon als..
als sehr hilfreich?
54. B: Hm, ja vor allen Dingen kann man sich öffnen, man hat, auch wenn es
jetzt am Anfang noch schwer ist für mich eine feste Arbeitsstelle für mich
zu finden, zumindest hab ich ne Unterstützung, es baut sich keine
schwarze Wand auf, wo es nicht weitergeht. Es gibt immer Licht am
Horizont, es tun sich wieder Türen auf. Und dieses Gefühl habe ich jetzt,
das ist sowas, was ich jetzt.. es ist wie so eine Art Schwingung, die in mir
ist, ich weiß, es ist keine aussichtslose Situation, es geht weiter, und das
ist wichtig für mich.
55. I: Haben Sie den Eindruck, dass ihnen das betreute Wohnen das bieten
kann?
56. B: Ja, auf jeden Fall.
57. I: Wie schaffen die das?
58. B: Indem sie sich wirklich mit den Ängsten und Sorgen der einzelnen
Person auseinandersetzen, und dabei geholfen bekommt, den Antrag zu
meistern?
59. I: Das war vorher bei Ihnen nicht so gewesen?
60. B: Ich hätte das gar nicht machen können, ich bin ein alleinstehender
Mensch, also ich war natürlich nicht immer alleinstehend, aber

Anhang
momentan bin ich halt Single, ich hab keine Partnerin, die, mit der ich
abends über meine täglichen Sachen reden kann. Schade eigentlich, ja.
61. I: Das heißt, das hilft Ihnen, diese häufigen Gespräche?
62. B: Ja.
63. I: Was ist denn anders durch diese häufigen Besprechungen, oder durch
diese Gespräche, was würden Sie sagen, wie wirkt sich das bei Ihnen
aus?
64. B: Das bringt eine Erleichterung..
65. I: Was würde leichter werden, oder was ist das..
66. B: Ähm.. man kann seine Probleme teilen, mit einer ansprechbaren
Person, der man vertrauen kann, das finde ich wichtig. Irgendwie ist das
so ein bisschen Partnerersatz [schmunzelt], natürlich nicht auf der
sexuellen Ebene [winkt abwehrend], das ist eine ganz andere
Geschichte, aber ähY
67. I: Es ist so ein bisschen vergleichbar?
68. B: Es ist damit wirklich so denke ichY
69. I: Wäre das so diese Kontinuität und Stabilität, die wieder sehen würden,
die so ein bisschen ist wie Partnerschaft?
70. B: Hm.
71. I: Ist es aus ihrer Sicht so, dass das bei jedem Betreuer ähnlich wäre
oder denken Sie, dass das vielleicht auch ein bisschen betreuerabhängig
ist?
72. B: Na so viele Betreuer hatte ich bis jetzt noch nicht [lacht], dass ichY
[wieder ernst] Ja sicher, das ist bestimmt auch ein Unterschied, ob man
eine Frau als Betreuer hat oder einen Mann als Betreuer, mit Sicherheit
gibt es da Unterschiede oder eine andere, eine andere
Auseinandersetzung. Es gibt über alle in jeder Berufssparte sehr fähige
Menschen und äh weniger befähigte.. [grinst] ja ist so, das das ist überall
gleich.
73. I: Und haben Sie das Gefühl, dass sie hier gut aufgehoben sind, sowie
die im Moment betreut werden?
74. B: Ja, ich habe nicht einmal das Gefühl gehabt, dass es eine negative
Auswirkung auf mich hat. Verstehen Sie, dass.. ich meine das so, dass
ich jetzt, vor dem nächsten Termin, bevor man sich wieder trifft, so ein
flaues Gefühl hätte. Es gibt ja immer Situationen, wenn man auf
Menschen stößt, wo man weiß denen kann man nicht aus dem Weg
gehen, da freut man sich ja nicht auf so ein Treffen..
75. I: Das heißt, wenn Sie Ihre Kontakte haben, haben sie wenig die
Befürchtung, dass ihnen etwas Unangenehmes passieren könnte?
76. B: Hm, ganz genau. Ja, so würde ich das sagen.
77. I: Hatten Sie das früher schon, also gab es das auch schon einmal in
diesem Hilfesystem, dass sie darauf Menschen getroffen sind, wo sie
gemerkt haben

Anhang
78. B: Na gut, es gibt ja auch Menschen, die wollen, oder gehen direkt ihren
Weg, und wenn Du etwas anderes machst, akzeptieren Sie es nicht so,
diese Erfahrung habe ich gemacht.
79. I: Das heißt, dass diese Behandlungen, dass diese nicht so auf
Augenhöhe stattgefunden haben? Sie haben etwas anderes erlebt?
80. B: Hm. Hm.
81. I: OkayY wenn diese Betreuung, Herr B., wenn diese enden würde
[atmet aufgeregt aus], also nur wenn, [lacht erleichtert], also was würde
Ihnen, was würde Ihnen denn aus derzeitiger Sicht fehlen oder was
würden Sie am meisten vermissen?
82. B: Ich könnte mir gar nicht vorstellen, dass es morgen endet [lacht]
83. I: Angenommen es würde doch passierenY
84. B: Es würde passieren [räuspert sich], also ich würde jetzt nicht ins
absolute Chaos stürzen, weil ich hab ja noch einen amtlichen Betreuer,
den ich mich, den ich zwar jetzt erst seit ein paar Wochen kenne und mit
dem ich auch einen sehr guten Kontakt schon habe, und ich hatte vorher
einen anderen Betreuer, er konnte mich jetzt nicht weiter betreuen, weil
das einfach von der Entfernung her, das passt überhaupt nicht,
deswegen habe ich jetzt diesen Betreuerwechsel vorgenommen. Aber
ich habe jetzt schon ein ganz anderes Verhältnis zu ihm wie zu dem
Vorgänger, weil er sich viel mehr Zeit nimmt und weil er sich intensiv mit
den Geschichten auseinandersetzt, die mich betreffen.
85. I: Das heißt, diese Aufmerksamkeit und Ihnen wirklich zuhören und Sie
wirklich verstehen, das ist Ihnen schon wichtig?
86. Hm, natürlich ist das, wahrscheinlich ist das jetzt der bedeutende
Unterschied, ein Therapeut wird von seinem Leben kaum etwas
erzählen, aus seinem Privatleben, und das ist ja hier eine ganz andere
Geschichte. Hier fließen ja Sachen von den Betreuern auch mit ein hier
im Betreuten Wohnen. Man weiß wo derjenige wohnt, natürlich weiß man
nicht Adresse, das ist auch in Ordnung, das soll auch anonym sein, aber
man weiß, Mensch, der war jetzt im Urlaub, freut sich jetzt, erzählt auch
mal, was er dort gemacht hat, und das ist etwas privates eigentlich, und
so privat geht das im therapeutischen Bereich nicht so..
87. I: Das heißt, das ist nicht so eine sterile Beziehung.. und das hilft Ihnen?
88. B: Ja.. ich will mal sagen, wenn ich übermorgen einen festen Beruf
wieder hätte und eine eine strukturierte.. einen anderen Alltag strukturell,
ich hätte.. das ist jetzt auch nur ein hätte, aber eine Partnerschaft, die
funktioniert, einen Beruf, der funktioniert, ich hätte wieder Geld, ich wäre
unabhängig vom Amt, das heißt jetzt vom Jobcenter, kein
Leistungsbezieher, wäre wieder freier, dann wäre manches im Leben
wieder anders, ich denke auch, dann könnte ichY dann wird es nicht so
weh tun.
89. I: Mal angenommen, es wäre alles nicht so, sondern die Situation wäre
so, wie sie jetzt ist..

Anhang
90. B: Die Situation wäre so, wie sie ist, dann würde mir die Unterstützung
fehlen..
91. I: Wo würden Sie es zuerst merken?
92. B: An den an den an der Kontinuität der Gespräche, genau.
93. I Das heißt die haben schon so bei ihnen die große Bedeutung, die
Gespräche..
94. B: Hm, .. aber natürlich auch die Hilfen im Alltag, finde ich, das ist auch
eine ganz wichtige Sache.
95. I: Dieses Gefühl, dass wenn sie Hilfen bräuchten, diese schnell verfügbar
wären?
96. B: Genau..

Anhang
9.2.3 Interview C
1. I: Also das Diktiergerät läuft jetzt, das sieht man an der roten
Leuchtdiode. Als erstes würde mich interessieren, Sie waren ja schon in
verschiedenen Einrichtungen gewesen oder kennen ja schon so ein
bisschen diese Suchthilfe aus der Vergangenheit..
2. C: Ich kenne an sich nur die [Entgiftungsstation], äh hier die
Suchtberatung, na gut dann war ich äh mal bei der [Selbsthilfegruppe] da
in der [Straße], das war aber nix, die haben sich alle so arg selber
bemitleidet, der eine hat gesagt mir geht's schlecht, dem anderen geht's
noch schlechter und dem anderen geht's tierisch schlecht [lacht], und
dann halt noch der [Entwöhnungsklinik]. Und jetzt die Nachsorge, sonst
vorher war nichts.
3. I: Und wann hatten Sie zum ersten Mal Kontakt zu einer von diesen
Einrichtungen?
4. C: Das war 2009, da war ich das erste Mal in der [Entgiftungsstation].
5. I: Das war ihre erste Entgiftung?
6. C: Das war die allererste Entgiftung, ja. Das war auch irgendwie im
Sommer, glaube ich. Im Sommer oder Herbst. Ich weiß nicht mehr
genau. Und dann, das zweite Mal, war Sommer 2012, war auch wieder
die [Entgiftungsstation]. Und dann kam ja September 2012, und dann
kam Dezember 2012 2013, da war ich da über die Feiertage,
Weihnachten. Und dann halt als Vorbereitung für den für den
[Entwöhnungsklinik], da hatte ich hinein gemusst.
7. I: Im [Entwöhnungsklinik] waren sie nur einmal gelesen?
8. C: Ja. Das war jetzt vom 04. März bis 27. Mai. Zwölf Wochen .
9. I: Jetzt würde mich mal interessieren, Herr C., was hat sich denn,
seitdem Sie bei uns im Betreuten Wohnen sind, bei Ihnen geändert? So
allgemein..
10. C: Sagen wir mal so, meine ganze.. Wohnsituation, Lebenssituation äh ja
ich hab ja da gehockt ohne Strom und Tralala, weil sich ja die S.
(Fallmanagerin Jobcenter) nicht gerührt hat, obwohl ich x mal da war,
die hat ja auf Anrufe nicht reagiert, dann habe ich das dann über die
Frau M3.. das hat sich auch über drei Wochen gezogen, bis da
überhaupt mal irgendwas passiert war, weil die S. hat ja auch nix ..
Anrufe, E-Mails, ist auch nichts gekommen lange Zeit, bis dann
irgendwann mal die Frau M3 irgendwas gesagt rechtliche Schritte oder
irgend so einen Scheiß.. dann ist das auf einmal Ruckzuck gegangen.
11. I: Das heißt, sie hatten zwar eine Wohnung gehabt, aber es gab keinen
Strom..
12. C: Das war ein Jahr lang.
13. I: OkayY das heißt da, in dieser Wohnsituation, haben sie Strom
wiederbekommen, hat sich so ansonsten in der Wohnung etwas
verändert..

Anhang
14. C: Äh ich würde sagen, es ist wesentlich ordentlicher geworden und
sauber geworden und äh ich ordne jetzt auch wieder meinen Papierkram
wesentlich besser, also nicht so, wie es sein soll, aber doch, das hat ja
vorher alles auf einem Haufen durcheinander liegen, so..
15. I: Wie kommt es, dass es ordentlicher und sauberer ist?
16. C: Ja, weil ich einen ziemlichen Anschiss von der Frau M3 gekriegt habe,
die hat das erst mal alles auseinander klamüsert, und EINHEFTEN
[Befehlston, lacht] , ja, und da habe ich jetzt doch Richtung drin, ja ist so
[lacht wiederholt]Y. Na ich habe ja auch den [Entwöhnungsklinik] auf
sanften Druck hin äh von der Frau M3 gemacht, ich sag mal so,
innerhalb vom Team, jeder hat mich das so bissl hingeschoben, ich hatte
ja anfangs die Zusage vom [Entwöhnungsklinik], unterhalte ich ja nun
überhaupt keinen Bock drauf gehabt, das war also absolut nichts für
mich, und dann hatte das halt mit dem [Entwöhnungsklinik] geklappt. Da
haben sie glaube ich den Antrag gestellt..
17. I: JaY Das heißt, bei diesen Veränderungen, durch das Betreute
Wohnen, das ging jetzt auch viel von der Frau M3 aus, dass die Sie zu
Veränderungen animiert hat..? Also dass sie so ein bisschen geschoben
hat?
18. C: Bisschen geschoben ist gut, die hat ganz schön gedrückt [lacht], ich
meine die kann ganz schön heftig werden, wenn es sein muss, also das
ist ja genauso gut, also die hat zu mir gesagt, nächster Rückfall, die fährt
mich direkt in die [Entgiftungsstation]. Und das macht die, die ist eiskalt
in der Beziehung [lacht], aber ist schon gut so.
19. I: Finden Sie das hilfreich?
20. C: Ja, ich brauche jemanden, der mich ab und zu mal in den Hintern tritt.
Das ist schon in Ordnung. Wenn ich mich da immer so rausschleichen
könnte, das wäre nicht so gut, glaube ich. Nein, ich brauche schon ein
bisschen Druck, stimmt schon.
21. I: Hat sich denn bei Ihnen etwas verändert, ich sag mal so hinsichtlich
sozialen Kontakten oder Freundeskreis, seitdem sie im Betreuten
Wohnen sind?
22. C: Äh.. sagen wir mal so, mein Freundeskreis hat ziemlich ausgedünnt,
weil ich einfach zu manchen Leuten einfach keinen Kontakt mehr habe,
weil ich keine Lust mehr darauf habe. Mit manchen habe ich noch
Kontakt, und jetzt auch viel zu anderen, das liegt auch teilweise am
[Entwöhnungsklinik], da habe ich zu der vier Leuten guten Kontakt.. Und
grad heute wieder telefoniert.. die eine, die ist heute entlassen worden,
am Dienstag, wo die andere von der Adaption hier gekommen ist, und
sie hat gesagt, was ein Scheiß, die vor 16 Wochen drin, der hat sie
gesagt, die kommt sich im Moment vor wie auf einem anderen Stern
[lacht], jetzt hat sie das Kind wieder dabei, und .. Hund und Tralala, sagt
das ist ganz schön eine Umstellung..

Anhang
23. I: Das heißt aber, Herr C., Sie haben zu bestimmten Personen, aus
ihrem sozialen Umfeld, haben Sie den Kontakt eher, wieder
abgebrochen oder haben den nicht..
24. C: Abgebrochen oder ist eingeschlafen, sagen wir mal so, weil ich auch
auf zu vielen Plätzen, wo ich vorher hingegangen bin, nicht mehr
hingehe..
25. I: Das heißt, sie meiden diese Orte, wo es schwierig werden könnte..
26. C: Ja gut, ich meine die [Szenentreffpunkt], alles klar, da gehe ich immer
noch in [lacht], aber da ist auch der F. (Bekannter), und da sitzen wir
halt da, und trinken Wasser, die anderen trinken halt Bier oder
Jägermeister, aber das macht uns halt nicht aus, seitdem der seine neue
Flamme hat [schmunzelt], doch, die hat ihn schon im Griff..
27. I: Haben Sie denn gemerkt, dass sich bei Ihnen so von der Tagstruktur
her was verändert hat im Vergleich zu dem, wie es vor dem Betreuten
Wohnen war und wie es jetzt ist?
28. C: Ja gut, ich unternehme viel mehr, so vorher war's äh.. äh.. Glotze an,
Bier auf, und wenn ich raus gekommen so an die Kirche oder zum Treff
äh.. so war der Tagesablauf, jetzt ist des alles schon irgendwie
regelmäßiger und geordneter geworden, also äh.. ist nix mehr so halb
zwölf zum [Supermarkt], bis um 3 Uhr morgens da abhängen, da mach
ich gar nicht mehr hin um die Uhrzeiten, und so Tankstelle rumhängen
oder sowas auch nicht, oder im Park, da gehe ich gar nicht mehr hin..
29. I: Und wie haben Sie das geschafft, Herr C., Dass sich der Tagesablauf
so umgestellt hat..
30. C: ÄhY ja ich weiß nicht, das war ja nicht von jetzt auf gleich, das hat
sich so langsam eingespielt..
31. I: Was würden Sie sagen, was dafür die Ursache war?
32. C: Äh.. am Anfang war das so, man sieht hier aus, Scheiße, wenn jetzt
die Frau M3 kommt, die schlägt die Hände über dem Kopf zusammen,
und da habe ich gedacht eher so, Scheiße, da machste es halt, und jetzt
mache ich das halt automatisch, und.. das kommt vielleicht auch durch
die [Entwöhnungsklinik].. ich ess‘ auch viel regelmäßiger, so normal was
weiß ich hab ich abends um zehn angefangen zu kochen, wenn ich Lust
gehabt habe wenn net dann net und ich ess‘ regelmäßiger .. ja auch,
sagen wir mal so .. durchgehend, hat bei mir auch mal 4-5 Tage
gegeben, da habe ich gar nichts gegessen.. Flüssignahrung [lacht].. ne,
das hat sich doch ganz schön geändert. Ich merk das auch körperlich
dann..
33. C: Hat sich denn da etwas verändert?
34. I: Ach jo.. äh.. sag mal so.. einfach.. Körperlich geistig viel beweglicher
und nicht so träge und äh keine Kondition oder so.. von hier bis zum
[Supermarkt] mit dem Fahrrad fix und fertig.. nee, das ist schon in
Ordnung. Und das macht auch mehr Spaß wenn man fitter ist. Und man
kriegt ja auch mehr mit, man hat vielmehr Kontakt zu zu.. so Leuten, die

Anhang
man gar nicht wahrgenommen hat, Nachbarschaft oder sowas, und die
merken halt auch, dass sich etwas geändert hat, die begegnen mir halt
ganz anders.
35. I: Wie verhalten die sich?
36. C: Ah viel freundlicher, die quatschen auch mit einem, sagen he, was ist
denn passiert, wie siehst denn du aus.. na ich merks ja selber, das ist
schon.. Mords Unterschied.. Ha gut, dazu so.. der Ozzy-Aufzug und
Pflege, da haben glaube ich auch viel die Mädels auf dem
[Entwöhnungsklinik] zu beigetragen das man nicht mehr so [grinst]
rumläuft..
37. I: Wie haben die das geschafft?
38. C: Äh.. weiß ich nicht, die haben nie was gesagt oder so, aber ich habe
gedacht, guckt die dir an, musste auch mal was tun..
39. I: Das wirkt sozusagen motivierend?
40. C: Ja genau. Na ich hab schon mit beiden, mit der H. und der M. Häufig
telefoniert, wie gesagt, Dienstag raus gekommen und noch vollkommen
Chaos, na und die H. Hat auch viele Probleme, muss jetzt auf die Ämter,
wenn sie was hat, dann schreibt sie mir eine SMS oder ich ruf mal
anderen und so..
41. I: Wie sieht's denn bei Ihnen mit der materiellen Situation aus, Herr C.,
Hat sich da etwas verändert durch das Betreute Wohnen? Also wie sie
mit dem Geld hinkommen..
42. C: Ja da komme ich besser in, wobei es ja im Moment sehr knapp ist, ich
hab ja die 25 € für das Gericht.. und halt von der [Energieversorger], die
haben ja auch die Schulden übernommen dann und die stottere ich jetzt
auch ab und das sind auch 38 € im Monat.. fehlt schon aber ich,
trotzdem besser hin.
43. I: Wie kommt das, dass sie besser zurecht kommen?
44. C: Das macht viel aus, dass ich nicht mehr saufe, das hat ja auch ganz
schön rein gehauen..
45. I: Also Sie sparen Geld dadurch, dass sie weniger trinken?
46. C: Ja. Und durch das weniger trinken rauche ich auch weniger.
47. I: Und gibt es durch das betreute Wohnen eine Hilfestellung, dass sie
besser mit dem Geld zurecht kommen?
48. C: Ja ich gebe ja einen Teil immer ab hier, und bei Bedarf, so wie jetzt,
da hol ich mir immer ein Häppchen.. und das hat letzten Monat gut
geklappt, diesen Monat auch, und.. wunderbar.. weil sonst wäre ich jetzt
schon pleite, weil ich jeden Scheiß gekauft hätte, den die Welt nicht
braucht.. ja vor dem Betreuten Wohnen habe ich das schon fertig
gebracht, das ich am 4. 5. 6. im Monat pleite war und das ähm.. hilft
doch ganz schön. Ich kann mit Geld einfach nicht umgehen. Wenn ich
jetzt 1000 € hätte, wären die genauso fort, wie die 300.
49. I: Das heißt jetzt, dass sie weniger finanzielle Schwierigkeiten haben und
dadurch geht es Ihnen.. anders?

Anhang
50. C: Ja, man muss nicht mehr jeden Tag überlegen, ach du Scheiße, was
machste denn heute, egal die Kohle, Flaschen sammeln und so Scheiße
zur Not, auch alles schon gemacht.
51. I: Aber das fällt jetzt sozusagen weg?
52. C: Das fällt flach, ja.
53. I: Das sind ja eine ganze Menge Veränderungen, die sie erreicht haben,
Herr C., was würden Sie sagen, wie das so zu Stande kam. Wie haben
Sie diese Veränderungen erreicht?
54. C: ÄhY ja gut, ich hab mich erstmal nicht mehr so gehen lassen, weil ich
ja mehr oder weniger regelmäßigen Kontakt hatte, mit ihnen, Herr M2,
Frau M3, und äh, das macht schon was aus. Ich meine, das hat, da
müssen sie vielleicht mal mit der Frau M3 reden, die hat das bestimmt
auch schon gemerkt, so in der ersten Zeit, da ist denen wahrscheinlich
doch ziemlich so Alkoholdunst entgegen gestiegen und so, die Hütte
zugequalmtY
55. I: Das heißt das hat sich auch ein Stück verändert, das Trinkverhalten
und das Rauchen?
56. C: Ja klar, ich mein, zuhause rauche ich an sich relativ wenig, meistens
wenn ich draußen bin, wie mehr viel draußen, wenn ich lese oder sowas,
wenn das Wetter schön ist, hocke ich mich auf die Bank, an die Kirche
oder wo anders, ist egal, da qualme ich halt die Natur voll oder die Bude,
da merkt man dann schonY
57. I: Das heißt , das ist anders, vorher haben sie zuhause geraucht und
jetzt gehen sie eher raus. Aber der Alkoholkonsum hat sich auch bei
ihnen verändert, oder?
58. C: Ja jetzt ist sowieso, nach der [Entwöhnungsklinik].. und vorher auch
schon.. ich hab da schon weniger getrunken, das waren halt immer so
zwischen rein diese krassen Abstürze, die mich dann in die
[Entgiftungsstation] gebracht haben. Aber ich bin ja nie so gewesen,
dass sie mich haben einliefern müssen, ich hab ja angerufen bei der
Frau M3, es ist mal wieder so weit, es geht nicht mehr..
59. I: Und wie haben sie dann dabei unterstützt?
60. C: Jaja, meistens die Frau M3 hat dann einen Termin gemacht bei der
[Entgiftungsstation] und hat mich entweder abgeholt oder ich bin mit dem
Fahrrad gekommen.. oder war sie stinkig [schmunzelt] oh.. das war im
September, da bin ich auch mit dem Fahrrad gekommen, da war der
Herr M2 glaub ich dabei, bin ich auch hierhergekommen und äh.. die
haben dann mein Gepäck ins Auto getan und ich bin mit dem Fahrrad
hochgefahren zur Entgiftung und dann hat die Frau M3 gefragt, ob sie
mit hochkommen kann, wenn ich am pusten bin, und ich weiß gar nicht,
entweder habe ich 1,99 oder 2 Komma was weiß ich schlag mich tot.. oh
da war sie bös‘, da hätte sie mich nicht mit dem Fahrrad fahren lassen..
äh ja gut

Anhang
61. I: Hat Ihnen denn schon mal jemand Vorhaltungen gemacht gegen dem
Trinken, also dass sie zu viel trinken und sie ermahnt, dass sie weniger
trinken sollen vom Betreuten Wohnen?
62. C: Ah ja klar, das hat sich ja dann wie gesagt auch runter gefahren, das
waren dann paar Tage, drei vier fünf Tage mal, wo ich dann richtig
extrem zu gehauen habe, wo ich dann gemerkt habe, das tut nicht mehr,
da habe ich dann immer angerufen. Ich habe dann immer noch
rechtzeitig dann die Notbremse gezogen, bevor sie mich einen liefern
müssen oder so, dass ich irgendwo auf der Gasse umkippe. Das wäre
mir als auch egal gewesen.
63. I: Also Sie haben das nicht so als Vorwurf empfunden, wenn ich das
richtig verstehe, also wenn man sie wegen dem Konsumverhalten
kritisiert hat, sondern
64. C: Also ich weiß nicht, ob man das kritisieren nennen kann, das war so,
ich sag mal so, zwischen Ermahnen und Bedauern so ungefähr, das war
nicht so, dass da irgendjemand gesagt hat, hey du Idiot, sauf nicht so
viel oder was, das war eher so, meinst du das ist gut?
65. I: Das heißt man hat Ihnen das schon selber überlassen, ob sie mit dem
Trinken aufhören oder nicht.. ?
66. C: .. Jein, also äh.. es hätte wahrscheinlich keiner mich gezwungen, in
die [Entgiftungsstation] zu gehen, aber man hat doch äußerst deutlich
gemacht, dass man das nicht gerne sieht und nicht so doll findet, auch
für mich halt, es ist nicht so, dass es geheißen hat, was hängst du denn
schon wieder so besoffen herum oder so, eigentlich nett meinst du nicht,
es wäre besser ein bisschen zu bremsen, guck dich doch mal an, das ist
doch nichts, geht dir doch nicht gut dabei und so..
67. I: Haben Sie den Eindruck, dass sich die Leute eher Sorgen um sie
gemacht haben?
68. C: Ja, ja, kann man, doch, eindeutig..
69. I: Das heißt, Sie hätten gewusst, wenn sie weiter trinken, dass der
Kontakt zwar erhalten bleibt, oder dass man sie nicht fallen lassen würde
70. C: Ja, aber wahrscheinlich hätte es dem Verhältnis auch nicht gut getan.
71. I: Das heißt, das war auch so ein bisschen ein Anreiz?
72. C: Ja. Doch. Ah ja ich meine, ich wollte mich auch nicht am laufenden
Band vor der Frau M3 blamieren [grinst]
73. I: Das war Ihnen schon wichtig gewesen, dass die Frau M3, sagen wir
mal eine gute Meinung von ihnen hat?
74. C: Ja. Ich hoffe das ist so [lacht]. Ich weiß es ja nicht.
75. I: Würden Sie sagen, Herr C., dass das ein Anreiz ist, dass eben ein
Mensch da ist, der, also ich weiß nicht ob es so ist, aber der einem
vielleicht wichtig ist und dem man damit sozusagen wie einen Gefallen
tun kann oder der das gut findet, wenn man sich für einen gesünderen
Lebensweg entscheidet.. denken Sie, dass das so ist?

Anhang
76. C: Ja, auf jeden Fall. Ja ich meine, ich hab auch ein Gefühl, dass ich mit
ihr doch ein gutes Verhältnis habe, ich meine wir reden ja nicht nur
ständig über Alkohol oder irgendwelche anderen Probleme, wir machen
auch mal blöd sind, zum Beispiel wenn sie mich dann zum Doktor fährt
oder sowas, machen wir auch mal Scheißdreck, wenn wir uns über die
[Menschen einer bestimmten Stadt] lustig machen, die dadurch den
[Gegend] mit Schritttempo gondeln, unterhalten uns auch über Musik
und so nen Kram, also es ist nicht so, dass wir nur über Alkohol und so
Therapie, und Rückfall, Vorfall und hin und her reden, sondern auch so
über allgemeine Sachen..
77. I: Das heißt, haben sie manchmal den Eindruck, dass es gar nicht so
wirkt wie ein Therapeuten-Klienten-Verhältnis oder wie würden Sie das
beschreiben, wie das ist?
78. C: Ich würde sagen, das Verhältnis zwischen mir und der Frau M3, ist so
ein Verhältnis wie, als wenn sie meine ältere Schwester wäre und so ein
bisschen auf mich aufpasst, also nicht irgendwie, als wenn ich zum
Therapeuten gehe oder sowas, also nicht so ein Patient-Arzt-Verhältnis
oder sowas, das ist schon so.. manchmal ganz witzig, wo wir da Grillen
waren am Montag, das war auch ganz lustig, Torwandschießerei, sag
mal bescheuert mit meinem Haxen, links treffe ich nicht und rechts kann
ich nicht..
79. I: Haben Sie den Eindruck, dass es ihnen hilft, Herr C., das es eher so
ein Verhältnis ist, wie sie es gerade beschrieben haben?
80. C: Ja, doch, auf jeden Fall. Das lustige ist immer, wenn wir beim Arzt
sind, und sie mit rein kommt ins Behandlungszimmer, der fummelt an mir
rum und erzählt mit ihr, über was für einen Scheiß, über Urlaub und
Sorgerecht, über was weiß ich alles, über Piercings, und Tattoos, das
findet sie dann auch immer ganz witzig, da macht ihr auch die Zeit nichts
aus, wenn sie dann dort rum hockt im Wartezimmer, sie löst dann
Kreuzworträtsel und ich lese Zeitung [lächelt], das ist schon gut.
81. I: Herr C., Haben Sie den Eindruck, dass sie den Alkoholkonsum ein
bisschen besser kontrollieren können, seitdem sie im betreuten Wohnen
sind, oder dass sie da einen größeren Einfluss drauf haben?
82. C: Ja, doch. Wie gesagt, das mit der [Entgiftungsstation] waren dann
immer halt so größere Abstürze, sonst war das halt, ich sag mal vor dem
Betreuten Wohnen, rund um die Uhr besoffen. Da bin ich ja morgens
aufgestanden und das erste war, ffft, Bier auf, Zigarette an, und das hat
sich dann über den ganzen Tag gezogen. Bis zum bitteren Ende, bis um
12 Uhr der [Supermarkt] zugemacht hat, man hat sich halt Vorrat noch
geholt, damit das bis morgens gelangt hat oder so oder für morgens
dann, und das war dann halt nicht mehr so. Das hat sich dann ganz
schön runtergefahren, vor allem mit Wodka und Boonekamp und was
weiß ich, das war also wesentlich weniger, doch..

Anhang
83. I: Mal angenommen, Herr C., Die Betreuung würde morgen enden, nur
angenommen
84. C: Das wäre Scheiße.
85. I: Was würde Ihnen denn dann fehlen?
86. C: HmY. erstmal der mehr oder weniger regelmäßig Kontakt, ja und sie
ist halt auch ein Mensch, mit der kann ich eigentlich über alles reden, so
da hab ich irgendwie keine Hemmungen oder so, das ist also schon in
Ordnung, das tät mir halt fehlen, weil äh so, sagen wir mal, der F., der A.
oder der M., die haben selber so arg Scheiße am Hacken, dass das, da
könnte ich mich auch, was weiß ich, mit meinem Handy unterhalten oder
sowas, das wäre genauso. Der könnte auch der Papst schreiben, oder
was weiß ich
87. I: Also die Gespräche mit der Frau M3 sind schon anders, oder?
88. C: Ja, das ist ganz klar, ja vor allen Dingen wenn ich mit ihr erzähle,
dann weiß ich dann auch, ja gut, das bleibt hier im Team maximal, und
dann ist gut, und wenn ich das dann halt irgendjemandem da draußen
erzähle, das weiß dann gleich ganz Lorsch, geh dann irgendwo
einkaufen, was ist los.. das ist halt ganz anders. Ist schon gut dasY
89. I: Das heißt, das würde fehlen, diese Gespräche?
90. C: Ja, also ich fühle mich irgendwie auch nicht betreut, betreut das ist, da
denke ich immer so an häusliche Pflege oder Pflegeheim oder sowas,
ich sag ja, dass es mehr so wie die große Schwester oder der große
Bruder oder so, schon auf gewisse Weise Autoritätsperson oder so, aber
nicht so Hierarchie was weiß ich so Chef-Untergebener, so auf die Art
Hauptmann-Gefreiter.. es ist auch .. äh.. es ist ja auch kein Zwang dabei,
den Zwang macht man sicher dann, also ich mir selber, also ich
empfinde das nicht als Zwang, sondern ich zwinge mich halt manchmal
Sachen nicht zu machen, die ich sonst machen würde aber ähY sagen
wir mal so, wenn ich das Gefühl habe, ich mache irgendetwas, dann
kann ich mir immer irgendwie sagen, ich mach das ja von mir aus,
obwohl es ja irgendwo nicht so ist [lacht]
91. I: Warum nicht?
92. Weil.. äh.. ja wenn ich in so Situationen, wo ich früher mir kolossal die
Kante gegeben hätte, dann sage ich mir, oh Scheiße nein, machste
nicht, weil des ist nicht gut für das Verhältnis zur Betreuerin..
93. I: Das ist der Anreiz sozusagen?
94. C: Ja, denn ich will es mir ja nicht versauen. [lacht] Ist so.
95. I: Das heißt, dieses Verhältnis, das sich da so mit der Zeit entwickelt hat,
das ist eigentlich so das wertvolle an der Betreuung, kann man das so
sagen?
96. C: Jaja, klar. Logisch. Das ist, wenn das nicht da wäre, dann würde eine
ganze Ecke aus dem Leben fehlen davon, hört sich vielleicht bescheuert
an, ist aber so. So auch ein Stück Sicherheit. Das ist irgendwie so,

Anhang
gewissermaßen so’n Fundament oder Basis oder sowas, wo man dann
so ein bisschen drauf auf.
97. I: Wann hatten Sie sowas das letzte Mal gehabt?
98. C: Ach du ScheißeY [grinst verlegen].. oh Gott oh Gott oh Gott.. ja gut
das war `91, `92, ja, da hatte ich auch eine feste Freundin, und Arbeit,
und da war das auch alles in Ordnung. Ja und dann war Schluss und
dann ist es erstmal richtig rund gegangen, war danach auf der Straße,
wobei auf der Straße war auch ein gewisses System dar, weil man sich
ja gewissermaßen jeden Tag das Geld holen musste, da konnte man
sich nicht so die Kante geben, dass man nicht mehr zur
Auszahlungsstelle gekommen ist. Aber sagen wir mal so, das
Wochenende war gebongt, da war Freitag Samstag Sonntag ffftt fertig.
99. I: Das heißt, das ist jetzt so ein anderer Anreiz, eine andere Qualität?
100. C: Sicher. Ganz andere Qualität. Ja wie gesagt, dadurch haben
sich jetzt in meinem Leben gewisse Regeln entwickelt. Das ist wie
gesagt nicht von jetzt auf gleich gegangen, so schrittweise. Ja gut, das
ergibt sich ja automatisch, wenn man eins festmacht, dann ergeben sich
daraus andere Sachen, die man dann automatisch mit fest macht, weil
sonst das eine ohne das andere nicht funktionieren wird.
101. I: Haben Sie ein Beispiel dafür?
102. C: Ja das ist wie gesagt mit dem regelmäßig kochen und essen
und so, also ergibt sich daraus auch, dass man regelmäßig einkaufen
geht, und das war vorher so Hauptsache Bier war da und der Rest ist
scheißegal.
103. I: Das heißt, daraus ergibt sich auch wieder eine feste Struktur?
104. C: Ja klar. Jetzt überleg ich nur, du hast nur noch zwei Bier, du
hast nur noch zwei Eier da und wolltest morgen das und das machen,
also Eier holen und dann fällt er aber ein, zu Kartoffeln und Eier passt
Spinat, da denkt man ganz anders. So war das Hauptsache Bier ist da,
oder Wodka oder was weiß ich.
105. I: Das heißt, jetzt wird das ganze differenzierter?
106. C: Ja klar. Was nützen mir Kartoffeln, wenn ich sonst nichts
anderes hab. Es ergibt sich ab und zu mal das Problem, dass ich kein
Brot mehr hab [grinst], abends, dann kann ich nochmal los sprinten, da
ist der [Supermarkt] gut, da hat die Bäckerei bis um zehn Uhr abends
auf

Anhang
9.2.4 Interview D
1. I: Also das Diktiergerät läuft jetzt, das sieht man an der guten Lampe.
Mich würde zuerst interessieren, Herr D., Was haben Sie denn alles
schon für Behandlungen oder Betreuungen mitgemacht bisher in Bezug
auf dieses Problem Alkohol?
2. D: Also Entgiftungen im Krankenhaus, die Anzahl kann ich Ihnen gar
nicht sagen, mindestens 20.
3. I: Haben Sie auch mal eine Langzeittherapie mitgemacht?
4. D: Also die erste Behandlung, die ich mitgemacht habe, war im
[Entgiftungsstation] [Stadt], wenn sie das kennen, da war ich vielleicht..,
da gibt's ja keine Langzeit, da gibt's 14-Tage 3-Wochen-Therapien. Äh,
da wurde ich allerdings entlassen, weil, zusammen mit noch mehr
anderen, wir hatten am Wochenende einen Pornofilm geguckt und da
wurden wir rausgeworfen. Und dann hatte ich noch eine
Langzeittherapie, die war viel länger, das war in der [Entwöhnungsklinik].
Und das hat mir überhaupt nicht gepasst da, da hab ich nach zwei Drittel
der Zeit, da hab ich Alkohol getrunken, hab's halt gesagt, dann hat's
Theater gegeben und dann hab ich das abgebrochen.
5. I: Wissen Sie in welchem Jahr das war, Herr D.?
6. D: Diese äh.. der Abbruch?
7. I: JaY. War das vor Beginn der Betreuung?
8. D: Ach ja, weit davor, ja. Also ich meine, es wäre vor 2000 gewesen.
Kurz vor 2000.
9. I: Und danach haben sie nur noch diese Entgiftungen in Anspruch
genommen?
10. D: Also dann bin ich nicht mehr ins Krankenhaus, sondern immer nach
[Stadt], und dann bekam ich Kontakt mit der Caritas. Ich hab mich am
Anfang nur gegen Betreuer gewährt, weil mir mal jemand gesagt hat,
entschuldigen Sie bitte den Ausdruck, das ist der größte Scheiß wo es
gibt, und äh wie ich die Leute Herr M4 und Herr M2 da kennen gelernt
habe, da habe ich gemerkt, das ist gar nicht so. Und dann kam ich in
Langzeittherapie in den [Entwöhnungsklinik] in [Stadt]. Das war um 2001
2002 sowas.
11. I: Da kannten sie dem Herrn M2 schon?
12. D: Flüchtig, flüchtig.
13. I: Den haben Sie ja 2008 kennen gelernt, oder?
14. D: Da ging das los mit der Betreuung, gekannt habe ich ihn schon
vorher, weil sie ja ab und zu uns in [Stadt] auf der Entgiftung kurz
gesprochen haben. Mir wurde das öfters empfohlen, dort mitzumachen,
aber ich habe immer gesagt: nein, das will ich nicht.
15. I: Und dann waren Sie auf dem [Entwöhnungsklinik] gewesen, Herr D:,
und wie lief es danach weiter?
16. D: Da war ich fast zwei Jahre trocken. Das hat mir sehr gut gefallen dort.
Die haben ein anderes System, sowohl im [Entgiftungsstation] als auch

Anhang
auf dem [Entwöhnungsklinik].. die meinen, wenn man ständig diskutiert
und streitet, dann wäre man irgendwie so feige und das wäre ein Grund
dass man säuft. Ich sage das anders herum, wenn mir jemand nicht
passt, der mir zu blöd ist, mit dem habe ich keine Lust zu diskutieren,
fertig. Und das war auf dem [Entwöhnungsklinik] ganz anders, das hat
mir sehr gut gefallen, da war ich dann auch fast zwei Jahre trocken.
17. I: Und die ging das danach weiter, Herr D.? Nach den zwei Jahren?
18. D: Na da war ich als Arzt auf einer Deutschen Meisterschaft, als Arzt für
einen Verein hier, ah die Stimmung war so toll und da hab ich zwei oder
drei Bier getrunken, den nächsten Tag wieder gar nichts, und die
nächsten zwei drei Tage, ach, das klappt ja ohne Bier, wieder ein Bier,
wieder ein Bier, dann kam Schnaps dazu und dann ging das so langsam
wieder los.
19. I: Ein schleichender Einstieg sozusagen..
20. D: Ja, ja.. schleichend, ja, für zehn Tage, drei Wochen..
21. I: Schnell geschlichen
22. D: [grinst], ja.. Rauchen Sie?
23. I: Nein.
24. D: Aber ich rauche [macht sich Zigarette an]. Ja, und da kam ich halt
wieder rein und dann hab ich mich dann endlich entschlossen, da hab
ich wieder ein Gespräch gehabt mit Herrn M4 und Herrn M2 und auch
die Schwestern haben mir empfohlen, lernen Sie doch die Leute mal
richtig kennen.. weil ich war mal auf dem Sozialamt, da hat mir dieser
Mahnung der dort saß.. Betreuer, hören Sie auf, das wünsche ich
meinem ärgsten Feind nicht usw. und so habe ich auch gedacht, nur
später wie ich die Leute kennen gelernt habe, sah die Welt ganz anders
aus, jetzt bin ich sehr froh dass sich die Leute habe.
25. I: Was haben Sie denn befürchtet, Herr D., Was die Betreuung
schlimmes für Sie bedeuten würde?
26. D: Ja dass die nur hinter mir sitzen und bestimmen was ich zu machen
habe und zu denken habe..
27. I: Dass man Sie bevormundet?
28. D: Ja, ganz genau.
29. I: Und das ist Ihrer Erfahrung nach nicht so?
30. D: Nein, nein [aufgeregt] ich ich hab einen Betreuer vom Amtsgericht,
wegen meiner finanziellen Sache, den Herrn M2, schon ewig die
Suchtberatung, und bin total begeistert.
31. I: Wobei hilft Ihnen das, Herr D.?
32. D: Ich habe beide, ich möchte niemanden bevorzugen, ich kann mich auf
beide verlassen und es sind beide Super-Typen. Der Herr M2, der hilft
Ihnen von der Caritas, bei jeder Schwierigkeit, nicht nur in Gesprächen,
sondern alle.. was das handwerkliche betrifft usw. und der Herr FY ich
das ist der vom Amtsgericht, der macht meine finanziellen Sachen.. bin
sehr begeistert von beiden.

Anhang
33. I: Das heißt, diese Unterstützung, die sie haben, das hilft Ihnen
vorwiegend im Alltag?
34. D: Ach natürlich, ich wüsste nicht, wo ich wäre, wenn die beiden nicht
wären. Also ich glaube nicht, dass ich so leben würde, wie jetzt. Ich hab
das jetzt gepackt, und dann, es gibt zig Diskussionen, die meisten bei
uns in der Suchtgruppe trinken ab und zu ein Bierchen, ich habe heute
Morgen auch schon ein halbes Bier getrunken, aber ich war seitdem, seit
dem ich in der Suchtberatung bin und werde betreut, nicht mehr
betrunken, also nicht im Übermaß.
35. I: Das hat heißt, die Mengen haben sich reduziert im Vergleich zu früher?
36. D: Ach deutlich..
37. I: Wie viel war das früher?
38. D: Ach ich kanns Ihnen nicht genau sagen, also 15-20 Schnaps und
zehn Flaschen Bier..
39. I: Das ist schon sehr viel..
40. D: Ja es gibt Leute, die trinken noch viel mehr [grinst]
41. I: Und das hat sich durch die Betreuung, oder seitdem sie in der
Betreuung sind, reduziert?
42. D: Ja, es gibt Tage, da trinke ich überhaupt nix.
43. I: Und wie kommt das, Herr D.? Also was bewirkt Betreuung bei Ihnen,
dass Sie weniger trinken?
44. D: Y Also wie ich noch meine Praxis hatte, da hab ich tagsüber natürlich
nichts getrunken, aber abends, das war Stress, hat sich auch schon ein
Herzinfarkt angedeutet, dann ging's mir besser, und dann ging auch
schon meine Scheidung los, der Kampf ums Geld mit meiner Ex-Frau,
der Kampf ums Kind, meine Ex-Frau ist Rechtsanwältin, und äh dann
kam ich zurück und dann war ich wieder allein. Und hatte damals noch
genug Geld, ich hatte gut verdient und die Praxis verkauft, nur ist das
ganze Geld weg. Ich war den ganzen Tag fort und abends um zwölf,
eins, zwei bin heim. Und den ganzen Tag Alkohol getrunken.
45. I: Kann man sagen, dass da so ein bisschen der Grund gefehlt hat,
weshalb man weniger trinken sollte, also dass es gar keinen Anlass
gehabt weniger zu trinken, so nach dem Motto, wofür soll ich mich jetzt
einschränken..
46. D: Ganz genau, ja, ja.
47. I: Und durch die Betreuung ist das wieder dazugekommen, dass sie
einen Anreiz oder einen Grund haben, weniger zu trinken?
48. D: Ja, ja. Ich bin in der Zeit, wo ich mit dem Alkohol gut drauf war, jeder
Schwierigkeit aus dem Weg gegangen und hab alles liegen lassen und
habe mich um nichts gekümmert, und das sieht jetzt anders aus.
49. I: Das heißt, Sie gehen die Schwierigkeiten eher an?
50. D: Mit Hilfe, mithilfe. Ob ich das allein packen würde, weiß ich nicht. Ich
braucht diese Hilfe.

Anhang
51. I: Das heißt, es ist nicht nur diese Unterstützung, dass jemand da ist, mit
dem man reden kann
52. D: Doch, das gehört dazu und auch die Hilfe, ja.
53. I: Dass jemand richtig mit anpackt..
54. D: Der Herr M2 hilft mir in jeder Beziehung, der Herr FY kümmert sich
um meine Finanzen.. ich habe das schon mal gesagt, ich weiß nicht was
mit mir wäre, wenn die beiden nicht wären.
55. I: Was würden Sie vermuten, was dann wäre?
56. D: Ich weiß es nicht, da ich früher, wie das mit dem Trinken so arg war,
da hatte ich noch Geld, dann ging das los mit der Schuldenmacherei. Ich
krieg jetzt in der Woche 75 € zum Leben, also durch die Gegend ziehen
und saufen, da könnte ich vielleicht die ersten vier Wochen Schulden
machen, und dann kriege ich nichts mehr. Ich weiß nicht, was mit mir
wäre. Ich hab allerdings die Befürchtung, dass ich vielleicht diese
Wohnung nicht. Ich hab früher, vor anderthalb Jahren, in dem Hochhaus
drüben gewohnt, da hat mir der Herr M2 und Leute aus der Suchtgruppe
geholfen umzuziehen, ich allein hatte kein Geld und bin körperlich nicht
mehr so, dass ich, ich hab drei Herzinfarkte gehabt und Herzoperation,
ich kann nicht mehr schwer arbeiten, ich weißY ich würde vielleicht
drüben sitzen, könnte meine Miete nicht bezahlen, die würden mich dann
rausschmeißen, in irgend so ein Haus, Leute drin wohnen, dann möchte
ich nicht unbedingt drin wohnen, da gibt's ja in [Stadt] zwei drei Häuser.
Also da wollte ich nicht wohnen, lieber unter der Brücke.
57. I: Das heißt, das war schon eine Aufwertung für sie gewesen, dass sie in
eine Wohnung kommen, in der sie sich wohl fühlen?
58. D: Ich hatte da drüben auch eine schöne Wohnung im Hochhaus, nur
war die etwas teurer, und in den letzten Jahren hat sich bei mir ein
Höhen Angst entwickelt. Ich habe im neunten Stock gewohnt und ich
wollte runter. Ich hatte einen Unfall zuhause und kann mich hier in die,
hier ist das Pflegeheim [zeigt aus dem Fenster], in die Kurzzeitpflege,
und da war grad eine Wohnung frei. Und da ging mein Betreuer vom
Gericht rüber, und hat gefragt, ja. Und hier fühl ich mich wohl. Sehr wohl,
ja.
59. I: Das heißt, diese Wohnung ist schon etwas, was sie mithilfe vom
Betreuten Wohnen erreicht haben, diese Wohnung hier?
60. D: Mit Hilfe, das kann jetzt nicht von der Caritas, der Herr FY ist vom
Gericht, aber alleine hätte ich die wahrscheinlich nie bekommen, ohne
Betreuung.
61. I: Gibt es denn noch andere Sachen, die Sie erreicht haben mithilfe vom
Betreuten Wohnen? Mit Unterstützung?
62. D: JaY ich lese wieder mehr, beschäftige mich mit meinen Hobbys und
ich gehe nicht mehr so viel weg, oder überhaupt nicht.
63. I: Ist das gut oder ist das schlecht?

Anhang
64. D: Ich finds gut, also ich hab jetzt, ich bin in einem gewissen Alter, früher
hat's mich nicht in der Wohnung gehalten ab einem bestimmten
Zeitpunkt und da musste ich raus. Das ist jetzt nicht mehr, ich fühle mich
wohl.
65. I: Das heißt, ihre Zufriedenheit mit dem Leben allgemein, die hat sich
verändert?
66. D: Ja deutlich, ich bräuchte ein bisschen mehr Geld, aber im großen
Ganzen bin ich zufrieden, ja. Ich habe hier in der Nähe zwei Freunde
wohnen, die besuche ich ab und zu, und habe ja auch noch Hilfe von der
Diakonie, die, da kommt eine Reinemachefrau, die ist nur im Urlaub, das
sieht man ja [zeigt grinsend auf einen Berg benutzten Geschirrs], und die
kümmert sich auch so, die trinken immer Sachen mit, zu essen zum
Beispiel.
67. D: Haben Sie denn den Eindruck, dass sich durch das Betreute Wohnen
auch ihre sozialen Kontakte ein Stück weit verändert haben?
68. D: Ja.
69. I: Wie würden Sie das beschreiben?
70. D: Zum Beispiel, das ich seit drei Jahren in keine Wirtschaft mehr gehe.
71. I: Das heißt, dass sie sich aus dem Umfeld, wo andere Leute getrunken
haben
72. D: Und halt nicht unbedingtY die Gesellschaft war nicht immer die beste.
73. I: Was ist da jetzt anders?
74. D: Ja wie gesagt, ich gehe in keine Wirtschaft mehr, äh, wenn ich
weggehe gehe ich zu meiner Schwester, oder ich habe ganz in der Nähe
zwei gute Bekannte wohnen, den andere besuche ich jetzt morgens und
den andern in der Woche mal und dann sprechen wir von früher und
dann gehe ich rüber. Man kann ja da drüben an allen teilnehmen:
Singen, Spiele machen usw.
75. I: In diesem Pflegeheim?
76. D: Ja, der gehe ich halt für manche Leute einkaufen, da habe ich
Bewegung.
77. I: Das heißt da sind neue soziale Kontakte dazu kommen?
78. D: Ja, ja.
79. I: Jetzt im Betreuten Wohnen selber?
80. D: Ja, ja, ja. Jetzt, wenn die weg sind, Freundin ist zu viel gesagt
[schmunzelt], eine 67 jährige Dame, die heute vom Krankenhaus
entlassen worden ist, die hat mich schon angerufen, ich habe ihr gesagt
heute Mittag, weil ich Besuch kriege, sprechen wir halt ein bisschen, und
später würde ich ein bisschen lesen oder an den Computer gehen, und
abends gucke ich halt Fernsehen oder lese.
81. I: Das heißt der Tagesablauf oder die Tagesstruktur hat sich auch ein
Stückchen verändert?
82. D: Ja, aber noch nicht ganz so wie ich will. Ich hätte gern, sowie im
Krankenhaus oder [Stadt], morgens aufstehen, Frühstück machen, da

Anhang
bin ich sowas von faul, und dann einen Spaziergang machen, aber das
kriege ich noch nicht hin. Aber ich laufe recht viel, ich habe kein Auto,
aber ein Fahrrad habe ich. Ich bin vor fünf Wochen gestürzt, hab
Rückenprobleme, Oberkörperprobleme, ich kann mich momentan noch
nicht auf ein Fahrrad setzen. Aber es hat sich schon wesentlich
gebessert.
83. I: Geht’s Ihnen denn ja auch seit den letzten Jahren, seitdem Sie mit
dem Herrn M2 zu tun haben, irgendwie auch gesundheitlich anders? Hat
sich ihre Gesundheitssituation verändert?
84. D: Also jetzt das körperliche..
85. I: Also dass man eher mal zum Arzt geht oder eine Untersuchung
wahrnimmt..
86. D: Ja jetzt zum Beispiel fährt mich der Herr M2 auch immer ins
Krankenhaus, zum Arzt oder in die Apotheke, wenn es so weit ist. Früher
hatte ich schon leichter depressive Verstimmung, ich war nie depressiv,
aber leichter depressive Verstimmungen, hab da daheim gehockt und
dem Kopf vollgeknallt, mir gingen tausend Sachen durch den Kopf, das
hat sich gebessert.
87. I: Was würden Sie denn sagen, Herr D., was für sie am Betreuten
Wohnen besonders wirksam ist? Oder was ist für Sie der große Vorteil
an diesem Betreuten Wohnen? Was ist das, wovon sie am ehesten
profitieren?
88. D: man hat jemanden, der für mich da ist und der sich um mich kümmert.
Früher, wie ich meine Praxis hatte, ich hatte ja schon getrennt gelebt,
weil die Ehe nicht mehr geklappt hat, ich hatte keine Zeit für sowas, ich
hatte von morgens bis abends Arbeit und es kam erst wie ich dann krank
wurde, wie ich dann den ganzen Tag daheim war.
89. I: Das heißt da ist was Wichtiges weggebrochen?
90. D: Die Praxis, das war mein Lebensinhalt.
91. I: Wenn ich das richtig verstehe, dann gab es so eine Phase, ich weiß
nicht ob man das so sagen kann, wo so ein bisschen der Halt gefehlt hat
92. D: Ja, vor allen Dingen meine Tochter..
93. I: Als wichtiger Mensch sozusagen..
94. D: Hm.. [nachdenklich]
95. I: Und ein Effekt, wenn ich Sie richtig verstehe, ist das durch dieses
Betreute Wohnen jemand in der Nähe ist, mit dem man regelmäßig
Kontakt hat, der Ideen vielleicht auch liefert, der so ein bisschen dafür
sorgt, dass man wieder Sinn im Leben hat oder Anreize bietet
96. D: Ja, ja. Vor allen Dingen wird auch vieles unternommen mit der
Caritas. Also ich fühle mich in dieser Gruppe sehr wohl. Und auch mit
dem Herrn FY, ich brauche das. Wenn mir jetzt jemand fragen würde,
die beiden kommen nicht mehr, ich hätte Angst.
97. I: Wovor hätten Sie denn Angst?

Anhang
98. D: Wie es weitergeht. Weil ich allein, ich bin nicht der gesündeste, allein,
ich glaube ich könnte nicht mehr richtig existieren.
99. I: Das heißt, das Ende der Betreuung wäre für sie ein schwerer
Einschnitt?
100. D: Oh ja. [flüstert] Das schonY
101. I: Heißt das auch, dass es gar nicht so ein Verhältnis ist von oben
herab?
102. D: In Augenhöhe, wie man so schön sagt.
103. I: Ist das der Unterschied zu vorher, wie sie die Hilfe so
bekommen haben?
104. D: Na vorher hatte ich keine Hilfe.
105. I: In den Kliniken zum Beispiel.
106. D: Ach da gibt's doch keine Hilfe. Ich weiß nicht, waren sie schon
mal dort?
107. I: Nur zu BesuchY das heißt, diese Unterstützung ist gar nicht zu
vergleichen zu den wie sie jetzt
108. D: Da sind Diskussionsrunden und.., also ich habe die Erfahrung
gemacht, da sind Leute drin mit verschiedenen Charakteren, andere
Lebensläufe, da gibt's unnötige Diskussionen, also mir hat das nicht
gepasst. Auch dann später, wenn sie rauskommen, dann wird jedem
empfohlen, in so einem Gruppe zu gehen da habe ich drei vier
ausprobiert, das war furchtbar. War furchtbar, für mich.
109. I: Das heißt in dem Betreuten Wohnen ist das ganz anders?
110. D: Ganz anders. Man muss dazu sagen, die haben auch ein
bisschen mehr im Kopf.
111. I: Die Kollegen, die sozusagen mit betreut werden?
112. D: Nein, beide Betreuer. Nicht das dumme Gequatsche da in den
Treffen. Das ging mir total gegen den Strich.
113. I: Das heißt, wenn sie jetzt die Therapeuten aus der Klinik
vergleichen würden mit dem Herrn M2 oder dem Herrn FY , da gibt es
schon in der Person eigentlich auch Unterschiede, die mehr
Lebenserfahrung haben
114. D: Also ich mein, ich war also [Entgiftungsstation],
[Entwöhnungsklinik] und dann [Entwöhnungsklinik]. Ach so, wenn sie
den ganzen Tag Alkoholiker um sich um haben und immer dasselbe
Geschwätz hören, kann ich mir das auch vorstellen, dass man
irgendwann mal ein bisschen die Lust verliert.. zu so einem Betreuer wie
dem Herrn FY oder dem Herrn M2 muss man auch geboren sein.
115. I: Also das hängt schon auch aus ihrer Sicht sehr an der Person?
116. D: Auch, ja, ja, ja. Ja.
117. I: Das ist also nicht nur eine Frage vom Betreuten Wohnen, also
von dieser Leistungsform, sondern es hängt auch davon ab, wer das
macht?
118. D: Ja, auf jeden Fall.

Anhang
119. I: Und was würden Sie sagen, was ist das Besondere an dem
Herrn M2, dass er das so gut hin kriegt, also was ist das so, was Sie
daran.. berührt?
120. D: Er ist ein ehrlicher Typ, der immer zur Hilfe bereit ist, Jahr und
nicht aufbrausend ist, ja oder nie beleidigend oder was, es gibt auch
andereY zwischen ihm und mir stimmt einfach die Chemie.
121. I: Kritisiert er Sie auch manchmal?
122. D: Er kritisiert auch, ja. Aber in einer Form, die man akzeptieren
kann
123. I: Was ist das für eine Form?
124. D: Y Was soll ich denn da jetzt sagen.. in einem ganz einfachen
sachlichen Gespräch, ohne dass die Stimme sich erhebt..
125. I: Hängt das ein bisschen mit dem, wie sie vorhin gemeint haben
„auf Augenhöhe“ zusammen?
126. D: Ja, ja.
127. I: Dass es vielleicht nicht so abwertend ist oder verurteilend ist?
128. D: Ja, jaja. Ja.
129. I: Und das fällt ihnen leichter so anzunehmen?
130. D: Ja, jajaY.. die anderen waren so bestimmend
131. I: Die anderen haben Ihnen wahrscheinlich eher die Richtung
vorgegeben oder gezeigt, was man von ihnen erwartet?
132. D: Ja. Man kriegt auch ein bisschen die Richtung gezeigt, aber in
einem anderen Ton. Mit anderen WörternY
133. I: Das macht es wahrscheinlich auch leichter, das anzunehmen
sich nicht wie ein Patient zu fühlen.
134. D: Ah ja, der Herr FY war früher auch Sozialpädagoge, der war
im Sozialamt irgendwo, und der Herr FY jaY. und der Herr M2 war ja
früher in der Psychiatrie, und der Herr M4 auch, den werden Sie ja auch
kennen, Super-Typen. Und ich fühle mich wohl. Wir machen auch
kulturell viel, wir gehen weg, Kirche besichtigen, machen dies und jenes.
Wenn Geld da ist.
135. I: Das ist auch sowas, was für sie das Betreute Wohnen
ausmacht, dass es eben nicht nur um das Thema Alkohol geht sondern
auch andere Lebensbereiche
136. D: Richtig, im Sommer gehen wir, ich sag mal, machen wir
Picknick irgendwo, im Winter, da gibt es so Räumlichkeiten in [Stadt],
manchmal tun wir kochen zusammen und sitzen zusammen und können
uns ungezwungen unterhalten.
137. I: Sie hatten ja auch größere Ausflüge gemacht?
138. D: Ja zuletzt waren sie, da konnte ich leider nicht mitfahren, weil
ich im Krankenhaus war, und das wär, ich wäre so gern dorthin gefahren,
nach [Stadt] im Elsass. Mein Hobby ist ja Heimatsforschung und
Dialekte, nur der kann ich nicht mitfahren, leider ging das nicht bei mir.

Anhang
139. I: Das heißt das ist schon auch etwas wertvolles für sie, mit den
anderen etwas unternehmen?
140. D: Ja natürlich, Kirche besichtigen, der Judenfriedhof in Worms,
demnächst wollen wir die Einheitsbasilika in Neu-Isenburg.. vielleicht
wollen wir auch einmal zwei drei Tage wegfahren.

Anhang
9.2.5 Interview E
1. I: Also das Diktiergerät das läuft jetzt, das sieht man an der roten Lampe.
Die erste Frage, die ich habe, Herr E., Sie sind ja, Sie haben ja so ein
bisschen mit dem Suchthilfesystem zu tun gehabt, d.h. sie haben schon
mehrere Behandlungen hinter sich. Was waren das für Behandlung
gewesen bzw. seit wann haben sie diese Hilfen in Anspruch genommen?
2. E: [nervös] Das waren kurzfristige Entgiftungen halt, alles sehr kurzfristig.
Dann waren es zwei Langzeittherapien, die eine bezog sich nur auf die
Sucht, die andere war psychosomatisch und Sucht, ja.
3. I: Das war in der [Entwöhnungsklinik] die suchtnahe Psychosomatik?
4. E: Nee, das war in [Stadt] in der [Entwöhnungsklinik].
5. I: Und die erste, wo war die gewesen?
6. E: Die erste war in äh in [Entwöhnungsklinik], also [Stadt], ne.
7. I: Und Sie sind seit 2011 im Betreuten Wohnen.. Was würden Sie denn
sagen, Herr E., Was ist denn so der Unterschied, wie die
Suchtbehandlung in den Kliniken so lief im Vergleich zu dem, wie es hier
im Betreuten Wohnen läuft?
8. E: Ich hab die Frage jetzt nicht ganz verstanden..
9. I: Sie hatten ja vorher mehrere Therapien gehabt, also Langzeittherapien
und Entgiftungen, die waren ja in einer gewissen Hinsicht, denke ich mal,
wirksam gewesen und haben Sie ein Stück weit unterstützt. Und jetzt
das Betreute Wohnen funktioniert ja ganz anders, hat eine ganz andere
Ausrichtung
10. E: Ja gut, nach dieser Käseglocke, sagen wir mal so, dieses geschützte
Dasein während der Therapie, wenn ich die verlasse, fühle ich mich
wohl, wenn ich weiß, ich habe ein Handy, ne, die Frau M1 oder wo
jemand nach mir schaut, oder wo ich mal sagen kann, hilf mir bitte,
komm. Das macht mich.. das ist wichtig für mich.
11. I: Das ist sozusagen dieser nahe Kontakt, so dass man im Alltag
jemanden hat, im Hintergrund hat?
12. E: Wenns einem schlecht geht, oder man hat Probleme, dass ich nicht
alleine da stehe, ja.
13. I: Haben Sie denn gemerkt, in den letzten zwei Jahren, wo sie im
Betreuten Wohnen sind, hat sich dabei Ihnen etwas verändert in ihrer
Lebenssituation, also zum Beispiel in gesundheitlicher Hinsicht? Hat das
Betreute Wohnen aus ihrer Sicht Einfluss auf ihre Gesundheit?
14. E: Einfluss auf meine Gesundheit.. hm.. eigentlich nur positiv. Aber aus
dieser ganzen Suchtgeschichte wurde bei mir dann.. also sehr schwere
depressive Phasen, ne, haben sich entwickelt..
15. I: Nachdem Sie die Sucht sozusagen
16. E: Nicht abgeschlossen haben, aber aber das hat sich daraus dann
entwickelt. Und darum war ich auch dieses Jahr von Mai bis Anfang
August in der [Psychiatrie], aber in der neuen, auf der [Psychiatrie], wo ja
insofern mit Sucht nichts zu tun hat.

Anhang
17. I: Das ist ja Psychotherapiestation, ne?
18. E: Hm.
19. I: Ist es denn so, dass sie durch das Betreute Wohnen Arzttermine er
wahrnehmen oder da mehr ihre körperliche Gesundheit achten oder ist
das unverändert im Vergleich zu früher?
20. E: Unverändert.
21. I: Hat sich denn durch das Betreute Wohnen hinsichtlich ihrer sozialen
Kontakte etwas verändert, also dass sie mit anderen Leuten jetzt mehr
Umgang haben?
22. E: Etwas ja, etwas ja zum Positiven. Nicht generell, aber etwas schon, ja.
23. I: Wie würden Sie das beschreiben, Herr E., also wo dran merkt man
das?
24. E: Das sind Leute halt, das ist der harte Kern, der Herr F., Herr D., der
Herr I., der W., ich, wo uns kennen durch die Zeit, auch privat treffen,
das ist gut für mich.
25. I: Also Sie haben eigentlich, wenn man so will, Zugang gefunden zu
anderen Leuten, mit denen sie in einer ähnlichen Situation sind?
26. E: Genau, wo ich mich nicht rechtfertigen muss, wo jeder irgendwie das
Problem hat, und quatschen über Gott und die Welt. Das ist gut für mich.
27. I: Würden Sie das als Freundschaft bezeichnen?
28. E: Y Nein.
29. I: Also dafür ist es zuY
30. E: Zu platonisch.
31. I: Haben Sie den Eindruck, dass das Betreute Wohnen Einfluss auf Ihre
Tagesstruktur hat?
32. E: Ja.
33. I: Wie könnte man das beschreiben?
34. E: Disziplin und Selbstdisziplin, ja. Wenn ich weiß das der Herr M2
kommt, dann kann ich mich auch nicht gehen lassen. Ich mache das
eigentlich nie, ich lasse mich eigentlich niemals gehen, aber es gab
schon Zeiten, wo ich mich richtig habe gehen lassen. Und sagen wir mal
so, der Herr M2 gibt mir auch einen Tritt in den Arsch, jetzt wörtlich
gesagt, kümmert sich erstmal drum, ich helfe dir, aber kümmer dich
erstmal drum. Und das hat schon einen positiven Effekt.
35. I: Also das hat so zwei Komponenten, kümmere dich drum und ich helfe
dir, also er nimmt Ihnen nicht alle Arbeit ab, wenn ich das richtig
verstehe, aber er würde sie auch unterstützen, wenn sie tatsächlich
Unterstützung irgendwo benötigen
36. E: Ja, ja.
37. Und ist das aus Ihrer Sicht hilfreich?
38. E: Ja sicher. Obwohl ich auf zur denke, ich brauche so viel Hilfe gar
nicht. Da gibt es andere Leute, wo viel mehr Hilfe brauchen, aber darauf
geht er oder die Frau M1 gar nicht einen, sondern ich bin bei Ihnen, Sie

Anhang
sind wichtig, und die anderen die lassen wir jetzt mal ganz weg. Im
Moment bin ich bei Ihnen, jetzt sind sie mal wichtig. Und das ist gut.
39. I: Und kennen Sie das von sich, dass sie sich selbst so ein bisschen
zurücknehmen und sich als nicht so wichtig ansehen?
40. E: Ja.
41. I: Das heißt, die verhalten sich eigentlich richtig und geben Ihnen in dem
Moment die Aufmerksamkeit, die sie eigentlich brauchen, aber sich nicht
eingestehen können?
42. E: RichtigY schwer. Es wäre jetzt ganz ganz, also sehr selten, also es
kann schon vor natürlich, also wenn ich sage, Herr M2, bitte kommen
sie, ich weiß nicht wie es weitergehen soll, dann ist der Herr M2 auch da.
Und allein diese Sicherheit, dass sich das weiß, beruhigt mich.
43. I: Also es ist gar nicht so sehr, dass jemand zur Unterstützung direkt vor
Ort ist, sondern es ist mehr das Gefühl, dass jemand verfügbar wäre,
wenn es darauf ankommt? Also diese Absicherung?
44. E: Ja, ja. Weil ich auch keinen habe, ich hab keinen, ich habe weder
Familie, die paar Freunde in [Stadt], ja o.k., ich bin eigentlich mehr in
[Stadt] wie hier in [Stadt] undY. sollte mal was sein irgendwie, dann die
paar Freunde, es gibt auch solche und solche Freunde, die sagen dann
schon, gib mir mal die Telefonnummer vom M2, wenn ich von dir
tagelang nichts höre, mache ich aber nicht, obwohl er meinte, ich kann
das schon machen, aber ich will das nicht. Es ist eine Verbindung, wo ich
so nicht missen möchte.
45. I: Das heißt, das fühlt sich gar nicht an wie so eine Betreuung, in der sie
in so einem Abhängigkeitsverhältnis drin stehen, sondern es klingt eher
wie ein Angebot, das sie für sich nutzen können, wenn sie es wollen, und
wenn sie sagen: nö, ich brauche erst mal meine Ruhe und meinen
Abstand, dann ist es auch erstmal o.k.
46. E: Zurückziehen? Wovon?
47. I: Von diesem Betreuten Wohnen
48. E: Nee nee nee
49. I: Sie haben auch nicht das Gefühl, dass sie das sozusagen überfordert?
50. E: Nein. Das Betreute Wohnen ist mir so wichtig, eigentlich will ich ja
Ausziehen aus dieser Wohnung, am liebsten nach [Stadt], aber das liegt
in Baden-Württemberg und das wäre erstmal das weg.
51. I: Und das ist für Sie ein Grund nicht umzuziehen?
52. E: Umziehen schon, aber nicht nach Baden-Württemberg. Und die
Alternative ist jetzt [Stadt], und da suche ich auch, und der Herr M2 sucht
auch für mich, also wir suchen jetzt eine Wohnung in der Nähe von
[Stadt], das ist immer noch in Hessen, also dort ist immer noch
Betreuungsgebiet, und ich glaube der Grund ist dann schon mal
eindeutig, dass das mir wichtig ist.
53. I: Was würden Sie denn sagen, Herr E., was sind die wichtigen Elemente
von diesem Betreuten Wohnen, die für Sie die Unterstützung

Anhang
ausmachen? Die so ein bisschen der kann sind und wo sie das Betreute
Wohnen als hilfreich empfinden?
54. E: Inwieweit ist das hilfreich empfinde?
55. I: Was sind für die wichtigen Elemente davon?
56. E: Ich glaube das geht dem größten Teil von allen, wo im Betreuten
Wohnen sind, die meisten sind ja auch alleine, es geht darum, einen
Ansprechpartner zu haben. Und eine Vertrauensbasis auch da ist.
Kontakte dann auch zu finden, das ist natürlich ganz wichtig..
57. I: Wie erleben Sie denn dieses Betreuungsverhältnis an sich, also wenn
sie Kontakt zum Herrn M2 haben, ist das so wie.. oder wie wirkt er so
vom Gegenüber her, wenn er mit ihnen redet? Wie kann man das
benennen, ist das wie ein Lehrer..?
58. E: Ich glaube das ist auch sein bisschen Geben und Nehmen
59. I: Also dass das mehr auf seiner Gegenseitigkeit beruht, also dass nicht
einer immer derjenige ist, der die Hilfe braucht, unter anderem mit der ist,
der das, sondern dass das vielleicht ein bisschen mehr auf Augenhöhe
passiert
60. E: Ja. Als ich freue mich wenn er kommt und wir sitzen hier auch nicht
bloß rum und trinken Kaffee, sondern gehen hin und wieder spazieren,
fahren an den Rhein, gehen spazieren, und es geht nicht prinzipiell, und
das mag ich schon mal gar nicht, wenn es nur um Sucht geht, also
haben sie getrunken, oder wie oder was, darum geht es auch nicht, es
geht um ganz alltägliche und ganz normale und banale Sachen zum Teil
auch
61. I: Das heißt, die Suchtthematik ist auch mit dabei, aber eher so ein
Randthema?
62. E: Nee, nee. So auch nicht. Aber ich sag mal nicht das wichtigste
überhaupt, es sind viele Umstände, wo halt da sind, wo ich alleine auch
nicht immer so richtig lösen kann und die dann immer wieder mal auch
zum Rückfall führen. Und hätte ich jetzt das Betreute Wohnen nicht, ich
glaube dann würde es immer mehr bergab gehen mitunter.
63. I: Das heißt, wenn die Betreuung jetzt morgen enden würde [seufzt], also
wenn man das mal annehmen würde
64. E: Das wäre fatalY
65. I: Was würde Ihnen am meisten fehlen?
66. E: Y also ich gehe dann wieder rückwärts. Die wieder rückwärts und bin
dann eigentlich da, wo ich beim Betreuten Wohnen vor schon war, das
will ich nicht. Die ganzen Kontakte, einfach so, der Herr M2 ruft mich
eigentlich jeden Tag an oder ich ihn auch, es wäre still, kein ruft an,
irgendwie kommen die Leute auch nicht mehr, weil den Kontakt hab ich
ja auch dann verloren zu denen undY
67. I: Das heißt es würden viele soziale Bezüge auch einfach wegbrechen,
die damit in Verbindung stehen?

Anhang
68. E: Richtig. Und selbst wenn ich in einer Situation nicht recht ,, dann rufe
ich an oder der Herr M2 ruft mich an, setzt sich hin ans Telefon und sagt,
E. komm jetzt machen wir das, wir machen das jetzt. Du musst aber Ja
sagen. Dann sage ich: ja o.k., dann machen wir das so. Das war vor drei
Wochen, Visitation, wir rufen jetzt nicht in [Entgiftungsstation] an, wir
fahren einfach vorbei. Und dann war ich auch wirklich ein paar Tage im
[Psychiatrie] gewesen, aber nicht auf der Suchtstation, sondern auf der
geschlossenen Psychiatrie. Aber ohne ihn hätte ich das jetzt nicht
gemacht.
69. I: Das heißt er motiviert sie auch mal dazu, Dinge zu machen, die sie
sonst nicht tun würden, die sie allein nicht machen würden?
70. E: Die Entscheidung, wo ich allein nicht machen würde, wo ich dann
immer auch denke, naja, muss das sein, aber im Nachhinein bin ich ihm
dankbar dafür.
71. I: Dass er sich sozusagen Sorgen darum macht, Ideen hat und sie
sozusagen ein bisschen dahinmotiviert, auch manchmal vielleicht gegen
ihren Willen und wo sie am Ende merken, dass er vielleicht doch die
richtige Entscheidung
72. E: Genau, natürlich natürlich ist es nicht schön, wenn sie am
Freitagnachmittag in das [Psychiatrie] die kommen, die Türen sind
abgeschlossen und sie kommen nicht heraus und sitzen da erstmal über
das Wochenende ein paar Tage haste nicht gesehen, dann ist natürlich
nicht schön, dann denke ich, warum bringt der Arsch mich jetzt da rein,
aber letzten Endes war es gut dass er das gemacht hat.
73. I: Das heißt, diese Einsicht und das Verständnis für diese Entscheidung,
das kommt so mit der Zeit?
74. E: Ja weil ich mich kenne und nicht weiß, was draußen passiert wäre.
75. I: Mich würde noch mal interessieren, dieses Verhältnis, wie sie
miteinander umgehen, zwischen Herrn M2 und Ihnen, zwischen Frau M3
und Ihnen, wie könnte man das beschreiben? Es ist nicht so wie ein
Verhältnis Lehrer-Schüler, sondern ein anderes miteinander?
76. E: Nein, natürlich nicht. Sondern der Herr M2 sieht mich als erwachsener
Mensch an, nicht als jemand, wo mich belehren muss, so musst du das
machen, so geht's besser, das macht er nicht. Respektiert, hört mir auch
zu, das ist wichtig, und wenn ich mal anderer Meinung bin, dann sag ich
auch meine Meinung, ob es jetzt richtig oder falsch ist, ist dahingestellt,
aber ich sag's.
77. I: Und das wird akzeptiert?
78. E: Ja. Es wäre schlimm, wenn das Betreute Wohnen so wäre, und ich
müsste Angst haben, dass jemand mit erhobenem Zeigefinger kommt, E.
schon wieder Scheiß gemacht, E. schon wieder das, das wäre es
schlimm für mich. Das macht aber keiner.
79. I: Haben Sie das mal erlebten Einrichtungen von diesem Hilfesystem,
dass es Leute gab oder Einrichtungen gab, wo das so üblich war?

Anhang
80. E: Ja. Oder die ständige Kontrolle. Kontrolle ist total gut, das ist o.k. aber
nicht eine ständig und immerY ich glaube dann würde ich mich auch
verstellen, total verstellen, das wäre nicht gut.
81. I: Das heißt, sie passen sich dann dem Kontrollmechanismus an aber
entwickeln kein eigenes Interesse, diese Verhaltensweisen
beizubehalten.. dass diese Kontrolle zwar von außen drauf gedrückt ist,
aber wenn die Kontrolle weg ist, dann macht man eh wieder dass man
will
82. E: Also Kontrolle ist insofern schon gut, das ist schon in Ordnung, aber
da muss man differenzieren, wo hört Kontrolle, oder wo fängt sie an,
oder wo hört sie auf..
83. I: Oder und hilft sie sozusagen und wo nicht mehr?
84. E: Genau, genau. Das kann auch ein Bumerang sein, die Kontrolle, die
bewirkt das Gegenteil, was es eigentlich sollte. Bei mir zumindest, ich
spreche jetzt nur für mich.
85. I: Das heißt diese persönliche Entscheidungsfreiheit zu haben, selber so
die wesentlichen Fäden in der Hand haben, das ist Ihnen schon wichtig?
Dass Sie selber für sich bestimmen können, dass Ihre Entscheidungen
respektiert werden, auch wenn die vielleicht mal nicht so mit dem Wollen
vom Betreuer übereinstimmen?
86. E: Ja, natürlich. Das Betreute Wohnen ist mir ganz ganz sicher wichtig,
aber ich möchte immer noch Mensch sein und für mich alleine
entscheiden können, weil wenn ich das nicht mehr habe, ja gut, dann
kann ich in ein Wohnheim gehen, das wurde mir auch schon angeboten,
wir suchen einen Job, dann haben Sie ein Zimmer, dann bekommen 97
€ Taschengeld und dann leben sie mal schön.. das geht gar nicht. Es
geht gar nicht darum, dass ich meine schönen Wohnung aufgeben muss
und bloß ein Zimmer habe und in diesem Heim wohne, darum geht es
nicht, es geht darum, mehr werdender 97 € Taschengeld hingelegt und
dann komm mal einen Monat aus.. das geht nicht. Ich glaube da wäre ich
schlimmer dran wie jetzt.
87. I: Also rein vom Materiellen her?
88. E: Ja, also ich glaube auch vom Saufen, jetzt, ja, da würde ich 97 €
nehmen, würde 50 € versaufen die erste Woche und dann hätte ich gar
nichts mehr, ok und dann, die Spirale geht abwärts, nicht aufwärts, das
bringt mir nichts.
89. I: Haben Sie denn den Eindruck, Herr E., dass das Betreute Wohnen
einen Einfluss auf Ihr Trinkverhalten hat, also das wie Sie konsumieren?
90. E: Ja natürlich.
91. I: Wie würden Sie es beschreiben?
92. E: Hm.., das ist ja auch immer so ein auf und ab. Aber ich sag mal,
dieses Komasaufen ist nicht mehr.. ok, hinzu sind jetzt diese
Depressionen gekommen, durch dann auch nicht mehr ans Telefon
gehe, aber nicht weil ich vollgesoffen bin, guck mein Fernsehen, hör

Anhang
meine Musik, mach mir die Kopfhörer rein, aber das hat jetzt nicht
unbedingt was mit Alkohol zu tun, das sind so depressive Phasen,
teilweise sehr schwer.
93. I: Aber das Trinkverhalten an sich, das ist nicht mehr so dramatisch wie
vorher, also dass sie diese großen Mengen trinken?
94. E: Nein, auf gar keinen Fall. Ich glaube dann wäre ich schon tot. Sage
ich Ihnen ganz ehrlich, ich glaube ich wäre schon tot, wennY.
95. I: Das hat sozusagen schon irgendwie fast eine lebenswichtige Funktion
für Sie..
96. E: Eine lebenswichtige, und eine erzieherische auch. Ich mein, also jeder
Mensch würde damit überhaupt keinen erziehen, ich bin alt genug, guck
erstmal du in den Spiegel, komm erst mal du klar damit, aber das stimmt
nicht, keiner ist alt genug, um sich noch etwas anzueignen..
97. I: Das heißt Sie lernen auch heute nochwas durch das Betreute
Wohnen?
98. E: Ja. Und wichtig ist, den Arschtritt in Anführungsstrichen vom M2,
komm komm, auf auf, mach du mach du, und nächsten Morgen ruft er
an: und hast geguckt? Weil ich hab geguckt, hast du es auch gesehen?
Dann denke ich, oh man, nee haste noch nicht geguckt, und dannY ist
aber gut so.
99. I: Das heißt der bleibt da auch so ein bisschen dran?
100. E: Ja. Und fragt mich auch: E., sag mir was, oder forder mich
auch, sag einfach M2, das erwarte ich jetzt, und ich möchte, dass du mir
so und so weiter hilfst. Gott kann er nicht spielen, das kann er natürlich
nicht. Aber da bin ich zuY das traue ich mir mitunter nicht. Denke ich
neee, das schaffe ich schon alleine. Obwohl es manchmal falsch ist.
Nee, es bringt mir sehr viel, wenn ich es nicht hätte, also auch die
Truppe, wir waren mal eine bessere wie jetzt vor einem Jahr gewesen,
haben uns quasi alle paar Wochen außerhalb auch ohne Therapeut hier
auch getroffen
101. I: Das heißt, das ist auch zwischen den Bewohnern etwas
entstanden, was gar nicht so vom Betreuten Wohnen gefördert worden
ist
102. E: Wir haben uns kennen gelernt, durch die Ausflüge und so, da
gab's so ein kleinen Kern, und mit dem DY zum Beispiel, ich kannte ihn
vorher gar nicht, und jetzt kommt er an und es ist alles ganz normal, das
hätte ich jetzt nicht ohne den.

Anhang
9.2.6 Interview F
1. I: Also, das läuft jetzt mit. Ich stelle Ihnen einfach hintereinander diese
Fragen, die ich so habe. Die erste Frage ist: Bevor Sie in das Betreute
Wohnen gekommen sind, was haben Sie denn da für Hilfen in Anspruch
genommen in Bezug auf dieses Alkoholproblem? Sie hatten gesagt, Sie
hatten mit dem Herrn M4 zu tun in der Beratung?
2. F: Also ich habe vorher noch nie irgendwelche Beratungsstellen gehabt,
ich habe gar nicht gewusst, dass es sowas gibt und diese
Beratungsstelle für Alkohol speziell Sucht ist ja erst neu eingeführt
worden. Habe ich gehört vom Herrn M4. Ich meine die Drogen und so
hat es schon lange gegeben, so eine Anlaufstelle, aber das wäre erst
gekommen damals 2006 2007 weiß ich nicht, dieses Betreute Wohnen.
Dass das auch sehr sehr wichtig ist, kann man jetzt bestimmt sehen.
3. I: Und Herr F., waren Sie vorher mal in so einer Rehaklinik gewesen?
4. F: Ich war nirgends.
5. I: Entgiftung auch nicht? Sie haben sich immer selber runtergebracht?
6. F: Am Anfang, wie ich mich beim Herrn M4 vorgestellt habe, .. ja soll ich
auch sagen wie ich dazu gekommen bin? Von alleine weiß ich das ja
nicht. Und das Jobcenter in [Stadt] musste ich mich ja alle halbe Jahre
melden wegen Verlängerung wegen Hartz IV, und da war eine Frau,
selten sind ja die selben da, aber die war längere Zeit da, und ich weiß
nicht, dass war noch ein Mensch vielleicht, nicht nur ein Paragraph wo
da drüben sitzt, die hat mich drei vier Mal gesehen, zwei Jahre lang, aber
nur einmal im halben Jahr, und ich weiß nicht warum, vielleicht hat die
das Gefühl gehabt, hat die mich angeredet wie ich jetzt Sie, Herr F., ich
sag so ja, ist bei ihnen alles klar? Ich sag ja, hat sich nichts geändert bei
mir, ich wollte das nur verlängern lassen. Darf ich sie mal was fragen?
Ja, warum nicht. Haben sie ein Problem mit Alkohol? Hinterher habe ich
mir gedacht, wie kommt die da drauf, wenn ich aber heute zurück denke,
war das gar nicht schwer zu erkennen. Blaue Nase, ich sag so wies ist,
und du siehst anders aus irgendwie mit allem. Und ich sag so ja, woher
wissen sie das? Und sie sagt so, das war nicht schwer zu erkennen,
haben sie nicht mal überlegt, sie brauchen Hilfe, sie können doch nicht
so alleine weiter machen, und da hat sie mir gesagt, hier in [Stadt] sitzt
ein Herr M4 jeden Dienstag um die und die Zeit, machen sie nen Termin
aus und gehen sie zu ihm. Und so hat das angefangen.
7. I: Und dann haben Sie bei dem Herrn M4 die Beratung in Anspruch
genommen und sich mit dem Herrn M4 immer mal getroffen?
8. F: Ja, eigentlich nur zwei Mal, einmal hat er gesagt, überlegen sie’s sich,
ich kann ihnen nur den Tip geben, Betreutes Wohnen ist gut für sie,
überlegen sie’s sich. Aber ich habe damals und heute sage ichs immer
noch, der Name Betreutes Wohnen ist im ersten Moment abschreckend
und hat für mich, ich habs schon immer gesagt, den falschen Namen.
Für mich, Betreutes Wohnen, erstens mal ich habe meine Wohnung, die

Anhang
will ich behalten. Ich habe mir gar nicht überlegt, was das heißt,
Betreutes Wohnen. Das hört sich so nach Zwangsjacke an. Oh Betreutes
Wohnen, du wirst überwacht, was ja, heute weiß ichs ja, überhaupt nicht
der Fall ist.
9. I: Aber die Befürchtung war trotzdem
10. F: Die war da. Und ich habe lange überlegt zu Hause, bis zum letzten
Termin beim Herrn M4, soll ich, soll ich nicht, bin wieder hin, ich war in
dem Gedanken, ich brauch das nicht, da hat der mit mir so geredet, der
kann reden, heute weiß ichs ja, heute kenn ich ihn sehr gut soweit, hat er
gesagt, Herr F., das Betreute Wohnen ist nicht nur das, sie bekommen
geholfen in Sachen, heute weiß ichs ja, obs beim Zahnarzt war, ich
würde heute noch rumlaufen, keine Zähne oder abgebrochen, ja, das
war der Anfang von der Motivation. Man hat mir dann mal erklärt, was
das überhaupt ist, Betreutes Wohnen, ja ihre Wohnung behalten sie, ist
doch logisch. Einmal die Woche, wenn sie wollen, kommt jemand zu
ihnen, dann haben sie vielleicht Briefe.. Amt.. irgendwas, alleine Amt ist
immer schlecht, probieren sie’s mal, sie brauchen nichts unterschreiben,
wenn sie nicht wollen, können sie in drei vier Wochen wieder aufhören
und sagen, das ist nichts für mich. Da hat der mir, ich bin heute froh,
heute wäre ich vielleicht was weiß ich wo, wenn ich überhaupt noch da
wäre, da bin ich ehrlich, hat der mich so, und da hab ichs angefangen
und vielleicht hatte ich das Glück, die Frau M1, die hatte am 1. April
angefangen, also ich war im Winter bei ihm, soll mirs überlegen und so
weiter und so fort, hab ich gesagt ja ich machs, und da hat er gesagt,
nächste Woche fängt eine neue Frau an bei uns und die besucht sie
dann das allererste Mal. Das waren jetzt im April vier Jahre, also sind
bald fünf, Frau M1, Sie kennen sie bestimmt auch, also super was super
heißt. Wir habe uns über alles Mögliche auf der Welt unterhalten
[begeistert], egal was privat, also ich, und da hab ich gedacht, also heh,
das ist doch gar nicht so schlecht. Da haben wir das Amt durchgemacht,
Privatinsolvenz, läuft ja schon lange, ich muss nichts mehr machen, in
drei Jahren bin ich fertig, bin ich schuldenfrei. Das hätte ich nie gewusst
sowas, Privatinsolvenz, ich hab so Briefe immer gekriegt, äh äh
Mahnung Mahnung Pfändung, des, ich hab auch nichts zum Pfänden,
aber die Aufregung, das habe ich alles mit der Frau M1 durchgekaut, bis
sie mich mal hatte zum Zahnarzt, ist alles erledigt und, ach ich weiß gar
nicht, die Briefe..
11. I: Und dass Sie zum Zahnarzt gegangen sind, wie haben die das
geschafft, oder wie hat das die Frau M1 geschafft?
12. F: Achtung, also ich bin ja ehrlich, ist klar, ich habe das auch schon
jedem gesagt, ob das der Herr M2 ist, und so weiter und so fort, habe ich
gesagt, ich hatte Glück, dass ich eine Frau bekommen habe. Ich war
wirklich Alkoholiker, jetzt muss ich aber sagen, ich habe nur Bier, nur
Bier, also das ist auch Alkohol, weiß ich, ich bin nicht der unbedingt da,

Anhang
ab und zu mal, eins mal, damit die ihre Ruhe haben, trinkt doch einen
mit, mit der Frau äh ich hatte das Glück, dass sich eine Frau bekommen
habe, ob das jetzt die Frau M1 war, speziell war das vielleicht mein
Glück, ich habe auf die gehört. Wenn ich jetzt einen Mann bekommen
hätte, ich habe mich vor der Frau M1, wenn ich etwas versprochen habe,
ich weiß es genau, jetzt wo die Jahre rum sind, wollte ich mich, sie eine
Frau, ich ein Mann, ich wollte mich nicht vor ihr bloßstellen, ich wollte
mich nicht blamieren, wenn sie das nächste Mal kommt, in einer Woche,
dass sich das erledigt habe. Ich hab's erledigt, und dann fühle ich mich
wohl, wenn sie gekommen ist, und dann habe ich mich gefreut. Ich habe
das gemacht, was sie gesagt hat, und es war ja richtig, dass ich das
gemacht habe. Aber ein Mann, glaube ich, hätte das bei mir nicht
gepackt. Ich hätte gesagt, ja, ich machs, das nächste Mal, aber allein, ich
habe keine Lust
13. I: Das heißt der Mann wäre nicht so ein starker Anreiz gewesen?
14. F: Für mich nicht. Das heißt jetzt nicht, nicht falsch verstehen, es ist eine
Frau, ich bin ein Mann, wenn's nicht so wäre, wäre ich nicht normal. Also
nicht normal ist falsch gesagt, die anderen können ja auch machen was
sie wollen, Mann zu Mann, aber egal. Er hätte nicht das
Fingerspitzengefühl für mich persönlich, andere Leute weiß ich ja nicht,
kommen vielleicht mit dem M2, kommen ja viele gut mit ihm aus, super
aus, aber ich meine, ich, dieses Gefühl, eine Frau, alles klar.
15. I: Das heißt, das liegt ihnen mehr, wenn sie von einer Frau betreut
werden?
16. F: Das liegt mir mehr. Und andere sagen, habe ich auch schon gehört,
natürlich keine Namen, logisch, haben die mir geredet, verstehen das
nicht. Der M2 ist doch so in Ordnung, sage ich sag ja nicht, dass er nicht
in Ordnung ist, aber die verstehen halt nicht meine Beweggründe im
Endeffekt. Das ist für mich persönlich besser, aus diesen und diesen
Gründen.
17. I: Also für Sie ist das ein hoher Anreiz, dass sie von einer Frau betreut
werden und Sie möchten dieser Frau irgendwo, wenn ich das richtig
verstanden habe, einfach auch irgendwo gefallen oder möchten sich
keine Schwäche eingestehen oder geben und versuchen dann zu
funktionieren, und das ist für Sie so eine Motivation, dass Sie richtig
etwas verändert haben in Ihrem Leben?
18. F: Das ist so.
19. I: Was waren das denn für Veränderungen gewesen, was hat sich bei
Ihnen so getan durch das Betreute Wohnen?
20. F: Zum Beispiel, wie ich angefangen habe, also damals beim Herrn M4,
also heut, wenn man heut überlegt, ist das ja Idiotie hoch zehn, ich bin
Alkoholiker und führe eine Kneipe. Das passt doch zusammen wie Faust
aufs Auge. Ich habe die Kneipe, die ist nicht weit von hier, ist eine
Vereinskneipe, von den Fußballern. Ich bin schon über 30 Jahre bei den

Anhang
Fußballern, ich habe schon gespielt, und so weiter und so fort. Und vor
2007 haben die einen Biergarten aufgemacht. Das ist so schön, eine
eigene Kneipe, wo du dein eigener Herr bist, die Mannschaft und die
Leute wo kommen, mir sind.. und da hat sich das irgendwie so ergeben,
hör‘ mal du hast doch keine Arbeit, und da war das mit der Frau passiert,
ich war sowieso da unten, und da haben sie gefragt, willst Du nicht die
Kneipe machen? Du hast dann Essen und Trinken frei, Geld haben wir
keines, dass wir die Pacht.. und dann habe ich mir das überlegt. Und
dann habe ich tagtäglich, jeden Tag, weil die anderen arbeiten alle oder
und so weiter, oder sind älter schon kommen dann habe ich jeden Tag
die Kneipe gemacht.
21. I: Ehrenamtlich?
22. F: Ehrenamtlich. Und wenn du das Zeug vor dir hast, auch wenn's nur
Bier ist, dann kommt der mal, ich kenne fast jeden in [Stadt], vom
Fußball und so. Also wir haben erst 17 Uhr aufgemacht, aber alleine
trinke ich nicht, das ist ja das komischste.. aber zu Hause auch nicht, das
ging kaputt, und dann habe ich die Kneipe gemacht zwei oder drei Jahre
lang. Ja da war ich an der Quelle, und kostet nix, da war auch noch eine
böse Zeit.
23. I: Herr F., was würden Sie sagen, wie hat sich denn das Betreute
Wohnen bei Ihnen im Bereich Gesundheit ausgewirkt? Haben Sie den
Eindruck, dass sie gesünder leben oder so an sich Ihre gesundheitliche
Situation verbessert hat seitdem sie im Betreuten Wohnen sind?
24. F: Ich hab mich mit dem Herrn M4, jedes Mal wenn er mich sieht, der
sieht mich ja nur zwei drei Mal im Jahr vielleicht, Weihnachtsfeier jetzt
wieder, da sagt er immer zu den anderen, manchmal, das ist der Herr
F.? Irgendwann kommt ihr mal zusammen und dann fragen sie nach
Herrn F. und dann macht er so: [winkt ab]. Am Anfang, sagt er immer,
wie ich das erste Mal bei ihm war, das war ja kalter Winter, ich die
schwarze Mütze auf, blaue Nase und so, und ja nicht viel reden, ich war,
er hat einen guten Ausdruck gehabt, die Höhlenmenschen sitzen in der
Höhle und gehen irgendwann vielleicht mal raus, also abgekanzelt, und
nicht reden, andere reden ja, ich höre zu. Heute tue ich einen Saal
unterhalten mit 1000 Leuten, ist mir egal.
25. I: Das heißt, Sie haben sich von dem, wie Sie auftreten
26. F: Mein Ich ist um tausend, normal sinds hundert.. tausend Prozent
verändert [betont das sehr]. Er sagt immer, das gibt's nicht, dass das der
Herr F. ist.
27. I: Also viel höhere Selbstsicherheit?
28. F: pfff, also vorher habe ich immer gedacht, mensch ausgerechnet an
der Nase hast du das scheiß Blaue, jeder sieht das. Ich hab's ja gewusst,
ich wette mit Ihnen, da gab es hundert Leute, die haben das nicht
gewusst, aber ich bilde mir das ein, eben guckt er mich wieder an, der
weiß was los ist, obwohl es gar nicht so war, aber das Innere, oh, eben

Anhang
eben weiß er es. Und dann schämt man sich und redet nicht viel in der
Gesellschaft, und heute ist es grad, ach, schon länger, sagen wir mal
schon zwei Jahre ist es ganz anders.
29. I: Das heißt, es hat sich gesundheitlich viel getan, dass Sie anders
auftreten hat sich verändert, wie sieht es denn mit sozialen Kontakten
aus. Haben sie denn den Eindruck, dass sie mit anderen Leuten zu tun
haben oder einen anderen Umgang haben, seitdem sie im Betreuten
Wohnen sind?
30. F: Ich meine, es sind nicht viele neue dazu kommen
31. I: Sie meinen jetzt von den Bewohnern selbst?
32. F: Ich meine das privat.. und Sie meinen auch
33. I: Nein, privat auch.
34. F: Privat ist eigentlich alles so geblieben da die Fußballfreunde, die
Kneipe, ich meine ich wohne ja da nebendran, aber ich habe gemerkt,
ich werde anders behandelt, das ist keine Einbildung, ich werde anders
behandelt wie vorher. Oder nehme ich mehr wahr jetzt. Ich bin nicht
mehr, ich war kein Dreck damals, aber ich wurde doch nicht, was ich
auch sagte, ah ja [abwertend], und heut oh ja ja [interessiert], heute
glauben die Leute das.
35. I: Kann man das so sagen, dass die mehr Respekt vor Ihnen haben?
36. F: Das glaube ich auch. Vorher war ja, was willste denn mit dem Säufer,
sagte keiner, aber man merkt doch das, ist doch nur der, und heute, ah
Hallo, ganz anders. Also es gibt nichts Besseres für mich und andere als
Betreutes Wohnen, weiß ich heute.
37. I: Diese Vorteile, welche Sie beschrieben haben, Herr F., was würden
Sie sagen, wie hat sich das entwickelt? Oder wie kam das zustande und
was hat das Betreute Wohnen da für einen Anteil dran?
38. F: Ah.. wie kann man das sagenY. ja zum Beispiel wollten sie mich ja
auch, sie waren immer an mir und auch ein Jahr danach noch, auch die
Frau M3, gehen Sie doch auch mal in Therapie, und wenn es nur drei
Monate ist, [Entwöhnungsklinik] oder wie das genau heißt weiß ich nicht,
ich hab es mir auch mal angeschaut, schön, war alles schön gut, kann
ich nichts sagen, ich habe dann wieder Spaß gemacht, wenn ich den
Kirchturm nicht sehe, seitdem ich geboren wurde lebe ich in [Stadt], bin
ich krank. Ah die Ausreden, die drei Monate gehen rum, und dann habe
ich mir für mich gedacht alleine, die geben keine Ruhe, entweder du
machst was oder du machst alleine was. Und ich hab alleine was
gemacht, ich hab es alleine weggekriegt. Ich trinke heute auch noch,
wenn ich am Wochenende weggehe trinke ich auch meinen, mein
Bierchen, das wissen die auch. Aber ich bin der Meinung, das ist normal
geworden in dem Sinn gegen früher, und hat es alleine gepackt. Ohne
Therapie oder wohin gehen, und heute sagt keiner mehr was, ich soll
gesund werden, ich soll in Therapie gehen
39. I: Das heißt, Sie haben so ein bisschen Ihren eigenen Weg gefunden?

Anhang
40. F: Aber auch allein hätte ich ihn nicht gefunden. Wieder durch, nicht nur
Frau M1, auch die anderen.
41. I: Das heißt, die haben schon versucht, Sie in eine Richtung zu
bewegen, und schon allein dadurch haben Sie gemerkt, ich möchte
zumindest nicht in eine Therapie gehen
42. F: Ja.
43. I: Sie haben einen Anreiz gefunden dadurch, etwas an sich selbst zu
verändern?
44. F: Also ich kann sagen, sie wissen es auch, sie sagen es auch, ich habe
es allein gepackt, sagen die. Was selten ist eigentlich. Ich war noch nie
in Therapie oder irgendwas oder wo, in [Stadt] ein paar Tage, nix.
45. I: Das heißt, ihr Trinkverhalten hat sich schon sehr verändert Herr F.?
46. F: Das hat sich.. ich bin jedes Jahr zu meinem Hausarzt, mit dem bin ich
ja per Du, aber das hat er mit dem nichts zu tun, Fakt ist ja was da steht,
Blut abnehmen, großes Blutbild, zu der Glanzzeit damals, das habe ich
ja gebracht, in Kopie, kann man zwar nicht alles lesen, Leberwerte und
so, das kann man schon lesen, waren damals 220, nur Beispiel. Und ist
das viel oder was? Ja, sagt er, normal ist 35. Aber wer hat das. Das ist
nicht gravierend. Ein Jahr später, wie ich mir gedacht habe, du musst
das irgendwie, ich habe aber nicht acht Tage vorher, 14 Tage vorher
nichts getrunken, ich hab ganz normal weiter gemacht.
47. I: Herr D., wie würden Sie denn das Verhältnis beschreiben, wenn man
jetzt die Betreuung nimmt, wenn man Sie nimmt, wie ist das denn
vergleichbar, was Sie für ein Verhältnis, das zu der Frau M1 haben?
Womit ist das denn vergleichbar? Also fühlt sich das an die ein
Betreuungsverhältnis?
48. F: Wissen Sie was ich vielleicht glaube, vielleicht, man weiß es ja nicht
ganz genau. Meine Frau ist damals gestorben, muss halt da da dahin
jetzt zurückkommen, ist gestorben. Und dann kommt die Frau M1. es
hätte auch eine andere Frau sein können, man weiß es nicht. Und ist
jetzt vielleicht falsch ausgedrückt, ich zähle jetzt in der Frau M1 den
Ersatz für meine Frau. Natürlich nicht in allem, ist ja logisch, geht ja
nicht, wissen wir alle, aber im Grund sehe ich die Frau als Anker, weil
meine Frau weg ist. Mit ihr kann ich jetzt reden, was ich normal mit
meiner Frau geredet hätte, wenn sie noch da wäre. Hör mal, wie können
wir das jetzt machen oder was meinst du, kann ich ja mit der Frau M1,
vielleicht, ja nicht vielleicht, wahrscheinlich auch das, für mich, denke ich.
49. I: Das heißt das ist so ein ganz wichtiges Element eigentlich für sie, dass
sie jemanden haben, mit dem sie so eine ganz vertrauensvolle
Beziehung haben?
50. F: Für mich ist das sehr wichtig. Ich weiß genau, die kommt die nächste
Woche wieder, und wenn ich etwas habe diese Woche schon, dann weiß
ich genau, nächste Woche spreche ich das an, und dann wird das wieder
geklärt. Das ist dann weg, nicht immer aufstauen aufstauen, gelöst ist es

Anhang
ja noch nicht, aufstauen. Also ich habe mal, ich hab vor, ich habe jetzt im
April noch einmal verlängert gekriegt für zwei Jahre. Ich habe mit dem
Herrn M4 geredet, ja und, ich kann nicht ganz gesund werden, aber
warum? Ja dann kriege ich keine Verlängerung mehr, dann werde ich
wieder rückfällig, nein nein, da gibt es schon noch Sachen, wo man das
machen kann, sie brauchen ja auch noch wegen der Rückfallgefahr, sie
werden so schnell nicht abgeschoben. Jetzt habe ich wieder zwei Jahre,
alles schön und gut, wenn schon sechs Jahre dabei, der [weiterer Klient
aus dem Betreuten Wohnen], und der bleibt wahrscheinlich auch länger
dabei. Ich habe jetzt schon Angst, und das habe ich auch gesagt dem
Herrn M4 und wie sie alle heißen, wenn die zwei Jahre rum sind,
irgendwann sagt das Amt auch, ich weiß nicht wer das immer schickt,
irgendwann sagen die mal, also denke ich mir, irgendwann bin ich raus
aus dem Verein.
51. I: Herr F., ich kann das mal als Frage formulieren: wie wäre das denn für
Sie, wenn die Betreuung morgen enden würde? Wie würde es Ihnen
damit gehen?
52. F: Also mir geht's hundsschlecht. Ich weiß nicht, ich weiß nicht, ich will
das jetzt nicht als Druckmittel irgendwohin schmeißen, wenn es so ist, ist
es so, dann bin ich wieder alleine für mich, und dann würde ich nicht
wetten, ob ich so bleiben wie ich bin. Weil es kommt ja die nächste
Woche keiner mehr, wo mich sehen will, wie ich aussehe, zum Beispiel.
53. I: Was würden Sie vermuten, Herr F., wie Sie sich entwickeln weiter?
54. F: Ich kann mir es nicht vorstellen, wieder ohne den ganzen Caritas-
Verein, egal wie sie alle heißen, also ich, also dass ich, dass ich
rückfällig werden könnte wieder, das könnte ich nicht ausschließen, im
Gegenteil, ich glaube ich würde wieder.. das hört sich jetzt vielleicht blöd
an, aber so wie ich es denke sage ich es halt, alleine wieder, nächste
Woche kommt keiner, wir machen keinen Ausflug, wir machen kein
Brunch, das Reden schon, das fällt auch weg, ach für wen soll man da
noch irgendwas gut machen, für wen? Das meine ich..
55. I: Das heißt diese Betreuung, wenn man weiß dass die irgendwann
endet, ob das jetzt in zwei Jahren ist oder zehn Jahre weiterläuft
56. F: Das wäre schlimm, für mich wäre das schlimm. Ich kann mir das
eigentlich ohne das gar nicht mehr vorstellen. Das glaube ich auch, ich
kenne mich, ich bin, ich bin weich, und er gibt es noch ein anderes Wort
dafür, sensibel, ich werde bestimmt wieder, mir ist dann alles scheißegal.
Doch ehrlich, so ein Mensch bin ich.
57. I: Das heißt da würde ihnen ein wichtiger Halt fehlen?
58. F: Das ist der einzige wo ich hab. Ehrlich. [schluckt]
59. I: Was würden Sie am meisten vermissen, wenn die Betreuung morgen
enden würde?
60. F: .. ich glaube der Inhalt von allem. Naja, was istY eigentlich alles. Das
ist ja nicht nur Brunch und Ausflug, ist alles schön, klar, ist aber auch

Anhang
mal, was ich noch sagen kann, ich bin zwar auch bei der Caritas, aber
ich glaube ich habe schon gemerkt und auch schon so hintenrum.. sie
sind so die Chefs, M2 und wie sie alle heißen, Frau M1, Frau M3, wir
sind, klar, und ich komme mir irgendwie vor wie das Bindeglied ich sag
mal zwischen uns und denen. Ich versuche, wenn es geht, zwischendrin,
verraten tue ich niemanden, egal wer es wäre, aber ich höre manche
Sachen, wo vielleicht Hilfe nötig ist, ich merke das oder kriege das zu
geredet, auch von denen persönlich, ich muss dann, mein Gewissen
lässt mir keine, kann ja was passieren, na egal, und dann tue ich das
versuchen, mit denen klar zu reden, weil die wissen das ja nicht, ich tue
nichts verraten, ich will nicht verraten, aber das muss ich sagen.
61. I: Das heißt Sie haben auch so ein gutes Gespür für die anderen Leute,
die mit im Betreuten Wohnen drin sind, weil Sie ja selbst Betroffener sind
und
62. F: Da ist was im Busch, denke ich mir, da kann was sein oder passieren,
dann rede ich mit denen und dann tut sich einer denjenigen dann
vornehmen, natürlich nicht direkt mit der Tür ins Haus, damit das auffällt,
so hintenrum halt
63. I: Ich sag mal das ist sozusagen auch wo Sie so eine gewisse
kompetente Position haben, kann man das so sagen? Also wo Sie wie
so ein Fachmann quasi auch sind?
64. F: Ich weiß, wovon ich rede, weil ich selbst davon betroffen bin. Dann
weiß ich wie es den anderen geht vielleicht, und da macht mir das Spaß,
wenn ich denen helfen kann, also irgendwie wenn's geht
65. I: Das heißt das tut auch gut?
66. F: Das tut gut.
67. ABSCHLUSS

Anhang 130
9.3 Induktive Kategoriendefinition
9.3.1 Interview A
Tabelle 4: Interview A Zusammenfassung
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
A
A
A
2
4
6-8
1
2
3
Zwei Mal in Vitos und einmal Reha
Nach Scheidung getrunken zum Betäuben; nach
Herzinfarkt Benzos genommen;
anfangs kein Wissen über Suchtpotential und
Entzug der Benzos
Drei Jahre suchtmittelfrei;
Nach Herzinfarkt Benzos genommen;
Entgiftung gemacht mit vielen Medikamenten;
Dabei Amnesie und Sturz;
Entgiftung gemacht;
Danach zwei Jahre weiter konsumiert
Mehrere stationäre Behandlungen
Konsum zur Emotionskontrolle;
Benzodiazepin-Medikation;
Unwissenheit Suchtdynamik
Benzodiazepin;
Abstinenzphase drei Jahre;
Benzodiazepin-Medikation;
Stationäre Behandlung;
Benzodiazepin-Konsum;
K1: Situation vor der Betreuung
Unwissenheit Suchtdynamik;
Probleme und Lähmung durch
Gedankenkreisen;
kaum soziale Kontakte, Isolation;
Mehrere stationäre Behandlungen;
Alkohol- und
Medikamentenabhängigkeit;
von Ärzten unverstanden gefühlt;
distanziertes Therapeut-Klienten-
Gefälle erlebt;
A 10 4 Gegen Herzprobleme Diazepam und andere
Schmerzmittel;
Entgiftung von Schmerzmitteln und Diazepam
reduziert auf akzeptables Niveau;
Betablocker zu große Nebenwirkungen
Schmerzmittel-Medikation;
Stationäre Behandlung;
A 12-14 5 Kontakt zum BeWo durch Psychiater Kontaktaufnahme BeWo über Arzt
K 2: Veränderungen durch BeWo
Verbesserung psychisches
Wohlbefinden;
Verbesserung Wohlbefinden und
mehr soziale Kontakte durch

Anhang 131
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
A 16 6 Vor BeWo allein gewesen;
Gedankenkreisen, kein Vorwärtskommen, von
Ärzten unverstanden gefühlt;
Durch mit Krankheit verbundener Unsicherheit
zunehmend isoliert und allein zu Hause;
War mit zum Grillen vom BeWo;
Habe Vertrauen in Betreuer;
Kann mich mit denen auf einer Ebene
unterhalten, kein Therapeut-Klient-Gefälle,
legerer, das gefällt mir
kaum soziale Kontakte;
Gedankenkreisen lähmt;
Unverstanden gefühlt;
Isolation durch Unsicherheit;
Vertrauen in Betreuer;
Eine Ebene mit Betreuer;
Kein Therapeut-Klient-Gefälle;
Entspannter Kontakt;
A 18 7 Auf Augenhöhe mit Betreuern, mehr noch als mit
Frau A..
A 20 8 Grundvertrauen ist da;
Kann Betreuer einschätzen;
Betreuer kennen mich schon lange, ich muss
mich nicht kompliziert erklären;
Bei Frau A… im Vitos muss ich mehr erklären; bei
ihr ist Therapeut-Patient-Gefälle spürbar
A 22 9 Bemerkenswert viele Stents, auch Bypässe;
Herz nur noch 2/3 Leistung;
Weniger in Klinik in letzten 2 Jahren als Folge vom
BeWo, letztes Jahr gar nicht;
Glaube, dass Psyche und Stress Einfluss auf
Gefäßerkrankungen haben
A 24-26 10 Geht mir psychisch besser durch BeWo;
BeWo ist das einzige was ich habe;
Sonst nur Sohn, der eigenes Leben lebt;
Kein Therapeut-Klient-Gefälle;
Vertrauen in Betreuer;
Betreuer einschätzbar;
Betreuer versteht mich;
Andere verstehen mich nicht so gut;
Andere haben distanziertes Therapeut-
Klient-Gefälle;
Gesundheitliche Einschränkungen;
Weniger Klinikaufenthalte durch BeWo;
Erklärt sich Gefäßerkrankungen
psychosomatisch;
Verbesserung psychisches Wohlbefinden
durch BeWo;
BeWo ist einzigartiger Halt;
familiärer Kontakt entfernt sich;
Unternehmungen;
weniger Klinikaufenthalte;
Konsumreduktion;
K 3: Merkmale der Betreuung
Ansprechpartner vorhanden;
allgemeine und administrative
Unterstützung vorhanden;
BeWo ist einzigartiger Halt;
Kontakte hauptsächlich durch
BeWo;
Kontakte tiefer und vertrauter;
BeWo hilft bei
Entscheidungsfindungen;
Gewöhnung an Unterstützungen;
Unternehmungen trotz
Geldmangel machbar;
K 4: Merkmale der
Betreuungsperson
regelmäßiger Kontakt zu Betreuer;
Vertrauen in Betreuer;
Betreuer ist einschätzbar
Betreuer versteht mich;
Muss mich nicht verstellen;
kein Therapeut-Klient-Gefälle;
entspannter und unkomplizierter
Kontakt;

Anhang 132
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
A
A
28
30
11
12
Lockerer und unkomplizierter Umgang mit
Betreuern sorgt für besser gehen;
Kein Therapeut-Klient-Unterschied;
Muss mich nicht verstellen;
Weniger Erwartungen an mich sind nicht der
Grund dafür, dass es mir besser geht
Entspannter und unkomplizierter Kontakt;
Kein Therapeut-Klient-Gefälle;
Verstellen ist nicht notwendig;
Geringerer Erwartungsdruck ist nicht
Ursache für Verbesserung Wohlbefinden;
Betreuer unterbricht
Gedankenkreisen durch Vorschläge
und Informationen;
praktische Unterstützung durch
Betreuer, auch durch dessen
private Sachen;
A 32 13 Andere Einrichtungen akzeptieren auch geringe
Dosis Benzos, die nicht weggelassen werden kann
A 34 14 Habe fast nur Kontakte zu Leuten vom BeWo;
Ich bin faul und rede nicht gern wenns mir
schlecht geht;
Ich hatte Freundeskreis, aber Kontakt brach ab
nach Ausland und Hochzeit;
A 36 15 Ich habe fast nur Kontakte zum BeWo, aber es
sind nicht mehr geworden;
Ich sehe Betreuer mindestens 2x pro Woche;
Ich komme mal raus
Medizinisch begründete Medikation von
Benzodiazepinen wird allgemein
akzeptiert;
Hauptsächlich nur BeWo-Kontakte;
Isolation durch Rückzugsverhalten;
Frühere Kontakte abgebrochen;
Hauptsächlich nur BeWo-Kontakte;
Regelmäßiger Kontakt zu Betreuer;
Unternehmungen wirken Isolation
entgegen;
A 38 16 Die Kontakte sind aber tiefer und vertrauter Kontakte tiefer und vertrauter
A 40 17 Durch Handicaps neige ich zu Rückzug und es
geht mir schlecht;
Nehme oft verschiedene Tabletten, durch deren
Wirkung kann ich nichts anderes mehr machen;
Sind mit BeWo weggefahren, danach ging es mir
besser
A 42 18 Einladungen zu Unternehmungen durch BeWo
sind gut, dadurch bleibe ich nicht zu Hause sitzen
Neigung zur Isolation durch
Rückzugsverhalten;
Einschränkung durch Medikation;
Verbesserung Wohlbefinden durch
Unternehmungen im BeWo;
Unternehmungen wirken Isolation
entgegen;
K 5: Situation nach Beendigung
BeWo
Konsumreduktion schwieriger;
Gedankenkreisen;
Craving;
Kontakte fehlen;
keine wohlwollenden Kontakte;
Alleinsein;
Wegfall wäre belastend;

Anhang 133
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
A 44 19 Weggehen ohne BeWo kostet Geld;
habe Befürchtungen und schlechtes Gefühl alte
Freunde zu besuchen, weil die es zu etwas
gebracht haben und ich Grundsicherung beziehe
Unternehmungen trotz Geldmangel
machbar;
Kontaktvermeidung zu früheren Kontakten
aufgrund negativen Selbstbildes;
A 46 20 Materielle Situation ist ziemlich schlimm, in
Wohnung müsste viel gemacht werden, aber kein
Geld dafür da
A 48 21 Hatte Idee, Wohngemeinschaft zu gründen;
Die Leute dafür sind ok aber verzichten nicht ganz
auf Alkohol, das geht für mich nicht;
Da würde ich einen Rückfall riskieren,
es würde mich nerven, da es nicht
gleichberechtigt ist;
Eingeschränkte materielle Situation;
Wohnung renovierungsbedürftig;
Wohngemeinschaft als Idee;
Keine abstinenten Mitbewohner gefunden;
Wohnen mit nicht abstinenten
Mitbewohnern würde Rückfallrisiko
steigern;
Andere Konsumenten nerven;
A 50-52 22 BeWo unterstützt mich bei Anträgen;
Hab dafür aus gesetzl. Betreuer;
Ärger mit Ämtern belastet mich gesundheitlich;
Über Unterstützung des rechtl. Betreuers und
BeWo bin ich froh;
Praktische Unterstützung auch durch faxen,
Schreibhilfe;
A 54 23 Hatte Ziel aus Wohnung rauszukommen und
mehr Leben zu haben durch Zusammenziehen
mit anderen, aber da zeichnet sich nichts ab da
die nicht abstinent leben;
aktuelle Wohnung hat Vorteil, dass Leute
merken, wenn ich nen Herzinfarkt habe, aber die
draufknallende Sonne macht mir zu schaffen, da
hänge ich gerade fest
Administrative Unterstützung durch BeWo
hilfreich;
Administrative Unterstützung durch
rechtlichen Betreuer hilfreich;
Wohngemeinschaft als Idee gehabt;
Keine abstinenten Mitbewohner gefunden;
Aktuelle Wohnung hat große Vor- und
Nachteile;

Anhang 134
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
A 56 24 Habe durch das BeWo fest Ansprechpartner
gefunden;
Wenn etwas ist, kann ich darauf zurück greifen;
Tabletteneinnahme ist besser, da ich kein
BeWo bietet Ansprechpartner;
BeWo bietet Unterstützung;
Konsumreduktion durch Wegfall
Rückzugswunsch;
Bedürfnis habe auszubrechen oder mich zu
betäuben;
A 58 25 Stabile Situation ist besser für geringeren Konsumreduktion durch stabile Situation;
Tablettenkonsum
A 60 26 Ohne Betreuer wäre es schwieriger das zu
kontrollieren;
Würde mir Probleme selbst machen durch
Gedankenkreisen;
Dann kämen Verzweiflung und Drang zum
Tablettenkonsum
A 62 27 Betreuer hilft mir durch Vorschläge und
Informationen aus Gedankenkreisen
rauszukommen;
Hilft mir beim Computer, alter ist zu langsam;
Hat mir seinen alten Fotoapparat ausgeliehen,
damit ich Hobby wieder machen kann wie früher;
Durch Geldmangel kann ich Hobbys nicht
machen, das waren Musik und Fotografieren
A 64 28 Auf Hobby kam Betreuer durch Foto an der
Wand;
Hat mir deshalb Fotoapparat geliehen;
Konsumreduktion ohne Betreuer
schwieriger;
Gedankenkreisen erzeugt Probleme;
Durch Verzweiflung Craving;
Betreuer unterbricht Gedankenkreisen
durch Vorschläge und Informationen;
Praktische Unterstützung durch Betreuer
hilfreich;
Praktische Unterstützung durch Betreuer
mit dessen privaten Sachen hilfreich;
Geldmangel schränkt Ausübung Hobbys
ein;
Betreuer versteht mich;
A 66 29 Ging mir besser mit dem Fotoapparat; Praktische Unterstützung sorgt für
Wohlbefinden;

Anhang 135
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
A 68-70 30 Bei Ende BeWo würde ich die Kontakte
vermissen;
Da ist Vertautheit;
Ich wäre wieder allein;
Ich habe Gefühl, Leute sind an meiner Seite;
BeWo hilft mir bei Entscheidungen, die ich selbst
nicht treffen kann;
Ohne BeWo würden Kontakte fehlen;
Ohne BeWo Einsamkeit;
Ohne BeWo keine wohlwollenden
Kontakte;
BeWo hilft bei Entscheidungsfindungen;
A 72-74 31 Ich habe mich an Unterstützung gewöhnt;
Wäre heavy, wenn die wegbricht;
Dann wäre ich wieder allein
Gewöhnung an Unterstützung;
Wegfall wäre belastend;
Ohne BeWo Alleinsein;

Anhang 136
9.3.2 Interview B
Tabelle 5: Interview B Zusammenfassung
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
B 2 1 ich habe drei Alkoholentgiftungen gemacht;
ich bin mit Psychopharmaka für manischdepressive-Phasen
eingestellt worden;
B 4-10 2 Ich habe eine stationäre Entwöhnung im
Falkenhof 2012 mitgemacht
B 12-14 3 Danach Adaption Heppenheim bis 2013
B 16 4 Ich war mehrmals in stationärer
psychosomatischer Behandlung
B 18-20 5 Zuletzt vor 8 Jahren in Bad Wildungen 2005
B 22 6 Am BeWo schätze ich im Vergleich zur
Psychosomatik die Alltagstauglichkeit und die
Hilfe im Alltag
B 24 7 Durch BeWo Hilfe bei Möbelausstattung der
Wohnung;
Durch BeWo Unterstützung bei
Auseinandersetzung mit Jobcenter und
Behörden;
Man hat ständig einen Ansprechpartner;
Man wird sofort beachtet und geachtet;
Braucht nicht auf Termin warten;
Man wird zurück gerufen;
B 26 8 Behörden reagieren anders bei Kontakt durch
BeWo;
Kontakte zu Behörden herzustellen ist
schwieriger als die Probleme zu lösen;
habe gesetzlichen Betreuer seit letztem Jahr in
drei Entgiftungen, eine Entwöhnung mit
Adaption;
Medikamentös eingestellt auf bipolare
affektive Störung
Mehrmals stationäre psychosomatische
Behandlung
Merkmal BeWo: Alltagstauglichkeit;
Merkmal BeWo: Praktische Unterstützung
im Alltag
Praktische Unterstützung im Alltag;
Durch BeWo Unterstützung bei
Auseinandersetzung mit Behörden;
Ständig verfügbarer Ansprechpartner;
Man erhält Aufmerksamkeit;
Man wird respektiert;
Ständig verfügbarer Ansprechpartner;
BeWo reagiert schnell auf
Kontaktversuche;
Ohne BeWo: reagieren Behörden anders;
Ohne BeWo: Kontaktaufnahme zu
Behörden ist schwieriger;
Gesetzl. Betreuer zu haben ist sinnvoll
K 1: Situation vor der Betreuung
mehrere suchtspezifische und
psychosomatische stationäre
Behandlungen;
Comorbidität: bipolar-affektive
Störung;
Behörden reagieren anders und
sind schlechter erreichbar;
Informationen fehlen;
Frühere Hilfsangebote weniger
umfangreich;
Gespräche über Alltag fehlen;
erlebt, dass Entscheidungen nicht
akzeptiert wurden;
K 2: Veränderungen durch BeWo
ausgeglichener durch
kontinuierliche Treffen;
Grundlegendes Gefühl von
Hoffnung und Perspektive trotz
schwieriger Lage;
Erleichterung durch Gespräche
über Alltag entsteht;
K 3: Merkmale der Betreuung
Kontinuierliche Treffen und

Anhang 137
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
Krisensituation bekommen;
Das fand ich sinnvoll, auch zur Unterstützung bei
Privatinsolvenz;
B 28 9 Vermittlung BeWo durch Adaption; Kontaktaufnahme BeWo über Adaption
B 30 10 Betreuung zugesagt da neu in der Stadt und
unsicher gefühlt;
Unterstützung in dieser Phase klang reizvoll;
Schwester wohnt in Nähe, aber die will ich nicht
belasten;
Möchte eigenes Leben aufbauen in neuem
Umfeld;
Betreuung gewollt wegen Umfeldwechsel;
B 32 11 Erwartungen ans BeWo wurden erfüllt
B 34 12 BeWo bietet Struktur;
Machen Ausflüge mit anderen Erkrankten;
Gemeinsame Unternehmungen bieten
Möglichkeit, andere Leute kennen zu lernen;
Weil die ähnliches Problem habe, braucht man
keine Kontaktängste zu haben und fühlt sich
verbunden;
B 36-38 13 Als ALG-II-Empfänger wurde ich vom Jobcenter
nicht gut informiert über
Unterstützungsmöglichkeiten;
das BeWo hat mich informieren können;
BeWo bietet Tagesstruktur;
BeWo bietet Möglichkeit für Neukontakte;
andere Betreute sind mir ähnlich
Allein fehlen mir Informationen;
BeWo verschafft mir Informationen;
B 40 14 Die haben Informationen beschafft, die ich sonst
nicht hatte;
B 42 15 Seit BeWo bin ich ausgeglichener Durch kontinuierliche Treffen
B 44 16 Kontinuität wirkt ausgleichend mit mind. 1
Gespräch pro Woche;
Zusätzliche Treffen sind Ankerpunkte
ausgeglichener;
Unternehmungen sind wesentlich;
B 46 17 Ich habe einen Ansprechpartner; Ansprechpartner verfügbar
Gespräche hilfreich;
praktische Unterstützung im Alltag;
Unterstützung bei
Auseinandersetzung mit Behörden;
man erhält Aufmerksamkeit und
Respekt;
schnelle Reaktion auf
Kontaktversuche;
bietet Tagesstruktur;
Möglichkeit, neue Kontakte zu
finden;
Unternehmungen sind wesentlich;
Offenheit möglich;
hilft durch Arbeit mit
Befürchtungen und Ängsten;
Probleme können geteilt werden;
keine Befürchtungen vor
Gesprächen;
leichter wegzulassen, wenn Arbeit,
Tagesstruktur, Partnerschaft und
finanzielle Absicherung vorhanden
sind;
K 4: Merkmale der
Betreuungsperson
Ständig verfügbarer
Ansprechpartner;
Betreuer erzählen von privaten
Dingen, was ein großer
Unterschied zu bisher Erlebtem sei;

Anhang 138
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
B 48 18 Ansprechpartner und die vertrauensvolle
Zusammenarbeit sind wichtig
Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit
Ansprechpartner ist wichtig
B 50 19 Frühere Alltagsunterstützung durch
Frühere Alltagsunterstützung durch
Institutsambulanz auch hilfreich, aber nur Hilfesystem nicht so umfangreich
Termine alle 6 Wochen und damit nicht so
kontinuierlich
B 52 20 Habe viel Therapie gemacht;
Man kann sich selbst verlieren, weil man nur
noch Therapie ist – übertherapieren;
B 54-56 21 Im BeWo kann man sich öffnen;
Im Moment schwierige Situation da keine Arbeit,
durch BeWo habe ich Unterstützung bei der
Suche und es entsteht keine Aussichtslosigkeit;
Ich habe grundlegendes Gefühl von Hoffnung und
dass es weiter geht;
Das BeWo fördert das;
B 58 22 BeWo setzt sich mit Befürchtungen und Ängsten
auseinander, dadurch entsteht [Nr. 21];
Praktische Hilfestellung;
B 60 23 Vorher und jetzt durch fehlende Partnerin
niemand da, mit dem ich über Alltag reden kann;
Zuviel Therapie entfremdet
In BeWo Offenheit möglich;
Trotz schwieriger Lage kein Gefühl von
Aussichtslosigkeit;
Grundlegendes Gefühl von Hoffnung und
Perspektive
BeWo hilft durch Arbeit mit Befürchtungen
und Ängsten;
Praktische Hilfestellung
Ohne BeWo und Partnerin fehlen
Gespräche über Alltag
B 62-64 24 Durch Gespräche im BeWo über Alltag entsteht
Erleichterung
Durch Gespräche mit BeWo über Alltag
entsteht Erleichterung
B 66-68 25 Man kann Probleme teilen mit ansprechbarer
Person, der man vertrauen kann;
Ist ein bisschen Partnerersatz, aber nicht auf
Probleme können geteilt werden;
Verfügbarer Ansprechpartner;
Teilweise platonischer Partnerersatz
sexueller Ebene;
B 70 26 Kontinuität und Stabilität wie in Partnerschaft Kontinuität und Stabilität wie in
Partnerschaft
Teilweise platonischer
Partnerersatz;
Es ist ein Unterschied im Kontakt,
ob man von Mann oder Frau
betreut wird;
Es spielt eine Rolle, wie fähig ein
Mitarbeiter ist;
Vertrauensvolle Zusammenarbeit
mit Betreuer ist wichtig;
K 5: Situation nach Beendigung
BeWo
Ohne BeWo kein absoluter
Absturz, da gesetzl. Betreuer
sichert;
kontinuierliche Gespräche würden
fehlen;
praktische Hilfe würde fehlen;

Anhang 139
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
B 72 27 Ist Unterschied, ob man von Mann oder Frau
betreut wird;
Das ist eine andere Auseinandersetzung;
Es gibt überall auch fähige und weniger fähige
Mitarbeiter
Es ist ein Unterschied im Kontakt, ob man
von Mann oder Frau betreut wird;
Es spielt eine Rolle, wie fähig ein
Mitarbeiter ist
B 74 28 BeWo hatte noch keine negative Auswirkung auf
mich;
Kein ungutes Gefühl vor nächstem Termin;
Habe auch schon außerhalb erlebt, dass ich mich
nicht auf Treffen gefreut habe;
B 76 29 Keine Befürchtung, dass Gespräche im Rahmen
des BeWo unangenehm werden könnten
B 78 30 Habe auch erlebt, dass es Menschen im
Hilfesystem gibt, die gehen ihren Weg und wenn
man etwas anderes macht, akzeptieren sie es
nicht so
B 80 31 Behandlung nicht auf Augenhöhe gewesen
B 82-84 32 Bei Ende BeWo kein absoluter Absturz ins Chaos
durch gesetzl. Betreuer;
Zu gesetzl. Betreuer besseres Verhältnis als zu
vorherigem, da dieser sich mehr Zeit nimmt und
wirklich zuhört
B 86 33 Wichtiger Unterschied zu früherer Behandlung ist
im BeWo, dass Therapeuten kaum aus ihrem
privaten Leben erzählt haben, hier fließen Sachen
aus dem Privatleben ein;
Man weiß wo er ungefähr wohnt, dass er im
Urlaub war, was er dort gemacht hat;
B 88 34 Ich könnte leichter drauf verzichten, wenn ich
feste Arbeit, Tagesstruktur, funktionierende
Im BeWo keine Befürchtungen vor
Gesprächen
Früher erlebt, dass meine Entscheidungen
nicht akzeptiert wurden
Ohne BeWo kein absoluter Absturz, da
gesetzl. Betreuer sichert
Im BeWo erzählen Betreuer von privaten
Dingen, was ein großer Unterschied zu
bisher Erlebtem sei
BeWo leichter wegzulassen, wenn Arbeit,
Tagesstruktur, Partnerschaft und

Anhang 140
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
Partnerschaft und Geld hätte;
finanzielle Absicherung vorhanden
Dann wäre vieles anders im Leben, dann würde
auch Abschied davon nicht so weh tun
B 90-92 35 Unterstützung durch kontinuierliche Gespräche
würde zuerst fehlen
Ohne BeWo würden kontinuierliche
Gespräche fehlen
B 94-96 36 Hilfen im Alltag würden mir auch sehr fehlen, die
schnell verfügbar sind
Ohne BeWo würde praktische Hilfe fehlen
9.3.3 Interview C
Tabelle 6: Interview C Zusammenfassung
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
C 2 1 Ich kenne die Entgiftungseinrichtung, die
Suchtberatung;
Ich war mal in Selbsthilfegruppe, da haben sich
alle selbst bemitleidet, das war nichts für mich;
Ich kenne noch eine Entwöhnungseinrichtung
und die Nachsorge
Kennt ganze Suchtbehandlungskette;
C 4-6 2 2009 erste Entgiftung, 2012 zweite Entgiftung,
Herbst 2012 dritte und zum Jahreswechsel vierte
Entgiftung. Die letzte vor Aufnahme Entwöhnung
C 8 3 12 Wochen in Entwöhnung
K 1: Situation vor der Betreuung
ganze Suchtbehandlungskette
durchlaufen;
keine Stromversorgung der
Wohnung;
Fernsehen, Alkoholkonsum und
Szenekontakte;
Letzte mit BeWo vergleichbare
Situation vor 20 Jahren in fester
Partnerschaft und mit

Anhang 141
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
C 10-12 4 Wohn- und Lebenssituation hat sich durch
Betreutes Wohnen verändert;
Ich hatte vorher keinen Strom, weil die
Fallmanagerin nichts gemacht hat und nicht auf
Anrufe reagierte;
Nach Intervention von BeWo und Androhung
rechtlicher Konsequenzen Strom da;
davor 1 Jahr ohne Strom
Stromversorgung wiederhergestellt, was
allein mit Unterstützung des Jobcenters
nicht funktionierte
Arbeitsverhältnis;
C 14 5 Während BeWo Wohnung sauberer und
ordentlicher;
Papierkrank besser geordnet, vorher lag alles auf
einem Haufen durcheinander
C 16 6 Ursache für mehr Ordnung ist Anschiss von
Hauptbetreuerin, die hat im Befehlston gesagt,
was zu sortieren ist, jetzt weiß ich wie ich es zu
machen habe;
Entwöhnung habe ich auf sanftem Druck durch
Hauptbetreuerin und BeWo-Team beantragt;
Anfangs ungewünschte Klinik genehmigt, nach
Umschreibung gewollte Klinik genehmigt
C 18 7 Hauptbetreuerin kann ganz schön direktiv
werden;
Aber das ist gut so;
Androhung mich beim nächsten Rückfall sofort in
Entgiftung zu fahren, auch wenn ich das nicht
will, aber das ist gut so;
Hauptbetreuerin ist „eiskalt“ in der Beziehung;
Mit BeWo Wohnung sauberer und
ordentlicher;
Administrative Unterlagen geordnet;
Direktiv formulierte Anweisungen als
hilfreich erlebt und erwünscht;
Entwöhnung auf Empfehlung des BeWo
gemacht;
Hauptbetreuerin übernimmt auch mal die
Initiative, wenn ich keine Lust habe auf
Entgiftung;
Hauptbetreuerin nimmt auch mal keine
Rücksicht auf meine Befindlichkeiten, wenn
es um letztlich hilfreiche Entscheidungen
geht;
K 2: Veränderungen durch BeWo
Wohnsituation verbessert;
Administrative Unterlagen
geordnet;
Entwöhnung gemacht;
Szenekontakte reduziert;
geordneter Tagesablauf;
gesündere Ernährung;
Körperlich leistungsfähiger
geworden;
Begegnungen mit anderen
Menschen intensiver und
respektvoller;
Besseres Aussehen;
Bessere Körperpflege;
Bessere Geldeinteilung;
Geringere Tendenz zu Resignation
und Vernachlässigung;
Konsumreduktion;
Keine Notfalleinweisungen mehr;
K 3: Merkmale der Betreuung
Bei Konsum macht sich BeWo
Sorgen, aber greift erst mal nicht
ein;
Man wird nicht zu etwas

Anhang 142
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
C 20 8 Ich brauche jemanden, der mich ab und zu in den
Hintern tritt, das ist in Ordnung;
Es wäre nicht gut, wenn ich mich rausschleichen
könnte;
Ich brauche schon ein bisschen Druck
C 22 9 Ursprünglicher Freundeskreis hat sich
ausgedünnt während BeWo, da keine Lust mehr
auf bestimmte Kontakte;
Teilweise besteht noch Kontakt, neue Kontakte
durch Entwöhnung gefunden;
Zu vier neuen Leuten guter Kontakt;
C 24-26 10 Kontakte von früher teilweise abgebrochen oder
eingeschlafen, weil ich zu vielen Plätzen von
früher nicht mehr hingehe;
Zu einem Platz (Szenetreffpunkt) gehe ich noch,
da ist auch Bekannter dabei;
Dort trinken wir Wasser, nicht wie andere
Alkohol, das stört uns nicht;
C 28 11 Ich unternehme mehr als früher;
Damals Fernsehen und Alkohol oder Plätze
aufgesucht und mit anderen getrunken;
Tagesablauf ist jetzt geordneter und
regelmäßiger;
Früher vor Supermarkt und Tankstelle bis
morgens rumgehangen;
Lust auf Teil der Szenekontakte verloren
seit BeWo;
Neue Kontakte durch Entwöhnung;
Vereinzelter Szeneaufenthalt zusammen
mit Bekanntem möglich geworden ohne zu
konsumieren;
Vor BeWo und Entwöhnung Fernsehen,
Alkoholkonsum und Szenekontakte;
Jetzt geordneter Tagesablauf, der sich
langsam entwickelt hat;
Bedürfnis entwickelt, Wohnung
aufzuräumen, bevor Betreuerin kommt;
Regelmäßigere und gesündere Ernährung;
gezwungen, man setzt sich von
selbst unter Druck;
Gesprächsinhalte neben
Suchtthematik auch allgemeine
Themen;
K 4: Merkmale der
Betreuungsperson
VERHALTENSDIMENSION:
Direktiv formulierte Anweisungen
hilfreich;
übernimmt auch mal die Initiative;
nimmt weniger Rücksicht auf
Befindlichkeiten, wenn es um
letztlich hilfreiche Entscheidungen
geht;
reagiert ärgerlich bei
Fehlverhalten;
besprochene Dinge werden
vertraulich behandelt;
BEZIEHUNGSDIMENSION:
Bedürfnis entwickelt, Wohnung
aufzuräumen, bevor Betreuerin
kommt;

Anhang 143
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
C 30-32 12 Umstellung Tagesablauf hat sich langsam
eingespielt;
Am Anfang gedacht, hier sieht das so
unordentlich aus, mach lieber sauber, wenn die
Hauptbetreuerin kommt;
Jetzt geht das automatisch, vielleicht auch durch
die Entwöhnung;
Ich esse jetzt regelmäßiger;
Früher auch mal 4-5 Tage nichts gegessen;
Körperlich geht es mir jetzt dadurch besser;
Körperlich leistungsfähiger geworden;
Begegnungen mit anderen intensiver und
respektvoller;
Besseres Aussehen;
Bessere Körperpflege nach Vergleich mit
Mitpatientinnen in der Entwöhnung;
C 34-36 13 Körperlich nicht mehr so träge und mehr
Kondition;
Macht mehr Spaß, wenn man fitter ist;
Man kriegt mehr von anderen mit;
Hat Kontakt zu Leuten, die man früher nicht
wahrgenommen hat;
Nachbarn bekommen mit, dass sich etwas
geändert hat und begegnen mir ganz anders;
Nachbarn sind viel freundlicher und fragen nach,
was passiert ist;
Ich merke auch selber, dass ich besser aussehe;
C 36-40 14 Die Frauen in der Entwöhnung haben auch dazu
beigetragen;
Ich habe mich mit denen verglichen und mir
gesagt, dass ich auch was für mein Äußeres tun
muss;
Mit denen habe ich häufig telefoniert und SMS
geschrieben, haben auch Probleme
Wunsch nach positiver Meinung
der Hauptbetreuerin über
Betreuten;
Kontakt auch bei Fortführung
Konsum da;
Fortführung Konsum würde
Beziehung belasten und wäre
blamabel;
Konsumreduktion, um dem
Verhältnis zur Hauptbetreuerin
nicht zu schaden;
freundschaftlich-humorvoller
Kontakt;
Zeit mit Hauptbetreuerin zu
verbringen ist angenehm;
BEDEUTUNG
Mit Hauptbetreuerin existiert ein
Mensch, der als wichtig
empfunden wird und der eine gute
Entscheidung schätzt;
Verhältnis zu Hauptbetreuerin wie
zu älterer Schwester, die aufpasst;
Verhältnis wie zu großem Bruder;
Verhältnis besser als Patient-Arzt;
Autoritätsperson, aber nicht
hierarchisch wie Chef-
Untergebener;

Anhang 144
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
C 42-46 15 Seit BeWo komme ich mit dem Geld besser hin;
Aber es ist knapp durch Ratenzahlungen für
Gericht und Energieversorger;
Ich komme besser hin, weil ich weniger trinke
und rauche
C 48-52 16 Es gelingt mir auch besser, weil ich einen Teil
meines Geldes an BeWo abgebe und mir bei
Bedarf kleine Beträge abhole;
Das klappt sehr gut, früher war ich schon am
Anfang des Monats pleite;
Ich kann mit Geld einfach nicht umgehen;
Entlastend, nicht mehr überlegen zu müssen, wie
ich heute an Geld komme;
C 54-56 17 Ich habe mich weniger gehen lassen, weil ich
regelmäßigen Kontakt zum BeWo hatte;
Am Anfang der Betreuung hat es sehr nach
Alkohol und Rauch in meiner Wohnung gerochen;
Früher habe ich mehr zu Hause geraucht, jetzt
rauche ich mehr draußen
C 58 18 Alkoholkonsum während BeWo und vor
Entwöhnung weniger geworden;
Auffallend waren krasse Abstürze;
Ich bin nie eingeliefert worden zu Entgiftung,
habe immer vorher Hauptbetreuerin angerufen
und ihr Notwendigkeit zur Entgiftung signalisiert
C 60 19 Dann hat Hauptbetreuerin Termin Entgiftung
ausgemacht;
Hauptbetreuerin war mal böse auf mich
gewesen, als ich mit 2 Promille und Fahrrad zur
Entgiftung gefahren bin;
Seit BeWo Geldeinteilung und damit
besseres Auskommen;
Weniger Stress, Geld beschaffen zu
müssen;
Weniger gehen gelassen seit Kontakt zum
BeWo;
Wohnung nicht mehr verraucht;
Reduktion Trinkmenge;
Weniger massive Trinkevents;
Keine Notfalleinweisungen mehr;
Selbständiges Erkennen von Notwendigkeit
zur Entgiftung und Äußern von
Unterstützungswunsch;
Hauptbetreuerin reagiert auch mal
ärgerlich bei Fehlverhalten;
K 5: Situation nach Beendigung
BeWo
regelmäßige Kontakte würden
fehlen;
Mensch würde fehlen, mit dem
über alles geredet werden kann,
was mit anderen Bekannten nicht
so geht;
Ohne Hauptbetreuerin würden
Sicherheit und ein Fundament
fehlen;

Anhang 145
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
C 62 20 BeWo hat empfohlen, weniger Alkohol zu
trinken;
Habe Abstürze gehabt von 3-5 Tagen, dann habe
ich mich gemeldet wegen Entgiftung, damit es
nicht zur Notfalleinweisung gekommt;
C 64 21 Nicht wegen Konsum kritisiert worden;
Das war zwischen Ermahnen und Mitgefühl;
Meinst du, das ist gut für dich, wie du trinkst?;
C 66-68 22 Es hätte mich keiner gezwungen in Entgiftung zu
gehen;
Man hätte mir deutlich gemacht, dass man das
nicht gut findet, aber es war nicht abwertend;
Es war nett, meinst du nicht, es wäre besser
weniger zu trinken, es geht dir doch nicht gut
dabei;
BeWo macht sich Sorgen um mich
C 70 23 Ich wusste ich werde nicht fallen gelassen, wenn
ich weiter trinke;
Aber es hätte dem Kontakt auch nicht gut getan:
C 72 24 Anreiz für weniger Trinken war, dass ich mich
nicht vor Hauptbetreuerin blamieren wollte
C 74 25 Es ist mir wichtig, dass Hauptbetreuerin eine gute
Meinung von mir hat;
Bei Konsum macht sich BeWo Sorgen, aber
greift erst mal nicht ein;
Kontakt auch bei Fortführung Konsum da,
aber es wäre nicht gut für Beziehung;
Anreiz für Konsumreduktion war, dass
Fortführung Konsum ungewollte Blamage
gegenüber Hauptbetreuerin wäre;
Wunsch nach positiver Meinung der
Hauptbetreuerin über Betreuten;

Anhang 146
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
C 76 26 Es ist ein Anreiz, dass ein Mensch da ist, der
einem wichtig ist und dem man einen Gefallen
mit einer guten Entscheidung tun kann;
Ich habe das Gefühl, dass ich zu ihr ein gutes
Verhältnis habe;
Wir reden nicht ständig über Alkohol und
Probleme, wir machen auch mal Blödsinn, wir
machen uns auch mal über andere lustig;
unterhalten uns über Musik und allgemeine
Sachen;
Mit Hauptbetreuerin existiert ein Mensch,
der als wichtig empfunden wird und der
eine gute Entscheidung schätzt;
Gesprächsinhalte neben Suchtthematik
auch über allgemeine Themen und
freundschaftlich-humorvoll;
C 78 27 Verhältnis zu Hauptbetreuerin ist so, wie wenn
sie meine ältere Schwester wäre, die auf mich
aufpasst;
Nicht so wie Verhältnis Patient-Arzt;
Manchmal ist es ganz lustig mit den
Unternehmungen;
C 80 28 Dieses Verhältnis, wie es ist, ist besser als
Verhältnis Patient-Arzt;
Wenn mich Hauptbetreuerin zum Arzt begleitet,
dann unterhält der sich mit ihr über Tattoos,
Urlaub und anderes, das findet sie witzig;
Das Warten im Wartezimmer ist auch nett, sie
löst Kreuzworträtsel und ich lese, das ist schon
gut;
C 82 29 Ich kann seit BeWo Alkoholkonsum besser
kontrollieren;
Vor BeWo rund um die Uhr besoffen;
Dann anfangs harte Sachen weggelassen;
Verhältnis zu Hauptbetreuerin wie zu
älterer Schwester, die aufpasst;
Verhältnis besser als Patient-Arzt;
Zeit mit Hauptbetreuerin zu verbringen ist
angenehm;
Bessere Konsumkontrolle;
Konsumreduktion;
C 84 30 Ohne BeWO: das wäre Scheiße Ohne BeWo würde regelmäßiger Kontakt

Anhang 147
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
C 86 31 Zu Hauptbetreuerin besteht regelmäßiger
Kontakt, ist Mensch mit dem ich über alles reden
kann, das würde mir fehlen;
Mit anderen Bekannten kann ich mich nicht so
unterhalten;
C 88 32 Im Vergleich zu Bekannten kann ich der
Hauptbetreuerin Dinge erzählen, und ich weiß,
die bleiben im BeWo-Team, woanders würden
die weitererzählt werden;
C 90 33 Ich fühle mich nicht betreut, Verhältnis ist wie zu
großer Schwester oder großem Bruder;
Schon eine gewisse Autoritätsperson, aber nicht
hierarchisch wie Chef-Untergebener;
Es ist kein Zwang dabei, den macht man sich von
selbst;
fehlen;
Ohne BeWo würde Mensch fehlen, mit
dem ich über alles reden kann, was mit
anderen Bekannten nicht so geht;
Im Vertrauen mit der Hauptbetreuerin
besprochene Dinge werden vertraulich
behandelt;
Betreuungsverhältnis wie zu großer
Schwester oder großem Bruder;
Autoritätsperson, aber nicht hierarchisch
wie Chef-Untergebener;
Man wird nicht zu etwas gezwungen, man
setzt sich von selbst unter Druck;
C 92-94 34 Früher hätte ich mich in bestimmten Situation
stark betrunken, heute mache ich das nicht, weil
das nicht gut für das Verhältnis zur
Hauptbetreuerin ist;
Ich will mir das nicht versauen;
C 96 35 Wenn Hauptbetreuerin nicht da wäre, dann
würde eine ganze Ecke aus dem Leben fehlen,
auch Sicherheit;
Das ist wie Fundament, auf dem man aufbaut;
C 98 36 Das letzte Mal hatte ich das 1992, da hatte ich
eine feste Freundin und Arbeit;
Als das in die Brüche ging, habe ich viel getrunken
und bin ich auf der Straße gelandet;
Konsumreduktion, um dem Verhältnis zur
Hauptbetreuerin nicht zu schaden;
Ohne Hauptbetreuerin würden Sicherheit
und ein Fundament fehlen;
Letzte vergleichbare Situation vor 20
Jahren in fester Partnerschaft und
Arbeitsverhältnis;
Betreuung ist andere Qualität;

Anhang 148
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
C 100 37 Die Betreuung ist andere Qualität;
Dadurch haben sich in meinem Leben gewisse
Durch Betreuung mehr Regelmäßigkeit und
Tagesstruktur aufgebaut;
Regeln entwickelt mit der Zeit, die aufeinander
aufbauen;
C 102-106 38 Als Beispiel: dadurch dass ich regelmäßig koche
und esse, muss ich regelmäßig einkaufen, und ich
überlege, dass ich das und das brauche, früher
habe ich nur daran gedacht, dass Alkohol da war;

Anhang 149
9.3.4 Interview D
Tabelle 7: Interview D Zusammenfassung
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
D 2-8 1 20 Entgiftungen, eine Kurzzeittherapie, zwei
Entwöhnungen, erste beendet wegen Rückfall
Viele Entgiftungen, eine Kurzzeittherapie,
zwei Entwöhnungen
D 10-14 2 Hab mit anfangs gegen Betreuer gewehrt, weil
jemand meinte, dass das der größte Scheiß sei;
Nach Kennenlernen von Mitarbeitern BeWo
andere Erfahrung gemacht
D 16 3 Nach letzter Entwöhnung zwei Jahre trocken;
D 18-22 4 Rückfall während Vereinsausflug, nach 2-3
Wochen wieder alte Trinkmenge;
D 24 5 Wiederholt Entgiftung, und da auch für BeWo
entschieden;
D 26-28 6 Befürchtung gegenüber Betreuer: die sitzen
hinter mir und bestimmen, was ich zu machen
und zu denken habe;
Bevormundung;
D 30-32 7 Aber Gegenteil ist der Fall: bin begeistert von
rechtlichem Betreuer und BeWo-Betreuer;
Ich kann mich auf beide verlassen;
Hilfe durch Gespräche;
Auch lebenspraktische Hilfe (handwerklich);
D 34-42 8 Seitdem ich im BeWo bin, hat sich die
Trinkmenge deutlich reduziert, an manchen
Tagen ganz ohne Alkohol
Im Vorfeld der Betreuung ablehnende
Haltung durch negative Meinung anderer;
Befürchtung von Bevormundung;
Einstellungsänderung nach positiven
Erfahrungen;
Frühere Konsumkontrollversuche sind
gescheitert, in der Folge BeWo
zugestimmt;
Kann mich auf Betreuer verlassen,
Gespräche hilfreich;
Lebenspraktische Unterstützung im Alltag
hilfreich;
Seit BeWo Trinkmengenreduktion;
K 1: Situation vor der Betreuung
Arztpraxis war Lebensinhalt;
Keine Zeit für Ehe;
Gab nichts, wofür sich weniger
trinken gelohnt hätte;
Schwierigkeiten in der
Problembewältigung;
zu Hause geblieben und depressiv
verstimmt;
Viele Entgiftungen, eine
Kurzzeittherapie, zwei
Entwöhnungen;
Entwöhnung und Selbsthilfegruppe
wenig hilfreich;
Bevormundung durch Hilfesystem
erlebt;
Anfangs ablehnende Haltung
gegenüber Betreuung;
Einstellungsänderung nach
positiven Erfahrungen;
K 2: Veränderungen durch BeWo

Anhang 150
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
D 44 9 Vor einigen Jahren abends getrunken wegen
Stress;
nach Scheidung und Kampf ums Geld ständig
getrunken;
Im Zusammenhang mit der Scheidung von
der Ehefrau häufig getrunken;
Gab nichts, wofür sich weniger trinken
gelohnt hätte;
D 46 10 Es gab nichts wofür es sich gelohnt hätte weniger
zu trinken
D 48 11 In Konsumzeiten bin ich jeder Schwierigkeit aus
dem Weg gegangen und habe mich um nichts
gekümmert
D 50-54 12 Mit der Hilfe gehe ich heute die Probleme eher
an, es ist unklar, ob ich das machen würde, wenn
ich allein wäre;
Die praktische Hilfe und das Reden, beides hilft;
D 56-60 13 Ohne Betreuung habe ich Schulden gemacht;
Durch Betreuung habe ich passendere Wohnung
gefunden, was ohne Hilfe nicht gegangen wäre;
Alte Wohnung war zu teuer;
D 62-64 14 Dank BeWo beschäftige ich mich wieder mit
meinen Hobbys;
Durch BeWo gehen ich nicht mehr weg zum
Trinken;
D 66 15 Ich bin durch BeWo zufriedener geworden;
Durch BeWo Reinigungshilfe bekommen;
Durch BeWo besuche ich zwei Bekannte in der
Nähe;
Schwierigkeiten und Klärungen vermieden;
Heute werden Probleme eher angegangen;
Fraglich, ob Bereitschaft Probleme
anzugehen so ausgeprägt wäre ohne
Betreuung;
Ohne BeWo Verschuldung;
Passendere Wohnung gefunden;
Wieder Beschäftigung mit Hobbys;
Gehe nicht mehr weg zum Trinken und bin
weniger in schlechter Gesellschaft;
Zufriedener geworden;
Reinigungshilfe bekommen;
Zwei neue Bekannte durch BeWo, die
besucht werden;
Mehr Kontakt zur Schwester;
Dame kennen gelernt;
Mehr sinnvollere Beschäftigungen im
Konsumreduktion;
Geht Probleme eher an;
Passendere Wohnung gefunden;
Tagesablauf hat sich verbessert;
Kein Aufenthalt mehr in schlechter
Gesellschaft zum Trinken;
Zufriedener geworden;
Reinigungshilfe bekommen;
neue Bekannte, die er besucht;
Nette Dame kennen gelernt;
Mehr Kontakt zur Schwester;
Mehr sinnvollere Beschäftigungen
im Vergleich zu früher (z.B. Hobbys,
Lesen, PC,)
K 3: Merkmale der Betreuung
Gespräche hilfreich;
Lebenspraktische Unterstützung im
Alltag hilfreich;
Viele kulturelle Unternehmungen;
Ungezwungene Gespräche mit
Mitbetreuten;
In Gruppe mit anderen Betreuten
fühle ich mich wohl;

Anhang 151
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
D 68-74 16 Durch BeWo gehe ich nicht mehr weg zum
Trinken;
Ich bin nicht mehr mit schlechter Gesellschaft
zusammen;
Ich besuche jetzt eher mal meine Schwester oder
zwei Bekannte;
Vergleich zu früher (z.B. Lesen, PC)
D 76-80 17 Nette weibliche Bekanntschaft kennen gelernt;
Ich lese jetzt oder gehe an den Computer oder
schaue Fernsehen im Vergleich zu früher;
D 82-86 18 Tagesablauf hat sich verbessert;
Unterstützung durch BeWo durch Fahrten zu Arzt
oder Apotheke;
Früher zu Hause geblieben, getrunken und
depressiv verstimmt gewesen;
D 88-90 19 Wichtig am BeWo: dass sich jemand kümmert
und jemand für mich da ist;
Früher war Arztpraxis Lebensinhalt;
Ich hatte keine Zeit für die Ehe;
D 92-94 20 Meine Tochter als wichtiger Mensch hat mir
gefehlt;
D 96-100 21 BeWo bietet viele Unternehmungen an und ich
fühle mich in der Gruppe sehr wohl;
Ohne die Betreuung hätte ich Angst davor, wie es
weiter geht;
Ohne Betreuung wäre ich wieder allein;
Ich glaube ich könnte nicht mehr richtig
existieren;
Tagesablauf hat sich verbessert;
Früher zu Hause geblieben, getrunken und
depressiv verstimmt;
Jemand kümmert sich um mich und ist für
mich da;
Früher war Arztpraxis Lebensinhalt;
Keine Zeit für Ehe gehabt;
Tochter als wichtiger Mensch hat gefehlt;
Unternehmungen von Bedeutung;
In Gruppe mit anderen Betreuten fühle ich
mich wohl;
Ohne Betreuung Angst davor, wie es weiter
geht;
Ohne Betreuung wieder allein;
K 4: Merkmale der
Betreuungsperson
Kann mich auf Betreuer verlassen;
Betreuer ist hilfreich durch
Ehrlichkeit und Hilfsbereitschaft,
durch ruhige und respektvolle Art;
Niveauvolle Gespräche mit
Betreuer;
Sachliche Kritik in annehmbarer
Form;
Chemie stimmt zwischen Betreuer
und mir;
Qualität der Betreuung hängt von
der Person ab;
Verhältnis auf Augenhöhe;
Jemand kümmert sich um mich und
ist für mich da;
K 5: Situation nach Beendigung
BeWo
Fraglich, ob Bereitschaft Probleme
anzugehen so ausgeprägt wäre
ohne Betreuung;
Angst davor, wie es weiter geht;
wieder allein;

Anhang 152
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
D 102-108 22 Verhältnis ist auf Augenhöhe;
Man bekommt wirklich Unterstützung;
In der Entwöhnung gabs nur unnötige
Diskussionen und Empfehlung Selbsthilfegruppe,
die furchtbar für mich war;
Verhältnis auf Augenhöhe;
in Entwöhnung unnötige Diskussionen;
Selbsthilfegruppe tat mir nicht gut;
D 110-118 23 Mit Betreuern kann man sich niveauvoller
unterhalten als mit Therapeut in Klinik oder in
Selbsthilfegruppe;
Zu so einem Betreuer muss man geboren sein;
Die Betreuung hängt von der Person ab;
D 120 24 Betreuer ist deshalb so gut, weil er ehrlich und
immer zur Hilfe bereit ist, auch nicht aufbrausend
oder beleidigend;
Zwischen ihm und mir stimmt die Chemie;
D 122-124 25 Er kritisiert mich auch mal, aber in einer Form,
die ich annehmen kann, sachlich und ohne die
Stimme zu erheben;
D 126-140 26 Verhältnis auf Augenhöhe;
Andere waren bestimmender, haben in anderem
Ton geredet;
Mit BeWo unternehmen wir kulturell viel,
besichtigen was, kochen zusammen, können uns
ungezwungen unterhalten;
Niveauvolle Gespräche mit Betreuer;
Qualität der Betreuung hängt von der
Person ab;
Betreuer ist hilfreich durch Ehrlichkeit und
Hilfsbereitschaft, durch ruhige und
respektvolle Art;
Chemie stimmt zwischen Betreuer und
Betreutem;
Sachliche Kritik in annehmbarer Form;
Verhältnis auf Augenhöhe;
Andere Helfer waren bestimmender und
haben in anderem Ton geredet;
Viele kulturelle Unternehmungen;
Ungezwungene Gespräche;

Anhang 153
9.3.5 Interview E
Tabelle 8: Interview F Zusammenfassung
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
E 2-6 1 Kurzfristige Entgiftungen, eine stationäre
Entwöhnung und eine psychosomatische Kur
Mehrere Entgiftungen, eine Entwöhnung
und eine psychosomatische Kur
E 8-12 2 Seit 2011 im BeWo;
Es ist wichtig, dass ein Betreuer nach mir
Ich fühle mich wohl und es ist wichtig für mich, schaut, den ich anrufen und um Hilfe bitten
wenn ein Mitarbeiter vom BeWo nach mir schaut kann;
oder ich anrufen und um Hilfe bitten kann; Nicht allein dastehen, wenn es einem
Wenns einem schlecht geht oder man Probleme schlecht geht;
hat, dass ich nicht allein dastehe;
E 14-20 3 Einfluss auf Gesundheit positiv;
Nach Besserung Sucht haben sich Depressionen
entwickelt;
Längere Psychotherapie;
Achte nicht mehr als sonst auf körperliche
Gesundheit und Arzttermine seit BeWo;
E 22-26 4 Situation in Bezug auf soziale Kontakte etwas
verbessert;
Kleiner Bekanntenkreis aus Betreuten
entstanden, mit denen ich mich auch privat jetzt
treffe;
Vor denen muss ich mich nicht rechtfertigen, wir
haben alle das Suchtproblem;
Mit denen kann ich über alles Mögliche reden;
E 28-30 5 Aber man kann es nicht als Freundschaft
bezeichnen;
Achte nicht mehr als sonst auf körperliche
Gesundheit;
Im BeWo Leute kennen gelernt, mit denen
auch privat Treffen stattfinden;
K 1: Situation vor der Betreuung
Mehrere Entgiftungen, eine
Entwöhnung und eine
psychosomatische Kur;
In anderen Einrichtungen
moralische Kritik;
In anderen Einrichtungen
Kontrollen, denen man sich
anpasst und die echte
Verhaltensänderung eher
verhindern;
Ich habe sonst keine Familie;
Wenn ich weiter getrunken hätte,
wäre ich jetzt wahrscheinlich schon
tot;
K 2: Veränderungen durch BeWo
Trinkexzesse fallen weg;
Neue Kontakte;
Private Treffen mit Mitbetreuten;
Mehr Disziplin und Selbstdisziplin
entwickelt;
Inanspruchnahme weiterer
therapeutischer Hilfsangebote;

Anhang 154
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
E 32-36 6 Durch BeWo Einfluss auf Tagesstruktur;
Ich habe mehr Disziplin und Selbstdisziplin, wenn
ich weiß, dass Betreuer kommt, da kann ich mich
nicht gehen lassen;
„Tritt in den Arsch“ hilfreich;
Betreuer sagt mir, dass ich mich erstmal selbst
kümmern soll, dann helfe ich dir auch, das hat
positiven Effekt;
Mehr Disziplin und Selbstdisziplin
entwickelt;
Kann mich nicht gehen lassen, wenn ich
weiß, dass Betreuer kommt;
Direktive Anweisungen hilfreich;
Hilfreich ist Auftrag, mich erst selbst zu
kümmern, dann hilft Betreuer auch dabei;
Verhaltensänderungen;
E 38-42 7 Betreuer geben mir Aufmerksamkeit, obwohl ich
die vordergründig ablehne, aber eigentlich gut
finde;
Wenn ich um Hilfe bitte, weiß ich, dass jemand
vom BeWo für mich da ist;
E 44 8 Ich habe keine Familie, Freunden vertraue ich
mich nicht so sehr an wie BeWo;
E 46-52 9 BeWo ist so wichtig, dass ich nicht wie gewünscht
in eine Stadt ziehe, die außerhalb des
Versorgungsgebietes liegt, weil dann der
Anbieter wechseln würde;
E 54-56 10 Wichtig ist Ansprechpartner zu haben;
mit dem eine Vertrauensbasis besteht;
wichtig auch, neue Kontakte zu knüpfen;
Ich bekomme Aufmerksamkeit, obwohl ich
die vordergründig ablehne;
Betreuer helfen mir, wenn ich darum bitte;
Ich habe sonst keine Familie;
Freunden vertraue ich nicht so sehr wie
BeWo;
Vertrauensbasis zum Betreuer wichtig;
Neue Kontakte finden wichtig;
K 3: Merkmale der Betreuung
Es ist wichtig, dass ein Betreuer
nach mir schaut, den ich anrufen
und um Hilfe bitten kann;
Nicht allein dastehen, wenn es
einem schlecht geht;
Ich bekomme Aufmerksamkeit,
obwohl ich die vordergründig
ablehne;
Betreuer helfen mir, wenn ich
darum bitte;
Freunden vertraue ich nicht so sehr
wie BeWo;
Neue Kontakte finden ist wichtig;
Schön ist, dass während
Gesprächen etwas unternommen
wird;
Geht bei Gesprächen nicht nur um
Sucht;
Geht bei Gesprächen um alltägliche

Anhang 155
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
E 58-62 11 Verhältnis zu Betreuer wie Geben und Nehmen;
Schön ist auch, dass wir während Gespräch nicht
nur rumsitzen, sondern nebenbei etwas machen,
spazieren gehen usw.;
Die Themen gehen nicht nur um Sucht, das mag
ich gar nicht, aber es ist auch kein Randthema;
Es geht um alltägliche und ganz banale Sachen
auch;
Es geht nicht darum, ob ich getrunken habe;
Verhältnis zu Betreuer besteht aus Geben
und Nehmen;
Schön ist, dass während Gesprächen etwas
unternommen wird;
Geht bei Gesprächen nicht nur um Sucht;
Geht bei Gesprächen um alltägliche Dinge;
Ohne BeWo würde es mit mir bergab
gehen;
E 62 12 Es gibt viele Umstände, die rückfallauslösend sein
können;
hätte ich da BeWo nicht, würde es vmtl. mit mir
bergab gehen;
E 64-74 13 Ohne BeWo würde ich wieder rückwärts gehen;
Betreuer ruft fast jeden Tag an, das wäre dann
nicht mehr, ich hätte weniger Kontakte, auch zu
den anderen Betreuten;
Betreuer schlägt Dinge vor, wenn ich nicht weiter
weiß, aber er verlangt von mir, dass ich diese
zusage, bevor ich sie mache;
Dadurch treffe ich Entscheidungen, die ich ohne
ihn nicht getroffen hätte;
Im Nachhinein bin ich ihm trotz der erlebten
Nachteile der Entscheidung dankbar dafür, weil
sie letzten Endes gut war;
Ohne BeWo würde es rückwärts gehen;
Betreuer ruft fast jeden Tag an;
Ohne BeWo weniger Kontakte, auch zu
anderen Mitbetreuten;
Betreuer macht Vorschläge, aber ich soll
entscheiden, ob ich die will;
ich entscheide mich für therapeutische
Hilfsangebote, die ich ohne BeWo nicht
gewählt hätte;
Dinge;
Treffen mit anderen Betreuten sind
hilfreich;
K 4: Merkmale der
Betreuungsperson
BEZIEHUNGSDIMENSION
Kann mich nicht gehen lassen,
wenn ich weiß, dass Betreuer
kommt;
Vertrauensbasis zum Betreuer
wichtig;
Verhältnis zu Betreuer beruht auf
Gegenseitigkeit;
VERHALTENSDIMENSION
Betreuer ruft fast jeden Tag an;
Direktive Anweisungen hilfreich;
Hilfreich ist Auftrag, mich erst
selbst zu kümmern, dann hilft
Betreuer auch dabei;
Betreuer macht Vorschläge, aber
ich soll entscheiden, ob ich die will;
Betreuer sieht mich als

Anhang 156
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
E 76-78 14 Betreuer sieht mich als erwachsenen Mensch an,
nicht als jemanden, den man belehren muss;
Respektiert meine Meinung, auch wenn die
vielleicht nicht richtig ist;
Hört mir zu;
BeWo verurteilt mich nicht für Fehler;
Kein moralischer Zeigefinger;
Betreuer sieht mich als erwachsenen
Mensch;
Respektiert meine Meinung, auch wenn die
schadet;
Hört mir zu;
Verurteilt mich nicht für Fehler;
Kein moralischer Zeigefinger;
E 80-84 15 In anderen Einrichtungen gab es dieses
moralische Kritisieren;
Dort gab es auch zu häufige Kontrollen, durch die
ich mich nur angepasst habe, aber kein Interesse
an anderem Verhalten entwickeln konnte, weil
man nach Wegfall der Kontrolle wieder macht
was man will;
Kontrolle kann das Gegenteil bei mir bewirken;
E 86-88 16 Auch wenn BeWo mir wichtig ist, möchte ich
immer noch Mensch sein und frei entscheiden
können;
E 90-94 17 Durch BeWo fällt Komasaufen weg;
Aber stärkere Depressionen
Wenn ich so weiter getrunken hätte, wäre ich
jetzt wahrscheinlich schon tot;
In anderen Einrichtungen moralische Kritik;
In anderen Einrichtungen Kontrollen,
denen man sich anpasst und die echte
Verhaltensänderung eher verhindern;
Trinkexzesse fallen weg;
Stärkere Depressionen;
Wenn ich weiter getrunken hätte, wäre ich
jetzt wahrscheinlich schon tot;
erwachsenen Mensch;
Respektiert meine Meinung;
Hört mir zu;
Verurteilt mich nicht moralisch;
Betreuer tut etwas für mich, was
eigentlich ich tun soll, dadurch ist
mir meine Passivität peinlich;
Betreuer möchte, dass ich ihn
fordere und von ihm Hilfe erwarte;
K 5: Situation nach Beendigung
BeWo
es würde bergab und rückwärts
gehen;
weniger Kontakte, auch zu anderen
Mitbetreuten;

Anhang 157
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
E 96-100 18 Durch BeWo lerne ich, Dinge anders zu machen;
Betreuer fragt nach, ob ich aktiv geworden bin,
und da er parallel mitarbeitet und nachfragt, ist
es mir einerseits unangenehm, wenn er etwas
gemacht hat und ich nicht, aber es ist gut, dass es
so läuft;
Betreuer möchte, dass ich ihn fordere und von
ihm Hilfe erwarte;
Auch die Treffen mit anderen Betreuten sind
hilfreich;
Wir haben uns kennen gelernt durch die Ausflüge
mit dem BeWo;
Lerne Dinge anders zu machen;
Betreuer tut etwas für mich, was eigentlich
ich tun soll, dadurch ist mir meine
Passivität peinlich;
Betreuer möchte, dass ich ihn fordere und
von ihm Hilfe erwarte;
Treffen mit anderen Betreuten sind
hilfreich;

Anhang 158
9.3.6 Interview F
Tabelle 9: Interview F Zusammenfassung
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
F 2-6 1 Ich habe nur Suchtberatung als bisherige Hilfe für
Alkoholproblem gehabt;
Vermittlung durch Fallmanagerin, die auf mich
eingegangen ist;
Nur Suchtberatung in Anspruch
genommen;
F 8 2 Bezeichnung „Betreutes Wohnen“ war
abschreckend für mich, weil ich meine Wohnung
behalten will und es so nach Zwangsjacke klingt;
Mir wurde BeWo erklärt, aber ich war skeptisch;
Heute bin ich froh es angenommen zu haben,
weil ich nicht weiß, ob ich noch leben würde;
Die Hauptbetreuerin kenne ich fast fünf Jahre;
Unterstützung und Informationen zu
Schuldenproblematik bekommen, da war viel
Aufregung dabei;
F 12-18 3 Es ist mein Glück, dass ich eine Frau als
Hauptbetreuerin bekommen habe, auf die habe
ich gehört;
Wenn ich etwas versprochen habe, wollte ich
mich nicht vor ihr blamieren, dadurch habe ich
Dinge erledigt;
Bei einem Mann hätte ich nur etwas versprochen,
aber nichts gemacht;
Sie hatte für mich persönlich als Frau das
Fingerspitzengefühl;
Befürchtung, dass durch Betreuung
Wohnung aufgegeben werden muss;
Befürchtung der Bevormundung;
Ohne BeWo würde ich vielleicht nicht mehr
leben;
Unterstützung bei Schuldenregulation, die
stressig war;
Bin froh, weibliche Betreuerin bekommen
zu haben, da ich auf diese höre;
Habe versprochene Dinge auch getan, um
mich vor ihr nicht zu blamieren;
Weibliche Betreuerin einfühlsamer;
Männlichem Betreuer hätte ich nur
versprochen, aber nichts getan;
K 1: Situation vor der Betreuung
Nur Suchtberatung in Anspruch
genommen;
Befürchtung, dass durch Betreuung
Wohnung aufgegeben werden
muss;
Befürchtung der Bevormundung;
Ohne Betreuung würde ich
vielleicht nicht mehr leben;
isoliert gelebt, kaum geredet,
Schamgefühle;
Keine stationäre Entwöhnung, da
nicht aus Heimatstadt weggewollt;
K 2: Veränderungen durch BeWo
Aufgabe konsumfördernder
Tätigkeit möglich;
Konsumreduktion;
Sehe besser aus;
Selbstsicherer und geselliger
geworden;
Werde respektvoller von
Bekannten behandelt;

Anhang 159
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
F 20-22 4 Durch BeWo konnte ich mich von meiner
ehrenamtlichen Tätigkeit als Wirt trennen, in der
ich Alkohol kostenlos bekam;
Mit Hilfe BeWo Aufgabe
konsumfördernder Tätigkeit möglich;
F 24-36 5 Durch Reduktion des Alkoholkonsums sehe ich
besser aus und traue mich dadurch wieder unter
Leute und bin selbstsicherer;
Früher war ich isoliert, habe kaum geredet, ich
dachte dass jeder mir mein Problem ansieht;
Im privaten Umfeld keine neuen Leute kennen
gelernt, aber die Bekannten behandeln mich jetzt
respektvoller;
Diese Veränderung bringe ich mit dem BeWo in
Verbindung;
F 38-46 6 BeWo wollte mich für stationäre Entwöhnung
motivieren, aber ich will aus meiner Heimatstadt
nicht weg;
Heute trinke ich viel weniger und habe das allein
geschafft ohne Therapie, aber auch nur mit
Unterstützung vom BeWo;
F 48 7 Meine Frau ist gestorben und für mich ist die
Hauptbetreuerin der Ersatz für meine Frau;
Nicht in allem, aber sie ist der Anker, weil meine
Frau weg ist;
Mit Hauptbetreuerin kann ich reden, was ich
normalerweise mit meiner Frau beredet hätte,
wenn sie noch da wäre;
Ich frage sie nach ihrer Meinung;
Trinkmengenreduktion;
Sehe besser aus;
Selbstsicherer und geselliger geworden;
Früher isoliert gelebt, kaum geredet,
Schamgefühle;
Werde respektvoller von Bekannten
behandelt;
Keine stationäre Entwöhnung, da nicht aus
Heimatstadt weggewollt;
Konsumreduktion mit Hilfe von BeWo;
Betreuerin ist Ersatz für verstorbene
Ehefrau;
Ist Anker, seitdem Ehefrau weg ist;
Kann mit Betreuerin bereden, was ich
normalerweise mit Ehefrau beredet hätte;
Durch regelmäßige Besuche der Betreuerin
kann ich Schwierigkeiten ansprechen und
staue sie nicht auf;
K 3: Merkmale der Betreuung
Unterstützung bei
Schuldenregulation, die stressig
war;
K 4: Merkmale der
Betreuungsperson
Bin froh, weibliche Betreuerin
bekommen zu haben, da ich auf
diese höre;
Habe versprochene Dinge auch
getan, um mich vor ihr nicht zu
blamieren;
Weibliche Betreuerin einfühlsamer;
Männlichem Betreuer hätte ich nur
versprochen, aber nichts getan;
Betreuerin ist Ersatz für
verstorbene Ehefrau;
Ist Anker, seitdem Ehefrau weg ist;
Kann mit Betreuerin bereden, was
ich normalerweise mit Ehefrau
beredet hätte;
Durch regelmäßige Besuche der
Betreuerin kann ich
Schwierigkeiten ansprechen und

Anhang 160
Fall Antwort Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion I
F 50 8 Ich weiß, dass sie mich regelmäßig besuchen
kommt, und wenn ich etwas zu besprechen habe,
weiß ich dass ich das dann thematisieren kann
und staue es nicht auf;
staue sie nicht auf;
F 52-58 9 Ich habe Angst davor, dass das BeWo nicht
verlängert wird, weil ich zu gesund bin;
Ohne BeWo würde es mir sehr schlecht gehen;
Ich würde vielleicht wieder viel trinken;
Wenn niemand kommt, für wen soll man dann
noch irgendwas gut machen?;
Ich bin sensibel und weich, mir würde dann
wieder alles scheißegal werden;
Das ist der einzige Halt den ich habe;
F 60-64 10 Die Unternehmungen würden fehlen;
Ich denke ich habe auch einen besonderen Stand
im Vergleich zu anderen Betreuten: wenn ich
mitbekomme, dass es denen schlecht geht, sage
ich den Betreuern, dass sie sich mal um
denjenigen kümmern sollen;
Ich weiß wenn es anderen schlecht geht, weil ich
selbst betroffen bin, und es tut mir gut, denen zu
helfen;
Befürchtung, dass Betreuung nicht
verlängert wird, da zu gesund;
Ohne BeWo würde es mir schlecht gehen;
Würde ich vmtl. wieder trinken;
Keiner mehr da, für den es sich lohnt,
etwas gut zu machen;
Mir wäre wieder vieles egal;
Unternehmungen würden vermisst
werden;
Sehe mich in Vermittlerposition zwischen
Mitbetreuten und Betreuern;
K 5: Situation nach Beendigung
BeWo
Befürchtung, dass Betreuung nicht
verlängert wird, da zu gesund;
Ohne BeWo würde es mir schlecht
gehen;
Würde ich vmtl. wieder trinken;
Keiner mehr da, für den es sich
lohnt, etwas gut zu machen;
Mir wäre wieder vieles egal;
Unternehmungen würden vermisst
werden;