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Therapeutische Wohngruppen für geistig behinderte Erwachsene ...

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<strong>Therapeutische</strong> <strong>Wohngruppen</strong> für <strong>geistig</strong> <strong>behinderte</strong><br />

<strong>Erwachsene</strong> mit schwerwiegendem herausforderndem<br />

Verhalten in Baden­Württemberg<br />

Evaluationsstudie im Auftrag des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales<br />

Baden­Württemberg<br />

November 2006<br />

Prof. Dr. Friedrich Dieckmann<br />

Dipl. Psych. Christos Giovis<br />

unter Mitarbeit von Prof. Dr. Gerhard Haas und Dr. Birgit Bruck<br />

Münster: Katholische Fachhochschule Nordrhein­Westfalen<br />

1


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Zur Lebenslage von <strong>geistig</strong> <strong>behinderte</strong>n Menschen mit schwerwiegendem<br />

herausforderndem Verhalten ....................................................................................................4<br />

2 Ziele und Realisierung des Modellversuchs <strong>Therapeutische</strong> <strong>Wohngruppen</strong><br />

in Baden­Württemberg ..............................................................................................................6<br />

2.1 Vorgeschichte....................................................................................................................6<br />

2.2 Ziele ..................................................................................................................................7<br />

2.3 Bedingungen für die Ausgestaltung der TWG.....................................................................7<br />

2.4 Auswahl der Leistungserbringer (Einrichtungen) ................................................................8<br />

2.5 Konzeptionelle Ausgestaltung in den teilnehmenden Einrichtungen....................................8<br />

2.6 Auswahl der teilnehmenden <strong>behinderte</strong>n Menschen...........................................................9<br />

3 Zielsetzung der Evaluation und methodisches Vorgehen .....................................................10<br />

3.1 Fragestellungen für die Evaluation...................................................................................10<br />

3.2 Untersuchungsplan..........................................................................................................12<br />

3.3 Erhebung und Auswertung der Daten ..............................................................................13<br />

3.4 Grundgesamtheiten und Rücklauf ....................................................................................15<br />

3.5 Güte der Daten................................................................................................................16<br />

4 Teilnehmer am Modellversuch................................................................................................17<br />

4.1 Geschlecht der Teilnehmer..............................................................................................17<br />

4.2 Alter der Teilnehmer ........................................................................................................17<br />

4.3 Alter bei Ersteinzug in eine stationäre Wohneinrichtung ...................................................18<br />

4.4 Wohndauer in stationären Einrichtungen..........................................................................19<br />

4.5 Wohnsetting vor Einzug in eine TWG...............................................................................20<br />

4.6 Aufenthalte in psychiatrischen Krankenhäusern ...............................................................21<br />

4.7 Schweregrad der <strong>geistig</strong>en Behinderung..........................................................................23<br />

4.8 Zusätzliche Behinderungen und psychische Störungen....................................................24<br />

4.9 Hilfebedarf und Pflegestufen............................................................................................26<br />

4.10 Herausfordernde Verhaltensweisen .................................................................................28<br />

4.11 Kompetenzen der Teilnehmer..........................................................................................30<br />

5 Verwirklichung des Auftrags: Hilfeplanung und Maßnahmen...............................................31<br />

5.1 Vorgehen und Überblick ..................................................................................................31<br />

5.2 Verankerung in regionale Hilfesysteme ............................................................................33<br />

5.3 Hilfeplanung ....................................................................................................................33<br />

5.4 Sozial­räumliche Bedingungen.........................................................................................34<br />

5.5 Personal ..........................................................................................................................35<br />

5.6 Allgemeine Interventionen bezogen auf die Lebensführung im Alltag ...............................36<br />

5.7 Spezielle Interventionen bezogen auf problematische Verhaltensweisen..........................37<br />

5.8 Integration in andere Wohnformen...................................................................................38<br />

2


6 Effekte......................................................................................................................................39<br />

6.1 Teilhabe am Leben der Gesellschaft................................................................................39<br />

6.2 Herausforderndes Verhalten ............................................................................................47<br />

6.3 Entwicklung ausgewählter Kompetenzen .........................................................................59<br />

6.4 Einschätzung der Lebenssituation....................................................................................62<br />

7 Prognose der Integration und Veränderungen der herausfordernden<br />

Verhaltensweisen ....................................................................................................................63<br />

7.1 Prognostische Faktoren aus Sicht der Leitung und Mitarbeiter<br />

<strong>Therapeutische</strong>r <strong>Wohngruppen</strong>........................................................................................63<br />

7.2 Prognosevariablen für die Reintegration in nicht­separierende Wohnformen<br />

und die Veränderung herausfordernder Verhaltensweisen ...............................................65<br />

7.3 Veränderung schwerwiegend herausfordernden Verhaltens.............................................72<br />

7.4 Fazit ................................................................................................................................86<br />

8 Interpretation der Ergebnisse und Perspektiven ...................................................................88<br />

8.1 Zusammenfassung der Ergebnisse..................................................................................88<br />

8.2 Schwierigkeiten bei der Reintegration im Wohnen............................................................89<br />

8.3 Empfehlungen der Träger TWG .......................................................................................90<br />

8.4 Anforderungen an eine sozialräumlich orientierte Unterstützung ......................................92<br />

9 Literatur ...................................................................................................................................94<br />

10 Anhang.....................................................................................................................................96<br />

10.1 Codes der Verhaltensauffälligkeiten.................................................................................96<br />

10.2 Codierung der psychischen Störungen.............................................................................98<br />

10.3 Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV................................99<br />

10.4 Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeiten der SHV ..............................................102<br />

3


1 Zur Lebenslage von <strong>geistig</strong> <strong>behinderte</strong>n Menschen mit<br />

schwerwiegendem herausforderndem Verhalten<br />

Schwerwiegendes herausforderndes Verhalten (SHV)<br />

Der Begriff „challenging behavior“ (herausforderndes Verhalten) ist ursprünglich von der USamerikanischen<br />

„Association for People with Severe Handicaps“ in die Fachdiskussion eingeführt<br />

worden und hat sich in den 90er Jahren in der internationalen Forschung zur <strong>geistig</strong>en Behinderung<br />

durchgesetzt (vgl. Emerson 2001, S. 3). Der Begriff ersetzt eine Reihe früherer Bezeichnungen wie<br />

„Verhaltenstörung“, „Problemverhalten“, „gestörtes Verhalten“ oder „abnormales Verhalten“.<br />

Herausfordernd wird ein Verhalten aufgrund der Funktion, die es für das soziale Umfeld einer Person<br />

und für die Lebensführung der Person selbst hat. Herausforderndes Verhalten ist eine sozial<br />

konstruierte Kategorie und als solche offen für subjektive Interpretationen. Es hängt ab von den<br />

Effekten eines Verhaltens(weniger von der Verhaltenstopographie), der Fähigkeit der Beteiligten die<br />

Effekte zu tolerieren, zu verändern und zu minimieren, von den subjektiven Normen des<br />

einschätzenden Beobachters und den in einem Setting herrschenden „Programm“­ und<br />

Angemessenheitsnormen, ob ein Verhalten als herausfordernd kategorisiert wird. Auch das Ausmaß<br />

der wahrgenommenen Herausforderung ist abhängig von diesen Faktoren: Die Abgrenzung schwerwiegenden<br />

herausfordernden Verhaltens (SHV) hängt stark vom gewohnten Niveau auffälligen<br />

Verhaltens, von den subjektiven Einschätzungen der Zumutbarkeit der Verhaltensweisen für den<br />

Menschen mit Behinderung selbst und sein jeweiliges soziales Umfeld und von der wahrgenommenen<br />

Verhaltenskontrolle ab.<br />

Um soziale Dienste für die Zielgruppe <strong>geistig</strong> <strong>behinderte</strong>r Menschen mit schwerwiegendem<br />

herausforderndem Verhalten planen zu können, ist es eine Hilfe, den Terminus klarer zu fassen. Eric<br />

Emerson, einer der führenden und viel zitierten Forscher auf diesem Gebiet, definiert schwerwiegendes<br />

herausforderndes Verhalten wie folgt:<br />

“Severely challenging behaviour refers to behaviour of such an intensity, frequency or<br />

duration that the physical safety of the person or others is likely to be placed in serious<br />

jeopardy or (to) behaviour which is likely to limit seriously or deny access to and use of<br />

community facilities”<br />

(Emerson et al. 1987 zitiert nach Lowe & Felce 1995, S. 118)<br />

Herausfordernde Verhaltensweisen werden von den unmittelbar Beteiligten als „schwerwiegend“,<br />

„gravierend“ oder „erheblich“ erlebt und etikettiert, wenn sie dazu führen, dass Menschen sich selbst<br />

oder andere fortgesetzt gefährden oder beeinträchtigen oder wenn sie die Teilhabe der Person am<br />

Leben im Gemeinwesen einschränken oder sie ihr verwehren. Das Zusammenleben bzw.<br />

Zusammensein gefährden vor allem aggressive Verhaltensweisen, die sich gegen andere Personen<br />

oder Sachen richten, selbstverletzendes Verhalten, Wut­ und Gefühlsausbrüche, stark störendes<br />

Lautieren, dauerndes Schreien und Klagen, Kotschmieren und extrem zwanghaftes Verhalten.<br />

Rückzugs­ oder in sich gekehrtes Verhalten (z. B. Inaktivität, Desinteresse) schränkt zwar die Lebensqualität,<br />

die Teilhabe der Individuen oft in größerem Ausmaße ein, wird aber von den Interaktionspartnern<br />

oft nicht als so bedrohlich für das Zusammenleben bzw. Zusammensein erlebt.<br />

Menschen mit <strong>geistig</strong>er Behinderung werden relativ häufig herausfordernde Verhaltensweisen<br />

attestiert – oft im Zusammenhang mit der Diagnose einer zusätzlichen psychischen Störung. Je nach<br />

Untersuchung liegen die Prävalenzraten zwischen 30% und 50% (vgl. Irblich 2003, Sarimski 2005).<br />

Dagegen findet sich schwerwiegendes herausforderndes Verhalten vergleichsweise selten (vgl. Allen<br />

& Felce 1999). Es liegen nur wenige noch relativ aktuelle und methodisch zufrieden stellende Studien<br />

zur Prävalenz SHV vor.<br />

Für Untersuchungszwecke haben Qureshi & Alborz (1992) SHV operationaler gefasst als Verhalten<br />

von Personen, das<br />

„(a) has at some time caused more than minor injuries to themselves or others; (b) has at some time<br />

resulted in the destruction of their immediate living or working environment; (c) occurs at least weekly<br />

… (and) either places the person in danger, or requires intervention by more than one member of staff<br />

4


for control, or causes damage which cannot be rectified by immediate care staff, or causes at least an<br />

hour’s disruption; or (d) has caused disruption lasting more than a few minutes at least daily“<br />

In einer Studie in 7 britischen Distrikten in unterschiedlichen Wohnformen und Tagesangeboten<br />

zeigten 7% der <strong>geistig</strong> <strong>behinderte</strong>n Kinder, Jugendlichen und <strong>Erwachsene</strong>n SHV.<br />

Für Baden­Württemberg erwähnt ein Bericht des Landesgesundheitsamtes (1993), dass mehrere<br />

große Einrichtungen den Anteil von <strong>geistig</strong> <strong>behinderte</strong>n Kindern, Jugendlichen und <strong>Erwachsene</strong>n mit<br />

zusätzlichen schweren Verhaltensstörungen in ihren Heimbereichen auf 3% bis 5% geschätzt haben.<br />

In gemeindenahen Wohneinrichtungen dürfte dieser Anteil zurzeit noch niedriger liegen. Zusätzlich<br />

befinden sich aber immer noch <strong>geistig</strong> <strong>behinderte</strong> Menschen mit schwerwiegenden herausfordernden<br />

Verhaltensweisen in Pflegebereichen psychiatrischer Kliniken.<br />

Lebenssituation und fachliche Unterstützung<br />

Geschichtlich betrachtet haben Beziehungsstörungen, die mit SHV einhergehen, häufig zum<br />

Ausschluss dieses Personenkreises aus vertrauten Lebenszusammenhängen und aus heimatlichen<br />

Gemeinwesen geführt. Während es für immer mehr Menschen mit <strong>geistig</strong>er Behinderung<br />

selbstverständlich geworden ist, gemeindeintegriert zu leben, wird diese Wohnalternative <strong>geistig</strong><br />

<strong>behinderte</strong>n Menschen mit SHV bis dato in der Regel verwehrt. Wohnortferne Groß­ und Komplexeinrichtungen<br />

sind – oft unbeabsichtigt – zu überregionalen „Auffangbecken“ für diesen Personenkreis<br />

geworden. Dort finden sich Menschen mit SHV immer häufiger in speziellen, homogen<br />

zusammengesetzten <strong>Wohngruppen</strong> für „Verhaltensauffällige“ wieder. Sie haben dann bereits eine<br />

mehr oder weniger lange „Heimkarriere“ durchlaufen. Der reintegrative Anspruch in solchen Dauerwohngruppen<br />

ist im Allgemeinen gering.<br />

Empirische Untersuchungen zeigen jedoch auch, dass mit einer Normalisierung der<br />

Lebensverhältnisse im Sinne der bloßen Erschließung gemeindeintegrierter Wohn­ und<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten herausfordernde Verhaltensweisen nicht einfach verschwinden (s.<br />

Dalferth 1999). Personen mit SHV und ihre Bezugspersonen benötigen eine spezifische Unterstützung,<br />

um entlastet zu werden, um Interaktionen und Ressourcen neu zu strukturieren und wieder<br />

mehr Teilhabe am Leben in der Gesellschaft möglich zu machen.<br />

Mittlerweile verfügen wir über ein beträchtliches Wissen über die Ausbreitung, Entstehung und<br />

Aufrechterhaltung herausfordernder Verhaltensweisen bei Kindern, Jugendlichen und <strong>Erwachsene</strong>n<br />

mit unterschiedlichen Ausgangsdiagnosen. Diese Erkenntnisse sind neurobiologischer, psychiatrischer,<br />

psychologischer und pädagogischer Provenienz. Es liegen Handlungsmethoden für das<br />

Assessment (verstehende Diagnostik), die Prävention, die Krisenintervention, die Beratung und<br />

Therapie bei herausfordernden Verhaltensweisen vor, die sich in der Praxis bewährt haben und z.T.<br />

auch empirisch abgesichert sind. Allerdings: In den zum Problem gewordenen Alltag der Menschen<br />

mit SHV und ihrer Bezugspersonen dringt dieses Wissen oft gar nicht vor. Die Betroffenen haben nur<br />

unzureichend Zugang zu Diensten, die auf der Grundlage des aktuellen Fachwissens interdisziplinär<br />

und gezielt mit ihnen zusammenarbeiten, die in regionale Hilfesysteme und personenzentrierte Hilfeplanungsprozesse<br />

eingebunden sind. Die psychiatrische und psychotherapeutische Regelversorgung<br />

in Deutschland (Krankenhäuser, Ambulanzen, niedergelassene Ärzte und Therapeuten) ist bis jetzt<br />

nicht in der Lage, diese Aufgaben zu übernehmen.<br />

Für eine wirkungsvolle fachliche Unterstützung sind in verschiedenen europäischen Ländern vor allem<br />

zwei Typen spezialisierter Dienste entstanden:<br />

• Beratende Dienste, die die Betroffenen und ihr soziales Umfeld beraten und ggf. ergänzende<br />

Maßnahmen anstoßen (z.B. die Arbeit unabhängiger Consulententeams in den Niederlanden, vgl.<br />

Eekelaar 1999, Braun & Ströbele 2003).<br />

• Stationäre therapeutische <strong>Wohngruppen</strong>, die Menschen mit SHV vorübergehend, d.h. zeitlich<br />

befristet, aufnehmen. Dadurch werden die Beteiligten – so die Hoffnung – zunächst entlastet. Das<br />

Aufatmen und Innehalten schaffen erst den Raum für eine verstehende Diagnostik.<br />

Therapeutisch­rehabilitative Maßnahmen können erprobt werden. Solche Angebote sind z.B. in<br />

Großbritannien untersucht worden (Allen & Felce 1999).<br />

In dieser Evaluationsstudie geht es um die Wirksamkeit zeitlich befristeter stationärer <strong>Therapeutische</strong>r<br />

<strong>Wohngruppen</strong>, die in dem auf 3 Jahre angelegten Modellversuch in Baden­Württemberg überprüft<br />

worden ist.<br />

5


2 Ziele und Realisierung des Modellversuchs <strong>Therapeutische</strong><br />

<strong>Wohngruppen</strong> in Baden­Württemberg<br />

2.1 Vorgeschichte<br />

Die Betreuung und Förderung von <strong>geistig</strong> <strong>behinderte</strong>n Menschen mit gravierendem herausforderndem<br />

Verhalten (schwerwiegendes selbst­ oder fremdgefährdendem Verhalten) war auch<br />

Anfang der 90er Jahre Thema von Datenerhebungen und Diskussionen in Baden­Württemberg.<br />

Im Auftrag des Sozialministeriums des Landes Baden­Württemberg hat sich damals eine<br />

Arbeitsgruppe aus Vertretern von Einrichtungen der Behindertenhilfe, Vertretern der damaligen<br />

Leistungsträger (Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg­Hohenzollern) und den Landesärzten<br />

für Behinderte um eine Definition des angesprochenen Personenkreises, um eine Klärung und<br />

Beschreibung fachlicher Konzepte, notwendiger Rahmenbedingungen und um eine Einschätzung der<br />

Größe des angesprochenen Personenkreises bemüht.<br />

Der angesprochene Personenkreis umfasste „emotional und sozial stark retardierte und/oder<br />

psychisch gestörte Menschen, deren Verhaltensweisen gekennzeichnet sind durch manifeste Selbstgefährdung<br />

bis zur vitalen Gefährdung oder durch starke Fremdgefährdung oder durch massive<br />

Beeinträchtigung anderer Personen. Dabei wird durch mangelnde Selbststeuerung und stark<br />

eingeschränkte pädagogische und soziale Lenkbarkeit eine soziale Eingliederung der betroffenen<br />

Menschen (bzw. die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben) ohne zusätzlichen Betreuungsaufwand<br />

verhindert“ (Landesgesundheitsamt Baden­Württemberg 1993).<br />

Anerkannt wurde dabei, dass <strong>geistig</strong> <strong>behinderte</strong>n Menschen mit gravierendem herausforderndem<br />

Verhalten auch in der Lebenswelt eines Wohnheimes eine bleibende Ausgrenzung aus der<br />

Gemeinschaft und Gesellschaft droht, weshalb es ein vorrangiges Ziel der Betreuung und Förderung<br />

sein müsse, eine eventuell schon erfolgte Ausgrenzung oder Ausgliederung wieder rückgängig zu<br />

machen oder eine drohende Ausgrenzung oder Ausgliederung zu verhindern. Dies könne in Form<br />

einer „Integrativen Einzelbetreuung/­förderung“ in der bisherigen (herkömmlichen) Wohngruppe oder<br />

zeitlich befristet in einer besonderen „<strong>Therapeutische</strong>n Wohngruppe“ geschehen.<br />

Als wesentliche Handlungskonzepte der intensiven Betreuung in einer <strong>Therapeutische</strong>n Wohngruppe<br />

(TWG) erkannt wurden die „Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse dieser <strong>behinderte</strong>n<br />

Menschen im Rahmen der Tagesstrukturierung, die fortlaufende Beaufsichtigung und die Möglichkeit<br />

zur Krisenintervention, eine inhaltlich strukturierte, zeitlich und räumlich festgelegte heilpädagogische<br />

Förderung und die Mitwirkung und Beteiligung der <strong>behinderte</strong>n Menschen an der Gestaltung ihres<br />

Lebensfeldes“ (Landesgesundheitsamt Baden­Württemberg 1993).<br />

Der Personalbedarf einer als Kleingruppe organisierten TWG werde vor allem durch die Anwesenheit<br />

von zwei MitarbeiterInnen während der Anwesenheit der Bewohner in der Gruppe und durch die<br />

Notwendigkeit einer Nachtwache, die eventuell auch gruppenübergreifend eingesetzt werden kann,<br />

bestimmt. Zusätzlicher Personalbedarf sei gegeben durch die Inanspruchnahme von therapeutischen<br />

Fachdiensten.<br />

Als wesentliche bauliche und strukturelle Voraussetzungen wurden vor allem das Vorhandensein<br />

von problembezogen ausgestatteten Einzelzimmern, von zwei getrennten Tagesaufenthaltsräumen<br />

und Sanitärbereichen (für eine Kleingruppe von 5 Bewohnern) betrachtet.<br />

Die ärztliche und fachpsychiatrische Versorgung und Behandlung der betroffenen Menschen wurde<br />

von den beteiligten Einrichtungen in der Regel nicht als problematisch dargestellt.<br />

Vertreter von Einrichtungen für <strong>geistig</strong> <strong>behinderte</strong> Menschen in dieser Arbeitsgruppe schätzten den<br />

Anteil von <strong>geistig</strong> <strong>behinderte</strong>n Menschen mit gravierendem herausforderndem Verhalten an der<br />

Gesamtheit der Heimbewohner mit drei bis fünf Prozent ein (Landesgesundheitsamt Baden­<br />

Württemberg 1993).<br />

Es entstanden und bestanden zu der damaligen Zeit in verschiedenen Einrichtungen der<br />

Behindertenhilfe in Baden­Württemberg schon Sondergruppen mit bestimmten personellen und<br />

strukturellen Rahmenbedingungen für die Betreuung von <strong>geistig</strong> <strong>behinderte</strong>n Menschen mit<br />

6


schwerwiegendem herausforderndem Verhalten, in denen die Betreuung und Förderung dieser<br />

Menschen in der Regel auf unbestimmte Zeit erfolgte. Es war allerdings nicht bekannt, ob durch die<br />

besondere Betreuung in diesen Sondergruppen die obenstehend genannten und als notwendig<br />

bezeichneten rehabilitativen Ziele auch erreicht wurden bzw. erreicht werden können.<br />

Bemühungen zur Enthospitalisierung und zur rehabilitativen Förderung dieses Personenkreises<br />

entstanden in der zurückliegenden Zeit auch in anderen Ländern Europas, wie in Großbritannien und<br />

in den Niederlanden.<br />

In Großbritannien wurde die Enthospitalisierung und eine nachfolgende dezentralisierte,<br />

gemeindenahe Betreuung dieser Menschen angestrebt. In diesem Zusammenhang wurden<br />

verschiedene Betreuungskonzepte für Menschen mit herausforderndem Verhalten im Hinblick auf ihre<br />

Eigenschaften und Effekte beleuchtet. Dabei wurden vor allem sogenannte homogene<br />

Sondergruppen auf Dauer, wie sie zunächst auch hierzulande entstanden sind, wegen Isolationsund<br />

Ausgrenzungseffekten problematisiert, hingegen zeitlich befristete „therapeutische <strong>Wohngruppen</strong>“<br />

(residential treatment units) und ambulante Unterstützungsteams (peripatetic support teams)<br />

favorisiert (Bouras 1999).<br />

Vergleichbare Überlegungen führten zur Etablierung sogenannter Consulenten­Teams in den<br />

Niederlanden. Darunter zu verstehen sind ambulant operierende Experten­Teams zur individuellen<br />

Beratung und Unterstützung von Menschen mit herausforderndem Verhalten, die in üblichen<br />

<strong>Wohngruppen</strong> innerhalb von Einrichtungen der Behindertenhilfe leben.<br />

Verhandlungen über die Einführung besonderer Hilfeleistungen oder Leistungstypen für Menschen mit<br />

gravierendem herausforderndem Verfahren und deren Vergütung in Baden­Württemberg wurden<br />

Anfang dieses Jahrzehnts zwischen den Leistungserbringern (Einrichtungen der Behindertenhilfe) und<br />

den Leistungsträgern (den Landeswohlfahrtsverbänden Baden und Württemberg­Hohenzollern)<br />

intensiv geführt.<br />

Auf dem Boden dieser Verhandlungen entstand auf Seiten der Landeswohlfahrtsverbände Baden und<br />

Württemberg­Hohenzollern (als überörtliche Träger der Eingliederungshilfe) das Vorhaben, zunächst<br />

die Wirksamkeit zeitlich befristeter intensiver Betreuung in <strong>Therapeutische</strong>n <strong>Wohngruppen</strong> (TWG)<br />

mit rehabilitativer Zielsetzung als möglicher neuer Leistungstyp im Rahmen eines Modellversuchs zu<br />

erproben.<br />

Der Verbandsausschuss des LWV Württemberg­Hohenzollern hat am 19.06.2001 der Durchführung<br />

einer drei Jahre dauernden Erprobung sogenannter <strong>Therapeutische</strong>n <strong>Wohngruppen</strong> (TWG) unter<br />

bestimmten Rahmenbedingungen zugestimmt.<br />

2.2 Ziele<br />

Ziel der Leistung in einer solchen TWG war es, <strong>geistig</strong> <strong>behinderte</strong>n Menschen mit schwerwiegendem<br />

herausforderndem Verhalten zeitlich befristet einen angemessenen Lebensraum zu bieten und<br />

während dessen durch Förderung und therapeutische Interventionen die Verhaltensweisen der<br />

betroffenen Menschen so zu beeinflussen, dass eine Eingliederung in allgemeine Betreuungsformen<br />

(Re­Integration) wieder möglich wird (rehabilitative Zielsetzung). Möglichkeiten zur Wiedereingliederung<br />

in allgemeine Betreuungsformen mussten vorhanden sein.<br />

2.3 Bedingungen für die Ausgestaltung der TWG<br />

<strong>Therapeutische</strong> <strong>Wohngruppen</strong> (TWG) wurden definiert als besondere Einheiten innerhalb einer<br />

Einrichtung mit multi­ bzw. interdisziplinärer Kompetenz der MitarbeiterInnen . Zudem musste<br />

psychologische bzw. psychiatrische Kompetenz ständig verfügbar sein.<br />

Der Betreuungszeitraum in einer TWG konnte bis zu drei Jahre betragen.<br />

Inhalt und Umfang der in einer TWG zu erbringenden Leistungen richteten sich nach den §§ 39, 40<br />

BSHG (§§ 53, 54 SGB XII) unter Berücksichtigung des Nachrangs der Sozialhilfe, insbesondere<br />

bezüglich der Leistungen nach SGB V und SGB XI, dem im Einzelfall zu erstellenden Gesamtplan<br />

nach § 46 BSHG (§ 58 SGB XII) sowie nach dem jeweiligen individuellen Bedarf des/der<br />

Hilfeempfängers/in.<br />

7


Die Leistung umfasste Wohnen einschließlich tagesstrukturierender Angebote, wobei die<br />

einrichtungsbezogen üblichen tagesstrukturierenden Angebote genutzt werden sollten. Dies<br />

beinhaltete die Bereitstellung von Unterkunft und Verpflegung, die Maßnahmen zur Beratung,<br />

Betreuung, Förderung und Pflege sowie die Bereitstellung der betriebsnotwendigen Anlagen<br />

einschließlich ihrer Ausstattung.<br />

Für den Funktionsbereich Betreuung / Förderung / Fachdienst wurde ein Personalschlüssel<br />

von 1 : 0,71 vereinbart. Zusätzliche Vereinbarungen betrafen den personellen Bedarf in den<br />

Bereichen Leitung / Verwaltung sowie Hauswirtschaft.<br />

In allen Funktionsbereichen sollte eine hohe Fachkraftquote vorgehalten werden. Regelmäßige<br />

Fortbildung und Supervision der Fachkräfte waren sicherzustellen.<br />

In der Einrichtung mussten für den angesprochenen Personenkreis geeignete räumliche Bedingungen<br />

vorhanden sein. Räumliche bzw. bauliche Voraussetzungen waren Einzelzimmer, Gruppenräume<br />

und zusätzliche Räume für therapeutische Belange, Arbeits­ und Beschäftigungsräume sowie eine<br />

abgeschlossene Außenanlage. Des weiteren je Gruppe ein Schmierzimmer und ein Schutzraum. Die<br />

Voraussetzungen für geschlossene Unterbringung mussten erfüllt sein.<br />

Mit den teilnehmenden Einrichtungen wurden eine bestimmte Platzzahl und eine besondere<br />

Vergütungspauschale vereinbart. Diese Vergütungspauschale lag jeweils oberhalb der jeweiligen<br />

Vergütungspauschale der Hilfebedarfsgruppe 5 (HMB­W­Verfahren) im Bereich Wohnen und der<br />

Vergütungspauschale für Tagesstrukturierende Maßnahmen.<br />

Auf der Grundlage eines individuellen Hilfeplans erfolgte die Leistungsgewährung mit der Maßgabe,<br />

die zwischen Leistungsträger (Träger der Eingliederungshilfe) und Leistungserbringer (Einrichtung)<br />

vereinbarten Ziele umzusetzen und zu erreichen.<br />

Die teilnehmenden Einrichtungen waren dafür verantwortlich, dass Maßnahmen zur internen<br />

Sicherung der Struktur­, Prozess­ und Ergebnisqualität durchgeführt wurden. Die teilnehmenden<br />

Einrichtungen verpflichteten sich, am Begleitprojekt zur Auswertung der Erfahrungen der modellhaften<br />

Erprobung (Evaluation) teilzunehmen, dieses zu unterstützen und die erforderlichen Angaben zur<br />

Verfügung zu stellen. Maßgeblich hierfür war das Evaluationskonzept des Medizinisch­pädagogischen<br />

Dienstes der Landeswohlfahrtsverbände, das Bestandteil der jeweiligen Vereinbarungen war.<br />

2.4 Auswahl der Leistungserbringer (Einrichtungen)<br />

Auf Empfehlung des Verbandsausschusses des Landeswohlfahrtsverbands (LWV) Württemberg­<br />

Hohenzollern wurde die Zahl der teilnehmenden Einrichtungen und die Platzzahl in den<br />

<strong>Therapeutische</strong>n <strong>Wohngruppen</strong> begrenzt. Vereinbarungen über die auf drei Jahre befristete modellhafte<br />

Erprobung <strong>Therapeutische</strong>r <strong>Wohngruppen</strong> als möglicher neuer Leistungstyp wurden getroffen<br />

mit vier Einrichtungen mit einer Platzzahl von insgesamt 96 im Verbandsgebiet des LWV Baden und<br />

mit sechs Einrichtungen mit einer Platzzahl von insgesamt 145 Plätzen im Verbandsgebiet des LWV<br />

Württemberg­Hohenzollern.<br />

Bei der Wahl der teilnehmenden Einrichtungen waren von Bedeutung: Das Vorhandensein von<br />

Erfahrung in der Betreuung des angesprochenen Personenkreises, das Vorhandensein geeigneter<br />

struktureller Rahmenbedingungen oder die Möglichkeit solche kurzfristig herzustellen, sowie das<br />

Interesse und die Bereitschaft an diesem Modellversuch teilzunehmen.<br />

2.5 Konzeptionelle Ausgestaltung in den teilnehmenden Einrichtungen<br />

Die 10 teilnehmenden Einrichtungen haben anlässlich eines Fachgesprächs nach Ablauf des ersten<br />

Projektjahres ihre jeweiligen Betreuungskonzepte beschrieben (s. Medizinisch­pädagogischer Dienst<br />

der Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg­Hohenzollern 2004). Von einem Teil der<br />

Einrichtungen wurden diesbezüglich lediglich strukturelle und organisatorische Faktoren<br />

angesprochen, wie sie schon in der mit den Leistungsträgern getroffenen Vereinbarungen vorgegeben<br />

waren.<br />

Andererseits wurde von mehreren teilnehmenden Einrichtungen auf die Notwendigkeit problembezogen<br />

differenzierter Ansätze in der Betreuung von Menschen mit schwerwiegendem<br />

8


herausforderndem Verhalten hingewiesen. In diesem Zusammenhang müssen neben therapeutischen<br />

Ansätzen auch akzeptierend­entlastende Ansätze berücksichtigt werden.<br />

Als notwendige Grundlage für die Analyse von individuellem herausforderndem Verhalten und für die<br />

Erarbeitung eines individuellen Förder­ und Betreuungskonzepts wurde eine systemische<br />

Betrachtungsweise als notwendig betrachtet.<br />

Im Hinblick auf prozessuale Aspekte wurde beschrieben, dass auf der Grundlage einer interdisziplinären<br />

Diagnostik jeweils ein individuelles Betreuungs­ und Handlungskonzept entwickelt und<br />

während seiner Anwendung ständig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden müsse. Die im<br />

Hinblick auf die Zielsetzung der <strong>Therapeutische</strong>n Wohngruppe wichtige Übergangsphase in eine<br />

nachfolgende Wohngruppe wurde bei der Beschreibung der einrichtungsbezogenen Konzepte nur<br />

selten berücksichtigt.<br />

2.6 Auswahl der teilnehmenden <strong>behinderte</strong>n Menschen<br />

Die Leistungserbringer (Einrichtungen) schlugen Personen vor, die aus ihrer Sicht für eine Aufnahme<br />

in die <strong>Therapeutische</strong> Wohngruppe in Frage kommen. Die Einrichtungen legten dabei insbesondere<br />

dar, welche Sachverhalte aus ihrer Sicht für eine Eignung für das Leistungsangebot <strong>Therapeutische</strong><br />

Wohngruppe sprechen und welche voraussichtliche Dauer dieser Maßnahme vorgesehen werden<br />

sollte.<br />

Die Prüfung der persönlichen Zugangsvoraussetzungen und die Entscheidung über die Teilnahme an<br />

der modellhaften Erprobung erfolgte vor der Aufnahme in das modellhafte Leistungsangebot durch<br />

den Leistungsträger (Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg­Hohenzollern) unter<br />

Einbeziehung des Medizinisch­pädagogischen Dienstes.<br />

9


3 Zielsetzung der Evaluation und methodisches Vorgehen<br />

Ziel des Modellversuchs ist es, Menschen mit SHV wieder in „allgemeine Betreuungsformen“<br />

einzugliedern und ihnen dadurch die Chance zu geben, stärker am Leben in der Gesellschaft zu<br />

partizipieren. Im Rahmen <strong>Therapeutische</strong>r <strong>Wohngruppen</strong> (TWG) soll die Reintegration durch die<br />

Wiederaktivierung bzw. Erweiterung der Kompetenzen von Menschen mit SHV, durch die Lösung und<br />

Veränderung festgefahrener, sozial störender Verhaltensweisen und durch die Ausgestaltung einer<br />

zukünftigen Wohnumgebung (integrationsförderliches Wohnmilieu) erreicht werden. Die erste TWG<br />

nahm im Oktober 2001, die letzt im Juli 2002 ihre Arbeit auf.<br />

Die im Rahmen des Modellversuchs durchgeführte Evaluation sollte klären, ob und unter welchen<br />

Bedingungen das Ziel der Re­Integration im Rahmen einer intensivierten Betreuung und Förderung in<br />

einer <strong>Therapeutische</strong>n Wohngruppe erreicht werden kann. Von besonderem Interesse dabei ist die<br />

Frage inwieweit eine Zielerreichung von individuellen Eigenschaften der betroffenen Menschen<br />

und/oder von konzeptionellen und methodischen Unterschieden zwischen den teilnehmenden<br />

Einrichtungen beeinflusst wird.<br />

Die Evaluation des Modellversuchs stützt sich einerseits auf Daten, die von den teilnehmenden<br />

Einrichtungen über die teilnehmenden Personen auf strukturierten Dokumentationsbogen festgehalten<br />

und an den Medizinisch­pädagogischen Dienst übermittelt wurden und andererseits auf zusätzlichen<br />

Angaben der Einrichtungen zu bestimmten Aspekten des Modellversuchs, die in freier Form<br />

dargestellt wurden.<br />

Mit der wissenschaftlichen Begleitung des Modellversuchs wurde der Medizinisch­pädagogische<br />

Dienst der Landeswohlfahrtsverbände betraut. Im Oktober 2002 übernahmen Prof. Dr. Friedrich<br />

Dieckmann (KFH Nordrhein­Westfalen, Abt. Münster) und Christos Giovis (human transitions) den<br />

Auftrag, den Medizinisch­pädagogischen Dienst bei der Durchführung und Auswertung der<br />

empirischen Evaluation zu unterstützen.<br />

Die wissenschaftliche Begleitung soll gemäß Beschluss der Landeswohlfahrtsverbände Empfehlungen<br />

für die flächendeckende Weiterentwicklung von Unterstützungsangeboten für Menschen mit <strong>geistig</strong>er<br />

Behinderung und SHV geben. Dabei soll ausdrücklich auch der Personenkreis berücksichtigt werden,<br />

der aufgrund vermeintlich geringerer Erfolgserwartungen nicht in den Modellversuch einbezogen<br />

wurde. Menschen mit SHV sollen bedarfsgerecht im Einzelfall unterstützt werden, d.h. gezielt,<br />

qualifiziert und in ausreichendem Umfang.<br />

Im Rahmen des Modellversuchs soll empirisch untersucht werden, welche Auswirkungen die<br />

Lebensbedingungen in TWG auf Menschen mit SHV haben. Kann überhaupt mit dem Ansatz einer<br />

zeitlich begrenzten TWG ein Übergang in allgemeine Betreuungsformen ermöglicht werden? Und falls<br />

ja, schälen sich Faktoren heraus, die den Reintegrationserfolg gut prognostizieren?<br />

3.1 Fragestellungen für die Evaluation<br />

Die Evaluation berührt 4 Themenbereiche, in denen jeweils verschiedene Fragestellungen die<br />

Untersuchung leiten:<br />

• Teilnehmender Personenkreis<br />

• Hilfeplanung, Maßnahmen und Passung in ein regionales Hilfesystem<br />

• Auswirkungen TWG auf Menschen mit SHV<br />

• Prognosefaktoren für die Reintegration von Menschen mit SHV<br />

3.1.1 Teilnehmender Personenkreis<br />

Welche Merkmale zeichnen die Teilnehmer im Modellversuch aus? Welchen Teil der Zielgruppe<br />

„Menschen mit <strong>geistig</strong>er Behinderung und SHV“ erreicht der Modellversuch?<br />

10


Neben dem Alter und Geschlecht, der Art und dem Schweregrad der Behinderung, dem individuellen<br />

Hilfebedarf und evt. psychischen Störungen werden Ressourcen und Kompetenzen (z.B. soziale<br />

Beziehungen, kommunikative Fähigkeiten) und Angaben zur bisherigen Wohnbiographie erhoben.<br />

Herausfordernde Verhaltensweisen werden nach ihrer Erscheinungsform, Intensität, Häufigkeit und<br />

Situationsabhängigkeit kategorisiert und eingestuft.<br />

3.1.2 Hilfeplanung und Maßnahmen<br />

Welche Konzeption, welches Programm, welches Arbeitsmodell liegt den jeweiligen TWG zugrunde?<br />

Die Träger waren gebeten worden, ihre Leitlinien und Betriebskonzeption für die Arbeit in TWG<br />

darzustellen. Diese Darstellungen liegen als Tagungsbericht vor (Medizinisch­pädagogischer Dienst<br />

der Landeswohlfahrtsverbände Württemberg­Hohenzollern und Baden 2004).<br />

Wie sind die TWG in regionale Hilfesysteme eingebunden?<br />

Bewertet wird die Passung TWG in regionale Hilfesysteme. Welche Merkmale TWG fördern, welche<br />

behindern die Inklusion oder Integration von Menschen mit HV in das Gemeinwesen? Die Ergebnisse<br />

des Modellversuchs werden in die internationale Fachdiskussion um Unterstützungsalternativen<br />

eingeordnet. Auch die Erfahrungen der Träger TWG im Modellversuch werden in diese Auswertung<br />

einfließen.<br />

Wie wird der Prozess der Hilfeplanung gestaltet und gesteuert? Wer wird in die Hilfeplanung<br />

einbezogen?<br />

Inwieweit sind die Teilnehmer selbst an der Hilfeplanung beteiligt und werden ihre Wünsche und<br />

Bedürfnisse berücksichtigt?<br />

Welche sozial­räumlichen Bedingungen finden sich in TWG?<br />

Hier geht es um die Qualifikation und Besetzung des Wohndienstes und die Verzahnung mit dem<br />

Fachdienst, die Anzahl der Mitbewohner und die sozial­räumlichen Wohnverhältnisse.<br />

Welche Maßnahmen und Interventionen werden eingesetzt, um die rehabilitativen Zielsetzungen zu<br />

erreichen?<br />

Neben der Teilnahme an Angeboten innerhalb und außerhalb der TWG (Arbeit, Beschäftigung,<br />

Freizeit) werden pädagogisch­psychologische, pharmakotherapeutische und schützende, gegebenenfalls<br />

auch freiheitsentziehende Maßnahmen dokumentiert.<br />

Die Konzeptionen der Anbieter sind dem oben erwähnten Tagungsbericht zu entnehmen und werden<br />

hier nicht wiederholt. Die Angaben der TWG bezüglich der Hilfeplanung und Maßnahen werden in<br />

einer Zusammenschau beschrieben. Eine zwischen den Einrichtungen differenzierende Analyse ist<br />

aufgrund der Datenlage nicht möglich.<br />

3.1.3 Auswirkungen TWG auf Menschen mit SHV<br />

Der Erfolg TWG wird auf 4 verschiedenen Dimensionen bewertet:<br />

Die Teilhabe am Leben der Gesellschaft wird in den Bereichen Wohnen, Arbeit und Beschäftigung<br />

sowie soziale Beziehungen erfasst. Es geht um die Reintegration in allgemeine Wohnformen und<br />

Wohndienste, die Teilhabe an üblichen Arbeits­ & Beschäftigungsangeboten und Veränderungen in<br />

den sozialen Netzwerken der Bewohner.<br />

Oberstes Ziel der TWG ist die Reintegration von Menschen mit SHV in allgemeine nicht­ausgrenzende<br />

Wohnformen. Die zunehmende Entstehung von gesonderten, homogen zusammengesetzten<br />

Dauerwohngruppen in Komplexeinrichtungen soll gestoppt werden.<br />

Herausforderndes Verhalten:<br />

Wie wirkt sich die TWG auf das Vorhandensein, die Häufigkeit und Intensität herausfordernder<br />

Verhaltensweisen aus?<br />

Inwieweit haben sich Verhaltensprobleme verändert, inwieweit wurden die verhaltensbezogenen Ziele<br />

der Teilnehmer erreicht?<br />

11


In welchem Umfang verändern sich die Medikation, die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen<br />

und die Überweisungspraxis in psychiatrische Krankenhäuser?<br />

Kompetenzen:<br />

Lassen sich infolge der Arbeit TWG in ausgewählten Bereichen Kompetenzzuwächse beobachten<br />

(z.B. in der Kommunikation)?<br />

Einschätzung der Lebenssituation / Lebenszufriedenheit:<br />

Wie wird die Lebenssituation von den Teilnehmern selbst, wie von ihren Bezugspersonen<br />

eingeschätzt und bewertet? Leider wurden im Modellversuch keine Einschätzungen der Teilnehmer<br />

und ihrer Angehörigen erhoben. In der Auswertung kann nur auf die Einschätzung des Wohlbefindens<br />

und der Lebenslage durch die Bezugsbetreuer zurückgegriffen werden.<br />

Die jeweiligen Daten werden zunächst auf der Ebene der Gesamtstichprobe analysiert (alle<br />

Teilnehmer und alle Einrichtungen). Für einzelne Indikatoren werden die Auswirkungen nach<br />

Einrichtungen oder Teilstichproben der Teilnehmer ausgewertet.<br />

3.1.4 Prognosefaktoren für die Reintegration von Menschen mit SHV<br />

Lassen sich Teilnehmer­ oder Programmmerkmale identifizieren, die eine verlässliche Prognose über<br />

den Erfolg TWG erlauben?<br />

In der Praxis kursieren eine Reihe von Annahmen darüber, welche Personen im Hinblick auf eine<br />

Reintegration mehr und welche weniger profitieren. Solche Alltagstheorien über den Einfluss individueller<br />

Merkmale, wie z.B. den Grad der <strong>geistig</strong>en Behinderung, die sprachliche Kompetenz,<br />

bestimmte herausfordernde Verhaltensweisen sollen anhand der vergleichsweise großen Stichprobe<br />

überprüft werden. Des weiteren soll untersucht werden, ob bestimmte Programmmerkmale sich als<br />

erfolgsversprechend erweisen.<br />

Welche Arten herausfordernder Verhaltensweisen lassen sich leichter, welche schwerer verändern im<br />

Rahmen TWG?<br />

Gibt es herausfordernde Verhaltensweisen, die sich leicht beeinflussen lassen, und andere, die sehr<br />

veränderungsresistent sind im Kontext TWG?<br />

3.2 Untersuchungsplan<br />

Die Messung von Veränderungen auf Dimensionen macht Datenerhebungen zu verschiedenen<br />

Zeitpunkten erforderlich. Zu 5 Messzeitpunkten vor und während des Aufenthalts einer Person in einer<br />

TWG wurden die Mitarbeiter in TWG und die Leitungen der Trägereinrichtungen in schriftlicher Form<br />

zu den Teilnehmern und dem Programm befragt (s. Tab. 3/1). Im Rahmen einer Längsschnittuntersuchung<br />

war ursprünglich geplant, Teilnehmerdaten zu 7 Messzeitpunkten vor während und<br />

nach dem Aufenthalt in einer TWG zu erheben. Die Nachher­Messungen zum Zeitpunkt 6 und 7<br />

(Katamnese) ließen sich jedoch nicht realisieren, so dass keine Aussagen über die zeitliche Stabilität<br />

der Effekte TWG gemacht werden können.<br />

12


Erhebungsinstrumente<br />

Dokumentationsbogen<br />

zur Lebenssituation<br />

Erfassung<br />

herausfordernden<br />

Verhaltens<br />

Zeitpunkte der Erhebung<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

vor Aufnahme<br />

in TWG<br />

MA des<br />

bisherigen<br />

Wohndienstes<br />

6­12 Wochen<br />

nach Aufnahme<br />

in TWG<br />

1 Jahr nach<br />

Aufnahme<br />

in TWG<br />

2 Jahre nach<br />

Aufnahme<br />

in TWG<br />

MA der TWG MA der TWG MA der TWG<br />

Leitung des<br />

Trägers<br />

bei Auszug bzw.<br />

3 Jahre nach<br />

Aufnahme<br />

MA der TWG<br />

x x x x x<br />

x x x x x<br />

HMB­W x x<br />

Reintegrationsprognose<br />

Befragung der Träger<br />

(zu Konzeption und<br />

Erfahrungen)<br />

x<br />

x<br />

Tab. 3/1:<br />

Zeitpunkte, Befragte und Instrumente der Datenerhebung<br />

Da sich die Arbeitskonzeptionen der TWG stark voneinander unterscheiden, soll der Schwerpunkt<br />

auch auf einer nach Trägern differenzierten Auswertung liegen, um zielführende Elemente TWG zu<br />

identifizieren. Die Unterschiedlichkeit der Arbeitskonzeptionen sprach auch dagegen, zum jetzigen<br />

Zeitpunkt der Entwicklung TWG ein Quasi­Experiment durchzuführen und eine Experimentalgruppe<br />

bestehend aus den Teilnehmern mit einer Kontrollgruppe zu vergleichen (Personen, die bei vergleichbarer<br />

Problematik nicht an TWG teilnehmen). In dieser Evaluation geht es primär um die Zielerreichung,<br />

nicht um den strengen Nachweis von Ursache­Wirkungsbeziehungen.<br />

Die standardisierten Erhebungsinstrumente, die auch schon Raum für offene Antworten und<br />

Erläuterungen ließen, wurden ergänzt durch eine offene schriftliche Befragung, in der die Träger TWG<br />

nach einer Laufzeit von 2 Jahren ihre Erfahrungen, Bewertungen und Empfehlungen ausführen sollten<br />

(s. Abschn. 3.3).<br />

Bedauerlicherweise liegen keine Aussagen und Einschätzungen von den Teilnehmern selbst und von<br />

ihren Angehörigen oder Bezugspersonen aus anderen Lebensbereichen vor. Ein multiperspektivischer<br />

Untersuchungsansatz konnte nicht realisiert werden.<br />

Zwingende Voraussetzung für die Teilnahme an dem Modellversuch war es, dass die Betroffenen,<br />

ihre gesetzlichen Vertreter oder rechtlichen Betreuer sich mit der Erhebung und Weitergabe der Daten<br />

an den MPD der Landeswohlfahrtsverbände einverstanden erklärten.<br />

3.3 Erhebung und Auswertung der Daten<br />

3.3.1 Dokumentationsbogen „ Lebenssituation & herausforderndes Verhalten“<br />

Zum Messzeitpunkt 1 füllten Mitarbeiter des abgebenden Wohndienstes, zu den Zeitpunkten 2 bis 5<br />

die Mitarbeiter der TWG für jeden Teilnehmer des Modellversuchs einen Dokumentationsbogen mit<br />

geschlossenen und offenen Fragen aus.<br />

Zu jedem Messzeitpunkt wurden Angaben zur Wohn­ und Mitarbeitersituation, zur Tagesstruktur, zu<br />

den sozialen Beziehungen und Kompetenzen der Teilnehmer, zu Verhaltensproblemen, bewohnerbezogenen<br />

Zielsetzungen und Maßnahmen erfasst.<br />

Darüber hinaus wurden zu Zeitpunkt 1 die Wohnbiographie und die Art der Behinderung und evt.<br />

psychischer Störungen der Teilnehmer behandelt. Ab Zeitpunkt 2 – kurz nach dem Einzug in eine<br />

TWG – waren die Zielsetzungen in Hinblick auf die zukünftige Wohnform und die geplanten<br />

Maßnahmen zu dokumentieren. Der Dokumentationsbogen für den Zeitpunkt 2 enthält Fragen zu den<br />

derzeitigen Umgebungsbedingungen in der TWG, zu Kompetenzen der Teilnehmer, zur Art und<br />

13


Ausprägung ihres herausfordernden Verhaltens, zu den teilnehmerbezogenen Zielsetzungen und zu<br />

den geplanten bzw. eingeleiteten Maßnahmen.<br />

Ab dem Messzeitpunkt 3 (nach 1 Jahr Aufenthalt in der TWG) hatten die Mitarbeiter die bisherige<br />

Entwicklung, die Veränderung der Lebenssituation und der Verhaltensprobleme der Teilnehmer<br />

zusätzlich einzuschätzen.<br />

Geschlossenen Fragen wurden deskriptiv­statistisch, Antworten auf offene Fragen selektiv im Hinblick<br />

auf die konkrete Untersuchungsfragestellung ausgewertet.<br />

3.3.2 Standardisierte Erfassung des herausfordernden Verhaltens<br />

Zu jedem Messzeitpunkt wurden die Art, die Häufigkeit und die Intensität des herausfordernden<br />

Verhaltens mit einem standardisierten Bogen erfasst. Der Bogen lehnt sich an ein von Kühn, Metzler<br />

& Rauscher (2002) von der Universität Tübingen entwickeltes Erhebungsinstrument an, das in einer<br />

thematisch ähnlich gelagerten Studie im Freistaat Sachsen angewandt worden wurde. Es umfasst:<br />

(1) ein Verhaltensinventar mit 75 Verhaltenskategorien<br />

Unterschieden wird zwischen Auffälligkeiten mit selbstgefährdendem Charakter (27 Kategorien),<br />

Beeinträchtigungen anderer Personen (21), Gefährdungen der Sicherheit anderer Personen (18),<br />

Aggressionen gegenüber Sachobjekten (3), Beeinträchtigungen im Leistungsbereich (6).<br />

(2) Einschätzungsskalen für besonderschwerwiegende herausfordernde Verhaltensweisen<br />

Die Mitarbeiter treffen eine Auswahl von herausfordernden Verhaltensweisen, die ihrer Ansicht nach<br />

bei der Person im Vordergrund stehen, z.B. weil sie akuten Betreuungsbedarf verursachen oder mit<br />

einem hohen Gefährdungspotential verbunden sind. Sie schätzen das Gefährdungspotential (die<br />

„Intensität“), die Häufigkeit und die sozial­räumliche Bedingtheit jeder Verhaltensweise ein.<br />

Die Daten ermöglichen es, einen Überblick zu gewinnen über das Vorkommen verschiedener<br />

herausfordernder Verhaltensweisen und die Veränderung ihrer Häufigkeit, Intensität und sozialräumlichen<br />

Bedingtheit im Laufe des Modellversuchs.<br />

3.3.3 HMB­W<br />

Der Hilfebedarf der Teilnehmer wurde zu den Messzeitpunkten 1, 3 und 5 mit dem Bogen zum<br />

Hilfebedarf von Menschen mit Behinderung im Wohnen erhoben (HMB­W, Version des<br />

Landeswohlfahrtverbandes Württemberg­Hohenzollern). Der HMB­W, der von Frau Dr. Metzler von<br />

der Forschungsstelle „Lebenswelten <strong>behinderte</strong>r Menschen“ an der Universität Tübingen entwickelt<br />

wurde, ist das zur Zeit am weitesten verbreitete Instrument zur Erfassung des individuellen<br />

Hilfebedarfs im Bereich Wohnen. Leistungserbringer wie Leistungsträger sind mit ihm vertraut.<br />

Ausgewertet wurden die HMB­W Daten zu den Messzeitpunkten 1 und 5. Für verallgemeinerbare<br />

Aussagen im Hinblick auf die Gesamtstichprobe war der Rücklauf von Zeitpunkt 3­Bögen zu gering.<br />

3.3.4 Reintegrationsprognose<br />

Im September 2004 wurden die Leitungen der TWG gebeten, für jeden verbliebenen Teilnehmer im<br />

Modellversuch die Möglichkeit und Zeitdauer bis zur Reintegration in nicht­ausgrenzende Wohnformen<br />

vorauszuschätzen. Zu diesem Zeitpunkt wohnten die Teilnehmer (mit Ausnahme von<br />

Nachrückern) mindestens 2 Jahre in TWG. Auf einer dreistufigen Skala sollte die Wahrscheinlichkeit<br />

einer Reintegration in (allgemeinere) „normale“ <strong>Wohngruppen</strong> angegeben werden:<br />

1. voraussichtliche Reintegration (grün)<br />

2. Reintegration eventuell langfristig möglich (gelb)<br />

3. voraussichtlich keine Reintegration möglich (rot)<br />

Diese Einstufungen, für die sich intern der Name „Ampelprognose“ durchgesetzt hat, dienen als<br />

zusätzlicher Indikator für die Reintegrationsaussichten der Teilnehmer.<br />

14


3.3.5 Befragung der Träger<br />

Im Verlauf des zweiten Projektjahres wurden mit allen teilnehmenden Einrichtungen Gespräche über<br />

den bisherigen Verlauf und die inzwischen gemachten Erfahrungen geführt. Nachfolgend wurden die<br />

Einrichtungen gebeten, zusätzlich zu den zwischenzeitlich übermittelten individuellen Daten, zu<br />

verschiedenen Aspekten des Modellversuchs zu berichten. Diese Berichte erfolgten im Sommer 2004<br />

nach Ablauf des zweiten Projektjahres. Diese Fragen bezogen sich auf:<br />

• strukturelle, personelle und methodische Rahmenbedingungen in TWG,<br />

• die Art und den Umfang der psychiatrischen Behandlung / Begleitung,<br />

• die Arbeitsorganisation TWG,<br />

• die Bewertung der erreichten Ergebnisse,<br />

• Möglichkeiten der Re­Integration in andere <strong>Wohngruppen</strong>,<br />

• Bedingungen und Barrieren für eine erfolgreiche Reintegration<br />

• die Ausgestaltung einer regionalen Versorgung und generelle Empfehlungen für ein zukünftiges<br />

Hilfeangebot.<br />

Alle 9 Träger TWG, die sich bis zum Ende am Modellversuch beteiligt haben, haben die<br />

abschließende Befragung schriftlich beantwortet. Die Aussagen der Träger wurden mit Hilfe der<br />

qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Die Ergebnisse finden sich jeweils inhaltlich<br />

zugeordnet in den Kapiteln 5, 7 und 8.<br />

3.4 Grundgesamtheiten und Rücklauf<br />

Gemäß der uns vorliegenden Daten nahmen 290 Personen am Modellversuch teil. Darin enthalten<br />

sind 35 Personen, die erst Mitte 2004 bis Anfang 2005 als Neuzugänge bzw. Nachfolger für frei<br />

gewordene Plätze hinzukamen. Für letzteren Personenkreis liegen größtenteils nur die Eingangsfragebögen<br />

(Zeitpunkt 1) vor. Sie werden bei der Auswertung nicht berücksichtigt. Der verfügbare<br />

Zeitraum ist für die Interpretation ihrer Entwicklung zu kurz. Es verbleiben die Datensätze von 255<br />

Personen.<br />

Die Einrichtung 06 (G) hat den Modellversuch vorzeitig verlassen, hier liegen uns nur Daten bis<br />

Zeitpunkt 4 vor. Zählt man die 17 Personen dieser Einrichtung dazu, dann haben wir einen Rücklauf<br />

von 212 Personen (83%) bezogen auf die Grundgesamtheit für den Zeitpunkt 4 (Datenerhebung, die<br />

zwei Jahre nach Einzug in die therapeutische Wohngruppe (TWG) erfolgt ist).<br />

Für den letzten Zeitpunkt 5 liegen von 196 Personen (77%) Erfassungsbögen vor. Die Fragebögen<br />

zum Zeitpunkt 5 mussten bei Verlassen der therapeutischen Wohngruppe ausgefüllt werden, wurden<br />

aber spätestens mit Ende des Modellversuchs (nach drei Jahre TWG) abgegeben.<br />

Aufgrund von zusätzlichen Lücken in spezifischen Variablen kann die Anzahl der Personen in den<br />

folgenden Kapiteln von den hier genannten Stichprobengrößen abweichen.<br />

Zeitpunkte der Erhebung<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Erhebungsinstrumente<br />

Dokumentationsbogen<br />

zur Lebenssituation<br />

Erfassung<br />

herausfordernden<br />

Verhaltens<br />

255 248 240 212 196<br />

237 242 229 212 193<br />

HMB­W 243 – – – 95<br />

Reintegrationsprognose 222<br />

Tab. 3/2:<br />

Stichprobengrößen und Rücklauf zu verschiedenen Zeitpunkten<br />

15


3.5 Güte der Daten<br />

Viele der erhobenen Sachverhalte sind leicht zu beobachten oder objektivierbar (z.B. Angaben zur<br />

Wohnbiographie, zur räumlichen Umgebung und Besetzung mit Mitarbeitern, zur Reintegration nach<br />

Auszug aus der Wohngruppe, zum Auftreten von Verhaltensweisen und zu bestehenden sozialen<br />

Beziehungen, zur Tagesstruktur, Medikation usw.). Die Bögen wurden auf der Basis regelmäßiger<br />

Fallgespräche des Mitarbeiterteams TWG ausgefüllt. Es kann davon ausgegangen werden, dass die<br />

Befragten über eine ausreichende und repräsentative Anzahl an Beobachtungen aus dem Wohnalltag<br />

verfügten. Häufig wurden die Bögen auch für das Assessment und die interne Dokumentation<br />

verwandt.<br />

Die Frage der Zuverlässigkeit stellt sich vor allem für Daten, die auf der Einschätzung oder Einstufung<br />

von Sachverhalten beruhen.<br />

Erstens können Messfehler aus der Verwendung von Erhebungsinstrumenten resultieren, deren<br />

Reliabilität und Validität empirisch nicht geprüft wurde – trotz ihres verbreiteten Gebrauchs. Es mag<br />

sein, dass z.B. das Gefährdungspotential von HV – trotz gleicher sprachlichen Verankerung der Kategorien<br />

– in verschiedenen TWG aufgrund differenter Vergleichniveaus unterschiedlich eingestuft wird.<br />

Begrifflichkeiten oder Kategoriengrenzen können verschieden aufgefasst wurden. Zukünftige<br />

Forschungsvorhaben sollten vermehrt messtheoretisch abgesicherte Verfahren einsetzen, wie sie –<br />

leider häufig noch nicht übersetzt – aus dem angloamerikanischen Raum vorliegen. Neu konstruierte<br />

Instrumente müssen sich einem ausführlichen Pretest unterziehen. Beobachter­ bzw. Ratertrainings<br />

sollten durchgeführt werden. In Bezug auf die vorliegenden Daten ist zu vermuten, dass die regelmäßigen<br />

Treffen der verantwortlichen Mitarbeiter aller TWG und gegenseitige Besuche zu Angleichungen<br />

der Einschätzungsniveaus geführt haben. Weil vor allem die intraindividuellen Veränderungen ausgewertet<br />

wurden, spielen mögliche interindividuelle Niveauverzerrungen nur eine geringe Rolle.<br />

Zweitens ist zu fragen, inwieweit Interessen der Mitarbeiter TWG die Einschätzungen von bewohnerbezogenen<br />

Sachverhalten systematisch verzerrt haben. Die Mitarbeiter könnten die Erfolge positiver<br />

dargestellt haben, als sie faktisch sind, weil sie sich ihrem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet fühlen,<br />

weil sie ihre eigenen Anstrengungen entlohnt sehen wollen, weil sie vielleicht um ihren Arbeitsplatz<br />

fürchten, sollte der Modellversuch scheitern. Andererseits könnte es auch sein, dass Einschätzungen<br />

negativer ausfallen, um nicht erreichte Zielsetzungen zu rechtfertigen oder um die Schwere der<br />

eigenen Arbeit herauszustellen. Tatsächlich ist festzustellen, dass die globalen Einschätzungen der<br />

Veränderung der Lebenssituation bzw. der Verhaltensprobleme positiver ausfallen als objektivierbare<br />

oder konkrete, beobachtbare Indikatoren (z.B. Veränderungen der Häufigkeit und des Gefährdungspotentials<br />

von HV, der Tagesstruktur, kommunikativer Kompetenzen). Dabei ist natürlich auch zu<br />

berücksichtigen, dass sich im Laufe der Zusammenarbeit Mitarbeiter und Bewohner der TWG besser<br />

verstehen und die Mitarbeiter lernen, mit HV umzugehen.<br />

Zum Einsatz von Mitarbeitern der TWG als Erzeuger von Daten gibt es keine Alternative, da sie nicht<br />

nur über einen ökologisch repräsentativen und validen Einblick in den Wohnalltag verfügen (das<br />

könnten auch Videoaufzeichnungen leisten), sondern das Handeln der Bewohner zu deuten wissen.<br />

Für eine Triangulierung und Kreuzvalidierung wäre es sinnvoll, die Mitarbeiterperspektive durch<br />

Aussagen und Einschätzungen der Teilnehmer und ihrer Bezugspersonen in anderen Lebensbereichen<br />

zu ergänzen.<br />

16


4 Teilnehmer am Modellversuch<br />

4.1 Geschlecht der Teilnehmer<br />

62% der untersuchten Teilnehmer sind Männer, 38% sind Frauen. Die folgende Tabelle gibt die<br />

genaue Geschlechterverteilung in allen Einrichtungen wieder.<br />

Geschlecht der Teilnehmer<br />

Männer Frauen Gesamt<br />

Einrichtung 01 (A) 21 10 31<br />

Einrichtung 02 (E) 9 3 12<br />

Einrichtung 03 (B) 9 4 13<br />

Einrichtung 04 (H) 30 19 49<br />

Einrichtung 05 (F) 18 6 24<br />

Einrichtung 06 (G) 11 7 18<br />

Einrichtung 07 (D) 24 22 46<br />

Einrichtung 08 (C) 17 10 27<br />

Einrichtung 09 (K) 14 9 23<br />

Einrichtung 10 (L) 6 6 12<br />

Gesamt: 159 (62%) 96 (38%) 255 (100%)<br />

4.2 Alter der Teilnehmer<br />

Zum Zeitpunkt der letzten Datenerhebung (September 2005) variiert das Alter zwischen 21 und 71<br />

Jahren. Die Teilnehmer sind im Durchschnitt 39 Jahre alt (Mittelwert). Der Median liegt bei 40 Jahren.<br />

Die 36­ bis 45­Jährigen bilden die größte Altersgruppe (37%), gefolgt von den 26­ bis 35­Jährigen<br />

(24%) und den 46­ bis 55­Jährigen (22%). Alle Teilnehmer sind mindestens 18 Jahre alt. Nur<br />

12 Personen (5%) sind älter als 55 Jahre.<br />

Altersverteilung<br />

(255 Personen)<br />

Anteil der Personen<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

37,3%<br />

95<br />

24,3%<br />

22,0%<br />

62<br />

11,8%<br />

56<br />

30<br />

4,7%<br />

0,0%<br />

12<br />

< 18 18 ­ 25 26 ­ 35 36 ­ 45 46 ­ 55 > 55<br />

Alter in Jahren<br />

17


Alter [in Jahren]<br />

Median Mittelwert Standardabw.<br />

Einrichtung 01 (A) 40 39,3 7,0<br />

Einrichtung 02 (E) 37,5 38,0 4,1<br />

Einrichtung 03 (B) 44 43,8 8,7<br />

Einrichtung 04 (H) 35 34,9 9,2<br />

Einrichtung 05 (F) 45 43,5 6,7<br />

Einrichtung 06 (G) 45,5 45,5 6,4<br />

Einrichtung 07 (D) 41 39,3 11,4<br />

Einrichtung 08 (C) 35 38,0 11,8<br />

Einrichtung 09 (K) 36 35,5 11,5<br />

Einrichtung 10 (L) 46,5 44,9 11,6<br />

Gesamt: 40 39,2 10,1<br />

4.3 Alter bei Ersteinzug in eine stationäre Wohneinrichtung<br />

In der Befragung wurde erfasst, wann eine Person erstmalig in eine Wohneinrichtung aufgenommen<br />

wurde. Dies muss nicht zwangsläufig die Einrichtung sein, in der die Person zurzeit wohnt. 75% der<br />

Teilnehmer sind vor dem 21. Lebensjahr in eine stationäre Einrichtung gezogen; nur 7% waren älter<br />

als 30 Jahre. Die Teilnehmer sind überwiegend in ihrer Schulzeit vom Elternhaus in ein Heim<br />

umgezogen – in den meisten Fällen die jetzige Wohneinrichtung.<br />

Anteil der Personen<br />

30%<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

5%<br />

0%<br />

Alter bei Ersteinzug in eine Wohneinrichtung<br />

(255 Personen)<br />

17,6%<br />

45<br />

24,7%<br />

63<br />

16,9%<br />

16,1%<br />

43 41<br />

9,8%<br />

25<br />

4,7%<br />

12<br />

3,1% 3,1% 2,7%<br />

1,2%<br />

8 8 3 7<br />

40 k.A.<br />

Alter in Jahren<br />

18


Alter bei Ersteinzug in eine Wohneinrichtung [in Jahren]<br />

Median Mittelwert Standardabw.<br />

Einrichtung 01 (A) 6 8,8 6,2<br />

Einrichtung 02 (E) 9 8,2 4,8<br />

Einrichtung 03 (B) 7 10,5 8,7<br />

Einrichtung 04 (H) 12 12,5 7,8<br />

Einrichtung 05 (F) 15 14,5 10,7<br />

Einrichtung 06 (G) 19,5 20,0 9,3<br />

Einrichtung 07 (D) 16 17,3 10,2<br />

Einrichtung 08(C) 11 12,5 7,2<br />

Einrichtung 09 (K) 10,5 14,9 11,1<br />

Einrichtung 10 (L) 23 27,9 10,1<br />

Gesamt: 13 14,2 9,9<br />

Nur die Bewohner der TWG aus den Einrichtungen G und L sind überwiegend als junge <strong>Erwachsene</strong><br />

in ein Heim gezogen. Diese beiden Einrichtungen sind die einzigen im Modellversuch, die keine<br />

stationären Wohnplätze für Kinder und Jugendliche anbieten. Der hohe Anteil an Teilnehmern, die<br />

bereits als Kinder oder Jugendliche, in ein Heim eingezogen sind, hängt auch damit zusammen, dass<br />

8 von 10 Trägereinrichtungen über Wohnbereiche für Kinder und Jugendliche verfügen. Ob die frühen<br />

Umzüge in ein Heim mit herausfordernden Verhaltensweisen der Teilnehmer zu tun haben, lässt sich<br />

auf der Basis der vorliegenden Daten nicht beantworten.<br />

4.4 Wohndauer in stationären Einrichtungen<br />

Das älteste Aufnahmejahr ist auf 1941 datiert, dass jüngste im Jahre 2002. Aus der Eintrittsdekade<br />

lässt sich die bisherige Aufenthaltsdauer in einer Einrichtung ableiten. Sie ist als zweite Kategorienachse<br />

unter den Balkendiagrammen dargestellt.<br />

19


Anteil der Personen<br />

30%<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

Aufnahmejahr und Wohndauer in stationären<br />

Einrichtungen (255 Personen)<br />

17,6%<br />

45<br />

25,9%<br />

66<br />

23,5%<br />

60<br />

19,2%<br />

49<br />

6,3%<br />

5%<br />

3,9%<br />

16 2,7%<br />

0,8%<br />

2 10 7<br />

0%<br />

Eintrittsdekade < 1950 1950­1959 1960­1969 1970­1979 1980­1989 1990­1999 >= 2000 k.A.<br />

> 55 a 46­55 a 36­45 a 26­35 a 16­25 a 6­15 a


Die wenigen Plätze, die in der Laufzeit des Modellversuchs frei wurden, wurden dann häufiger mit<br />

Personen aus anderen Einrichtungen besetzt.<br />

Da die Träger TWG die Plätze mit Teilnehmern aus den eigenen Reihen besetzen konnten und damit<br />

bei ihnen selbst zunächst die Verantwortung für eine dauerhafte integrierte Wohnperspektive lag,<br />

bestand bisher kein Zwang zu einer regionalen Vernetzung mit anderen Wohndiensten. Es lässt sich<br />

empirisch auch nicht nachzeichnen, ob und zu welchen möglicherweise folgenschweren Brüchen es<br />

kommt, wenn eine Reintegration in einen räumlich entfernten Wohnort ansteht.<br />

4.6 Aufenthalte in psychiatrischen Krankenhäusern<br />

74% der Teilnehmer (189 Personen) sind vor der Aufnahme in die TWG einmal oder mehrmals in<br />

einem psychiatrischen Krankenhaus stationär behandelt worden. Davon wurden 47 Personen einmal,<br />

39 Personen zweimal, 25 Personen insgesamt dreimal stationär behandelt, usw. Die folgende<br />

Abbildung zeigt die Verteilung der Aufenthalte in einer psychiatrischen Klinik. Bei 27 Personen war die<br />

Datenlage unklar bzw. es lag eine unbekannte Anzahl psychiatrischer Aufenthalte vor.<br />

Aufenthalte in psychiatrischen Krankenhäusern<br />

(255 Personen)<br />

25%<br />

23,5%<br />

20%<br />

60<br />

18,4%<br />

Anteil der Personen<br />

15%<br />

10%<br />

5%<br />

0%<br />

47<br />

15,3%<br />

39 9,8%<br />

9,0%<br />

10,6%<br />

25 4,7%<br />

27<br />

5,1%<br />

23<br />

3,5%<br />

12 9<br />

13<br />

keine 1 2 3 4 5 6 >= 7 k.A.<br />

Anzahl der stationären Aufenthalte<br />

21


Die folgende Abbildung enthält den Anteil aller Personen mit Aufenthalten in psychiatrischen Krankenhäusern<br />

nach Einrichtung aufgeschlüsselt. Der obere Teil der Abbildung zeigt als Referenz die<br />

Gesamtzahl aller Personen pro Einrichtung an:<br />

alle Personen<br />

der Einrichtung<br />

Anteil mit psych. Aufenthalte<br />

Personen mit Aufenthalte in psych. Krankenhäusern<br />

180%<br />

49<br />

46<br />

160%<br />

31<br />

24<br />

27<br />

23<br />

18<br />

12 13<br />

12<br />

140%<br />

120%<br />

100%<br />

94% 91%<br />

80%<br />

75%<br />

80%<br />

71%<br />

74% 74% 75%<br />

60% 48%<br />

40%<br />

31%<br />

20%<br />

0%<br />

Einrichtung 01 (A)<br />

Einrichtung 02 (E)<br />

Einrichtung 03 (B)<br />

Einrichtung 04 (H)<br />

Einrichtung 05 (F)<br />

Einrichtung 06 (G)<br />

Einrichtung 07 (D)<br />

Einrichtung 08 (C)<br />

Einrichtung 09 (K)<br />

Einrichtung 10 (L)<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

­20<br />

­40<br />

­60<br />

­80<br />

­100<br />

­120<br />

­140<br />

Anzahl der Personen<br />

Aufenthalte in psychiatrischen Krankenhäusern<br />

Personen mit<br />

Aufenthalten<br />

alle Personen der<br />

Einrichtung<br />

Anteil der<br />

Personen mit<br />

Aufenthalten<br />

Einrichtung 01 (A) 15 31 48 %<br />

Einrichtung 02 (E) 9 12 75 %<br />

Einrichtung 03 (B) 4 13 31 %<br />

Einrichtung 04 (H) 39 49 80 %<br />

Einrichtung 05 (F) 17 24 71 %<br />

Einrichtung 06 (G) 17 18 94 %<br />

Einrichtung 07 (D) 42 46 91 %<br />

Einrichtung 08 (C) 20 27 74 %<br />

Einrichtung 09 (K) 17 23 74 %<br />

Einrichtung 10 (L) 9 12 75 %<br />

Gesamt: 189 255 74 %<br />

22


4.7 Schweregrad der <strong>geistig</strong>en Behinderung<br />

Alle Teilnehmer haben das 18. Lebensjahr vollendet und gelten als <strong>geistig</strong> behindert. 18% der<br />

Teilnehmer werden als „leicht“, 39% als „mittelgradig“, 31% als „schwer“ und 9% als „schwerst <strong>geistig</strong><br />

behindert“ bezeichnet.<br />

Schweregrad der <strong>geistig</strong>en Behinderung<br />

(255 Personen)<br />

Anteil der Personen<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

18,0%<br />

46<br />

39,2%<br />

100<br />

30,6%<br />

leicht mittelgradig schwer schwerst<br />

ausgeprägt<br />

78<br />

9,0%<br />

3,1%<br />

23 8<br />

k.A.<br />

Schweregrad der <strong>geistig</strong>en Behinderung<br />

[1=leicht, 2=mittelgradig, 3=schwer, 4=schwerst ausgeprägt]<br />

Schweregrade in %<br />

Anzahl der Personen in Klammern<br />

Median leicht [1] mittelgr. [2] schwer [3] und<br />

schwerst [4]<br />

Einrichtung 01 (A) 2 10% (3) 58% (18) 32% (10)<br />

Einrichtung 02 (E) 3 0% (0) 0% (0) 100% (12)<br />

Einrichtung 03 (B) 3 8% (1) 8% (1) 85% (11)<br />

Einrichtung 04 (H) 2 19% (9) 46% (22) 35% (17)<br />

Einrichtung 05 (F) 2 8% (2) 46% (11) 46% (11)<br />

Einrichtung 06 (G) 2 11% (2) 56% (10) 33% (6)<br />

Einrichtung 07 (D) 2 39% (17) 39% (17) 18% (8)<br />

Einrichtung 08 (C) 3 19% (5) 19% (5) 63% (17)<br />

Einrichtung 09 (K) 2 26% (6) 52% (12) 13% (3)<br />

Einrichtung 10 (L) 3 8% (1) 33% (4) 50% (6)<br />

Gesamt: 2 18% (46) 39% (100) 40% (101)<br />

Die Teilnehmer in der Einrichtung E sind im Schnitt deutlich schwerer, die in den Einrichtungen D<br />

und K leichter <strong>geistig</strong> behindert als die in den anderen TWG.<br />

23


4.8 Zusätzliche Behinderungen und psychische Störungen<br />

Zusätzlich zu kognitiven Beeinträchtigungen sind 21% der Teilnehmer körper­ und 16% sinnesbehindert.<br />

Bei 148 Teilnehmern (58%) wird neben der <strong>geistig</strong>en Behinderung mindestens eine weitere<br />

psychische Störung gemäß ICD­10 diagnostiziert.<br />

zusätzliche Behinderungen bzw. psych. Störungen<br />

(jeweils bezogen auf 255 Personen)<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%<br />

psychische Störung<br />

148<br />

58,0%<br />

Körperliche<br />

Behinderung<br />

54<br />

21,2%<br />

Sinnesbehinderung<br />

40<br />

15,7%<br />

Personen mit zusätzlichen schizophrenen Störungen bilden die größte Untergruppe (21% aller<br />

Teilnehmer); 10% wird eine autistische Störung, bei 8% eine Epilepsie attestiert. Inwieweit sich die<br />

Effekte für die Untergruppen von denen anderer unterscheiden, wird im Kap. 6.2.5 dargestellt.<br />

Um einen Einblick über Typ und Verteilung aller genannten psychischen Auffälligkeiten zu bekommen,<br />

werden die Nennungen der Mitarbeiter anhand des ICD 10 klassifiziert. Die Summe der genannten<br />

Störungen (191) ist größer als die Anzahl der Personen (148), weil bei einigen Personen mehr als<br />

eine zusätzliche psychische Auffälligkeit vorliegt bzw. genannt wurde.<br />

24


50<br />

45<br />

49<br />

psychische Störungen<br />

(191 Nennungen bei 148 Personen)<br />

Schizophrenie<br />

Anzahl der Nennungen<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

2<br />

6<br />

21<br />

3000<br />

4000<br />

4200<br />

4210<br />

4300<br />

4320<br />

4<br />

5<br />

12<br />

3<br />

2<br />

6<br />

1<br />

3 3<br />

1 1 1<br />

Autismus<br />

16<br />

8<br />

2<br />

11<br />

2<br />

12<br />

20<br />

0<br />

1000<br />

2000<br />

2500<br />

6000<br />

6010<br />

6020<br />

6030<br />

6031<br />

6060<br />

6540<br />

8400<br />

8410<br />

8450<br />

9100<br />

9500<br />

9970<br />

9980<br />

Die Bedeutung des vierstelligen Codes der psychischen Störungen wird in der nachfolgenden Tabelle<br />

erklärt. Die ersten zwei Ziffern des Codes sind angelehnt an die Nummerierung des ICD 10, Kapitel V<br />

(Psychische und Verhaltensstörungen, F00­F99) entsprechen dieser jedoch nicht vollständig und<br />

stellen daher „nur“ eine projektinterne Codierung dar. Eine vollständige Beschreibung der Bedeutung<br />

aller Codenummern befindet sich im Anhang.<br />

Die folgende Tabelle enthält zudem den prozentualen Anteil der jeweiligen Störung bezogen auf die<br />

Gesamtzahl der Nennungen und den Prozentanteil der Teilnehmer, die von dieser Störung betroffen<br />

sind (bezogen auf die Gesamtteilnehmerzahl von 255 Personen).<br />

Anzahl der<br />

Nennungen<br />

Anteil<br />

%<br />

psychische bzw. neurologische<br />

Störung<br />

Code<br />

2 1,0% Störung durch psychotrope Substanzen 1000 0,8%<br />

49 25,7% Schizophrenie 2000 19,2%<br />

6 3,1% schizoaffektive Störung 2500 2,4%<br />

21 11,0% affektive Störung 3000 8,2%<br />

4 2,1% Angststörung 4000 1,6%<br />

5 2,6% Zwangsstörung 4200 2,0%<br />

12 6,3% Zwangshandlungen/­rituale 4210 4,7%<br />

3 1,6% Posttraumatische Belastungsstörung 4300 1,2%<br />

2 1,0% Anpassungstörung 4320 0,8%<br />

6 3,1% Persönlichkeitsstörungen 6000 2,4%<br />

1 0,5% schizoide Persönlichkeitsstörung 6010 0,4%<br />

3 1,6% dissoziale Persönlichkeitsstörung 6020 1,2%<br />

3 1,6% impulsiv­emotional instabile Pers.störung 6030 1,2%<br />

1 0,5% impulsiv, Borderline­Typ 6031 0,4%<br />

1 0,5% ängstlich­vermeidende Pers.störung 6060 0,4%<br />

Teilnehmer mit dieser<br />

Auffälligkeit [%]<br />

1 0,5% Pädophilie 6540 0,4%<br />

25


Anzahl der<br />

Nennungen<br />

Anteil<br />

%<br />

psychische bzw. neurologische<br />

Störung<br />

Code<br />

16 8,4% Autismus, frühkindlicher 8400 6,3%<br />

8 4,2% atypischer Autismus 8410 3,1%<br />

2 1,0% Autismus, Asperger­Typ 8450 0,8%<br />

11 5,8% Störung des Sozialverhaltens 9100 4,3%<br />

2 1,0% Ticstörung 9500 0,8%<br />

12 6,3% hirnorgan. Psychosyndrom bzw. Verhaltensoder<br />

Pers.störung organisch bedingt, nicht<br />

näher bezeichnet<br />

Teilnehmer mit dieser<br />

Auffälligkeit [%]<br />

9970 4,7%<br />

20 10,5% Epilepsie 9980 7,8%<br />

191 100,0%<br />

In allen TWG wurde darauf Wert gelegt, autistische, schizophrene, epileptische oder depressive<br />

Störungen zu erkennen. Der überwiegende Teil der Teilnehmer wurde psychiatrisch begleitet.<br />

Ob die herausfordernden Verhaltensweisen an sich als psychische Störung im Sinne eines gestörten<br />

Sozialverhaltens oder einer Persönlichkeitsstörung klassifiziert werden oder ob oft bewusst auf solche<br />

psychiatrischen Etikettierungen verzichtet wird, hängt von der Fachtradition der Einrichtung ab. Das<br />

Vorhandensein einer eigenen psychiatrischen Fachklinik bzw. eines eigenen Psychiaters oder die<br />

Existenz ausgebauter heilpädagogischer Dienste – wobei sich beides nicht ausschließt – sind<br />

Indikatoren für solche Traditionen.<br />

Personen mit psychischen Störungen<br />

Personen mit<br />

psych. Störungen<br />

alle Personen der<br />

Einrichtung<br />

Anteil der<br />

Personen mit<br />

psych. Störungen<br />

Einrichtung 01 (A) 10 31 32 %<br />

Einrichtung 02 (E) 5 12 42 %<br />

Einrichtung 03 (B) 3 13 23 %<br />

Einrichtung 04 (H) 23 49 47 %<br />

Einrichtung 05 (F) 21 24 88 %<br />

Einrichtung 06 (G) 9 18 50 %<br />

Einrichtung 07 (D) 42 46 91 %<br />

Einrichtung 08 (C) 16 27 59 %<br />

Einrichtung 09 (K) 12 23 52 %<br />

Einrichtung 10 (L) 7 12 58 %<br />

Gesamt: 148 255 58 %<br />

4.9 Hilfebedarf und Pflegestufen<br />

Knapp die Hälfte der Teilnehmer (49%) ist in der vierten von 5 Hilfebedarfsgruppen (HBG) des<br />

HMB­W eingruppiert (hoher Hilfebedarf). 28% gehören der HBG 5 und 18% der HBG 3 an. Zwischen<br />

den Einrichtungen zeigen sich erhebliche Unterschiede bei der Verteilung der Teilnehmer auf<br />

Hilfebedarfsgruppen.<br />

26


Anteil der Personen<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Hilfebedarfsgruppen nach HMB­W<br />

(255 Personen)<br />

0,0% 0,4%<br />

1<br />

18,0%<br />

46<br />

48,6%<br />

124<br />

28,2%<br />

72<br />

4,7%<br />

1 2 3 4 5 k.A.<br />

Hilfebedarfsgruppe nach HMB­W<br />

12<br />

Hilfebedarfsgruppen­Kennwerte<br />

Hilfebedarfgruppen­Anteil in %<br />

Anzahl in Klammern<br />

Median HMB 3 HMB 4 HMB 5<br />

Einrichtung 01 (A) 5 6% (2) 42% (13) 52% (16)<br />

Einrichtung 02 (E) 5 0% (0) 42% (5) 58% (7)<br />

Einrichtung 03 (B) 4 8% (1) 69% (9) 23% (3)<br />

Einrichtung 04 (H) 4 35% (17) 53% (26) 10% (5)<br />

Einrichtung 05 (F) 4 21% (5) 42% (10) 38% (9)<br />

Einrichtung 06 (G) 5 17% (3) 17% (3) 67% (12)<br />

Einrichtung 07 (D) 4 18% (8) 53% (24) 22% (10)<br />

Einrichtung 08 (C) 4 4% (1) 44% (12) 30% (8)<br />

Einrichtung 09 (K) 4 26% (6) 61% (14) 9% (2)<br />

Einrichtung 10 (L) 4 25% (3) 67% (8) 0% (0)<br />

Gesamt: 4 18% (46) 49% (124) 28% (72)<br />

27


Im Kontrast dazu sind nur 29% der Teilnehmer in die Pflegeversicherungsstufen 1 bis 3 eingeordnet<br />

(18% in Pflegestufe 1). Allerdings liegen für 18% der Teilnehmer keine diesbezüglichen Angaben vor.<br />

60%<br />

Pflegestufe gemäß Pflegeversicherung<br />

(255 Personen)<br />

53,3%<br />

Anteil der Personen<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

136<br />

ohne<br />

Einstufung<br />

18,4%<br />

18,0%<br />

47<br />

7,5%<br />

46<br />

2,7%<br />

19 7<br />

1 2 3 k.A.<br />

Pflegestufe<br />

4.10 Herausfordernde Verhaltensweisen<br />

Die nächste Tabelle gibt an, wie verbreitet herausfordernde Verhaltensweisen (HV) unter den<br />

Teilnehmern sind. Aufgeführt sind die 10 häufigsten HV, die in den ersten 6 bis 12 Wochen nach<br />

Einzug in die TWG beobachtet wurden (Zeitpunkt 2).<br />

Am häufigsten beobachten die begleitenden Mitarbeiter eine fehlende Ausdauer und geringe<br />

Belastbarkeit bei den Bewohnern. Weit verbreitet sind aggressiv­emotionale Handlungen. Eine dritte<br />

Gruppe bilden rituell­zwanghaftes Verhalten und eine ständige motorische Unruhe. Sehr viele<br />

Bewohner zeigen unangemessenes Annäherungs­ oder Vermeidungsverhalten.<br />

28


Rangreihe der herausfordernden Verhaltensweisen zum Zeitpunkt 2<br />

(n=242 Personen)<br />

Anzahl der<br />

Nennungen<br />

Anteil<br />

%<br />

herausforderndes Verhalten<br />

164 68% 5.1 Geringe Konzentrationsfähigkeit, fehlende Ausdauer<br />

149 62% 5.2 Leichte Ermüdbarkeit, geringe Belastbarkeit<br />

146 60% 3.7 Schlagen, Treten, Kneifen<br />

136 56% 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche<br />

133 55% 2.17 Gefühlsausbrüche<br />

127 52% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen<br />

125 52% 4.3 Zerstören von eigenem oder fremdem Eigentum<br />

121 50% 2.6 Ständige motorische Unruhe, Körperbewegungen im<br />

Einschlafstadium/Schaukeln<br />

119 49% 5.4 Arbeitsverweigerung, ­flucht<br />

119 49% 2.12 Distanzloses Verhalten, anfassen anderer<br />

Welche HV der Teilnehmer von den Mitarbeitern als besonders schwerwiegend bewertet werden, ist<br />

der folgenden Tabelle zu entnehmen. Aufgeführt sind wiederum die 10 weit verbreiteten SHV zum<br />

Zeitpunkt 2 (entspricht 6­12 Wochen nach Einzug in die TWG). Neben körperlich­aggressivem oder<br />

selbstverletzendem Verhalten zeigen viele Teilnehmer andauernde und / oder zwanghafte<br />

Verhaltensweisen, die auf Andere im direkten Zusammenleben extrem beeinträchtigend wirken.<br />

Rangreihe schwerwiegend bewerteter HV zum Zeitpunkt 2<br />

(n=243 Personen)<br />

Anzahl der<br />

Nennungen<br />

Anteil<br />

%<br />

schwerwiegendes herausforderndes Verhalten<br />

88 36% 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche<br />

84 35% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen<br />

73 30% 3.7 Schlagen, Treten, Kneifen<br />

65 27% 2.6 Ständige motorische Unruhe, Körperbewegungen im<br />

Einschlafstadium/Schaukeln<br />

64 26% 2.16 Andauerndes Fragen und Klagen<br />

59 24% 4.3 Zerstören von eigenem oder fremdem Eigentum<br />

56 23% 2.7 Anhaltendes Schreien, Brummen, Lautieren<br />

55 23% 1.16 Beißen, Kratzen (sich selbst)<br />

54 22% 5.1 Geringe Konzentrationsfähigkeit, fehlende Ausdauer<br />

51 21% 2.12 Distanzloses Verhalten, anfassen anderer<br />

2.15 Aufsässiges Verhalten, „Führungsresistenz“<br />

2.17 Gefühlsausbrüche<br />

Die folgende Abbildung stellt die sozialen Konstellationen dar, in denen herausforderndes Verhalten<br />

zum Zeitpunkt 2 auftrat.<br />

29


soziale Konstellation des SHV ­ Zeitpunkt 2<br />

(1866 Nennungen bei 243 Personen)<br />

60%<br />

983<br />

52,7%<br />

50%<br />

Anteil der Nennungen<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

99<br />

5,3%<br />

422<br />

22,6%<br />

17<br />

0,9%<br />

69 56 57 42 36<br />

3,7% 3,0% 3,1% 2,3% 1,9%<br />

85<br />

4,6%<br />

überw. mit Mitbewohnern<br />

überwiegend mit Betreuern<br />

überw. mit fremden Menschen<br />

nur bei Alleinsein<br />

unabhängig von sozialer Situation<br />

es liegen k.A. vor<br />

Mitbewohner und Betreuer<br />

Mitbew., Betreuer und Fremde<br />

andere Kombinationen<br />

fehlende Daten<br />

4.11 Kompetenzen der Teilnehmer<br />

Bei den am Modellversuch teilnehmenden Personen wurden vier Kompetenzen abgefragt: Sprachverständnis,<br />

Sprechfähigkeit, Frustrationstoleranz und Lenkbarkeit. Die Kompetenzen wurden auf<br />

einer vierstufigen Skala gemessen (1=gut, 2=eingeschränkt, 3=gering, 4=fehlend). Die Tabelle stellt<br />

die Verteilungen dieser Kompetenzen für den Zeitpunkt 1 dar:<br />

Kompetenzen der Teilnehmer zum Zeitpunkt 1<br />

gut eingeschränkt gering fehlend.<br />

Sprachverständnis 27% 34% 33% 6%<br />

Sprechfähigkeit 20% 28% 28% 23%<br />

Frustrationstoleranz 1% 16% 72% 8%<br />

Lenkbarkeit 2% 29% 63% 4%<br />

23% der Teilnehmer können sich gar nicht, 56% nur in geringem Umfang sprachlich verständlich<br />

machen. Allerdings verstehen lediglich 6% der Teilnehmer überhaupt keine sprachlichen Mitteilungen.<br />

Jeder dritte Teilnehmer versteht nur in geringem Maße verbale Äußerungen. Der abgebende<br />

Wohndienst konstatiert 72% der Teilnehmer eine geringe Frustrationstoleranz. Die Teilnehmer werden<br />

nur in geringem Maße (63%) oder zumindest nur eingeschränkt (29%) für lenkbar gehalten.<br />

30


5 Verwirklichung des Auftrags: Hilfeplanung und Maßnahmen<br />

5.1 Vorgehen und Überblick<br />

Aus Sicht der Träger TWG war der befristete rehabilitative Auftrag hilfreich für die fachlich­inhaltliche<br />

Grundlegung und betriebliche Organisation der Arbeit und die Kooperation der Mitarbeiter<br />

verschiedener Professionen. Wie die Träger den rehabilitativen Auftrag mit den gegebenen Ressourcen<br />

umsetzen, blieb ihnen weitgehend selbst überlassen. Die Verschiedenartigkeit der realisierten<br />

„Programme“ ist gewollt, um nicht zu früh durch eine Standardisierung innovative Lösungswege zu<br />

blockieren. Gleichwohl ist die Schnittmenge von Maßnahmen groß, die in vielen Programmen<br />

anzutreffen sind. Und es kristallisieren sich Elemente guter und erfolgreicher Praxis heraus.<br />

In einer Art idealtypischen Zusammenschau sind in der Tab. 5/1 Arbeitschritte und Maßnahmen in<br />

TWG wiedergegeben. Arbeitsschritte und Maßnahmen lassen sich 8 Kategorien zuordnen. Sie<br />

betreffen die Hilfeplanung, das räumliche und soziale Milieu therapeutischer <strong>Wohngruppen</strong>, die<br />

Gestaltung sozialer Beziehungen und der individuellen Tagesabläufe. Allgemeine pädagogische<br />

Interventionen fördern die Kommunikation und zielen auf mehr Selbstbestimmung. Spezielle<br />

Interventionen haben das individuelle, als problematisch erlebte Verhalten zum Gegenstand.<br />

Schließlich muss der Einzug in integrativere Wohnformen vorbereitet und begleitet werden. Unter<br />

„Intervention“ wird hier ein vermittelndes Handeln verstanden (vgl. hierzu Theunissen 2005).<br />

Idealtypisch ist diese Zusammenstellung, weil nicht alle aufgeführten Elemente in jeder Arbeitskonzeption<br />

zu finden sind. Wie Maßnahmebereiche gewichtet und konkretisiert werden, ist von Träger<br />

zu Träger und selbstverständlich auch von Individuum zu Individuum unterschiedlich. In diesem<br />

Kapitel geht es nicht darum, die Arbeitskonzeptionen der einzelnen TWG darzustellen. Die Träger<br />

hatten dazu auf einer Fachtagung Gelegenheit, die vom Medizinisch­pädagogischen. Fachdienst der<br />

Landeswohlfahrtverbände Württemberg­Hohenzollern und Baden (2004) dokumentiert wurde. Die<br />

Konzeptionen sind unterschiedlich elaboriert und inhaltlich ausgerichtet. Drei ausgewählte Beispiele<br />

werden im Sammelband von Dieckmann & Haas (2006, im Druck) vorgestellt.<br />

Die Kategorienbildung in der Tab. 5/1 beruht auf einer Auswertung der Angaben zu geplanten<br />

Maßnahmen in den Dokumentationsbögen „Lebenssituation und HV“ und einer Auswertung<br />

konzeptionsbezogener Fragen der Abschlussbefragung unter den Trägern. Mit Hilfe der qualitativen<br />

Inhaltsanalyse nach Mayring (2003) wurde für beide Quelltexte jeweils ein Kategoriensystem<br />

entwickelt. Die zwei Kategoriensysteme wurden dann in ein einziges überführt.<br />

Für die Auswertung wurden die Dokumentationsbögen „Lebenssituation und HV“ von 90 Projektteilnehmern<br />

herangezogen. Per Zufall wurden von jeder der beteiligten TWG 10 Personen ausgewählt.<br />

Unter der Rubrik „geplante Maßnahmen“ werden im Bogen zum Zeitpunkt 2 und 3 gleich<br />

lautende Fragen gestellt. Die Antworten auf diese Fragen wurden transkribiert.<br />

31


Individuumbezogene Maßnahmen für die Veränderung auffälliger Verhaltensweisen und zur<br />

Förderung der Reintegration in nicht­aussondernde Wohnformen<br />

1. Hilfeplanung<br />

multiprofessionelles Assessment und Hilfeplanung mit Teilnehmern und deren Bezugspersonen als<br />

fortlaufender Prozess<br />

multidisziplinäre Diagnostik (psychiatrisch­medizinisch, psychologisch, pädagogisch)<br />

Verantwortlicher für Prozesssteuerung („Case Manager“)<br />

strukturierte Dokumentation und Austauschprozesse zwischen Mitarbeitern<br />

2. räumliche Bedingungen in der TWG<br />

3. soziale Bedingungen<br />

Größe und Zusammensetzung der Bewohnerschaft<br />

Personal: Besetzung, Qualifikation, Entwicklung<br />

4. Allgemeine pädagogische Maßnahmen [Interventionen]<br />

Förderung der Kommunikation und Selbstbestimmung<br />

5. Gestaltung sozialer Beziehungen<br />

innerhalb und außerhalb der TWG,<br />

zu Angehörigen<br />

6. Strukturierung, Individualisierung und Bereicherung des Alltags<br />

Strukturierung des Alltags<br />

Individuelle Begleitung/Einzelangebote<br />

Selbstbestimmung und Anforderungen bei Aktivitäten<br />

Arbeit und Beschäftigung: WfbM und FuB<br />

(Teilnahme, Individualisierung und Flexibilisierung der Teilnahme)<br />

Freizeitangebote außerhalb der TWG<br />

7. Spezielle Maßnahmen [Interventionen] bezogen auf Problemverhalten<br />

intensive Kommunikation und Beratung<br />

Veränderung des sozial­interaktiven Handelns der Teilnehmer<br />

Aufbau schützender oder ausgleichender Verhaltensweisen<br />

Regulierung des Anforderungsniveaus von Situationen & Aufgaben<br />

Umgang mit auffälligen Verhaltensweisen<br />

ärztliche Diagnostik, Begleitung und Medikation<br />

Psychotherapie<br />

8. Integration in andere Wohnformen<br />

Vorbereitung: Klären der Bedingungen für ein Wohn­ und Hilfearrangement, Suche und<br />

Entscheidungsprozess der direkt Betroffenen, Probewohnen, vorbereitende Unterstützung der<br />

Personen im neuen Wohnsetting<br />

Einzug und Einleben: personelle Begleitung, strukturierte Kommunikation zwischen allen Beteiligten<br />

Tab. 5/1:<br />

Idealtypische Zusammenschau von Arbeitschritten und Maßnahmen in TWG<br />

32


5.2 Verankerung in regionale Hilfesysteme<br />

Zu einer Verankerung der TWG in regionale Hilfesysteme ist es in der Laufzeit des Modellversuchs<br />

nicht gekommen. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die erste Generation der Bewohner<br />

TWG sich überwiegend aus den Wohneinrichtungen der Träger selbst rekrutiert hat. Zum anderen<br />

existieren nur in wenigen Stadt­ und Landkreisen Baden­Württembergs regionale Verbundsysteme in<br />

der Geistig<strong>behinderte</strong>nhilfe, die einen verbindlichen Charakter für die Begleitung im Einzelfall haben.<br />

Die Träger TWG im Modellversuch sind große traditionelle Komplexeinrichtungen, die selten Bestandteil<br />

gemeindenaher Verbünde sind. Eine enge Zusammenarbeit hat sich vielerorts mit psychiatrischen<br />

Krankenhäusern entwickelt. Ein Träger einer TWG hat begonnen, kleinere Einrichtungen in der<br />

Behinderten­ und Jugendhilfe im Umgang mit HV zu beraten.<br />

In den meisten Einrichtungen löste die Eröffnung TWG einen Anfrageboom aus. Aufnahmeanfragen<br />

kamen von Leistungserbringern in der Behindertenhilfe (auch von Diensten für psychisch Kranke) und<br />

der Jugendhilfe, aus psychiatrischen Krankenhäusern und von Angehörigen. Oft bestand bei<br />

anfragenden Wohndiensten die Erwartung, die TWG sei in der Lage, sämtliche Probleme mit ihrem<br />

„schwierigen“ Klientel zu lösen, und würde sich um alles Weitere kümmern. In einem Fall hat eine<br />

Wohneinrichtung mit dem Einzug ihres Klienten in die TWG den mit ihm bestehenden Heimvertrag<br />

gekündigt, sich zurückgezogen und die Verantwortung damit an die TWG „abgeschoben“.<br />

5.3 Hilfeplanung<br />

Eine steuernde Funktion hat die Hilfeplanung, die sich idealiter personenzentriert an den Bedürfnissen<br />

und Ressourcen der Menschen mit SHV und ihrer Bezugspersonen und an den Gegebenheiten ihrer<br />

Lebenswelten orientiert.<br />

Ecksteine erfolgreicher Arbeit sind: Die personale Verantwortung eines Teammitglieds für die<br />

Fallsteuerung (im Sinne eines „Case Manager“), eine klare Organisation der Arbeitsaufgaben und der<br />

Austauschprozesse zwischen Mitarbeitern und der Dokumentation. Das Mitarbeiterteam setzt sich in<br />

der Regel aus dem Wohndienst, den Assistenten und Begleitern der Bewohner und einem fachtherapeutischen<br />

Dienst zusammen. Im fachtherapeutischen Dienst arbeiten (heil­)pädagogische,<br />

psychologische, psychiatrische und mitunter auch ergotherapeutische Kräfte. Zu ihren Aufgaben<br />

gehören die Beratung, Anleitung und Supervision der direkten Begleiter, die Arbeit mit Teilnehmern in<br />

Einzel­ und Gruppensettings und spezifische Aufträge im Assessment und in der Hilfeplanung (z.B.<br />

Fachdiagnostik, Verlaufskontrolle, Vorbereitung und Begleitung in der Reintegrationsphase). Die<br />

Leitung TWG obliegt im Allgemeinen einer fachlich versierten pädagogischen oder psychologischen<br />

Kraft.<br />

Zu den institutionalisierten Kommunikationsstrukturen zählen die zentralen Hilfeplan­ und Therapiekonferenzen,<br />

teilnehmerbezogene Treffen der Assistenten aus allen Lebensbereichen und (z.T.<br />

fachlich supervidierte) Teamsitzungen der Mitarbeiter im Wohnen oder in Arbeits­ und Beschäftigungssettings.<br />

Die regelmäßige Alltagskommunikation zwischen allen Beteiligten (inkl. Menschen mit SHV<br />

und deren Angehörigen, s.u.) ist für Veränderungsprozesse von großer Bedeutung. In Beispielen<br />

guter Praxis werden das Assessment, die Ergebnisse der Hilfeplanung (inkl. Kriseninterventionsplan),<br />

Verlaufsdaten und Zwischenevaluationen dokumentiert. Übersichtliche Tagesprotokolle sorgen für<br />

einen Informationsfluss unter den Beteiligten.<br />

Assessment und Hilfeplanung sind fortlaufende Prozesse, an denen Menschen mit SHV und ihre<br />

Angehörigen systematisch beteiligt werden. Wie das genau passiert, wird aus den TWG­Konzeptionen<br />

nicht ersichtlich. In manchen TWG ist es üblich, Assistenzvereinbarungen abzuschließen, in denen die<br />

gemeinsam beschlossene Therapie­ und Hilfeplanung festgehalten wird. Von der Anwendung<br />

weitergehender partizipativer Verfahren der persönlichen Zukunftsplanung (vgl. Boban & Hinz 2001,<br />

Kincaid 1996) wird nicht berichtet.<br />

Im Modellversuch ist die Assessmentphase mit einer interdisziplinären Diagnostik verbunden, die<br />

pädagogische, psychologische, psychiatrisch­neurologische und allgemeinmedizinischen. Verstehenszugänge<br />

zusammenbringt. Psychiater werden als „Teammitglieder“ in die Hilfeplanung und Begleitung<br />

häufiger, länger und intensiver einbezogen, als dass vorher in den Wohndiensten üblich war. In den<br />

meisten TWG wird das Verhalten und Erleben der Teilnehmer systemorientiert und im biographischen<br />

Zusammenhang analysiert. In der Interventionspraxis verfolgen die Programme einen eklektischen<br />

33


Ansatz. Idealerweise sollten geleitet von Hypothesen über die Aufrechterhaltung der HV<br />

Interventionen probiert und evaluiert werden (vgl. Hennicke 1999).<br />

5.4 Sozial­räumliche Bedingungen<br />

Günstige ökologische Bedingungen, z.B. eine geringe soziale Dichte (geringe Anzahl von Personen,<br />

mit denen man seine Wohnung teilt) oder räumliche Verhältnisse, welche die Regulation von<br />

Privatheit und persönlichem Raum erleichtern (z.B. durch Einzelzimmer) reduzieren HV und<br />

erleichtern den Umgang mit ihnen (vgl. zu den ökologischen Konzepten auch Dieckmann et al. 1998).<br />

Angaben zu sozial­räumlichen Bedingungen in den Wohnungen und zur personellen Besetzung der<br />

Wohndienste stammen aus den Dokumentationsbögen und der abschließenden Trägerbefragung.<br />

5.4.1 Anzahl der Mitbewohner<br />

Zum ersten Erhebungszeitraum lebten die meisten Personen in <strong>Wohngruppen</strong> mit 8 bis 10 Personen.<br />

Mit Eintritt in die TWG (Zeitpunkt 2) sank die Zahl der Mitbewohner für den größten Teil der Bewohner<br />

(s. Abb. 5/2). Die gestrichelte Linie soll es leichter machen, die Verteilung der Wohnplätze von der<br />

Verteilung der Anzahl der <strong>Wohngruppen</strong> zu unterscheiden.<br />

Anzahl der <strong>Wohngruppen</strong> einer Größe<br />

14<br />

66<br />

Produkt aus <strong>Wohngruppen</strong>größe und<br />

Anzahl (Wohnplätze insgesamt)<br />

12<br />

Anzahl der <strong>Wohngruppen</strong><br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

1<br />

4<br />

8<br />

40<br />

11<br />

7<br />

49<br />

6<br />

48<br />

1<br />

10<br />

Vierergruppen<br />

Fünfergruppen<br />

Sechsergruppen<br />

7er­Gruppen<br />

8er­Gruppen<br />

10er­Gruppen<br />

Abb. 5/2:<br />

Anzahl der <strong>Wohngruppen</strong> und Wohnplätze differenziert nach <strong>Wohngruppen</strong>größe<br />

Einige Träger haben versucht, TWG zu schaffen, in denen der Schweregrad der <strong>geistig</strong>en<br />

Behinderung homogen ist. Interessen und erwartete Harmonien oder Konflikte spielen zu dem eine<br />

Rolle bei der Zusammensetzung der TWG. So sei darauf zu achten, dass Mitbewohner schwierige<br />

Situationen eines anderen Teilnehmers aushalten und sich z.B. gegen Angriffe wehren können. Oder<br />

es wird Wert gelegt auf eine ruhige Atmosphäre und einen geringen Geräuschpegel in der Wohnung.<br />

Die Beispiele zeigen, dass es durchaus problematisch ist, mehrere Personen mit SHV zusammen<br />

wohnen zu lassen. Mitbewohner fungieren als Verhaltesmodelle. In der Wohnung beobachten die<br />

Teilnehmer häufig negatives und zu selten positives Verhalten bei ihren Mitbewohnern. <strong>Wohngruppen</strong><br />

lassen sich nicht so zusammensetzen, dass „stressreiche“ Situationen die Ausnahme bleiben.<br />

34


5.4.2 Einzelzimmer<br />

Zu Beginn des Modellversuches verfügten – trotz ihres für andere schwierigen Verhaltens – nur 76%<br />

der Personen über ein Einzelzimmer. Zum Zeitpunkt 2 erhöhte sich der Anteil an Einzelzimmern auf<br />

90%. Nur 4% leben in Doppel­ oder Mehrbettzimmern. Für 6% der Teilnehmer liegen keine Angaben<br />

vor (s. Abb. 5/3).<br />

Anteil der Personen<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Anteil der Bewohner, die Privatzimmer teilen<br />

Zeitpunkt 1 und 2<br />

90%<br />

76%<br />

11%<br />

Zeitpunkt 1: 253 Personen<br />

Zeitpunkt 2: 249 Personen<br />

5%<br />

8% 6%<br />

2% 2%<br />

Einbettzimmer Zweibettzimmer Dreibettzimmer k.A.<br />

Abb. 5/3:<br />

Verteilung der Zimmerbelegung, Bewohner mit Privatzimmer<br />

5.4.3 Weitere Aspekte der physischen Gestaltung<br />

Hingewiesen wird darauf, dass die Raumgestaltung Nischen in gruppenöffentlichen Räumen bieten<br />

muss, dass es mittlerweile Schließsysteme gibt, die (auf Druck oder mit Schlüssel) jedem Zugang zu<br />

den Räumen ermöglichen, zu denen er oder sie ihn haben soll, und die selektiv Zugang verwehren<br />

können. Durch elektronische Rufsysteme sind Assistenten in Krisen schnell und zuverlässig<br />

erreichbar.<br />

5.5 Personal<br />

5.5.1 Qualifikation und Entwicklung des Personals<br />

Die Fachkraftquote in den TWG liegt im Mittel bei etwa 80%. Neben der Freiwilligkeit bei der Wahl der<br />

Arbeitsplätze TWG spielt die Zielorientierung der Arbeit im Team für die Aufrechterhaltung einer<br />

positiven Mitarbeitermotivation unter emotional äußerst fordernden Bedingungen eine wichtige Rolle.<br />

Im Rahmen des dreijährigen Modellversuchs war die Mitarbeiterfluktuation sehr gering. Das Bezugsmitarbeiterprinzip<br />

setzt eine solche personelle Konstanz voraus.<br />

Mitarbeiter in Wohndiensten müssen im Aufbau sozialer Kompetenzen und im Umgang mit Menschen<br />

mit HV Verhaltensweisen geschult werden. Darüber hinaus sind psychiatrische Basisqualifikationen<br />

unabdingbar. Viele Träger haben spezielle Schulungen und Weiterbildungskurse entwickelt, die die<br />

Wohndienstmitarbeiter belegen oder nachweisen müssen. Zur Personalentwicklung gehört der<br />

Besuch von Fortbildungen und die enge Beratung und Anleitung durch den Fachdienst. In den<br />

meisten TWG werden die Wohndienstmitarbeiter regelmäßig supervidiert, zum Teil von trägerexternen<br />

Supervisoren.<br />

35


Die Zusammenstellung eines multidisziplinären und multiprofessionellen Fachdienstes für die gezielte<br />

Arbeit in TWG hat sich aus Sicht der Träger bewährt.<br />

5.5.2 Besetzung mit Personal<br />

Vergleicht man den vereinbarten Gesamtpersonalschlüssel mit den Angaben der Träger in der<br />

Befragung, dann fällt auf das 2 Einrichtungen diesen Gesamtpersonalschlüssel zumindest auf dem<br />

Papier gar nicht ausschöpften. Die Diskrepanz deutet darauf hin, dass diese beiden Träger keine<br />

vollständig getrennte Personalkalkulation für die TWG vorgenommen haben. Das betrifft insbesondere<br />

die Arbeit von Fachdiensten und Nachtwachen.<br />

errechneter Gesamtpersonalschlüssel (Trägerangaben)<br />

Teilnehmer<br />

Mitarbeiterstellen<br />

Gesamtpersonalschlüssel<br />

Einrichtung 01 (A) 36 24 1,50<br />

Einrichtung 02 (E) 12 19,25 0,62<br />

Einrichtung 03 (B) 13 21,3 0,61<br />

Einrichtung 04 (H) 48 67,5 0,71<br />

Einrichtung 05 (F) 24 29,4 0,82<br />

Einrichtung 06 (G) k. A. k. A. k. A.<br />

Einrichtung 07 (D) 32 34 + NW<br />

(angen. 6)<br />

0,80<br />

Einrichtung 08 (C) 26 35 0,74<br />

Einrichtung 09 (K) 21 29,5 0,71<br />

Einrichtung 10 (L) 10 8,9 1,12<br />

Tab. 5/4:<br />

aus Trägerangaben errechneter Gesamtpersonalschlüssel<br />

Einige Träger betonen die positiven Auswirkungen der möglich gewordenen durchgängigen<br />

„Doppelbesetzung“ einer TWG mit Wohndienstmitarbeiter. Am Nachmittag kommen auf einen<br />

Mitarbeiter im Wohndienst rechnerisch 3 bis 4 Teilnehmer (Mittelwert: 3,7). Morgens, bevor die Teilnehmer<br />

ihre Arbeit und Beschäftigungen aufnehmen, beträgt das Zahlenverhältnis zwischen Mitarbeitern<br />

und Bewohnern 1 zu 4. An den Wochenenden sieht es ähnlich aus. Dadurch dass in der<br />

Regel ein Mitarbeiterteam für zwei „kooperierende“ <strong>Wohngruppen</strong> zuständig ist, sind auch in kleineren<br />

<strong>Wohngruppen</strong> zeitgleich mehrere Mitarbeiter verfügbar.<br />

5.6 Allgemeine Interventionen bezogen auf die Lebensführung im Alltag<br />

Maßnahmen zielen auf die Individualisierung und Bereicherung des Alltagslebens der einzelnen<br />

Teilnehmer, auf den Ausbau von Verständigungsmöglichkeiten, auf die Förderung von Selbstbestimmung<br />

und auf die Unterstützung der Teilnehmer bei der Gestaltung sozialer Beziehungen<br />

innerhalb und außerhalb der TWG.<br />

Ein Gutteil der als unverträglich erlebten Verhaltensweisen scheint durch institutionelle Strukturen mit<br />

bedingt zu sein, aufrechterhalten zu werden. Zugunsten einer individualisierten Lebensführung und<br />

Begleitung werden kollektive Regeln gelockert, Wohn­ und Begegnungsräume so gestaltet, dass sie<br />

die Regulation von Privatheit erleichtern, Tagesabläufe flexibilisiert, Unterstützungsleistungen personbezogen<br />

zugeschnitten. Die Mitarbeiter der TWG sind in der Lage, die Bewohner auch tagsüber ein<br />

bis vier Stunden individuell zu begleiten. Im Rahmen von Einzelangeboten sollen Teilnehmer auch<br />

Möglichkeiten entdecken, sich selbst zu beschäftigen. Für die Selbststeuerung der Teilnehmer ist es<br />

wichtig, dass die individueller und variabler gewordenen Tagesabläufe klar strukturiert bleiben, dass<br />

Orientierungshilfen für den Tag, die Woche, den Monat verfügbar sind und sich Gewohnheiten<br />

ausbilden können.<br />

36


Teilnehmer, die bisher noch nicht eine WfbM oder Förderstätte besucht hatten, wurden – bis auf<br />

wenige Ausnahmen – sukzessive in solche Arbeits­ und Beschäftigungsangebote außerhalb der<br />

Wohnung integriert. Ihre Nutzung erleichtert die Reintegration in andere Wohnformen. Die<br />

Individualisierung bezieht sich neben dem Wohnen auch auf die WfbM und den Förder­ und<br />

Betreuungsbereich. Arbeitszeiten werden flexibilisiert, verzichtbare einheitliche Regeln gelockert,<br />

individuelle Entscheidungsspielräume ermöglicht, Kommunikationsstrukturen verändert, Kriseninterventionspläne<br />

ausgearbeitet, Arbeitsplätze getauscht oder umgestaltet. Arbeits­ und Beschäftigungsanforderungen<br />

werden auf die Möglichkeiten und Bedürfnisse der Teilnehmer abgestimmt.<br />

Die Teilnahme der Bewohner an Freizeitaktivitäten außerhalb der TWG ist ein weiterer Schritt hin zur<br />

Integration.<br />

Die TWG legen Wert auf die Stärkung der Selbstbestimmung der Teilnehmer und die Ausschöpfung<br />

ihrer kommunikativer Möglichkeiten (Kommunikationstechniken und ­gelegenheiten). Integraler<br />

Bestandteil der Hilfeplanung ist es, Wünsche und Bedürfnisse der Teilnehmer zu erkunden und<br />

Realisierungswege gemeinsam zu planen (z.B. festgehalten in einer Betreuungsvereinbarung). Im<br />

Alltag gilt es, Auswahlmöglichkeiten und Entscheidungsfreiräume zu eröffnen (z.B. Bewegungsfreiheit,<br />

generelle Freiwilligkeit von Angeboten, Regulation von Privatheit ermöglichen durch Rückzugs­ und<br />

Kontaktgelegenheiten) und die Teilnehmer immer wieder zu ermutigen, Wünsche und Interessen zu<br />

kommunizieren. Sie sollen lernen, eigene Gefühle wahrzunehmen und in sozial akzeptabler Form<br />

verbal oder nonverbal mitzuteilen. Durch die dichte Kommunikation zwischen Mitarbeitern und<br />

Teilnehmern werden Situationen vorhersehbar. Die Kommunikationspartner gewinnen Sicherheit und<br />

fassen Vertrauen (Erfahrung von Verlässlichkeit). Kommunikationshilfen werden ausprobiert und in<br />

den Alltag integriert (unterstützte Kommunikation).<br />

Bei der Gestaltung sozialer Beziehungen beschränken sich die TWG auf den Aufbau und die<br />

Intensivierung der Interaktionen mit Mitbewohnern und Mitarbeitern der TWG und auf die Arbeit mit<br />

Angehörigen. Beziehungen zu Sozialpartnern im vorherigen Wohnsetting wurden nicht bearbeitet, da<br />

eine Rückkehr in die vorherige, in der Regel stark aussondernde Wohnform nur in Ausnahmefällen<br />

den Beteiligten wünschenswert erschien (s. Kap. 6).<br />

5.7 Spezielle Interventionen bezogen auf problematische Verhaltensweisen<br />

Andere Maßnahmen beziehen sich speziell auf die Verhaltensweisen, die mit Störungen im sozialen<br />

Umfeld einhergehen. Ziel ist es, dass die Teilnehmer und die Bezugspersonen Kontrolle über das<br />

Verhalten (zurück)gewinnen. Mitarbeiter achten darauf, dass Anforderungsniveau in Situation und von<br />

Aufgaben so zu regulieren, dass Teilnehmer nicht über­ oder unterfordert werden. Teilnehmer wie<br />

Mitarbeiter lernen, Situationen zu erkennen und akut zu „entschärfen“, in denen sich herausfordernde<br />

Verhaltensweisen anbahnen. Maßnahmen beziehen sich auch auf den direkten Umgang mit<br />

auffälligen Verhaltensweisen bis hin zur gemeinschaftlichen Ausarbeitung von Kriseninterventionsplänen.<br />

Durch strukturierte Trainingssettings oder Coaching in Alltagssituationen werden<br />

Teilnehmer angeleitet, sozial­interaktive Verhaltensweisen zu ändern, sozial akzeptable Copingstrategien<br />

auszuprobieren und soziale Regeln einzuhalten.<br />

Viele Maßnamen zielen auf den Aufbau schützender oder ausgleichender Verhaltensweisen, die die<br />

Selbständigkeit erhöhen, den Selbstwert steigern, die Selbstwahrnehmung schärfen, für emotionale<br />

und körperliche Ausgeglichenheit sorgen oder den eigenverantwortlichen Umgang mit risikobehaftetem,<br />

aber genussvollem Verhalten erlauben. Von zentraler Bedeutung sind ausgedehnte und<br />

intensive hilfreiche Einzelgespräche zwischen einem Teilnehmer und einem Mitarbeiter, die über die<br />

Alltagskommunikation hinausgehen und die Zukunftsperspektive, Hilfeplanung, aktuelle Themen und<br />

emotionale Befindlichkeit zum Gegenstand haben. Neben den täglichen Einzelgesprächen finden in<br />

manchen TWG wöchentlich spezielle Beratungsgespräche statt. Ein Teil der Teilnehmer wird darüber<br />

hinaus psychotherapeutisch begleitet.<br />

Über 90% der Teilnehmer nehmen regelmäßig Psychopharmaka (s. Kap. 6). Der regelmäßige Kontakt<br />

zu Ärzten, vor allem zu Psychiatern, die in die Arbeit der TWG eingebunden sind, hat zu zahlreichen<br />

Umstellungen in Bezug auf die Wahl und Dosis von Medikamenten geführt.<br />

37


5.8 Integration in andere Wohnformen<br />

Einige Einrichtungen haben ausgefeilte Handlungskonzepte für die Auswahl und Gestaltung eines<br />

zukünftigen Wohn­ und Hilfearrangements und den Umzug entwickelt. Zu den Aufgaben der TWG<br />

gehören die Klärung, ob potentielle Wohnbedingungen hinreichend unterstützend sind, die Beratung<br />

im Entscheidungsprozess (z.B. im Rahmen eines Probewohnens) sowie die direkte Hilfe der<br />

umziehenden Person und ihrer sozialen Bezugspersonen während des Einlebens (z.B. durch die<br />

Fortsetzung der Begleitung durch den vertrauten Bezugsbetreuer).<br />

38


6 Effekte<br />

Wie wirken sich der Aufenthalt und die Begleitung in TWG auf die Lebenswirklichkeit von Menschen<br />

mit SHV aus?<br />

Die Ergebnisse zu den Effekten TWG werden in 4 Abschnitten präsentiert:<br />

• Teilhabe am Leben der Gesellschaft (Abschnitt 6.1)<br />

• Herausforderndes Verhalten (Abschnitt 6.2)<br />

• Entwicklung ausgewählter Kompetenzen (Abschnitt 6.3)<br />

• Einschätzung der Lebenssituation (Abschnitt 6.4)<br />

6.1 Teilhabe am Leben der Gesellschaft<br />

6.1.1 Teilhabe: Reintegration in allgemeine Wohnformen und Wohndienste<br />

Nach Abschluss des Modellversuchs stellt sich die Frage, anhand welcher Kriterien man die<br />

Reintegrationserfolge abschätzen kann. Reintegration meint im Modellversuch den Einzug eines<br />

Teilnehmers in ein Wohnsetting, das den allgemein üblichen Angeboten in der Behindertenhilfe<br />

entspricht, und in dem die Person durch einen allgemeinen Wohndienst unterstützt wird. Das Einleben<br />

und dauerhafte Wohnen können dabei durch spezielle Maßnahmen gestützt werden. Vermieden<br />

werden soll der dauerhafte Verbleib in speziellen Gruppen für Menschen mit HV. Mit diesem<br />

hochgesteckten Reintegrationsziel soll nicht in Abrede gestellt werden, dass auch spezielle<br />

<strong>Wohngruppen</strong> für Menschen mit HV, die im Gemeinwesen integriert sind, ein hohes Maß an Teilhabe<br />

garantieren können (vgl. Schäper 2003; Allen & Felce 1999). Wenn man den Inklusionsgedanken<br />

jedoch auch auf Menschen mit SHV anwendet und – wie im Modellversuch – auf ihr Lern­ und<br />

Entwicklungspotenzial setzt, dann gehört die Aussonderung in auf Dauer angelegte Wohnsettings mit<br />

all den Etikettierungen, die damit einhergehen, zu den letzten, besonders zu rechtfertigenden Mitteln.<br />

Im Laufe des Modellversuchs zeigte sich, dass allgemeine Wohndienste aus verschiedenen Gründen<br />

zögerlich sind, Teilnehmer aus TWG (wieder) aufzunehmen, auch wenn die Mitarbeiter der TWG<br />

angesichts der erzielten Verhaltensänderungen eine Reintegration für erfolgsversprechend halten. Um<br />

diese Diskrepanz angemessen abzubilden, wird hier zwischen zwei Erfolgskriterien, der tatsächlichen<br />

und der möglichen Reintegration unterschieden.<br />

Als tatsächlicher Reintegrationserfolg gilt ein Teilnehmer, der aus der TWG in eine nicht­aussondernde<br />

Wohnform umgezogen ist. Die Bewertung der sich anschließenden Wohnlösung beruht auf<br />

den Angaben der Mitarbeiter zur Anschlusswohnform im Dokumentationsbogen, der Auswertung der<br />

von Mitarbeitern genannten Gründe für das Ausscheiden aus der TWG und der Kenntnisse über die<br />

örtlichen Wohnverhältnisse des Medizinisch­pädagogischen Dienstes des Kommunalverbandes<br />

Jugend und Soziales Baden­Württemberg, der in Zweifelsfällen zurate gezogen wurde.<br />

Als möglicher Reintegrationserfolg wurde gewertet, wenn von Mitarbeitern einer TWG ein weiterer<br />

Verbleib in der TWG als nicht notwendig bezeichnet wurde und wenn gleichzeitig die angestrebten<br />

Verhaltensänderungen erreicht oder zumindest teilweise erreicht wurden. Als „kein Erfolg“ wurde<br />

gewertet, wenn diese beiden Bedingungen nicht vorlagen. Für 188 Teilnehmer konnte aufgrund<br />

vorliegender Angaben zu diesen beiden Bedingungen der mögliche Reintegrationserfolg bestimmt<br />

werden.<br />

Insgesamt war bei 103 Personen mit Verhaltensverbesserungen (55%) ein weiterer Verbleib in einer<br />

TWG als nicht notwendig bezeichnet worden (s. Spalte „mögliche Reintegrationserfolge“ in Tab. 6/1).<br />

Die Quote der zum Projektende tatsächlich in allgemeine Wohnsettings reintegrierten Personen lag<br />

mit 32% (71 von 224 Personen) allerdings deutlich niedriger. Zwei Personen zogen zurück in ihre<br />

frühere Wohngruppe, zwei in ein Apartment, das einer Wohngruppe angegliedert ist. Die restlichen<br />

zogen in andere, für sie neue <strong>Wohngruppen</strong>. Nach zweijähriger Projektlaufzeit lag die Quote der<br />

tatsächlich erfolgten Reintegrationen bei 15% (35 von 237 Personen). Die Suche und Ausgestaltung<br />

39


geeigneter Wohnsettings im Anschluss an die TWG­Phase erfolgte offenbar vor allem im dritten<br />

Projektjahr. Dagegen stellten sich die Verhaltensänderungen bei den Teilnehmern überwiegend in den<br />

ersten beiden Jahren in der TWG ein (s. Abschn. 6.2).<br />

Die Trägerbefragung ergab, dass in den ersten zwei Jahren kein einziger Teilnehmer einer TWG von<br />

dem Wohndienst eines anderen Trägers aufgenommen worden war. Die Träger TWG erklären die<br />

Ablehnung, die Teilnehmer TWG durch andere Träger und Wohndienste erfahren, mit fehlenden<br />

finanziellen Anreizen bzw. unwägbaren finanziellen Risiken, mit der Stigmatisierung der Bewohner<br />

TWG, der mangelnden Akzeptanz der Teilnehmer TWG bei den Angehörigen potenzieller<br />

Mitbewohner, mit mangelhaften Kompetenzen der Mitarbeiter anderer Wohndienste oder<br />

unzureichenden strukturellen Standards (z.B. räumliche Situation, Personalausstattung, Regeln des<br />

Zusammenlebens).<br />

Zudem sind in Tab. 6/1 die großen Diskrepanzen zwischen den Einrichtungen augenfällig, die<br />

hinsichtlich beider Reintegrationsquoten bestehen und auch innerhalb der gleichen Einrichtung<br />

zwischen beiden Quoten vorliegen können. Möglichen Erklärungen wird im Kap. 7 nachgegangen.<br />

Mögliche und tatsächliche Reintegrationen nach Einrichtungen<br />

Reintegration als<br />

möglich bewertet<br />

„ Erfolg“<br />

n = 188 Personen<br />

Reintegration als<br />

nicht möglich<br />

bewertet<br />

„ kein Erfolg“<br />

Tatsächlich erfolgte<br />

Reintegration<br />

n = 224 Personen<br />

Einrichtung 01 (A) 11 37% 19 63% 5 17%<br />

Einrichtung 02 (E) 1 11% 8 89% 2 17%<br />

Einrichtung 03 (B) 0 0% 9 100% 1 7%<br />

Einrichtung 04 (H) 32 71% 13 29% 16 33%<br />

Einrichtung 05 (F) 21 95% 1 5% 2 8%<br />

Einrichtung 06 (G) 0 n.a. 0 n.a. 0 n.a.<br />

Einrichtung 07 (D) 23 88% 3 12% 35 97%<br />

Einrichtung 08 (C) 1 5% 19 95% 3 10%<br />

Einrichtung 09 (K) 8 47% 9 53% 6 33%<br />

Einrichtung 10 (L) 6 60% 4 40% 1 8%<br />

103 55% 85 45% 71 32%<br />

Tab. 6/1: Mögliche und tatsächliche Reintegrationen nach Einrichtungen<br />

Die Quote der als möglich bezeichneten Reintegrationen deckt sich in etwa mit der Prognose der<br />

Reintegration, die von den Einrichtungen nach zweijähriger Laufzeit im Sommer 2004 abgegeben<br />

wurde (s. Abb. 6/2). Auf einer dreistufigen Skala sollte dabei die Wahrscheinlichkeit einer<br />

Reintegration in „normale“ Wohnsettings angegeben werden: Voraussichtliche Reintegration (grün),<br />

Reintegration eventuell langfristig möglich (gelb), voraussichtlich keine Reintegration möglich (rot).<br />

40


Prognose der Reintegration<br />

Ampelprognose der Mitarbeiter TWG<br />

(255 Personen)<br />

40%<br />

36,1%<br />

Anteil der Personen<br />

35%<br />

30%<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

18,4%<br />

47<br />

26,3%<br />

67<br />

92<br />

6,3%<br />

12,9%<br />

33<br />

5%<br />

0%<br />

voraussichtlich<br />

keine<br />

eventuell<br />

langfristig<br />

möglich<br />

voraussichtlich<br />

möglich<br />

16<br />

reintegriert<br />

k.A.<br />

Abb. 6/2:<br />

Prognose der Integration der Teilnehmer in „normale“ Wohnsettings durch die<br />

Mitarbeiter TWG im Sommer 2004<br />

In der folgenden Tab. 6/3 wird für verschiedene psychische Störungen der Anteil der Personen<br />

dargestellt, der das Erfolgskriterium „Reintegration möglich“ erfüllt:<br />

Psychische Störungen und das Erfolgskriterium „ Reintegration möglich“<br />

Schizophrenie Autismus andere psych.<br />

Störung<br />

keine Diagnose<br />

einer psych.<br />

Störung<br />

Erfolg 18 (60%) 10 (53%) 34 (60%) 41 (50%)<br />

kein Erfolg 12 (40%) 9 (47%) 23 (40%) 41 (50%)<br />

fehlende Angaben 25 6 11 25<br />

Personen insgesamt 55 25 68 107<br />

Korrelation mit<br />

Erfolgskriterium<br />

0,05 ­0,01 0,06 ­0,08<br />

Tab. 6/3:<br />

Zusammenhang zwischen dem Erfolgskriterium „Reintegration möglich“ und psychischen<br />

Störungen der Teilnehmer<br />

Die Teilnehmer mit schizophrenen oder autistischen Störungen haben in etwa den gleichen Anteil an<br />

Erfolg versprechenden Reintegrationskandidaten wie die Personen mit „anderen“ psychischen<br />

Störungen oder der Personenkreis, bei dem keine psychiatrische Diagnose vorliegt. Allerdings ist bei<br />

letzterer Gruppe nicht immer eindeutig geklärt, ob keine klassifizierbare psychische Störung vorliegt<br />

oder ob auf eine psychiatrische Klassifizierung, z.B. von auffälligem Sozialverhalten, verzichtet wurde.<br />

Die Korrelationen der verschiedenen Gruppen mit dem Erfolgskriterium liegen alle nahe Null. Im<br />

Modellversuch ist die Art der psychischen Störung kein guter Indikator für das obige Erfolgskriterium.<br />

6.1.2 Teilhabe: Beschäftigung<br />

Ein wichtiger Schritt für die Reintegration in allgemeine Wohnformen und Wohndienste ist die<br />

Beibehaltung bzw. Wiederaufnahme einer Beschäftigung außerhalb der Wohnung. 85% der<br />

41


Teilnehmer sind zum Abschluss des Modellversuchs außerhalb der TWG beschäftigt (s. Abb. 6/4).<br />

Von ihnen arbeiten 41% im Arbeitsbereich einer WfbM. 39% sind in einem Förder­ und Betreuungsbereich,<br />

17% anderweitig auswärts beschäftigt (vor allem in Regiebetrieben – Hauswirtschaft,<br />

Landwirtschaft, Garten – oder in heilpädagogischen Fördergruppen; s. Abb. 6/5).<br />

Arbeit und Beschäftigung<br />

innerhalb und außerhalb der TWG<br />

Anteil der Personen<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

6%<br />

Zeitpunkt 1: 255 Personen<br />

Zeitpunkt 4: 211 Personen<br />

Zeitpunkt 5: 196 Personen<br />

1%<br />

3%<br />

15%<br />

9% 11%<br />

ohne Tagesstruktur ausschl. innerhalb<br />

der Wohngruppe<br />

59%<br />

56%<br />

49%<br />

ausschl. außerhalb<br />

der Wohngruppe<br />

16%<br />

40%<br />

29%<br />

innerhalb und<br />

außerhalb der<br />

Wohngruppe<br />

Abb. 6/4:<br />

Anteil der Teilnehmer in Arbeits­ und Beschäftigungsangeboten<br />

innerhalb und außerhalb der TWG<br />

Anteil der Personen<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Abb. 6/5:<br />

8%<br />

3%<br />

Verteilung auf Beschäftigungsangebote<br />

außerhalb der TWG<br />

2%<br />

48%<br />

41%<br />

39%<br />

37% 36%<br />

23%<br />

Zeitpunkt 1: 191 Personen<br />

Zeitpunkt 4: 188 Personen<br />

Zeitpunkt 5: 165 Personen<br />

23% 22%<br />

17%<br />

Schule WfbM FuB andere<br />

Verteilung der außerhalb der Wohngruppe tätigen Teilnehmer<br />

auf Beschäftigungsangebote (in Prozent)<br />

42


Die hohe Integrationsquote in Beschäftigungsangebote wurde erreicht durch:<br />

• eine Flexibilisierung der Beschäftigungszeiten. 56% der Teilnehmer arbeiten bis zu 4,5 Stunden<br />

täglich, nur 17% Vollzeit in der WfbM bzw. anderen Beschäftigungsangeboten (s. Abb. 6/6).<br />

• eine Anpassung der Tätigkeiten, Arbeits­ bzw. Beschäftigungsplätze und der betrieblichen<br />

Regelungen an die individuellen Kompetenzen und Bedürfnisse der Teilnehmer,<br />

• eine stärkere Unterstützung individueller Tagegestaltungen, die von der TWG organisiert werden,<br />

in der verbleibenden „freien“ Zeit.<br />

Der Modellversuch eröffnet den Teilnehmern und Mitarbeitern der TWG zusätzliche Möglichkeiten, für<br />

Begleitung individuell strukturierter Tagesläufe. Die von den TWG organisierten Maßnahmen nehmen<br />

täglich 1 bis 4 Stunden in Anspruch. Diese Maßnahmen werden in Erwartung des Umzugs in andere<br />

Wohnformen zugunsten einer Erhöhung der Beschäftigungszeit außerhalb der TWG reduziert<br />

(s. Abb. 6/7).<br />

Tägliche Arbeits­ bzw. Beschäftigungszeit<br />

außerhalb der Wohnung<br />

80%<br />

Zeitpunkt 1: 187 Personen<br />

70%<br />

Zeitpunkt 4: 187 Personen<br />

Anteil der Personen<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

24%<br />

21% 20%<br />

36%<br />

31%<br />

33%<br />

Zeitpunkt 5: 162 Personen<br />

28% 26%<br />

22%<br />

24%<br />

18% 17%<br />

10%<br />

0%<br />

Abb. 6/6:<br />

1,0 ­ 2,5 3,0 ­ 4,5 5,0 ­ 6,5 >= 7,0<br />

tägliche Stundenanzahl<br />

tägliche Arbeits­ bzw. Beschäftigungszeit der außerhalb der TWG tätigen Bewohner<br />

(in Prozent)<br />

43


Anteil der Personen<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Abb. 6/7:<br />

33%<br />

Dauer der tagesstrukturierenden Begleitung<br />

durch die TWG<br />

61%<br />

56%<br />

45%<br />

31% 31%<br />

8%<br />

2%<br />

4% 5% 5%<br />

3%<br />

1,0 ­ 2,5 3,0 ­ 4,5 5,0 ­ 6,5 >= 7,0<br />

tägliche Stundenanzahl<br />

Zeitpunkt 1: 76 Personen<br />

Zeitpunkt 4: 105 Personen<br />

Zeitpunkt 5: 77 Personen<br />

Dauer der Begleitung durch die TWG (in Stunden) bei Bewohnern mit interner<br />

Tagesstrukturierung (in Prozent)<br />

6.1.3 Teilhabe: soziales Netzwerk der Teilnehmer<br />

Der Anteil der Teilnehmer mit Kontakten zu Angehörigen blieb über alle Zeitpunkte hinweg in etwa<br />

konstant bei 85% (± 1%; vgl. Tab. 6/8). Von diesen Teilnehmern stehen 60% wöchentlich bis<br />

monatlich in Kontakt zu Eltern und/oder Geschwistern – andere Verwandtschaftskontakte fallen<br />

zahlenmäßig kaum ins Gewicht. Die Angehörigenkontakte sind über die Modelllaufzeit erhalten<br />

geblieben, sind im Schnitt aber nicht häufiger geworden. Es gab nur kleine Verschiebungen innerhalb<br />

der Angehörigenkategorien (s. Abb. 6/9 & 6/10).<br />

Personen mit<br />

Kontakten zu Ang.<br />

Personen ohne<br />

Kontakten zu Ang.<br />

Gesamtzahl aller<br />

Personen<br />

Zeitpunkt 1 208 (84%) 40 (16%) 248<br />

[...] [...] [...] [...]<br />

Zeitpunkt 4 180 (85%) 32 (15%) 212<br />

Zeitpunkt 5 163 (84%) 31 (16%) 194<br />

Tab. 6/8:<br />

Anzahl und Anteil der Teilnehmer mit und ohne Kontakt zu Angehörigen<br />

vor (Zeitpunkt 1) und während der TWG (Zeitpunkt 4 und 5)<br />

44


100%<br />

Anteil der Angehörigenkontakte bezogen<br />

auf alle Bewohner<br />

Anteil der Personen mit entspr. Kontakt<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

72% 71% 70%<br />

40%<br />

49%<br />

51%<br />

Zeitpunkt 1: 248 Personen<br />

Zeitpunkt 4: 212 Personen<br />

Zeitpunkt 5: 194 Personen<br />

10%<br />

5% 6% 5% 6% 7% 6% 6% 5%<br />

0%<br />

Eltern Geschwister Großeltern Onkel/Tante andere<br />

Abb. 6/9:<br />

Anteil der Angehörigenkontakte hinsichtlich aller Bewohner<br />

Anteil der Personen mit entspr. Kontakt<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

86%<br />

84% 83%<br />

Anteil der Angehörigenkontakte<br />

(nur Personen mit Kontakten)<br />

48%<br />

61%<br />

58%<br />

Zeitpunkt 1: 208 Personen<br />

Zeitpunkt 4: 180 Personen<br />

Zeitpunkt 5: 163 Personen<br />

13%<br />

6% 7% 6% 7% 8% 7% 7% 6%<br />

0%<br />

Eltern Geschwister Großeltern Onkel/Tante andere<br />

Abb. 6/10:<br />

Anteil der Angehörigenkontakte wenn nur die Personen<br />

mit Kontakten als Vergleichsbasis berücksichtigt werden<br />

45


Häufigkeit der Angehörigenkontakte<br />

Anteil der Personen<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

Zeitpunkt 1: 208 Personen<br />

Zeitpunkt 4: 180 Personen<br />

Zeitpunkt 5: 163 Personen<br />

41%<br />

34%<br />

32%<br />

31% 31% 31%<br />

28%<br />

27%<br />

24%<br />

10%<br />

7%<br />

6%<br />

7%<br />

0%<br />

wöchentlich monatlich zwei/drei Mal<br />

jährlich<br />

seltener<br />

Abb. 6/11:<br />

Häufigkeit der Kontakte bei Teilnehmern mit Angehörigenkontakten<br />

Nur 29% der Teilnehmer unterhalten freundschaftliche Kontakte zu Mitbewohnern (Zeitpunkt 5).<br />

Schon in der Herkunftswohngruppe war dieser Anteil mit 28% gering (Zeitpunkt 1). Dagegen ist der<br />

Prozentanteil der Teilnehmer mit freundschaftlichen Beziehungen außerhalb der Wohngruppe von<br />

18% (Zeitpunkt 1) auf 26% (Zeitpunkt 5) gestiegen (s. Abb. 6/12). Das überrascht zunächst, ist doch<br />

ein Umzug in der Regel mit einer Neuorganisation sozialer Beziehungen verbunden. Da die meisten<br />

Neubewohner TWG ihr bisheriges Wohnumfeld, das Gelände einer Komplexenrichtung, nicht<br />

verlassen haben, kommt es seltener zu Beziehungsumbrüchen als erwartet. Alte Beziehungen werden<br />

weiter gepflegt. Neben anderen Faktoren mag das zum Anstieg der – immer noch bescheidenen –<br />

Teilnehmerzahl mit Bekannten und Freunden außerhalb der TWG beigetragen haben.<br />

Mit zunehmender Wohndauer sind bei einer wachsenden Zahl von Bewohnern persönliche<br />

Präferenzen zu Mitarbeitern erkennbar. Aus Sicht der Mitarbeiter bevorzugen 56% der Teilnehmer<br />

eindeutig bestimmte Mitarbeiter in der Wohngruppe. Bei 37% registrieren die Mitarbeiter der TWG<br />

eindeutige Präferenzen unter den Mitarbeitern in anderen Lebensbereichen. Die Aufrechterhaltung<br />

bzw. Entwicklung persönlicher Beziehungen zu Assistenten / Betreuern ist ein wichtiger rehabilitativer<br />

Faktor, der für effektive zukünftige Lösung genutzt werden sollte.<br />

46


70%<br />

60%<br />

Kontakte zu Freunden und Mitarbeitern<br />

innerhalb und außerhalb der TWG<br />

Zeitpunkt 1: 250 Personen<br />

Zeitpunkt 4: 212 Personen<br />

56%<br />

54%<br />

Anteil der Personen<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

Zeitpunkt 5: 194 Personen<br />

33%<br />

28% 29%<br />

28%<br />

26%<br />

18%<br />

45%<br />

25%<br />

36% 37%<br />

10%<br />

0%<br />

Kontakte zu<br />

Mitbewohnern in der<br />

TWG<br />

Kontakte zu anderen<br />

Personen außerhalb der<br />

TWG<br />

Bevorzugung von<br />

Mitarbeitern in der TWG<br />

Bevorzugung von<br />

Mitarbeitern außerhalb<br />

der TWG<br />

Abb. 6/12:<br />

Anteil der Teilnehmer mit Kontakten zu Freunden und Mitarbeitern innerhalb und<br />

außerhalb der TWG<br />

6.2 Herausforderndes Verhalten<br />

6.2.1 Anzahl herausfordernder Verhaltensweisen eines Bewohners<br />

Zeitpunkt Mittelwert Median Standardabweichung<br />

1 22,7 22 9,0<br />

Reduktion von HV im Vergleich<br />

zum vorherigen Zeitpunkt<br />

insgesamt<br />

im Mittel pro<br />

Person<br />

2 19,7 18 9,3 – 526 – 2,3 (n=224)<br />

3 19,4 18 9,8 – 244 – 1,1 (n=223)<br />

4 18,4 17 8,7 – 203 – 1,0 (n=200)<br />

5 18,7 17 8,4 – 54 – 0,3 (n=177)<br />

Tab. 6/13:<br />

Entwicklung der Anzahl herausfordernder Verhaltenweisen der Teilnehmer<br />

Im Verlauf des Modellversuches nimmt die (durchschnittliche) Anzahl herausfordernder Verhaltensweisen<br />

der Teilnehmer bis zum Zeitpunkt 4 kontinuierlich ab (s. Tab. 6/13). Mit diesen Daten wurden<br />

t­Tests für abhängige Stichproben durchgeführt. Dabei wurden die Mittelwerte aller Zeitpunkte<br />

wechselseitig miteinander verglichen. Mit Ausnahme des Unterschiedes zwischen Zeitpunkt 4 und 5<br />

sind alle Mittelwertsunterschiede signifikant auf dem 1%­Niveau. Über die Zeit ist eine statistisch<br />

bedeutsame Reduktion der herausfordernden Verhaltensweisen von 22 auf 17 zu beobachten.<br />

Die Tabelle 6/14 enthält die 10 HV, die am Ende des Aufenthalts in der TWG am stärksten unter den<br />

Teilnehmern verbreitet sind. Im Vergleich zu der Rangreihe am Beginn des TWG­Aufenthaltes gibt es<br />

47


kaum Änderungen (vgl. Kap. 4.10). Auffällig ist, dass „ständige motorische Unruhe, Körperbewegungen,<br />

Schaukeln“ am Ende des TWG­Aufenthalts nicht mehr unter den 10 häufigsten HV zu<br />

finden ist.<br />

Rangreihe der herausfordernden Verhaltensweisen zum Zeitpunkt 5<br />

(n=193 Personen)<br />

Anzahl der<br />

Nennungen<br />

Tab. 6/14:<br />

Anteil<br />

%<br />

herausforderndes Verhalten<br />

132 68% 5.1 Geringe Konzentrationsfähigkeit, fehlende Ausdauer<br />

120 62% 5.2 Leichte Ermüdbarkeit, geringe Belastbarkeit<br />

120 62% 2.17 Gefühlsausbrüche<br />

116 60% 3.7 Schlagen, Treten, Kneifen<br />

105 54% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen ...<br />

100 52% 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche<br />

95 49% 2.12 Distanzloses Verhalten, anfassen anderer<br />

94 49% 4.3 Zerstören von eigenem oder fremdem Eigentum<br />

94 49% 3.1 Drohende Gebärden<br />

93 48% 4.2 Gegen Möbel oder Fenster treten/schlagen<br />

2.16 Andauerndes Fragen und Klagen<br />

Rangreihe der Verbreitung herausfordernden Verhaltensweisen unter den Teilnehmern<br />

zum Zeitpunkt 5 (n=193 Personen)<br />

48


6.2.2 Häufigkeit des SHV<br />

Die Häufigkeit der als schwerwiegend bewerteten Verhaltensweisen nimmt über die Zeitpunkte ab<br />

(vgl. Abb. 6/15). Vermehrt wird beobachtet, dass solche Verhaltensweisen gar nicht mehr oder nur<br />

noch ein­ bis zweimal im Monat auftreten. Entsprechend fällt die Häufigkeit der SHV, die „unentwegt“<br />

– d.h. öfter als zweimal täglich – gezeigt werden von 28% vor dem Einzug in die TWG auf 9% am<br />

Ende des TWG­Aufenthaltes (Zeitpunkt 5).<br />

Häufigkeit des SHV<br />

Anteil der Nennungen<br />

40%<br />

35%<br />

30%<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

Zeitpunkt 1: 1847 Nennungen<br />

Zeitpunkt 3: 1804 Nennungen<br />

Zeitpunkt 4: 1626 Nennungen<br />

Zeitpunkt 5: 1479 Nennungen<br />

22%<br />

21%<br />

19%<br />

19%<br />

18%<br />

14%<br />

11%<br />

11% 11%<br />

8%<br />

8%<br />

9%<br />

22%<br />

20% 19%<br />

21% 20% 20%<br />

18% 17%<br />

28%<br />

19%<br />

12%<br />

9%<br />

5%<br />

0%<br />

nicht<br />

aufgetreten<br />

1­2x im<br />

Monat<br />

1x pro<br />

Woche<br />

mehrmals<br />

pro Woche<br />

1­2x täglich unentwegt<br />

Abb. 6/15:<br />

Entwicklung der Häufigkeit der als schwerwiegend bewerteten herausfordernden<br />

Verhaltensweisen der Teilnehmer<br />

Im Vergleich zur Rangreihe SHV nach Einzug in die TWG (s. Kap. 4.10) fällt bei der folgenden<br />

Tabelle 6/16 auf, dass:<br />

• „ständige motorische Unruhe, Körperbewegungen, Schaukeln“ (Platz 4 zum Zeitpunkt 2) nicht<br />

mehr unter den zehn verbreitesten SHV zu finden sind,<br />

• „rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen“ das Item „handgreifliche Wutausbrüche“ als<br />

am weitesten verbreitete SHV ablösen,<br />

• selbst verletzende Verhaltensweisen nicht in der Form des „Sich Beißen, Kratzen“ sondern in der<br />

Form des „Sich Schlagen, Kneifen“ auftauchen,<br />

• handgreifliche Wutausbrüche relativ weniger, Gefühlsausbrüche relativ häufiger am Ende der<br />

TWG­Zeit bei Teilnehmern registriert werden.<br />

49


Rangreihe schwerwiegend bewerteter HV zum Zeitpunkt 5<br />

(n=193 Personen)<br />

Anzahl der<br />

Nennungen<br />

Anteil<br />

%<br />

schwerwiegendes herausforderndes Verhalten<br />

72 37% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen ...<br />

64 33% 3.7 Schlagen, Treten, Kneifen<br />

61 32% 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche<br />

58 30% 2.16 Andauerndes Fragen und Klagen<br />

51 26% 2.17 Gefühlsausbrüche<br />

49 25% 4.3 Zerstören von eigenem oder fremdem Eigentum<br />

48 25% 2.12 Distanzloses Verhalten, anfassen anderer<br />

47 24% 2.7 Anhaltendes Schreien, Brummen, Lautieren<br />

45 23% 1.15 Schlagen, Kneifen (sich selbst)<br />

43 22% 2.15 Aufsässiges Verhalten, „Führungsresistenz“<br />

Tab. 6/16:<br />

Rangreihe der Verbreitung von als schwerwiegend bewerteten HV unter den Teilnehmern<br />

zum Zeitpunkt 5 (n=193 Personen)<br />

Der Frage, welche Verhaltensweisen leichter zu beeinflussen sind und welche sich als veränderungsresistenter<br />

erweisen, wird im Kapitel 7 (Prognosefaktoren) nachgegangen.<br />

6.2.3 Gefährdungspotenzial des SHV<br />

Nicht nur die Häufigkeit, sondern auch das Gefährdungspotenzial des SHV nimmt ab. Führten vor<br />

dem Einzug in die TWG 27% der als schwerwiegend bewerteten Verhaltensweisen zu hochkritischen<br />

Situationen, sind es vor dem Auszug (Zeitpunkt 5) noch 14%. Der Anteil der SHV, die eine eher<br />

leichte Gefährdung nach sich ziehen, steigt von 32% auf 48% (vgl. Abb. 6/17).<br />

Gefährdungspotential des SHV<br />

80%<br />

Zeitpunkt 1: 1847 Nennungen<br />

70%<br />

Zeitpunkt 4: 1626 Nennungen<br />

Anteil der Nennungen<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

32%<br />

46%<br />

48%<br />

38%<br />

32%<br />

29%<br />

Zeitpunkt 5: 1479 Nennungen<br />

27%<br />

14% 14%<br />

10%<br />

0%<br />

leichte Gefährdung ernste Gefährdung hochkritische Situation<br />

Abb. 6/17:<br />

Entwicklung des Gefährdungspotenzials der als schwerwiegend bewerteten<br />

herausfordernden Verhaltensweisen der Teilnehmer<br />

50


6.2.4 Einschätzung der Verhaltensänderungen durch die Mitarbeiter TWG<br />

Erreichen der angestrebten Verhaltensziele<br />

Nach Angaben der Mitarbeiter der TWG haben 19% der Teilnehmer die angestrebten Verhaltensänderungen<br />

zum Zeitpunkt 5 vollständig erreicht. Bei 61% wurden diese zumindest teilweise erreicht.<br />

Bei 16% der Teilnehmer wurden kaum Fortschritte registriert (s. Abb. 6/18).<br />

Anteil der Personen<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Zielsetzungen hinsichtlich der angestrebten<br />

Verhaltensänderungen wurden ...<br />

2%<br />

8%<br />

19%<br />

77%<br />

80%<br />

61%<br />

Zeitpunkt 3: 240 Personen<br />

Zeitpunkt 4: 212 Personen<br />

Zeitpunkt 5: 196 Personen<br />

20%<br />

11%<br />

16%<br />

vollständig erreicht teilweise erreicht nicht oder kaum erreicht<br />

Abb. 6/18:<br />

Einschätzung der Verwirklichung angestrebter Verhaltensziele bei den Teilnehmern<br />

durch die Mitarbeiter der TWG<br />

Entwicklung der Verhaltensprobleme<br />

Gefragt nach der Entwicklung von Verhaltensproblemen nehmen die Mitarbeiter schon zum<br />

Zeitpunkt 3 (ein Jahr nach Aufnahme in die TWG) bei etwas mehr als der Hälfte aller Personen<br />

(ca. 54%) eine Besserung des Verhaltens im Vergleich zum vorhergehenden Messzeitpunkt 2 wahr.<br />

Im zweiten Jahr wird erneut bei der Hälfte der Teilnehmer eine weitere Verbesserung der<br />

Verhaltensweisen konstatiert (Zeitpunkt 4). Noch im dritten Jahr (Zeitpunkt 5) liegt der Anteil der<br />

Personen mit Verhaltensfortschritten seit der letzten Datenerhebung bei 43%<br />

Die Frage nach der Verhaltensentwicklung im Vergleich zum vorherigen Messzeitpunkt schließt eine<br />

kumulative Einschätzung ein. Wenn bereits zum vorherigen Zeitpunkt positive Veränderungen<br />

wahrgenommen wurden, steigt das „Niveau“ der nachfolgenden Bewertungen, auch wenn diese auf<br />

den ersten Blick kleinere Prozentwerte aufweisen. Wahrgenommene Verbesserungen z.B. zum<br />

Zeitpunkt 4 und die darauffolgende Einschätzung zum Zeitpunkt 5 sind als additiv anzusehen (s. auch<br />

Abb. 6/19).<br />

51


Einschätzung der Verhaltensentwicklung<br />

60%<br />

Zeitpunkt 3 (verglichen mit 2): 240 Personen<br />

Zeitpunkt 4 (verglichen mit 3): 212 Personen<br />

Zeitpunkt 5 (verglichen mit 4): 196 Personen<br />

50%<br />

51%<br />

51% 50%<br />

Anteil der Personen<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

41% 41%<br />

38%<br />

10%<br />

0%<br />

7%<br />

5% 5%<br />

5%<br />

3%<br />

0%<br />

1%<br />

0% 1%<br />

viel schlechter schlechter gleich besser viel besser<br />

Abb. 6/19:<br />

Einschätzung der Verhaltensentwicklung relativ zum vorherigen Zeitpunkt<br />

6.2.5 Schwerwiegendes herausfordernden Verhaltens bei Schizophrenie und Autismus<br />

SHV bei Teilnehmern mit schizophrener Störung<br />

Im Laufe des Modellversuchs ist das Gefährdungspotenzial SHV bei Teilnehmern mit schizophrenen<br />

Störungen im Vergleich zu anderen Teilnehmern überproportional stark gesunken (s. Abschn. 6.2.3,<br />

vgl. mit Abb. 6/22). Die Rangreihe der am stärksten verbreiteten SHV und die Vorkommenshäufigkeit<br />

einzelner Verhaltensweisen haben sich deutlich verändert. Die Anzahl der Personen mit<br />

schizophrener Störung, die bei Wutausbrüchen handgreiflich werden oder die durch ihre ständige<br />

motorische Unruhe andere schwerwiegend beeinträchtigen, ist stark zurückgegangen (vgl. Tab. 6/20<br />

mit Tab. 6/21). „Drohende Gebärden“ und „Fluchen, verbale Aggressivität“ kommen als SHV bei<br />

Menschen mit schizophrener Störung häufiger vor als bei anderen.<br />

Zuverlässige Aussagen über die Veränderbarkeit von SHV bei diesem Personenkreis können jedoch<br />

erst dann getroffen werden, wenn zu verschiedenen Zeitpunkten bei den identischen Personen die<br />

SHV ausgewertet werden (Paneldesign). Die hier ausgewertete Stichprobe zum Zeitpunkt 1 umfasst<br />

wesentlich mehr und damit auch andere Personen als die zum Zeitpunkt 5. Die Auswertung dieser<br />

Trenderhebung lässt vermuten, dass es Teilnehmern mit <strong>geistig</strong>er Behinderung und schizophrener<br />

Störung überproportional gut gelungen ist, sich sozial verträglicher zu verhalten.<br />

52


Anzahl der<br />

Nennungen<br />

Anteil<br />

%<br />

schwerwiegende herausfordernde Verhaltenweisen<br />

bei Teilnehmern mit schizophrener Störung<br />

25 45% 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche<br />

19 35% 2.6 Ständige motorische Unruhe, Körperbewegungen im<br />

Einschlafstadium/Schaukeln<br />

17 31% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen ...<br />

17 31% 2.17 Gefühlsausbrüche<br />

16 29% 2.16 Andauerndes Fragen und Klagen<br />

15 27% 3.7 Schlagen, Treten, Kneifen<br />

13 24% 2.12 Distanzloses Verhalten, anfassen anderer<br />

12 22% 2.15 Aufsässiges Verhalten, „Führungsresistenz“<br />

11 20% 1.2 Sich zurückziehen, Meiden bestimmter anderer Personen<br />

11 20% 1.16 Beißen, Kratzen (sich selbst)<br />

1.7 Gefahr durch Weglaufen, Streunen<br />

Tab. 6/20:<br />

Rangreihe der Verbreitung von als schwerwiegend bewerteten HV unter den Teilnehmern<br />

mit schizophrener Störung zum Zeitpunkt 1 (n=55 Personen)<br />

Anzahl der<br />

Nennungen<br />

Anteil<br />

%<br />

schwerwiegende herausfordernde Verhaltenweisen<br />

bei Teilnehmern mit schizophrener Störung<br />

12 36% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen ...<br />

12 36% 2.16 Andauerndes Fragen und Klagen<br />

11 33% 3.1 Drohende Gebärden<br />

11 33% 2.17 Gefühlsausbrüche<br />

11 33% 2.12 Distanzloses Verhalten, anfassen anderer<br />

10 30% 2.14 Fluchen, verbale Aggressivität<br />

9 27% 3.7 Schlagen, Treten, Kneifen<br />

9 27% 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche<br />

9 27% 5.5 Angst vor Leistungsanforderungen<br />

9 27% 5.4 Arbeitsverweigerung, ­flucht<br />

Tab. 6/21:<br />

Rangreihe der Verbreitung von als schwerwiegend bewerteten HV unter den Teilnehmern<br />

mit schizophrener Störung zum Zeitpunkt 5 (n=33 Personen)<br />

53


Anteil der Nennungen<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

28%<br />

Gefährdungspotential des SHV<br />

bei Personen mit " Schizophrenie"<br />

45%<br />

53%<br />

37%<br />

34%<br />

24%<br />

Zeitpunkt 1: 430 Nennungen<br />

Zeitpunkt 4: 303 Nennungen<br />

Zeitpunkt 5: 249 Nennungen<br />

32%<br />

14%<br />

14%<br />

0%<br />

leichte Gefährdung ernste Gefährdung hochkritische Situation<br />

Abb. 6/22:<br />

Gefährdungspotenzial der als schwerwiegend bewerteten herausfordernden<br />

Verhaltensweisen bei Personen mit schizophrener Störung zu verschiedenen Zeitpunkten<br />

SHV bei Teilnehmern mit autistischer Störung<br />

Das Gefährdungspotenzial SHV von Menschen mit autistischer Störung ist weniger stark gesunken<br />

als bei den anderen Teilnehmern. Die Auswertung der Trenderhebung zeigt, dass die Vorkommenshäufigkeit<br />

der 10 beim Einzug am stärksten verbreiteten SHV gleich geblieben oder sogar gestiegen<br />

ist. Die Anzahl der Menschen mit autistischer Störung, die eigenes oder fremdes Eigentum zerstören<br />

oder sich selbst schlagen oder kneifen hat zugenommen.<br />

Auch hier gilt, dass erst eine Panelauswertung, ein Vergleich der SHV zu verschiedenen<br />

Messzeitpunkten bei den exakt gleichen Personen, Aufschluss über die Veränderbarkeit von<br />

Verhaltensweisen bei diesem Personenkreis geben kann. Außerdem ist die Stichprobe der Personen<br />

mit autistischer Störung zu klein (Zeitpunkt 1: n=25; Zeitpunkt 5: n=19), um verallgemeinerbare<br />

Aussagen zu treffen.<br />

Die Auswertung der Trenderhebung lässt vermuten, dass Menschen mit <strong>geistig</strong>er Behinderung und<br />

autistischer Störung ihre als schwerwiegend bewerteten HV weniger stark verändern als andere<br />

Teilnehmer.<br />

54


Anzahl der<br />

Nennungen<br />

Anteil<br />

%<br />

schwerwiegende herausfordernde Verhaltenweisen<br />

bei Teilnehmern mit autistischer Störung<br />

13 52% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen ...<br />

9 36% 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche<br />

8 32% 3.7 Schlagen, Treten, Kneifen<br />

7 28% 2.16 Andauerndes Fragen und Klagen<br />

7 28% 1.2 Sich zurückziehen, Meiden bestimmter anderer Personen<br />

6 24% 2.7 Anhaltendes Schreien, Brummen, Lautieren<br />

6 24% 5.4 Arbeitsverweigerung, ­flucht<br />

5 20% 2.6 Ständige motorische Unruhe, Körperbewegungen im<br />

Einschlafstadium/Schaukeln<br />

5 20% 4.3 Zerstören von eigenem oder fremdem Eigentum<br />

5 20% 1.4 Soziales Desinteresse<br />

1.27 Andere<br />

Tab. 6/23:<br />

Rangreihe der Verbreitung von als schwerwiegend bewerteten HV unter den Teilnehmern<br />

mit autistischer Störung zum Zeitpunkt 1 (n=25 Personen)<br />

Anzahl der<br />

Nennungen<br />

Anteil<br />

%<br />

schwerwiegende herausfordernde Verhaltenweisen<br />

bei Teilnehmern mit autistischer Störung<br />

12 63% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen ...<br />

9 47% 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche<br />

8 42% 4.3 Zerstören von eigenem oder fremdem Eigentum<br />

7 37% 3.7 Schlagen, Treten, Kneifen<br />

5 26% 2.16 Andauerndes Fragen und Klagen<br />

5 26% 1.15 Schlagen, Kneifen (sich selbst)<br />

5 26% 1.2 Sich zurückziehen, Meiden bestimmter anderer Personen<br />

5 26% 2.14 Fluchen, verbale Aggressivität<br />

5 26% 3.14 Werfen, Schlagen mit harten schweren Gegenständen/Gegenstände als<br />

Waffen benutzen<br />

5 26% 2.7 Anhaltendes Schreien, Brummen, Lautieren<br />

Tab. 6/24:<br />

Rangreihe der Verbreitung von als schwerwiegend bewerteten HV unter den Teilnehmern<br />

mit autistischer Störung zum Zeitpunkt 5 (n=19 Personen)<br />

55


Anteil der Nennungen<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

32%<br />

42%<br />

Gefährdungspotential des SHV<br />

bei Personen mit " Autismus"<br />

43%<br />

36%<br />

29%<br />

36%<br />

Zeitpunkt 1: 185 Nennungen<br />

Zeitpunkt 4: 153 Nennungen<br />

Zeitpunkt 5: 150 Nennungen<br />

27%<br />

16%<br />

15%<br />

0%<br />

leichte Gefährdung ernste Gefährdung hochkritische Situation<br />

Abb. 6/25:<br />

Gefährdungspotenzial der als schwerwiegend bewerteten herausfordernden<br />

Verhaltensweisen bei Personen mit autistischer Störung zu verschiedenen Zeitpunkten<br />

6.2.6 Medikation<br />

93% der Teilnehmer nehmen regelmäßig Psychopharmaka; 63% bei Bedarf. Im Mittel nehmen die<br />

Teilnehmer regelmäßig 2,8 Medikamente zu sich. Dieser Kennwert ändert sich im Laufe des<br />

Modellversuchs nicht. Auf der Ebene der Einzelpersonen kommt es jedoch laufend zu Anpassungen<br />

der Medikation. Z.B. verändert sich die Anzahl der regelmäßig eingenommenen Medikamente bei 86<br />

Personen.<br />

Die Tabelle 6/26 zeigt die durchschnittliche Entwicklung der Medikation für die Verabreichung<br />

regelmäßiger Medikamente an. Die Erhöhung des Mittelwertes bei Zeitpunkt 4 und 5 kommt durch<br />

zwei Personen zustande, die angeblich 11 Medikamente einnehmen müssen. Zieht man diese Werte<br />

ab, dann sind im Mittel kaum Veränderungen über die Zeit erkennbar. Bei einer Betrachtung auf der<br />

Ebene der Einzelpersonen werden sehr wohl Änderungen in der Medikation deutlich. Diese heben<br />

sich aber im Mittel wechselseitig auf.<br />

Medikamente, regelmäßige Einnahme<br />

Mittelwert Standardabw. Personen<br />

Zeitpunkt 1 2,7 1,7 247<br />

Zeitpunkt 2 2,8 1,7 245<br />

Zeitpunkt 3 2,8 1,7 239<br />

Zeitpunkt 4 2,9 1,8 207<br />

Zeitpunkt 5 2,8 1,9 192<br />

Tab. 6/26:<br />

Anzahl der regelmäßig eingenommen Medikamente pro Bewohner<br />

zu verschiedenen Zeitpunkten<br />

56


Die folgende Tabelle zeigt die durchschnittliche Anzahl der bedarfsweise verabreichten Medikamente<br />

pro Bewohner:<br />

Medikamente, bedarfsweise Einnahme<br />

Mittelwert Standardabw. Personen<br />

Zeitpunkt 1 0,9 0,9 246<br />

Zeitpunkt 2 0,9 0,8 243<br />

Zeitpunkt 3 0,9 0,9 238<br />

Zeitpunkt 4 1,0 1,0 207<br />

Zeitpunkt 5 0,9 0,8 194<br />

Tab. 6/27:<br />

Anzahl der bedarfsweise eingenommen Medikamente pro Bewohner<br />

zu verschiedenen Zeitpunkten<br />

6.2.7 Freiheitsentziehende Maßnahmen<br />

Zu den freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM) zählen Fixierungen und „Auszeiten“ der Teilnehmer.<br />

Unter einer „Auszeit“ (time out) ist eine vorübergehende Beschränkung des Bewegungsfreiraums<br />

eines Teilnehmers (z.B. auf ein Zimmer) zu verstehen.<br />

Über alle Personen hinweg betrachtet, kam es zu einer deutlichen Abnahme der FEM zwischen den<br />

Zeitpunkten 1 und 5. Wurden vor Einzug in die TWG bei 69% der Teilnehmer FEM angewandt, so ist<br />

das vor dem Auszug aus der TWG noch bei 49% der Fall (s. Tab. 6/28). Die Anzahl der regelmäßig<br />

oder bei Bedarf fixierten Personen ging von 57 auf 27 zurück (s. Tab. 6/29). Zum Zeitpunkt 5 wurden<br />

„Auszeiten“ regelmäßig bei 22 Personen eingesetzt, vor Einzug in die TWG bei 47 Personen<br />

(s. Tab. 6/29).<br />

Personen mit<br />

FEM<br />

Personen ohne<br />

FEM<br />

Gesamtzahl aller<br />

Personen<br />

Zeitpunkt 1 175 (69%) 73 (29%) 253<br />

Zeitpunkt 2 154 (62%) 92 (37%) 249<br />

Zeitpunkt 3 131 (55%) 109 (45%) 240<br />

Zeitpunkt 4 113 (53%) 99 (47%) 212<br />

Zeitpunkt 5 97 (49%) 99 (51%) 196<br />

Tab. 6/28:<br />

absolute und relative Anzahl der Teilnehmer, bei denen freiheitsentziehende Maßnahmen<br />

(nicht) angewandt werden, zu verschiedenen Zeitpunkten vor und während des<br />

Aufenthalts in TWG<br />

Fixierung bei<br />

Bedarf<br />

Fixierung<br />

regelmäßig<br />

Gesamtzahl mit<br />

FEM<br />

Zeitpunkt 1 35 (20%) 22 (13%) 175<br />

Zeitpunkt 2 39 (25%) 16 (10%) 154<br />

Zeitpunkt 3 25 (19%) 14 (11%) 131<br />

Zeitpunkt 4 19 (17%) 13 (12%) 113<br />

Zeitpunkt 5 16 (16%) 11 (11%) 97<br />

Tab. 6/29:<br />

Anzahl der Teilnehmer, die regelmäßig oder bei Bedarf fixiert werden, zu verschiedenen<br />

Zeitpunkten vor und während des Aufenthalts in TWG<br />

57


Auszeiten bei<br />

Bedarf<br />

Auszeiten<br />

regelmäßig<br />

Gesamtzahl mit<br />

FEM<br />

Zeitpunkt 1 98 (56%) 47 (27%) 175<br />

Zeitpunkt 2 92 (60%) 33 (21%) 154<br />

Zeitpunkt 3 83 (63%) 28 (21%) 131<br />

Zeitpunkt 4 80 (71%) 21 (19%) 113<br />

Zeitpunkt 5 69 (71%) 22 (23%) 97<br />

Tab. 6/30:<br />

Anzahl der Teilnehmer, die regelmäßig oder bei Bedarf in Auszeiten geschickt werden,<br />

zu verschiedenen Zeitpunkten vor und während des Aufenthalts in TWG<br />

6.2.8 Stationäre Aufenthalte in psychiatrischen Krankenhäusern<br />

Sowohl die Anzahl wie die Länge stationärer Psychiatrieaufenthalte sind bei den Teilnehmern<br />

drastisch gesunken. Genaue Zahlen liegen von der Einrichtung H vor. Sie registrierte bei „ihren“<br />

30 Teilnehmern im Jahr vor Beginn des Modellversuchs 11 Psychiatrieaufenthalte mit insgesamt 643<br />

Tagen, im ersten Jahr der TWG nur 1 Aufenthalt, der 1 Tag dauerte, im zweiten Jahr dann<br />

1 Aufenthalt mit einer Verweildauer von 5 Tagen.<br />

58


6.3 Entwicklung ausgewählter Kompetenzen<br />

Zu jedem Messzeitpunkt hatten die Mitarbeiter vier Kompetenzen der Teilnehmer auf einer vierstufigen<br />

Skala einzuschätzen. Die Häufigkeitsverteilungen der Einstufungen sind Abb. 6/31a bis<br />

Abb. 6/31d zu entnehmen. Die entsprechenden Ergebnisse für Zeitpunkt 1 sind im Abschnitt 4.11<br />

dargestellt.<br />

Sprachverständnis zum Zeitpunkt 5<br />

(196 Personen)<br />

Anteil der Personen<br />

40%<br />

35%<br />

30%<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

34,7%<br />

68<br />

36,7%<br />

72<br />

24,5%<br />

48<br />

5%<br />

0%<br />

2,0% 2,0%<br />

4 4<br />

gut eingeschränkt gering fehlend k.A.<br />

Abb. 6/31a: Einstufung auf der Kompetenzskala Sprachverständnis (a)<br />

zum Zeitpunkt 5 (bei Verlassen der TWG)<br />

Sprechfähigkeit zum Zeitpunkt 5<br />

(196 Personen)<br />

Anteil der Personen<br />

35%<br />

30%<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

24,5%<br />

48<br />

30,1%<br />

59<br />

25,5%<br />

50<br />

17,9%<br />

35<br />

5%<br />

0%<br />

2,0%<br />

gut eingeschränkt gering fehlend k.A.<br />

4<br />

Abb. 6/31b: Einstufung auf der Kompetenzskala Sprechfähigkeit (b)<br />

zum Zeitpunkt 5 (bei Verlassen der TWG)<br />

59


Frustrationstoleranz zum Zeitpunkt 5<br />

(196 Personen)<br />

60%<br />

50%<br />

57,1%<br />

112<br />

Anteil der Personen<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

35,2%<br />

69<br />

10%<br />

0%<br />

4,1%<br />

1,5%<br />

2,0%<br />

3 8<br />

4<br />

gut eingeschränkt gering fehlend k.A.<br />

Abb. 6/31c: Einstufung auf der Kompetenzskala Frustrationstoleranz (c)<br />

zum Zeitpunkt 5 (bei Verlassen der TWG)<br />

Lenkbarkeit zum Zeitpunkt 5<br />

(196 Personen)<br />

Anteil der Personen<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

52,6%<br />

103<br />

40,8%<br />

80<br />

10%<br />

0%<br />

3,1%<br />

1,5% 2,0%<br />

6 3<br />

4<br />

gut eingeschränkt gering fehlend k.A.<br />

Abb. 6/31d: Einstufung der Teilnehmer auf der Kompetenzskala Lenkbarkeit (d)<br />

zum Zeitpunkt 5 (bei Verlassen der TWG)<br />

Wenn man die Bewertungen vor dem Einzug in die TWG mit denen beim Auszug vergleicht, dann<br />

zeigen 22% der Teilnehmer ein verbessertes Sprachverständnis, 17,5% eine verbesserte Sprechfähigkeit.<br />

Die Frustrationstoleranz stieg bei 28% der Teilnehmer und für besser lenkbar werden 33%<br />

der Teilnehmer gehalten. Bei wenigen Teilnehmern kam es zu Verschlechterungen (3% bis 9% je<br />

nach Kompetenz). In Abb. 6/32 werden die einzelnen Personen gezählt, bei denen es eine<br />

60


Verbesserung bzw. eine Verschlechterung zwischen Zeitpunkt 1 und Zeitpunkt 5 gab. Die Differenz<br />

dieser Personengruppen ist grau dargestellt.<br />

Veränderung der Kompetenzen<br />

zwischen Zeitpunkt 1 und Zeitpunkt 5<br />

Sprachverständnis<br />

6<br />

37<br />

43<br />

Differenz<br />

Verbesserung<br />

Sprechfähigkeit<br />

9<br />

25<br />

34<br />

Verschlechterung<br />

Frustrationstoleranz<br />

15<br />

39<br />

54<br />

Lenkbarkeit<br />

18<br />

46<br />

64<br />

0 10 20 30 40 50 60 70<br />

Anzahl der Personen<br />

Abb. 6/32: Anzahl der Personen mit unterschiedlichen Kompetenzeinstufungen zum Zeitpunkt 1<br />

(Aufnahme in TWG) und Zeitpunkt 5 (Verlassen der TWG)<br />

Die Unterschiede zwischen den Mittelwerten zum Zeitpunkt 1 und 5 sind bei allen 4 Kompetenzen<br />

signifikant auf dem 1%­Niveau (s. Tab. 6/33).<br />

Mittelwerte<br />

(n = 190)<br />

Standardabweichungen<br />

(n = 190)<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Differenz der<br />

Mittelwerte<br />

t­Tests<br />

Signifikanz der<br />

Mittelwertsunterschiede<br />

Sprachverständnis 2,2 1,9 0,9 0,8 – 0,3 < 1%<br />

Sprechfähigkeit 2,5 2,4 1,0 1,0 – 0,1 < 1%<br />

Frustrationstoleranz 2,9 2,7 0,5 0,6 – 0,2 < 1%<br />

Lenkbarkeit 2,7 2,4 0,5 0,6 – 0,3 < 1%<br />

Tab. 6/33: Mittelwertsunterschiede der Kompetenzskalen für Zeitpunkte 1 und 5<br />

Die verbesserten Kompetenzeinstufungen können transaktional gedeutet deuten. Im Laufe der<br />

Zusammenarbeit entwickeln und vertiefen Bewohner und ihre professionellen Begleiter sprachliche<br />

und nicht­sprachliche Kommunikationswege. Sie verstehen es immer besser, damit das eigene<br />

Verhalten und das des Gegenübers zu regulieren (Vermeiden eskalierender Interaktionen, Prävention<br />

von HV).<br />

61


6.4 Einschätzung der Lebenssituation<br />

Ab dem Zeitpunkt 3 (ein Jahr nach Einzug in die TWG) wurden die Mitarbeiter TWG zu jedem<br />

Messzeitpunkt explizit nach der Entwicklung der Lebenssituation der Teilnehmer gefragt. Hier ist im<br />

Verlauf des Modellversuchs eine positive Tendenz zu verzeichnen. Zum Zeitpunkt 5 hat sich die<br />

Lebenssituation im Vergleich zur Aufnahme in die TWG bei 64% der Teilnehmer verbessert, bei 14%<br />

sogar stark verbessert. Bei 19% der Teilnehmer ist sie gleich geblieben und nur bei 2% wird eine<br />

Verschlechterung wahrgenommen (s. Abb. 6/34). Schon zum Zeitpunkt 3 wurde bei zwei Drittel der<br />

Personen eine Verbesserung der Lebenssituation im Vergleich zum Zustand bei der Aufnahme<br />

festgestellt.<br />

Anteil der Personen<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Vergleich der Lebenssituation<br />

zum Zeitpunkt 5 mit Zustand bei Aufnahme<br />

(196 Personen)<br />

0,5% 1,5%<br />

1<br />

3<br />

18,9%<br />

37<br />

63,8%<br />

125<br />

14,3%<br />

viel schlechter schlechter gleich besser viel besser<br />

28<br />

Abb. 6/34:<br />

Vergleich der Lebenssituation der Teilnehmer zum Zeitpunkt 5 (Beendigung des<br />

Aufenthalts) mit der bei der Aufnahme gemäß den Einschätzungen der Mitarbeiter<br />

62


7 Prognose der Integration und Veränderungen der<br />

herausfordernden Verhaltensweisen<br />

Dieses Kapitel gliedert sich in drei Teilen:<br />

1) prognostische Faktoren aus Sicht der Leitung und Mitarbeiter therapeutischer <strong>Wohngruppen</strong><br />

2) Prognosevariablen für die Reintegration in übliche Wohnformen und die Veränderung herausfordernder<br />

Verhaltensweisen<br />

3) Veränderung herausfordernden Verhaltens: Häufigkeit, Gefährdungspotenzial schwer wiegender<br />

herausfordernder Verhaltensweisen; Veränderbarkeit spezieller Verhaltensweisen<br />

7.1 Prognostische Faktoren aus Sicht der Leitung und Mitarbeiter<br />

<strong>Therapeutische</strong>r <strong>Wohngruppen</strong><br />

In der Trägerbefragung gaben Leitungskräfte und Mitarbeiter <strong>Therapeutische</strong>r <strong>Wohngruppen</strong> an,<br />

welche Personenmerkmale die Reintegration von Teilnehmern in weniger aussondernde Wohn­ und<br />

Betreuungsformen erleichtern und welche sie erschweren. Von einzelnen Trägern wurden auf diese<br />

Frage auch Merkmale der Arbeit <strong>Therapeutische</strong>r <strong>Wohngruppen</strong> und der sich anschließenden<br />

Wohnsettings benannt.<br />

Unabhängig von der Häufigkeit der Nennungen sind in Tab. 7/1 diese Antworten zusammengefasst.<br />

Aus Sicht der Mitarbeiter TWG haben die Auswirkungen und die Beeinflussbarkeit herausfordernder<br />

Verhaltensweisen (durch den Akteur selbst und von außen) einen prognostischen Wert für die<br />

Reintegration. Diese Variablen indizieren das Ausmaß der Herausforderung bzw. der Verfestigung<br />

des Verhaltens und zusammen mit dem Faktor „Länge der Vorgeschichte“ das Stadium seiner<br />

Entwicklung.<br />

Der Grad der <strong>geistig</strong>en Behinderung scheint für die Mitarbeiter ein Indikator für soziale,<br />

kommunikative und Selbststeuerungskompetenzen der Teilnehmer zu sein. Für spezifische<br />

Störungen, bei denen diese Kompetenzen häufig geringer ausgeprägt sind, wird eine ungünstige<br />

Prognose abgegeben.<br />

Ob sich die von Leitungskräften und Mitarbeitern der TWG vermuteten Zusammenhänge auch<br />

empirisch in der Stichprobe nachweisen lassen, wird im Abschnitt 7.2 dargestellt.<br />

63


Merkmale, welche die Reintegration der TWG­Bewohner in nicht­separierende Wohnformen ...<br />

Merkmalsbereiche erleichtern erschweren<br />

Herausforderndes Verhalten<br />

Kompetenzen & Defizite<br />

der Person<br />

Unterstützung / Begleitung<br />

kurze Vorgeschichte des HV<br />

geringe oder mittelschwere Beeinträchtigung der Mitmenschen<br />

(auch bei häufigem Auftreten)<br />

Person verfügt über Impulskontrolle<br />

Person ist von außen lenkbar<br />

Vorhersagbarkeit des Verhaltens<br />

Identifizierbarkeit der Auslöser<br />

medikamentös beeinflussbare psychische Erkrankung<br />

Unruhe (als HV)<br />

leichte bis mittelgradige <strong>geistig</strong>e Behinderung<br />

(wegen besserer Motivation zur Selbststeuerung,<br />

leichterem Erwerb von Kompetenzen und Copingstrategien)<br />

gute kommunikative Fähigkeiten<br />

Fähigkeit zur Eigenbeschäftigung<br />

junges Alter<br />

klare Diagnostik und reflektiertes eindeutiges pädagogisches Handeln<br />

permanentes Einbringen / Anbieten von Handlungsalternativen<br />

Vermittlung von Angenommensein und Verantwortlichkeit<br />

Reintegration in Tagesstruktur ist die Voraussetzung<br />

Möglichkeit, individuelle Wohn­ und Unterstützungsarrangements<br />

zu schaffen<br />

langjährige Vorgeschichte des HV<br />

Schwerwiegende, bedrohliche Auswirkungen für Person selbst<br />

und andere Personen<br />

HV ist schwer steuerbar<br />

HV ist anscheinend nicht einem Zweck oder einer Absicht<br />

verbunden<br />

schwere <strong>geistig</strong>e Behinderung<br />

schwere Störung des Kommunikations­ und Sozialverhaltens,<br />

kaum Kontakte zu Mitbewohnern<br />

Spezifische Störungen: Schädel­Hirn Trauma, Autismus,<br />

anhaltende psychiatrische Störungen<br />

geringe Anzahl von <strong>Wohngruppen</strong>, die<br />

Unterstützungsmöglichkeit leisten können<br />

Strittige Merkmale<br />

zwanghaftes Verhalten<br />

Dauer des institutionellen<br />

Wohnens<br />

Tab. 7/1:<br />

Prognostische Faktoren, die aus Sicht der Leitungskräfte und Mitarbeiter TWG eine Reintegration der Teilnehmer in nicht­separierende<br />

<strong>Wohngruppen</strong> erleichtern oder erschweren<br />

64


7.2 Prognosevariablen für die Reintegration in nicht­separierende<br />

Wohnformen und die Veränderung herausfordernder Verhaltensweisen<br />

Ziel der Untersuchungen ist es, Faktoren zu identifizieren, mit deren Hilfe sich die folgenden Aspekte<br />

vorhersagen lassen:<br />

a) die Reintegration in übliche, nicht separierende Wohnformen,<br />

b) die Veränderung herausfordernder Verhaltensweisen.<br />

Der Erfolg therapeutischer und <strong>Wohngruppen</strong> im Sinne der Reintegration wird durch zwei Indikatoren<br />

gemessen:<br />

1) Erfolgskriterium: tatsächliche Reintegration in andere Wohnformen<br />

2) strenges Erfolgskriterium: enthält im Gegensatz zum ersten Kriterium keine Personen, die nach<br />

Ende des Modellversuchs in einer homogen mit Personen mit HV zusammengesetzten<br />

Wohngruppe leben<br />

Die Veränderung herausfordernder Verhaltensweisen wird durch die Differenz der Anzahl der<br />

verschiedenartiger herausfordernder Verhaltensweisen zwischen den Zeitpunkten 5 und 1 indiziert.<br />

Die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen (FEM) wurde im Modellversuch drastisch<br />

verringert. Es wurde untersucht, mit welchen Variablen sich die Anwendung freiheitsentziehender<br />

Maßnahmen zum Zeitpunkt 5 vorhersagen lässt.<br />

Methodische Herangehensweise<br />

Die potentiellen Prognosefaktoren lassen sich folgenden Bereichen zuordnen:<br />

• biografische Merkmale, Diagnosen<br />

• Kompetenzen, allgemeiner und spezielle Hilfebedarfe<br />

• Merkmale des herausfordernden Verhaltens<br />

• Merkmale des sozialen Netzwerks und der Lebensbereiche der Person<br />

• spezielle Merkmale in der Hilfeplanung und Hilfeerbringung<br />

Aufgrund der Natur der Datenerhebung (fehlende experimentelle Kontrolle, „Feldcharakter“ des<br />

Modellversuches) ist es nicht möglich direkte Kausalannahmen im Sinne von Ursache und Wirkung zu<br />

machen. Über die Analyse der Zusammenhänge zwischen den oben genannten Variablen kann<br />

jedoch zumindest versucht werden, einen ersten Einblick über relevante Faktoren für die Reintegrationsfähigkeit<br />

der Teilnehmer zu bekommen.<br />

Im einem ersten Schritt kamen Verfahren der Regressionsanalyse zum Einsatz. Unter Regression<br />

versteht man das Schätzen des Wertes einer Kriteriumsvariablen aus der Kenntnis der Ausprägung<br />

anderer Variablen, der sogenannten „Prädiktorvariablen“ (Prognosefaktoren). Die Schätzung einer<br />

Kriteriumsvariable (z.B. „Reintegrationserfolg“) mit Hilfe anderer Variablen funktioniert um so besser,<br />

je höher der absolute Betrag der wechselseitigen Korrelationen ist. Üblicherweise wird dabei von<br />

intervallskalierten Kriteriumsvariablen sowie einem linearen Zusammenhang ausgegangen und eine<br />

lineare Regressionsgleichung verwendet.<br />

Dieser Fall liegt allerdings im Modellversuch nicht vor. Hier sind die zentralen Kriteriumsvariablen<br />

dichotom (binär), d.h. sie können nur zwei Ausprägungen annehmen: „Erfolg“ vs. „kein Erfolg“. Eine<br />

lineare Regression würde unter diesen Bedingungen das Ergebnis verfälschen. Daher wurde auf ein<br />

alternatives Analyseverfahren zurückgegriffen, das den Besonderheiten der vorliegenden Daten<br />

besser Rechnung trägt: Die „logistische Regression“.<br />

Bedauerlicherweise liegen jedoch für dieses Verfahren keine ausreichend vollständigen Daten bei den<br />

Prognosefaktoren vor. Zwar wurden mit unterschiedlichen Sets von Prognosefaktoren verschiedene<br />

logistische Regressionsanalysen durchgeführt, aber in den meisten Fällen versagte die Schätzung der<br />

„maximum likelihood“, welches eine wichtige Voraussetzung für die Bestimmung der Koeffizienten<br />

65


darstellt. Ohne Regressionskoeffizienten ist eine Gewichtung von Prognosevariablen und die<br />

Interpretation ihrer Bedeutung hinsichtlich der Erreichung des Zielkriteriums nicht zu ermitteln.<br />

Zumindest nicht mittels dieses Verfahrens.<br />

Im zweiten Schritt wurde deshalb ein „einfacherer“ Zugang zur Bestimmung der Abhängigkeiten<br />

zwischen den Variablen gewählt: Es wurden Korrelationen zwischen den verschiedenen Prognosefaktoren<br />

einerseits (jeweils aus den Erhebungszeitpunkte 1 und 5) und den Kriteriumsvariablen<br />

berechnet.<br />

Die folgende Tab. 7/2 listet die Koeffizienten auf, deren Betrag größer als 0,2 ist. Nicht signifikante<br />

Korrelationen werden nur dann aufgelistet, wenn bedeutsame Zusammenhänge in der<br />

Trägerbefragung oder in der Literatur postuliert werden.<br />

66


Tab. 7/2:<br />

Korrelation von Variablen mit den Kriteriumsvariablen für Reintegration und mit weiteren Indikatoren für Veränderungen<br />

Legende: n.s. „nicht signifikant“<br />

*– signifikant auf 5%­Niveau, Betrag der Korrelation ist jedoch kleiner als 0,20<br />

alle anderen Werte sind signifikant auf 5%­Niveau<br />

Variablen<br />

Erfolgskriterium Strenges Erfolgskriterium Differenz der Anzahl<br />

herausf. Verhaltensweisen<br />

(Zeitpunkt 5 – Zeitpunkt 1)<br />

Anwendung freiheitsentziehender<br />

Maßnahmen<br />

zum Zeitpunkt 5<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 5<br />

Biografische Merkmale, Diagnosen<br />

Alter / Geburtsjahr n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s.<br />

Geschlecht n.s. n.s n.s. n.s. n.s. n.s. n.s.<br />

Alter bei Aufnahme in e. Wohneinrichtung n.s. n.s. *– *– n.s. n.s. n.s.<br />

Grad der <strong>geistig</strong>en Behinderung n.s. n.s. 0,22<br />

Diagnose einer psychischen Störung n.s. n.s. n.s.<br />

Diagnose Schizophrenie, schizotype Störung n.s. n.s. 0,25<br />

Diagnose Autismus n.s. *– n.s.<br />

Diagnose medizinischer Ursachen für HV 0,33 n.s. 0,36<br />

Kompetenzen, allgemeiner und spezielle Hilfebedarfe<br />

HMB­W (Gesamtscore) *– n.s. n.s.<br />

Gestaltung sozialer Beziehungen im<br />

unmittelbaren Nahbereich<br />

0,29 n.s. n.s.<br />

Eigenbeschäftigung 0,25 0,23 n.s.<br />

Orientierung in vertrauter Umgebung 0,24 n.s. n.s.<br />

Frustrationstoleranz n.s. 0,29 *– 0,33 n.s. 0,21 ­0,35<br />

Lenkbarkeit *– 0,22 0,25 0,50 *– n.s. ­0,26<br />

Pflegestufe n.s. n.s. ­0,27<br />

67


Variablen<br />

Erfolgskriterium Strenges Erfolgskriterium Differenz der Anzahl<br />

herausf. Verhaltensweisen<br />

(Zeitpunkt 5 – Zeitpunkt 1)<br />

Anwendung freiheitsentziehender<br />

Maßnahmen<br />

zum Zeitpunkt 5<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 5<br />

Merkmale des herausfordernden Verhaltens<br />

absolute Anzahl der HV n.s. 0,21 0,29 0,30 ­0,53 0,38 ­0,35<br />

Differenz der HV zwischen<br />

Zeitpunkt 5 und Zeitpunkt 1<br />

n.s. n.s. n.s. n.s. (Identität) (Identität) ­0,25<br />

Störungen des Essverhaltens, 1.9 n.s. 0,20 n.s. *– ­0,29 0,24 n.s.<br />

Schlagen, Kneifen (sich selbst), 1.15 *– *– *– 0,24 n.s. 0,21 *–<br />

Beißen, Kratzen (sich selbst), 1.16 n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. 0,21 ­0,22<br />

Absichtliches Fallen, 1.17 *– *– *– n.s. n.s. n.s. ­0,24<br />

Verschlucken von Gegenständen, 1.23 n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. ­0,23<br />

Kotschmieren, 2.2 *– 0,24 n.s. *– n.s. 0,24 ­0,31<br />

Kotessen, 2.3 n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. ­0,22<br />

inadäquates An­ und Ausziehen, 2.10 *– 0,25 n.s. n.s. n.s. n.s. n.s.<br />

Rituelles, zwanghaftes Verhalten, 2.11 *– n.s. 0,20 *– n.s. 0,25 n.s.<br />

Eindringen in fremde Räume, 2.13 n.s. n.s. n.s. n.s. *– 0,25 ­0,27<br />

Aufsässiges Verhalten, 2.15 *– n.s. n.s. n.s. ­0,26 n.s. ­0,23<br />

Ohrfeigen, 3.5 n.s. n.s. 0,20 *– *– *– *–<br />

Haare ausreißen, 3.6 n.s. n.s. *– *– n.s. 0,24 ­0,22<br />

Werfen / Schlagen mit harten Gegenständen,<br />

3.14<br />

*– n.s. n.s. n.s. n.s. 0,31 ­0,24<br />

Zerreißen von Kleidungsstücken, 4.1 n.s. 0,20 0,22 0,28 n.s. *– ­0,21<br />

Gegen Möbel und Fenster treten / schlagen,<br />

4.2<br />

Zerstören von eigenem oder fremden<br />

Eigentum, 4.3<br />

durchschnittl. Gefährdungspotential<br />

aller SHVs einer Person<br />

durchschnittl. Häufigkeit aller SHVs<br />

einer Person<br />

n.s. n.s. *– n.s. n.s. 0,25 ­0,29<br />

0,21 0,27 0,23 0,23 *– 0,35 *–<br />

n.s. *– n.s. 0,23 ­0,35 *– *–<br />

n.s. 0,42 n.s. 0,21 n.s. n.s. n.s.<br />

68


Variablen<br />

Erfolgskriterium Strenges Erfolgskriterium Differenz der Anzahl<br />

herausf. Verhaltensweisen<br />

(Zeitpunkt 5 – Zeitpunkt 1)<br />

Anwendung freiheitsentziehender<br />

Maßnahmen<br />

zum Zeitpunkt 5<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 5<br />

Merkmale des sozialen Netzwerks und der Lebensbereiche der Person<br />

WfbM n.s. ­0,26 n.s. ­0,26 n.s. n.s. n.s.<br />

Stundenanzahl Tagestruktur außerhalb *– n.s. *– ­0,23 n.s. n.s. *–<br />

Kontakte zu Angehörigen n.s. n.s. n.s. *– n.s. n.s. *–<br />

Freunde innerhalb der TWG n.s. n.s. n.s. n.s. 0,22 0,20 n.s.<br />

Freunde außerhalb der TWG n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. *– n.s.<br />

bevorzugte Mitarbeiter innerhalb der TWG n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s.<br />

bevorzugte Mitarbeiter außerhalb der TWG n.s. n.s. n.s. n.s. 0,26 n.s. *–<br />

spezielle Merkmale in der Hilfeplanung und Hilfeerbringung<br />

Anzahl der betreuenden Mitarbeiter ­0,22 n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s.<br />

Anzahl regelmäßig verab. Psychopharmaka n.s. *– n.s. n.s. ­0,23 n.s. n.s.<br />

Freiheitsentziehende Maßnahmen ­0,21 ­0,22 *– ­0,24 n.s. ­0,25 (Identität)<br />

psychotherap. Maßnahmen nach SGB V *– n.s. 0,38 n.s.<br />

Veränderung der Medikation n.s. n.s. 0,28 n.s.<br />

Vergleich jetzige Situation mit Zustand bei<br />

Aufnahme (Zeitpunkt 1)<br />

Vergleich Verhaltensprobleme mit denen seit<br />

der letzten Beschreibung (meist Zeitpunkt 4)<br />

­0,30 ­0,21 ­0,22 n.s.<br />

n.s. n.s. ­0,21 n.s.<br />

69


Ergebnisse<br />

Insgesamt erreichen nur wenige Korrelationen einen Wert von größer gleich + 0,2 oder kleiner gleich<br />

– 0,2. Noch weniger weisen eine Korrelation auf, die betragsmäßig stärker ist als 0,3.<br />

Zum einen mag das mit der geringen Zuverlässigkeit (Reliabilität) der Messungen durch die Vielzahl<br />

von Antwortgebern/„Ratern“ in den unterschiedlichen Einrichtungen zu tun haben. Dadurch bedingte<br />

Messfehler verschleiern mögliche Zusammenhänge. Zum anderen dürfte die Beschaffenheit des<br />

Realitätsbereichs selbst für die mäßigen Korrelationen verantwortlich sein. Die Veränderung von<br />

herausfordernden Verhaltensweisen und insbesondere die Reintegration in andere Wohnsettings sind<br />

multifaktoriell bedingt. Einzelvariablen haben nur einen vergleichsweise geringen Anteil am<br />

Zustandekommen der Ergebnisse.<br />

Reintegration in nicht­separierende Wohnsettings<br />

Entgegen oft geäußerter Erwartungen bestehen keine statistisch relevanten Zusammenhänge<br />

zwischen verschiedenen biografischen Merkmalen (Alter, Geschlecht, Alter bei Aufnahme in<br />

Wohneinrichtung) bzw. psychiatrischen Diagnosen (Schwere der <strong>geistig</strong>en Behinderung,<br />

Vorhandensein einer psychischen Störung, Schizophrenie, Autismus) und dem Reintegrationserfolg.<br />

Auch der allgemeine Hilfebedarf gemäß HMB­W und und die Pflegestufe korrelieren nicht mit dem<br />

Erfolg. Einzelne Kompetenzen, wie die Fähigkeit zur eigenen Beschäftigung und zur Gestaltung<br />

sozialer Beziehung im Nahbereich, die vor dem Einzug in die TWG erhoben wurden, scheinen einen<br />

gewissen Prognosewert für die Reintegration zu haben. Die Steuerungsfähigkeit des Verhaltens durch<br />

die Person selbst oder andere (Frustrationstoleranz, Lenkbarkeit) korreliert relativ hoch mit dem<br />

Reintegrationserfolg, wenn sie am Ende der TWG gemessen wird. Auf der Basis der Diagnose dieser<br />

Kompetenzen zum Aufnahmezeitpunkt ist jedoch keine Vorhersage möglich.<br />

Die Anzahl herausfordernder Verhaltensweisen korreliert negativ mit dem Reintegrationserfolg, und<br />

zwar schon bei der Aufnahme in die TWG. Einige spezielle Verhaltensweisen erschweren besonders<br />

die Reintegration in nicht separierende Settings (strenges Erfolgskriterium): sich selbst Schlagen und<br />

Kneifen, rituelles und zwanghaftes Verhalten, Ohrfeigen geben, das Zerreißen von Kleidungsstücken<br />

und die Zerstörung von eigenem und fremden Eigentum. Die Korrelationen sind signifikant, gleichwohl<br />

vergleichsweise gering im Bereich von r = – 0,2 Das Gefährdungspotenzial und die Häufigkeit der<br />

SHV einer Person korrelieren erst, wenn sie am Ende der TWG­Zeit gemessen werden, mit dem<br />

Reintegrationserfolg. Eine Prognose auf der Basis der Ausprägungen dieser Merkmale zu Beginn des<br />

TWG­Aufenthalts ist nicht möglich.<br />

Interessanterweise besteht kein positiver korrelativer Zusammenhang zwischen der Reintegration in<br />

andere Wohnsettings und der Reduktion der Anzahl herausfordernden Verhaltensweisen. Im Klartext<br />

heißt das, dass eine <strong>Therapeutische</strong> Wohngruppe sehr erfolgreich arbeiten kann in Bezug auf die<br />

Veränderung herausfordernder Verhaltensweisen, ohne dass sich für den Teilnehmer daraus jedoch<br />

eine konkrete Reintegrationsperspektive ergibt. Die Reintegration hängt neben den Auswirkungen der<br />

herausfordernd Verhaltensweisen von vielen anderen strukturellen Gegebenheiten ab: dem<br />

Engagement TWG, den Angeboten und der Bereitschaft der regionalen Wohndienste, dem Niveau der<br />

Zusammenarbeit in einem regionalen Versorgungssystem (z.B. Verbindlichkeit der Kooperation,<br />

wahrgenommene Versorgungsverpflichtung), den Anreizstrukturen in der Behindertenhilfe (flexible<br />

Bereitstellung von Ressourcen durch Leistungsträger und innerhalb der Wohndienste).<br />

Merkmale des persönlichen sozialen Netzwerks korrelieren nicht mit den Reintegrationskriterien. Die<br />

Möglichkeit eine WfbM oder eine andere auswärtige Tagesstruktur zu besuchen, ist zum Zeitpunkt der<br />

Entlassung eine wichtige Voraussetzung für die Reintegration (positive Korrelation). Die<br />

Notwendigkeit, freiheitsentziehende Maßnahmen anzuwenden, erschwert dagegen die Rückkehr in<br />

andere Wohnformen.<br />

Veränderung der herausfordernden Verhaltensweisen<br />

Die Verringerung der Anzahl herausfordernder Verhaltensweisen korreliert am stärksten mit<br />

spezifischen Leistungen der <strong>Therapeutische</strong>n <strong>Wohngruppen</strong>. Zu diesen gehören eine ausführliche<br />

Diagnose möglicher medizinischer Ursachen, eine Veränderung der Medikation und die Anwendung<br />

70


psychotherapeutischer Maßnahmen nach SGB V. Diese Variablen lassen sich auch als Kennzeichen<br />

für zielorientiert und interdisziplinär arbeitende Programme auffassen.<br />

Bei Personen mit einer schizophrenen Störung und bei Personen mit einem geringeren Grad der<br />

<strong>geistig</strong>en Behinderung (leicht, mittelgradig) fällt der Rückgang in der Tendenz stärker aus. Das<br />

Vorhandensein einer autistischen oder allgemein einer psychischen Störung korreliert jedoch nicht mit<br />

dem Veränderungsmaß. Überraschend ist, dass mit steigender Pflegestufe größere Verhaltensänderungen<br />

erreicht wurden.<br />

Je höher die Anzahl der herausfordernden Verhaltensweisen zu Beginn der therapeutischen Arbeit ist,<br />

desto größer fallen im Schnitt auch die Reduktionen aus. Das erklärt die hohe Korrelation des<br />

Ausgangsniveaus (Anzahl herausfordernder Verhaltensweisen zum Zeitpunkt 1) mit dem<br />

Veränderungsmaß.<br />

Das Vorhandensein von Freunden innerhalb TWG hängt positiv mit der Reduktion zusammen, die<br />

Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen korreliert negativ.<br />

Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen<br />

Ob freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) im Einzelfall angewandt werden, hängt zum einen mit der<br />

Steuerbarkeit herausfordernder Verhaltensweisen durch die Person selbst und andere zusammen<br />

(negative Korrelation mit den Kompetenzen Frustrationstoleranz und Lenkbarkeit). Zum anderen<br />

sollen FEM die Auswirkungen bestimmter Verhaltensweisen verhindern. Deshalb korrelieren eine<br />

Reihe von einzelnen Verhalternsweisen und die absolute Anzahl HV positiv mit der Anwendung FEM.<br />

Zu den spezifischen herausfordernden Verhaltensweisen gehören: sich selbst Beißen oder Kratzen,<br />

absichtliches sich Fallenlassen, Verschlucken von Gegenständen, Kotschmieren, Kotessen, das<br />

Eindringen in fremde Räume, aufsässiges Verhalten, sich Haare Ausreißen, das Werfen und<br />

Schlagen mit harten Gegenständen, das Zerreißen von Kleidungsstücken, das Treten und Schlagen<br />

gegen Möbel und Fenster.<br />

71


7.3 Veränderung schwerwiegend herausfordernden Verhaltens<br />

In diesem Abschnitt wird den Fragen nachgegangen,<br />

• wie sich das Gefährdungspotenzial und die Häufigkeit von schwerwiegendem herausforderndem<br />

Verhalten bei den Teilnehmern im Laufe des TWG­Aufenthalts entwickeln und<br />

• inwieweit sich einzelne Verhaltensweisen im Rahmen der TWG als veränderbar beziehungsweise<br />

veränderungsresistent erweisen.<br />

Methodisch wird folgendermaßen vorgegangen:<br />

Analysiert werden ausschließlich die herausfordernden Verhaltensweisen, welche die Befragten bei<br />

der jeweiligen Person als besonders schwerwiegend eingestuft haben.<br />

Es werden nur Personen einbezogen, zu denen Datensätze zu allen fünf Erhebungszeitpunkten<br />

vorliegen (Längsschnitterhebung mit Paneldesign).<br />

Dadurch werden Personen aus der Stichprobe ausgeschlossen, die in den ersten zwei Jahren und<br />

überwiegend als „Erfolge“ die TWG verlassen haben. Durch diese Stichprobenverzerrung werden die<br />

Veränderungen von SHV, die stattgefunden haben, tendenziell unterschätzt.<br />

7.3.1 Gefährdungspotenzial der SHV einer Person<br />

Zuerst wurde für jede Person der Mittelwert aller Gefährdungs­potentiale ihrer SHV berechnet.<br />

Anschließend wurde nochmals über alle Personen der Durchschnittswert dieser Mittelwerte für jeden<br />

Zeitpunkt einzeln errechnet (s. Abb. 7/3).<br />

Entwicklung des durchschnittlichen<br />

Gefährdungspotentials der SHV<br />

(177 Personen)<br />

Durchschnitt Gefährdungspotential<br />

3<br />

2<br />

1<br />

hohe Gefährdung<br />

1,9<br />

1,8<br />

1,7<br />

1,6 1,6<br />

leichte Gefährdung<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/3:<br />

Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV, die Höhe der<br />

vertikalen, blauen Linien entspricht der Standardabweichung<br />

Laut Trägerbefragung ist das Gefährdungspotenzial von HV ein wesentliches Reintegrationserschwernis.<br />

Das durchschnittliche Gefährdungspotenzial der SHV nahm über die Zeit kontinuierlich<br />

ab. Der Rückgang ist signifikant auf dem 1% Niveau.<br />

72


Die Tab. 7/4 stellt die Entwicklung für die „Eckzeitpunkte“ 1 und 5 und für jede Einrichtung einzeln dar.<br />

Bis auf die Einrichtung A ist das Ausgangsniveau in den verschiedenen Einrichtungen relativ ähnlich.<br />

Die Veränderungen des Gefährdungspotenzials fallen jedoch sehr unterschiedlich aus. In zwei<br />

Einrichtungen (E, K) nimmt das durchschnittliche Gefährdungspotenzial der Personen sogar leicht zu.<br />

In den anderen Einrichtungen geht das Gefährdungspotenzial, das mit dem HV einer Person<br />

verbunden ist, zurück, in der insgesamt erfolgreich arbeitenden Einrichtung H sogar um 0,8 von<br />

maximal 2,0 möglichen Punkten.<br />

Differenz des durchschnittlichen Gefährdungspotentials<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Differenz<br />

Einrichtung 01 (A) 1,4 1,3 ­0,1<br />

Einrichtung 02 (E) 1,8 2,0 0,2<br />

Einrichtung 03 (B) 1,9 1,3 ­0,6<br />

Einrichtung 04 (H) 2,2 1,4 ­0,8<br />

Einrichtung 05 (F) 2,3 2,0 ­0,3<br />

Einrichtung 06 (G) n.a. n.a n.a.<br />

Einrichtung 07 (D) 1,8 1,5 ­0,3<br />

Einrichtung 08 (C) 2,1 1,9 ­0,2<br />

Einrichtung 09 (K) 1,8 2,0 0,2<br />

Einrichtung 10 (L) 1,8 1,6 ­0,2<br />

Gesamt: 1,9 1,6 ­0,3<br />

Tab. 7/4:<br />

Differenz des durchschnittlichen Gefährdungspotentials bei verschiedenen Einrichtungen<br />

73


7.3.2 Häufigkeit der SHV einer Person<br />

Die nächste Abbildung zeigt die Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV. Bei der<br />

Berechnung wurde wie beim Gefährdungspotenzial im Abschn. 7.3.1 verfahren. Die durchschnittliche<br />

Auftretenshäufigkeit von SHV ging kontinuierlich von „mehrmals die Woche“ (4) auf ca. „einmal die<br />

Woche“ (3) zurück. Der Rückgang ist signifikant auf dem 1% Niveau.<br />

Entwicklung der durchschnittlichen<br />

Häufigkeit der SHV<br />

(177 Personen)<br />

6<br />

unentwegt<br />

Durchschnitt der Häufigkeit<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

4,2<br />

3,9<br />

3,6<br />

3,4<br />

3,2<br />

1<br />

gar nicht<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/5:<br />

Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV, die Höhe der vertikalen, blauen<br />

Linien entspricht der Standardabweichung<br />

Die durchschnittliche Auftretenshäufigkeit einer SHV zum Zeitpunkt 1 streut nicht sehr breit zwischen<br />

den Einrichtungen. In allen Einrichtungen treten die als schwerwiegend qualifizierten HV zum<br />

Zeitpunkt 5 weniger häufig auf. Die Reduktion fällt jedoch von Einrichtung zu Einrichtung höchst<br />

unterschiedlich aus. Die Einrichtung D, die auch sehr erfolgreich reintegriert hat, verzeichnet auch den<br />

stärksten Rückgang im Auftreten schwer wiegender herausfordernder Verhaltensweisen.<br />

74


Differenz der durchschnittlichen Häufigkeit<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Differenz<br />

Einrichtung 01 (A) 4,3 3,4 ­0,9<br />

Einrichtung 02 (E) 4,4 4,3 ­0,1<br />

Einrichtung 03 (B) 4,4 4,1 ­0,3<br />

Einrichtung 04 (H) 4,1 3,1 ­1,0<br />

Einrichtung 05 (F) 3,8 2,5 ­1,3<br />

Einrichtung 06 (G) n.a. n.a. n.a.<br />

Einrichtung 07 (D) 4,4 3,0 ­1,4<br />

Einrichtung 08 (C) 4,2 3,7 ­0,5<br />

Einrichtung 09 (K) 4,1 3,4 ­0,7<br />

Einrichtung 10 (L) 3,9 2,8 ­1,1<br />

Gesamt: 4,2 3,2 ­1,0<br />

Tab. 7/6:<br />

Differenz der durchschnittlichen Häufigkeit bei verschiedenen Einrichtungen<br />

7.3.3 Entwicklung des Gefährdungspotenzials und der Häufigkeit einzelner SHV<br />

Dargestellt werden die Ergebnisse für einzelne schwerwiegende herausfordernde Verhaltensweisen,<br />

die im Mittel der Messzeitpunkte mindestens zwanzigmal als solche benannt wurden. Die komplette<br />

Ergebnisliste für alle schwerwiegenden herausfordernd Verhaltensweisen findet sich im Anhang.<br />

Zugrunde gelegt wird ein Trenddesign: In die Berechnung fließen alle zu den bestimmten Zeitpunkt<br />

vorliegenden, als SHV qualifizierten Fälle ein. Die gleiche Verhaltensweise muss nicht<br />

notwendigerweise bei einer Person zu allen 5 Messzeitpunkten als schwer herausfordernd<br />

eingeschätzt werden. Diese Vorgehensweise unterschätzt positive Verhaltensänderungen, da<br />

Verhaltensweisen, die gar nicht mehr als schwerwiegend eingeschätzt werden („Erfolge“), vor allem zu<br />

den späteren Messzeitpunkten nicht in der Stichprobe auftauchen.<br />

Schwerwiegende herausfordernde Verhaltensweisen werden in acht Gruppen kategorisiert<br />

besprochen, und zwar beginnend mit den Verhaltensweisen mit dem höchsten Gefährdungspotenzial<br />

bei Eintritt in die TWG: aggressive Verhaltensweisen gegenüber anderen Personen, aggressive<br />

Verhaltensweisen gegenüber Sachen; stark selbst gefährdende Verhaltensweisen; selbst<br />

verletzendes Verhalten; kommunikative belastende Verhaltensweisen; Andere störende<br />

Verhaltensweisen; Beeinträchtigungen im Leistungsbereich; Kommunikation vermeidende<br />

Verhaltensweisen. Diskutiert wird die Entwicklung der Gefährdungspotenziale und der Häufigkeiten<br />

der einzelnen Verhaltensweisen.<br />

Handgreifliche aggressive Verhaltensweisen gegenüber anderen Personen<br />

Die Gefahr, die von Handgreiflichkeiten ausgeht, bleibt über die Zeit in etwa gleich. Nur Drohgebärden<br />

verlieren ihren hoch kritischen Charakter. Erfreulicherweise treten aggressive Verhaltensweisen<br />

jedoch mit der Zeit seltener auf. Zum Beispiel kommt mehrmals wöchentliches Toben im Mittel zum<br />

Zeitpunkt 5 nur noch einmal in der Woche vor; wöchentlich sich ereignende handgreifliche<br />

Wutausbrüche im Mittel noch ein bis zweimal im Monat.<br />

75


hochkritisch<br />

3<br />

Entwicklung des durchschnittlichen<br />

Gefährdungspotentials der SHV<br />

3.1, 3.2, 3.4, 3.7, 3.8<br />

SHV 3.1<br />

SHV 3.2<br />

SHV 3.4<br />

SHV 3.7<br />

SHV 3.8<br />

ernst<br />

2<br />

leicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/7a:<br />

Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV drohende<br />

Gebärden (3.1), Toben (3.2), handgreifliche Wutausbrüche (3.4); Schlagen, Treten,<br />

Kneifen (3.7), Beißen, Kratzen (3.8)<br />

unentwegt<br />

1­2x tägl.<br />

6<br />

5<br />

Entwicklung der durchschnittlichen<br />

Häufigkeit der SHV<br />

3.1, 3.2, 3.4, 3.7, 3.8<br />

SHV 3.1<br />

SHV 3.2<br />

SHV 3.4<br />

SHV 3.7<br />

SHV 3.8<br />

mehrm. wö.<br />

4<br />

1x wöchent.<br />

3<br />

1­2x monatl.<br />

2<br />

gar nicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/7b: Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV drohende Gebärden (3.1),<br />

Toben (3.2), handgreifliche Wutausbrüche (3.4); Schlagen, Treten, Kneifen (3.7), Beißen,<br />

Kratzen (3.8)<br />

76


Aggressive Verhaltensweisen gegenüber Sachen<br />

hochkritisch<br />

3<br />

Entwicklung des durchschnittlichen<br />

Gefährdungspotentials der SHV<br />

4.1, 4.2, 4.3<br />

SHV 4.1<br />

SHV 4.2<br />

SHV 4.3<br />

ernst<br />

2<br />

leicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/8a:<br />

Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV Zerreißen von<br />

Kleidungsstücken (4.1), gegen Möbel oder Fenster treten/schlagen (4.2), Zerstören von<br />

eigenen oder fremden Eigentum (4.3)<br />

unentwegt<br />

6<br />

Entwicklung der durchschnittlichen<br />

Häufigkeit der SHV<br />

4.1, 4.2, 4.3<br />

SHV 4.1<br />

SHV 4.2<br />

SHV 4.3<br />

1­2x tägl.<br />

5<br />

mehrm. wö.<br />

4<br />

1x wöchent.<br />

3<br />

1­2x monatl.<br />

2<br />

gar nicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/8b:<br />

Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV Zerreißen von<br />

Kleidungsstücken (4.1), gegen Möbel oder Fenster treten/schlagen (4.2), Zerstören von<br />

eigenen oder fremden Eigentum (4.3)<br />

Im Unterschied zum handgreiflichen Verhalten gegenüber Personen wird bei aggressiven<br />

Verhaltensweisen gegenüber Sachen am Ende der TWG­Zeit die damit verbundene Gefährdung<br />

77


deutlich geringer eingeschätzt. Die Häufigkeit dieser Verhaltensweisen verändert sich über die Zeit<br />

allerdings wenig. Offensichtlich haben Mitarbeiter und Bewohner gelernt, mit diesen im Schnitt<br />

wöchentlich auftretenden Verhaltensweisen besser zurecht zukommen.<br />

Stark selbst gefährdende Verhaltensweisen<br />

hochkritisch<br />

3<br />

Entwicklung des durchschnittlichen<br />

Gefährdungspotentials der SHV<br />

1.6, 1.7, 1.9, 1.11, 1.14<br />

SHV 1.6<br />

SHV 1.7<br />

SHV 1.9<br />

SHV 1.11<br />

SHV 1.14<br />

ernst<br />

2<br />

leicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/9a:<br />

Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV<br />

Schlafstörungen (1.6), Weglaufen (1.7), Störungen des Essverhaltens (1.9), maßloses<br />

Essen (1.11), Suchtverhalten (Rauschmittel; 1.14)<br />

unentwegt<br />

1­2x tägl.<br />

6<br />

5<br />

Entwicklung der durchschnittlichen<br />

Häufigkeit der SHV<br />

1.6, 1.7, 1.9, 1.11, 1.14<br />

SHV 1.6<br />

SHV 1.7<br />

SHV 1.9<br />

SHV 1.11<br />

SHV 1.14<br />

mehrm. wö.<br />

4<br />

1x wöchent.<br />

3<br />

1­2x monatl.<br />

2<br />

gar nicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/9b: Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV Schlafstörungen (1.6),<br />

Weglaufen (1.7), Störungen des Essverhaltens (1.9), maßloses Essen (1.11),<br />

Suchtverhalten (Rauschmittel; 1.14)<br />

78


Die einzige Verhaltensweise, die außer handgreiflichen Aggressionen, in der Regel zu hoch kritischen<br />

Situationen führt, ist das so genannte Weglaufen. Rauschmittelsüchte und maßloses Essen stellen<br />

auch am Ende der TWG Zeit eine ernste Gefährdung dar, dagegen werden Schlafstörungen für<br />

weniger bedrohlich gehalten. Die Häufigkeit von Suchtverhaltensweisen und maßlosem Essen hat<br />

sich im Laufe des TWG­Aufenthalts kaum verändert. Für diese Verhaltensweisen scheinen die<br />

<strong>Therapeutische</strong>n <strong>Wohngruppen</strong> nicht das geeignete Setting zu sein. Erfreulich ist der starke<br />

Rückgang der Auftretenshäufigkeit von Weglaufverhalten, von Schlafstörungen und von Störungen<br />

des Essverhaltens auch bei denjenigen, die dieses Verhalten weiterhin noch zeigen.<br />

Selbst verletzendes Verhalten<br />

hochkritisch<br />

3<br />

Entwicklung des durchschnittlichen<br />

Gefährdungspotentials der SHV<br />

1.15, 1.16, 1.22<br />

SHV 1.15<br />

SHV 1.16<br />

SHV 1.22<br />

ernst<br />

2<br />

leicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/10a: Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV sich selbst Schlagen,<br />

Kneifen (1.15), sich selbst Beißen, Kratzen (1.16), sich selbst an der Wand blutig<br />

schlagen, den Kopf gegen einen Gegenstand schlagen (1.22)<br />

79


unentwegt<br />

6<br />

Entwicklung der durchschnittlichen<br />

Häufigkeit der SHV<br />

1.15, 1.16, 1.22<br />

SHV 1.15<br />

SHV 1.16<br />

1­2x tägl.<br />

5<br />

SHV 1.22<br />

mehrm. wö.<br />

4<br />

1x wöchent.<br />

3<br />

1­2x monatl.<br />

2<br />

gar nicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/10b: Entwicklung des durchschnittlichen Häufigkeit der SHV sich selbst Schlagen,<br />

Kneifen (1.15), sich selbst Beißen, Kratzen (1.16), sich selbst an der Wand blutig<br />

schlagen, den Kopf gegen einen Gegenstand schlagen (1.22)<br />

Selbst verletzende Verhaltensweisen führen in der Regel zu ernsten Gefährdungssituationen.<br />

Während das Gefährdungspotenzial dieser Verhaltensweisen sich kaum verändert, werden sie am<br />

Ende der TWG­Zeit weniger häufig ausgeführt ­ statt im Schnitt fast täglich nun in etwa ein­ bis<br />

zweimal in der Woche.<br />

80


Kommunikative belastende Verhaltensweisen<br />

hochkritisch<br />

3<br />

Entwicklung des durchschnittlichen<br />

Gefährdungspotentials der SHV<br />

2.12, 2.14, 2.15, 2.16, 2.17<br />

SHV 2.12<br />

SHV 2.14<br />

SHV 2.15<br />

SHV 2.16<br />

SHV 2.17<br />

ernst<br />

2<br />

leicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/11a: Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV distanzloses<br />

Verhalten (2.12), verbale Aggressivität, Fluchen (2.14), aufsässiges Verhalten (2.15),<br />

andauerndes Fragen und Klagen (2.16), Gefühlsausbrüche (2.17)<br />

unentwegt<br />

1­2x tägl.<br />

6<br />

5<br />

Entwicklung der durchschnittlichen<br />

Häufigkeit der SHV<br />

2.12, 2.14, 2.15, 2.16, 2.17<br />

SHV 2.12<br />

SHV 2.14<br />

SHV 2.15<br />

SHV 2.16<br />

SHV 2.17<br />

mehrm. wö.<br />

4<br />

1x wöchent.<br />

3<br />

1­2x monatl.<br />

2<br />

gar nicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/11b: Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV distanzloses Verhalten (2.12),<br />

verbale Aggressivität, Fluchen (2.14), aufsässiges Verhalten (2.15), andauerndes Fragen<br />

und Klagen (2.16), Gefühlsausbrüche (2.17)<br />

81


Verbalen Aggressionen der Bewohner wird bei Eintritt in die TWG ein hohes Gefährdungspotenzial<br />

attestiert, dieses konnte sehr deutlich verringert werden. Offensichtlich haben die Beteiligten gelernt,<br />

mit verbalen Aggressionen wie mit aufsässiges Verhalten und Gefühlsausbrüchen umzugehen.<br />

Aufsässiges Verhalten kommt auch viel weniger häufig am Ende des TWG­Aufenthalts. Auch<br />

unentwegtes Fragen und Klagen konnte im Mittel auf ein­ bis zweimal täglich reduziert werden.<br />

Dagegen blieb die Häufigkeit von distanzlosem Verhalten (täglich) und verbalen Aggressionen<br />

(mehrmals wöchentlich) unverändert.<br />

Andere störende Verhaltensweisen<br />

hochkritisch<br />

3<br />

Entwicklung des durchschnittlichen<br />

Gefährdungspotentials der SHV<br />

2.1, 2.5, 2.6, 2.7, 2.11<br />

SHV 2.1<br />

SHV 2.5<br />

SHV 2.6<br />

SHV 2.7<br />

SHV 2.11<br />

ernst<br />

2<br />

leicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/12a: Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV Urinieren, Einkoten<br />

in Räumen (2.1), Ausführen von Manierismen, stereotyper Umgang (2.5), ständige<br />

motorische Unruhe (2.6), anhaltendes Schreien, brummen, Lautieren (2.7), rituelles und<br />

zwanghaftes Verhalten (2.11)<br />

82


unentwegt<br />

6<br />

Entwicklung der durchschnittlichen<br />

Häufigkeit der SHV<br />

2.1, 2.5, 2.6, 2.7, 2.11<br />

SHV 2.1<br />

SHV 2.5<br />

SHV 2.6<br />

SHV 2.7<br />

SHV 2.11<br />

1­2x tägl.<br />

5<br />

mehrm. wö.<br />

4<br />

1x wöchent.<br />

3<br />

1­2x monatl.<br />

2<br />

gar nicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/12b: Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV Urinieren, Einkoten in Räumen<br />

(2.1), Ausführen von Manierismen, stereotyper Umgang (2.5), ständige motorische<br />

Unruhe (2.6), anhaltendes Schreien, Brummen, Lautieren (2.7), rituelles und zwanghaftes<br />

Verhalten (2.11)<br />

Die hier zusammen gruppierten Verhaltensweisen führen selten zu einer dramatischen Zuspitzung der<br />

Situation, sondern beeinträchtigen das Zusammenleben durch ihre Dauer und Häufigkeit.<br />

Ursprünglich unentwegt zu beobachtende Verhaltensweisen wie motorische Unruhe, dauerndes<br />

stereotypes Verhalten oder Lautieren werden am Ende des TWG­Aufenthalts seltener gezeigt.<br />

Besonders stark konnte das Urinieren und Einkoten in den Räumen reduziert werden. Diese<br />

Häufigkeitsreduktionen eröffnen neue Perspektiven für das Zusammenleben mit anderen.<br />

83


Beeinträchtigungen im Leistungsbereich<br />

hochkritisch<br />

3<br />

Entwicklung des durchschnittlichen<br />

Gefährdungspotentials der SHV<br />

5.1, 5.2, 5.3, 5.4, 5.5<br />

SHV 5.1<br />

SHV 5.2<br />

SHV 5.3<br />

SHV 5.4<br />

SHV 5.5<br />

ernst<br />

2<br />

leicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/13a: Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV geringe<br />

Konzentrationsfähigkeit, fehlende Ausdauer (5.1), leichte Ermüdbarkeit, geringe<br />

Belastbarkeit (5.2), Angst bei Leistungsanforderungen( 5.3), Arbeitsverweigerung (5.4),<br />

Angst vor Leistungsanforderungen (5.5)<br />

unentwegt<br />

6<br />

Entwicklung der durchschnittlichen<br />

Häufigkeit der SHV<br />

5.1, 5.2, 5.3, 5.4, 5.5<br />

SHV 5.1<br />

SHV 5.2<br />

SHV 5.3<br />

SHV 5.4<br />

SHV 5.5<br />

1­2x tägl.<br />

5<br />

mehrm. wö.<br />

4<br />

1x wöchent.<br />

3<br />

1­2x monatl.<br />

2<br />

gar nicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/13b: Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV geringe Konzentrationsfähigkeit,<br />

fehlende Ausdauer (5.1), leichte Ermüdbarkeit, geringe Belastbarkeit (5.2), Angst bei<br />

Leistungsanforderungen( 5.3), Arbeitsverweigerung (5.4), Angst vor<br />

Leistungsanforderungen (5.5)<br />

84


Ängste der Teilnehmer vor Leistungsanforderungen stellten vor dem TWG­Aufenthalt eine ernsthafte<br />

Gefährdung für das Zusammenleben. Am Ende der TWG­ Zeit hat sich das Bild gewandelt:<br />

Leistungsanforderungen werden in den verschiedenen Lebensbereichen anders dosiert, von Seiten<br />

der Bewohner und der Mitarbeiter wird ihnen anders begegnet. Die Bewohner zeigen weniger häufig<br />

Angst vor und bei Leistungsanforderungen. Für eine bessere Passung der Anforderungen zu den<br />

Möglichkeiten der Bewohner spricht auch der erhebliche Rückgang so genannter<br />

Arbeitsverweigerungen. Die anderen Items im Leistungsbereich führen nicht zu akut gefährlichen<br />

Situationen.<br />

Kommunikation vermeidende Verhaltensweisen<br />

hochkritisch<br />

3<br />

Entwicklung des durchschnittlichen<br />

Gefährdungspotentials der SHV<br />

1.2, 1.3, 1.4, 1.5<br />

SHV 1.2<br />

SHV 1.3<br />

SHV 1.4<br />

SHV 1.5<br />

ernst<br />

2<br />

leicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/14a: Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV sich zurückziehen,<br />

Meiden bestimmter anderer Personen (1.2), auf Kontaktaufnahme nicht oder<br />

ausweichend reagieren (1.3), soziales Desinteresse (1.4), Rückzug durch<br />

Selbststimulation (1.5)<br />

85


unentwegt<br />

6<br />

Entwicklung der durchschnittlichen<br />

Häufigkeit der SHV<br />

1.2, 1.3, 1.4, 1.5<br />

SHV 1.2<br />

SHV 1.3<br />

SHV 1.4<br />

SHV 1.5<br />

1­2x tägl.<br />

5<br />

mehrm. wö.<br />

4<br />

1x wöchent.<br />

3<br />

1­2x monatl.<br />

2<br />

gar nicht<br />

1<br />

Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5<br />

Abb. 7/14b: Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV sich zurückziehen, Meiden<br />

bestimmter anderer Personen (1.2), auf Kontaktaufnahme nicht oder ausweichend<br />

reagieren (1.3), soziales Desinteresse (1.4), Rückzug durch Selbststimulation (1.5)<br />

Die Vermeidung sozialer Interaktionen führt selten zu einer ernsten oder hoch kritischen<br />

Gefährdungssituation. Die Häufigkeit mit der anderen Personen gemieden werden oder auf<br />

Kontaktaufnahme nicht oder ausweichend reagiert wird blieb über die TWG­Zeit in etwa gleich (im<br />

Mittel ein­ bis zweimal täglich). Ein zu Beginn konstatiertes soziales Desinteresse wird bereits nach<br />

einem Jahr in der TWG wesentlich seltener festgestellt. Vermutlich werden die sozialen Bedürfnisse<br />

der Teilnehmer in den TWG anders wahrgenommen als im vorhergehenden Umfeld.<br />

Auch das Rückzugsverhalten durch Selbststimulation hat kontinuierlich abgenommen.<br />

7.4 Fazit<br />

Gibt es Merkmale der Personen oder der HV, die eine verlässliche Prognose der Reintegration oder<br />

zumindest von Verhaltensänderungen erlauben?<br />

Insgesamt sind die empirisch gefundenen Zusammenhänge zwischen Variablen die beim Einzug in<br />

der TWG erhoben wurden und den Erfolgskriterien sehr gering. Das gilt besonders für die Vorhersage<br />

der Reintegration in nicht­separierende Wohnformen. Ob jemand integriert wird, hängt weniger<br />

vom Ausmaß der erreichten Verhaltensänderungen ab, sondern vielmehr von strukturellen<br />

Bedingungen in der TWG und im regionalen Hilfesystem (s. hierzu auch die Antworten der<br />

Trägerbefragung im Abschn. 7.1). Die absolute Anzahl der herausfordernden Verhaltensweisen, die<br />

Fähigkeit eines Teilnehmers zur Eigenbeschäftigung und zur Gestaltung sozialer Beziehungen im<br />

Nahbereich haben einen gewissen prognostischen Wert. Ansonsten sind es Variablen, die sich im<br />

Laufe des Prozesses (des Aufenthalts in der TWG) verändern, die mit den Reintegrationserfolg<br />

korrelieren (z. B. der Besuch einer auswärtigen Tagesstruktur, die Steuerbarkeit des Verhaltens durch<br />

die Person selbst oder andere, die Nicht­Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen).<br />

Die Veränderung herausfordernder Verhaltensweisen korreliert am stärksten mit spezifischen<br />

Leistungsmerkmalen einer TWG. Erfolgsversprechend sind zielorientiert und interdisziplinär<br />

arbeitende Programme, die medizinisch­psychiatrische und psychotherapeutische Kompetenz in der<br />

Diagnostik und im Maßnahmenpaket einbeziehen. Leichtere Grade <strong>geistig</strong>er Behinderung und das<br />

Vorhandensein einer schizophrenen Störung scheinen tendenziell günstig für Veränderungsprozesse<br />

zu sein, die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen ist ein erschwerender Faktor.<br />

86


Entgegen verbreiteter alltagspsychologischer Annahmen lassen sich empirisch keine einfach<br />

diagnostizierbaren, zeitlich stabilen Personenmerkmale finden, die eine ausreichend verlässliche<br />

Prognose erlauben (z. B. Alter, Vorhandensein einer psychischen Störung, Dauer des stationären<br />

Wohnens, Schweregrad der <strong>geistig</strong>en Behinderung, usw.). „Gute“ Prognosefaktoren sind eher<br />

Prozessvariablen, die das Entwicklungsstadium einer mit SHV einhergehenden Mensch­Umwelt<br />

Störung markieren (z. B. Frustrationstoleranz und Lenkbarkeit). Entscheidend scheint zu sein, dann<br />

mit individuell zugeschnittenen Maßnahmen zu beginnen, wenn das Problem noch auf wenige<br />

Lebensbereiche eingeschränkt ist und die Person noch über eigene Steuerungsmöglichkeiten, ein<br />

Steuerungspotential verfügt (vgl. hierzu Heijkoop 2002). Welche Maßnahmen für eine Person in ihrem<br />

Umfeld geeignet sind, kann erst nach einem umfassenden interdisziplinär angelegten diagnostischen<br />

Prozess entschieden werden. Dieser muss wesentlich früher einsetzen, als dies im Modellprojekt der<br />

Fall sein konnte, um effektiv und effizient die Integration zu sichern.<br />

Herauszustreichen bleibt, dass während des Aufenthalts in einer <strong>Therapeutische</strong>n Wohngruppe das<br />

Gefährdungspotenzial und die Häufigkeit SHV im Mittel kontinuierlich gesunken sind. Die<br />

Auftretenshäufigkeit sämtlicher Verhaltensweisen, die in der Regel zu ernsten bis hoch kritischen<br />

Situationen führen, konnte deutlich verringert werden (handgreiflich aggressives Verhalten,<br />

Weglaufen). Die Häufigkeit von verbal aggressivem Verhalten veränderte sich nicht, aber das<br />

Gefährdungspotenzial, dass mit diesem Verhalten verbunden ist, ging deutlich zurück. Auch störende<br />

Verhaltensweisen, die selten zu Eskalationen führen, aber das Zusammenleben dauernd<br />

beeinträchtigen, konnten reduziert werden. Leistungsanforderungen wurden angepasst beziehungsweise<br />

der Umgang mit ihnen geübt. Dagegen zeigten sich bei substanzbezogenem Suchverhalten<br />

kaum Änderungen. Hier stellt sich die Frage, ob <strong>Therapeutische</strong> <strong>Wohngruppen</strong> ausreichend geeignet<br />

sind, um dieses zu therapieren.<br />

87


8 Interpretation der Ergebnisse und Perspektiven<br />

8.1 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />

Im Modellversuch ist es gelungen, die Voraussetzungen auf Seiten der Teilnehmer für ein<br />

Zusammenleben in normalisierten Wohn­ und Hilfearrangements im Durchschnitt deutlich zu<br />

verbessern.<br />

Nach Besuch der TWG zeigen die Teilnehmer im Mittel weniger herausfordernde Verhaltensweisen<br />

und weniger häufig Verhalten, das als schwerwiegend herausfordernd bewertet wird. Das Gefährdungspotenzial,<br />

das von den SHV ausgeht, ist im Mittel deutlich gesunken.<br />

Am Ende des Modellversuchs attestieren die Mitarbeiter TWG einem beträchtlichen Anteil der<br />

Teilnehmer eine höhere kommunikative Kompetenz, eine größere Frustrationstoleranz und eine<br />

bessere Lenkbarkeit. Aus ihrer Sicht ist die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern und den<br />

Teilnehmern einfacher und reichhaltiger geworden.<br />

Durch den Aufenthalt in einer TWG hat sich die Lebenssituation der überwiegenden Mehrheit der<br />

Teilnehmer deutlich gebessert. Bei einem Teil der Teilnehmer konnte auf freiheitsentziehende<br />

Maßnahmen, sei es Fixierungen oder Auszeiten ganz verzichtet werden. Die Anzahl und Dauer der<br />

Aufenthalte in psychiatrischen Krankenhäusern ist deutlich geringer geworden.<br />

Während am Ende des TWG­Aufenthaltes sich 79% der Teilnehmer sozial verträglicher verhalten,<br />

zeigen 16% nur geringe oder keine Forschritte in dieser Hinsicht. Diese letztgenannte Gruppe hat die<br />

gesetzten Verhaltensziele nicht mal annähernd erreicht und es ist im Zeitrahmen der TWG nicht<br />

gelungen, ihr HV in bedeutendem Umfang zu ändern.<br />

Die Teilhabe an Lebenswelten, die Menschen mit <strong>geistig</strong>er Behinderung üblicherweise offen stehen,<br />

hat sich in den verschiedenen Lebensbereichen unterschiedlich entwickelt:<br />

Arbeit, Beschäftigung und freie Zeit<br />

Die Bewohner TWG sind – bis auf eine kleine Gruppe – im Rahmen einer WfbM, eines Förder­ und<br />

Betreuungsbereiches bzw. ähnlichen Angeboten in Arbeits­ oder Beschäftigungsverhältnisse außerhalb<br />

der TWG integriert. Die Suche nach einem nicht­aussondernden Wohn­ und Hilfearrangement ist<br />

einfacher, wenn eine Person tagsüber einer Arbeit bzw. Beschäftigung außerhalb der Wohnung<br />

nachgehen kann. Im Modellversuch wurden die Arbeits­ und Beschäftigungsangebote mit Blick auf die<br />

Interessen und Kompetenzen der Teilnehmer flexibilisiert. In der verbleibenden freien Zeit wurden die<br />

Bewohner länger als vorher individuell begleitet.<br />

Soziale Beziehungen<br />

Bereits vor den Einzug in eine TWG verfügten die Teilnehmer nur über ein vergleichsweise kleines<br />

primäres soziales Netzwerk. Obwohl dieser Personenkreis überwiegend schon im Kinder­ und<br />

Jugendalter in ein Heim zog, sind die Angehörigen auch im <strong>Erwachsene</strong>nalter die am häufigsten<br />

genannten nicht­professionellen Bezugspersonen. Jeweils nur ein Drittel der Teilnehmer pflegt engere<br />

Kontakte zu Mitbewohnern bzw. Freunden und Bekannten außerhalb der Wohngruppe. Am Umfang<br />

der persönlichen sozialen Netzwerke ändert sich im Laufe des Modellversuchs wenig. Eine wichtige<br />

Position nehmen Lieblingsmitarbeiter innerhalb und außerhalb der TWG ein. Aufgrund der räumlichen<br />

Nähe der TWG zu den bisherigen Wohnungen der Teilnehmer ist es nicht in dem Maße zu<br />

Beziehungsabbrüchen gekommen, wie es bei einem Umzug in einen entfernten Ort zu erwarten<br />

gewesen wäre.<br />

Reintegration in weniger aussondernde Wohnformen<br />

32% der Teilnehmer haben das vorgegebene Ziel des Modellversuchs, den Wechsel in eine weniger<br />

aussondernde, „normale“ Wohnform, tatsächlich erreicht. 55% der Teilnehmer müssten nach den<br />

vorliegenden Daten prinzipiell einen solchen Wechsel erreichen können (siehe Spalte „Reintegration<br />

88


als möglich bewertet“ in Tab. 6/1 im Abschn. 6.1.1). Es fällt auf, dass die Quote der tatsächlichen<br />

Reintegration erst im dritten Jahr stark gestiegen ist. Nach 2 Jahren lebten nur 15% der Teilnehmer<br />

integriert in andere Wohnformen. Offenbar erst vor Auslaufen des Modellversuches wurden die<br />

Bemühungen um eine Anschlusslösung verstärkt. Dieser späte Zeitpunkt der Reintegrationsbemühungen<br />

überrascht, weil die Verhaltensverbesserungen sich viel früher, vor allem im ersten Jahr<br />

eingestellt haben. Auch die Integration in auswärtige Arbeits­ und Beschäftigungsangebote wurde<br />

früher verwirklicht.<br />

Vergleicht man die möglichen und die tatsächlichen Reintegrationsquoten der Träger untereinander,<br />

ergeben sich deutliche Unterschiede. So ist die Hälfte der tatsächlichen Reintegrationen durch eine<br />

einzige Einrichtung erreicht worden. (vgl. Abschn. 6.1.1., Tab. 6/1).<br />

Auch für die Personen, die ihre HV nicht in einem sozial bedeutenden Umfang verändert haben, gilt<br />

es, individuelle Wohn­ und Hilfearrangements zu gestalten, die trotz des Gefährdungspotenzials für<br />

sich selbst und andere ein Maximum an Teilhabe ermöglichen. Das heißt eben nicht, dass dieser<br />

Personenkreis weiterhin in speziellen <strong>Wohngruppen</strong> für Menschen mit HV fernab von den Gemeinwesen<br />

leben sollte. Für Großbritannien konstatieren Allen & Felce (1999), dass die traditionellen<br />

Dauerlösungen sich nicht bewährt haben. Sie führten zu einer Deprivation der Personen in<br />

Institutionen:<br />

• geringe Beteiligung der Klienten an sozialer und physischer Umgebung außerhalb der<br />

<strong>Wohngruppen</strong><br />

• geringes Niveau der von Betreuern initiierten Kontakte<br />

• Isolation von den Gemeinwesen<br />

• Die Wahrscheinlichkeit, therapeutische oder psychologische Hilfe zu erhalten, war gering.<br />

• Gemessen an anderen <strong>Wohngruppen</strong> und am Normalisierungsprinzip waren die<br />

Anregungsbedingungen in den <strong>Wohngruppen</strong> von Großeinrichtungen armselig.<br />

Die Autoren fahren fort, dass aktuell solche homogenen Dauergruppen mit engerer Einbindung in die<br />

Umwelt (Gemeindeintegration), besserem Mitarbeitertraining und klarer Konzeption und Arbeitsmethoden<br />

erfolgreicher seien. Allerdings gibt es dafür keine empirischen Belege. Im Gegenteil:<br />

Homogene spezialisierte Gruppen, die untersucht wurden, zeichneten sich immer noch durch einen<br />

geringen Anregungsgehalt und ein geringes Aktivitätsniveau in den <strong>Wohngruppen</strong> aus (Allen & Felce<br />

1999, S. 284).<br />

8.2 Schwierigkeiten bei der Reintegration im Wohnen<br />

Der späte Anstieg der tatsächlichen Reintegrationsquote und die große Diskrepanz zu den für<br />

möglichen gehaltenen Reintegrationen haben mehrere Ursachen:<br />

1) Systemische Arbeit mit der Wohnumwelt der Teilnehmer<br />

• SHV lässt sich als Ausdruck einer Störung der Beziehung einer Person zu seiner Umwelt<br />

begreifen. Im Modellversuch ist die Umwelt, in die ein Teilnehmer (wieder) integriert werden soll,<br />

zu wenig und zu spät Ansatzpunkt von Interventionen geworden. Beispielsweise werden Wohndienste,<br />

die einen Teilnehmer vor der TWG begleitet haben, mit dem Einzug aus ihrer Verantwortung<br />

für ihn entlassen. Für eine erfolgreiche Integration ist es aber entscheidend, Dienste und<br />

Bezugspersonen zu haben, die sich für die Person verantwortlich fühlen und mit denen<br />

nachhaltige Wohn­ und Hilfearrangements geplant werden können.<br />

2) Schwierigkeiten, das „Wohin“ der Reintegration zu bestimmen<br />

• Die Vorgaben der Landeswohlfahrtsverbände für den Modellversuch enthalten keine Angaben<br />

darüber, welche inhaltlichen und finanziellen Handlungsspielräume bei der Ausgestaltung<br />

zukünftiger Wohn­ und Hilfearrangements im Einzelfall bestehen. In dieses „Vakuum“ sind auch<br />

die Leistungserbringer nicht durch konkrete individuumsbezogene Vorschläge vorgestoßen.<br />

Dieser Umstand weist auf Unsicherheiten, Lücken oder auch Defizite in der personenzentrierten<br />

Hilfeplanung hin, an der Leistungsempfänger, Leistungserbringer und Leistungsträger beteiligt<br />

werden müssen (s.u.).<br />

89


• In vielen Fällen ist eine Reintegration in die ursprüngliche, nicht­ausgrenzende Wohnumgebung<br />

erstrebenswert. In manchen Fällen eröffnet jedoch ein neues, anderes Wohnumfeld bessere<br />

Chancen. Viele Teilnehmer der ersten Generation im Modellversuch stammen aus <strong>Wohngruppen</strong>,<br />

in denen ausschließlich verhaltensauffällige <strong>Erwachsene</strong> leben. Im Anschluss an die TWG<br />

müssen für diese Teilnehmer gänzlich neue Wohnformen und z.T. auch Wohndienste gefunden<br />

werden, die mehr Teilhabe am Leben der Gesellschaft ermöglichen als die vorherigen<br />

<strong>Wohngruppen</strong>.<br />

• Die Wünsche der Teilnehmer und die Vorstellungen der professionellen und nicht­professionellen<br />

Bezugspersonen, die Verantwortung für ihn übernehmen, sollten die Wahl einer Wohnform<br />

bestimmen. In einem personenzentrierten Hilfeplanverfahren müssen Teilnehmer und Bezugspersonen<br />

beteiligt, ihre Perspektiven systematisch ermittelt und dokumentiert werden und es<br />

muss zu einer Abstimmung mit dem Leistungsträger und Leistungserbringer kommen. Vorschläge<br />

für ein solches standardisiertes Verfahren finden sich bei Schädler (2002).<br />

3) mangelnde Verankerung in regionale Hilfesysteme<br />

• Im Rahmen des Modellversuchs ist den meisten Trägern gelungen, regionale interdisziplinär und<br />

interprofessionell arbeitende Kompetenzzentren aufzubauen bzw. weiter zu entwickeln. Allerdings<br />

sind die TWG bislang gar nicht oder unzureichend in regionale Hilfesysteme verankert worden.<br />

Anders als in der Sozialpsychiatrie sind regionale Hilfesysteme, in denen Leistungserbringer<br />

verbindlich kooperieren, in der Geistig<strong>behinderte</strong>nhilfe vielerorts erst im Entstehen. Die unzureichende<br />

Verankerung TWG in regionalen Hilfesystemen lässt allgemeinen Wohndiensten die<br />

Chance, sich einer Versorgungsverpflichtung zu entziehen und mit dem Verweis auf „speziell<br />

zuständige“ TWG eine „abschiebende“ Haltung gegenüber Menschen mit SHV einzunehmen.<br />

Dieses Phänomen ist für Großbritannien gut dokumentiert (Great Britain. Department of Health<br />

1993, Allen & Felce 1999). Die Träger TWG im Modellversuch berichten von ähnlichen<br />

Erfahrungen (s. Abschn. 8.3).<br />

• Neben der Sorge, nicht die individuell notwendigen Mittel zur Verfügung zu haben, trägt auch die<br />

mangelnde Qualifikation mancher gemeindenaher Wohndienste zu einer ablehnenden Haltung<br />

gegenüber Menschen mit HV bei. Die Zusammenlebesysteme vor Ort – auch Familien, in denen<br />

Menschen mit HV wohnen – erhalten zu spät und zu wenig fachliche Unterstützung, um<br />

eskalierende Entwicklungen rechtzeitig zu verhindern oder abzudämpfen.<br />

• Die lange Verweildauer in TWG stellt ein weiteres Integrationshindernis dar. Die erste Generation<br />

von Teilnehmern wohnte vor ihrem Einzug bereits in räumlicher Nähe zu einer TWG. Eine<br />

regionale Ausrichtung führt jedoch zu Umzügen in räumlich entferntere Wohnumgebungen. Wenn<br />

Teilnehmer bis zu 3 Jahren in einer weit entfernt liegenden TWG wohnen, dann schließt man sie<br />

faktisch aus den bisherigen Sozial­ und Hilfestrukturen in ihrem Heimatort aus.<br />

8.3 Empfehlungen der Träger TWG<br />

Die Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Hilfen, welche die Träger TWG in der<br />

Trägerbefragung abgegeben haben, werden an dieser Stelle zusammengefasst. Sie beziehen sich<br />

(1) auf TWG und Anschlusswohnlösungen und (2) auf die Funktion von Kompetenzzentren für die<br />

regionale Versorgung.<br />

Der Wert eines Vorschlags hängt nicht davon ab, wie viele Träger ihn teilen. Wichtig sind die Inhalte<br />

der Anregungen, die Träger aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem Personkreis und aufgrund ihrer<br />

Sichtweise als Erbringer der Leistungen für die Weiterentwicklung geben können.<br />

8.3.1 Weiterentwicklung der TWG und von Anschlusswohnlösungen<br />

Gesamtangebot<br />

• Die TWG sollen erhalten bleiben und als Leistungstyp vereinbart werden.<br />

• TWG sollen größere Regionen „abdecken“.<br />

90


• Gewünscht wird eine Spezialisierung der TWG auf je verschiedene Personenkreise und ein<br />

regelmäßiger Austausch zwischen den Trägern in den unterschiedlichen Regionen.<br />

Aufnahme in die TWG<br />

• Die Bereitschaft der Wiederaufnahme durch den abgebenden Wohndienst muss vertraglich<br />

vereinbart werden. Ansonsten werden die TWG in kurzer Zeit zu Dauerwohnorten werden bzw.<br />

wird sich dieser Personenkreis in den Trägereinrichtungen sammeln.<br />

• Die Aufnahme soll von einer zentralen Instanz kontrolliert werden. Die meisten Träger sprechen<br />

sich für einen Zugang über den Medizin­pädagogischen Dienst des KVJS aus, ein Träger würde<br />

eine Schiedsstelle bevorzugen.<br />

• Die Kontrollinstanz für die Aufnahme sollte früher eingebunden werden, als das im Modellversuch<br />

der Fall war. Die Entscheidungswege sollten kürzer sein.<br />

• Die Aufnahmekriterien sollen nach Auswertung der Prognosefaktoren für den Reha­Erfolg<br />

geschärft werden und einheitlich sein.<br />

• Der Erfolg TWG soll auch in Zukunft durch den Medizinisch­pädagogischen Dienst des KVJS<br />

kontrolliert werden.<br />

Zeitdauer<br />

• Eine zeitliche Befristung wird für notwendig gehalten.<br />

• Die Aufenthaltsdauern sollen individuell gestaltet werden können bis zur Ausschöpfung des vollen<br />

Zeitraums von 3 Jahren, im Einzelfall auch darüber hinaus.<br />

Konzeptionelle Elemente<br />

Erhalten bleiben soll:<br />

• die ausführliche interdisziplinäre Diagnostik, Hilfeplanung und Begleitung<br />

• die Möglichkeit, Bewohner tagsüber individueller zu begleiten (Tagesstruktur)<br />

• die enge Zusammenarbeit und Entwicklung eines Arrangements in der WfbM oder FuB<br />

• die enge und häufige Regelkommunikation zwischen alle Beteiligten inklusive der Angehörigen<br />

• die Anbindung therapeutischer oder heilpädagogischer Angebote<br />

Die Reintegrationsphase muss differenzierter und sorgfältiger geplant und gestaltet werden.<br />

Bewährt haben sich eine systemorientierte und biographische Analyse des Verhaltens und Erlebens<br />

sowie in Bezug auf Interventionen ein eklektischer Ansatz. D.h., dass auf der Grundlage von<br />

Hypothesen über Bedingungen, die HV aufrechterhalten, Interventionen ausprobiert und evaluiert<br />

werden (vgl. Hennicke 1999).<br />

Personalausstattung<br />

• Die hohe Fachlichkeit der Mitarbeiter könne nur durch entsprechend qualifiziertes Personal,<br />

regelmäßige Schulungen und Supervision aufrechterhalten werden.<br />

• Eine hohe Fachkraftquote und eine Personalbesetzung, die eine doppelte Besetzung der<br />

Wohndienste auch in kleinen TWG während des Tages möglich macht, ist notwendig.<br />

• Die Fortbildung und die Supervision der Mitarbeiter sollen gesondert finanziert werden.<br />

• Bei der Finanzierung sind auch die Fixkosten zu berücksichtigen, die anfallen, um ein solches<br />

Setting aufbauen und betreiben zu können.<br />

91


Anschlusswohnlösungen<br />

• Für die „Abgänger“ müssen individuellere Lösungen gefunden und gegebenenfalls auch finanziert<br />

werden. Dabei muss das Wohin der Entwicklung offener gestaltet werden. Die Rückkehr in die<br />

alte Wohngruppe sei in vielen Fällen nicht die Lösung der Wahl.<br />

• Auch für die Personen, deren HV sich als therapeutisch schwer zu beeinflussen erwiesen hat,<br />

müssen dauerhafte Wohnsettings gefunden werden. Der Hilfebedarf von Antragstellern mit<br />

„chronifizierten“ Verhaltensproblemen ist anders zu gewichten als bei Personen ohne SHV.<br />

• Einige Träger sehen in auf Dauer angelegten „Intensivgruppen für Menschen mit schwierigen<br />

Verhaltensweisen“ eine adäquate Lösung, andere Träger sprechen sich für „eingestreute“<br />

Wohnarrangements aus.<br />

8.3.2 Funktionen eines Kompetenzzentrums für die regionale Versorgung<br />

Empfohlen wird die TWG um Leistungen zu ergänzen, die von den in den Kompetenzzentren entstandenen<br />

Fachteams in der Region erbracht werden können. Solche Leistungen können dafür<br />

sorgen, biographische und systemische Entwicklungen zu verhindern, die längere Aufenthalte in TWG<br />

und schwierige Anschlusslösungen nach sich ziehen.<br />

Folgende Bausteine werden vorgeschlagen:<br />

• Krisenintervention: ambulante Unterstützung für Familien und Wohndienste vor Ort, im Notfall eine<br />

kurzzeitige stationäre Aufnahme<br />

• Beratung, von Menschen mit Behinderung und ihrer Bezugspersonen im angestammten<br />

Wohnumfeld (z.B. in gemeindenahen Wohneinrichtungen oder ­diensten, in Familien).<br />

• Auch diagnostische und therapeutische Leistungen könnten am Wohnort erbracht werden (z.B. in<br />

Form eines Kompakttherapieprogramms in einer Tagesgruppe).<br />

• Eine Kurzzeitunterbringung bei HV dient der vorübergehenden Entlastung des Wohnumfelds.<br />

• Vermittlung von Basiswissen, Schulungen für Mitarbeiter in der Behindertenhilfe, für Angehörige<br />

und andere Bezugspersonen<br />

Die regionale Verankerung soll eine Nähe zum Wohnumfeld gewährleisten. Ein Träger würde<br />

Kompetenzzentren nur in Einrichtungen schaffen, in denen eine psychiatrisch­therapeutische<br />

Infrastruktur vorhanden ist.<br />

Die meisten Träger halten es angesichts des Bedarfs, der Erfolgsaussicht und langfristigen Kostenersparnis<br />

für dringend geboten, die TWG und weitere Angebote eines Kompetenzzentrums für Kinder<br />

und Jugendliche mit <strong>geistig</strong>er Behinderung zu öffnen.<br />

8.4 Anforderungen an eine sozialräumlich orientierte Unterstützung<br />

Die Weiterentwicklung der Hilfen mit dem Ziel der Inklusion oder Integration in nicht­ausgrenzende<br />

Wohnformen, die ein hohes Maß an Teilhabe, an subjektiver und objektiver Lebensqualität<br />

begünstigen, muss verschiedene Anforderungen berücksichtigen:<br />

• Zu der Zielgruppe solcher Maßnahmen gehören Menschen mit <strong>geistig</strong>er Behinderung und<br />

herausforderndem Verhalten in unterschiedlichem Lebensalter (<strong>Erwachsene</strong>, aber auch Kinder<br />

und Jugendliche), die in unterschiedlichen Wohnformen und Wohnumfeldern leben (z.B. in<br />

<strong>Wohngruppen</strong> oder Apartments in Komplexeinrichtungen oder gemeindenahen Wohnheimen, im<br />

Betreuten Wohnen oder in Familien).<br />

• Es gilt auch Wohn­ und Unterstützungslösungen zu finden für Personen, bei denen der Aufenthalt<br />

in einer TWG nicht zu den erhofften Verhaltensänderungen geführt hat oder die wegen niedriger<br />

Erfolgserwartungen von vornherein nicht aufgenommen werden.<br />

92


• Wohn­ und Hilfearrangements müssen im Rahmen einer personenzentrierten Hilfeplanung<br />

entwickelt und laufend angepasst werden Dabei handelt es sich um höchst individuelle, keinesfalls<br />

um standardisierte „One size fits all“­Lösungen.<br />

• Eine interdisziplinäre und multiprofessionelle Unterstützung und Entlastung muss frühzeitig und<br />

dort gewährt werden, wo Störungen infolge herausfordernden Verhaltens entstehen und von den<br />

Beteiligten nicht mehr gelöst werden können. Die Verantwortlichkeit der Bezugspersonen und<br />

Wohndienste soll erhalten bleiben. Ihre Handlungsmöglichkeiten werden durch externe Beratung<br />

und durch zusätzliche Hilfen erweitert und gestärkt (Therapie, Krisenintervention, besondere<br />

Betreuungsmaßnahmen). Ein Orientierungspunkt und Vorbild für so eine aufsuchende Beratung<br />

kann die Arbeit der Konsulententeams in den Niederlanden und beim Landschaftsverband<br />

Rheinland sein (siehe Eekelaar 1999, Braun & Ströbele 2003, Seifert 2004)<br />

• Die Organisation gemeindenaher Wohn­ und Hilfearrangements hat Vorrang vor der Aussonderung<br />

von Menschen mit HV in heimatferne, auf Dauer angelegte Wohnsettings.<br />

TWG sollten als spezielle Maßnahmenoption in ein Handlungskonzept eingebettet werden, das primär<br />

auf eine aufsuchende Beratung der Betroffenen und ihrer Bezugspersonen setzt. Die Berater sollten<br />

die Option haben, fallspezifisch einen Aufenthalt in einer TWG zu empfehlen und deren Beantragung<br />

einzuleiten.<br />

Personen mit HV sollten in einer TWG in der Regel kürzer wohnen, als dass im Modellversuch der Fall<br />

war. Der Aufenthalt dient einer umfassenderen verstehenden Diagnostik, der Entlastung des Wohnumfeldes,<br />

der Erprobung von Interventionen und der gemeinsamen Suche nach angemessenen<br />

Lösungen. Bei Inanspruchnahme der TWG sollte sich der zuständige Wohndienst verpflichten, den<br />

Menschen mit HV nach der Rückkehr weiter zu begleiten.<br />

Die Etablierung von effektiven TWG setzt bestimmte fachliche, personelle, strukturelle und<br />

organisatorische Gegebenheiten, insbesondere aber prozessuale Faktoren voraus, die nicht von allen<br />

Leistungserbringern TWG im Laufe des Modellversuchs in gleicher Weise vorgehalten werden<br />

konnten beziehungsweise erbracht worden sind.<br />

93


9 Literatur<br />

Allen, D. & Felce, D. (1999). Service responses to challenging behaviour. In: N. Bouras (Ed.),<br />

Psychiatric and behavioural disorders on developmental disabilities and mental retardation<br />

(p. 279­294). Cambridge: University Press.<br />

Boban, I. & Hinz, A. (2001). Persönliche Zukunftskonferenzen. Unterstützung für individuelle<br />

Lebenswege. Leben mit Down­Syndrom, 37, 18­23.<br />

Bouras, N. (1999) (Ed.). Psychiatric and Behavioural Disorders in Developmental Disabilities and<br />

Mental Retardation. Cambridge: University Press.<br />

Braun, R. & Stroebele, T. (2003). Consulentenarbeit in den Niederlanden und beim<br />

Landschaftsverband Rheinland. In: G. Theunissen (Hg.), Krisen und Verhaltensauffälligkeiten bei<br />

<strong>geistig</strong>er Behinderung und Autismus (S. 101­108).Stuttgart: Kohlhammer.<br />

Dalferth, M. (1997).Zurück in die Institutionen? Probleme der gemeindenahen Betreuung <strong>geistig</strong><br />

<strong>behinderte</strong>r Menschen in den USA, in Norwegen und Großbritannien. Geistige Behinderung, 36, 4,<br />

275­291.<br />

Dieckmann, F. & Haas, G. (2006, im Druck). Beratende und therapeutische Dienste bei <strong>geistig</strong>er<br />

Behinderung und herausforderndem Verhalten.<br />

Dieckmann, F., Flade, A., Schuemer, R., Ströhlein, G., Walden, R. (1998). Psychologie und gebaute<br />

Umwelt. Darmstadt: Institut für Wohnen und Umwelt.<br />

Eekelaar, H. (1999). Erfahrungen mit Konsulententeams. In: D. Petry & C. Bradl (Hg.; 1999),<br />

Multiprofessionelle Zusammenarbeit in der Geistig<strong>behinderte</strong>nhilfe. Projekte und Konzepte<br />

(S. 242­252). Bonn: Psychiatrie­Verlag.<br />

Emerson, E. (2001). Challenging behaviour. Analysis and intervention in people with severe<br />

intellectual disabilities (2 nd ed.). Cambridge: University press.<br />

Great Britain. Department of Health (1993). Services for people with learning disabilities and<br />

challenging behaviour or mental health needs [Mansell Report]. London: HMSO.<br />

Heijkoop, J. (1998). Herausforderndes Verhalten von Menschen mit <strong>geistig</strong>er Behinderung. Neue<br />

Wege der Begleitung und Förderung. Weinheim: Beltz.<br />

Hennicke, K. (1999). Der andere Blick. Traditionelle und systemische Sichtweisen. In: Petry, Detlef<br />

(Hrsg.), Multiprofessionelle Zusammenarbeit in der Geistig<strong>behinderte</strong>nhilfe (S. 83­106). Bonn:<br />

Psychiatrie­Verlag.<br />

Irblich, D. (2003). Problematische Erlebens­ und Verhaltensweisen <strong>geistig</strong> <strong>behinderte</strong>r Menschen. In:<br />

D. Irblich & B. Stahl (Hg.), Menschen mit <strong>geistig</strong>er Behinderung. Psychologische Grundlagen,<br />

Konzepte und Tätigkeitsfelder (S. 312­388). Göttingen: Hogrefe.<br />

Kincaid, D. (1996). Person­centered planning.In: Koegel, L., Koegel, R. & Dunlap, G. (Eds.), Positive<br />

behavioral support. Including people with difficult behavior in the community. (S. 439­465).Baltimore:<br />

Brookes.<br />

Kühn, A., Metzler, H. & Rauscher, C. (2002). Hilfebedarf von Menschen mit <strong>geistig</strong>er Behinderung und<br />

erheblichen Verhaltensauffälligkeiten. Abschlussbericht eines Modellprojekts im Auftrag des<br />

Diakonischen Werkes der Ev.­Luth. Landeskirche Sachsens e.V. und des Staatsministeriums für<br />

Soziales, Jugend und Familie Sachsen. Tübingen: Forschungsstelle „Lebenswelten <strong>behinderte</strong>r<br />

Menschen“, Universität Tübingen.<br />

Landesgesundheitsamt Baden­Württemberg (1993). Unterbringung, Therapie und Förderung <strong>geistig</strong><br />

<strong>behinderte</strong>r Kinder, Jugendlicher und <strong>Erwachsene</strong>r mit zusätzlichen schweren Verhaltensstörungen.<br />

Stuttgart, unveröffentlichter Bericht.<br />

Lowe, K. & Felce, D. (1995).How do carers assess the severity of challenging behaviour? A total<br />

population study. Journal of Intellectual Disability Research, 39, 2, 117­127.<br />

Mayring, P. (2003). Qualitative Inhaltsanalyse (8. überarbeitete Aufl.). Weinheim: Beltz / utb.<br />

94


Medizinisch­pädagogischer Dienst der Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg­<br />

Hohenzollern (2004) (Hrsg.). Modellprojekt <strong>Therapeutische</strong> <strong>Wohngruppen</strong> – Fachgespräch am<br />

2.10.2003 in Herrenberg­Gültstein. Stuttgart: Landeswohlfahrtsverband Württemberg­Hohenzollern.<br />

Qureshi, H. & Alborz, A. (1992). Epidemiology of challenging behavior. Mental Handicap Research<br />

5,130­145.<br />

Sarimski, K. (2005). Psychische Störungen bei <strong>behinderte</strong>n Kindern und Jugendlichen. Göttingen:<br />

Hogrefe.<br />

Schädler, J. (2002). Individuelle Hilfeplanung als Schlüssel zur Modernisierung der Behindertenhilfe.<br />

In: Greving, H. (Hrsg.), Hilfeplanung und Controlling in der Heilpädagogik (S. 171­192).<br />

Freiburg: Lambertus.<br />

Schäper, S. (2003). Die Betreuung von Menschen mit besonderen Verhaltensschwierigkeiten in<br />

kleinen Wohnstätten – ein Ernstfall? In: Kinderheilstätte Nordkirchen (Hrsg.), Menschen mit <strong>geistig</strong>er<br />

Behinderung und Verhaltensbesonderheiten. Dokumentation Nordkirchener Werkstatt Treffen<br />

Wissenschaft und Praxis vom 11. und 12. April 2003.<br />

Seifert, M. (2004). Das Consulentenprojekt der Heilpädagogischen Heime des Landschaftsverbandes<br />

Rheinland. Evaluation im Auftrag des Landschaftsverbandes Rheinland. Berlin: Katholische<br />

Hochschule für Sozialwesen Berlin.<br />

Theunissen, G. (2005). Pädagogik bei <strong>geistig</strong>er Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten (4. Aufl.).<br />

Bad Heilbrunn: Klinkhardt.<br />

95


10 Anhang<br />

10.1 Codes der Verhaltensauffälligkeiten<br />

Die erste Ziffer zeigt die Kategorie der Verhaltensauffälligkeit an, die darauffolgenden ein bis zwei<br />

Ziffern stellen eine laufende Nummerierung dar.<br />

Verh.­Nr.<br />

Beschreibung<br />

1. Auffälligkeiten mit selbstgefährdendem Charakter<br />

1.1 Nicht sprechen<br />

1.2 Sich zurückziehen, Meiden bestimmter anderer Personen<br />

1.3 Auf Kontaktaufnahme nicht oder ausweichend reagieren<br />

1.4 Soziales Desinteresse<br />

1.5 Rückzug durch Selbststimulation<br />

1.6 Schlafstörungen, Störungen des Tag­ und Nachtrhythmus<br />

1.7 Gefahr durch Weglaufen, Streunen<br />

1.8 Essen oder Trinken dafür ungeeigneter Substanzen<br />

1.9 Störungen des Eßverhaltens<br />

1.10 Nahrungsverweigerung<br />

1.11 Maßloses Essen<br />

1.12 Bulimie<br />

1.13 Anorexie<br />

1.14 Suchtverhalten (Rauschmittel)<br />

1.15 Schlagen, Kneifen (sich selbst)<br />

1.16 Beißen, Kratzen (sich selbst)<br />

1.17 Absichtliches Fallen<br />

1.18 Augen bohren/stechen, schlagen des Auges<br />

1.19 Onanieren bis zur Selbstverletzung der Genitalien<br />

1.20 Haare ausreißen<br />

1.21 Sich verbrühen (an heißen Getränken)<br />

1.22 Sich selbst an der Wand blutig schlagen, den Kopf gegen einen Gegenstand schlagen<br />

1.23 Verschlucken von Gegenständen<br />

1.24 Sich selbst verstümmeln<br />

1.25 Ausspucken von Medikamenten<br />

1.26 Suizidalität<br />

1.27 Andere<br />

2. Beeinträchtigungen anderer Personen<br />

2.1 Urinieren, Einkoten in Räumen<br />

2.2 Kotschmieren<br />

2.3 Kotessen<br />

2.4 Häufiges Erbrechen, Speisen hervorwürgen (Ruminieren)<br />

2.5 Ausführen von Manierismen (Klopfen, Klatschen, Trommeln), stereotyper oder zwanghafter Sachumgang<br />

(Drehen von Gegenständen)<br />

2.6 Ständige motorische Unruhe, Körperbewegungen im Einschlafstadium/Schaukeln<br />

2.7 Anhaltendes Schreien, Brummen, Lautieren<br />

2.8 Anhaltendes Erzeugen von Geräuschen<br />

2.9 Unkontrollierte Gesichtszuckungen, Tics<br />

96


Verh.­Nr.<br />

Beschreibung<br />

2.10 Inadäquates Anziehen, Ausziehen<br />

2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen, rigides Beharren auf Routine (z.B. Waschen,<br />

Kontrollieren, Ordnungsdrang, Pedanterie)<br />

2.12 Distanzloses Verhalten, anfassen anderer<br />

2.13 Eindringen in fremde Räume<br />

2.14 Fluchen, verbale Aggressivität<br />

2.15 Aufsässiges Verhalten, „Führungsresistenz“<br />

2.16 Andauerndes Fragen und Klagen<br />

2.17 Gefühlsausbrüche<br />

2.18 Lügen<br />

2.19 Verstecken, Verlegen und/oder Sammeln von Gegenständen (aus anderen Zimmern)<br />

2.20 Stehlen<br />

2.21 Andere<br />

3. Fremdgefährdung / Gefährdung der Sicherheit anderer Personen<br />

3.1 Drohende Gebärden<br />

3.2 Toben<br />

3.3 Andere Bespucken<br />

3.4 Handgreifliche Wutausbrüche<br />

3.5 Ohrfeigen<br />

3.6 Haare ziehen/ausreißen<br />

3.7 Schlagen, Treten, Kneifen<br />

3.8 Beißen, Kratzen<br />

3.9 Stoßen, auf den Boden werfen<br />

3.10 Kopfstoßen nach Personen<br />

3.11 Würgen<br />

3.12 Fehlhandlungen wie andere aus dem Bett ziehen<br />

3.13 Pyromanie, Brandstiftung<br />

3.14 Werfen, Schlagen mit harten schweren Gegenständen/Gegenstände als Waffen benutzen<br />

3.15 Sexuelle Übergriffe<br />

3.16 Exhibitionismus<br />

3.17 Pädophiles Verhalten<br />

3.18 Andere<br />

4. Aggressionen gegenüber Sachobjekten<br />

4.1 Zerreißen von Kleidungsstücken<br />

4.2 Gegen Möbel oder Fenster treten/schlagen<br />

4.3 Zerstören von eigenem oder fremdem Eigentum<br />

5. Beeinträchtigungen im Leistungsbereich<br />

5.1 Geringe Konzentrationsfähigkeit, fehlende Ausdauer<br />

5.2 Leichte Ermüdbarkeit, geringe Belastbarkeit<br />

5.3 Angst bei Leistungsanforderungen<br />

5.4 Arbeitsverweigerung, ­flucht<br />

5.5 Angst vor Leistungsanforderungen<br />

5.6 Bewegungsverweigerung, Aufstehen verweigern<br />

97


10.2 Codierung der psychischen Störungen<br />

psychische Störung<br />

Code<br />

Störung durch psychotrope Substanzen 1000<br />

Schizophrenie 2000<br />

schizotype Störung 2100<br />

schizoaffektive Störung 2500<br />

affektive Störung 3000<br />

Angststörung 4000<br />

Zwangsstörung 4200<br />

Zwangshandlungen/­rituale 4210<br />

Posttraumatische Belastungsstörung 4300<br />

Anpassungstörung 4320<br />

Persönlichkeitsstörungen 6000<br />

schizoide Persönlichkeitsstörung 6010<br />

dissoziale Persönlichkeitsstörung 6020<br />

impulsiv­emotional instabile Pers.störung 6030<br />

impulsiv, Borderline­Typ 6031<br />

ängstlich­vermeidende Pers.störung 6060<br />

Pädophilie 6540<br />

Autismus, frühkindlicher 8400<br />

atypischer Autismus 8410<br />

Autismus, Asperger­Typ 8450<br />

Störung des Sozialverhaltens 9100<br />

Ticstörung 9500<br />

hirnorgan. Psychosyndrom bzw. Verhaltensoder<br />

Pers.störung organisch bedingt, nicht<br />

näher bezeichnet<br />

9970<br />

Epilepsie 9980<br />

98


10.3 Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV<br />

bei 177 Personen zu denen Daten aus allen fünf Zeitpunkten vorliegen<br />

(1 = „leichtes“, 2 = „ernstes“ und 3 = „hochkritisches“ Gefährdungspotential)<br />

SHV Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Differenz<br />

Zeitpunkt 5 –<br />

Zeitpunkt 1<br />

Zeitpunkt 1<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 2<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 3<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 4<br />

Anzahl<br />

1.1 1,4 1,0 1,3 1,0 1,6 0,2 5 5 6 5 7<br />

1.2 1,5 1,3 1,2 1,2 1,2 ­0,4 31 30 29 25 25<br />

1.3 1,5 1,3 1,1 1,1 1,3 ­0,2 15 14 14 21 19<br />

1.4 1,5 1,3 1,1 1,0 1,1 ­0,3 11 12 7 6 8<br />

1.5 1,1 1,1 1,1 1,1 1,3 0,2 15 16 15 14 15<br />

1.6 2,0 1,8 1,6 1,4 1,4 ­0,6 23 20 17 19 20<br />

1.7 2,4 2,5 2,5 2,4 2,3 ­0,1 27 24 22 21 22<br />

1.8 2,3 2,3 2,3 2,4 2,3 ­0,1 13 12 12 8 8<br />

1.9 1,4 1,3 1,2 1,2 1,6 0,2 17 16 15 15 16<br />

1.10 2,3 2,0 1,9 1,4 1,8 ­0,4 11 8 7 5 6<br />

1.11 1,9 1,9 1,5 1,6 1,6 ­0,3 14 12 11 12 12<br />

1.12<br />

1.13<br />

1.14 2,0 2,1 2,0 1,7 1,8 ­0,2 14 14 13 14 13<br />

1.15 1,9 1,9 1,7 1,7 1,7 ­0,2 34 33 33 35 40<br />

1.16 1,8 1,9 1,8 1,6 1,6 ­0,3 28 30 35 32 25<br />

1.17 1,5 2,0 2,3 1,7 2,3 0,8 2 2 3 3 3<br />

1.18 2,5 2,5 2,5 2,5 2,0 ­0,5 2 2 2 2 3<br />

1.19 1,0 1,5 1,0 1,0 1,0 0,0 1 2 1 1 1<br />

1.20 2,0 2,3 1,7 1,7 1,5 ­0,5 2 3 3 3 2<br />

1.21<br />

1.22 2,0 2,0 1,9 1,8 1,9 ­0,1 22 22 21 18 21<br />

1.23 3,0 3,0 2,8 2,8 2,5 ­0,5 5 5 5 5 4<br />

Zeitpunkt 5<br />

Anzahl<br />

99


SHV Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Differenz<br />

Zeitpunkt 5 –<br />

Zeitpunkt 1<br />

Zeitpunkt 1<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 2<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 3<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 4<br />

Anzahl<br />

1.24 2,7 2,3 2,3 2,3 2,3 ­0,5 7 3 3 3 4<br />

1.25 2,2 2,2 1,4 1,6 1,6 ­0,6 6 6 5 5 5<br />

1.26 2,6 2,8 2,8 3,0 2,3 ­0,2 7 4 5 3 3<br />

1.27 2,5 2,3 2,2 1,8 1,7 ­0,8 22 16 18 14 13<br />

2.1 1,6 1,5 1,3 1,3 1,4 ­0,2 18 21 22 19 17<br />

2.2 1,5 1,1 1,3 1,1 1,3 ­0,2 8 7 7 7 6<br />

2.3 2,3 2,5 2,0 2,0 2,0 ­0,3 3 2 3 3 3<br />

2.4 2,0 2,0 2,0 1,5 1,3 ­0,7 1 1 1 2 3<br />

2.5 1,7 1,5 1,4 1,3 1,4 ­0,4 11 13 12 13 8<br />

2.6 1,6 1,5 1,4 1,4 1,3 ­0,3 36 36 32 35 29<br />

2.7 1,6 1,4 1,4 1,4 1,4 ­0,2 40 40 39 41 40<br />

2.8 2,1 1,8 1,8 1,7 1,8 ­0,3 8 9 8 6 5<br />

2.9 1,1 1,0 1,0 1,0 1,0 ­0,1 7 5 5 6 6<br />

2.10 1,5 1,2 1,2 1,3 1,4 ­0,1 8 5 6 8 8<br />

2.11 1,7 1,7 1,6 1,6 1,6 ­0,2 61 64 62 68 67<br />

2.12 1,6 1,5 1,3 1,4 1,4 ­0,2 33 35 35 38 41<br />

2.13 2,0 2,0 1,8 1,8 1,7 ­0,3 10 10 10 13 10<br />

2.14 2,2 1,7 1,6 1,6 1,5 ­0,7 27 34 36 35 37<br />

2.15 1,9 1,9 1,7 1,5 1,4 ­0,5 34 37 35 33 33<br />

2.16 1,6 1,5 1,4 1,4 1,4 ­0,2 42 49 48 51 52<br />

2.17 2,0 1,8 1,7 1,6 1,7 ­0,3 30 31 38 40 40<br />

2.18 1,6 1,7 1,2 1,3 1,1 ­0,5 13 13 9 8 8<br />

2.19 1,8 1,5 1,5 1,4 1,8 0,0 17 11 11 9 9<br />

2.20 2,3 2,3 1,6 1,7 1,5 ­0,8 8 8 8 7 8<br />

2.21 2,0 1,9 1,9 1,8 1,5 ­0,4 23 24 24 19 19<br />

3.1 2,0 1,8 1,7 1,7 1,7 ­0,3 29 34 33 31 31<br />

3.2 2,4 2,4 2,2 2,2 2,3 ­0,1 22 23 23 19 18<br />

3.3 1,9 1,2 1,0 1,3 1,2 ­0,7 7 6 6 6 6<br />

3.4 2,6 2,6 2,4 2,3 2,4 ­0,2 57 52 51 49 48<br />

Zeitpunkt 5<br />

Anzahl<br />

100


SHV Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Differenz<br />

Zeitpunkt 5 –<br />

Zeitpunkt 1<br />

Zeitpunkt 1<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 2<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 3<br />

Anzahl<br />

3.5 3,0 2,0 2,0 3,0 1 1 1 1<br />

Zeitpunkt 4<br />

Anzahl<br />

3.6 2,2 2,2 2,1 2,0 2,0 ­0,2 13 11 11 11 9<br />

3.7 2,4 2,2 2,2 2,1 2,1 ­0,3 60 55 54 56 59<br />

3.8 2,3 2,2 2,1 2,0 2,0 ­0,3 33 28 25 26 29<br />

3.9 2,6 2,6 2,5 2,4 2,3 ­0,4 11 7 6 11 12<br />

3.10 2,8 2,5 2,5 2,3 2,4 ­0,4 6 4 4 3 5<br />

3.11 2,6 2,8 2,5 2,7 2,7 0,1 7 6 6 6 6<br />

3.12 2,6 3,0 2,7 2,0 2,0 ­0,6 5 1 3 2 2<br />

3.13 3,0 3,0 3,0 3,0 3,0 0,0 4 1 1 2 1<br />

3.14 2,8 2,6 2,6 2,5 2,4 ­0,4 27 25 20 22 26<br />

3.15 1,8 1,6 1,6 1,8 1,7 ­0,1 10 7 9 8 9<br />

3.16 2,3 2,0 2,0 3,0 0,7 3 3 1 2<br />

3.17 2,5 2,0 2,0 2,5 2,0 ­0,5 2 1 1 2 1<br />

3.18 2,5 2,6 2,6 2,4 2,5 0,0 16 11 14 9 11<br />

4.1 1,5 1,5 1,4 1,4 1,1 ­0,4 20 20 19 16 16<br />

4.2 2,0 1,9 1,7 1,6 1,5 ­0,5 25 19 22 25 23<br />

4.3 1,9 1,8 1,7 1,6 1,7 ­0,2 43 42 41 42 41<br />

5.1 1,3 1,3 1,2 1,1 1,3 ­0,1 26 29 28 35 28<br />

5.2 1,5 1,3 1,2 1,2 1,3 ­0,2 23 21 23 26 24<br />

5.3 1,6 1,5 1,4 1,5 1,4 ­0,2 9 11 9 13 10<br />

5.4 1,2 1,2 1,1 1,2 1,2 0,0 21 22 17 22 22<br />

5.5 1,9 1,7 1,4 1,2 1,4 ­0,5 16 15 12 16 17<br />

5.6 1,4 1,5 1,4 1,4 1,3 0,0 14 16 17 18 18<br />

Zeitpunkt 5<br />

Anzahl<br />

101


10.4 Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeiten der SHV<br />

bei 177 Personen zu denen Daten aus allen fünf Zeitpunkten vorliegen<br />

(1 = „gar nicht“, 2 = „1­2x monatlich“, 3 = „1x wöchentlich“, 4 = „mehrmals wöchentlich“, 5 = „1­2x täglich“ und 6 = „unentwegt“<br />

SHV Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Differenz<br />

Zeitpunkt 5 –<br />

Zeitpunkt 1<br />

Zeitpunkt 1<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 2<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 3<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 4<br />

Anzahl<br />

1.1 5,4 5,0 4,3 4,2 4,0 ­1,4 5 5 6 5 7<br />

1.2 5,1 5,2 4,7 4,6 4,5 ­0,6 30 31 32 25 26<br />

1.3 4,8 4,8 4,9 4,8 4,5 ­0,3 15 14 14 20 19<br />

1.4 5,3 4,8 3,6 3,6 3,8 ­1,5 11 13 11 11 11<br />

1.5 4,9 4,5 4,2 4,1 4,1 ­0,7 15 16 17 15 16<br />

1.6 4,2 3,5 3,4 3,1 3,0 ­1,2 23 21 19 22 24<br />

1.7 3,2 3,1 2,4 1,7 1,8 ­1,3 27 26 25 25 26<br />

1.8 3,5 3,5 2,5 2,1 1,9 ­1,6 13 13 13 10 10<br />

1.9 4,9 5,0 4,6 4,1 3,9 ­1,1 17 17 17 17 18<br />

1.10 4,2 3,4 3,0 3,2 3,4 ­0,8 11 8 7 6 7<br />

1.11 5,1 4,7 3,8 3,4 3,2 ­1,9 14 13 13 13 13<br />

1.12<br />

1.13<br />

1.14 4,9 5,1 4,5 4,4 4,3 ­0,6 14 15 15 16 16<br />

1.15 4,2 4,1 3,8 3,3 3,4 ­0,8 34 34 33 36 42<br />

1.16 4,3 3,4 3,5 3,1 3,4 ­0,8 28 33 35 33 27<br />

1.17 3,5 3,0 3,3 2,5 3,0 ­0,5 2 2 3 4 4<br />

1.18 1,5 3,0 3,5 3,5 3,7 2,2 2 2 2 2 3<br />

1.19 5,0 4,0 1,0 1,0 1,0 ­4,0 1 2 2 2 2<br />

1.20 1,5 2,3 2,3 3,3 2,0 0,5 2 3 3 3 2<br />

1.21<br />

1.22 3,5 3,9 3,0 2,7 2,8 ­0,8 22 23 21 19 21<br />

1.23 3,6 2,8 1,4 1,0 1,0 ­2,6 5 5 5 5 5<br />

Zeitpunkt 5<br />

Anzahl<br />

102


SHV Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Differenz<br />

Zeitpunkt 5 –<br />

Zeitpunkt 1<br />

Zeitpunkt 1<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 2<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 3<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 4<br />

Anzahl<br />

1.24 4,0 3,2 3,2 1,8 2,4 ­1,6 7 5 5 5 5<br />

1.25 3,5 2,0 1,7 1,7 1,7 ­1,8 6 8 7 6 6<br />

1.26 1,9 1,7 2,0 1,4 1,2 ­0,7 7 6 7 5 5<br />

1.27 4,5 3,6 3,6 3,0 3,2 ­1,2 22 17 19 16 14<br />

2.1 4,4 3,6 3,3 2,7 2,5 ­1,9 18 24 24 22 20<br />

2.2 3,3 2,8 2,9 2,8 2,4 ­0,8 8 8 8 8 7<br />

2.3 2,0 2,0 1,7 1,7 1,7 ­0,3 3 2 3 3 3<br />

2.4 3,0 2,0 2,0 3,5 3,7 0,7 1 1 1 2 3<br />

2.5 5,7 4,9 5,1 4,8 4,4 ­1,3 11 14 13 13 10<br />

2.6 5,6 5,2 4,8 4,6 4,4 ­1,3 36 37 37 39 34<br />

2.7 5,2 4,8 4,5 4,4 4,2 ­0,9 40 41 40 41 41<br />

2.8 5,3 5,1 4,8 4,7 4,5 ­0,8 8 9 8 6 6<br />

2.9 5,3 4,0 3,5 3,3 3,6 ­1,7 7 6 6 8 8<br />

2.10 4,5 4,0 3,4 3,2 3,2 ­1,3 8 8 7 9 9<br />

2.11 5,5 5,6 5,3 4,8 4,7 ­0,8 61 65 64 68 69<br />

2.12 4,9 4,8 4,4 4,0 4,1 ­0,8 34 36 38 41 44<br />

2.13 3,9 3,3 3,9 3,6 3,5 ­0,4 10 10 10 13 11<br />

2.14 4,2 3,8 4,0 3,9 3,8 ­0,4 28 36 36 35 37<br />

2.15 4,8 4,0 3,9 3,5 3,2 ­1,6 35 40 40 41 41<br />

2.16 5,4 5,0 5,0 4,7 4,4 ­0,9 42 50 50 52 53<br />

2.17 4,3 3,6 3,5 3,1 2,8 ­1,5 30 35 42 43 42<br />

2.18 4,9 4,2 3,6 3,4 3,1 ­1,8 13 13 11 8 8<br />

2.19 3,9 3,4 3,5 2,2 2,6 ­1,3 16 12 11 10 9<br />

2.20 3,9 3,7 3,2 2,9 2,6 ­1,3 8 9 9 8 9<br />

2.21 5,2 4,5 4,1 4,1 3,8 ­1,4 23 26 28 21 19<br />

3.1 3,5 3,6 3,2 2,7 2,4 ­1,1 29 36 35 33 35<br />

3.2 3,6 3,3 3,3 2,9 2,6 ­1,0 21 24 25 21 21<br />

3.3 3,9 4,3 4,2 2,9 3,7 ­0,2 7 6 6 7 6<br />

3.4 3,0 2,7 2,3 2,1 2,0 ­1,1 58 58 55 52 55<br />

Zeitpunkt 5<br />

Anzahl<br />

103


SHV Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Differenz<br />

Zeitpunkt 5 –<br />

Zeitpunkt 1<br />

Zeitpunkt 1<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 2<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 3<br />

Anzahl<br />

Zeitpunkt 4<br />

Anzahl<br />

3.5 4,0 2,5 2,5 1,5 1,0 ­3,0 1 2 2 2 1<br />

3.6 3,2 2,4 2,8 2,5 2,2 ­1,0 13 12 12 12 11<br />

3.7 3,1 2,6 2,6 2,5 2,4 ­0,7 60 61 60 62 64<br />

3.8 3,2 2,5 2,6 2,3 2,2 ­1,0 33 31 28 29 32<br />

3.9 1,8 1,3 1,2 1,6 1,7 ­0,1 11 11 11 14 15<br />

3.10 2,5 2,3 2,6 2,7 2,3 ­0,3 6 7 7 6 8<br />

3.11 3,0 1,4 1,3 1,1 1,4 ­1,6 7 7 7 7 7<br />

3.12 3,4 1,0 2,0 1,7 1,7 ­1,7 5 2 3 3 3<br />

3.13 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 0,0 4 3 3 4 3<br />

3.14 2,4 1,9 1,5 1,7 1,6 ­0,8 27 30 26 26 28<br />

3.15 3,0 1,9 1,6 1,2 1,7 ­1,3 10 9 9 9 10<br />

3.16 3,7 2,3 1,0 2,3 1,8 ­1,9 3 3 2 3 4<br />

3.17 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 0,0 2 1 1 2 1<br />

3.18 3,7 2,5 2,6 2,1 1,8 ­1,9 16 11 14 10 11<br />

4.1 3,0 3,2 2,9 2,3 2,5 ­0,5 20 21 21 17 18<br />

4.2 3,4 3,2 3,6 3,2 2,9 ­0,5 26 20 23 27 25<br />

4.3 3,0 3,1 2,7 2,4 2,4 ­0,6 42 45 43 45 46<br />

5.1 5,5 5,5 5,0 4,9 4,6 ­0,9 26 29 31 37 30<br />

5.2 4,9 5,1 4,8 4,8 4,8 ­0,1 22 23 25 28 28<br />

5.3 5,3 5,7 4,7 4,8 3,3 ­2,0 9 11 11 13 10<br />

5.4 4,5 4,0 3,1 2,8 2,7 ­1,8 21 22 20 23 22<br />

5.5 5,3 4,9 4,4 4,2 4,1 ­1,2 16 15 16 19 20<br />

5.6 5,0 4,6 3,8 3,0 2,9 ­2,1 14 16 17 22 21<br />

Zeitpunkt 5<br />

Anzahl<br />

104

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