Zusammenfassung - Kath.ch
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Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te in der S<strong>ch</strong>weiz -<br />
Internationale Rückmeldungen zu Umsetzungsproblemen<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz bekennt si<strong>ch</strong> zu den Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>ten. Sie engagiert si<strong>ch</strong> in internationalen<br />
Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsgremien und hat zahlrei<strong>ch</strong>e Konventionen ratifiziert.<br />
Wann immer internationale Kontrollorgane die S<strong>ch</strong>weiz in Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsfragen<br />
kritisieren, werden allerdings Stimmen der Entrüstung laut, wel<strong>ch</strong>e sol<strong>ch</strong>e Kritik als<br />
übertrieben und ungere<strong>ch</strong>tfertigt zurückweisen. Wie weit ist die internationale Kritik<br />
an der S<strong>ch</strong>weiz bere<strong>ch</strong>tigt? Wie weit die Entrüstung angebra<strong>ch</strong>t?<br />
Analyse und Bewertung<br />
Antworten auf diese Fragen finden si<strong>ch</strong> zum ersten Mal umfassend und themenübergreifend<br />
in einer Studie des S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Kompetenzzentrums für Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te<br />
(SKMR). Sie analysiert die Relevanz internationaler Rückmeldungen<br />
der UNO und des Europarates zu Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsfragen an die S<strong>ch</strong>weiz und untersu<strong>ch</strong>t,<br />
wie weit die Behörden Massnahmen ergriffen haben, um die identifizierten<br />
Probleme zu lösen.<br />
Die Bedeutung der Studie liegt ni<strong>ch</strong>t in neuen empiris<strong>ch</strong>en Befunden, sondern in<br />
der Aufbereitung, Analyse und Bewertung der Empfehlungen internationaler Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsorgane.<br />
Dadur<strong>ch</strong> werden Lücken und Handlungsbedarf in unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en<br />
Handlungsfeldern ersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>. Die se<strong>ch</strong>s Teilbände der Studie befassen si<strong>ch</strong><br />
mit den Themenberei<strong>ch</strong>en (1) Migration; (2) Freiheitsentzug, Polizei und Justiz; (3)<br />
Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terpolitik; (4) Kinder- und Jugendpolitik; (5) Institutionelle Fragen und (6)<br />
Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te und Wirts<strong>ch</strong>aft.<br />
Li<strong>ch</strong>t und S<strong>ch</strong>atten<br />
Die Studie zeigt, dass in der S<strong>ch</strong>weiz in den letzten Jahren wi<strong>ch</strong>tige Forts<strong>ch</strong>ritte<br />
erzielt wurden, etwa bei der verhältnismässigen Anwendung von Zwangsmassnahmen<br />
bei Rückführungen von ausländis<strong>ch</strong>en Staatsangehörigen, beim S<strong>ch</strong>utz<br />
vor Zwangsverheiratung oder bei der Gewährleistung von Aufenthaltsre<strong>ch</strong>ten für<br />
Opfer von häusli<strong>ch</strong>er Gewalt.<br />
Auf der andern Seite gibt die Studie auf der Grundlage der internationalen Empfehlungen<br />
aber au<strong>ch</strong> Hinweise auf ernst zu nehmende Umsetzungsprobleme<br />
struktureller und institutioneller Art. Diese erfordern Massnahmen v.a. auf den<br />
Ebenen der Gesetzgebung, der Datenerhebung, der Prävention und der besseren<br />
Zusammenarbeit zwis<strong>ch</strong>en Bund und Kantonen. Einige Beispiele sind im Folgenden<br />
hervorgehoben.<br />
1
Gesetzgeberis<strong>ch</strong>er Handlungsbedarf<br />
Die Studie identifiziert in vers<strong>ch</strong>iedenen Berei<strong>ch</strong>en Lücken in der Gesetzgebung.<br />
So ma<strong>ch</strong>t sie etwa auf das Fehlen eines umfassenden privatre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Diskriminierungss<strong>ch</strong>utzes<br />
aufmerksam. Dieses Postulat vermo<strong>ch</strong>te bis jetzt weder den<br />
Bundesrat no<strong>ch</strong> das Parlament zu überzeugen; es bleibt also kontrovers. (Vgl.<br />
dazu Teilband „Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terpolitik“ ab Rz 7, Teilband „Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te und Wirts<strong>ch</strong>aft“<br />
ab Rz 220 und ab Rz 266 sowie Teilband „Migration“ ab Rz 66)<br />
Ein anderes Beispiel für einen umstrittenen gesetzgeberis<strong>ch</strong>en Handlungsbedarf<br />
ist das strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Verbot der sexuell motivierten Kontaktanbahnung zu Kindern<br />
im Internet („Grooming“). Ein sol<strong>ch</strong>es Verbot wird vom Lanzarote-<br />
Übereinkommen des Europarates zum S<strong>ch</strong>utz von Kindern vor sexueller Ausbeutung<br />
und sexuellem Missbrau<strong>ch</strong> verlangt, wel<strong>ch</strong>es von der S<strong>ch</strong>weiz derzeit ratifiziert<br />
wird. Au<strong>ch</strong> hier ist der Bundesrat der Meinung, das geltende Re<strong>ch</strong>t sei ausrei<strong>ch</strong>end,<br />
um sol<strong>ch</strong>es Tun zu ahnden. (Vgl. Teilband „Kinder- und Jugendpolitik“<br />
ab Rz 170 1 )<br />
Die Studie zeigt ihrerseits auf, dass die Umsetzung neuer internationaler Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsverpfli<strong>ch</strong>tungen<br />
dur<strong>ch</strong> die konsequente Auss<strong>ch</strong>öpfung der bestehenden<br />
Gesetzgebung in man<strong>ch</strong>en Fällen mögli<strong>ch</strong> ist. Exemplaris<strong>ch</strong> dargestellt wird<br />
dies anhand der Umsetzung der staatli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>utzpfli<strong>ch</strong>t im Berei<strong>ch</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te<br />
und Wirts<strong>ch</strong>aft in der S<strong>ch</strong>weiz. (Vgl. Teilband „Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te und Wirts<strong>ch</strong>aft“<br />
ab Rz 59)<br />
Unzurei<strong>ch</strong>ende Datenlage<br />
Mitunter fehlen die Grundlagen zur Eins<strong>ch</strong>ätzung der Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tslage, weil<br />
die Datenlage unzurei<strong>ch</strong>end ist. In sol<strong>ch</strong>en Fällen kann ni<strong>ch</strong>t seriös beurteilt werden,<br />
ob die S<strong>ch</strong>weiz ihren Pfli<strong>ch</strong>ten zum S<strong>ch</strong>utz der Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te ausrei<strong>ch</strong>end<br />
na<strong>ch</strong>kommt. So ist die Datenlage für Fragen des Mens<strong>ch</strong>enhandels oder der sexuellen<br />
Ausbeutung von Kindern in der S<strong>ch</strong>weiz ebenso prekär wie jene zur Situation<br />
der lesbis<strong>ch</strong>en, s<strong>ch</strong>wulen, bisexuellen, transgender und intersexuellen Bevölkerungsteile.<br />
(Vgl. dazu Teilband „Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terpolitik“ ab Rz 140 und ab Rz 178<br />
sowie Teilband „Kinder- und Jugendpolitik“ ab Rz 157.)<br />
Probleme in der Praxis<br />
Die Anwendung der bestehenden Gesetze in der Praxis ist ni<strong>ch</strong>t immer mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tskonform.<br />
So entspre<strong>ch</strong>en die Modalitäten der ausländerre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />
1 Die Randziffernangaben des Teilbands « Kinder- und Jugendpolitik » beziehen si<strong>ch</strong> auf die französis<strong>ch</strong>e<br />
Fassung. Die deuts<strong>ch</strong>e Fassung des Teilbands folgt demnä<strong>ch</strong>st.<br />
2
Administrativhaft häufig nur teilweise dem auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong>en Zweck dieses Freiheitsentzuges,<br />
nämli<strong>ch</strong> der Si<strong>ch</strong>erstellung der Ausreise ausländis<strong>ch</strong>er Staatsangehöriger.<br />
(Vgl. Teilband „Freiheitsentzug, Polizei und Justiz“ ab 45)<br />
Strukturelle Probleme sind im Berei<strong>ch</strong> der Verwahrungshaft zu konstatieren, wo<br />
si<strong>ch</strong> vor allem seit der Einführung der Mögli<strong>ch</strong>keit lebenslanger Verwahrung vielfältige<br />
re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Probleme stellen, wie etwa die Frage na<strong>ch</strong> der zulässigen Bes<strong>ch</strong>ränkung<br />
der persönli<strong>ch</strong>en Freiheit na<strong>ch</strong> Verbüssung der Freiheitsstrafe oder<br />
der Umgang mit pflegebedürftigen Inhaftierten. (Vgl. Teilband „Freiheitsentzug,<br />
Polizei und Justiz“ ab Rz 34 und Rz 45)<br />
Vers<strong>ch</strong>iedene Indizien weisen darauf hin, dass na<strong>ch</strong> Herkunft diskriminierende<br />
Personenkontrollen dur<strong>ch</strong> die Polizei (racial profiling) au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz verbreitet<br />
sind. Einfa<strong>ch</strong>e Lösungen zu ihrer Eliminierung stehen indes kaum zur Verfügung.<br />
(Vgl. Teilband „Freiheitsentzug, Polizei und Justiz“ ab Rz 104 und Rz 116)<br />
Au<strong>ch</strong> im Asylberei<strong>ch</strong> sind S<strong>ch</strong>wierigkeiten mit der Gesetzesanwendung festzustellen.<br />
Die Ausgestaltung der Nothilfe für Personen mit einem Ni<strong>ch</strong>teintretensents<strong>ch</strong>eid<br />
und für abgewiesene Asylsu<strong>ch</strong>ende steht öfters im Konflikt mit der notwendigen<br />
Gewährung der sozialen Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te. (Vgl. Teilband „Migration “ ab Rz<br />
331)<br />
Ausserdem gibt der Re<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>utz für Asylsu<strong>ch</strong>ende aus mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er<br />
Perspektive Anlass zu Sorge, insbesondere vor dem Hintergrund der immer neuen<br />
Bestrebungen zur Bes<strong>ch</strong>leunigung des Asylverfahrens. (Vgl. Teilband „Migration“<br />
ab Rz 236)<br />
S<strong>ch</strong>wierigkeiten im Zugang zum Re<strong>ch</strong>t hängen bisweilen mit institutionellen Defiziten<br />
zusammen, so in der Frage der unangemessenen Anwendung von Gewalt<br />
dur<strong>ch</strong> Angehörige der Polizei. Die teils mangelnde Unabhängigkeit von Bes<strong>ch</strong>werdestellen<br />
führt oft zu einer unbefriedigenden Situation für Betroffene. (Vgl. Teilband<br />
„Freiheitsentzug, Polizei und Justiz“ ab Rz 147.)<br />
Zwar haben alle Kantone inzwis<strong>ch</strong>en Massnahmen gegen häusli<strong>ch</strong>e Gewalt in<br />
ihren Gesetzen verankert, um die Frauen und andere Familienmitglieder besser zu<br />
s<strong>ch</strong>ützen, do<strong>ch</strong> in der Praxis gibt es au<strong>ch</strong> hier beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Lücken, wie etwa einen<br />
grossen Mangel an Plätzen für gewaltbetroffene Frauen in Frauenhäusern.<br />
(Vgl. Teilband „ Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terpolitik “ Rz 77 und Rz 98)<br />
Lücken bei der Prävention<br />
Bestimmte Arten von Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsverletzungen könnten in der S<strong>ch</strong>weiz mit<br />
gezielteren und effizienteren Präventionsmassnahmen vermindert werden. Handlungsbedarf<br />
besteht beispielsweise immer no<strong>ch</strong> in der Prävention von Fremden-<br />
3
feindli<strong>ch</strong>keit und rassistis<strong>ch</strong>er Diskriminierung. (Vgl. Teilband „Migration“ ab Rz 82<br />
und „Institutionelle Fragen“ ab Rz 106 und ab Rz 302.)<br />
Au<strong>ch</strong> in der Prävention von Gewalt an Kindern wurde ein Na<strong>ch</strong>holbedarf festgestellt,<br />
insbesondere betreffend sexuellen Missbrau<strong>ch</strong> und sexuelle Ausbeutung<br />
sowie den Suizid von Kindern und Jugendli<strong>ch</strong>en (Vgl. Teilband „Kinder- und Jugendpolitik“<br />
ab Rz 97 und ab Rz 160.)<br />
Koordinationsbedarf im föderalistis<strong>ch</strong>en Staat<br />
Die Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsverpfli<strong>ch</strong>tungen auf internationaler Ebene werden zwar vom<br />
Bund eingegangen, ihre Umsetzung liegt jedo<strong>ch</strong> oftmals im Kompetenzberei<strong>ch</strong> der<br />
Kantone oder sogar der Gemeinden. Obwohl gewisse Unters<strong>ch</strong>iede in der Anwendung<br />
der Übereinkommen dur<strong>ch</strong>aus gewollt sein können, bergen die kantonalen<br />
Unters<strong>ch</strong>iede immer au<strong>ch</strong> die Gefahr einer Unglei<strong>ch</strong>behandlung. (Vgl. Teilband<br />
„Institutionelle Fragen“ ab Rz 44.)<br />
Die Beri<strong>ch</strong>terstattung zur s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tslage auf internationaler<br />
Ebene ist im föderalistis<strong>ch</strong>en Staatsgefüge eine anspru<strong>ch</strong>svolle Aufgabe. Eine<br />
grosse Anzahl von Akteuren in den Kantonen und beim Bund sind involviert, was<br />
eine solide Koordination des gesamten Verfahrens voraussetzt. Diesbezügli<strong>ch</strong><br />
besteht in der S<strong>ch</strong>weiz zurzeit no<strong>ch</strong> Verbesserungsbedarf. (Vgl. Teilband „Institutionelle<br />
Fragen“ ab Rz 35.)<br />
Nützli<strong>ch</strong>, sa<strong>ch</strong>gere<strong>ch</strong>t und kohärent<br />
Im internationalen Verglei<strong>ch</strong> steht die S<strong>ch</strong>weiz mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> ohne Zweifel<br />
gut da. Völkerre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> befreit sie dies aber ni<strong>ch</strong>t von der Verpfli<strong>ch</strong>tung, laufend an<br />
der vollen Verwirkli<strong>ch</strong>ung der Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te weiter zu arbeiten. Gerade weil die<br />
S<strong>ch</strong>weiz ihrem Anspru<strong>ch</strong> gere<strong>ch</strong>t werden will, eine vorbildli<strong>ch</strong>e Politik für den<br />
S<strong>ch</strong>utz und die Förderung der Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te zu verfolgen, sollte sie zur Wahrung<br />
ihrer Reputation und Glaubwürdigkeit stets ein besonderes Augenmerk auf<br />
den Stand der Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te im Landesinnern legen.<br />
Die Rückmeldungen der Kontrollorgane der UNO und des Europarates an die<br />
S<strong>ch</strong>weiz helfen, mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Problemberei<strong>ch</strong>e zu erkennen und sie tragen<br />
dazu bei, dass nötige Korrekturmassnahmen eingeleitet werden. Die Studie zeigt,<br />
dass Empfehlungen vers<strong>ch</strong>iedener Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsorgane zu denselben Themen<br />
si<strong>ch</strong> gegenseitig ergänzen. Die Empfehlungen sind in der Regel nützli<strong>ch</strong> und<br />
sa<strong>ch</strong>gere<strong>ch</strong>t. Wenn die externen Rückmeldungen unvoreingenommen aufgefasst<br />
werden, so sind sie ein wi<strong>ch</strong>tiges Arbeitsinstrument für Politiker/innen und Behörden.<br />
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