Ausgabe 4/2010 - Karrieremagazin.net
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04 <strong>2010</strong> Staufenbiel <strong>Karrieremagazin</strong><br />
EINSTIEG Interview<br />
dass viele Unternehmenslenker so denken.<br />
Wir müssen dieses Denken aber<br />
auch in die Unternehmen tragen. Die<br />
Personalabteilungen haben jedoch oft<br />
das Problem, dass sie in der Flut der<br />
Bewerbungen untergehen. Da liegt es<br />
nahe, als erste Auswahlkriterien gute<br />
Noten und ein kurzes Studium festzulegen.<br />
Hier das richtige Maß zu finden,<br />
ist eine ganz große Herausforderung<br />
für gute Personaler.<br />
Wenn man es dann geschafft hat, wird’s anstrengend.<br />
Berater sind viel unterwegs und<br />
haben keine 40-Stunden-Woche. Da hilft<br />
kein Schönreden, oder?<br />
Ich weiß, dass Work-Life-Balance<br />
ein wichtiges Thema ist – für jeden.<br />
Ich bin aber nicht der Meinung, dass<br />
man diese Balance zu jedem Zeitpunkt<br />
seiner Karriere für sich reklamieren<br />
sollte. Als Einsteiger muss man die Bereitschaft<br />
haben, sich wirklich reinzuhängen.<br />
Das erwarten übrigens alle<br />
Arbeitgeber. Beratung hat einfach viel<br />
mit Reisen zu tun. Natürlich ist das anstrengend<br />
– auch für mich. Ich kämpfe<br />
nach Fernreisen mittlerweile auch mit<br />
Jetlag, das hatte ich früher nicht. Die<br />
Strapazen verblassen aber gegen das,<br />
was ich erlebe und zurückbekomme.<br />
Berater bekommen viel Geld. Ist das der<br />
Grund, warum so viele ins Consulting wollen?<br />
Einsatz wird honoriert. Sicher ist das<br />
Gehalt attraktiv, aber das kann nicht<br />
die Motivation eines Beraters sein.<br />
Wer in die Beratung geht, nur weil<br />
er viel Geld verdienen will, wird das<br />
Nachsehen haben.<br />
Sie sind auf einem Umweg zum Consult ing<br />
gekommen. Sie waren eigentlich wild entschlossen,<br />
Wissenschaftler zu werden.<br />
Ja, das stimmt. Ich sah dann aber bei<br />
meinen Kommilitonen, dass die sich<br />
bei Wirtschaftsunternehmen bewarben<br />
und Einladungen erhielten. Ich dachte<br />
mir, das ist eine gute Gelegenheit, ein<br />
bisschen durch die Gegend zu reisen<br />
und interessante Gespräche zu führen.<br />
Ich war ein sehr theoretisch denkender<br />
Mensch und rech<strong>net</strong>e nicht damit, dass<br />
mich jemand einstellen würde.<br />
Da haben Sie sich aber verschätzt. Sie landeten<br />
bei einem Papierhersteller als Assistent<br />
des Vertriebsvorstandes.<br />
Ja, ohne die geringste Ahnung von Vertrieb<br />
zu haben. Aber ich habe es einfach<br />
gemacht. Für mich war der Job ein<br />
Glücksfall. Ich bin dort auf Menschen<br />
gestoßen, die mich wirklich gefördert<br />
haben. Das war der Weg für mich in<br />
die Praxis. Und ich habe in dieser Zeit<br />
Roland Berger kennengelernt.<br />
War es schwer, neben der Persönlichkeit Roland<br />
Berger zu bestehen?<br />
Die Frage stellte sich ja zunächst nicht.<br />
Ich habe sehr viel von Roland Berger<br />
gelernt. Jemandem nachzufolgen, den<br />
man wertschätzt, ist dann nie einfach.<br />
Weder für einen selbst, noch für den<br />
anderen. Und in der Öffentlichkeit erst<br />
recht nicht.<br />
Der Markt für Unternehmensberatungen ist<br />
unter Druck. Die Wachstumsraten sind gesunken.<br />
Große und kleine Beratungshäuser<br />
kämpfen um einen kleineren Kuchen. Sehen<br />
Sie Ihr Geschäftsmodell gefährdet?<br />
Nein, das Geschäftsmodell gilt nach<br />
wie vor. Natürlich müssen wir es immer<br />
wieder anpassen und uns weiterentwickeln.<br />
Das vergangene Jahr war<br />
für alle Beratungsgesellschaften nicht<br />
einfach. Der Markt ist erheblich geschrumpft.<br />
Weniger, weil die Unternehmen<br />
die Arbeit der Berater nicht<br />
schätzen, sondern weil sie Geld sparen<br />
mussten. Das ist aber keine strukturelle<br />
Entwicklung. Ich habe überhaupt<br />
keinen Zweifel, dass guter Rat<br />
auch in Zukunft gefragt ist. Denn die<br />
Welt wird immer komplexer und es ist<br />
schwieriger geworden, Unternehmen<br />
zu führen.<br />
Inwiefern?<br />
Auf der einen Seite ist die Welt zwar<br />
globaler geworden, auf der anderen<br />
Seite hat sie sich aber auch wesentlich<br />
stärker regionalisiert. China etwa ist<br />
politisch und kulturell einzigartig und<br />
ausgesprochen vielfältig. Indien auch.<br />
Das erhöht die Komplexität. Eins hat<br />
sich nämlich deutlich gezeigt: Die Welt<br />
hat sich, anders als vor zehn, 15 Jahren<br />
prognostiziert, nicht vereinheitlicht.<br />
Hat Sie der Vorwurf getroffen, dass Berater<br />
die Krise hätten kommen sehen müssen?<br />
Diesen Vorwurf habe ich selten gehört.<br />
Da saßen ja auch alle gemeinsam<br />
in einem Boot. Allerdings bin ich<br />
seit Langem der Überzeugung, dass<br />
der amerikanische Weg der Unternehmensführung<br />
mit seiner starken Kapitalmarktorientierung<br />
und der Konzentration<br />
auf Shareholder Value auf<br />
die Dauer nicht gut sein kann. Und<br />
trotzdem habe ich auch nicht vorhergesehen,<br />
dass wir in eine solche Krise<br />
laufen würden.<br />
Müssen die Jungen die Nachwehen der Krise<br />
ausbaden, weil die Beratungsgesellschaften<br />
weniger Partner an Bord nehmen?<br />
Beratung braucht Wachstum. Wenn<br />
eine Beratungsfirma dauerhaft nicht<br />
wächst, kann sie weniger Partner entwickeln.<br />
Daher wäre es eine Katastrophe,<br />
wenn wir über einen längeren<br />
Zeitraum gar nicht wüchsen. Auch der<br />
akademische Wissenszufluss würde<br />
dann versiegen. Denn mit jedem neuem<br />
Studentenjahrgang kommt ja neues<br />
Wissen in die Firma.<br />
Wer einen Rat gibt, möchte auch, dass er<br />
befolgt wird. Wie gehen Berater damit um,<br />
wenn ihr Vorschlag verschmäht wird?<br />
Sie sind enttäuscht, denn sie sind ja<br />
von ihrer Lösung überzeugt. Wir trösten<br />
uns so: Der Weg hin zum Rat hat<br />
beide Seiten schon weitergebracht.<br />
Interview: Stefanie Zimmermann<br />
16 staufenbiel.de