Häusliche Gewalt - Manual für Fachleute - Kantonspolizei Zürich
Häusliche Gewalt - Manual für Fachleute - Kantonspolizei Zürich
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Kanton <strong>Zürich</strong><br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> –<br />
<strong>Manual</strong> <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong>
Ab 1. Januar 2014<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong><br />
<strong>Kantonspolizei</strong> <strong>Zürich</strong>, Präventionsabteilung<br />
Postfach<br />
8021 <strong>Zürich</strong><br />
Tel: 044 247 31 15<br />
Mail: ist@kapo.zh.ch<br />
www.ist.zh.ch<br />
Autorinnen und Co-Leiterinnen der IST bis 31. Dez. 2013<br />
Franziska Greber, M.A.<br />
Psychotherapeutin ASP, Coach und Supervisorin BSO<br />
Mail: fgreber@bluewin.ch<br />
Cornelia Kranich, lic. iur.<br />
Rechtsanwältin, Mediatorin<br />
Mail: kranich@kgr.ch<br />
Assistentin<br />
Monika Maurer<br />
Fotos: Franziska Greber<br />
3. Auflage (2013)
Gemeinsam gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
Vor Ihnen liegt die überarbeitete 3. Auflage des Kurzmanuals.<br />
Seit der Erstauflage im September 2008 konnten mit dem Kooperationsgremium<br />
wichtige Strategien im Vorgehen gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> entwickelt<br />
werden. Die Auswertung von über 2'600 GSG-Fällen brachte Erkenntnisse,<br />
die zu mehr Differenzierungen nötigten. In einer Arbeitsgruppe<br />
zur Optimierung des Vorgehens gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> nach<br />
dem Pfäffiker Tötungsdelikt im August 2011 wurden Schnittstellen angegangen<br />
und Lücken im Vorgehen, namentlich bezüglich des Risk-<br />
Assessments und des Risk-Managements erkannt und benannt. Einige<br />
neuere Studien, so auch die Auswertung des Pilotprojektes zur zeitnahen<br />
Kinderansprache durch das MMI oder die Optimus-Studie zur sexuellen<br />
Viktimisierung von Kindern und Jugendlichen, zeigten drastisch die<br />
Notwendigkeit des koordinierten, inter- und transdisziplinären Vorgehens.<br />
Das erste Kapitel befasst sich mit dem Phänomen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> vor<br />
allem aus bio-psycho-sozialer Sicht. Erkenntnisse zur Psychologie von<br />
TäterInnen und Opfern sowie zur Dynamik <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> wurden<br />
vertieft und weiterentwickelt. Im Fokus steht nicht mehr nur die Partnergewalt<br />
des gewalttätigen Mannes gegen seine Frau. Stärker kommt das<br />
ganze Familiensystem in den Blick. Es wurde offenkundig, dass oft auch<br />
Kinder und Jugendliche direkt von <strong>Gewalt</strong> betroffen sind, auch sie nicht<br />
nur vom Vater, sondern auch von Geschwistern, von der Mutter und in<br />
partnerschaftlichen Jugendbeziehungen. Diese Erkenntnisse müssen <strong>für</strong><br />
Interventionen und deren Nachhaltigkeit mitberücksichtigt werden.<br />
Paare und Familien, in denen <strong>Gewalt</strong> vorkommt, gehen nicht zwingend<br />
auseinander. Dies auch als Folge von zuweilen schwierigen Bindungen<br />
und Abhängigkeitsverhältnissen zwischen den am <strong>Gewalt</strong>verhältnis beteiligten<br />
Familienmitgliedern. Deshalb müssen auch Massnahmen entwickelt<br />
werden, die mit Paaren und/oder Familien als System arbeiten.<br />
Das kann nur Erfolg zeigen, wenn eine genaue Analyse der Paar- und<br />
Familiensituation unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Tätertypen<br />
und Bindungsmuster der Opfer voraus- gegangen ist.<br />
Das zweite Kapitel befasst sich mit den kurzfristigen Schutzmöglichkeiten<br />
des Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes. Seit der letzten Auflage wurde<br />
der Einbezug der Kinder in die Kontaktverbote von der Rechtsprechung<br />
ausdifferenziert. Gerade vor Drucklegung wurde ein Fall mitgeteilt, in<br />
welchem eine KESB unmittelbar nach Eintreffen der polizeilichen Gefährdungsmeldung<br />
die Anhörungen durchgeführt hat und noch während<br />
verlängertem GSG-Kontaktverbot mit einer situationsadäquaten Kindesschutzmassnahme<br />
reagierte. Damit konnte das generelle GSG-<br />
Kontaktverbot aufgehoben werden - ein Vorgehen, von dem wir hoffen,<br />
dass es Schule machen möge.<br />
Wenn Sie sich <strong>für</strong> die Kapitel über Schutzmöglichkeiten im Straf-, Zivilund<br />
Kindesrecht oder <strong>für</strong> ausländerrechtliche Fragen interessieren, finden<br />
Sie diese auf dem Stand der Bearbeitung auf der Internetadresse<br />
www.ist.zh.ch.<br />
Wir danken <strong>für</strong> Ihr Interesse.<br />
<strong>Zürich</strong>, im November 2013<br />
Franziska Greber Cornelia Kranich<br />
Co-Leiterinnen<br />
Direktion der Justiz und des Innern/Generalsekretariat (bis 31.12.2013)<br />
Ab 01.01.2014 ist die IST bei der Präventionsabteilung der KAPO ZH angegliedert.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch
Kanton <strong>Zürich</strong><br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
Kapitel 1<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache?
Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Inhaltsverzeichnis, November 2013<br />
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache?<br />
100 Grundlagen <br />
101 • Was ist <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>? Verschiedene Definitionen November 2013<br />
102 • <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Kanton <strong>Zürich</strong> November 2013<br />
103 • Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> bei Erwachsenen und Minderjährigen November 2013<br />
104 • Stalking November 2013<br />
105 • Psychologie und Dynamik <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> November 2013<br />
106 • Multikonstellationelle und multikontextuelle (<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong> November 2013<br />
107 • Kinder als Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> November 2013<br />
108 • Corinna Seith 1961 - 2010 Juli 2011<br />
• Kinder und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine Herausforderung <strong>für</strong> Behörden und Fachstellen<br />
von Corinna Seith<br />
Dezember 2006<br />
109 • Minderjährige, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben November 2013<br />
110 • <strong>Gewalt</strong> in Betagtenbeziehungen und gegen pflegebedürftige Menschen November 2013<br />
111 • Postvention und Paarberatung nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> November 2013<br />
112 • Neurowissenschaftliche und forensische Aspekte in der Behandlung gefährdender Personen<br />
November 2013<br />
113 • Verletzungen und gesundheitliche Folgen körperlicher <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> November 2013<br />
114 • Rechtliche Interventionen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> (Übersicht) November 2013<br />
115 • Nachweis <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> November 2013<br />
116 • Die IST im Rückblick und Heute November 2013<br />
Dazu: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Serviceteil im Kapitel 9<br />
<br />
901 • Wichtige Zürcher Adressen November 2013<br />
902 • Weiterführende Links September 2011<br />
903 • Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme November 2013<br />
904 • Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen November 2013<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Was ist <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>? Verschiedene Definitionen, November 2013<br />
101 Was ist <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>? Verschiedene Definitionen<br />
Es gibt mehrere Definitionen des Begriffs "<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>". Der Blickwinkel und das Verständnis der<br />
Forschenden prägen die von ihnen favorisierte Definition. Die einen bevorzugen eine eher enge, die anderen<br />
eine weitere Definition. Bundesrechtlich gibt es keine Legaldefinition. In den kantonalen Polizeigesetzen<br />
finden sich vereinzelt Definitionen. Allen ist eigen, dass „häuslich“ nicht adjektivisch, also im Sinne<br />
von „im Haus“ verstanden wird, sondern an die Beziehungskonstellation, die Partnerschaft, Beziehung<br />
oder Verwandtschaft anknüpft. Dies ist der Grund, weshalb in unseren Publikationen „Häuslich“ im Sinne<br />
eines Begriffes grossgeschrieben wird. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> geschieht also nicht nur im Privatbereich der<br />
Beteiligten, sondern kann auch im öffentlichen Raum stattfinden.<br />
In den Sozialwissenschaften wird oft die Definition von Daniela Gloor und Hanna Meier (vgl. Gloor, Meier<br />
2004) verwendet: „Als <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> bezeichnen wir <strong>Gewalt</strong> unter erwachsenen Menschen, die in<br />
einer engen sozialen Beziehung stehen oder standen. Das bedeutet in den meisten Fällen eine Partnerschaft<br />
oder eine Verwandtschaftsbeziehung“.<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ist, wenn man die gemäss <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz im Kanton <strong>Zürich</strong> getroffenen Massnahmen<br />
betrachtet, zu über 90% heterosexuelle, (ex)-partnerschaftliche <strong>Gewalt</strong> von erwachsenen Männern<br />
gegen erwachsene Frauen. 1 Die meisten empirischen Studien und die daraus entwickelten Theorien,<br />
Konzepte und Modelle beschreiben und fokussieren deshalb dieses <strong>Gewalt</strong>verhältnis.<br />
Psychosoziale Erklärungsmodelle, auf die sich Fachpersonen in der Regel stützen, sind den häufigsten<br />
Fällen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> angemessen. Für einen Teil der gewaltausübenden Personen genügen diese<br />
Erklärungsansätze aber nicht. So z.B. <strong>für</strong> Personen, deren gewalttätiges Handeln auf eine Krankheit oder<br />
auf unfallbedingte Einschränkungen, Veränderungen oder Störungen (in Folge eines Hirntumors, einer<br />
Hirnprellung, einer Demenz, einer unbehandelten Schizophrenie-Erkrankung etc.) zurückzuführen ist.<br />
Auch Suchtkrankheiten können mit <strong>Gewalt</strong> einhergehen. Der Konsum von Alkohol und anderen Drogen<br />
erhöht zwar nicht zwingend die Aggressivität, beeinträchtigt aber (ähnlich wie bestimmte Hirnfunktionsstörungen)<br />
die Selbststeuerungsfähigkeit und begünstigt <strong>Gewalt</strong> durch ihre enthemmende Wirkung. Neue<br />
Studien gehen davon aus, dass in etwa 25% der Fälle <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> Alkohol involviert war. Ein umfassendes,<br />
mehrdimensionales und „bio-psycho-soziales“ Verständnis der komplexen Phänomene <strong>Häusliche</strong>r<br />
<strong>Gewalt</strong> ist deshalb notwendig. Die internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung<br />
und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) adaptierte das von Engel 1977 (mehrheitlich<br />
in der Medizin verwendete) bio-psycho-soziale Modell zu einem multidimensionalen, holistischen Gesundheits-<br />
und Krankheitsmodell. Dass Menschen mit Hirnfunktionsstörungen, psychischen Erkrankungen<br />
oder Suchmittelabhängigkeit gewalttätiger sind als Gesunde, darf daraus aber nicht abgeleitet werden.<br />
Was jedoch von zentraler Bedeutung ist: Die Betroffenen – vor allem auch deren Angehörige – müssen<br />
nach gewalttätigem Verhalten dieser Personengruppe gefragt werden. Im Hellbereich der polizeilichen<br />
Interventionen besteht ausserdem eine Korrelation zwischen allgemeinem dissozialem Verhalten (z.B.<br />
Verkehrsregelverstösse, <strong>Gewalt</strong> im öffentlichen Raum, etc.) und <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />
Unter genderdifferenzierten Aspekten hält Barbara Kavemann zu <strong>Gewalt</strong>erfahrungen fest: „Frauen und<br />
Männer sind im Laufe ihres Lebens häufig Opfer von <strong>Gewalt</strong>, Männer etwas häufiger als Frauen. In beiden<br />
Fällen sind die <strong>Gewalt</strong>täter überwiegend Männer. Männer sind häufiger als Frauen Opfer von Körperverletzung,<br />
Frauen sind deutlich häufiger als Männer Opfer von Vergewaltigung und anderen Formen sexualisierter<br />
<strong>Gewalt</strong>. Auch der Kontext des <strong>Gewalt</strong>erlebens unterscheidet sich nach Geschlecht: Frauen werden<br />
häufiger Opfer durch Beziehungspartner oder Familienangehörige, Männer häufiger durch Bekannte<br />
oder Fremde. Frauen erleiden mehr <strong>Gewalt</strong> im privaten Raum, Männer häufiger im öffentlichen Raum.<br />
Auch die Risiken, die mit <strong>Gewalt</strong> einhergehen, sind unterschiedlich: Frauen werden häufiger als Männer<br />
im Kontext von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> verletzt oder getötet. Das Verletzungsrisiko <strong>für</strong> Frauen steigt, wenn die<br />
körperliche bzw. sexuelle <strong>Gewalt</strong> von einem Beziehungspartner ausgeht. Für Männer sinkt das Verletzungsrisiko,<br />
wenn die <strong>Gewalt</strong> von ihrer Beziehungspartnerin ausgeht.“ (Kavemann 2002)<br />
Einige Definitionen berücksichtigen zusätzlich den Aspekt der Ausnützung des Abhängigkeitsverhältnisses<br />
durch die mächtigere Person, die im partnerschaftlichen und/oder familiären Kontext meistens vorhanden<br />
ist.<br />
Der Umgang mit der Begrifflichkeit zeigt nicht nur den aktuellen Wissensstand, sondern auch die gesellschaftliche<br />
Haltung gegenüber <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Definitionen erfassen mehr oder weniger Aspekte<br />
<strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> und/oder partnerschaftlicher bzw. familiärer <strong>Gewalt</strong>verhältnisse. Für darauf aufbauende<br />
Beratungs-, Präventions- und Interventionskonzepte (vgl. Büchler 2008) bedeutet dies, dass wichtige Bereiche<br />
berücksichtigt werden oder eben herausfallen.<br />
1 Vgl. Zahlen im folgenden Kapitel.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 101 / 1
Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Was ist <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>? Verschiedene Definitionen, November 2013<br />
Im Informationsblatt Nr. 1 „Definition, Formen und Betroffene häuslicher <strong>Gewalt</strong>“ der Fachstelle gegen<br />
<strong>Gewalt</strong> des eidgenössischen Büros <strong>für</strong> die Gleichstellung von Mann und Frau findet sich ein aktualisierter<br />
Überblick (www.egb.admin.ch > Themen: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>).<br />
Definition im <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz<br />
Der Kanton <strong>Zürich</strong> hat im <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz (GSG) <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> wie folgt definiert:<br />
„<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> liegt vor, wenn eine Person in einer bestehenden oder einer aufgelösten familiären<br />
oder partnerschaftlichen Beziehung in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität verletzt<br />
oder gefährdet wird“. Mit dieser Definition werden verschiedene familiäre und partnerschaftliche Beziehungskonstellationen<br />
erfasst:<br />
1. Erwachsene, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> androhen oder ausüben:<br />
- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in erwachsenen (Ex-)Partnerschaften<br />
- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> von Eltern gegen ihre Kinder/Jugendlichen (Stief-, Pflege- und Adoptiveltern)<br />
- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in Betagtenbeziehungen<br />
- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> von erwachsen Kindern gegen ihre (betagten) Eltern<br />
- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> eines erwachsenen Geschwisters gegen ein anderes minderjähriges oder erwachsenes<br />
Geschwister (Stief-, Halb-, Adoptiv- und Pflegegeschwister, Cousinen und Cousins)<br />
2. Minderjährige, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> androhen oder ausüben:<br />
- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> von Kindern/Jugendlichen gegen Eltern<br />
- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> gegen Geschwister<br />
- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in (ex-)partnerschaftlichen Jugendbeziehungen (<strong>Gewalt</strong> gegen FreundIn)<br />
Alle Beziehungskonstellationen müssen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> gleichzeitig in Betracht gezogen werden,<br />
damit der Opferschutz sichergestellt, <strong>Gewalt</strong>situationen deeskaliert und auch Gefährdende oder TäterInnen<br />
zur Verantwortung gezogen und adäquat beraten, evtl. behandelt werden können.<br />
Diese Definition impliziert auch verschiedene Arten von Gefährdeten (i.d.R. Opfer):<br />
- Erwachsene, die von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch Erwachsene betroffen sind,<br />
- Erwachsene, die von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch Minderjährige betroffen sind,<br />
- Erwachsene, die von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch Erwachsene und Minderjährige betroffen sind,<br />
- Minderjährige (Kinder/Jugendliche), die von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch Erwachsene betroffen sind,<br />
- Minderjährige (Kinder/Jugendliche), die von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch Minderjährige betroffen sind,<br />
- Minderjährige (Kinder/Jugendliche), die von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch Erwachsene und Minderjährige<br />
betroffen sind.<br />
Das Wissen um die verschiedenen <strong>Gewalt</strong>konstellationen und deren Erfragung und Erfassung hilft den in<br />
der Prävention, Intervention und der Postvention 2 gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> tätigen Fachpersonen und<br />
Organisationen, früh und rasch reagieren zu können.<br />
Häufig ist die sichtbare, eine polizeiliche Intervention auslösende <strong>Gewalt</strong>konstellation jene unter Erwachsenen.<br />
Zum Beispiel: Der Mann übt gegen die Frau <strong>Gewalt</strong> aus. Es kann aber sein, dass in derselben<br />
Familie noch anderweitig <strong>Gewalt</strong> ausgeübt wird, indem z. B. die Mutter die Kinder misshandelt oder unter<br />
den Geschwistern <strong>Gewalt</strong> ausgeübt wird. In Familien, in denen es solche „multikonstellationellen“ <strong>Gewalt</strong>beziehungen<br />
gibt, sind gefährdende Personen unter Umständen zugleich mehrfach gefährdend, oder Gefährdete<br />
möglicherweise mehrfache Opfer. Die Paar- und Familiendynamik wird durch „multikonstellationelle“<br />
<strong>Gewalt</strong>beziehungen entscheidend geprägt. Erschwerend ist, dass die Betroffenen selbst die ausgeübte<br />
<strong>Gewalt</strong> u. U. nicht zwingend als solche wahrnehmen, weil sie z.B. als „Erziehungsmethode“ gerechtfertigt<br />
wird. Eventuell sind ihnen <strong>Gewalt</strong>konstellationen nicht bekannt oder sie wollen sie nicht wahrhaben,<br />
wie dies bei sexueller <strong>Gewalt</strong> im <strong>Häusliche</strong>n Kontext oft beobachtet wird. Für polizeiliche, rechtliche<br />
und/oder soziale Interventionen (beratende, psychotherapeutische, seelsorgerische etc.) ist es entscheidend,<br />
sämtliche <strong>Gewalt</strong>konstellationen soweit als möglich zu erfragen und zu (er-)kennen, damit die einzuleitenden<br />
Massnahmen und entsprechenden Settings angepasst und auf die spezifische Situation ausgerichtet<br />
werden können.<br />
2 Postvention nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> ist ein professionelles Beratungs- und Begleitungskonzept <strong>für</strong> Paare, (Rest)-Familien und Kinder<br />
nach Vorfällen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 101 / 2
Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Kanton <strong>Zürich</strong>, November 2013<br />
102 <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Kanton <strong>Zürich</strong><br />
Forschungen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
Eine aktualisierte und übersichtliche Zusammenstellung über die internationale Forschung wurde von der<br />
eidgenössischen Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong> herausgegeben. Wir verzichten deshalb an dieser Stelle auf<br />
eine Zusammenfassung und verweisen auf das Informationsblatt Nr. 16 „Aktueller Forschungsstand zu<br />
Opfern und Tatpersonen häuslicher <strong>Gewalt</strong>“der Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong> des eidgenössischen Büros <strong>für</strong><br />
die Gleichstellung von Mann und Frau (www.egb.admin.ch > Themen: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>).<br />
Studien im Kanton <strong>Zürich</strong><br />
Die Sozialwissenschafterinnen Daniela Gloor und Hanna Meier befragten im Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis<br />
30. Juni 2003 alle eintretenden Patientinnen des Stadtspital und der Maternité Triemli. 1772 Daten von<br />
Patientinnen, die auf Deutsch, Spanisch, Englisch oder Serbokroatisch zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>erfahrung<br />
erhoben wurden, konnten ausgewertet werden. Ziel dieser Studie war nicht eine repräsentative Erfassung<br />
der Häufigkeit <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Die Forscherinnen interessierten die gesundheitlichen Folgen chronischer<br />
<strong>Gewalt</strong> im Vergleich zu Frauen ohne aktuelle <strong>Gewalt</strong>erfahrung. Die Resultate deckten eine erschreckend<br />
hohe <strong>Gewalt</strong>belastung auf mit deutlicher gesundheitlicher Beeinträchtigung der <strong>Gewalt</strong>opfer. Damit<br />
wurde nachgewiesen, dass „<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> eine Krankheit“ ist, die in epidemiologisch relevantem<br />
Ausmass auftritt. Deshalb wird seit diesen Erkenntnissen im Stadtspital Triemli und in der Maternité<br />
screeningmässig nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> gefragt. Dadurch werden gezielte medizinische, psychosoziale<br />
und rechtliche Interventionen möglich.<br />
Silvia Steiner, die als Anklägerin und Polizeichefin arbeitet, untersuchte 907 Polizeiakten der Stadtpolizei<br />
<strong>Zürich</strong> aus den Jahren 1999 – 2001. Sie suchte nach Faktoren, die <strong>für</strong> <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> wirksam sind.<br />
Insbesondere interessierte sie der hohe Ausländeranteil. Eine der Schlussfolgerungen der Erhebung war,<br />
dass der Migrationshintergrund kein entscheidender Faktor <strong>für</strong> <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ist, sondern dass es eine<br />
Vielzahl von belastenden Faktoren sind, die <strong>Gewalt</strong> begünstigen.<br />
Statistiken zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
Statistisches Zahlenmaterial gibt es <strong>für</strong> die Schweiz und den Kanton <strong>Zürich</strong> wenig. Die Fachstelle <strong>Gewalt</strong><br />
des eidgenössischen Büros <strong>für</strong> Gleichstellung hat im Informationsblatt Nr. 9 „Zahlen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
in der Schweiz“ die greifbaren Zahlen aktualisiert zusammengestellt (www.ebg.admin.ch Thema: <strong>Häusliche</strong><br />
<strong>Gewalt</strong>).<br />
- Seit 2009 werden die Polizeidaten nach einheitlichen Kriterien auf eidgenössischer Ebene in der Polizeilichen<br />
Kriminalstatistik PKS zusammengefasst. Es handelt sich um eine Anzeigestatistik. Ein Auszug<br />
aus der PKS gibt Auskunft über Anzeigen wegen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />
- Aus der Schweizer Opferhilfestatistik können Zahlen zu Beratungen wegen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> eruiert<br />
werden.<br />
- Die Schweizerische Verurteilungsstatistik SUS gibt einen umfassenden Überblick über Verurteilungen<br />
nach Straftatbeständen. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ist allerdings kein Straftatbestand. Einzig <strong>für</strong> einfache Körperverletzungen<br />
und Drohungen können die Verurteilungen wegen Partnergewalt gesondert ausgewiesen<br />
werden, da sie bei diesen Straftatbeständen ein Tatbestandsmerkmal ist.<br />
- Dass <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> tödlich sein kann, zeigt der Bericht über die vollendeten und versuchten Tötungsdelikte<br />
in der Schweiz von 2000-2004. Die Erhebung wurde auf Initiative der Fachstelle <strong>Häusliche</strong><br />
<strong>Gewalt</strong> vom Bundesamt <strong>für</strong> Statistik BFS durchgeführt. Durchschnittlich wurden jährlich 21.8<br />
Frauen und 3.6 Männer getötet. Jede zweite Frau lebte in Trennung. Jede fünfte <strong>Gewalt</strong>beziehung<br />
war der Polizei bereits bekannt.<br />
Es ist schweizweit unbekannt, wie viele Kinder durch elterliche Beziehungsgewalt betroffen sind.<br />
- Vom Bundesamt <strong>für</strong> Sozialversicherung werden alle zehn Jahre Zahlen zur <strong>Gewalt</strong> gegen Kinder erhoben.<br />
Die Zahlen zeigen das Erziehungsverhalten generell auf.<br />
- Unbekannt ist, wie viele Kindesschutzmassnahmen (freiwillig und angeordnete), d.h. Beistandschaften<br />
wegen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> angeordnet werden. Auch über Fremdplatzierungen in sozialpädagogische<br />
Institutionen oder Pflegefamilien wegen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> existieren keine Zahlen.<br />
Zürcher Zahlen zu Kindern<br />
Die klinischen Zürcher Kinderschutzstellen des Kinderspitals und die Fachstelle OKey in Winterthur haben<br />
ihre veröffentlichten Zahlen nicht nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> aufgeschlüsselt. Unklar bleibt somit, ob die <strong>Gewalt</strong>einwirkung<br />
auf das Kind durch Dritte oder Familienangehörige erfolgte. Die Zahl der Neuanmeldungen<br />
von Kindsmisshandlungen ist im Jahr 2010 auf 801 Kinder (2009: 703) angestiegen. Im Kinderspital ist bei<br />
über 70% der Meldungen <strong>für</strong> die Pädiaterinnen und Pädiater der <strong>Gewalt</strong>verdacht eindeutig erhärtet<br />
(Medienmitteilung Kinderspital 2011).<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 102 / 1
Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Kanton <strong>Zürich</strong>, November 2013<br />
Die Zürcher Polizei musste 2012 insgesamt 565 (2011:477; 2010: 402) GSG-Meldungen an die Vormundschaftsbehörden<br />
machen. 2012 waren 832 Kinder betroffen (2011: 678 Kinder). Ob diese Kinder bei der<br />
polizeilichen Intervention auch unmittelbar von physischer <strong>Gewalt</strong> betroffen waren, ist nicht bekannt.<br />
Die Evaluation der Projekte zur zeitnahen Kinderansprache, KidsCare und KidsPunkt im Kanton <strong>Zürich</strong>,<br />
welche vom MMI Marie Meierhofer Institut <strong>für</strong> das Kind durchgeführt wurde, lässt be<strong>für</strong>chten, dass ca.<br />
40% der Kinder auch direkt von <strong>Gewalt</strong> betroffen sind.<br />
Polizeizahlen und Zahlen zu angeordneten <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />
Seit der Einführung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes am 1. April 2007 erheben die polizeilichen Korps genauere<br />
Zahlen, die von der IST zusammengeführt und verwaltet werden. Voraussetzung, dass <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
von der Polizei erfasst werden kann, ist eine Anzeige. Es ist bekannt, dass viele gewaltbetroffenen Personen<br />
aus Scham, Angst oder anderen Gründen den Weg zur Polizei meiden.<br />
2012 2011 2010 2009 2008<br />
1.) Polizeiliche Interventionen wegen familiärer<br />
<strong>Gewalt</strong><br />
1930 1666 1584 1625<br />
2.) <strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Schutzmassnahmen 1062 822 883 53% 1008 64% 1065 66%<br />
ohne Wegweisung (getrennt Lebende) 430 40% 348 42% 358 41% 441 44% 431 40%<br />
Verlängerungsgesuche 495 47% 400 49% 402 46% 429 43% 445 42%<br />
Davon gutgeheissene Verlängerungen 448 91% 344 86% 361 90% 389 91% 403 91%<br />
Ohne Einleitung eines Strafverfahrens 72 7% 71 9% 73 8% 96 10% 109 10%<br />
Bussenverfahren (Übertretungen) 99 10% 102 13% 109 12% 123 12% 112 11%<br />
Polizeirapport wegen Vergehen oder Verbrechen 888 90% 668 86% 693 86% 784 86% 841 88%<br />
Meldungen an Vormundschaftsbehörden (/Kinder) 565 53% 477 58% 453 51% 544 54% 542 51%<br />
Frauen als Gefährderinnen 71 7% 52 6% 45 5% 63 6% 67 6%<br />
Minderjährige Gefährdende 6 1% 7 1% 26 3% 19 2% 32 3%<br />
<strong>Gewalt</strong> mit gefährlichem Gegenstand oder Waffe 136 13% 92 11% 87 10% 94 9% 82 8%<br />
3.) Polizeilich rapportierte Delikte * 2012 2011 2010 2009 2008<br />
Tötungsdelikte (vollendete und versuchte) 6 19 10 16 6<br />
Schwere Körperverletzungen 28 13 17 23 16<br />
Einfache Körperverletzungen 197 217 237 332 275<br />
Drohungen 479 469 532 715 558<br />
* Quelle: Kriminalstatistik. Entwicklung der Kriminalität im Kanton <strong>Zürich</strong>, nach Jahren. KAPO. OK-Analyse<br />
Von 2007 bis 2011 nahm die Anordnung der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen kontinuierlich ab. Im Jahr 2012<br />
waren sie wieder auf dem Niveau von 2008. Im Jahr 2013 ist die Tendenz steigend. Die Schwankungen<br />
lassen sich (noch) nicht erklären.<br />
In der PKS, der polizeilichen Anzeigestatistik ist das Verhältnis verzeigter Männer zu verzeigten Frauen 4 zu<br />
1, d.h. in rund 20% der Fälle werden Frauen bezichtigt, Männern <strong>Gewalt</strong> angetan zu haben. In der GSG-<br />
Statistik erscheinen Frauen (nur) mit 7% als Gefährderinnen. Bei der Anzeigestatistik werden Anzeigen erfasst,<br />
die die Polizei entgegennehmen muss, ohne den Sachverhalt schon abgeklärt zu haben. Demgegenüber<br />
setzt die Anordnung einer GSG-Massnahme voraus, dass die Polizei Beweise <strong>für</strong> <strong>Gewalt</strong>ausübung<br />
oder <strong>Gewalt</strong>androhungen hat.<br />
Auswertung der GSG-Fälle vom 1. April 2007 – 31. Dezember 2009<br />
Es konnten rund 2‘600 Daten von 2‘306 gefährdender Männern, bei denen zwischen dem 1. April 2007 und<br />
dem 31. Dezember 2009 eine GSG-Massnahme angeordnet wurde, ausgewertet werden. Die Zahlen zeigen<br />
ein beachtliches <strong>Gewalt</strong>potential bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: In 76% wurde das Opfer verletzt; in 16% wurde das<br />
Opfer gewürgt; in 40% wurde massiv gedroht; in 25% wurde Alkohol konsumiert, in 19% wurde eine Waffe<br />
oder ein gefährlicher Gegenstand eingesetzt.<br />
57% dieser Männer waren schon mindestens einmal verurteilt. 12% waren schon einmal im Strafvollzug und<br />
hatten sich nicht bewährt, sodass die bedingte Entlassung widerrufen werden musste. Dies lässt auf eine<br />
generell hohe <strong>Gewalt</strong>bereitschaft schliessen.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> bei Erwachsenen und Minderjährigen, November 2013<br />
103 Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> bei Erwachsenen und Minderjährigen<br />
Bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> werden verschiedene <strong>Gewalt</strong>formen unterschieden. Meistens besteht oder bestand<br />
in der (Ex-)Beziehung ein Macht- und Abhängigkeitsverhältnis. Alle Formen können bei Zusammen-<br />
und Getrenntlebenden auftreten.<br />
Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> unterscheiden sich je nach Beziehungskonstellation, Geschlecht und Alter. So<br />
werden in erwachsenen Partnerschaften teilweise andere Formen von <strong>Gewalt</strong> angewendet als in partnerschaftlichen<br />
Jugendbeziehungen, bei <strong>Gewalt</strong> gegen Geschwister oder gegen Eltern.<br />
Die verschiedenen <strong>Gewalt</strong>formen können angedroht und/oder ausgeübt werden. Sie können einzeln oder<br />
kombiniert vorkommen.<br />
Physische <strong>Gewalt</strong><br />
Physische <strong>Gewalt</strong> umfasst Schlagen mit oder ohne Gegenstände, Treten, Boxen, an den Haaren Reissen,<br />
Schütteln, Stossen, Würgen, mit Gegenständen Bewerfen, tätliche Angriffe bis hin zur Tötung der<br />
Partnerin oder des Partners.<br />
Die physische <strong>Gewalt</strong> ist die offensichtlichste, häufigste und in der Regel nachweisbarste Form der <strong>Gewalt</strong><br />
und deshalb justiziabel. Meistens ist sie kombiniert mit anderen Formen der <strong>Gewalt</strong>.<br />
Sexuelle <strong>Gewalt</strong><br />
Sexuelle <strong>Gewalt</strong> umfasst das Herstellen einer sexualisierten Atmosphäre, Benützen einer sexualisierten<br />
Sprache, Zeigen von Bildern mit sexuellem Inhalt, Filmen und Fotografieren von sexuellen Handlungen<br />
(Sexting), Weiterleiten von sexualisiertem Bildmaterial auch gegen den Willen der betroffenen Person,<br />
Bilder im Internet Publizieren, sexistisches Blossstellen gegenüber Dritten, Zwingen zu sexuellen Handlungen,<br />
Geschlechtsverkehr unter <strong>Gewalt</strong>androhung, physischer oder psychischer <strong>Gewalt</strong> oder als Voraussetzung<br />
zur Aushändigung des Haushaltgeldes, erzwungenes Küssen, Berühren der Brüste, des Geschlechts<br />
oder des Gesässes gegen den Willen, oder die gefährdete Person mit <strong>Gewalt</strong> an die Wand zu<br />
drücken und das Geschlecht an ihr zu reiben.<br />
Die im Jahr 2012 zum Thema „Sexuelle Übergriffe an Kindern und Jugendlichen in der Schweiz“ durchgeführte<br />
Optimus-Studie 1 belegte, dass sexuelle <strong>Gewalt</strong> in jugendlichen Paarbeziehungen häufig vorkommt<br />
– vorwiegend werden die sexuellen Übergriffe von männlichen Jugendlichen ausgeübt.<br />
Viele verstehen unter „sexueller <strong>Gewalt</strong>“ Vergewaltigungen. Es kann wichtig sein, gegenüber einer betroffenen<br />
erwachsenen oder minderjährigen Person die sexuelle <strong>Gewalt</strong> zu konkretisieren, damit sie erkennen<br />
kann, dass Sexualpraktiken und sexualisierte Verhaltensweisen, die sie nicht billigt, nicht wünscht<br />
oder nicht duldet, eine Verletzung ihrer sexuellen Integrität bedeuten.<br />
Auch Frauen oder Mädchen können sexuelle <strong>Gewalt</strong> ausüben, wenn auch auf subtile Art. Die sexuellen<br />
Übergriffe von Müttern sind etwa an Pflegehandlungen bei Kindern gebunden oder zeigen sich als verdeckte,<br />
aber sexualisierte Zärtlichkeiten. Dieses Verhalten ist eine Macht- und/oder Grenzverletzung, die<br />
auch zu problematisieren ist.<br />
Die Optimus-Studie zeigt, dass etwa 20% der Knaben Opfer von sexuellen Übergriffen durch Mädchen<br />
sind.<br />
In den letzten Jahren wurden Täter und Täterinnen, die in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen <strong>Gewalt</strong><br />
ausüben, immer jünger.<br />
Sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen<br />
Unter sexueller Ausbeutung werden alle Formen von sexuellen Handlungen an Kindern und Jugendlichen<br />
verstanden, die von Erwachsenen oder Minderjährigen ausgeübt werden. In den meisten Fällen wird die<br />
körperliche, geistige und emotionale Überlegenheit der mächtigeren Person gegenüber dem Opfer ausgenutzt.<br />
Die meisten TäterInnen stammen aus dem sozialen Nahraum der Kinder und Jugendlichen.<br />
Handelt es sich bei den Gefährdenden um partnerschaftliche oder familiäre Bezugspersonen, ist sexuelle<br />
Ausbeutung laut <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz des Kantons <strong>Zürich</strong> eine Form <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />
Psychische <strong>Gewalt</strong><br />
Psychische <strong>Gewalt</strong> umfasst: (schwere) Drohung, Nötigung, Freiheitsberaubung, Androhung und Ausführung<br />
von Kindsentführung, Erniedrigung, Demütigung, Missachtung, Beleidigung, Erzeugung von Schuldgefühlen,<br />
(erweiterte) Suiziddrohungen, Beschimpfungen und Einschüchterungen, Blossstellen in der<br />
Öffentlichkeit, Unterdrückung des freien Willens und Trennungs- oder Scheidungsandrohung bei Migranten<br />
und Migrantinnen mit abgeleitetem Aufenthaltsrecht, denen die Ausweisung droht.<br />
Die kontinuierlichen Demütigungen und Abwertungen beeinträchtigen das Selbstwertgefühl und die<br />
Wahrnehmung der Opfer. In diesem Prozess wird zunehmend die Widerstandskraft gebrochen. Es ist<br />
1 Optimus-Studie (2012): www.optimusstudy.org<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> bei Erwachsenen und Minderjährigen, November 2013<br />
vergleichbar mit den Konditionierungsprozessen, die bei Sektenmitgliedern und Mitgliedern totalitärer<br />
Gruppierungen zu beobachten sind.<br />
Stalking (Cyberstalking)<br />
Kontrolle, Verfolgen, Nachstellen, permanentes Telefonieren, Mailen, SMS versenden und/oder Verunglimpfungen<br />
der gestalkten Person beim Arbeitgeber oder im Internet sind eine besondere Form <strong>Häusliche</strong>r<br />
<strong>Gewalt</strong>. Die Schweiz kennt keinen Straftatbestand des Stalkings. Unter Umständen ist Stalking als<br />
strafrechtliche Nötigung i.S. Art. 181 StGB fassbar. Polizeiliche Kontakt- und Rayonverbote können nach<br />
GSG bei Stalking angeordnet werden. Auch privatrechtliche Verbote sind möglich (Art. 28b ZGB).<br />
Soziale <strong>Gewalt</strong><br />
Soziale <strong>Gewalt</strong> umfasst Einschränkungen im sozialen Leben (z.B. Isolieren, Verhindern, Verbieten oder<br />
Kontrollieren von Sozialkontakten; Einsperren und Verhindern oder Verbieten der Erlernung der Landessprache<br />
etc.).<br />
Wirtschaftliche <strong>Gewalt</strong><br />
Wirtschaftliche <strong>Gewalt</strong> umfasst Arbeitsverbote, Zwang zur Arbeit, Beschlagnahmung des Lohnes, alleinige<br />
Verfügungsmacht über finanzielle Ressourcen und Zwang zur Mitunterzeichnung von Kleinkredit-,<br />
Abzahlungs- und Leasingverträgen (wodurch eine Solidarhaftung entsteht, d.h. die mitunterzeichnende<br />
Person direkt belangt werden kann).<br />
Abgrenzungskriterien: Streit / tätlicher Konflikt <strong>Gewalt</strong>beziehung<br />
Beziehungssymmetrie<br />
Streit / tätlicher Konflikt<br />
‣ Symmetrische Beziehung<br />
‣ Ungefähr gleiche Definitionsmacht<br />
‣ Autonomie beider Parteien gewahrt<br />
‣ Gemeinsame Beziehungsgestaltung (Beziehungskultur)<br />
<strong>Gewalt</strong>beziehung i.S. GSG<br />
‣ Asymmetrische Beziehung<br />
‣ Einseitige Beziehungsgestaltung<br />
‣ Kontrolle des Opfers<br />
‣ Macht über das Opfer<br />
‣ Einseitige Definitionsmacht<br />
‣ Einseitige Verfügung über Geldmittel (auch Auftreten nach<br />
aussen)<br />
‣ Haushaltsarbeiten (i.d.R. nur durch Opfer zu erledigen)<br />
‣ Einseitige Bestimmung über Freizeitgestaltung<br />
‣ Ausgeprägte Eifersucht und Misstrauen<br />
Art des Konflikts Auseinandersetzung, Interessenkonflikt Kontrollbeziehung: Herrschafts- und Machtverhältnis<br />
<strong>Gewalt</strong><br />
‣ Heftige verbale Auseinandersetzung<br />
‣ Beschädigung von Geschirr etc.<br />
‣ (Einmalige) geringfügige Tätlichkeit<br />
(Ohrfeigen, Boxen etc.)<br />
Meist nur einseitige <strong>Gewalt</strong> oder <strong>Gewalt</strong>androhung. Oft<br />
zyklisch auftretend. Verschiedene Formen der <strong>Gewalt</strong> sind<br />
oft kumuliert<br />
Verbale <strong>Gewalt</strong><br />
‣ Demütigen, Abwerten<br />
‣ Blossstellen (auch vor Dritten)<br />
‣ Androhen von <strong>Gewalt</strong> gegen Sachen und Haustiere<br />
‣ Androhen von <strong>Gewalt</strong> gegen Drittperson und Kinder<br />
(z.B. auch von Kindsentführung)<br />
‣ Morddrohungen (auch mit Waffen)<br />
‣ (Erweiterte) Suiziddrohungen<br />
Körperliche <strong>Gewalt</strong><br />
‣ Tätlichkeiten, Körperverletzungen<br />
‣ Würgen<br />
‣ Aussperren, Einsperren<br />
Soziale <strong>Gewalt</strong><br />
‣ Kontaktverbote mit Verwandten und/oder Freundinnen<br />
‣ Übermässige Kontrolle (durch Tel., SMS)<br />
Wirtschaftliche <strong>Gewalt</strong><br />
‣ Einseitige Geldverwaltung und -verfügung<br />
Sexuelle <strong>Gewalt</strong><br />
Sexuelle Ausbeutung<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> bei Erwachsenen und Minderjährigen, November 2013<br />
Sozialkontakte<br />
Gestaltung der<br />
wirtschaftlichen<br />
Verhältnisse<br />
Sexualität, Intimität<br />
Integritätsverletzung,<br />
Integritätsgefährdung<br />
‣ Gemeinsame oder je autonome Bestimmung<br />
des sozialen Lebens<br />
‣ In gemeinsamer Absprache<br />
‣ Autonomie gewahrt<br />
‣ Geld wird nicht als Druckmittel eingesetzt<br />
‣ Gemeinsame Gestaltung<br />
‣ Auf gegenseitigem Einverständnis beruhend<br />
Keine (oder rasch vorübergehende)<br />
Beeinträchtigungen<br />
Bestimmung über soziale Kontakte:<br />
‣ Verbot Freundin, Freunde, Verwandte zu treffen<br />
‣ Verbot der Berufs- oder weiterer Tätigkeiten<br />
‣ Verbot von Aus- und Weiterbildungen<br />
(z.B. Besuch von Sprachkursen)<br />
‣ Bestimmung über Freizeit, Ferien<br />
Wirtschaftliche <strong>Gewalt</strong><br />
‣ Demütigender Umgang mit Haushaltsgeld<br />
‣ Keine situationsangepassten eigenen Mittel <strong>für</strong> Opfer<br />
‣ Zwang zur Mitunterzeichnung von Kredit-, Abzahlungsund<br />
Leasingverträgen (Solidarhaftung des Opfers)<br />
‣ Opfer muss eigenen Lohn abgeben<br />
‣ Opfer muss eigenen Lohn ausschliesslich <strong>für</strong> den gemeinsamen<br />
Haushalt (und Kinderkosten) aufwenden<br />
Sexuelle <strong>Gewalt</strong><br />
‣ Einforderung „ehelicher Pflicht“<br />
‣ Sexuelle Nötigungen (bezüglich Formen der Sexualität,<br />
z.B. mit Pornofilmen)<br />
‣ Vergewaltigungen<br />
Körperliche und/oder psychische Schädigungen bis zu chronischen<br />
Leiden bei regelmässiger <strong>Gewalt</strong>.<br />
Trennungsgestaltung ‣ Trennung möglich ‣ Trennung mit <strong>Gewalt</strong>androhung<br />
Gewisse Streitkulturen können <strong>für</strong> die erwachsenen Familienmitglieder akzeptabel sein. Möglicherweise<br />
ist die Situation <strong>für</strong> Kinder und Jugendliche jedoch äusserst belastend. In diesen Fällen sind<br />
Kindesschutzmassnahmen in Betracht zu ziehen.<br />
Körperliche, sexuelle und ein Teil der verbalen <strong>Gewalt</strong> (Drohungen etc.) sind gewaltschutzrechtlich von<br />
Bedeutung.<br />
Die übrigen <strong>Gewalt</strong>formen können Indizien <strong>für</strong> eine <strong>Gewalt</strong>beziehung sein. Das Vorliegen dieser<br />
<strong>Gewalt</strong>formen deutet auf eine gewaltschutzrechtlich relevante Beziehung hin.<br />
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf <strong>Gewalt</strong>beziehungen in Abhängigkeitsverhältnissen. Es<br />
gibt jedoch auch <strong>Gewalt</strong>beziehungen ohne Abhängigkeit.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Stalking, November 2013<br />
104 Stalking<br />
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema Stalking ist ein junges Forschungsgebiet und<br />
begann in den 1990er Jahren in den USA. Erst 2004 wurde der Begriff Stalking in den Duden<br />
aufgenommen. „Stalking“ leitet sich vom englischen Verb „to stalk“ ab, was mit „pirschen" und "sich<br />
anschleichen“ übersetzt werden kann. Ein Stalker oder eine Stalkerin wäre demnach ein/e PirschjägerIn.<br />
Stalking ist ein Beziehungsdelikt, das ohne den entsprechenden Kontext nicht verstanden werden kann.<br />
Stalking umfasst verbale Belästigungen, unerwünschte Briefe, E-Mails, Telefonanrufe oder SMS zu jeder<br />
Tages- und Nachtzeit, Hinterlassen von Nachrichten (an Haustüre, Auto, Arbeitsplatz etc.),<br />
Verunglimpfungen bei Arbeitgeber, Beobachten, Verfolgen und ständiger Aufenthalt an denselben Orten<br />
wie das Opfer, Auskundschaften und Ausfragen von Drittpersonen über das Opfer (Erwachsene oder<br />
Kinder), Bestellen von Waren auf deren Namen, Öffnen und Lesen der Post, E-Mails oder SMS,<br />
unerwünschtes Zusenden von Blumen und Geschenken, Eindringen in Wohnräume des Opfers etc.<br />
Stalking kann mit tätlichen Übergriffen und in schweren Fällen auch mit der Ermordung eines Opfers<br />
enden.<br />
Stalking ist in den meisten Fällen Trennungsgewalt und oft eine Fortsetzung von bereits bestehender<br />
<strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Unter Stalking wird das willentliche und wiederholte Nachstellen, Belästigen, Verfolgen<br />
und Auflauern einer Person verstanden. Meistens wird Stalking nur im Zusammenhang mit (Ex-)<br />
Paarbeziehungen Erwachsener thematisiert.<br />
Die im Rahmen der IST im 2007 durchgeführte empirische Erhebung von Fachpersonen zu ihren<br />
Erfahrungen bezüglich <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> Minderjähriger 1 (Greber 2007/2008) hat gezeigt, dass Stalking<br />
auch in (ex-) partnerschaftlichen Jugendbeziehungen und unter Geschwistern vorkommt. Stalking bei<br />
Minderjährigen wird von Stalkenden häufig unter Einbezug von Drittpersonen und der Peergruppe<br />
ausgeübt und kann als „erweitertes Stalking“ bezeichnet werden. Ziel ist es, das Opfer auszuspionieren,<br />
auszufragen, zu kontrollieren und zu demütigen, um Informationen an die stalkende Person weiterzuleiten.<br />
In einigen Fällen werden Kinder von Erwachsenen (meistens Söhne vom Vater) instrumentalisiert und es<br />
wird ihnen sogar Sanktionskompetenz gegenüber der Schwester eingeräumt.<br />
Stalking kann in jeder Beziehungskonstellation vorkommen. Die Vorgehensweise, der Schweregrad und<br />
die Stalkinghandlungen unterscheiden sich nach Geschlecht und Alter der stalkenden Person, der<br />
Beziehungskonstellation und des Kontextes. Stalking wird jedoch meistens von Männern und Knaben<br />
verübt.<br />
Die stalkende Person ist häufig die verlassene Person. Die Beweggründe der Stalkenden können sehr<br />
vielfältig sein. Sie reichen von der Vorstellung, alles dranzusetzen, die Partnerin, den Partner<br />
zurückzugewinnen, über psychische Defizite wie Verlassenheitsängste bis hin zu einer schweren<br />
Persönlichkeitsstörung der stalkenden Person.<br />
Mobbing durch Personengruppen<br />
Mobbing (von englisch „mob“ Pöbel, Gesindel, Bande) kann auch von einer Personengruppe, z.B. der<br />
Peergruppe, ausgeübt werden, die eine Person ständig und regelmäßig quält und schikaniert durch die<br />
Verbreitung falscher Tatsachen, Verunglimpfungen und Androhung von <strong>Gewalt</strong> mit dem Ziel, das Opfer<br />
auszugrenzen.<br />
Mobbing oder Stalking?<br />
Stalking kommt auch gegenüber fremden Personen vor, z.B. belästigt ein Mann eine Kioskverkäuferin.<br />
Stalking im Rahmen von familiären und partnerschaftlichen Beziehungskonstellationen ist jedoch eine<br />
Form <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Mobbing zeigt zwar ähnliche Vorgehensweisen, findet aber eher ausserhalb von<br />
Familie und Partnerschaft statt (z.B. gegenüber ArbeitskollegInnen/MitarbeiterInnen, MitschülerInnen<br />
usw.). Für Interventionen und Massnahmen sind diese Differenzierungen von Bedeutung.<br />
Verbreitung und Vorkommen von Stalking<br />
Eine Meta-Analyse von insgesamt 103 Studien 2 (n=70.000) ergab, dass<br />
- 20% aller Personen<br />
- 24% der Frauen und<br />
- 10% der Männer<br />
mindestens einmal in ihrem Leben Erfahrungen mit Verfolgung und Belästigung gemacht haben.<br />
1 Greber, F. (2007/2008): Wenn Minderjährige <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben. Umsetzung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes (GSG) auf<br />
minderjährige GefährderInnen im Kontext von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, S. 45. www.ist.zh.ch<br />
2 Spitzberg, B. H. 2002. “The Tactical Topography of Stalking Victimization and Management.” Trauma, Violence & Abuse, 3(4).<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Stalking, November 2013<br />
Laut dieser Studie finden 50% aller Stalkingfälle im Anschluss an eine Liebesbeziehung statt. Danach<br />
sind:<br />
- 75% der Opfer Frauen<br />
- 25% der Opfer Männer<br />
Die Stalkenden waren:<br />
- 75% den Opfern bekannt,<br />
- 25% waren den Opfern fremd (Spitzberg 2002).<br />
Cyber-Stalking und Cyber-Mobbing<br />
Über Internet, in Chatrooms und via Handys werden Verleumdungen anonym verbreitet. Beim „Cyber-<br />
Stalking“ werden persönliche Mitteilungen und Fotos (auch Nacktfotos) ins Internet gestellt und über<br />
Suchmaschinen zugänglich gemacht (sofern keine Zugangsbeschränkungen bestehen). Die Identität der<br />
gestalkten Person wird missbraucht, indem Inserate (auch Sex-Sites) in deren Namen geschrieben und<br />
angeschrieben oder Waren auf deren Namen bestellt werden. Cyber-Stalking ist <strong>für</strong> Opfer eine massive<br />
und bedrohliche Art von Stalking, weil durch die elektronischen Medien und das Internet eine<br />
unkontrollierbare Öffentlichkeit hergestellt wird und ausserdem damit gerechnet werden muss, dass<br />
Veröffentlichungen über mehrere Jahre auf dem Netz zugänglich sind (Hansen 2004).<br />
Der „Online-Enthemmungseffekt“ (Online Disinhibition Effect) und die teilweise unbekümmerte und<br />
uninformierte Neugierde führen vor allem unter Jugendlichen zu einer starken Gefährdung bezüglich<br />
Cyber-Stalking. Eine Studie aus Nordrhein-Westfalen, <strong>für</strong> die 1‘000 Kinder und Jugendliche zwischen 14<br />
und 20 Jahren befragt wurden, zeigt, dass bereits über ein Drittel der Jugendlichen selbst Opfer von<br />
Cyber-Stalking wurden. 3<br />
Stalking und Mobbing werden (nicht nur bei Minderjährigen) oft zu wenig genau analysiert und verkannt.<br />
Bei grenzverletzendem Verhalten einer Gruppe (z.B. bei einer Schulklasse) wird oft nur die Peersituation<br />
analysiert und somit das Problem als Mobbing definiert und angegangen. Dadurch wird u.U. der<br />
auslösende Faktor, z.B. durch einen stalkenden Ex-Freund, verkannt und es werden keine zielführenden<br />
Massnahmen gegenüber der stalkenden Person angeordnet. Deshalb ist bei Mobbing unter Jugendlichen<br />
zu prüfen, ob es sich um Mobbing oder Stalking handelt.<br />
Sexting<br />
Darunter wird das Aufnehmen, Filmen und Versenden von eigenen Nacktfotos und/oder eigener sexueller<br />
Intimitäten verstanden. Sind die dargestellten Personen unter 16 Jahre alt, wird der Straftatbestand der<br />
Kinderpornografie erfüllt (Art. 197 StGB). Unter 18-jährige, die den Straftatbestand erfüllen, werden<br />
gemäss dem Jugendstrafrecht mit einem Verweis oder einer (maximal) 10 Tage dauernden<br />
Arbeitsleistung bestraft (Art. 21, 22 JStG), sofern keine weiteren Umstände vorliegen, die eine härtere<br />
Bestrafung notwendig machen. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Versand der Filme oder Fotos<br />
gezielt zur Schädigung der abgebildeten Person eingesetzt wird.<br />
Folgen <strong>für</strong> die Opfer<br />
Stalking-Opfer leiden teilweise unter schweren Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung, körperlichen<br />
Beeinträchtigungen, psychischen Störungen, andauernder Übelkeit, Schlafproblemen, Angstattacken,<br />
einem posttraumatischen Belastungssyndrom, einer schweren Depression oder Suizidalität. Die Folgen<br />
wurden lange unterschätzt. Das Ausmass traumatischer Belastungen ist laut neueren Studien<br />
vergleichbar mit den Folgen des Verlustes des Partners oder der Partnerin oder mit den Folgen schwerer<br />
Verkehrsunfälle. 4<br />
3 Techniker Krankenkasse (2011): Cybermobbing – <strong>Gewalt</strong> unter Jugendlichen. Ergebnisse einer repräsentativen Forsa-Umfrage in<br />
NRW.<br />
4 Kamphuis, J. H., Emmelkamp, P.M.G. (2001). Traumatic distress among victims of stalking. The American Journal of Psychiatry,<br />
158(5), 795-798.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />
105 Psychologie und Dynamik <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
Inhaltsübersicht<br />
1. Auslöser <strong>für</strong> <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
2. Psychologische und dynamische Aspekte<br />
3. Tätertypologien bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
a. Angepasster, auf die Familie beschränkter <strong>Gewalt</strong>typus (family only batterer)<br />
b. Zyklischer / Borderline Typus (borderline / dysphoric batterer)<br />
c. Antisozialer / psychopathischer Typus (generally violent / antisocial batterer)<br />
d. Mittelgradig antisozialer Typ (low level antisocial batterer)<br />
4. Rückfälligkeit und Behandelbarkeit<br />
5. „Erweiterte <strong>Gewalt</strong>dynamik: Involvierung von Angehörigen, Drittpersonen und <strong>Fachleute</strong>n<br />
6. Täterinnen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in (Ex-)Paarbeziehungen<br />
7. <strong>Gewalt</strong>dynamiken in Erwachsenenbeziehungen<br />
a. <strong>Gewalt</strong> als spontanes Konfliktverhalten<br />
b. <strong>Gewalt</strong> als systematisches Kontrollverhalten<br />
c. <strong>Gewalt</strong> als Widerstand (violent resistance)<br />
d. <strong>Gewalt</strong>spirale<br />
8. Typologien weiblichen Opferverhaltens in heterosexuellen Paarbeziehungen<br />
a. „Ambivalente Bindung“ und Ambivalenzkonflikt<br />
b. „Scheinambivalenz“, Dilemma und „Überlebens-Bindungen“<br />
9. Umgang mit ambivalenten Verhaltensmustern von Opfern in professionellen Beziehungen<br />
Exkurs: Erkenntnisse der Bindungstheorie<br />
10. Opferverhalten in der <strong>Gewalt</strong>spirale in chronifizierten <strong>Gewalt</strong>beziehungen (Abhängigkeitsbeziehung<br />
oder Überlebensbindung)<br />
11. Trennungsverhalten erwachsener weiblicher Opfer<br />
12. Bleiben oder gehen?<br />
Jede Intervention gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> dringt in ein <strong>für</strong> das Paar und/oder die Familie spezifisches<br />
<strong>Gewalt</strong>system, in eine spezifische <strong>Gewalt</strong>beziehung und in eine spezifische Phase der <strong>Gewalt</strong>beziehung<br />
ein. Diese drei Aspekte zu erkennen und zu unterscheiden, ist <strong>für</strong> eine wirkungsvolle, nachhaltige Prävention<br />
und Intervention zentral. Was sind die Merkmale von <strong>Gewalt</strong>systemen, und woran erkennen wir,<br />
in welcher Art und in welcher Phase des <strong>Gewalt</strong>musters sich das Paar oder die Familie befinden?<br />
In diesem Text wird auf die Dynamik <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> eingegangen, wie sie häufig in erwachsenen,<br />
heterosexuellen und (meistens) noch bestehenden Paarbeziehungen auftritt, wobei die gefährdende Person<br />
männlich und das Opfer weiblich ist. Andere <strong>Gewalt</strong>konstellationen (z.B. partnerschaftlichen Jugendbeziehungen,<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> gegen Geschwister, <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> von Eltern gegen Kinder,<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> von Kindern gegen Eltern, aber auch <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in Betagtenbeziehungen) haben<br />
eine je eigene Dynamik ‒ dies gilt auch <strong>für</strong> <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in bi- oder homosexuellen Beziehungen.<br />
Nachfolgend wird von einer <strong>Gewalt</strong>beziehung ausgegangen und nicht von einer Beziehung, in welcher<br />
bloss heftig gestritten wird. Solange gleichgestellte und gleichwertige Personen streiten, ist die Umgangsform<br />
eine Frage der partnerschaftlichen Streitkultur. Wenn einer der betroffenen Personen diese Streitkultur<br />
nicht mehr behagt, kann sie sie zur Diskussion stellen und auf eine Veränderung oder Trennung hinwirken.<br />
Da in diesen Fällen kein Macht- und Abhängigkeitsverhältnis besteht, können die beiden über den<br />
Verbleib in der Beziehung selbst entscheiden. Voraussetzung ist aber, dass keine der Personen in ihrem<br />
Leben bedroht wird – auch die Kinder nicht – und dass sie bei einer Trennung keine gravierenden Folgen<br />
be<strong>für</strong>chtet werden müssen.<br />
1. Auslöser <strong>für</strong> <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
Oft sind wesentliche Veränderungen der Lebensumstände <strong>für</strong> die Herstellung der Kontrolle mitverursachend.<br />
In Lebensphasen, die mit grossen Veränderungen einhergehen, wie z.B. Heirat, der Bezug einer<br />
gemeinsamen Wohnung, Schwangerschaft und Geburt eines Kindes, Auszug eines Kindes, muss das<br />
Paar oder die Familie einen neuen Umgang mit Nähe und Distanz in der Beziehung finden. Die damit verbundene<br />
Verunsicherung und der be<strong>für</strong>chtete Kontrollverlust können sich u.a. in krankhafter Eifersucht<br />
und einem massivem Kontrollbedürfnis zeigen. In der Konsequenz wird die abhängige Person <strong>für</strong> „Nicht-<br />
Gehorsam“ oder „Nicht-Unterwerfung“ bestraft, d.h. ihr wird <strong>Gewalt</strong> angedroht oder angetan. Ist eine von<br />
<strong>Gewalt</strong> betroffene erwachsene oder minderjährige Person, ein Paar oder eine Familie sozial isoliert, sind<br />
die Beziehungen von einer starken Abhängigkeit geprägt und stehen Lebensveränderungen an, sind<br />
mögliche <strong>Gewalt</strong>entwicklungen genau zu beachten und auch zu erfragen. Deshalb muss der Kontext der<br />
<strong>Gewalt</strong> erfragt werden, um die Beziehung und die erforderlichen Interventionen richtig einschätzen zu<br />
können.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 1
Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />
2. Psychologische und dynamische Aspekte<br />
In den meisten Fällen ist davon auszugehen, dass sich eine partnerschaftliche <strong>Gewalt</strong>beziehung Erwachsener<br />
durch ein vom Täter hergestelltes Macht-, Abhängigkeits- und Kontrollmuster und ein negatives<br />
Frauenbild auszeichnet. Aktuelle Forschungen zeigen ein erweitertes Bild der Psychologie, Dynamik und<br />
Interdependenz von <strong>Gewalt</strong>beziehungen. Die Differenzierung verschiedener Tätertypologien und Opferverhalten<br />
stellen Fragen in Bezug auf deren Zusammenwirken, das sich in der jeweiligen Paar- und Familiendynamik<br />
in einem bestimmten Kontext ausdrückt. Daraus ergeben sich auch Auswirkung auf Kinder,<br />
weitere Angehörige und Fachpersonen.<br />
Verschiedene Autorinnen und Autoren sind der Meinung, dass gewalttätige Männer keine spezifischen,<br />
psychopathologischen Merkmale aufweisen und keine Besonderheiten im alltäglichen Sozialverhalten zeigen.<br />
Andere äussern Bedenken, dass die Suche nach Persönlichkeitsmerkmalen und -qualifikationen, wie<br />
sie in der angloamerikanischen Forschung angestrebt wird, weniger zur Aufklärung, sondern zur Verschiebung<br />
eines gesellschaftlichen Problems auf die individuell-psychologische Ebene beiträgt. Neue<br />
Studien (so auch die Evaluation des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes des Kantons <strong>Zürich</strong>) zeigen jedoch deutlich,<br />
dass wir als Gesellschaft und <strong>Fachleute</strong> herausgefordert sind, den genannten Kritiken Rechnung tragen<br />
und uns diesen Forschungsresultaten zu stellen, um differenzierte und wirksame Vorgehensweisen gegen<br />
(<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong> zu entwickeln – sei dies bei der Prävention, dem unmittelbaren Risiko- oder dem folgenden<br />
Bedrohungsmanagement.<br />
Die Frage zielführender Interventionen gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> wird hier mit dem Fokus auf psychologische<br />
und dynamische Aspekte auf dem Hintergrund eines erweiterten Verständnisses <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
gestellt. Im Folgenden steht männliche Partnergewalt in heterosexuellen Erwachsenenbeziehungen im<br />
Zentrum, weil wir aus der Forschung darüber am meisten wissen.<br />
3. Tätertypologien bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
In bisher über 20 Studien wurden unterschiedliche Tätertypologien entwickelt (z.B. Holtzworth-Munroe et<br />
al., 1994/2003; 1 Dixon et al., 2003 2 ). Die meisten Studien unterscheiden 3-4 unterschiedliche Typen <strong>Häusliche</strong>r<br />
<strong>Gewalt</strong>täter.<br />
a. Angepasster, auf die Familie beschränkter <strong>Gewalt</strong>typus (family only batterer)<br />
Er charakterisiert sich wie folgt:<br />
- <strong>Gewalt</strong>anwendung ist situativ bedingt, aus dem Moment heraus<br />
- Geringe Frequenz und Schwere der physischen <strong>Gewalt</strong><br />
- Zeigt wenig soziale Kompetenz in der Beziehung<br />
- Ist wenig belastbar<br />
- Kann Emotionen nur schlecht ausdrücken<br />
- Vermeidet Konflikte und weicht ihnen aus<br />
- Drogen- und Alkoholproblematiken sind eher selten<br />
- Zeigt Reue<br />
- Hat einen Leidensdruck<br />
b. Zyklischer / Borderline Typus (borderline / dysphoric batterer)<br />
- Setzt <strong>Gewalt</strong> als Macht- und Kontrollmittel ein (Eifersucht, Wut etc.)<br />
- Täter ist abhängig von Beziehungen<br />
- Ambivalentes Verhalten gegenüber Partnerin<br />
- Emotional instabile Person<br />
- Gefühle von Angst und Depression<br />
- Manchmal Alkohol- und Drogenproblematik<br />
- Spricht gut auf Behandlungen an<br />
- Fokus auf Aufarbeitung eigener biografischer <strong>Gewalt</strong>belastungen, z.B. Traumatherapie, ist vorrangig.<br />
c. Antisozialer / psychopathischer Typus (generally violent / antisocial batterer)<br />
- Allgemein gewalttätiges und dissoziales Verhalten<br />
- Hohes <strong>Gewalt</strong>niveau in verschiedenen Kontexten (im privaten wie im öffentlichen Raum)<br />
- <strong>Gewalt</strong> in unterschiedlichen Beziehungskonstellationen (gegenüber Familienmitgliedern wie gegenüber<br />
Drittpersonen)<br />
- Oft zahlreiche Vorstrafen (Verkehrsdelikte; <strong>Gewalt</strong>- und Sexualdelikte)<br />
1 Holtzworth-Munroe, A.; Meehan, J. C.; Herron, K., Rehman, U.; & Stuart, G. L. (2003): Do subtypes of maritally violent men continue<br />
to differ over time? Journal of Consulting and Clinical Psychology, 71, 728−740.<br />
Holtzworth-Munroe, A., & Stuart, G. L. (1994). Typologies of male batterers: Three subtypes and the differences among them. Psychological<br />
Bulletin, 116, 476−497.<br />
2 Dixon, L.; Browne, K, (2003): The heterogeneity of spouse abuse: A review. Aggression and Violent Behavior. 8.1.107-130.<br />
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- Impulsiv<br />
- Macht- und Kontrolltaktiken<br />
- Feindselige Einstellung gegenüber Frauen, „Macho-Einstellung“<br />
- Rigide Vorstellungen von Sexualität<br />
- Psychopatische Persönlichkeit<br />
- Charmant<br />
- Hoch manipulativ mit Hang zur Grandiosität<br />
- Geringe soziale Fertigkeiten und Kompetenzen<br />
- Häufig Alkohol oder Drogenprobleme<br />
- Zeigt wenig oder keine Reue<br />
- übernimmt keine Eigenverantwortung (Schuld sind die anderen)<br />
- Kein Leidensdruck<br />
d. Mittelgradig antisozialer Typ (low level antisocial batterer)<br />
- Mittel bis stark ausgeprägte <strong>Gewalt</strong><br />
- <strong>Gewalt</strong>tätiges Verhalten in unterschiedlichen Kontexten (im privaten wie im öffentlichen Raum)<br />
- Hält sich eher nicht an Regeln und Normen<br />
- Steuerungsfähigkeit vorhanden (könnte auch auf <strong>Gewalt</strong> verzichten)<br />
- Mischung aus Typ „familiy only batterer“ und Typ „generally violent / antisocial batterer)<br />
- Mittelgradig ausgeprägte dissoziale Persönlichkeitseigenschaften<br />
Bei den beiden letzten Tätertypen ist eine multikonstellationelle und multikontextuelle (<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong><br />
zu prüfen.<br />
Unterschiedliche Verhaltensmerkmale nach Tätertypen<br />
Dimension<br />
Angepasster, auf die<br />
Familie beschränkter<br />
<strong>Gewalt</strong>typus<br />
(family only batterer)<br />
Zyklischer / Borderline Typus<br />
(dysphoric / borderline batterer)<br />
Antisozialer / psychopathischer<br />
Typus<br />
(generally violent / antisocial<br />
batterer)<br />
Schweregrad der<br />
ehelichen <strong>Gewalt</strong><br />
tief mittelgradig - schwer mittelgradig - schwer<br />
Psychischer und sexueller<br />
Missbrauch<br />
tief mittelgradig - schwer mittelgradig – schwer<br />
<strong>Gewalt</strong> generell<br />
Ausserfamiliäre <strong>Gewalt</strong> tief tief - mittelgradig hoch<br />
Strafrechtliche Auffälligkeit tief tief - mittelgradig hoch<br />
Psychopathologie,<br />
Persönlichkeitsstörung<br />
Persönlichkeitsstörung<br />
Keine; passiv / abhängig<br />
Borderline oder<br />
schizoid<br />
Antisozial/psychopathisch<br />
Alkohol- ; Drogenkonsum tief - mittelgradig mittelgradig stark<br />
Depressionen tief bis mittelgradig schwer tief<br />
Wut (Impulskontrollstörung) mittelgradig stark mittelgradig<br />
Quelle: Holtzworth-Munroe, A.; Stuart, G. L. (1994), Übersetzung IST<br />
Der mittelgradig antisoziale Typus ist auf dieser und den folgenden Tabellen nicht aufgeführt, kann aber zwischen dem Typus a) und c)<br />
eingegliedert werden.<br />
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Verhalten der Normalbevölkerung im Vergleich mit Tätertypen<br />
Typus ohne <strong>Gewalt</strong>tätigkeit<br />
<strong>Gewalt</strong>tätiger Typus<br />
Variable<br />
Nicht gewalttätig<br />
Nicht belastet<br />
Nicht gewalttätig<br />
Belastet<br />
Angepasster,<br />
auf die Familie<br />
beschränkter<br />
<strong>Gewalt</strong>typus<br />
(family only<br />
batterer)<br />
Zyklischer /<br />
Borderline-<br />
Typus<br />
(dysphoric /<br />
borderline<br />
batterer)<br />
Antisozialer /<br />
psychopathischer<br />
Typus (generally<br />
violent / antisocial<br />
batterer)<br />
Genetische Ursachen Tief tief tief mittelmässig stark<br />
Kindheitserfahrungen<br />
Elterliche <strong>Gewalt</strong> Selten selten selten –<br />
mittelmässig<br />
mittelmässig<br />
mittelmässig –<br />
stark<br />
Kindsmissbrauch /<br />
Vernachlässigung<br />
Selten<br />
selten<br />
selten –<br />
mittelmässig<br />
mittelmässig -<br />
häufig<br />
häufig<br />
Anschluss an sozial<br />
auffällige Peergruppen<br />
Selten selten selten<br />
selten –<br />
mittelmässig<br />
häufig<br />
Soziale Kompetenz<br />
In der ehelichen<br />
Beziehung<br />
Hoch mässig mässig-gering gering gering<br />
Ausserhalb der Ehe Hoch hoch<br />
hoch –<br />
mittelgradig<br />
mittelgradig<br />
gering<br />
Haltung, Einstellung<br />
Frauenfeindlichkeit Keine keine keine<br />
mittelgradig –<br />
hoch<br />
hoch<br />
<strong>Gewalt</strong>be<strong>für</strong>wortende<br />
Haltung<br />
keine keine tief mittelgradig hoch<br />
Quelle: Holtzworth-Munroe, A.; Stuart, G. L. (1994), Übersetzung IST<br />
4. Rückfälligkeit und Behandelbarkeit<br />
Das Modell der Tätertypologie erlaubt summarische Aussagen zur Wahrscheinlichkeit der Rückfälligkeit,<br />
zur Behandelbarkeit sowie zum Erfolg von Behandlungen und Programmen.<br />
Rückfälligkeit, Beziehungsverlauf häufig selten<br />
erneute <strong>Gewalt</strong>tätigkeit<br />
Inhaftierungen<br />
Trennung, Scheidung > > ><br />
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Erfolg von Behandlungen, Therapien,<br />
und Programmen<br />
gut<br />
schlecht<br />
Paar- und Familientherapie, Mediation<br />
Depressions- und Trauma-Behandlung<br />
Forensische oder sozialtherapeutische<br />
Behandlungen und Programme (Sucht,<br />
<strong>Gewalt</strong>, Impulskontrolle etc.)<br />
> > ><br />
> > ><br />
> > ><br />
1. Angepasster, auf die Familie beschränkter<br />
<strong>Gewalt</strong>typus (family only batterer)<br />
2. Zyklischer / Borderline Typus (borderline /<br />
dysphoric batterer)<br />
3. Antisozialer / psychopathischer Typus (generally<br />
violent / antisocial batterer)<br />
4. Mittelgradig antisozialer Typ (low level antisocial<br />
batterer)<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen:<br />
- Beim angepassten, auf die Familie beschränkten <strong>Gewalt</strong>typus (family only batterer) kann eine<br />
Paar- oder Familientherapie erfolgreich sein.<br />
- Für den zyklischen / Borderlinetypus (borderline / dysphoric batterer) ist ein Beratungsangebot<br />
oder eine Psychotherapie im Einzelsetting sinnvoll.<br />
- Der antisoziale / psychopathische Typus (generally violent / antisocial batterer) ist <strong>für</strong> Beratungsangebote<br />
schwer erreichbar. Konfrontierende Beratungen können eskalierend wirken. Eine Täter-<br />
Opfer-Begegnung ist zu vermeiden, was eine Paarbehandlung ausschliesst.<br />
- Beim mittelgradig antisozialen Typus (low level antisocial batterer) muss geprüft werden, welche<br />
Angebote und Settings hilfreich sind und wieweit konfrontierende Beratungen eskalierend wirken<br />
können.<br />
Bei allen Tätertypen und den daraus folgenden unterschiedlichen <strong>Gewalt</strong>dynamiken stellen sich vor allem<br />
folgende Fragen:<br />
- Bei welcher Art Täter ist welche Massnahme hilfreich und wirkt deeskalierend <strong>für</strong> alle einzelnen<br />
Beteiligten bzw. <strong>für</strong> das System?<br />
- Gibt es Aussagen mit Bezug auf die Gefährlichkeit der einzelnen Typen (kurz- wie mittelfristig)?<br />
- Wie kann kurzfristig eine Eskalation verhindert werden je nach Typ?<br />
- Wie sind bei den unterschiedlichen Tätertypen die <strong>Gewalt</strong>phantasien zu bewerten (Robertz, F.,<br />
2011)<br />
- Mit was <strong>für</strong> einem Verhalten muss bei einem Trennungsentscheid gerechnet werden? Sind flankierende<br />
Massnahmen notwendig?<br />
- Bei welcher Art Täter ist welche Massnahme ungünstig oder gar gefährlich und wirkt möglicherweise<br />
eskalierend <strong>für</strong> einzelne Beteiligte bzw. das System?<br />
- Welche strafjustiziellen Interventionen (Ersatzmassnahmen, Weisungen oder Massnahmen) sind<br />
geeignet? Wie wird die spezifische <strong>Gewalt</strong>dynamik gemindert? Wie kann der Opferschutz sichergestellt<br />
werden?<br />
- Was gilt es mit Bezug auf Ausgestaltung der Elternrechte, namentlich der Regelung der Besuchsrechte,<br />
bei den einzelnen Tätertypen zu berücksichtigen?<br />
- Was sind angepasste Ziele der Behandlung, Beratung und Psychotherapie sowohl aus medizinisch-therapeutischer<br />
wie forensischer Sicht?<br />
- Können/müssen auch Ziele in der Behandlung, den Auflagen etc. mitberücksichtigt werden, die<br />
sich auf einen öffentlichen Kontext beziehen (z.B. <strong>Gewalt</strong> gegen Dritte, im Strassenverkehr etc.)?<br />
- Wie kann die Nachhaltigkeit der Auflagen und des Opferschutzes gewährleistet und überprüft<br />
werden?<br />
Das zeigt, dass generalisierte Massnahmeempfehlungen (Lernprogramm <strong>für</strong> alle; Paar- und Familientherapie<br />
ist in <strong>Gewalt</strong>beziehungen ungeeignet etc.) der Problemstellung nicht gerecht werden. Analysen der<br />
Psychologie von Täter und Opfer erlauben Rückschlüsse auf die Beziehungsdynamik und helfen situationsadäquate<br />
Massnahmen anzuordnen bzw. zu entwickeln.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />
Immer gilt es zu beachten bzw. zu erheben, ob TäterInnen und/oder Opfer in der Familie gegen ein anderes<br />
Familienmitglied (z.B. die Mutter gegen das Kind) oder im ausserhäuslichen Kontext <strong>Gewalt</strong> ausübt<br />
(z.B. das jugendliche Opfer gegen Dritte). Mit anderen Worten: Es gilt abzuklären, ob innerhalb der Familie<br />
mehrere <strong>Gewalt</strong>verhältnisse vorliegen (multi-konstellationell) und ob auch im öffentlichen Raum <strong>Gewalt</strong><br />
ausgeübt wird (multikontextuell).<br />
5. „Erweiterte <strong>Gewalt</strong>dynamik": Involvierung von Angehörigen, Drittpersonen und <strong>Fachleute</strong>n<br />
Am Beispiel „Fall Pfäffikon“ wurde deutlich, dass Täter, bei denen Machtansprüche, Rigidität und Impulsivität<br />
als ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale zusammenkommen, Veränderungen im familiären System<br />
als existenzbedrohenden Angriff auf ihre Person erleben können, d.h. gar als Zerfall ihrer Identität. Mit<br />
einer Abnahme der <strong>für</strong> sie bedeutsamen Macht wegen eigener Krankheit, Erwachsenwerden der Kinder,<br />
Berufstätigkeit, Trennungsabsichten der Frau etc. wird der Täter jedes Mittel einsetzen, um im System<br />
wieder den ursprünglichen und ihm vertrauten Zustand herzustellen. Das geht oft mit einer Zunahme und<br />
Schwere der <strong>Gewalt</strong> einher. Weiter werden zunehmend Drittpersonen (Kinder, Verwandte oder auch<br />
Fachpersonen) in die „erweiterte“ <strong>Gewalt</strong>androhung und/oder -ausübung einbezogen. Diese sollen stellvertretend<br />
die Aufgaben übernehmen, zu denen der Täter selbst nicht mehr in der Lage ist; sie werden<br />
instrumentalisiert, Frauen von der Trennung abzuhalten, die Strafanzeige zurückzuziehen und eine Desinteresseerklärung<br />
abzugeben. Tun sie dies nicht, droht eine gefährliche Eskalation.<br />
Das Erkennen einer „erweiterten <strong>Gewalt</strong>dynamik“ ist vor allem <strong>für</strong> die Gefährlichkeitseinschätzung und<br />
das Bedrohungsmanagement von Bedeutung.<br />
6. Täterinnen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in (Ex-)Paarbeziehungen<br />
Es gibt Studien, die zum Schluss kommen, dass Frauen in heterosexuellen, erwachsenen Paarbeziehungen<br />
gleich häufig gewalttätig sind wie Männer und Männer ebenso oft Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> werden<br />
wie Frauen (Straus 1979) 3 . Diese Zahlen werden immer wieder zitiert. Diese Studien unterscheiden bei<br />
der Auswahl der Indikatoren jedoch kaum zwischen Aggression, Streit- und <strong>Gewalt</strong>. Auch Straus wies<br />
darauf hin, dass eine solche Interpretation ohne weitere Untersuchungen nicht zulässig sei. Untersuchungen,<br />
welche die Art, den Schweregrad und den Kontext von <strong>Gewalt</strong> mit einbeziehen, belegen, dass <strong>Gewalt</strong><br />
von Frauen weniger häufig und weniger folgenschwer ist, als <strong>Gewalt</strong> von Männern, und dass sie sehr<br />
selten der systematischen Kontrolle über den Partner dient. 4 <strong>Gewalt</strong> von Frauen ist dennoch in keiner<br />
Weise zu verharmlosen oder zu verdrängen.<br />
Sind Täterinnen partnerschaftlicher <strong>Gewalt</strong> auch Mütter von Kleinkindern, kann es in seltenen Fällen vorkommen,<br />
dass die Polizei gegen das Opfer, also den Partner und Vater der Kinder, eine Wegweisung<br />
anordnet. Zu Grunde liegen diesen Massnahmen pragmatische Probleme, z.B. wenn der Vater (oder Angehörige)<br />
die Obhut kurzfristig nicht übernehmen können und die Kinder bei der Mutter nicht einem akuten<br />
<strong>Gewalt</strong>risiko ausgesetzt sind. Für diese unhaltbare Situation männlicher Opfer, müssen andere Vorgehensweisen<br />
gesucht werden.<br />
Die Anzeigestatistik zeigt immerhin, dass 20% der Personen, die der <strong>Gewalt</strong> in Paarbeziehungen beschuldigt<br />
werden, Frauen sind. Auch bei Minderjährigen wurde durch die Optimus-Studie sichtbar, dass<br />
8% der männlichen Jugendliche sexuelle Übergriffe mit Körperkontakt und 20% ohne Körperkontakt erleben.<br />
Weibliche Täterinnen und männliche Opfer – Minderjährige und Erwachsene ‒ sind deshalb ein noch<br />
zu beforschendes Thema. Wollen wir als Gesellschaft Schutz und Sicherheit gewährleisten, sind alle Opfer<br />
gleichermassen ernst zu nehmen und alle TäterInnen gleichermassen in die Verantwortung zu ziehen.<br />
Auch die Auseinandersetzung mit <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in lesbischen Paarbeziehungen ist ein erst langsam<br />
beachtetes Thema. Die anderen Formen und Vorgehensweisen, z.B. Drohung mit einem Outing im sozialen<br />
Nahraum, zeigen, dass Differenzierungen auch hier notwendig sind. Gemäss einer der wenigen Studien<br />
zu <strong>Gewalt</strong> in lesbischen Paarbeziehungen 5 wird in diesen Paarbeziehungen die <strong>Gewalt</strong> häufig gegenseitig<br />
ausgeübt, d.h., dass Drohungen und Tätlichkeiten seltener nur von einer Person ausgehen, als<br />
in heterosexuellen Beziehungen (wobei dort kaum nach gegenseitiger <strong>Gewalt</strong> gesucht wird). Es ist auch<br />
davon auszugehen, dass nur ein kleiner Teil der Betroffenen sich an eine Beratungsstelle wendet. Die<br />
Frauenberatungsstelle bif hat im Kanton <strong>Zürich</strong> <strong>für</strong> diese Frauen eine Anlaufstelle geschaffen:<br />
www.SieundSie.ch. Untersuchungen im angloamerikanischen Raum stellen fest, dass von einem grund-<br />
3 Straus, M. A. (1979). Measuring Intrafamily Conflict and Violence: The Conflict Tactics (CT) scales. Journal of Marriage and the Family.<br />
Nr. 1, S. 82. http://abctcouples.org/Straus1979.pdf<br />
4 Schröttle M.: Kritische Anmerkungen zur These der Gendersymmetrie bei <strong>Gewalt</strong> in Paarbeziehungen. In: Gender, Heft 1/2010, S.<br />
133-151.<br />
Kavemann, B. (2009): Täterinnen – die <strong>Gewalt</strong>ausübung von Frauen im privaten Raum im Kontext der feministischen Diskussion über<br />
<strong>Gewalt</strong> im Geschlechterverhältnis. www.zar.nomos.de/fileadmin/nk/doc/Aufsatz_NK_09_02.pdf<br />
5 Ohms, Constance (2009): <strong>Gewalt</strong> und Aggression von Frauen – am Beispiel der häuslichen <strong>Gewalt</strong> in Liebesbeziehungen von Frauen.<br />
In: Bewährungshilfe: Soziales – Strafrecht – Kriminalpolitik, 56 (1), S. 33-44.<br />
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sätzlich ähnlichen Vorkommen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in homosexuellen Beziehungen ausgegangen werden<br />
kann. 6<br />
7. <strong>Gewalt</strong>dynamiken in Erwachsenenbeziehungen<br />
Bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in erwachsenen, heterosexuellen Paarbeziehungen werden folgende Formen unterschieden:<br />
<strong>Gewalt</strong> als spontanes Konfliktverhalten, <strong>Gewalt</strong> als systematisches Kontrollverhalten und<br />
<strong>Gewalt</strong> als Widerstand ('Violent Resistance').<br />
Die unterschiedlichen Dynamiken der <strong>Gewalt</strong>spiralen werden von den Opfern und den gewaltausübenden<br />
Personen oft nicht erkannt, wenn sie von Aussenstehenden nicht darauf aufmerksam gemacht werden.<br />
Diese Dynamik zu erkennen, hilft vor allem den Opfern und den involvierten Fachpersonen zu verstehen,<br />
weshalb es <strong>für</strong> abhängige Opfer so schwer ist, sich aus einer <strong>Gewalt</strong>beziehung zu lösen.<br />
a. <strong>Gewalt</strong> als spontanes Konfliktverhalten<br />
Um <strong>Gewalt</strong> als spontanes Konfliktverhalten handelt es sich, wenn<br />
- einzelne <strong>Gewalt</strong>handlungen in Form eskalierender Konflikte oder Konfliktserien stattfinden;<br />
- die Eskalationen keine eindeutigen Wiederholungsmuster im Ablauf zeigen.<br />
Auch ein einzelner <strong>Gewalt</strong>vorfall kann in seiner Wirkung <strong>für</strong> die Opfer (Erwachsene und Kinder) massiv<br />
verunsichernde und schädigende Folgen haben. Zu dieser Kategorie gehören auch Personen, die sich<br />
aufgrund einer psychischen Erkrankung schubweise aggressiv und gewalttätig verhalten. In diesen Fällen<br />
muss eine gewaltschutzrechtliche Schutzmassnahme u.U. mit einer <strong>für</strong>sorgerischen Freiheitsentziehung<br />
nach Art. 397a ff ZGB kombiniert werden.<br />
b. <strong>Gewalt</strong> als systematisches Kontrollverhalten<br />
Die amerikanische Psychologin Leonore Walker prägte bereits 1979 den Begriff <strong>Gewalt</strong>spirale („cycle of<br />
violence“) und beschrieb damit die ganz eigene Dynamik einer spezifischen Form von <strong>Gewalt</strong> als systematisches<br />
Kontrollverhalten.<br />
Bei <strong>Gewalt</strong> als systematisches Kontrollverhalten wird davon ausgegangen, dass es sich um<br />
- ein asymmetrisches Geschlechter- oder Beziehungsverhältnis mit einem deutlichen Machtgefälle<br />
handelt;<br />
- Kontrolle und Beherrschung in der Partnerschaft oder in der familiären Beziehung ausgeübt werden;<br />
- frauenfeindliche oder andere menschenverachtende, entwertende, erniedrigende und demütigende<br />
Einstellungen seitens der gefährdenden Person festzustellen sind.<br />
c. <strong>Gewalt</strong> als Widerstand (Violent resistance)<br />
Johnson (2005) beschreibt ein weiteres <strong>Gewalt</strong>muster: einen gewaltförmigen Widerstand, eine gewalttätige<br />
Reaktion im Sinne von Angriff und Vergeltung. Erfasst werden hier vor allem <strong>Gewalt</strong>handlungen von<br />
Frauen gegen ihre Männer, unter denen sie jahrelang gelitten haben.<br />
d. <strong>Gewalt</strong>spirale<br />
Täterverhalten in <strong>Gewalt</strong>spirale (mit Abhängigkeit des Opfers)<br />
SPANNUNGS-AUFBAU<br />
Intervention manchmal mit,<br />
manchmal ohne Wirkung<br />
„HONEYMOON-PHASE“<br />
VERSÖHNUNG<br />
Wenig Chancen <strong>für</strong> eine<br />
wirksame Intervention<br />
GEWALT<br />
SPANNUNGS-ENTLADUNG<br />
Grösstmögliche Chance <strong>für</strong><br />
wirksame Interventionen<br />
„Rad der <strong>Gewalt</strong>“ von Leonore Walker (1983) 7<br />
6 Ohms, C. (2006): Broken rainbow. <strong>Gewalt</strong> gegen Lesben und häusliche <strong>Gewalt</strong> in lesbischen Zusammenhängen-Auswertung der<br />
Erhebungsbögen der Lesbenberatungsstellen und Lesbentelefone, S. 44. http://www.brokenrainbow.de/material/BR_Bundeserhebung_02_04.pdf<br />
7 Walker, L. (1983): The battered women syndrom study. In: Finkelhor, G.; Hotaling (Hrsg.). The dark side of families. Beverly Hills.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />
Das Aussageverhalten und die Bereitschaft der Opfer, sich an rechtlichen Verfahren zu beteiligen, ist stark<br />
davon abhängig, in welcher Phase sich die Paardynamik befindet. Die Übergänge der einzelnen Phasen<br />
sind fliessend. In der Phase des Spannungsaufbaus und unmittelbar nach einer <strong>Gewalt</strong>erfahrung ist die<br />
gefährdete Person am kooperativsten.<br />
1. Phase: Spannungsaufbau<br />
In der ersten Phase kommt es seitens der gewaltausübenden Person zunächst zu verbaler <strong>Gewalt</strong> wie<br />
Beschimpfungen, Entwertungen, Beschuldigungen, Blossstellungen. Mit äusseren Faktoren wie z.B.<br />
Stress an der Arbeit werden diese Übergriffe gerechtfertigt. Die Opfer (Frauen und Kinder) versuchen<br />
<strong>Gewalt</strong>eskalationen durch Anpassungsleistungen zu verhindern. Sie versuchen „alles recht zu machen“.<br />
Trotzdem kommt es zur <strong>Gewalt</strong>.<br />
2. Phase: <strong>Gewalt</strong><br />
Es kommt zur <strong>Gewalt</strong>anwendung durch den Täter. Viele Opfer fühlen sich hilflos, weil sie auf die Art, den<br />
Zeitpunkt oder die Schwere der <strong>Gewalt</strong>tat keinen Einfluss haben. In dieser akuten Situation bestehen aber<br />
oft die besten Chancen <strong>für</strong> eine wirkungsvolle Intervention von aussen, weil viele Gefährdete in diesem<br />
Moment gegenüber Hilfsangeboten offen sind.<br />
3. Phase: „Honeymoon-Phase“<br />
Nach einem Spannungsaufbau und dem <strong>Gewalt</strong>ausbruch folgt die „Honeymoon-Phase“. Der Gefährder<br />
bereut seine Tat. Er verhält sich gegenüber der Frau aufmerksam und liebevoll, umwirbt sie mit Geschenken,<br />
beteuert ihr seine Liebe und in überzeugender Weise das Ende der <strong>Gewalt</strong>. Viele Frauen berichten<br />
auch von einer aussergewöhnlichen sexuellen Nähe und Intimität in dieser Phase. Diese Friedensangebote,<br />
Liebesbeteuerungen, Selbstverbesserungs- und Veränderungsvorschläge kommen der gefährdeten<br />
Frau entgegen. Sie sehnt das Ende der <strong>Gewalt</strong> herbei. In dieser Phase sind Frauen bereit, die <strong>Gewalt</strong><br />
zu vergeben und einen Teil der Schuld auf sich zu nehmen. In ihrer Abhängigkeit können sie sich ein<br />
Leben ohne ihren Mann kaum vorstellen, insbesondere wenn gemeinsame Kinder da sind. Die häufig<br />
unmittelbar nach dem <strong>Gewalt</strong>ausbruch vorhandene Motivation, sich vom gewaltausübenden Mann zu<br />
trennen, wird durch die erneute Zuwendung und die Hoffnung auf Besserung unterlaufen. Die ursprüngliche<br />
Trennungsmotivation verliert an Bedeutung.<br />
Das Opfer beginnt sich zunehmend mit dem Gefährder zu solidarisieren. Hilfe von aussen wird kategorisch<br />
abgelehnt. Oft brechen die Frauen in dieser Phase auch die Beratung oder Therapie ab, vor allem,<br />
wenn die beratende Person den teilweise plötzlichen Haltungswandel nicht als solchen erkennt oder damit<br />
nicht umgehen kann. In Gerichtsverfahren zeigt sich diese Phase in bagatellisierendem, entlastendem<br />
Aussageverhalten. Die Opfer machen vom gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, geben<br />
Desinteresseerklärungen ab bzw. ziehen eingeleitete Zivilverfahren zurück.<br />
8. Typologien weiblichen Opferverhaltens in erwachsenen, heterosexuellen Paarbeziehungen<br />
a) „Ambivalente Bindung“ und Ambivalenzkonflikt<br />
Lange dienten Abhängigkeit und Ambivalenz als hinreichende Erklärungen <strong>für</strong> den Verbleib der Frauen in<br />
der <strong>Gewalt</strong>beziehung. Was ist aber mit Ambivalenz gemeint?<br />
Der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler verwendete den Begriff der Ambivalenz erstmals1910 in einem<br />
Vortrag in Bern. Bleuler 8 definierte Ambivalenz als Nebeneinander von<br />
1. widersprüchlichen Gefühlen: „affektive Ambivalenz“<br />
2. widersprüchlichen Wünschen: „voluntäre Ambivalenz“ oder „Ambitendenz“<br />
3. widersprüchlichen Beurteilungen: „intellektuelle Ambivalenz“<br />
Ambivalenz ist eine im Menschen selber begründete Unentschiedenheit und innere Zerrissenheit, wobei<br />
diese sehr unterschiedliche Ursachen hat. Ambivalenz, so zeigt sich heute, ist nicht der einzige Grund <strong>für</strong><br />
das Verbleiben in einer <strong>Gewalt</strong>beziehung.<br />
Befinden sich Frauen in einer „Ambivalenten Bindung“ verfügen sie kaum über eigene Ressourcen und<br />
zeigen häufig starke Abhängigkeit und tiefen Selbstwert. 9<br />
8 Bleuler, E.: Ambivalenz. In: Festgabe zur Einweihung der Neubauten der Universität <strong>Zürich</strong> 18. IV. 1914. In: Festgabe der medizinischen<br />
Fakultät. <strong>Zürich</strong>: Schulthess & Co 1914, S. 95-106.<br />
9 Vgl. Helfferich, C. et al. (2005): Wissenschaftliche Untersuchung zur Situation von Frauen und zum Beratungsbedarf nach einem<br />
Platzverweis bei häuslicher <strong>Gewalt</strong>. Abschlussbericht. Freiburg.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />
Die Ambivalenz der weiblichen Opfer zum gewaltausübenden Partner zeigt sich u. a. in der inneren Zerrissenheit.<br />
Diese kann sich auf zwei Arten äussern. Zum einen entschuldigen sie die gewaltausübende<br />
Person, wollen ihr helfen und bemitleiden sie. Zum andern glauben sie, die <strong>Gewalt</strong> aushalten zu müssen,<br />
um weitere Opfer, z.B. die Kinder oder weitere Angehörige zu schützen. Für sie sind es Stresssituationen<br />
des Täters, die zur <strong>Gewalt</strong> führen (Geldprobleme, Probleme am Arbeitsplatz, Erwerbslosigkeit, Konsum<br />
oder Abusus von Alkohol und/oder anderen Suchtmitteln). Ihre eigene Gefährdung steht im Hintergrund<br />
und wird erst durch Nachfragen zum Thema.<br />
Der Ambivalenzkonflikt kann sich auch in der Art, wie sich das Opfer mit der Situation arrangiert hat, zeigen.<br />
Diese Opfer meinen, die <strong>Gewalt</strong> zu Recht zu erfahren oder erleben sie als zur Ehe oder Partnerschaft<br />
gehörend. Sie fühlen sich ausgeliefert und haben die negativen Beschuldigungen und Zuschreibungen<br />
verinnerlicht. Sie haben oft bereits in der Kindheit und Jugend <strong>Gewalt</strong>erfahrungen gemacht und<br />
glauben, dass eine Trennung ihnen nichts bringe, dass sich der nächste Partner wieder genau gleich verhalten<br />
würde. In solchen Verhältnissen kann die <strong>Gewalt</strong> im alltäglichen Zusammenleben zur Normalität<br />
werden. Es kommt zu einer Gewöhnung an die <strong>Gewalt</strong>beziehung. Diese Opfer chronischer <strong>Gewalt</strong> leiden<br />
oft unter psychosomatischen und schweren psychischen Symptomen. Die Dynamiken der <strong>Gewalt</strong>spiralen<br />
charakterisieren diese Beziehungen.<br />
Die Bindung an den Partner ist in diesen <strong>Gewalt</strong>beziehungen von einem starken Machtgefälle geprägt,<br />
welches seitens der <strong>Gewalt</strong> ausübenden Person immer wieder hergestellt und aufrecht gehalten wird. Oft<br />
tritt das Kontrollverhalten in der Beziehung schon sehr früh auf. Es hilft der gefährdenden Person Verunsicherungen<br />
zu kompensieren. In Lebensphasen, die einen neuen Umgang mit Nähe und Distanz erfordern,<br />
wie bei Schwangerschaften, Geburt eines Kindes, Krankheit, verstärkt sich dieses Kontrollmuster. Es zeigt<br />
sich z.B. in krankhafter Eifersucht. Der abhängigen Person wird misstraut, ihr werden Fremdbeziehungen<br />
oder andere unlautere Absichten unterstellt, die durch die Androhung oder Ausübung von <strong>Gewalt</strong> unterbunden<br />
werden.<br />
Charakteristisch <strong>für</strong> <strong>Gewalt</strong> betroffene Personen in ambivalenten Bindungen ist ausserdem, dass sie:<br />
1. sich häufig nicht als Opfer sehen, obwohl sie traumatisiert sind;<br />
2. „in der Vergangenheit gefangen“ sind;<br />
3. instabile Wünsche und Hoffnungen äussern (d.h. hin- und hergerissen sind);<br />
4. sich selbst beschuldigen unter Entlastung der gewaltausübenden Person.<br />
Im Aussageverhalten der Opfer wird das Geschehen bagatellisiert und der Gefährder in Schutz genommen.<br />
Die Aussagen sind oft widersprüchlich. Das ambivalente Verhalten führt auch zur Abgabe von Desinteresseerklärungen<br />
und Klagerückzügen.<br />
b) „Schein-Ambivalenz“, Dilemma und „Überlebens-Bindungen“ 10<br />
Dieses <strong>Gewalt</strong>-Muster weist vordergründig zwar ähnliche Merkmale wie das ambivalente auf, deshalb<br />
kann man auch von „Scheinambivalenz“ sprechen. Scheinambivalente Opfer befinden sich jedoch nicht in<br />
einer Ambivalenz zum Täter, sondern, nach Rossegger (2010 11 ), in einem Dilemma, d.h. in einer Entscheidungssituation,<br />
bei der sich zwar mehrere Handlungsmöglichkeiten gleichzeitig anbieten, sich aber<br />
dennoch gegenseitig ausschliessen. Frau kann es also gar nicht richtig oder gut machen. Beide Möglichkeiten<br />
führen zu einem unerwünschten Resultat. In einem komplexen Dilemma ist es schwierig, die richtige<br />
Strategie zu finden. Diese Ausweglosigkeit wird als paradox empfunden. Im Gegensatz zu den ambivalenten<br />
und abhängigen Opfern verfügen diese Frauen über genügend Ressourcen, die eine Trennung<br />
möglich machen würden. Was hält sie dennoch in der <strong>Gewalt</strong>beziehung?<br />
Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, die in einer existenziellen Dilemma-Situation bleiben, befinden sich in einer<br />
„Überlebens-Bindung“. Bei der „Überlebens-Bindungen“ ist die Handlungsfähigkeit der Frauen nicht durch<br />
Abhängigkeit zum Gefährder eingeschränkt, sondern diese Opfer glauben, dass nur das Festhalten an der<br />
<strong>Gewalt</strong>beziehung ihr Überleben und möglicherweise auch das anderer Personen, z.B. der Kinder, sichert.<br />
Keine der angedachten Lösungen schützt sie vor der <strong>Gewalt</strong> – d.h. weder in der Beziehung verharren,<br />
noch den Täter verlassen. Den Partner verlassen heisst möglicherweise: Existenzverlust, Stigmatisierung,<br />
Vernachlässigung der Rechte der Frauen und Kinder, Zerbrechen der familiären Strukturen, fehlende<br />
Coping-Strategien, Depressionen, bedrohliche Reaktion des (Ex-) Partners und aus der Gemeinschaft,<br />
Angst vor Rache, Morddrohungen, Drohungen mit (erweitertem) Suizid oder mit Kindsentführung.<br />
Diese Mütter binden oft auch ihre Kinder in das Angst-Muster mit ein. Sie unterbinden und/oder verbieten<br />
ihnen, Hilfe und Unterstützung von aussen zu holen oder anzunehmen, die Polizei zu rufen, Aussagen<br />
gegenüber Fachpersonen oder vor Gericht zu machen, und dies mit dem Ziel, weitere <strong>Gewalt</strong>eskalationen<br />
10 Greber, F. (2011): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> – Erkennen und Handeln. Referat, gehalten an der HfH Interkantonale Hochschule <strong>für</strong> Heilpädagogik<br />
<strong>Zürich</strong>.<br />
11 Rossegger, A. (2010): Referat, gehalten bei der IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>.<br />
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zu verhindern und das Überleben zu sichern. Schweigen und Verharren ist in ihrem Sinne paradoxerweise<br />
auch Kindesschutz. Auch die Mütter selbst suchen keine Hilfe.<br />
Der <strong>Gewalt</strong>zyklus der „Überlebens-Bindung“ kann sich auch nach einer Trennung oder der Auflösung<br />
eines gemeinsamen Haushaltes fortsetzen, vor allem wenn väterliche Besuchs- und Ferienrechte elterliche<br />
Kontakte notwendig machen. Oft sind es diese Situationen, bei denen die verschiedenen Formen der<br />
<strong>Gewalt</strong> eskalieren. Dennoch fühlen sich diese Mütter gegenüber ihren Kindern schuldig. Sie wollen ihnen<br />
den Kontakt zum Vater auch unter diesen erschwerten Bedingungen ermöglichen und nehmen verschiedenste<br />
Formen der Demütigung, des Leidens, auch der wirtschaftlichen Abhängigkeit in Kauf. Das asymmetrische<br />
Abhängigkeitsverhältnis wird dadurch gestärkt und gefestigt. Die <strong>Gewalt</strong> kann sich weiter perpetuieren.<br />
Vordergründig zeigen diese Opfer in ihrem Verhalten gegenüber dem Täter und auch gegenüber helfenden<br />
Personen sehr viel Ähnlichkeit mit Frauen in ambivalenten Bindungen. Bei der Scheinambivalenz<br />
verfügen die Opfer jedoch über genügend Ressourcen. In diesen <strong>Gewalt</strong>-Beziehungen ist die Handlungsfähigkeit<br />
gewaltbetroffener Frauen also weder durch Ambivalenz noch durch Abhängigkeit zum Gefährder<br />
oder Täter eingeschränkt. Eine Überlebensbindung weist möglicherweise auf eine pathologische Tätertypologie<br />
hin, was <strong>für</strong> ein wirksames Risiko- und Bedrohungsmanagement von zentraler Bedeutung ist.<br />
Menschen in „Überlebens-Bindungen“ sind eine Hochrisiko-Gruppe und erfordern in jeder Hinsicht eine<br />
vorsichtige und möglicherweise auch andere Art der Intervention.<br />
Für Opfer in Dilemma-Situationen muss vor allem der Schutz und die Sicherheit gewährleistet werden,<br />
damit die Opfer Entscheidung umsetzen können, ohne ihr Leben oder das ihrer Kinder zu gefährden. Auch<br />
psychologische Unterstützung muss dieses Ziel verfolgen, welches nur in enger Zusammenarbeit mit Polizei<br />
und Gerichten möglich ist.<br />
9. Umgang mit ambivalenten Verhaltensmustern von Opfern in professionellen Beziehungen<br />
Opfer übertragen ihre in Abhängigkeitsverhältnissen gemachten guten und schlechten Erfahrungen auch<br />
auf Fachpersonen. Gegenüber Fachpersonen, seien dies Staatsanwälte, Richterinnen oder Sozialarbeitende,<br />
sehen sie sich erneut in einer (professionell und strukturell begründeten) Abhängigkeit. Wieder stehen<br />
sie einer Person gegenüber, die nur das Beste will. In gewisser Hinsicht be<strong>für</strong>chten sie in Beratungen<br />
oder bei Befragungen eine Wiederholung ihrer negativen Erfahrungen.<br />
Doch je länger eine destruktive Beziehungssituation in der Vergangenheit als ausweglos erlebt wurde,<br />
desto schwieriger wird es, Beziehungen zu anderen Menschen als verlässlich und hilfreich wahrzunehmen.<br />
Die Erfahrung, nicht respektiert und geschützt worden zu sein, gibt ihnen aus ihrer subjektiven Perspektive<br />
ausreichende Gründe, in einer erneuten Abhängigkeit nicht von etwas Besserem auszugehen.<br />
Sie sind deshalb gegenüber Fachpersonen oft grundsätzlich skeptisch: „Nun soll ich plötzlich glauben,<br />
dass man mir hilft und mich beschützt?“<br />
Auch Fachpersonen werden in den Sog des immanenten Widerspruchs der <strong>Gewalt</strong>beziehungen hineingezogen.<br />
Soll in einer akuten <strong>Gewalt</strong>beziehung auf die Äusserungen des Opfers abgestellt werden, das sich<br />
aus allen ergriffenen Massnahmen zurückziehen will? Oder muss die Zerrissenheit, die aus der ambivalenten<br />
Bindung und den entsprechenden Phasen der <strong>Gewalt</strong>beziehung entsteht, stärker gewichtet werden,<br />
um das Opfer (und allfällige Kinder) vor weiterer <strong>Gewalt</strong> zu schützen?<br />
Die Ambivalenz und das Misstrauen von Opfern einerseits und die Forderung nach Hilfe andererseits,<br />
stellen Fachpersonen vor eine grosse Herausforderung. Sie gehen davon aus, dass <strong>Gewalt</strong>betroffene ein<br />
Hilfsangebot annehmen, um dann mit entsprechender Unterstützung kontinuierlich daran zu arbeiten, ihre<br />
Situation zu verändern und zu verbessern. Tatsache ist aber, dass die Hilfestellung, Beratung und Begleitung<br />
von den <strong>Gewalt</strong>betroffenen in gewissen Phasen der <strong>Gewalt</strong>beziehung abgelehnt wird und eingeleitete<br />
Verfahren zurückgezogen bzw. zur Einstellung gebracht werden.<br />
Dennoch und trotz dieser Ambivalenz und Zerrissenheit der Opfer, können mit der Zeit durch eine konsequente<br />
Hilfestellung Sicherheit und Klarheit wachsen, die zu einem späteren Zeitpunkt Veränderungen<br />
ermöglichen. Voraussetzung sind Kenntnisse der <strong>Fachleute</strong> über die Mechanismen, Dynamiken, Zusammenhänge<br />
und Wirkungen von Interventionen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />
Die meisten Gefährdenden kehren nach einer polizeilichen Intervention wieder in ihr Umfeld zurück, ohne<br />
dass sich in der <strong>Gewalt</strong>beziehung etwas verändert hätte. Viele Fachpersonen können sich eine Begleitung<br />
des Paares aus unterschiedlichen Gründen nicht vorstellen oder die Organisationen haben einen (nur auf<br />
Opfer oder Täter) ausgerichteten Fokus. Manche Paare wünschen sich dennoch eine Paarberatung. Diese<br />
sollte nur von ausgebildeten und in <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> spezialisierten Fachpersonen durchgeführt werden.<br />
Das gilt auch <strong>für</strong> Familienberatung nach multikonstellationeller <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Schutz und Sicherheit<br />
stehen in jedem Fall im Zentrum.<br />
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Exkurs: Erkenntnisse der Bindungstheorie<br />
In jeder partnerschaftlichen oder anderen Beziehung treffen das Bindungsverhalten der verschiedenen<br />
Personen aufeinander und führen zu einer spezifischen Interaktion. Dies trifft auch in <strong>Gewalt</strong>beziehungen<br />
zu. Das Bindungsverhalten von Tätern <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> wurde verschiedentlich erforscht. 12 .<br />
Unterschiedliche Verhaltensmerkmale nach Tätertypen<br />
Dimension<br />
Angepasster, auf die<br />
Familie beschränkter<br />
<strong>Gewalt</strong>typus<br />
(family only batterer)<br />
Zyklischer / Borderline-<br />
Typus<br />
(dysphoric / borderline<br />
batterer)<br />
Antisozialer / psychopathischer<br />
Typus<br />
(generally violent / antisocial<br />
batterer)<br />
Bindungsfähigkeit Stabil instabil ablehnend<br />
Abhängigkeit mittelmässig tief mittelmässig<br />
Empathie Hoch mittelmässig mittelmässig<br />
Impulsivität gering gering gering – mittelgradig<br />
Quelle: Holtzworth-Munroe, A.; Stuart, G. L. (1994), Übersetzung IST<br />
Familiäre Belastungen wie Delinquenz eines Elternteils, fortgesetzte Streitereien, <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> oder<br />
psychische Krankheiten der Eltern oder eines Elternteils können einen Einfluss auf die Entstehung von<br />
Verhaltens- bzw. Bindungsstörungen im Kindes- und Jugendalter haben.<br />
Die Bindungstheorie wurde vom englischen Psychoanalytiker John Bowlby 13 entwickelt. Unter Bindung<br />
versteht man „… die besondere Beziehung eines Kindes zu seinen Eltern oder anderen Personen, die es<br />
beständig betreuen. Unter Bindung (attachment) versteht man ein «gefühlsgetragenes» Band zwischen<br />
Eltern und Kind, welches die beiden über Raum und Zeit hinweg verbindet." 14<br />
• Bindungsbedürfnisse sind biologische Grundbedürfnisse<br />
• Bindungspersonen dienen als externe Hilfe bei Verunsicherung oder Angst<br />
Menschen machen nicht nur in der Kindheit, sondern auch in ihrem weiteren Leben unterschiedliche gute<br />
und schlechte Erfahrungen in der Begegnung mit anderen Menschen. Das Zusammenwirken dieser Erfahrungen<br />
prägt das Bindungsmuster. Als Fachpersonen (z.B. LehrerIn 15 , BeraterIn) haben wir die Möglichkeit,<br />
Kindern, die in <strong>Gewalt</strong>beziehungen leben, andere Bindungserfahrungen zu vermitteln. Aus Bindungserfahrungen<br />
entstehen bleibende oder neue Bindungsmuster. Wie können sich bestimmte Bindungserfahrungen<br />
auf ein späteres Bindungsverhalten in <strong>Gewalt</strong>beziehungen auswirken?<br />
Es können vier grobe Bindungserfahrungen 16 unterschieden werden:<br />
1. Sichere Bindung: Menschen mit einer «sicheren Bindungserfahrung» zeigen meistens einen<br />
angemessenen Umgang mit Gefühlen und Kompromissbereitschaft. Sie sind beziehungsbezogen<br />
und selbstverantwortlich. Eine positive Sicht ihrer Selbst und anderer, Vertrauen zu Bezugspersonen<br />
und ein gelungener Umgang mit Trennungserlebnissen charakterisiert sie.<br />
Kinder solcher Bezugspersonen wissen, dass sie sich in jeder Situation an diese wenden können<br />
und dort Trost, Unterstützung und Geborgenheit finden. Sie bleiben – trotz Notsituation –<br />
beziehungsbezogen und behalten grundsätzlich das Vertrauen zu Bezugspersonen. Von diesen<br />
fühlen sie sich wahr- und ernstgenommen. Mit einer (gut begleiteten) Trennung können<br />
sie umgehen. Möglicherweise sind auch nach einer Trennung beide Eltern in gutem Kontakt<br />
mit dem Kind.<br />
2. Unsicher-ambivalente Bindung: Menschen mit einer «unsicher-ambivalenten Bindungserfahrung»<br />
haben möglicherweise einen übersteigerten Gefühlsausdruck, sind wenig kompromissbereit<br />
und emotional abhängig. Im Umgang mit Belastungen sind sie wenig selbstverantwortlich.<br />
Für ihre Kinder sind solche Bindungspersonen wenig berechenbar, manchmal einfühlsam und<br />
manchmal nicht. Heftige, widersprüchliche und instabile Gefühlsausdrücke und Verhaltensweisen<br />
lassen das Kind mit seinen Bedürfnissen alleine. Auf diese Unberechenbarkeit reagieren<br />
viele Kinder mit Ängstlichkeit, übermässiger Anhänglichkeit und mit Ärger.<br />
12 Holtzworth-Munroe, A.; Stuart, G. L. (1994). a.a.O.<br />
13 Bowlby, J. (1969) Attachment and Loss. Vol. 1. Attachment. New York: Basic Books.<br />
14 Grossmann, K.; Grossmann, K. E. (2004): Bindungen. Das Gefüge psychischer Sicherheit (Attachment. The composition of psychological<br />
security). Stuttgart, Klett-Cotta. S. 81.<br />
15 <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: Was tun in der Schule? Ein Leitfaden <strong>für</strong> die Praxis (2011). www.ist.zh.ch<br />
16 Bowlby, J. (1995): Bindung: Historische Wurzeln, theoretische Konzepte und klinische Relevanz. In: Spangler, G.; Zimmermann, P.<br />
(Hrsg.): Die Bindungstheorie. Stuttgart: Klett-Cotta.<br />
Ainsworth, M. et al. (1978): Patterns of Attachment. A psychological study of the strange situation. New York: Hilsdale.<br />
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3. Unsicher-vermeidende Bindung: Menschen mit einer «unsicher-vermeidenden Bindungserfahrung»<br />
führen oft keinen Austausch über (negative) Gefühle, passen sich an äussere Erwartungen<br />
an, haben eine Pseudo-Unabhängigkeit und einen selbstbezogenen Umgang mit Belastungen,<br />
in dem sie z.B. keine Hilfe holen.<br />
Kinder solcher Bezugspersonen haben gelernt, sich bei Verunsicherung und Sorgen nicht an<br />
sie zu wenden. Sie haben die Erfahrung gemacht, zurückgewiesen oder missverstanden zu<br />
werden. Sie entwickeln eine Vorstellung von sich selbst als nicht liebenswert und von den Bezugspersonen<br />
als nicht zugänglich. Weil diese erwachsenen Opfer <strong>für</strong> sich keine Hilfe holen,<br />
müssen oft auch die Kinder eigene Lösungen finden oder sind auf Drittpersonen (z.B. Peergruppe,<br />
NachbarInnen oder Fachpersonen) angewiesen. Eine proaktive Beratung ist besonders<br />
bei diesen Kindern hilfreich.<br />
4. Hochunsichere Bindung: Menschen mit einer «hochunsicheren Bindungserfahrung» fehlen<br />
häufig Bewältigungsstrategien. Sie können sich schlecht an veränderte Situationen anpassen;<br />
kontrollierende Strategien sind die Folge. Furcht zeigt sich als durchgängige Beziehungserfahrung<br />
und es besteht ein Konflikt zwischen Bedürfnis nach Sicherheit durch Beziehung und der<br />
Furcht vor ihr. Erwachsene mit hochunsicheren Bindungserfahrungen suchen häufig einen<br />
«erwachsenen Kontakt» zu ihren Kindern.<br />
Kinder in <strong>Gewalt</strong>beziehungen (kindliche Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>) stellen eine Risikogruppe<br />
dar. Mütter mit hochunsicheren Bindungserfahrungen suchen einen „erwachsenen Kontakt“ zu<br />
ihren Kindern. Dieser wird von Kindern oft als „gestohlene Kindheit“ erlebt. Die unterschiedlichen<br />
Gefühle der Erwachsenen werden oft auf die Kinder übertragen. Ein gelungener Umgang<br />
mit Nähe und Distanz kann auch <strong>für</strong> sie eine Herausforderung werden. Diesen Kindern<br />
fällt es schwerer, Hilfe zu holen und anzunehmen.<br />
Bindungsstörungen<br />
Karl Heinz Brisch 17 unterscheidet acht Arten von Bindungsstörungen bei Kindern:<br />
1. Keine Anzeichen von Bindungsverhalten<br />
Diese Kinder wenden sich auch Bedrohungssituationen nicht an ihre Bezugspersonen. Auf Trennungen<br />
reagieren sie kaum. Dieses Verhalten sieht man häufig bei Säuglingen und Kleinkindern<br />
als Folge auf zahlreiche Beziehungsabbrüche und -wechsel.<br />
2. Undifferenziertes Bindungsverhalten<br />
Diese Kinder verhalten sich freundlich gegenüber allen Bezugspersonen und machen keinen Unterschied,<br />
wie gut oder schlecht sie diese kennen. In Stresssituationen suchen sie Trost, wenden<br />
sich aber auch absolut fremden Personen zu. Dieses Verhalten steht oft im Zusammenhang mit<br />
Vernachlässigung der Kinder.<br />
3. Übersteigertes Bindungsverhalten<br />
Diese Kinder sind nur in absoluter Nähe zur Bezugsperson ruhig und ausgeglichen. In neuen Situationen<br />
reagieren sie überängstlich. Diese Bindungsstörung beobachtet man oft bei Kindern, deren<br />
Mütter unter einer Angststörung mit extremen Verlustängsten leiden. Die Kinder müssen <strong>für</strong><br />
sie eine sichere Basis sein, damit sich die Mütter psychisch stabilisieren können.<br />
4. Gehemmtes Bindungsverhalten<br />
Diese Kinder fallen durch eine übermässige Anpassung auf. Sie haben massive körperliche Misshandlungen<br />
erlebt und einen Erziehungsstil, der durch <strong>Gewalt</strong>androhungen geprägt ist. In ihrem<br />
familiären Umfeld nehmen sie ihre Bindungswünsche eher zurück. Es fällt ihnen leichter, ihre Gefühle<br />
gegenüber fremden Personen auszudrücken.<br />
5. Aggressives Bindungsverhalten<br />
Dieses Familienklima wird durch spannungsgeladene Verhaltensweisen geprägt, d.h. durch verbale<br />
und non-verbale Formen der Aggression. Bowlby hat darauf hingewiesen, dass die Zurückweisung<br />
von primären (existenziellen) Beziehungswünschen und die daraus entstehende Angst<br />
und Frustration der Kinder bei diesen zu Aggressionen führen kann.<br />
6. Bindungsverhalten mit Rollenumkehr<br />
Charakteristisch bei dieser Art von Bindungsstörung ist, dass die Kinder die Rolle der Bezugsperson<br />
übernehmen („Parentifizierung“). Das Kind erscheint gegenüber der Bezugsperson als über<strong>für</strong>sorglich<br />
und übernimmt <strong>für</strong> diese die Verantwortung. Nicht zu verwechseln mit Kindern mit einer<br />
sicheren Bindung, die mit ihrem empathischen und sozialen Verhalten auch Bedürfnisse ihrer Be-<br />
17 Brisch, K.H. (2009): Bindungsstörungen. Von der Bindungstheorie zur Therapie. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 102-111.<br />
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zugspersonen wahrnehmen.<br />
7. Bindungsstörung mit Suchtverhalten<br />
Frühe Vernachlässigung und übermässiger Stress kann bei Kindern suchtartige Verhaltensweisen<br />
fördern, welches als Ersatz <strong>für</strong> die „sehsüchtige Suche“ nach feinfühligen Bezugspersonen steht.<br />
8. Psychosomatische Symptomatik<br />
In Folge emotionaler und körperlicher Verwahrlosung kann es gar zu einer Wachstumsretardierung<br />
kommen. Häufig suchen Mütter solcher Kinder als erste Unterstützung bei der Kinderärztin/dem<br />
Kinderarzt.<br />
Alle Bindungsstörungen verweisen auf die Wichtigkeit verlässlicher, stabiler und unterstützender Bezugspersonen.<br />
Verschiedene Studien zeigen, dass die Auswirkungen von Dauerstress, Angst und Erfahrungen<br />
von <strong>Gewalt</strong> der Mütter bereits während der Schwangerschaft, sich auf das ungeborene Kind auswirken<br />
können. Häufig fällt es diesen Babys auch später schwer, sich selber zu beruhigen und sie werden<br />
Schreibabys. Im schlimmsten Fall wird das Kind in der bereits belasteten Familiensituation von Vater oder<br />
Mutter geschüttelt, damit es endlich „Ruhe gibt“, was zu bleibenden Schäden des Gehirns oder sogar zum<br />
Tod des Babys führen kann. Auf <strong>Häusliche</strong> und andere Formen von <strong>Gewalt</strong> sensibilisierte Mütterberaterinnen<br />
und KinderärztInnen haben die Möglichkeit, eine solche Gefährdung früh zu erkennen und zu intervenieren.<br />
10. Opferverhalten in der <strong>Gewalt</strong>spirale in chronifizierter <strong>Gewalt</strong>beziehung (Abhängigkeitsbeziehung<br />
oder Überlebensbindung)<br />
AUSWEICHEN, SCHLICHTEN<br />
WÄHREND DEM SPANNUNGS-AUFBAU<br />
„ALLES IST OK-PHASE“<br />
VERLEUGNEN,<br />
WÄHREND TÄTER BETEUERT,<br />
ES NIE MEHR ZU TUN<br />
ERSTARREN<br />
WÄHREND GEWALT<br />
Greber, F. (2011)<br />
<strong>Gewalt</strong>spirale in Überlebensbindungen 18<br />
Diese Opfer versuchen die Situation so gut als möglich zu kontrollieren, um den Täter zu beruhigen oder<br />
und deeskalierend zu wirken. Gelingt es nicht und übt er dennoch <strong>Gewalt</strong> aus, erstarren sie zum Selbstschutz.<br />
Nach der <strong>Gewalt</strong> verleugnen sie vor allem gegenüber Drittpersonen die Vorfälle, welches sich in<br />
einer „alles ist OK-Phase“ äussert, die das Ziel hat, jede Art von Intervention zu verhindern.<br />
Resilienz<br />
Resilienz ist die Widerstandskraft eines Menschen gegenüber Belastungen und bestimmt sich aus dem<br />
Verhältnis zwischen den Risikofaktoren, denen er ausgesetzt ist, und den Schutzfaktoren, über die er<br />
verfügt. Dabei spielen sowohl personale als auch soziale Ressourcen (innerhalb und ausserhalb der Familie)<br />
eine wichtige Rolle. Resiliente Kinder hatten gemäss Untersuchungen mindestens eine <strong>für</strong>sorgliche,<br />
wertschätzende und verfügbare Bezugsperson, so dass sie trotz widriger Umstände ein sicheres Bindungsmuster<br />
entwickeln konnten.<br />
Resiliente Menschen haben vergangene Erfahrungen von Selbstwirksamkeit (Handlungskompetenz) und<br />
in der Gegenwart realistische Hoffnungen und Vorstellungen, Ereignisse beeinflussen zu können. Weiter<br />
verfügen sie über die Fähigkeit, Unterstützung und Hilfe zu mobilisieren. Nicht alle Opfer reagieren also<br />
gleich.<br />
Resilienz ist auf drei Ebenen begründet:<br />
• der genetischen Disposition des Individuums<br />
• der Bindungserfahrung, die der Mensch mit anderen Menschen gemacht hat und macht<br />
• Sozialisationsbedingungen, d.h. dem Umfeld und der Umwelt, welche auf Menschen einwirken<br />
18 Greber, F. (2011) a.a.O.<br />
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11. Trennungsverhalten erwachsener weiblicher Opfer<br />
Cornelia Helfferich 19 unterscheidet vier Typen weiblichen Opferverhaltens bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, die sich<br />
nach Abhängigkeitstypus unterscheiden. Verhaltensmuster können sich im Lauf einer <strong>Gewalt</strong>beziehung<br />
ändern. 20<br />
1. Rasche Trennung<br />
2. Fortgeschrittene Trennung<br />
3. Neue Chance<br />
4. Ambivalente Bindung<br />
5. Überlebensbindung 21<br />
Den ersten drei Mustern ist gemeinsam, dass die gefährdete Person noch über genügend Autonomie und<br />
eigene Ressourcen verfügt, um über ihren Verbleib in der Beziehung bzw. die Trennung zu entscheiden –<br />
dies auch ohne am Leben bedroht zu werden. Es ist wichtig, auch diese Opfer in akuter <strong>Gewalt</strong>situation zu<br />
schützen. Danach sind sie meist selbst in der Lage, allfällige weitere Schritte mit oder ohne Fachpersonen<br />
einzuleiten. Eine Intervention in solchen <strong>Gewalt</strong>beziehungen verläuft meistens relativ unproblematisch.<br />
Beratungsangebote und Psychotherapie wirken unterstützend. Bei der „raschen Trennung“ und der „fortgeschrittenen<br />
Trennung“ ist der Trennungswille des Opfers so gefestigt, dass die Trennung der Beziehung<br />
und die entsprechenden rechtlichen Verfahren rasch durchgeführt werden können. Bei der „neuen Chance“<br />
fordert das Opfer klare Beweise <strong>für</strong> eine Veränderung des Verhaltens. Beratungsangebote und Psychotherapie<br />
stützen das Opfer in seinen Forderungen. Gleichzeitig kann auch die Möglichkeit einer Trennung<br />
geprüft werden, wenn sich die Beziehung nicht gewaltfrei entwickelt. Lernprogramme, die als strafrechtliche<br />
Weisungen angeordnet werden, sind dabei hilfreich und unterstützend. Ambivalente Opfer<br />
brauchen oft langjährige beraterische und psychotherapeutische Begleitung, um das notwendige Selbstvertrauen<br />
zu entwickeln, auch alleine klar zu kommen. Erst daraus wächst eine Haltung in Bezug auf eine<br />
mögliche Trennung oder einen Verbleib in der Beziehung. Viele Frauen brechen die Begleitungen mehrfach<br />
ab, nehmen sie aber später wieder auf. Der Prozess vollzieht sich in diesen Sinne in Etappen. Zu<br />
ergänzen sind die verschiedenen Trennungsverhalten mit denjenigen Frauen, die sich in einer Überlebensbindung<br />
befinden. Diesen Opfern ist mit dem Herstellen von Schutz und Sicherheit der nötige Dienst<br />
erwiesen, damit sie die <strong>für</strong> sie passenden Lösungen überhaupt in Betracht ziehen können. Beratungen<br />
und Psychotherapie haben in diesen Fällen häufig die Funktion, den Zugang zu Information herzustellen<br />
oder die Frauen im Umgang mit den unveränderbaren <strong>Gewalt</strong>beziehungen zu begleiten, was auch <strong>für</strong><br />
Fachpersonen eine schwierige Herausforderung ist.<br />
Eine sicher gebundene Frau verhält sich z.B. je nach Tätertyp anders – einerseits im Umgang mit einer<br />
möglichen Trennung und andererseits in Bezug auf den Schutz der Kinder. Denkbar sind verschiedene<br />
Möglichkeiten:<br />
− sie trennt sich nach dem <strong>Gewalt</strong>vorfall<br />
− sie schützt ihre Kinder<br />
− sie bleibt in der Beziehung und gibt dem Täter eine neue Chance, wenn es ein z.B. Zyklischer /<br />
Borderline Typus ist, der in eine Therapie geht und die <strong>Gewalt</strong> beendet<br />
− sie schützt ihre Kinder<br />
−<br />
−<br />
−<br />
sie trennt sich nicht<br />
sie verbleibt in der <strong>Gewalt</strong>beziehung, obwohl die <strong>Gewalt</strong> nicht beendet wird und der Täter keine<br />
Hilfe annimmt<br />
sie ist möglicherweise in einem antisozialen / psychopathischen Tätertypen, befindet sich in einem<br />
Dilemma und einer Überlebensbindung und ist hoch gefährdet<br />
- paradoxerweise schützt aber diese Mutter in ihrem Erleben ihre Kinder, in dem sie in der <strong>Gewalt</strong>beziehung<br />
bleibt, diese „einsteckt“ aus Angst und mangels Alternative.<br />
Dass sich die Opfer in der Trennung-Situation sehr unterschiedlich verhalten 22 , d.h. sich entweder rasch<br />
trennen, dem Täter eine neue Chance geben, wenn eine Trennung bereits ansteht, diese beenden oder<br />
eben in der <strong>Gewalt</strong>beziehung verbleiben, hat also auch mit der Dynamik der <strong>Gewalt</strong>beziehung (d.h. mit<br />
der Gefährlichkeit des Täters) zu tun. Überlebens-Bindungen machen Trennungen <strong>für</strong> die Opfer besonders<br />
schwer oder verunmöglichen sie gar.<br />
Je nach <strong>Gewalt</strong>muster ändern aber auch die Kinder ihr Verhalten. Die <strong>Gewalt</strong>muster erkennen die Kinder<br />
19 Vgl. Helfferich, C. (2006): Muster von <strong>Gewalt</strong>beziehungen. Ein Beitrag zur hermeneutischen Diagnostik von <strong>Gewalt</strong>beziehungen.<br />
„Tötungsdelikte und schwere <strong>Gewalt</strong> durch Intimpartner. Prävention und Fallmanagement.<br />
20 Vgl. Barz, M.; Helfferich, C. (2006): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> beenden: Verhaltensänderung von Tätern als Ansatzpunkt. Eine Evaluationsstudie.<br />
Schriftenreihe der Landesstiftung Baden-Württemberg Bd.23. Stuttgart.<br />
21 Greber, F. (2011): a.a.O.<br />
22 Helfferich, C. (2006) a.a.O.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />
«instinktiv» – d.h. sie erkennen genau, was eskalierend oder deeskalierend wirkt und wer was von ihnen<br />
will. Bei einer ambivalenten Mutter ist davon auszugehen, dass Beratung eher toleriert wird, d.h. dass die<br />
Kinder somit der Beratung zugänglich sind. Befindet sich die Mutter in einem Dilemma, sind auch die Kinder<br />
kaum <strong>für</strong> Beratungen zugänglich und machen i.d.R. auch keine Anzeigen oder Aussagen.<br />
12. Bleiben oder gehen? 23<br />
Die meisten Frauen verlassen den Partner nicht nach der ersten <strong>Gewalt</strong>erfahrung. 24 Im Durchschnitt trennen<br />
sich Opfer bis zu 5-mal, bevor sie ausziehen. 25 Eine Trennung führt nicht automatisch zur Beendigung<br />
der <strong>Gewalt</strong> und eine Trennung kann Anlass <strong>für</strong> (weitere) <strong>Gewalt</strong> sein. 26 In 43 von 57 Fällen, in denen eine<br />
Frau von ihrem Partner ermordet wurde, lebte diese getrennt vom Täter/bzw. versuchte sich zu trennen.<br />
Bei anstehenden Trennungen stellt sich <strong>für</strong> die Frauen aber auch <strong>für</strong> die <strong>Fachleute</strong> die Frage, ob sie mit<br />
der Unterstützung der Trennung eine Eskalation verhindern oder fördern. Zur differenzierten Beurteilung<br />
der Gefahr einer Eskalation dienen folgende Fragen:<br />
1. War der Partner früher bereits gewalttätig?<br />
2. War der Partner bereits einmal psychiatrisch hospitalisiert?<br />
3. War der Partner bereits einmal in psychiatrischer/psychologischer Behandlung?<br />
4. Ist der Partner vorbestraft?<br />
5. War der Partner schon einmal im Gefängnis?<br />
6. Ist der Partner in der Freizeit in gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt?<br />
7. Ist der Partner auch gegenüber den Kindern gewalttätig?<br />
8. Drohte der Partner in der Vergangenheit mit Waffen/gefährlichen Gegenständen?<br />
9. Hat der Partner schon Mord- und/oder (erweiterte) Suiziddrohungen ausgesprochen?<br />
Die Checkliste bezieht sich auf männliche, erwachsene Täter und müsste <strong>für</strong> minderjährige Täter, minderjährige<br />
oder erwachsene weibliche Täterinnen sicher teilweise angepasst werden.<br />
Besondere Situation von Migrantinnen<br />
MigrantInnen verlieren bei einer Trennung oder Scheidung evt. ihr Aufenthaltsrecht und dies gilt teilweise<br />
auch <strong>für</strong> die Kinder. Möglicherweise droht ihnen als Folge sogar <strong>Gewalt</strong> aus ihrer Gemeinschaft. Beim<br />
Vorgehen gegen (<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong> muss das weitere Umfeld, d.h. die Reaktion der Gemeinschaft und<br />
der kulturelle Kontext mitbedacht werden. Komplexe soziale und rechtliche Implikationen spielen dabei<br />
eine zentrale Rolle. Täter zwingen die Opfer teilweise unter Todesdrohungen zum Verbleib in der Beziehung.<br />
Viele Opfer ziehen die Strafanzeige nur zurück, um weitere Eskalationen zu verhindern – einer der<br />
Gründe <strong>für</strong> eine Desinteresseerklärung (StGB 55a). Es ist eine Aufgabe der Politik, diese Ausgangslage<br />
dahingehend zu verändern, dass Opfer in ihrem Willen, sich zu trennen und ihre Kinder zu schützen unterstützt<br />
werden. 27<br />
23 Rossegger, A. (2012) a.a.O.<br />
24 Henderson, A. J. Z. et al. (1997): He Loves Me; He Loves Me Not: Attachment and Separation Resolution of Abused Women. Journal<br />
of Family Violence, Vol. 12, No. 2. http://www.sfu.ca/psyc/faculty/bartholomew/violencepub_files/loveme.pdf<br />
25 Okun, L. E. (1986): Woman abuse: Facts replacing myths. Albany, NY: State University of New York Press.<br />
26 Stawar, T. L. (1996): Suicidal and homicidal risk for respondents, petitioners, and family members in an injunction program for domestic<br />
violence." Psychological reports 79.2 (1996): 553-554.<br />
27 Siehe: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> – <strong>Manual</strong> <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong>, Kapitel 6. www.ist.zh.ch<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Multikontextuelle und multikonstellationelle <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
106 Multikonstellationelle und multikontextuelle (<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong><br />
Seit einigen Jahren wird der Blick vermehrt auch auf drohende und gewaltausübende Frauen gerichtet,<br />
damit der Opferschutz des Partners und/oder der Kinder sichergestellt werden kann. Im Kanton <strong>Zürich</strong><br />
werden durchschnittlich in 7% der Fälle polizeiliche <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen gegen gewaltausübende<br />
Frauen angeordnet. Im Unterschied zu gewaltausübenden Männern weiss man über gewaltausübende<br />
Frauen wenig. Frauen werden meistens nur einseitig als Opfer wahrgenommen und befragt. Der <strong>Gewalt</strong>kontext,<br />
die Beziehungskonstellationen und die Formen der <strong>Gewalt</strong> sind in allen <strong>Gewalt</strong>konstellationen<br />
auch unter einem genderdifferenzierten Blick zu analysieren, um Konzepte anzupassen. Das in Baselland<br />
entwickelte Lernprogramm <strong>für</strong> Täterinnen von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> trägt diesen Unterschieden Rechnung.<br />
Auch bei Minderjährigen müssen sich Massnahmen nicht nur am Alter, sondern auch an der unterschiedlichen<br />
Problematik der Knaben und Mädchen als Opfer und TäterInnen orientieren.<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> kann in jeder familiären und partnerschaftlichen Beziehungskonstellation angedroht<br />
oder ausgeübt werden. Bei Interventionen wird oft als erstes auf die erwachsene, heterosexuelle Beziehungskonstellation<br />
i.S.v. „männlicher Täter ‒ weibliches Opfer“ reagiert. Bei den Beratungsstellen wird<br />
eine Zunahme <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch Minderjährige, d.h. von Elternmisshandlung oder Geschwistergewalt<br />
festgestellt.<br />
Multikonstellationelle <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
Die Möglichkeit einer „multikonstellationellen <strong>Häusliche</strong>n <strong>Gewalt</strong>“, d.h. mehrerer gleichzeitiger <strong>Gewalt</strong>beziehungen,<br />
ist immer in Betracht zu ziehen. PartnerInnengewalt gilt als zentraler Risikofaktor <strong>für</strong> Kindsmisshandlung,<br />
d.h. dass oft gleichzeitig auch <strong>Gewalt</strong> gegenüber Kindern und anderen Personen ausgeübt<br />
wird.<br />
Voindrot 1 (2010) unterscheidet einseitig (monodirektionale) und wechselseitig (bidirektionale) ausgerichtete<br />
<strong>Gewalt</strong>. Multikonstellationelle <strong>Gewalt</strong> umfasst somit alle Formen einseitiger und wechselseitiger <strong>Häusliche</strong>r<br />
und weiterer <strong>Gewalt</strong> in unterschiedlichen Beziehungskonstellationen.<br />
So hat ein Partner, welcher seine <strong>Gewalt</strong>handlungen gegenüber seiner Partnerin über Jahre rechtfertigt<br />
und ihr die Schuld zuschiebt, gegenüber seinen Kindern mit grosser Wahrscheinlichkeit ähnlich gewalttätige<br />
Erziehungsmethoden. Auch <strong>für</strong> die Partnerin, die die jahrelange <strong>Gewalt</strong> aus verschiedensten Gründen<br />
erleidet und erduldet, ist es oft schwer, die Not ihrer Kinder wahrzunehmen und diese vor der väterlichen<br />
<strong>Gewalt</strong> zu schützen. Die Evaluationsstudie des Marie Meierhofer Instituts <strong>für</strong> das Kind über die zeitnahe<br />
Kinderansprache, welche im Dezember 2012 verfasst wurde, zeigte auf, dass bei <strong>Gewalt</strong> in der elterlichen<br />
Beziehung 40% der Kinder direkt <strong>Gewalt</strong> von einem oder beiden Elternteilen erleben.<br />
Multikonstellationelle <strong>Gewalt</strong> gibt es auch bei Minderjährigen. So können Kinder von elterlicher <strong>Gewalt</strong><br />
betroffen sein und später oder gleichzeitig gegen Geschwister oder gegenüber einem Elternteil das gelernte<br />
und vorgelebte <strong>Gewalt</strong>verhalten fortsetzen.<br />
In manchen Fällen ist mit der polizeilichen Intervention nur gegen eine gefährdende Person das Opfer<br />
noch nicht genügend geschützt. Oft können Opfer und Gefährdende nicht eindeutig abgegrenzt werden.<br />
Manchmal sind gewaltausübende Personen auch Opfer. So gibt es Jugendliche (meist Söhne), die von<br />
ihren Vätern instrumentalisiert werden, um ihre Schwestern zu kontrollieren, auszuspionieren und ihnen<br />
nachzustellen und/oder mit <strong>Gewalt</strong> zu bedrohen.<br />
Es ist zu prüfen, ob Erwachsen und/oder Minderjährige<br />
– Opfer einer Person sind<br />
– Opfer mehrerer Personen sind<br />
– nur Opfer sind<br />
– <strong>Gewalt</strong> gegen eine Person androhen/ausüben<br />
– <strong>Gewalt</strong> gegen mehrere Personen gleichzeitig androhen/ausüben<br />
– nur TäterIn sind<br />
– Opfer und TäterIn in verschiedenen Beziehungskonstellationen sind.<br />
1 Voindrot, F. (2010): L’enfant face à la violence conjugale: une réalité clinique déniée. Referat gehalten am 4. Nov. 2009 in Bern an der<br />
Nationalen Tagung der Interventionsstellen, Interventionsprojekte, Fachstellen und Gleichstellungsbüros gegen häusliche <strong>Gewalt</strong> der<br />
Schweiz.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Multikontextuelle und multikonstellationelle <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
Multikontextuelle (<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong><br />
Eisner et al. 2 kommen zum Schluss, dass gewaltausübende Minderjährige oft gleichzeitig in verschiedenen<br />
Kontexten und Beziehungskonstellationen <strong>Gewalt</strong> androhen oder ausüben. Findet die <strong>Gewalt</strong> gleichzeitig<br />
in unterschiedlichen Kontexten statt, handelt es sich um multikontextuelle <strong>Gewalt</strong>. Auch <strong>Gewalt</strong> in<br />
Liebesbeziehungen Jugendlicher wird als <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> verstanden.<br />
Es ist also auch zu prüfen, ob Erwachsene und/oder Minderjährige<br />
– <strong>Gewalt</strong> in einem spezifischen Kontext androhen/ausüben<br />
– <strong>Gewalt</strong> in verschiedenen Kontexten gleichzeitig androhen/ausüben<br />
– Opfer und/oder TäterIn in verschiedenen Kontexten sind.<br />
Das Verhalten der Opfer und Gefährdenden, das spezifische <strong>Gewalt</strong>muster und die <strong>Gewalt</strong>dynamik unterscheiden<br />
sich je nach <strong>Gewalt</strong>konstellation, <strong>Gewalt</strong>kontext sowie Geschlecht und Alter der involvierten<br />
Personen 3 (Greber 2010).<br />
Um sowohl Opfer von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> zu schützen als auch Gefährdende in die Verantwortung zu<br />
nehmen, müssen alle <strong>Gewalt</strong>konstellationen und <strong>Gewalt</strong>kontexte bekannt sein. Die Angst vor Konsequenzen<br />
auf der einen und Scham bzw. Schuldgefühle auf der anderen Seite sind oft zu gross, als dass ohne<br />
Rückfragen überhaupt darüber gesprochen wird.<br />
2 Eisner, M.; Ribeau, D.; Bittel, S. (2006): Prävention von Jugendgewalt: Wege zu einer evidenzbasierten Präventionspolitik, Bern-<br />
Wabern: Eidgenössische Ausländerkommission EKA.<br />
3 Greber, F. (2010): Die Vielfalt und Komplexität <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> erkennen. In: Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung der Stadt <strong>Zürich</strong> et al.<br />
(Hrsg.): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren. 2. Überarbeitete Auflage. Verlag Hans Huber. Bern. S. 175-180.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Kinder als Mitbetroffene <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
107 Kinder als Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
Mädchen und Jungen sind von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in der Elternbeziehung und/oder jeder partnerschaftlichen<br />
oder familiären <strong>Gewalt</strong> immer mitbetroffen, sei dies als ZeugInnen und/oder direkte Opfer. Die<br />
heute bekannten gravierenden Folgen fordern eine noch stärkere interinstitutionelle, inter- und transdisziplinäre<br />
Auseinandersetzung sowie weiterreichende Massnahmen zur Früherfassung und Prävention sowie<br />
zum Schutz der Kinder. 1<br />
Schröttle et al. 2 unterscheiden drei Typen von <strong>Gewalt</strong>betroffenheit:<br />
1. Einmalige oder geringe Häufigkeit/Intensität der <strong>Gewalt</strong><br />
2. Mässige bzw. hohe Häufigkeit/Intensität der <strong>Gewalt</strong><br />
3. Sehr hohe Häufigkeit/Intensität der <strong>Gewalt</strong> (Schröttle, Müller, Glammeier 2004).<br />
In der Gruppe 3 zeigen Daten, dass Alkohol eine grössere Rolle spielt als in den beiden anderen Gruppen.<br />
Das gibt einen Hinweis auf die Gefährlichkeit, der in diesen Fällen oft völlig unkontrollierten <strong>Gewalt</strong>,<br />
gleichzeitig aber auch auf eine Mehrfachbelastung der Kinder (Helfferich et al. 2004) 3 .<br />
Kinder erleben die <strong>Gewalt</strong>handlungen<br />
Die auch von Müttern geäusserte Annahme, die Kinder wären aus dem <strong>Gewalt</strong>geschehen herausgehalten<br />
worden, erwies sich im Gespräch mit den Kindern meistens als eine Illusion.<br />
- Sie sind in 80-90% der Fälle anwesend oder im Nebenraum.<br />
- Sie erleben <strong>Gewalt</strong> unterschiedlicher Häufigkeit und Schweregrade.<br />
- Sie erleben verbale, körperliche und sexuelle <strong>Gewalt</strong>.<br />
- Sie sind häufig auf sich alleine gestellt, da beide Eltern von eigenen Konflikten und Problemen absorbiert<br />
sind.<br />
- Sie haben Sorge um die jüngeren Geschwister.<br />
- Sie erleben existenzielle Bedrohungen.<br />
- Sie haben Angst, dass<br />
- Vater und Mutter sterben könnten;<br />
- die Mutter ohne sie weggeht, Suizid begeht;<br />
- die Mutter sich trennt und dann vom Vater umgebracht wird;<br />
- oder dass der Vater die Mutter, die Kinder und sich selbst tötet.<br />
- Sie sind isoliert und stehen unter Druck, das Familiengeheimnis vor anderen zu wahren. 4<br />
Die wissenschaftliche Begleitung von Interventionsprojekten gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> (WiBIG) von 1998<br />
bis 2004 5 in Deutschland zeigt, dass Kinder in grosser Zahl nicht nur von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> mitbetroffen<br />
sind, sondern auch die staatliche Intervention miterleben. Die meisten dieser Kinder waren unter 12 Jahre<br />
alt. Dies führte im Kanton <strong>Zürich</strong> dazu, dass sich zwei Pilotprojekte (KidsPunkt und KidsCare) des Amtes<br />
<strong>für</strong> Jugend- und Berufsberatung zeitnah, d.h. so rasch als möglich, den Kindern und deren Bedürfnissen<br />
angenommen haben.<br />
Die Pilotprojekte wurden durch das Marie Meierhofer Institut <strong>für</strong> das Kind begleitend evaluiert Die Resultate<br />
zeigen, dass Kinder in über 40% direkt von <strong>Gewalt</strong> betroffen sind und massive, klinische Symptome<br />
zeigen. Durch die rasche Ansprache durch Fachpersonen, die im Einverständnis der Eltern erfolgte, konnte<br />
den Kindern eine Orientierungshilfe geboten werden, die auch zur kurzfristigen Entlastung der Kinder<br />
führte. Es wäre wünschbar, die zeitnahe Kinderansprache im ganzen Kanton einzuführen, damit die Zeit<br />
zwischen <strong>Gewalt</strong>vorfall und dem Aktivwerden der Kinderschutzbehörden , überbrückt werden kann.<br />
Die Folgen <strong>für</strong> die Kinder sind unterschiedlich<br />
Angst, Schuld- und Schamgefühle der Mutter sind <strong>für</strong> die Kinder ebenso spürbar wie das spezifische<br />
Trennungsverhalten. Eine Rolle spielt auch, ob die Mutter in der Lage ist, die Kinder zu schützen. Übt<br />
auch sie gegen die Kinder <strong>Gewalt</strong> aus, beeinflusst dies zusätzlich die Befindlichkeit und den Umgang der<br />
Kinder und Jugendlichen mit der Situation. Dies kann bedeuten, dass sie vergleichbare Schuldgefühle<br />
entwickeln, weil sie die <strong>Gewalt</strong>eskalationen nicht stoppen können. Oft werden auch ihre Bedürfnisse kaum<br />
oder nicht wahrgenommen und sie erleben die mangelnde Selbstwirksamkeit als tiefgreifende Ohnmacht.<br />
Diese Kinder werden z.B. als „HelferIn“ von der Mutter ausgenutzt und vom Vater instrumentalisiert, die<br />
Mutter oder Geschwister zu kontrollieren und zu stalken.<br />
1 Kavemann, B. (2000): Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong> - Kinder misshandelter Mütter. In: Kindesmisshandlung und Vernachlässigung,<br />
Jahrgang 3, Heft 2, S. 106-120.<br />
2 Schröttle, M.; Müller, U.; Glammeier, S. (2004): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, Berlin: Bundesministerium<br />
<strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend.<br />
3 Helfferich, C.; Kavemann, B.; Lehmann, K. (2004): „Platzverweis“: Beratung und Hilfen bei häuslicher <strong>Gewalt</strong>. Abschlussbericht eines<br />
Forschungsprojektes im Auftrag des Sozialministeriums Baden-Württemberg. Stuttgart: Sozialministerium.<br />
4 Kavemann, B.; Kreyssig, U. (HG.) (2006): Handbuch Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong>, VS-Verlag Sozialwissenschaften, Wiesbaden<br />
5 Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2004): Gemeinsam gegen häusliche <strong>Gewalt</strong>. Kooperation, Intervention,<br />
Begleitforschung. Berlin.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Kinder als Mitbetroffene <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
Heidi Simoni differenzierte anlässlich einer Weiterbildung der IST <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong> (2013) altersspezifische<br />
Unterschiede 6 :<br />
1. Im Vorschulalter<br />
• existentielle Bedrohung<br />
• alterstypische Fantasien, Zwiespälte, Ängste, Wut<br />
• Allmacht ⇔ Ohnmacht<br />
• Widersprüchen ausgeliefert sein<br />
2. Im Primarschulalter<br />
• Angst, Versagensgefühle, Ohnmacht, Wut<br />
• Gefühl durch Fehlverhalten VerusacherIn zu sein<br />
• Recht ⇔ Unrecht, moralische Entrüstung (ist möglich)<br />
3. Im Jugendalter<br />
• Schuldgefühle aufgrund von Ablösungswünschen und Verantwortungsübernahme<br />
• Versagensgefühle, Ohnmacht, Wut<br />
Erkenntnisse über (<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong> bei Erwachsenen können nicht 1:1 auf Kinder und Jugendliche<br />
übertragen werden. Eine zeitnahe und flächendeckende Beratung 7 auch der Kinder und Jugendlichen als<br />
Mitbetroffene und Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> fehlen. Im Rahmen von Prävention und Intervention muss die<br />
Bedeutung der Peergruppe und des sozialen Nahraumes der Kinder und Jugendlichen geklärt werden.<br />
Eine wichtige Frage ist: wirkt die Peergruppe und das Umfeld gewaltfördernd oder deeskalierend. Kindesschutz<br />
muss ein zwingend integrierter Bestandteil von Prävention und Bedrohungsmanagement sein.<br />
Resilienz und Vulnerabilität<br />
Die Ausprägung der Resilienz (psychische Widerstandsfähigkeit) und die Stärke der Vulnerabilität (Verletzbarkeit)<br />
sind auch bei Kindern als Mitbetroffenen und Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> bedeutsam <strong>für</strong> die Art<br />
des Umgangs mit extremen Belastungssituationen.<br />
6 Simoni, H.; (2013): Vortrag '<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Kinder' anlässlich der IST-WB vom 27.02.2013<br />
7 Kurzbericht. Evaluation der Projekte KidsCare und KidsPunkt im Kanton <strong>Zürich</strong> (2012):<br />
http://www.zh.ch/internet/bildungsdirektion/ajb/de/forschung_entwicklung/gewaltbetroffene_kinder.html<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Corinna Seith, Juli 2011<br />
108 Corinna Seith 1961 - 2010<br />
Corinna Seith war zweifellos eine der ersten Forscherinnen, die sich mit Kindern im Kontext <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> befasste. Anstelle eines Nachrufes<br />
geben wir einen Text von Paula Lanfranconi, Journalistin in <strong>Zürich</strong>, wieder, mit dem sie anlässlich des 175. Jubiläums der Universität <strong>Zürich</strong><br />
im Jubiläumstram das Wirken von Corinna Seith würdigte. Der Text erschien auch im UniMagazin 2/2007.<br />
Der erste Anrufer war ein türkischer Vater. Er bekannte, er habe seine Frau geschlagen. Man könne<br />
kommen und ihn und seine Familie befragen. Corinna Seith war erstaunt - die Leiterin der Nationalfondsstudie<br />
zur häuslichen <strong>Gewalt</strong> aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen hatte Frauenhäuser und Opferhilfestellen<br />
kontaktiert, um von häuslicher <strong>Gewalt</strong> betroffene Frauen und Kinder ausfindig zu machen. Und<br />
jetzt meldete sich ein Mann. «Zuerst war ich misstrauisch», erzählt die Wissenschaftlerin. Doch der Familienvater<br />
habe ihre Bedingungen akzeptiert: getrennte Befragung aller Familienmitglieder und Vertraulichkeit.<br />
Solche Interviews mit von häuslicher <strong>Gewalt</strong> betroffenen Familien ergänzen die grossangelegte schriftliche<br />
Befragung, die Seith zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Irene Böckmann durchgeführt hat: Im Rahmen<br />
des Nationalen Forschungsprogramms (NFP) 52 «Kindheit, Jugend, Generationenverhältnisse im gesellschaftlichen<br />
Wandel» haben sie im Kanton <strong>Zürich</strong> 1400 Kinder und Jugendliche zwischen 9 und 17 Jahren<br />
schriftlich befragt und mit 29 Mädchen und Jungen zwischen 8 und 18 Jahren und ihren Müttern Interviews<br />
durchgeführt. Ergänzt wurde diese Erhebung durch Gespräche mit Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern<br />
und Opferhilfestellen in den Kantonen Bern, Luzern und <strong>Zürich</strong>. Die 2006 abgeschlossene, multimethodologisch<br />
angelegte Untersuchung ist eine Premiere im deutschsprachigen Raum.<br />
Die Befragung förderte Überraschendes zu Tage: So hatten 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler<br />
schon von häuslicher <strong>Gewalt</strong> gehört. Die Probleme mit <strong>Gewalt</strong> innerhalb der Familie vertrauen die Schülerinnen<br />
und Schüler am ehesten ihren Geschwistern, Gleichaltrigen, den Grosseltern und dem Sorgentelefon<br />
an. Lehrpersonen gegenüber sind sie sehr skeptisch. Ein 14-jähriges Mädchen schrieb: «Lehrer sind<br />
einfach Lehrer und somit ‹Quälpersonen›. Man will nicht, dass sie wissen, was zu Hause abgeht.» Und<br />
eine Dreizehnjährige be<strong>für</strong>chtete, Lehrpersonen könnten dem Jugendamt Bescheid sagen und die Kinder<br />
von den Eltern wegholen.<br />
Die Schule spielt auch bei der Vermittlung des Wissens über häusliche <strong>Gewalt</strong> nur eine untergeordnete<br />
Rolle, sie rangiert erst an zweitletzter Stelle - anders als in England, wo sie an zweiter Stelle steht. Die<br />
wichtigste Informationsquelle sind die Medien. Die Schule sollte mehr Verantwortung übernehmen, findet<br />
Corinna Seith. Sie empfiehlt, das Thema <strong>Gewalt</strong> in Geschlechterbeziehungen in die Lehrpläne aufzunehmen.<br />
Der Forscherin fällt auch auf, dass die Schere zwischen den Geschlechtern extrem auseinander<br />
geht: Neun- bis Elfjährige sind auf einem ähnlichen Kenntnisstand, doch ab zwölf nimmt das Wissen der<br />
Mädchen stark zu, während jenes der Jungen stagniert. Für die Praxis, betont Seith, bedeute dies, dass<br />
die Präventionsarbeit nicht erst in der Pubertät, sondern bereits bei den Neunjährigen beginnen sollte.<br />
Wie erleben Kinder und Jugendliche häusliche <strong>Gewalt</strong>? Ein Teil ist selber direkt von physischer <strong>Gewalt</strong><br />
betroffen, andere beschrieben, welchen Turbulenzen sie ausgesetzt waren, wie bedrohlich <strong>für</strong> sie die Situation<br />
oft war, auch wenn nicht sie selbst, sondern «nur» die Mutter geschlagen wurde. Internationale<br />
Studien zeigen, dass zwischen 10 und 30 Prozent aller Kinder und Jugendlichen im Verlauf ihrer Kindheit<br />
Zeugen von häuslicher <strong>Gewalt</strong> werden. Zwischen 30 und 60 Prozent dieser Kinder erlebten auch selber<br />
Misshandlungen. Von ihnen zeigen 35 bis 45 Prozent klinische Auffälligkeiten. Seith kommt zum Schluss:<br />
«Damit es nicht zu chronischen Störungen kommt, sollte die Situation der Kinder möglichst parallel zur<br />
Beratung der Mütter abgeklärt werden. Und es sollten spezifische Unterstützungsangebote <strong>für</strong> die Kinder<br />
entwickelt werden.» Solche gibt es in der Schweiz bisher nicht. Baden-Württemberg ist bereits ein Stück<br />
weiter. Auf Grund von Seiths Studien hat man dort das Aktionsprogramm «Kinder als Zeugen häuslicher<br />
<strong>Gewalt</strong>» gestartet, das sie wissenschaftlich begleitet.<br />
Das Problem sei, konstatiert Corinna Seith, dass die verschiedenen Misshandlungsformen oft separat<br />
betrachtet werden. Dabei gebe es häufig Überschneidungen zwischen Kindesmisshandlung, sexueller<br />
Ausbeutung und häuslicher <strong>Gewalt</strong>. Diese müssten deshalb auch gemeinsam angegangen werden: «Bei<br />
häuslicher <strong>Gewalt</strong> sind die Eltern oft nicht einfach nur überfordert und hilfebedürftig, sondern es gibt ein<br />
Machtgefälle zwischen den Geschlechtern und eine klare Täter-Opfer-Struktur. Wenn man das nicht berücksichtigt,<br />
verkennt man auch, dass eine Mutter ihr Kind gar nicht schützen kann, weil sie selber von<br />
<strong>Gewalt</strong> betroffen ist.» Deshalb müsse dieses Problem zuerst angegangen werden: «Der Schutz der Mutter<br />
ist der beste Kinderschutz», bringt sie es auf den Punkt. Kinder, ist Seith überzeugt, seien eine gute Möglichkeit,<br />
Schieflagen im Geschlechterverhältnis zur Sprache zu bringen.<br />
Für Seith ist es wichtig, dass mit ihren Forschungsergebnissen etwas passiert. Wenn sie ihre Arbeit präsentiert,<br />
stellt sie immer wieder fest, dass auch gestandenen Praktikern aus der Jugendhilfe, die sich in<br />
ihrem Alltag mit Fällen von sexueller Ausbeutung und Kindesmisshandlung befassen, die Augen aufgehen.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 108 / 1
schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen<br />
Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong> –<br />
Herausforderungen <strong>für</strong> Behörden und Fachstellen<br />
Behörden haben die Mitbetroffenheit von Kindern und<br />
Jugendlichen als Zeugen und Opfer von häuslicher<br />
<strong>Gewalt</strong> bislang nicht systematisch berücksichtigt,<br />
kaum anders präsentiert sich die Forschungslage im<br />
deutschsprachigen Raum. Eine im Rahmen des NFP 52<br />
durchgeführte Untersuchung ermöglicht nun umfassende<br />
Ergebnisse vorzulegen. Was heisst Mitbetroffenheit?<br />
Welche Auswirkungen hat häusliche <strong>Gewalt</strong> auf<br />
Kinder und Jugendliche? Sind die Unterstützungsangebote<br />
von Behörden und Fachstellen ausreichend?<br />
Der Artikel plädiert da<strong>für</strong>, die Mitbetroffenheit von<br />
Kindern und Jugendlichen künftig systematisch in das<br />
professionelle Handeln zu integrieren und macht Vorschläge,<br />
wie bestehende Lücken im Angebot geschlossen<br />
werden könnten.<br />
Corinna Seith<br />
Pädagogisches Institut,<br />
Universität <strong>Zürich</strong><br />
1 Die Änderung des Strafgesetzes (SR3111) trat am 1.4.2004 in Kraft. Im<br />
Juni 2006 verabschiedete das Parlament eine Änderung des ZGB (Art.<br />
28b zum Schutz der Persönlichkeit gegen <strong>Gewalt</strong>, Drohungen und<br />
Nachstellungen). Einige Kantone wollten die Revision des ZGB nicht<br />
abwarten und änderten ihre kantonalen Gesetze bereits vorher (z.B.<br />
St.Gallen).<br />
2 Eine Ausnahme bildet die traumatheoretische Studie von Strasser<br />
(2001), die auf Interviews mit Kindern und Müttern in einem Frauenhaus<br />
in Österreich basiert.<br />
3 Das Projekt «<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> aus Sicht von Kindern und Jugendlichen»<br />
wurde im Rahmen des Nationalen Forschungsprogamms 52<br />
«Kindheit, Jugend und Generationenbeziehungen im gesellschaftlichen<br />
Wandel» durchgeführt (Nr. 405240-68971, www.nfp52.ch). Leitung:<br />
Dr. Corinna Seith, wissenschaftliche Mitarbeiterin: lic. phil. Irene Böckmann.<br />
Interessierte LeserInnen mögen sich <strong>für</strong> weitere Publikationen<br />
über die Homepage des Schweizerischen Nationalfonds auf dem Laufenden<br />
halten oder sich direkt an die Autorin wenden. Dr. Corinna<br />
Seith, Universität <strong>Zürich</strong>, Freiestr. 36, 8032 <strong>Zürich</strong>, Tel. 0041 (0)44<br />
634 27 57, Email: cseith@paed.unizh.ch.<br />
1. Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong> – ein neues<br />
Thema auf der Agenda<br />
Seit Mitte der 1990er Jahre konzentrierten sich die<br />
(fach-)öffentlichen Diskussionen auf die Frage, inwieweit<br />
Institutionen <strong>Gewalt</strong> in Ehe und Partnerschaft<br />
steuern können und welche Reformen notwendig wären,<br />
um nicht nur die Opfer besser zu schützen, sondern<br />
auch die Täter konsequenter zur Verantwortung zu ziehen<br />
(Seith, 2003). Forschungen in den USA wiesen bereits<br />
in den 1980er Jahren die Bedeutung von Rechtsund<br />
Polizeireformen nach. Auch in der Schweiz wurde<br />
der Weg zu Rechts- und Institutionenreformen beschritten,<br />
namentlich die unter dem Begriff der «Offizialisierung<br />
von häuslicher <strong>Gewalt</strong>» bekannt gewordene<br />
Gesetzesreform und das «<strong>Gewalt</strong>schutzgesetz», das die<br />
Wegweisung der gewaltbereiten Person erlaubt. 1 Gerade<br />
das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz ist <strong>für</strong> die mibetroffenen<br />
Kinder und Jugendlichen von besonderer Bedeutung,<br />
weil es eine Alternative zur Flucht ins Frauenhaus darstellt<br />
und umfassendere Möglichkeiten bietet, Schutz<br />
und Sicherheit im vertrauten Umfeld zu schaffen. Die<br />
Implementation des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes in Österreich<br />
seit 1997 und in Deutschland seit 2002 zeigt, dass<br />
es bei den Opfern und auch bei der Polizei auf grosse<br />
Akzeptanz stösst. Im Zuge der Rechts- und Institutionenreformen<br />
wurden in interinstitutionellen Kooperationsgremien<br />
bestehende Vorgehensweisen überprüft<br />
und Strategien zur Optimierung der Praxis entwickelt.<br />
Zahlreiche Aspekte, die im Hinblick auf einen professionellen<br />
Umgang mit häuslicher <strong>Gewalt</strong> zu berücksichtigen<br />
sind, wurden erörtert, doch es fällt auf, dass die<br />
Situation von Kindern und Jugendlichen, die im Kontext<br />
von häuslicher <strong>Gewalt</strong> aufwachsen, nicht in gebührendem<br />
Masse Berücksichtigung fand.<br />
Für eine fundierte Fachdiskussion fehlten darüber<br />
hinaus wissenschaftliche Grundlagen. Im Unterschied<br />
zum anglo-amerikanischen Raum und zu Skandinavien<br />
ist die Situation von Kindern, die im Kontext von häuslicher<br />
<strong>Gewalt</strong> aufwachsen, in der deutschsprachigen<br />
Forschung bis zu Beginn des Milleniums als eigentliche<br />
«terra incognita» zu bezeichnen (Seith, 2006). 2 Mit einem<br />
vom Schweizerischen Nationalfonds (NFP 52) und<br />
vom Bundesamt <strong>für</strong> Sozialversicherungen finanzierten<br />
Forschungsprojekt liegen nun Ergebnisse vor, die auf<br />
30 Interviews mit betroffenen Kindern und Jugendlichen<br />
(im Alter zwischen 8 und 18 Jahren) und einer<br />
schriftlichen Befragung der allgemeinen Population<br />
von SchülerInnen im Alter zwischen 9 und 17 Jahren<br />
Soziale Sicherheit CHSS 5/2006 249
Schwerpunkt<br />
Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen<br />
(N=1400) im Kanton <strong>Zürich</strong> basieren und ferner die<br />
Perspektive von gewaltbetroffenen Müttern und Fachstellen<br />
in den Kantonen Bern, Luzern und <strong>Zürich</strong> erfassen<br />
(Seith & Böckmann, 2006). 3<br />
2. Aufwachsen im Kontext von häuslicher<br />
<strong>Gewalt</strong><br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>, wenn es sich um ein Muster von<br />
Macht, Kontrolle und <strong>Gewalt</strong> handelt, strukturiert das<br />
Familienleben und das Verhältnis der Generationen<br />
und Geschlechter durch alltägliche Praktiken von Dominanz<br />
und Macht.<br />
Direkte Zeugenschaft kann nicht nur verbale Auseinandersetzungen<br />
und Erniedrigungen umfassen, sondern<br />
auch Tätlichkeiten, massive Bedrohung (auch mit<br />
Waffen) wie auch schwere physische und sexuelle <strong>Gewalt</strong>.<br />
Eine 13-Jährige, die im Rahmen der erwähnten<br />
NFP 52 Studie interviewt wurde, erinnerte sich, wie sie<br />
nachts aufwachte, sich heranschlich und sah, wie ihr Vater<br />
ihre Mutter an die Wand drückte, sie mit einem<br />
Gürtel bedrohte und dass die Mutter im Gesicht blutete.<br />
Eine 8-Jährige beschrieb im Detail, wie ihr Vater ihre<br />
Mutter packte und schlug, dass er wütete und manchmal<br />
die ganze Wohnung demolierte. Beide haben Kontakt<br />
zum Vater, wobei die daraus entstehende Belastung<br />
<strong>für</strong> die Kinder gross erschien. Ein 9-jähriges Mädchen<br />
fiel in Ohnmacht und erlitt einen Schock, als sie<br />
aus Angst versuchte wegzulaufen und der Vater ihr den<br />
Fluchtweg versperrte. Sie hatte keinen Kontakt zum<br />
Vater, <strong>für</strong>chtete sich aber davor, dass er ihr auflauern<br />
könnte, da er mit Kindsentführung gedroht hatte. Sexuelle<br />
<strong>Gewalt</strong> nannten die Kinder und Jugendlichen in<br />
den Interviews selbst nicht bzw. aus forschungsethischen<br />
Gründen wurde von der Frage Abstand genommen,<br />
doch die Interviews mit den Müttern und der Einblick<br />
in die Wohnsituation lassen darauf schliessen, dass<br />
die Väter in dieser Beziehung rücksichtslos handelten<br />
und die Versuche der Mütter, die Kinder zu schützen,<br />
nicht immer gelingen konnten.<br />
Kinder sind nicht nur Zeugen und aufgrund des Kontexts,<br />
in dem sie aufwachsen, belastet, sondern ein Teil<br />
der Kinder erfährt selbst auch Misshandlungen und sieht,<br />
wie die Geschwister geschlagen werden. Ein 8-jähriges<br />
Mädchen erzählte, dass der Vater sie und ihren Bruder<br />
oft schlug, wohin er schlug, was er dabei zu Hilfe nahm.<br />
Zum Teil sei es ihr gelungen, aus der Wohnung zu rennen<br />
und sich bei den Nachbarn in Sicherheit zu bringen.<br />
Zum Alltag der meisten Kinder und Jugendlichen gehört<br />
es, Eskalationen und Übergriffe mitzuhören. Oft<br />
werden die Kinder ins Zimmer geschickt, aber sie hören<br />
dennoch den Streit. Um nicht den Zorn des Vaters auf<br />
sich zu ziehen, «haben wir zusammen heimlich geweint»,<br />
wie ein 11-jähriger Junge über sich und seine<br />
zwei jüngeren Geschwister erzählte. Viele Kinder beschrieben,<br />
wie die 13-Jährige weiter oben, dass sie aus<br />
dem Schlaf gerissen wurden und versuchten herauszufinden,<br />
was vor sich geht. Es sind oft Anblicke des<br />
Schreckens, mit denen sie konfrontiert sind. Geschwister<br />
handeln zuweilen aus, wer die Situation ausspähen<br />
muss, während die anderen voller Angst zurückbleiben.<br />
Selbst wenn Kinder und Jugendliche nicht zugegen<br />
waren, so erkennen sie an den Verletzungsfolgen und<br />
der veränderten Atmosphäre, dass es wieder Streit gegeben<br />
hat. Manche Kinder versuchten nachzufragen, bei<br />
wiederholter <strong>Gewalt</strong> erübrigte sich aus Sicht einer 12-<br />
Jährigen die Nachfrage. Das blaue Auge der Mutter<br />
war <strong>für</strong> sie selbsterklärend.<br />
Mitbetroffenheit von häuslicher <strong>Gewalt</strong> kann, wie<br />
deutlich wurde, bedeuten, dass Kinder direkte Zeugen<br />
werden von <strong>Gewalt</strong> des Vaters an der Mutter, sie diese<br />
mithören oder die Verletzungsfolgen sehen. Ferner lassen<br />
die Interviews erkennen, dass ihr Kontext des Aufwachsens<br />
von vielfältigen symbolischen Praktiken charakterisiert<br />
ist, die auf die Abwertung der Mutter abzielen<br />
und die Funktion haben, eine soziale Ordnung im<br />
Geschlechter- und Generationenverhältnis herzustellen,<br />
die nicht auf Egalität, sondern auf Asymmetrie und<br />
Hierarchie basiert. Aussagen wie «Sie konnte ihm nie etwas<br />
recht machen» oder «einmal war ihm das Essen zu<br />
heiss, ein anderes Mal war ihm das Essen zu kalt» lassen<br />
erkennen, dass die Kinder ein feines Gespür <strong>für</strong> ordnungsstiftende<br />
Alltagsrituale entwickeln.<br />
Auch wenn sie nicht selbst von direkter <strong>Gewalt</strong> betroffen<br />
sind, lernen sie, dass ihnen Gleiches drohen<br />
kann wie der Mutter oder ihren Geschwistern, wenn sie<br />
sich nicht den Vorgaben des Vaters anpassen und<br />
unterordnen. Zu beachten ist, dass gewaltbereite Elternteile<br />
Spaltungen zwischen den Geschwistern durchaus<br />
strategisch vornehmen.<br />
Für die Einschätzung der Situation der Kinder ist nicht<br />
nur eine differenzierte Phänomenbeschreibung wichtig,<br />
sondern es stellt sich auch die Frage nach der Prävalenz<br />
und den Auswirkungen auf betroffene Kinder und Jugendliche.<br />
Es liegt eine kleine Anzahl von Studien vor,<br />
die Hinweise geben, wie häufig Kinder und Jugendliche<br />
von häuslicher <strong>Gewalt</strong> betroffen sind. Diesen Studien zu<br />
Folge werden zwischen 10 und 30 Prozent aller Kinder<br />
und Jugendlichen im Verlauf ihrer Kindheit Zeugen von<br />
häuslicher <strong>Gewalt</strong> (Baldry, 2003; Indermaur, 2001; Pfeiffer,<br />
Wetzel, & Enzmann, 1999). Legt man einen Zeitraum<br />
von 12 Monaten zugrunde, dann wissen zwischen 10 und<br />
16 Prozent der Kinder im schulpflichtigen Alter von <strong>Gewalt</strong>tätigkeiten,<br />
die ihre Mütter von Seiten des Vaters,<br />
Freundes oder Expartners erleiden. Obwohl es in unserer<br />
im Kanton <strong>Zürich</strong> durchgeführten Befragung nicht erlaubt<br />
war, nach der Betroffenheit der SchülerInnen zu<br />
fragen, gaben trotzdem 2 Prozent an, dass sie die Problematik<br />
selbst kennen (Seith & Böckmann, 2006).<br />
250 Soziale Sicherheit CHSS 5/2006
Schwerpunkt<br />
Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen<br />
Mitbetroffenheit von häuslicher <strong>Gewalt</strong> heisst empirisch<br />
gesehen meist, dass Kinder und Jugendliche Zeugen<br />
von <strong>Gewalt</strong> des Vaters oder des Partners an der<br />
Mutter werden. Doch Kinder sind, wie bereits gezeigt<br />
wurde, nicht nur Zeugen von häuslicher <strong>Gewalt</strong>, sondern<br />
erleben selbst auch <strong>Gewalt</strong>, wobei es keinen direkten<br />
Zusammenhang zwischen der <strong>Gewalt</strong> gegenüber<br />
der Mutter und Misshandlung der Kinder gibt. Die bisherige<br />
Forschungslage legt eine Überschneidung in 30<br />
bis 60 Prozent der Fälle nahe (Edleson, 2001). Studien,<br />
die auf von Fachstellen deklarierten Fällen von Kindsmisshandlung<br />
und/oder sexueller Ausbeutung basieren,<br />
weisen erwartungsgemäss höhere Überschneidungsquoten<br />
mit häuslicher <strong>Gewalt</strong> auf: bei sexueller Ausbeutung<br />
und häuslicher <strong>Gewalt</strong> liegt diese zwischen 40<br />
und 69 Prozent (Hester & Pearson, 1998), bei Kindsmisshandlung<br />
(physisch) wuchs mehr als die Hälfte der<br />
Kinder im Kontext von häuslicher <strong>Gewalt</strong> auf (Hester,<br />
2000). Eine neuere Studie des englischen NSPCC ergab,<br />
dass 80 Prozent der schwer körperlich misshandelten<br />
Kinder auch <strong>Gewalt</strong> des Vaters gegen die Mutter<br />
kannten (Cawson, Wattan, Brooker, & Kelly, 2002).<br />
Die Erfahrungen von Kindern, die im Kontext von<br />
häuslicher <strong>Gewalt</strong> aufwachsen, untermauern komplexe<br />
Konzeptionalisierungen von häuslicher <strong>Gewalt</strong>: Ihre<br />
Aussagen bestätigen, dass häusliche <strong>Gewalt</strong> nicht auf<br />
physische <strong>Gewalt</strong> oder andere im Strafrecht codierte<br />
Übergriffe reduziert werden kann, vielmehr umfasst<br />
häusliche <strong>Gewalt</strong> vielfältige Formen der Macht- und<br />
Kontrollausübung, einschliesslich sexuelle <strong>Gewalt</strong>. Im<br />
Leben der Kinder sind die verschiedenen Formen von<br />
Macht, Dominanz und <strong>Gewalt</strong> meist miteinander verquickt.<br />
Wie die Mitbetroffenheit gelagert ist, muss deshalb<br />
im Einzelfall diagnostiziert werden, auch wie stark<br />
Kinder und Jugendliche belastet sind. Die hauptsächlich<br />
in den USA durchgeführten Studien und Metaanalysen<br />
legen den Schluss nahe, dass zwischen 35 und 45<br />
Prozent der Kinder, die Zeugen und/oder Opfer von<br />
häuslicher <strong>Gewalt</strong> werden, klinische Auffälligkeiten<br />
zeigen (Hughes, Graham-Bermann, & Gruber, 2001).<br />
Dieses Ergebnis verweist auf die Notwendigkeit systematischer<br />
und zeitnaher Abklärung der Situation der<br />
Kinder und Jugendlichen und auf die Bedeutung von<br />
Schutz durch Behörden sowie Unterstützungsangebote<br />
<strong>für</strong> diese Zielgruppe, um die Chronifizierung von Störungen<br />
zu verhindern und die Resilienz der Kinder zu<br />
fördern.<br />
4 Da in nur wenigen Fällen Väter Opfer von <strong>Gewalt</strong> der Partnerin sind,<br />
werde ich im Weiteren von den Müttern sprechen.<br />
3. Schutz der Mütter ist der beste<br />
Kinderschutz<br />
Die Sicherheit und das Wohl von Kindern und Jugendlichen,<br />
die im Kontext von häuslicher <strong>Gewalt</strong><br />
aufwachsen, ist eng an die Sicherheit der Mütter<br />
gekoppelt, welchen Schutz sie vor weiterer <strong>Gewalt</strong><br />
erhalten und welche Unterstützungsmöglichkeiten<br />
verfügbar sind. 4 Kinder spielen in den Abwägungen<br />
der Mütter eine doppelte Rolle: zunächst sind Kinder<br />
ein zentraler Grund, an der Beziehung festzuhalten;<br />
scheitern alle Versuche und dauert die <strong>Gewalt</strong> an, ist<br />
es die Sorge um das Wohl der Kinder, das Mütter<br />
nach Auswegen suchen lässt (Flucht ins Frauenhaus,<br />
Trennung, Einschalten der Polizei, Anzeige u.ä.). Kulturelle<br />
Vorstellungen von der «guten» Mutter, die die<br />
Familie zusammenhält, sich dem Wohl der anderen<br />
Familienmitglieder unterordnet, sich <strong>für</strong> ihre Kinder<br />
aufopfert wie auch der soziale Druck, eine komplette<br />
Familie aufrechtzuerhalten, müssen von jeder einzelnen<br />
Frau, trotz aufgebrochenen Geschlechterarrangements,<br />
der hohen und steigenden Scheidungsquote<br />
und den Freisetzungserfolgen <strong>für</strong> Frauen, neu überdacht<br />
werden. In diesem Klärungsprozess bieten<br />
Frauenhäuser und Opferberatungsstellen wichtige<br />
Unterstützung.<br />
Bei diesen Abwägungen sind auch mögliche neue<br />
Gefahren zu berücksichtigen, denn während der Verbleib<br />
mit dem gewalttätigen Partner mit vielen Risiken<br />
verbunden ist, kann auch die Trennung neue Risiken in<br />
sich bergen. Während empirische Studien nachweisen,<br />
dass Trennung nebst konsequentem Schutz durch Polizei<br />
und Justiz zur Beendigung der <strong>Gewalt</strong> beiträgt, war<br />
mindestens ein Drittel der Frauen daraufhin mit Trennungsgewalt/Stalking<br />
konfrontiert (Seith, 2003; Walby<br />
& Allen, 2004). Auch einige der interviewten Mädchen<br />
und Jungen kannten diese Problematik und erlebten,<br />
dass der Vater die Mutter über Jahre hinweg immer<br />
wieder verleumdete, der Vater oder Expartner der<br />
Mutter auflauerte und die Mutter bedrohte. Eine 13-<br />
Jährige erzählte, dass ihr Vater ihre Mutter seit Jahren<br />
immer wieder als Prostituierte verleumdete, was insofern<br />
absurd ist, als die Frau in einer Wissenschaftsorganisation<br />
arbeitete.<br />
Aus der Sicht der meisten interviewten Kinder, von<br />
denen bis auf zwei vom Vater getrennt lebten, war die<br />
Trennung der Eltern letztlich eine Erleichterung. Sie<br />
stellten eine Verbesserung ihrer Lebensqualität fest.<br />
Eine Kindheit, in der das Grundbedürfnis nach<br />
Sicherheit, Schutz vor <strong>Gewalt</strong>, Ruhe und Stabilität gesichert<br />
ist, betrachteten sie als eindeutigen Vorteil der<br />
neuen Lebenslage, wie auch die Aussagen zweier Kinder<br />
zeigen: «Dass es kein Theater mehr gibt», (…) «weil<br />
ich wieder ruhig schlafen kann» (Junge, 10 Jahre) «weil<br />
ich nicht mehr verprügelt werde. Er hat uns immer ge-<br />
Soziale Sicherheit CHSS 5/2006 251
Schwerpunkt<br />
Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen<br />
hauen, das habe ich nicht schön gefunden.» (Mädchen,<br />
8 Jahre).<br />
Manche waren sogar der Meinung, ihre Mütter hätten<br />
sich früher trennen sollen oder sie sollten auf keinen<br />
Fall einen erneuten Versuch in Erwägung ziehen:<br />
«Sich nach dem ersten Mal gleich trennen, ich<br />
weiss auch nicht, sich zurückziehen, weggehen<br />
irgendwie. Ich meine, du hast ja selber Schuld,<br />
wenn du bleibst.» (Mädchen, 12 Jahre).<br />
«Sie sollte einfach nicht mehr mit meinem Vater<br />
zusammenleben, weil, ja sie hatte dort zu wenig<br />
Freiraum. Meinem Vater passte es einfach nicht,<br />
dass meine Mutter, ähm, ja allein steht, also sozusagen<br />
ohne ihn klarkommt. Das passte ihm einfach<br />
nicht.»<br />
(Mädchen, 11 Jahre)<br />
Trennen sich die Mütter erst, wenn die Kinder älter<br />
sind, so besteht die Gefahr, dass sich die Kinder von der<br />
Mutter distanzieren, die Kinder die Perspektive des abwertenden<br />
Vaters übernehmen und die Beziehung zur<br />
Mutter unterhöhlt wird. Es ist wichtig, Offenheit über<br />
die <strong>Gewalt</strong>problematik herzustellen und dass Professionelle<br />
in diesem Klärungsprozess Unterstützung anbieten.<br />
Für die Beziehung der Kinder zu ihren Eltern<br />
macht es einen Unterschied, ob sie den wahren Grund<br />
der Trennung kennen. Kommt es hier zu Umdeutungen,<br />
Verzerrungen und Verharmlosungen und ist z.B.<br />
die Rede von Meinungsverschiedenheiten, etwa über<br />
Religionsfragen, wie im Gespräch mit zwei Kindern<br />
deutlich wurde, dann bleibt das Handeln der Mutter unverständlich<br />
und es eröffnet sich ein interpretatorischer<br />
Spielraum, der zur Manipulation der Kinder genutzt<br />
werden kann.<br />
Für die Sicherheit und das Wohl der Kinder ist es elementar,<br />
dass Trennungsgewalt als typisches Muster von<br />
häuslicher <strong>Gewalt</strong> erkannt wird und Institutionen der<br />
Tendenz zur Verharmlosung entgegenwirken. Insbesondere<br />
Entscheidungen über das Umgangsrecht sollten<br />
auf dem Hintergrund des Fachwissens über Trennungsgewalt/Stalking<br />
getroffen werden. Wie Studien<br />
aus England und Skandinavien belegen, wird die <strong>Gewalt</strong>geschichte<br />
und die Frage von Trennungsgewalt<br />
nicht ausreichend erfasst und nicht systematisch als Belastung<br />
bzw. als Risikofaktor bewertet, mit der Folge,<br />
dass das Recht des biologischen Vaters auf Kontakt allzu<br />
oft über das Kindeswohl gestellt wird (Hester &<br />
Radford, 1996).<br />
Darüber hinaus werfen Trennungserwägungen Fragen<br />
nach der ökonomischen Absicherung auf. Eine<br />
Analyse von Sozialdienstakten im Hinblick auf häusliche<br />
<strong>Gewalt</strong> im Kanton Freiburg ergab, dass in 80 Prozent<br />
der Fälle minderjährige Kinder im Haushalt lebten<br />
(Seith, 2003). In der Hälfte der Fälle war die <strong>Gewalt</strong> des<br />
Ehemannes der Grund <strong>für</strong> die Trennung. Dass die Mütter<br />
mit ihren Kindern zu Sozialhilfempfängerinnen werden,<br />
hat seinen Grund in der Art und Weise, wie Gerichte<br />
ihre Entscheidungen treffen. In Fällen, in denen<br />
das Haushaltseinkommen nicht ausreichend ist, halten<br />
die Gerichte den erwerbstätigen Vater ökonomisch unabhängig;<br />
die Mütter werden mit den Kindern an den<br />
Sozialdienst verwiesen. Hier zeigt sich, wie die Entstehung<br />
von Frauen- und Kinderarmut mit dem Aufbrechen<br />
von Machtstrukturen im Privaten verquickt sein<br />
kann. Um Sicherheit vor <strong>Gewalt</strong> zu erlangen, sieht sich<br />
ein Teil der Mütter genötigt, neue Abhängigkeiten einzugehen<br />
und die Abhängigkeit vom Alleinernährer<br />
durch Abhängigkeit vom staatlichen Sicherungsnetz in<br />
Kauf zu nehmen (Seith, 2003).<br />
4. Alte Probleme – neue Erkenntnisse –<br />
interessante Herausforderungen?<br />
Kinder, die im Kontext von häuslicher <strong>Gewalt</strong> aufwachsen,<br />
sind darauf angewiesen, dass Fachstellen und<br />
Behörden sich auch um ihr Wohl kümmern. Analysen,<br />
die auf Fällen basieren, die Institutionen bekannt wurden,<br />
belegen, dass Mütter mit minderjährigen Kindern<br />
zur Kerngruppe der Nutzerinnen gehören und zeigen,<br />
dass Kinder, wie die erwachsenen Opfer, über verschiedene<br />
Wege in die Institutionenkette kommen können.<br />
Frauenhäuser befassen sich vergleichsweise intensiv<br />
mit dieser Gruppe von Kindern. Sie scheinen die einzigen<br />
Stellen zu sein, die die Situation der Kinder auch im<br />
Vorfeld der Entstehung massiver Auffälligkeiten systematisch<br />
abklären und ihnen Betreuung anbieten. Eine<br />
Studie im Kanton Freiburg zeigt, dass 70 Prozent der<br />
Frauenhausklientel Mütter mit minderjährigen Kindern<br />
waren (Seith, 2003). Ähnliche Zahlen liegen auch<br />
von der Frauenhauskoordinierung in Deutschland vor<br />
(Kavemann, 2006). Kommen die Kinder ins Frauenhaus,<br />
dann hängt es von der jeweiligen Konzeption ab,<br />
wie mit ihnen gearbeitet wird. Die Interviews mit Mitarbeiterinnen<br />
zeigen, dass verschiedene Modelle seit<br />
Gründung der Frauenhäuser erprobt wurden. Inzwischen<br />
zeichnet sich eine Tendenz in Richtung Spezialisierung<br />
und Trennung der fachlichen Arbeit mit den<br />
Frauen und Kindern bei gleichzeitiger Aufwertung des<br />
Kinderbereichs ab.<br />
Bei den interviewten Kindern hat das Frauenhaus<br />
keinen Schaden hinterlassen. Ihre Bewertung hängt<br />
entscheidend davon ab, ob kindgerechte Angebote gemacht<br />
und altersgerechtes Spielmaterial zur Verfügung<br />
stand, ob sie sich wohlfühlten, ob schöne Dinge unternommen<br />
wurden, die von den Sorgen mit der Familie<br />
ablenkten und ob sie sich mit anderen Kindern anfreunden<br />
konnten. Dies gilt <strong>für</strong> Jungen und Mädchen<br />
gleichermassen. Als Besonderheit war festzustellen,<br />
dass Kinder, die im Frauenhaus waren, eine relativ<br />
252 Soziale Sicherheit CHSS 5/2006
Schwerpunkt<br />
Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen<br />
klare Sicht von der Problematik hatten, man mit ihnen<br />
gesprochen hatte und ihnen dadurch die Situation verständlicher<br />
wurde.<br />
Frauenhäuser bearbeiten mit den Müttern auch Erziehungsfragen,<br />
versuchen Offenheit nicht nur über die<br />
<strong>Gewalt</strong>, sondern auch über Erziehungsprobleme und<br />
problematisches Erziehungsverhalten der Mutter zu<br />
schaffen. Bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung<br />
übernehmen sie auch eine Vermittlungsfunktion zum<br />
Jugendamt und versuchen Ängste und Barrieren abzubauen.<br />
Frauenhäuser beraten die Mütter und Kinder<br />
auch in der Frage, wie die Abwesenheit des Kindes vom<br />
Unterricht und der Wiedereinstieg kommuniziert werden<br />
können. Ein 12-jähriger Junge erlebte es als grosse<br />
Erleichterung, dass die Lehrerin die Klasse informiert<br />
hatte und er nicht von jedem Kind einzeln auf die Gründe<br />
seiner Abwesenheit angesprochen wurde.<br />
Die Interviews mit den Opferhilfeberatungsstellen<br />
ergaben, dass die Frauen- und Kinderberatung in der<br />
Organisation in verschiedene Bereiche aufgeteilt ist.<br />
Dies hat <strong>für</strong> von häuslicher <strong>Gewalt</strong> betroffene Kinder<br />
zur Folge, dass sie zwischen Stuhl und Bank fallen.<br />
Konzeptionell ist nicht vorgesehen, dass die <strong>für</strong> die<br />
Frauenberatung Zuständigen auch die Situation der<br />
Kinder abklären, da die Frau im Zentrum der Beratungsarbeit<br />
steht und nicht die Frau als Mutter. Die<br />
Kinder können in der Beratung zum Thema werden, sofern<br />
die Mutter das wünscht, dann übernimmt die Opferhilfestelle<br />
auch Triage-Funktion, doch die Beraterinnen<br />
werden von sich aus nicht aktiv und übernehmen<br />
keine Koordinationsaufgaben in Angelegenheiten, die<br />
die Kinder betreffen. Zwischen der OHG-Frauen- und<br />
der OHG-Kinder-Beratung besteht bei häuslicher <strong>Gewalt</strong><br />
keine systematische Verbindung. Die organisatorische<br />
Aufteilung der beiden Bereiche kann so, wie sich<br />
zeigt, den Bedürfnissen nach einer zeitnahen Abklärung<br />
der Situation der mitbetroffenen Kinder nicht gerecht<br />
werden.<br />
Bei der Polizei ist davon auszugehen, dass in mindestens<br />
der Hälfte der Fälle Kinder involviert sind (Helfferich,<br />
Lehmann, Kavemann, & Rabe, 2004; Seith, 2003).<br />
Die Einführung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes scheint an<br />
dieser Zahl wenig zu ändern. Auswertungen von Polizeieinsätzen<br />
in Berlin (WIBIG, 2004) und von Platzverweisen<br />
im Rahmen des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes in Baden-<br />
Württemberg belegen, dass Kinder in 53 % bis 61% der<br />
Fälle am Tatort anwesend waren (Helfferich et al.,<br />
2004; Kavemann, 2006). Die Analyse von zivil- und familienrechtlichen<br />
Verfahren im Zusammenhang mit<br />
dem <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz ergab, dass in fast Dreiviertel<br />
der Fälle, in denen Anträge nach dem <strong>Gewalt</strong>schutz<br />
vorlagen, Kinder im Haushalt lebten. In 22 % der Fälle<br />
wurden verschiedene Formen körperlicher <strong>Gewalt</strong> an<br />
Kindern dokumentiert (Rupp, 2005 in Kavemann,<br />
2006).<br />
Die Frage stellt sich, welche Schritte die Polizei ergreifen<br />
soll, wenn Kinder bei häuslicher <strong>Gewalt</strong> involviert<br />
sind. An einer Anfang 2006 im Kanton <strong>Zürich</strong><br />
durchgeführten Fachtagung 5 , an der erste Ergebnisse<br />
der Nationalfondsstudie zum Thema «Kinder und häusliche<br />
<strong>Gewalt</strong>» vorgestellt wurden, zeigte sich, dass es<br />
bislang keine systematisch geführte Fachdiskussion<br />
gab. Die VeranstalterInnen betonten, dass erstmals<br />
VertreterInnen der Opferhilfe, der Polizei, der Justiz<br />
und der Jugend- und Familienhilfe zu diesem Thema<br />
zusammenkamen. Diskutiert wurde auch, ob die Polizei<br />
von nun an bei allen Polizeieinsätzen von häuslicher<br />
<strong>Gewalt</strong> dem Jugendamt 6 eine Gefährdungsmeldung<br />
übermitteln sollte. Diese Frage wird auch in anderen<br />
Ländern kontrovers diskutiert. Das Verfahren der<br />
Weiterleitung wird in Baden-Württemberg erprobt,<br />
wobei sich bei der Implementation bereits zeigt, dass<br />
die Kriterien, nach denen die Weiterleitung erfolgt, uneinheitlich<br />
sind (Seith und Kavemann, 2006). Ferner<br />
bestehen Bedenken, dieses Vorgehen könnte gewaltbetroffene<br />
Mütter abschrecken. Umso wichtiger ist es,<br />
dass die Jugendhilfe eine professionelle Praxis auf fachlich<br />
hohem Niveau leistet. Ein Anfang wurde mit der<br />
Veranstaltung von Fachtagungen in einigen Kantonen<br />
gemacht. Deutlich wurde, dass MitarbeiterInnen der<br />
Jugendhilfe zwar die Problematik kennen, aber diese<br />
bislang unter der Kategorie «multiple Problemlagen»<br />
subsumiert wurde. Dies ist auch in Deutschland nicht<br />
anders. Berlin, wo das vom Bundesministerium seit<br />
Jahren geförderte Modellprojekt BIG ansässig ist, erfasst<br />
erst seit 2004 in der Hilfeplanstatistik <strong>für</strong> Hilfen<br />
zur Erziehung (Art. 27 ff SGB VIII) systematisch häusliche<br />
<strong>Gewalt</strong> (Kreyssig, 2006). Statistische Grundlagen<br />
sind wichtig und nützlich, doch im ganzen deutschsprachigen<br />
Raum sind wissenschaftliche Studien über die<br />
Praxis der Jugend- und Familienhilfe ausstehend. Mit<br />
einem vom Schweizerischen Nationalfonds bewilligten<br />
Forschungsprojekt wird es möglich sein, künftig auch<br />
diese Lücke zu schliessen und einen Beitrag zur Professionalisierung<br />
der Jugendhilfepraxis im Umgang mit<br />
häuslicher <strong>Gewalt</strong> zu leisten.<br />
5 Die Tagung fand am 23.1.2006 in <strong>Zürich</strong> statt und wurde von der Kommission<br />
<strong>für</strong> Kindesschutz des Kantons <strong>Zürich</strong> und dem Strategischen<br />
Kooperationsgremium <strong>für</strong> häusliche <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> organisiert.<br />
6 Da die Bezeichnungen und Strukturen in den verschiedenen Kantonen<br />
nicht einheitlich sind, verwende ich den Begriff Jugendamt, der je nach<br />
lokalen Gegebenheiten die Vormundschaftsbehörde, Jugendamt, Amt<br />
<strong>für</strong> Erwachsenen- und Kinderschutz u.ä. meint.<br />
5. Zeitnahe Beratung und Unterstützungsangebote<br />
<strong>für</strong> Kinder und Jugendliche<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> reflektiert Spannungen und das<br />
Aufbrechen von Hierarchien und Machtstrukturen im<br />
Soziale Sicherheit CHSS 5/2006 253
Schwerpunkt<br />
Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen<br />
Geschlechter- und Generationenverhältnis. Die Mitbetroffenheit<br />
von Kindern und Jugendlichen wurde bislang<br />
unterschätzt. Die Frage nach Auswirkungen auf<br />
die nächste Generation (Stichwort intergenerationelle<br />
Transmission) und welchen Beitrag Behörden und<br />
Fachstellen leisten zur Prävention weiterer <strong>Gewalt</strong>, zur<br />
Abwendung der Chronifizierung von Störungen und<br />
zur Bewältigung von Schieflagen im Geschlechter- und<br />
Generationenverhältnis steht zur Diskussion. Die<br />
Schweiz hat 1997 die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert,<br />
mit welcher die Staaten erklären, das Recht auf<br />
Schutz vor Gefahren und Sicherstellung der Grundbedürfnisse<br />
von Kindern zu garantieren. Das Recht von<br />
Kindern auf Schutz vor weiteren Gefahren und mit ihren<br />
eigenen Bedürfnissen wahrgenommen zu werden,<br />
sollte auch <strong>für</strong> Kinder, die im Kontext von häuslicher<br />
<strong>Gewalt</strong> aufwachsen, eingelöst werden.<br />
Auf dem Hintergrund der Forschungslage, von Erfahrungen<br />
im Ausland und der Diskussionen mit Behörden<br />
und PraktikerInnen ergeben sich folgende Implikationen<br />
<strong>für</strong> die Optimierung der Sicherheits- und<br />
Hilfeplanung <strong>für</strong> von häuslicher <strong>Gewalt</strong> betroffene Kinder<br />
und Jugendliche:<br />
1. zeitnahe, systematische Abklärung der Situation der<br />
Kinder und Jugendlichen, möglichst als Parallelberatung<br />
zur Beratung der Mütter. Die Parallelberatung<br />
sollte den Unterstützungsbedarf und die Situation<br />
mit dem Kind abklären.<br />
2. Unterstützungsangebote, die den individuellen Problemlagen<br />
der Kinder und Jugendlichen gerecht werden.<br />
Aus diesem Grund kommen idealerweise verschiedene<br />
Methoden zum Einsatz wie Einzel- und<br />
Gruppenarbeit sowie aufsuchende Arbeit. Erfahrungen<br />
liegen bereits vor mit aufsuchender Arbeit, die<br />
bei den Müttern auf grosse Akzeptanz stösst<br />
(Humphreys & Thiara, 2002; Seith & Kavemann,<br />
2006).<br />
Ferner ist es wichtig, das öffentliche Bewusstsein <strong>für</strong><br />
die Problematik zu schärfen und Kinder und Jugendliche<br />
als Zielgruppe von Präventionsanstrengungen einzubeziehen<br />
(Seith, 2006). Verstärkte Kooperationen<br />
zwischen Schulen, der Kinder- und Jugendhilfe sowie<br />
der Fraueneinrichtungen scheinen hier sinnvoll.<br />
Corinna Seith, Dr. phil., Universität <strong>Zürich</strong>, Pädagogisches Institut,<br />
Leiterin von Forschungsprojekten und Lehrbeauftragte an in- und<br />
ausländischen Universitäten. E-Mail: cseith@paed.unizh.ch<br />
Literatur<br />
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aber erfolgreich. In B. Kavemann & U. Kreyssig (Eds.), Handbuch<br />
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Zur Rolle von Schule und Verwandten <strong>für</strong> von häuslicher <strong>Gewalt</strong><br />
betroffene Kinder aus Sicht von 9–17-Jährigen. In B. Kavemann<br />
& U. Kreyssig (Eds.), Handbuch Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong><br />
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254 Soziale Sicherheit CHSS 5/2006
Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Minderjährige, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben, November 2013<br />
109 Minderjährige, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben<br />
Kinder und Jugendliche können gegenüber verschiedenen Personen <strong>Gewalt</strong> ausüben.<br />
- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> gegen Eltern (auch Adoptiv-, Stief- und Pflegeeltern)<br />
- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> gegen Geschwister (auch Halb-, Stief- und Pflegeschwister, Cousins, Cousinen)<br />
- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> Minderjähriger gegen Eltern<br />
Meistens wird bei der <strong>Gewalt</strong> gegen Eltern oder Elternteile davon ausgegangen, dass es sich um eine familiäre<br />
Machtumkehr handle und sich die Eltern gegenüber den Kindern zu wenig durchsetzen. Dies, so<br />
zeigt die Praxis, ist aber nur eine der möglichen Erklärungen. <strong>Gewalt</strong>eskalationen und -dynamiken unterscheiden<br />
sich auch je nach gesellschaftlichem Kontext, Alter, Geschlecht, Zeitpunkt des Beginns der <strong>Gewalt</strong><br />
und der Beziehungskonstellation.<br />
<strong>Gewalt</strong> gegen Eltern hat verschiedene Formen:<br />
- unrealistische Forderungen an die Eltern<br />
- Erwartung, dass die Eltern (egal, was sie gerade machen) sofort auf die Jugendlichen eingehen<br />
- von zu Hause wegrennen oder gar nicht nach Hause kommen<br />
- verletzen oder gar verstümmeln der Eltern.<br />
Allen ist gemeinsam, dass sie nicht vereinzelt, sondern in einer Serie von verbalen oder physischen Tätlichkeiten,<br />
die das Autoritätsgefälle zwischen Eltern und Kindern angreifen, ausgeübt werden. Nach Wilhelm<br />
Rotthaus und Hilde Trapmann ist die Dauer der elterlichen Misshandlung <strong>für</strong> die Folgen entscheidend.<br />
1<br />
Robinson et al. (2004) 2 quantifizieren die häufigsten Arten der Elternmisshandlung:<br />
- 57% physische <strong>Gewalt</strong><br />
- 22% verbale <strong>Gewalt</strong><br />
- 17% Gebrauch von Schusswaffen, Messer oder gefährlichen Gegenständen<br />
- 5% werfen von Gegenständen<br />
Bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> Minderjähriger gegen Eltern können drei Formen der Eskalation unterschieden werden<br />
(Greber 2010) 3 :<br />
Eskalation als<br />
Serie von Tätlichkeiten<br />
(aus fehlender Elternkompetenz)<br />
Eskalation als<br />
Macht-Umkehr<br />
(aus Angst oder fehlender<br />
Elternkompetenz)<br />
Eskalation als<br />
<strong>Gewalt</strong>-Muster<br />
(aus Angst)<br />
- Bei der Eskalation als Serie von Tätlichkeiten verläuft die <strong>Gewalt</strong> oft schubweise mit <strong>Gewalt</strong>pausen.<br />
Eltern hoffen immer wieder, dass sich die Situation beruhigt hat, ohne dass weiterführende Interventionen<br />
(auch von aussen) notwendig werden.<br />
- Bei der Eskalation als Machtumkehr spielt die Angst der Eltern vor den Kindern/Jugendlichen und<br />
häufig fehlende oder mangelnde Elternkompetenz eine wichtige Rolle. Eltern lassen ihre Kinder<br />
machen, was sie wollen.<br />
- Bei der Eskalation als Machtmuster zeigt sich eine Wiederholung immer gleicher <strong>Gewalt</strong>abläufe,<br />
was viele elterliche Opfer derart erschüttert, dass sie handlungsunfähig werden.<br />
Allen Eskalationsmustern ist gemeinsam, dass die <strong>Gewalt</strong> nicht vereinzelt, sondern über längere Zeit<br />
und teilweise gar gewohnheitsmässig angedroht oder ausgeübt wird 4 (Cottrell 2002).<br />
- In einigen Studien wird davon ausgegangen, dass<br />
- ca. 10% der Kinder, die ihre Eltern misshandeln, unter 10 Jahre alt sind,<br />
- ca. 80% der Misshandlungen sich gegen die Mütter richten und<br />
- ca. 20% der Misshandlungen sich gegen die Väter richten (Robinson et al. 2004 5 , Rotthaus et al.<br />
2004).<br />
1 Rotthaus, W.; Trapmann, H. (2004): Auffälliges Verhalten im Jugendalter. Handbuch <strong>für</strong> Eltern und Erzieher. Bd. 2. Dortmund: Verlag<br />
modernes Lernen<br />
2 Robinson, P. W., Davidson, L. J., & Drebot, M. E. (2004). Parent abuse on the rise: A historical review. American Association of Behavioral<br />
Science, 58-67<br />
3 Greber, F. (2010): Tatort Familie, Tatort Beziehung. Familiäre und partnerschaftliche <strong>Gewalt</strong> von Kindern und Jugendlichen. Themenheft<br />
Jugendgewalt. Plädoyer <strong>für</strong> eine ganzheitliche Sichtweise. In: SozialAktuell Heft 9/2010. Die Fachzeitschrift <strong>für</strong> Soziale Arbeit<br />
4 Cottrell, B. (2002): Dringend Hilfe gesucht: Teenager misshandeln ihre Eltern. In: Systhema 3/2002. S. 212-225.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 109 / 1
Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Minderjährige, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben, November 2013<br />
Jede Eskalationsart hat eine eigene Dynamik. Die Eskalation als Machtmuster kann bei einem elterlichen<br />
Opfer z.B. folgendes Verhalten zeigen:<br />
SPANNUNGS-AUFBAU<br />
Selbstbeschuldigungen,<br />
Selbstzweifel, Stress<br />
„HEILE FAMILIE-PHASE“<br />
…Probleme gibt’s in den besten<br />
Familien, Herunterspielen,<br />
Kinder/Jugendliche entschuldigen,<br />
Kinder mit Liebe überhäufen<br />
GEWALT<br />
Panik, Überforderung,<br />
Überdruss, Wut,<br />
Hilfe in Betracht ziehen<br />
Eine besondere Herausforderung <strong>für</strong> elterliche Opfer ist die elterliche Sorge <strong>für</strong> das gewaltausübende Kind.<br />
Schuld- oder Schamgefühle können verhindern, dass die Eltern Hilfe holen und die Kinder bzw. Jugendlichen<br />
in die (Mit-)Verantwortung von Behörden geben. Erschwerend ist, dass <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> Minderjähriger<br />
keine Offizial- sondern Antragsdelikte sind. Eltern zeigen ihre eigenen Kinder kaum an oder erst nach<br />
massiven und wiederholten <strong>Gewalt</strong>vorfällen. Bei der Elternmisshandlung muss von einer hohen Dunkelziffer<br />
ausgegangen werden.<br />
Die Chancen <strong>für</strong> eine wirkungsvolle Intervention sind je nach <strong>Gewalt</strong>dynamik und in den einzelnen Phasen<br />
eines <strong>Gewalt</strong>musters unterschiedlich.<br />
SPANNUNGS-AUFBAU<br />
Intervention manchmal mit,<br />
manchmal ohne Wirkung<br />
„HEILE FAMILIE-PHASE“<br />
Wenig Chancen <strong>für</strong> eine<br />
wirksame Intervention<br />
GEWALT<br />
Grösstmögliche Chance <strong>für</strong><br />
wirksame Interventionen<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> gegen Geschwister<br />
Geschwistergewalt ist doppelt tabuisiert. Geschwister sind oft liebend oder konflikthaft aneinander<br />
gebunden. Treten <strong>Gewalt</strong>probleme unter Geschwistern auf, kommen Eltern in einen Loyalitätskonflikt.<br />
Die Eltern schauen oft weg, um eine schmerzhafte Parteinahme zu vermeiden oder aus Angst, eines<br />
der Kinder abzulehnen.<br />
Es gibt auch Eltern, oft Väter, die ein Kind, häufig einen Sohn, instrumentalisieren zur Kontrolle und zur<br />
Überwachung eines anderen Kindes, meist einer Tochter in der Pubertät oder Adoleszenz. Zuweilen werden<br />
die Söhne auch befugt, direkt Sanktionen auszuüben. Dies ist zweifacher Verrat und letztlich elterliche<br />
<strong>Gewalt</strong> gegenüber beiden Kindern.<br />
Die im Kanton <strong>Zürich</strong> von der IST im 2007 befragten Fachpersonen und Organisationen gaben an, dass<br />
Geschwistergewalt sowohl einzeln als auch in Gruppen angedroht und ausgeübt werde, und dass Stalking<br />
auch gegen Geschwister und in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen stattfinde (Greber 2007/2008) 6 .<br />
5 Robinson, P.; Davidson, L.; Drebot, M. (2004): Parent abuse on the rise: a historical review. In: American association of behavioral<br />
social science. Brigham Young University<br />
6 Greber, F. (2007/2008): Wenn Minderjährige <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben. Umsetzung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes (GSG) auf Minderjährige<br />
GefährderInnen im Kontext von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, S. 45. www.ist.zh.ch<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 109 / 2
Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Minderjährige, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben, November 2013<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen<br />
Über <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in Teenagerbeziehungen gibt es erst seit etwa 2008 Untersuchungen. Immer wieder<br />
machen bereits Jugendliche Erfahrungen mit Beziehungsgewalt. Speziell in der Adoleszenz kann eine<br />
Liebesbeziehung eine existentielle Bedeutung erlangen und Abhängigkeiten erzeugen, was bereits während<br />
der Beziehung zu Problemen und vor allem bei einer Trennung zu einem Trennungs-Stalking führen<br />
kann.<br />
Bei der 2002 in der Schweiz durchgeführten SMASH-Studie 7 (repräsentative Befragung von 7428 Jugendlichen<br />
im Alter von 16-20 Jahren):<br />
− 14.4% der Mädchen und 1.7% der Jungen gaben an, einen sexuellen Übergriff erlebt zu haben.<br />
− 33.9% der betroffenen Mädchen waren beim ersten Übergriff zwischen 12-16 Jahre alt; 18 % waren<br />
über 16 Jahre alt<br />
Ein erheblicher Teil der betroffenen Mädchen erlebte den ersten sexuellen Übergriff also in der Adoleszenz.<br />
Die im Jahr 2009 in der Schweiz durchgeführte Optimus-Studie (einer Befragung von 6749 SchülerInnen<br />
aus 161 Schulen der neunten Schulstufe und allen Sprachregionen) 8 ergab:<br />
− Jugendlichen machen die meisten Opfererfahrungen im Kontakt mit etwa Gleichaltrigen, oft im<br />
Rahmen von Partnerbeziehungen oder «dates<br />
− bei Kindern stehen Viktimisierungen im familiären Umfeld im Vordergrund<br />
− Mädchen sind etwa dreimal häufiger von sexuellen Übergriffen durch den Liebespartner betroffen<br />
als Knaben.<br />
− Rund 8% der Knaben und 22% der Mädchen berichten, schon einmal Opfer eine sexuellen Viktimisierung<br />
mit Körperkontakt geworden zu sein.<br />
− Rund 20% der Knaben und 40% der Mädchen gaben an, schon einmal Opfer einer Viktimisierung<br />
ohne Körperkontakt geworden zu sein.<br />
− Am verbreitetsten sind Cyberviktimisierungen (18%), verbale oder schriftliche Belästigung (15%)<br />
und ungewolltes Berühren/Küssen durch Andere (12%).<br />
Opfererfahrungen haben erhebliche negative psychische Folgen <strong>für</strong> die Opfer und gehen mit einem etwa<br />
ums zweifache erhöhten Risiko von weiteren Problemen einher. Viktimisierungen durch Gleichaltrige sind<br />
ähnlich belastend wie Viktimisierungen durch Erwachsene.<br />
Rund 60% der Opfer berichten einer Drittpersonen von ihrem Erlebnis.<br />
Mädchen vertrauen ihre Erfahrungen eher einer Drittperson an als Knaben.<br />
− Ca. 50% der Opfer vertrauen sich KollegInnen oder FreundInnen an.<br />
− Ca. 21% der Opfer vertrauen sich den Eltern an.<br />
− Ca. 4-7% der Opfer kontaktieren die Polizei.<br />
− Ca. 3-5% der Opfer nehmen die Hilfe einer Fachorganisation in Anspruch.<br />
Wenn im Rahmen von partnerschaftlichen Jugendbeziehungen sexuelle Übergriffe stattfinden, ist mit einer<br />
hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass gleichzeitig auch andere Formen von Viktimisierungen<br />
durch den Partner/die Partnerin vorkommen. 9<br />
Manche Eltern verbieten ihren Kindern aus unterschiedlichen Gründen Liebesbeziehungen, anstatt sie<br />
dabei zu begleiten. Erfahren diese Jugendlichen <strong>Gewalt</strong>, fehlt ihnen – Opfern wie TäterInnen – ein stützendes<br />
und strukturierendes Hilfsangebot. Sie sind auf sich selber gestellt. Dies betrifft Probleme der Verhütung,<br />
ungewollte Schwangerschaften, aber auch Probleme der <strong>Gewalt</strong>, vor allem dann, wenn es zu<br />
Trennungsgewalt und (Cyber-)Stalking kommt. Manchmal werden diese Jugendlichen von ihrem (Ex-<br />
)Freund oder ihrer (Ex-)Freundin unter Einbezug anderer Jugendlicher bedroht, erpresst oder sonst wie<br />
unter Druck gesetzt.<br />
„Auch die Art der <strong>Gewalt</strong>ausübung ist altersabhängig. Sowohl bei <strong>Gewalt</strong> gegen Geschwister als auch in<br />
partnerschaftlichen Jugendbeziehungen ist der Missbrauch im Umgang mit Bildmaterial häufig. Weiter<br />
stellen Fachpersonen fest, dass Minderjährige häufig innerhalb ihrer Peergruppe auch <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
ausüben. Speziell in der Adoleszenz kann eine Jugendbeziehung eine existenzielle Bedeutung haben und<br />
7 Narring, F. et al (2003). Gesundheit und Lebensstil 16- bis 20 Jähriger in der Schweiz. SMASH (Swiss multi-center adolescent study<br />
on health) 2002. Lausanne: Institut universitaire de medicine sociale et preventive; Bern: Institut <strong>für</strong> Psychologie; Bellinzona: Ufficio di<br />
promozione e di valutatione sanitaria.<br />
8 Averdijk M. et al. (2011). Sexual victimization of children and adolescents in Switzerland. Final report for the UBS Optimus Foundation.<br />
<strong>Zürich</strong>: Optimus Foundation.<br />
9 Optimus-Studie, S. 76<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 109 / 3
Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Minderjährige, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben, November 2013<br />
Unter dem Begriff der „interpersonal“ und „physical dating violence“ wird sowohl die physische, die psychische<br />
als auch die sexuelle <strong>Gewalt</strong> in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen verstanden und erfasst. Im<br />
Speziellen werden unter diesem Begriff auch jegliche Formen von verbaler <strong>Gewalt</strong> und Abwertung als<br />
auch Drohungen und/oder Einschüchterungen verstanden. 10<br />
Weiter sagt jede vierte Jugendliche aus, dass die sexuelle Beziehung weiter gehe, als sie eigentlich wolle.<br />
Sie lasse dies zu, aus Angst, den Partner zu verlieren.<br />
Die in Deutschland 2013 erschienene Studie über Teen Dating Violence 11 über psychische, physische und<br />
sexuelle <strong>Gewalt</strong> in jugendlichen Paarbeziehungen zeigt folgende Ergebnisse:<br />
Die Mehrheit der 14- bis 18-jährigen Jugendlichen (76,6 %) haben bereits Teenager-Beziehungen oder<br />
Verabredungen.<br />
− 65,7 % der befragten Schülerinnen und 60,1 % der Schüler haben durch ihren Partner oder durch<br />
ihre Partnerin mindestens einmal irgendeine Form von grenzüberschreitendem Verhalten oder<br />
<strong>Gewalt</strong> erlitten.<br />
− 61,3 % der Mädchen und 56,6 % der Jungen berichten mindestens eine emotional schwierige Situation<br />
(Kontrolle, verbale Aggressionen, Zwang oder Drohung); 75,0 % der Mädchen und 51,0 %<br />
der Jungen gaben negative Folgen <strong>für</strong> das Wohlbefinden an.<br />
− 10,5 % der Mädchen und 10,4 % der Jungen berichteten von körperlicher <strong>Gewalt</strong>; 85,0 % der betroffenen<br />
Mädchen und 44,0 % der betroffenen Jungen berichteten von negativen Folgen.<br />
− 26,0 % der Mädchen und 12,7 % der Jungen berichteten von sexualisierter <strong>Gewalt</strong>; 72 % der<br />
Mädchen und 23 % der Jungen benannten negative Auswirkungen.<br />
− Jugendliche, die in ihrem familiären Umfeld <strong>Gewalt</strong> erlebten/bezeugten sind stärker betroffen.<br />
− Negative Auswirkungen der Erfahrungen auf das Wohlbefinden und die Frequenz solcher Ereignisse<br />
zeigen sich stärker bei den Mädchen als bei den Jungen.<br />
−<br />
−<br />
Ausgeübt wurden die Grenzüberschreitungen zu 56,9 % von männlichen Jugendlichen.<br />
Hilfe holen sich Jugendliche überwiegend bei ihren Freundinnen und Freunden, erst an zweiter<br />
und dritter Stelle bei Eltern oder Geschwistern.<br />
Partnerschaftliche Jugendbeziehungen werden in der Heftigkeit der <strong>Gewalt</strong>dynamik regelmässig unterschätzt.<br />
Fälschlicherweise werden sie häufig auch nicht als Tatbestand nach <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz betrachtet,<br />
sodass die relativ einfachen und effizienten Schutzmassnahmen wie Kontakt- und Betretverbot in solchen<br />
Fällen selten zur Anwendung gelangen. Dies ist unter gewaltpräventiven Aspekten zu bedauern, weil<br />
damit auch die proaktive und eventuell aus der <strong>Gewalt</strong>dynamik herausführende Beratung entfällt.<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> Minderjähriger ist eine Form der Jugendgewalt<br />
Jugendgewalt meint landläufig <strong>Gewalt</strong> im öffentlichen Raum. Kinder zeigen z.T. bereits sehr früh Verhaltensweisen,<br />
die auf eine gewalttätige Entwicklung hinweisen. Sie werden oder sind gewalttätig gegenüber<br />
Eltern und Geschwistern. Besteht die Möglichkeit, in der Familie frühzeitig zu intervenieren, besteht die<br />
Möglichkeit, einer weiteren <strong>Gewalt</strong>entwicklung entgegenzuwirken.<br />
In der Arbeit gegen Jugendgewalt wird der Einbezug des familiären Umfeldes auf die Frage reduziert, ob<br />
dieses unterstützend oder schädigend auf die Jugendlichen einwirkt bzw. einwirkte. Es wird nicht gefragt,<br />
ob das familiäre Umfeld durch den Jugendlichen selber bedroht oder gefährdet ist.<br />
Minderjährige, die (<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong> ausüben, sind in ihrer Entwicklung beeinträchtigt und gefährdet.<br />
Das Kindswohl ist tangiert. Ihre spezifische und entwicklungsbedingte Situation ist sowohl in Bezug auf<br />
Präventions- wie Interventionsmassnahmen zu berücksichtigen. Nur präzises Nachfragen bei allen Beteiligten<br />
kann die Komplexität der vorliegenden (<strong>Häusliche</strong>n) <strong>Gewalt</strong> ans Licht bringen und ein wirksames<br />
und nachhaltiges Handeln ermöglichen.<br />
Minderjährige <strong>Gewalt</strong>ausübende im <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz 12<br />
Grundsätzlich gilt das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz auch <strong>für</strong> minderjährige <strong>Gewalt</strong>ausübende in der Familie. Da<br />
diese nicht einfach weggewiesen werden können, sondern <strong>für</strong> sie auch eine Timeout-Platzierung <strong>für</strong> eine<br />
befristete Zeit sichergestellt werden muss, muss das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz ergänzt werden.<br />
10 Fausch, Sandra (2010): <strong>Gewalt</strong> in Teenagerbeziehungen. In: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren. Handbuch <strong>für</strong> Medizin,<br />
Pflege und Beratung. Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung Stadt <strong>Zürich</strong> (Hg.), S. 99-106.<br />
11 Blättler, B. et al.: Teen Dating Violence (2013): Ausmass von Teen Dating Violence (TeDaVi) unter Schülerinnen und Schülern in<br />
Hessen: www.fh-fulda.de/index.php?id=10643<br />
12 Greber, F. (2007/2008): Wenn Minderjährige <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben. Umsetzung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes (GSG) auf Minderjährige<br />
GefährderInnen im Kontext von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. www.ist.zh.ch<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 109 / 4
Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? <strong>Gewalt</strong> im Alter und gegen pflegebedürftige Menschen, November 2013<br />
110 <strong>Gewalt</strong> in Betagtenbeziehungen und gegen pflegebedürftige Menschen<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in Partnerschaften Betagter oder <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> gegen pflegebedürftige, betagte<br />
Menschen, wird bislang kaum öffentlich thematisiert. Es existieren auch nur sehr wenige Untersuchungen.<br />
<strong>Gewalt</strong> in Partnerschaften betagter Menschen<br />
In Partnerschaften, in denen es im Alter zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> kommt, gibt es verschiedene Konstellationen:<br />
- Partnerschaften, in denen über lange Zeit <strong>Gewalt</strong> eingesetzt wurde (in der Regel einseitig), und sich<br />
diese <strong>Gewalt</strong>anwendung ins Alter hinein fortgesetzt;<br />
- langjährige Partnerschaften, in denen <strong>Gewalt</strong>anwendung erst im Alter beginnt als Folge altersbedingter<br />
Veränderungen wie Ausscheiden aus dem Beruf, Erkrankungen etc.;<br />
- im höheren Alter eingegangene Partnerschaften, in denen es zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> kommt.<br />
Soweit Untersuchungen zu Partnergewalt älterer Menschen vorhanden sind, setzen sie bereits im mittleren<br />
Alter ein:<br />
Eine US-amerikanische Untersuchung von 257 Frauen im Alter von 51 bis 79 ergab<br />
- 4,3% der Frauen leben aktuell in einer Partnerschaft, in der sie bereits mindestens einmal bedroht<br />
worden<br />
- 3,9% berichten, dass sie sich aktuell zu Hause nicht sicher fühlen;<br />
- in Schweden erlebten 8% der befragten 55 bis 64-jährigen Frauen im Jahr vor der Befragung <strong>Gewalt</strong><br />
durch ihren Partner;<br />
- in Finnland berichteten 13,4% der über 45jährigen Frauen über mindestens eine <strong>Gewalt</strong>situation<br />
durch ihren Partner im Jahr vor der Befragung;<br />
- in Australien waren es 5,5% der Befragten der gleichen Altersgruppe. 1<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> gegen pflegebedürftige Menschen und Betagte<br />
Die Bonner Initiative gegen <strong>Gewalt</strong> im Alter „Handeln statt Misshandeln (HsM)“ ist eine umfassende Beratungseinrichtung<br />
<strong>für</strong> alte Menschen und deren Angehörige. Eine ihrer Untersuchungen ergab, dass ältere<br />
Menschen mit gesundheitlichen Problemen oft von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> betroffen sind. Die eigene Wohnung<br />
und das Altersheim sind häufig Ort der erlebten <strong>Gewalt</strong>handlungen. 2<br />
In der Bonner HsM-Studie gaben 10,8% der über 60jährigen an, innerhalb der letzten fünf Jahre <strong>Häusliche</strong><br />
<strong>Gewalt</strong> erlebt zu haben (60-74-jährige: 13%; 75jährige und ältere: 7,5%).<br />
Häufigste Formen sind körperliche und psychische Misshandlungen, Vernachlässigung und finanzielle<br />
Schädigung. Regelmässig wird psychische <strong>Gewalt</strong> ausgeübt. Eine besondere Risikogruppe sind kranke<br />
und hilfebedürftige sowie (finanziell) abhängige und sozial isolierte Personen.<br />
1 Nägele, B. (2006): Nahraumgewalt im Alter - die besondere Situation älterer weiblicher <strong>Gewalt</strong>opfer. In: Wehrlos im Alter? Dokumentation<br />
einer Fachtagung und eines Expertenforums, KFN Materialien <strong>für</strong> die Praxis - Nr. 2/2006, S. 33-45.<br />
2<br />
Hirsch, R. D. / Brendebach, Christiane (1999), <strong>Gewalt</strong> gegen alte Menschen in der Familie: Untersuchungsergebnisse der "Bonner<br />
HsM-Studie", in: Zeitschrift <strong>für</strong> Gerontologie und Geriatrie, Jg. 32/1999, H. 6, S. 449-455.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? <strong>Gewalt</strong> im Alter und gegen pflegebedürftige Menschen, November 2013<br />
In der Literatur werden folgende Formen der <strong>Gewalt</strong> gegen betagte Menschen unterschieden:<br />
- Physische Misshandlung durch Zufügung von Schmerzen und Verletzungen, Anbinden, Festhalten,<br />
Einsperren;<br />
- Medikamentöse Misshandlung durch Verabreichung von Beruhigungsmitteln zur Ruhigstellung oder<br />
Medikamentenentzug;<br />
- Psychische Misshandlung (Demütigung, Quälen, Manipulation);<br />
- Soziale Misshandlung (Isolation, Beeinträchtigung des Lebensraums);<br />
- Sexuelle Übergriffe;<br />
- Vernachlässigung, Verwahrlosung (<strong>Gewalt</strong> als Ergebnis der Unterlassung notwendiger Pflegehandlungen);<br />
- Finanzielle Ausnützung durch widerrechtliche Aneignung von Vermögen, Betrugshandlungen etc.<br />
<strong>Gewalt</strong>formen im <strong>Häusliche</strong>n Bereich<br />
Angehörige sind in der Betreuung und Pflege betagter und pflegebedürftiger Eltern vielseitig belastet und<br />
auch überfordert durch:<br />
- Notwendigkeit der ständigen Anwesenheit;<br />
- hohe körperliche und psychische Beanspruchung;<br />
- fehlende Hoffnung auf Veränderung der Situation;<br />
- Angst vor einer weiteren Verschlechterung;<br />
- Verwirrtheitszustände;<br />
- Harn- oder Stuhlinkontinenz;<br />
- veränderte Beziehung zum pflegebedürftigen Elternteil;<br />
- zunehmende Anomie durch Persönlichkeitsveränderungen (d.h. nicht mehr Einhaltenkönnen von<br />
Regeln, Normen und Abmachungen);<br />
- Klagen und Trauer des pflegebedürftigen Elternteils;<br />
- fehlende Zuneigung;<br />
- zunehmendes Gefühle, den familiären Ansprüchen nicht zu genügen;<br />
- Konflikte mit anderen Angehörigen wegen geringer Unterstützung;<br />
- mangelnde Unterstützung durch ambulante Dienste (u. U. wegen fehlender Geldmittel);<br />
- mangelnde gesellschaftliche Anerkennung;<br />
- mangelnde professionelle Beratung und psychoedukative Unterstützung (Nägele 2006).<br />
In den meisten Studien wird zwischen den verschiedenen <strong>Gewalt</strong>kontexten und den unterschiedlichen<br />
Beziehungskonstellationen nicht unterschieden (<strong>Gewalt</strong> professioneller Pflegender, <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in<br />
betagten (Ex-)Partnerschaften oder <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> durch pflegende Angehörige), so dass das Ausmass<br />
der jeweiligen <strong>Gewalt</strong>kontexte unklar ist. <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> gegen betagte Eltern geht oft eine durch<br />
die Pflege bedingte Überforderung oder bereits vorher bestehender belasteter Beziehung voraus. Die<br />
Pflege wird häufig auch aus Druck- und Schuldgefühlen oder Spargründen übernommen. Die Erwartungshaltung<br />
diese Pflege zu übernehmen ist meist gegenüber erwachsenen Töchtern sehr gross.<br />
Triade der <strong>Gewalt</strong> gegen pflegebedürftige Menschen und Betagte 3<br />
Anhand des <strong>Gewalt</strong>dreiecks wird deutlich, dass <strong>Gewalt</strong>handlungen gegen alte Menschen vielfältige Hintergründe<br />
haben. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> hat Aspekte aus jedem Teil der Triade.<br />
3 Hirsch, R. D. (2001): Misshandlung und <strong>Gewalt</strong> an alten Menschen. Notfallmedizin 27, 324-328.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? <strong>Gewalt</strong> im Alter und gegen pflegebedürftige Menschen, November 2013<br />
Einige der aufgezählten Merkmale gelten sowohl bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> gegen betagte, pflegebedürftige<br />
Menschen wie auch im professionellen Kontext.<br />
Pflegebedürftige Menschen sind in mehrfacher Hinsicht anders und stärker von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> betroffen:<br />
- Alters- und krankheitsbedingt sind die Opfer in geringerem Umfang als Jüngere in der Lage, sich<br />
gegen entsprechende Handlungen zu wehren.<br />
- Die Gefahr schwerwiegender Verletzungen wächst bei Gebrechlichkeit, Krankheit, Pflegebedürftigkeit.<br />
- Die Optionen der Opfer, sich aus einer gewaltbelasteten Beziehung zu lösen und "von vorn zu beginnen",<br />
sinken im hohen Alter.<br />
Typologie der Personen, welche pflegebedürftige Menschen gefährden<br />
Es werden drei Typen unterschieden:<br />
Typus 1: "Nicht auf Schädigung des Betroffenen abzielendes, problematisches Verhalten gegenüber<br />
Pflegebedürftigen im häuslichen Umfeld". Ein typisches Beispiel <strong>für</strong> diesen Falltypus ist die Vernachlässigung<br />
eines Pflegebedürftigen aus Unwissen oder aus Überforderung, oder die Zufügung körperlicher<br />
Schmerzen, um den Widerstand des Pflegebedürftigen <strong>für</strong> vermeintlich notwendige Pflegehandlungen zu<br />
überwinden, oder Einschränkungen der Bewegungsfreiheit mit dem Ziel, diesen dadurch vor Selbst- oder<br />
Fremdgefährdungen zu schützen.<br />
Typus 2: „Viktimisierungen Pflegebedürftiger im häuslichen Umfeld mit situationsgebundener Intention<br />
bedeutsamer Schädigung des Opfers". Hierzu gehören insbesondere Fälle, bei denen in einer bestimmten<br />
emotional sehr aufgeladenen Situation der Wunsch entsteht, die pflegebedürftige Person zu verletzen, sie<br />
zu demütigen, ihr Schmerzen zuzufügen, im Extremfall sogar sie zu töten. Ein Beispiel ist der pflegende<br />
Angehörige, der von der demenzkranken, pflegebedürftigen Person zum wiederholten Male körperlich<br />
attackiert wird und ihr schliesslich in einer Art von "überschiessender Reaktion" einen Schlag versetzt oder<br />
die pflegende Tochter, die sich im Verlauf einer Auseinandersetzung von der pflegebedürftigen Mutter in<br />
hohem Masse provoziert und gekränkt fühlt und darauf mit Beschimpfungen antwortet.<br />
Typus 3: „Viktimisierungen Pflegebedürftiger im häuslichen Umfeld mit situationsübergreifender Intention<br />
bedeutsamer Schädigung des Opfers". Beispiel: Die pflegende Angehörige, die vor dem Hintergrund eines<br />
langjährigen Beziehungskonfliktes den Entschluss fasst, die pflegebedürftige Person nicht mehr adäquat<br />
zu versorgen. Das Handeln der Pflegenden ist nicht nur situativ, sondern auch von dem Bestreben geleitet<br />
und getragen, die pflegebedürftige Person zu schädigen, ihr Schmerzen zuzufügen, sie in ihrer Würde,<br />
ihrer Identität, ihrem Selbstwertgefühl zu beeinträchtigen oder sich auf ihre Kosten zu bereichern.“ (Görgen<br />
2006) 4<br />
Wahrnehmen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> gegen pflegebedürftige Menschen<br />
Hausärztinnen und Pflegende können oft als erste Misshandlungen erkennen oder erahnen. Sie hören<br />
von den Überforderungen pflegender Angehöriger und sehen einhergehende psychische Veränderungen<br />
bei den Opfern. Frühe Interventionen sind nur möglich, wenn bereits auf ersten Anzeichen reagiert und<br />
das Gespräch gesucht wird.<br />
Gemäss Zürcher Gesundheitsgesetz können im Gesundheitswesen tätige Personen bei einem Verdacht<br />
eines Deliktes gegen Leib und Leben Anzeige bei der Polizei erstatten, ohne sich vom Berufsgeheimnis<br />
entbinden zu müssen.<br />
Das Erwachsenenschutzrecht verpflichtet „in amtlicher Tätigkeit“ wirkende Personen, Meldungen an die<br />
Erwachsenenschutzbehörde zu machen, falls sie von der Hilfsbedürftigkeit einer Person erfahren.<br />
In akuten Fällen wird eine <strong>für</strong>sorgerische Unterbringung in ein Akutspital notwendig werden, bis ein Pflegeplatz<br />
oder Unterstützung in der Pflege die Situation entspannen kann.<br />
4 Görgen, T. (2006): <strong>Gewalt</strong> in engen persönlichen Beziehungen älterer Menschen. Zwischenergebnisse der Studie "Kriminalität und<br />
<strong>Gewalt</strong> im Leben alter Menschen". In: Wehrlos im Alter? Dokumentation einer Fachtagung und eines Expertenforums, KFN Materialien<br />
<strong>für</strong> die Praxis - Nr. 2/2006, S. 10-32.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Postvention und/oder Paarberatung nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
111 Postvention und Paarberatung nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
Prävention vor, Intervention während und Postvention nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> setzen zu unterschiedlichen<br />
Zeitpunkten an und haben je eigene Zielsetzungen und Vorgehensweisen.<br />
Postvention ist ein systemisches, kontextbasiertes, verhaltensorientiertes und professionelles Beratungsund<br />
Begleitkonzept <strong>für</strong> Paare, (Rest)-Familien und Kinder nach Vorfällen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, das sich<br />
auch am Case-Management orientiert.<br />
Ziele der Postvention sind: Wiederholungen von <strong>Gewalt</strong> verhindern, Schutz der gewaltbetroffenen Personen<br />
(insbesondere auch der Kinder) unter gleichzeitiger Inverantwortungnahme der gewaltbereiten oder<br />
gewalttätigen erwachsenen oder minderjährigen Person, Reduktion von belastenden Stressfaktoren, Unterbrechung<br />
destruktiver Prozesse, Entwickeln und Ermöglichen von Alternativen zur <strong>Gewalt</strong>, Erarbeiten<br />
von konstruktiven Lösungswegen und Lösungen (auch einer Trennung), Etablieren einer konstruktiven<br />
Konfliktkultur sowie ein sorgfältiger Umgang mit Abhängigkeitsverhältnissen unter grösstmöglichem Einbezug<br />
vorhandener persönlicher, familiärer und sozialer Ressourcen.<br />
Grundsätzlich kann Postvention in unterschiedlichen Settings arbeiten, abhängig von der Einschätzung<br />
der Fachperson bezüglich Gefährlichkeit des Täters/der Täterin und bezüglich Eignung eines Paar- oder<br />
Familiensettings.<br />
Die Arbeit mit Paaren nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> wurde während vieler Jahre als ungeeignetes Beratungs-<br />
Setting und Angebot abgelehnt. Dabei ging man von einem massiven Macht- und Abhängigkeitsverhältnis<br />
zu Ungunsten des Opfers (meistens der Frau) aus und empfahl ihr deshalb eine parteiliche Beratung und<br />
Einzeltherapie.<br />
In vielen Fällen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in erwachsenen, heterosexuellen Paarbeziehungen ist von einer Paarberatung<br />
immer noch abzuraten, denn sie setzt eine egalitäre Beziehung und gemeinsame Ziele voraus,<br />
welche in vielen <strong>Gewalt</strong>beziehungs-Konstellationen nicht vorhanden sind.<br />
Postvention und Beratung im Paarsetting? Bedeutung der unterschiedlichen Tätertypen 1<br />
1. Beim angepassten, auf die Familie beschränkten <strong>Gewalt</strong>typus (family only batterer) kann eine<br />
Paarberatung erfolgreich sein.<br />
2. Für den zyklischen / Borderlinetypus (borderline / dysphoric batterer) ist ein Beratungsangebot<br />
zuerst im Einzelsetting sinnvoll. Danach kann eine Paarberatung geprüft werden.<br />
3. Beim antisozialen / psychopathischen Typus (generally violent / antisocial batterer) kann eine<br />
konfrontative Paarberatung eskalierend wirken. Eine Täter-Opfer-Begegnung ist zu vermeiden,<br />
was eine Paarbehandlung ausschliesst.<br />
4. Beim mittelgradig antisozialen Typus (low level antisocial batterer) muss im Einzelfall geprüft<br />
werden, wieweit eine Paarberatung eskalierend wirken kann.<br />
Bei manchen Paarberatungen werden das Opfer von einer Opfer- und der Täter von einer Täterberatungsstelle<br />
begleitet. Diese Art Beratungen werden dann von einem gemischtgeschlechtlichen Beratungs-<br />
Paar gemeinsam durchgeführt.<br />
Studien über Paartherapien und Paarberatungen nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> fehlen. Wichtig wären vor allem<br />
Erkenntnisse zu Indikation, Methodik, Vorgehensweise und Nachhaltigkeit mit dem Ziel einer gewaltfreien<br />
Beziehung.<br />
Die Praxis zeigt, dass die meisten Paare nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> zusammenbleiben und dass auch nach<br />
Ablauf einer polizeilich angeordneten Schutzmassnahme (z.B. Wegweisung) oft weder der Opferschutz<br />
gewährleistet, noch die <strong>Gewalt</strong>dynamik nachhaltig verändert sind. Bei <strong>Gewalt</strong>beziehungen ist deshalb in<br />
jedem Fall in Einzelgesprächen kritisch vorab abzuklären – und zwar unabhängig davon, ob eine polizeiliche<br />
Intervention stattfand oder nicht –, ob sich das Paar-Setting eignet.<br />
„<strong>Gewalt</strong> macht nicht gleich – der Bedarf an Unterstützung und Beratung bei Frauen ist sehr verschieden.“ 2<br />
Tätertypologien und Opferverhalten, spezifische Paar- und Familiendynamiken, Alters- und Genderunterschiede,<br />
so wie die Reaktionen der jeweiligen Gemeinschaft sind ebenso zu differenzieren, wie der Bedarf<br />
an Unterstützung weiterer von <strong>Gewalt</strong> betroffener Personen.<br />
Eine offene und bis heute ungeklärte Frage ist, wie bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen<br />
mit den Jugendlichen gearbeitet werden soll und unter welchen Umständen Paarberatung<br />
auch bei ihnen in Frage käme.<br />
Viele Behörden und Beratungsstellen führen heute auch nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> Paar- und Familienge-<br />
1 Vgl. Kap. 105, 3. Tätertypologien bei (<strong>Häusliche</strong>r) <strong>Gewalt</strong>.<br />
2 Helfferich, C. et al. (2005): Wissenschaftliche Untersuchung zur Situation von Frauen und zum Beratungsbedarf nach einem Platzverweis<br />
bei häuslicher <strong>Gewalt</strong>. Abschlussbericht. Freiburg.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Postvention und/oder Paarberatung nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
spräche durch. Sie sind gefordert, zum Thema und gegenüber den beteiligten Erwachsenen und Kindern<br />
eine klare Haltung einzunehmen. Eine systemische, verhaltensorientierte Beratung oder Therapie des<br />
Paares und/oder der Familie durchführen und eine daraus hervorgehende (mögliche) Gefahr <strong>für</strong> die Opfer<br />
einschätzen und abwenden können jedoch nur spezialisierte Fachpersonen (z.B. in Postvention ausgebildete<br />
oder andere in <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> geschulte BeraterInnen oder PsychotherapeutInnen). Solche<br />
Paarberatungen haben nicht nur eine andere Zielsetzung, sondern bedingen auch andere, vernetztere<br />
Vorgehensweisen und Methoden. Das <strong>für</strong> ein Paar und/oder eine Familie geeignete Setting ist vor allem<br />
auch auf der Zeitachse, der Dauer der <strong>Gewalt</strong>beziehung und der Frage, was im Vorfeld zur Unterstützung<br />
bereits installiert wurde, zu beurteilen. Im Zentrum steht in jedem Fall: Nulltoleranz gegenüber jeder Form<br />
von <strong>Gewalt</strong> und Schutz der Kinder.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Neurowissenschaftliche Aspekte <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
112 Neurowissenschaftliche und forensische Aspekte in der Behandlung<br />
gefährdender Personen<br />
Für die verbreitetsten Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> sind psychosoziale Erklärungsmodelle, auf die sich die<br />
meisten Fachpersonen stützen, angemessen. Für einen Teil der gefährdenden Personen genügen diese<br />
Erklärungsansätze jedoch nicht, nämlich <strong>für</strong> jene, deren gewalttätigem Handeln z.B. neurobiologische<br />
und/oder psychiatrische Krankheiten zu Grunde liegen. Gemeint sind angeborene, durch Krankheit oder<br />
Unfall erworbene Einschränkungen, Veränderungen oder Störungen (in Folge eines Hirntumors, einer<br />
Hirnprellung, einer Demenz, einer unbehandelten Schizophrenie-Erkrankung, eines Defizites der Hirnentwicklung,<br />
perinatale Einflüsse, Intoxikation, Stoffwechselstörung oder einer schweren Psychotraumatisierung<br />
etc.). Auch Manuel Rupp bestätigte, dass Funktionsstörungen des Gehirns und psychische Störungen,<br />
als Folge einer multifaktoriellen Entstehung, das Risiko <strong>für</strong> <strong>Gewalt</strong>tätigkeit erhöhen können 1 . Menschen<br />
mit Hirnfunktionsstörungen oder psychiatrischen Erkrankungen sind jedoch nicht grundsätzlich gewalttätiger<br />
als Gesunde.<br />
Nicht alle Individuen mit psychiatrischen Erkrankungen zeigen gewalttätiges Verhalten. Der Zusammenhang<br />
bei jungen Erwachsenen, die <strong>Gewalt</strong> androhen oder ausüben, wurde in der in den USA 2000 durchgeführten<br />
Studie 2 in Bezug auf drei Diagnosen beschrieben:<br />
− Alkohol-Abhängigkeit<br />
− Drogen-Abhängigkeit<br />
− Schizophrenie-Erkrankung<br />
Menschen mit mindestens einer der genannten Störung machen 1/5 der Befragten <strong>Gewalt</strong>täter aus, waren<br />
jedoch <strong>für</strong> mehr als die Hälfte der <strong>Gewalt</strong>vorfälle verantwortlich. Menschen mit zwei der genannten Störungen<br />
tragen ein ca. 10-20-mal grösseres Risiko <strong>Gewalt</strong> auszuüben, als Menschen ohne diese Störungen.<br />
Auch die aktuelle Studie von Gloor und Meier 3 weist einen Zusammenhang von Alkoholabhängigkeit und<br />
<strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> nach.<br />
Von zentraler Bedeutung ist jedoch: es müssen – vor allem auch Angehörige – nach gewalttätigem Verhalten<br />
solcher erwachsener und minderjähriger PatientInnen gefragt werden.<br />
Richtigerweise sind die Behandlung der Krankheit und die Empathie <strong>für</strong> den gefährdenden Patienten/Patientin<br />
im Vordergrund. Allerdings wird dabei leicht übersehen, dass durch die <strong>Gewalt</strong>, die der Patient/die<br />
Patientin ausgeübt hat, andere Personen verletzt wurden bzw. u.U. vor dem Patienten geschützt<br />
werden müssen. Es ist deshalb unumgänglich, dass im Gesundheitswesen in der Behandlung solcher<br />
Patienten auch Erkenntnisse, namentlich der forensischen Psychiatrie Eingang finden müssen. Der Psychiatrisch-psychologische<br />
Dienst der Direktion der Justiz PPD hat ein grosses Team von versierten ÄrztInnen<br />
und PsychotherapeutInnen, die sowohl HausärztInnen wie auch ÄrztInnen in Kliniken <strong>für</strong> forensische<br />
Fragen zur Verfügung stehen.<br />
Es ist bekannt, dass im Vorfeld schwerer <strong>Gewalt</strong>taten bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> ein Drittel der späteren Täter<br />
in ärztlicher Behandlung waren. Deshalb liegt hier eine grosse Chance der Früherkennung möglicher <strong>Gewalt</strong>entwicklungen,<br />
die mit einer adäquaten Behandlung und/oder weiterer Massnahmen u.U. verhindert<br />
werden können.<br />
Kriminologie und Soziologie, Psychologie und Psychiatrie, Gehirnforschung und Genetik haben gemäss<br />
ihren Traditionen bisher vorwiegend separat geforscht und theoretisiert. Die Internationale Klassifikation<br />
der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit ICF der Weltgesundheitsorganisation WHO adaptierte<br />
das von G. Engel bereits 1977, mehrheitlich in der Medizin verwendete, „bio-psycho-soziale“ Modell zu<br />
einem multidimensionalen, holistischen Gesundheits- und Krankheitsmodell. Ein umfassendes, mehrdimensionales<br />
Verständnis der komplexen Phänomene <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> steht bisher noch aus. Ein „biopsycho-soziales“<br />
Verstehen <strong>Häusliche</strong>r und anderer Formen von <strong>Gewalt</strong> ist notwendig, um diese gefährdenden<br />
Personen soweit möglich einer adäquaten Behandlung zuzuführen, sie zu begleiten, zu beraten<br />
und deren Opfer zu schützen.<br />
1 Rupp, M. (2010): Wie beeinflusst eine psychische Störung die <strong>Gewalt</strong>bereitschaft? Referat gehalten an der Weiterbildung der IST.<br />
2 Arseneault, L.; Moffit, T. E.; Caspi, A.; Taylor, P.J.; Silva, P.A. (2011): Mental Disorders and Violence in a Total Birth Cohort - Results<br />
From the Dunedin Study. www.archgenpsychiatry.com<br />
3 Gloor, D.; Meier, H. (2013): <strong>Gewalt</strong> in der Partnerschaft und Alkohol. Häufigkeit einer Dualproblematik, Muster und Beratungssettings.<br />
Studie im Auftrag des Bundesamtes <strong>für</strong> Gesundheit. www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/30687.pdf<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Verletzungen und gesundheitliche Folgen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
113 Verletzungen und gesundheitliche Folgen körperlicher <strong>Häusliche</strong>r<br />
<strong>Gewalt</strong><br />
Angriffe gegen den Hals (z. B. Würgen)<br />
Erstaunlich oft werden Frauen von ihrem Partner im Verlaufe der gewalttätigen Auseinandersetzung gewürgt.<br />
Die Gefahr <strong>für</strong> das Opfer durch Würgen (Strangulation mit der Hand/den Händen) wird unterschätzt.<br />
Auch die Opfer sind sich der effektiven Gefahr, in der sie gewesen sind, oft nicht bewusst.<br />
Halsarterie, sichert die Sauerstoffversorgung<br />
des Hirns.<br />
Halsvene, sichert den Blutabfluss. Unterbrechung<br />
führt zu einem Blutrückstau.<br />
Halsnerven. Druckimpuls, kann im Einzelfall<br />
zu einer Veränderung der Herzfrequenz<br />
bzw. zum Herzstillstand führen.<br />
Atemwege, Druckeinwirkung führt zu<br />
Atembehinderung bzw. Verletzung derselben.<br />
Beeinträchtigt werden nicht nur die Luftröhre, sondern auch Blutgefässe. Wird der Blutzufluss durch das<br />
Abdrücken der Halsarterien nur <strong>für</strong> wenige Sekunden minimiert oder gar unterbunden, kann die dadurch<br />
auftretende Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff zu schwerwiegenden Hirnschädigungen bis zum<br />
Tod führen.<br />
Wird die Halsvene zugedrückt, entsteht ein Rückstau des Blutes im Kopf-/Halsbereich, welcher durch Einblutungen<br />
in die Haut-/Schleimhäute objektiviert werden kann.<br />
In seltenen Fällen kann es bei Druckeinwirkung auf ein spezielles Nervenbündel über der Verzweigung<br />
der Halsschlagader, zu einer reflexartigen Verlangsamung des Herzschlages oder sogar zu einem Herzstillstand<br />
kommen.<br />
Hinweise <strong>für</strong> das Ausmass der akuten Gefährlichkeit sind u.a. spontaner Urinabgang (der fälschlicherweise<br />
oft als Ausdruck der Todesangst interpretiert wird), Bewusstseinsstörungen (z. B. Erinnerungslücken),<br />
Punkteinblutungen in der Haut des Kopfes/Gesichts und den Schleimhäuten von Augen, Ohren, Mund und<br />
Nase. Die äusserlich sichtbaren Beeinträchtigungen am Ort der <strong>Gewalt</strong>einwirkung am Hals sind oft nur<br />
kleine Hämatome, Hautrötungen oder Schürfungen. Angriffe gegen den Hals sollten immer eine ärztliche<br />
Untersuchung nach sich ziehen. Für die Interpretation der festgestellten Befunde ist der Beizug eines<br />
Rechtsmediziners bzw. einer Rechtsmedizinerin des Institutes <strong>für</strong> Rechtsmedizin der Universität <strong>Zürich</strong><br />
(IRM-UZH) empfohlen, sofern das IRM-UZH nicht bereits die ärztliche Untersuchung vornehmen konnte.<br />
Auszug aus den Richtlinien des IRM-UZH bei Angriffen gegen den Hals (Anamnese):<br />
- Dauer der Handlung / des Ereignisses ?<br />
- Wie ist gewürgt worden: ein- oder beidhändig?<br />
- Atemnot, Bewusstseinsstörung, („Schwarz-werden vor Augen“) ?<br />
- Amnesie (retro/anterograd) ?<br />
- Schluckbeschwerden ?<br />
- Heiserkeit ?<br />
- Sehstörungen ?<br />
- Spontaner Urin- und/oder Stuhlabgang ?<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Verletzungen und gesundheitliche Folgen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
Status: - Sind Verletzungen des Halses bzw. der benachbarten Regionen feststellbar?<br />
- Hautrötungen, Schürfungen an Hals, Kiefer und Gesichtshaut<br />
- Schwellungen, Hämatome an Hals und Kiefer<br />
- Druckschmerz an Hals und Kiefer<br />
- Verschiebeschmerz des Kehlkopfes (behutsam untersuchen)<br />
- Sind punktförmige Einblutungen vorhanden<br />
- Augenbindehäute (einfaches Hochklappen der Augenlider), Gesichtshaut, Mundschleimhaut,<br />
Trommelfelle, Nasenschleimhaut (schnäuzen lassen)<br />
- Bissverletzungen der Zunge<br />
- Bei Schluck- und Kehlkopfbeschwerden: Laryngoskopie (ORL) ernsthaft erwägen, da Gefahr des<br />
Erstickens bei Hämatom oder Ödembildung bestehen kann (MRI-Hals-Untersuchung empfohlen!)<br />
- Verletzungen müssen fotografisch dokumentiert werden.<br />
Verletzungen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
Viele als Haushaltunfälle deklarierte Verletzungen wie Knochenbrüche, „Platzwunden“, Kratzer etc. sind<br />
Folgen direkter <strong>Gewalt</strong>einwirkungen durch fremde Hand.<br />
Gesundheitliche Folgen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
Eine Studie der Maternité Inselhof Triemli in <strong>Zürich</strong> hat die dramatischen gesundheitlichen Folgen <strong>für</strong><br />
Frauen, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erfahren haben, aufgezeigt. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> hinterlässt deutliche, unmittelbare<br />
körperliche und psychische sowie psychosomatische Symptome. Diese reichen je nach Intensität<br />
der erlittenen <strong>Gewalt</strong> von Verletzungen jeglichen Schweregrades, über Schmerzen am ganzen Körper,<br />
Atemprobleme, Gleichgewichtsstörungen, Übelkeit oder Erbrechen, Verdauungsbeschwerden bis zu Essstörungen.<br />
Sehr häufig kommt es zu Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen, Schlaflosigkeit, Nervosität<br />
und Angstgefühlen bis hin zu Panikattacken und Depressionen. Weiter kann es auch zu Alkohol-, Medikamenten-<br />
oder Drogenmissbrauch und zu Suizidalität kommen. Frauen mit <strong>Gewalt</strong>erlebnissen haben<br />
signifikant mehr gesundheitliche Beschwerden als nicht betroffene Frauen. 1<br />
Medizinische Fachpersonen nehmen eine Schlüsselstellung ein<br />
Physische <strong>Gewalt</strong> führt oft zu Verletzungen und Beschwerden, die medizinisch behandelt werden müssen.<br />
Deshalb sind Ärztinnen und Ärzte sowie generell Fachpersonen aus dem Gesundheitsbereich häufig die<br />
ersten Ansprechpersonen <strong>für</strong> von körperlicher <strong>Gewalt</strong> betroffene Frauen, Kinder und Männer. Die Schwelle,<br />
sich an die Polizei oder an spezialisierte Stellen zu wenden, ist <strong>für</strong> <strong>Gewalt</strong>betroffene oft deutlich höher.<br />
Ärztinnen und Ärzte können mithelfen, das Problem wahrzunehmen und durch fachgerechte und detaillierte<br />
Dokumentation die Beweislage <strong>für</strong> den Schutz zu sichern, wenn die von <strong>Gewalt</strong> betroffene Person polizeilichen<br />
Schutz beanspruchen kann und will.<br />
Bei Fragen können sich Fachpersonen jederzeit (24-h-Dienst) an das Institut <strong>für</strong> Rechtsmedizin der Universität<br />
<strong>Zürich</strong> IRM-UZH, Forensische Medizin und Bildgebung, Winterthurerstrasse 190, 8057 <strong>Zürich</strong>,<br />
Tel. 044 63 55 611; irm@irm.unizh.ch, www.irm.unizh.ch wenden.<br />
1 Gloor, Daniela; Meier, Hanna (2004): Frauen, Gesundheit und <strong>Gewalt</strong> im sozialen Nahraum. Repräsentativbefragung bei Patientinnen<br />
der Maternité Inselhof Triemli. Hrsg. von Büro <strong>für</strong> die Gleichstellung von frau und Mann der Stadt <strong>Zürich</strong> und Maternité Inselhof Triemli<br />
<strong>Zürich</strong>. Bern: Edition Soziothek.<br />
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Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Rechtliche Interventionen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> (Übersicht), November 2013<br />
114 Rechtliche Interventionen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> (Übersicht)<br />
Komplexität auch in der Rechtsanwendung<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> tangiert diverse Rechtsgebiete, die sich sowohl bezüglich des angestrebten Zweckes,<br />
wie auch in den Verfahren stark unterscheiden. Oft sind mehrere Verfahren parallel hängig, was zuweilen<br />
auch <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong> eine Herausforderung ist.<br />
Ausser im <strong>Zürich</strong>er <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz ist „<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>“ gesetzlich nicht definiert. Im Strafrecht sind<br />
es diverse Straftatbestände, die erfüllt werden; im Kindsrecht die Gefährdung des Kindswohls durch die<br />
<strong>Gewalt</strong>; im Zivilrecht ist die Folge der <strong>Gewalt</strong> eine Trennung oder Scheidung und hat Einfluss auf die Ausgestaltung<br />
des elterlichen Sorgerechts. Voraussichtlich am 1. Januar 2014 wird die Revision des Elternrechts,<br />
d.h. die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall, in Kraft gesetzt. Wird das Kindswohl durch die<br />
<strong>Gewalt</strong>vorfälle ernsthaft beeinträchtigt, kann u.U. das alleinige Sorgerecht auch künftig beantragt werden.<br />
Schutzmassnahmen und<br />
proaktive Beratung (GSG)<br />
Strafrecht<br />
Kurzfristiger Opferschutz und<br />
Deeskalation<br />
Beschuldigte Person im Fokus<br />
Zivilrecht<br />
Regelung unter den Parteien<br />
(z.B. Ehe-, Partnerrecht,<br />
zivilrechtlicher <strong>Gewalt</strong>schutz )<br />
Kindesschutz<br />
Opferhilfe<br />
Beratung und Unterstützung<br />
Kindesschutzmassnahmen bei<br />
gefährdetem Kindswohl;<br />
Besuchsrechtsregelungen<br />
Zeitpunkt der Wirksamkeit des Schutzes<br />
Die rechtlichen Normen werden zu verschiedenen Zeitpunkten wirksam. Die gewaltschutzrechtlichen<br />
Massnahmen ermöglichen sofortigen Schutz und Deeskalation, während straf- und zivilrechtliche Regelungen<br />
mittel- bis langfristig wirksam werden.<br />
Bei den Kindesschutzmassnahmen ist es stark von der akuten Gefährdung des Kindes abhängig, ob der<br />
Kindesschutz durch Vorsorgliche Massnahmen sichergestellt werden muss.<br />
Interventionen von Amtes wegen oder auf Antrag der Betroffenen<br />
Sind Voraussetzungen zur Anordnung von gewaltschutzrechtlichen Schutzmassnahmen gegeben, handelt<br />
die Polizei von Amtes wegen unabhängig vom Willen der Betroffenen. Dasselbe gilt auch <strong>für</strong> einige Straftatbestände,<br />
die bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> unter Erwachsenen ausgeübt werden. Erfährt die Kindesschutzbehörde<br />
von Kindswohlgefährdungen, was durch die gesetzlich vorgeschriebene Zustellung der polizeilichen<br />
<strong>Gewalt</strong>schutzverfügung der Fall ist, muss sie von Amtes wegen die Situation abklären.<br />
Demgegenüber verlangen die privatrechtlichen Regelungen eine Intitiative jener Partei, die etwas will: „Wo<br />
keine Klägerin, da keine Richter“ ist die Umschreibung dessen, was in der Juristensprache die Dispositionsmaxime<br />
ist. Auch einige Straftatbestände bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> werden nur auf Antrag der geschädigten<br />
Person verfolgt, so der „Hausfriedensbruch“, die „Sachbeschädigung“, der „Telefonterror“. Selbst Körperverletzungen<br />
von Kindern bei Elternmisshandlungen sind (nur) Antragsdelikte.<br />
Beweisintensität<br />
Grundsätzlich ist ein Schutz nur möglich, wenn die <strong>Gewalt</strong>, Drohung oder eine Kindswohlgefährdung<br />
nachgewiesen ist. Die Anforderungen an die Beweisintensität ist in den verschiedenen Rechtsgebieten<br />
unterschiedlich. Im Strafrecht müssen die Tatbestandsmerkmale eines Delikts im Einzelnen zweifelsfrei<br />
nachgewiesen sein. Für die Anordnung von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen reicht der Nachweis einer Gefährdung<br />
durch ausgeübte <strong>Gewalt</strong> oder Drohungen und <strong>für</strong> deren Verlängerung die Glaubhaftmachung der<br />
fortbestehenden Gefährdung.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 114 / 1
Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Nachweis <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
115 Nachweis <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
Kein Schutz ohne Beweis<br />
In jedem rechtlichen Verfahren muss der Lebenssachverhalt, aus welchem ein Recht abgeleitet wird,<br />
nachgewiesen sein. Dies gilt auch <strong>für</strong> die Anordnung kurzfristiger Schutzmassnahmen. Die Behörden<br />
müssen sich ein Bild vom Vorgefallenen machen können. Die Intensität des Nachweises ist je nach Verfahren<br />
unterschiedlich und reicht von blosser Glaubhaftmachung bis zur Zweifelsfreiheit, d.h. die Richterin,<br />
der Richter dürfen keine „unüberwindlichen“ Zweifel haben.<br />
In einigen Verfahren müssen nicht die <strong>Gewalt</strong>vorfälle nachgewiesen werden, sondern in erster Linie deren<br />
Folgen. Dies trifft bei Gefährdung oder Schädigung des Kindswohls zu. Im Kindsschutz steht der Nachweis<br />
der Kindswohlgefährdung im Zentrum. Die Ausgestaltung adäquater Kindsschutzmassnahmen und<br />
die Regelung der Elternrechte (Sorge-, Obhuts-, Betreuungs- und Besuchsrechts) müssen möglichen <strong>Gewalt</strong>eskalationen<br />
Rechnung tragen.<br />
Für gewaltbetroffene Personen mit abgeleitetem Verbleiberecht in der Schweiz, die sich von ihrem gewalttätigen<br />
Ehegatten trennen wollen und erst kurze Zeit in der Schweiz leben, hängt das weitere Verbleiberecht<br />
vom Nachweis der <strong>Gewalt</strong> ab.<br />
Dokumentation von <strong>Gewalt</strong>vorfällen, Anzeigemöglichkeit von Berufs-und Amtsgeheimnisträgern<br />
Kommt es zu <strong>Gewalt</strong> wird oft aus Angst, Scham oder Gefühlen des Versagens darüber geschwiegen.<br />
Manchmal erfahren Dritte davon. Zum Beispiel in der Mütterberatung oder beim Arztbesuch, wenn eine<br />
Frau unter dem Siegel der Verschwiegenheit über ihre Situation berichtet.<br />
Für die ärztlichen Untersuchungen gibt es gute Checklisten, was untersucht und erfragt werden sollte in<br />
Fällen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />
Personen des Gesundheitswesens haben im Kanton <strong>Zürich</strong> die Möglichkeit, der Polizei eine Anzeige ohne<br />
Entbindung vom Arztgeheimnis zu machen, wenn sie Kenntnis von <strong>Gewalt</strong>vorfällen haben. Besteht eine<br />
Fremd- oder Selbstgefährdung mit Waffen, können sowohl Berufs- wie Amtsgeheimnisträger ohne Entbindung<br />
die Polizei avisieren, die die Waffen konfiszieren kann.<br />
Auch wenn noch keine Anzeige erfolgt, ist die genaue Dokumentation wichtig.<br />
Zu einer Dokumentation gehört:<br />
- das Erzählte genau festhalten: Ort, Datum und allenfalls anwesenden Personen;<br />
- zentrale Aussagen oder eine typische Wortwahl genau aufschreiben;<br />
- auf suggestives Nachfragen verzichten (Erzählfluss nicht stören);<br />
- Mitgeteiltes als Mitgeteiltes und nicht als selbst Erlebtes notieren;<br />
- Verletzungen dokumentieren, auch fotografisch (nicht nur mit Detailsaufnahmen, sondern auch mit<br />
Gesamtaufnahmen, die zeigen, wo am Körper die Verletzungen oder die Hämatome sind);<br />
- die seelische Verfassung des Opfers beschreiben;<br />
- evtl. ergänzen, weshalb das Erzählte aus Sicht der Fachperson zutreffend sein muss.<br />
In einen Bericht zuhanden einer Justizbehörde gehört auch der Anlass der Feststellungen und eine kurze<br />
Beschreibung der Dauer und Intensität der professionellen Beziehung zur gewaltbetroffenen Person.<br />
Veränderung der Aussagen unter psychotherapeutischer Behandlung<br />
Wird in Psychotherapien über sexuelle, psychische und physische <strong>Gewalt</strong>vorfälle erzählt, erhalten die Vorfälle<br />
unter der therapeutischen Bearbeitung oft eine andere Bedeutung. Eine veränderte, eventuell distanzierter<br />
wirkende Wortwahl kann direkter Ausdruck davon sein. Unterzog sich z.B. eine Frau Sexualpraktiken<br />
ihres Ehemannes, die sie nicht wollte, kann es sein, dass sie erst in der Psychotherapie wahrnimmt,<br />
dass die Nichtbeachtung ihres Willens eine Form der <strong>Gewalt</strong> ist. Im juristischen Verfahren kann die Neubenennung<br />
des Vorgefallenen als mangelnde Glaubwürdigkeit ausgelegt werden. Es ist deshalb Aufgabe<br />
der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten, verändernde Benennungen und verändernde Wortwahlen<br />
in der Therapiedokumentation festzuhalten, damit <strong>für</strong> andere nachvollziehbar wird, dass dies eine<br />
Folge des psychotherapeutischen Prozesses ist.<br />
Grundsätzlich keine Befragung von Kindern und Jugendlichen, Anzeigepflicht<br />
Wer in seiner amtlichen Tätigkeit von einem Verdacht ausgehen muss, dass Kinder Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
sind, ist verpflichtet, der zuständigen Kindesschutzbehörde eine Gefährdungsmeldung zu machen.<br />
Diese wird die Kinder bzw. deren Eltern anhören und gegebenenfalls Kindesschutzmassnahmen anordnen.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>. Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 115 / 1
Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Die IST im Rückblick und im Heute, November 2013<br />
116 Die IST im Rückblick und im Heute<br />
Die Geschichte der Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> IST geht zurück in die 1990er Jahre. Bereits<br />
seit den 1970er Jahren hatte gemäss Martha Weingartner die Frauenbewegung erstmals öffentlich<br />
auf die <strong>Gewalt</strong> aufmerksam gemacht, die zuhause hinter verschlossenen Türen von Männern gegenüber<br />
ihren Frauen ausgeübt wird. Es entstanden die ersten Frauenhäuser, die gewaltbetroffenen Frauen und<br />
ihren Kindern Zuflucht und Unterstützung boten. Dann entstanden Mitte der 1990er Jahre auch in der<br />
Schweiz Interventionsprojekte. Ziel war, <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> mit „verschiedenen ineinander greifenden<br />
Massnahmen zu vermindern“. Sie sollten bei Opfern und Tätern ansetzen und „nebst rechtlichen Konsequenzen<br />
auch längerfristige Beratung und Unterstützung beinhalten. Die Zusammenarbeit zwischen Opfer-Beratungsstellen,<br />
Polizei und Justiz wurde stark gefördert und führte zu wesentlichen Verbesserungen“.<br />
1<br />
Ausdruck des gesellschaftlichen Wandels war die Annahme der Beobachter-Initiative, die am 1. Januar<br />
1993 zur Inkraftsetzung des Opferhilfegesetzes führte. Dieses Gesetz schuf die gesetzliche Grundlage <strong>für</strong><br />
die kantonale Finanzierung privater Beratungs-Organisationen und -Einrichtungen.<br />
Im Jahr 1995 lancierte der Zürcher Stadtrat die Kampagne „Männergewalt macht keine Männer“. Zeitgleich<br />
entstand <strong>für</strong> die Stadt das „Zürcher Interventionsprojekt gegen Männergewalt ZIP“, welches von<br />
Marlene Eggenberger geleitet wurde. Sie begann mit der Vernetzungsarbeit aller mit <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
befassten Fachpersonen durch die Schaffung eines „Runden Tisches“. Nach Projektabschluss folgte im<br />
Jahr 2000 der Aufbau des kantonalen Nachfolgeprojekts.<br />
Nach der Ermordung von Carmen S., die grosse Mängel im justiziellen Vorgehen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
ans Licht brachte, gründete der damalige 1. Staatsanwalt Marcel Bertschi 1996 die interdisziplinäre Arbeitsgruppe<br />
„Hilfe <strong>für</strong> bedrohte Opfer HIBO“. Aus ihr entstand 2001 die auf schwere <strong>Gewalt</strong>taten spezialisierte<br />
kantonale Bezirksanwaltschaft BAK V. 2<br />
Aus der politischen Einsicht, dass die Koordination der <strong>Fachleute</strong> nicht nur ein städtisches Anliegen, sondern<br />
vor allem ein kantonales ist, wurde 2001 die „Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> IST“ im<br />
Generalsekretariat der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons <strong>Zürich</strong> unter Leitung der Sozialarbeiterin<br />
Marlene Eggenberger (80%) und des Jugendanwaltes Riccardo Steiner als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter (70%) mit einer Sekretariatsstelle (50%) unter Regierungsrat Dr. Markus Notter ins Leben gerufen.<br />
Das war auch die Geburtsstunde des „Strategischen Kooperationsgremium gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des<br />
Kantons <strong>Zürich</strong>“. In den Folgejahren wurde nach Kräften an der Einführung eines Zürcher Polizeigesetzes<br />
gearbeitet, um polizeiliche Massnahmen zur Deeskalation und zum Schutz <strong>Gewalt</strong>betroffener zu schaffen.<br />
Eine Bestandesaufnahme der Situation im Kanton <strong>Zürich</strong> diente als Ausgangslage 3 . Anders als in anderen<br />
Kantonen sollte in <strong>Zürich</strong> die Polizei die Anordnungskompetenz erhalten mit der Möglichkeit der nachträglichen<br />
richterlichen Überprüfung. Die Daten der gewaltausübenden sowie der gewaltbetroffenen Personen<br />
sollten automatisch an spezialisierte Beratungsstellen übermittelt werden mit dem Ziel, zeitnah an den<br />
Vorfall Beratungen anzubieten. Bei Kindern sollte in jedem Fall eine Gefährdungsmeldung an die Kinderschutzbehörde<br />
erfolgen. Die Interventionsstelle IST und das Strategische Kooperationsgremium erhielten<br />
eine gesetzliche Grundlage.<br />
Nach heftigen Kontroversen und Auseinandersetzungen verabschiedete der Kantonsrat das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz<br />
am 19. Juni 2006 mit 92 gegen 48 Stimmen dennoch.<br />
Im Herbst 2006 wurden Franziska Greber, Psychotherapeutin, Coach und Supervisorin und Cornelia Kranich,<br />
Rechtsanwältin, Mediatorin und Erwachsenenbildnerin Co-Leiterinnen zu je 50% mit einem zu 50%<br />
dotierten Sekretariat.<br />
2004 war die sogenannte Offizialisierung in Kraft gesetzt worden. Für einige Delikte im „häuslichen Nahbereich“,<br />
die in Ehe und Partnerschaft begangenen werden, sollte automatisch ein Strafverfahren eingeleitet<br />
werden, auch ohne Antrag des Opfers. Gleichzeitig sollte das Opfer die Möglichkeit haben, das Strafverfahren<br />
wieder zur Einstellung zu bringen 4 . Dies führt derzeit zu einer hohen Einstellungsrate der Strafverfahren<br />
bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />
Auf den 1. Januar 2007 wurde der Paradigmenwechsel des Schweizer Sanktionsrechts in Kraft gesetzt.<br />
1 Weingartner, M.(2010): Einleitung. In Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung der Stadt <strong>Zürich</strong>; Frauenklinik Maternité, Stadtspital Triemli; Verein<br />
Inselhof Triemli (Hrsg).: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren. Handbuch <strong>für</strong> Medizin, Pflege und Beratung, 2. Überarbeitete und<br />
erweiterte Aufl. Hans Huber-Verlag. Bern. S. 15.<br />
2 Steiner, S. (2004): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>. Erscheinungsformen, Ausmass und polizeiliche Bewältigungsstrategien in der Stadt <strong>Zürich</strong>. Verlag<br />
Rüegger. <strong>Zürich</strong>, Chur. S. 15ff.<br />
3 Kranich Schneiter, C.; Eggenberger, M.; Lindauer, U. (2004): Gemeinsam gegen häusliche <strong>Gewalt</strong>. Eine Bestandesaufnahme im Kanton<br />
<strong>Zürich</strong>. Schulthess. <strong>Zürich</strong>.<br />
4 Art. 55a StGB<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen und Monika Maurer, Assistentin 116 / 1
Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Die IST im Rückblick und im Heute, November 2013<br />
Freiheitsstrafen bis 180 Tage wurden durch Geldstrafen ersetzt. Damit wurde <strong>für</strong> die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ein<br />
ungeeignetes Sanktionssystem geschaffen, das zu einer zusätzlichen Belastung gewaltbetroffener Familienangehöriger<br />
führte. Für das Vorgehen gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> bedeutete dies ein Rückschritt 5 .<br />
Drei Monate später, am 1. April 2007, konnte das Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz (GSG) 6 in Kraft gesetzt<br />
werden, nachdem die IST und das Strategische Kooperationsgremium viele <strong>für</strong> das Gelingen einer raschen<br />
Umsetzung notwendigen Vorbereitungsarbeiten erledigt hatten. Als Veranschaulichung eine Abbildung<br />
aus der Plakatkampagne 7 der Zürcher Frauenzentrale, welche die Einführung medial begleitete und<br />
als erstes Zeichen der Vernetzungsarbeit stand. Vielleicht erinnert sich die eine oder der andere gut an<br />
dieses Bild in den Trams und Bussen sowie übergross und animiert auf dem Bildschirm in der Ankunfts-<br />
Halle des Zürcher Hauptbahnhofs.<br />
Screenshot Zürcher Frauenzentrale, Frühjahr 2007<br />
Die erste Aufgabe der Co-Leiterinnen bestand in der Umsetzung des GSG. § 17 Abs. 1 GSG definiert die<br />
Aufgaben der IST (Steuerung, Koordination, Überprüfung, Öffentlichkeitsarbeit, Weiterbildung der <strong>Fachleute</strong>)<br />
und hält somit gesetzlich fest, dass es die IST als solche Stelle gibt. Weiter hält der Regierungsrat<br />
im Konsolidierten Entwicklungs- und Finanzplan (KEF) 8 2007 – 2010 fest, dass das Generalsekretariat der<br />
Direktion der Justiz und des Innern (JI) eine „Interventionsstelle gegen häusliche <strong>Gewalt</strong>“ führt. So wurde<br />
im Gesetz und im KEF die bereits bestehende Integration der IST in die JI bestätigt.<br />
Die verschiedenen beruflichen Hintergründe der Co-Leiterinnen waren „Programm“. Damit wurde die Interund<br />
Transdisziplinarität sichergestellt. Vorerst gilt es, das Phänomen der <strong>Häusliche</strong>n <strong>Gewalt</strong> in seinen<br />
vielfältigen bio-psycho-sozialen Aspekten zu verstehen. Dies ist eine Voraussetzung <strong>für</strong> die Entwicklung<br />
von Herangehensweisen, die rechtlich zielfördernd und nachhaltig umgesetzt werden können. Die im Strategischen<br />
Kooperationsgremium vertretenen <strong>Fachleute</strong> und Organisationen gewährleisteten und unterstützten<br />
diesen Prozess, so wie zusätzlich den Theorie-Praxis-Transfer.<br />
Das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz verlangt ein institutionalisiertes Strategisches Kooperationsgremium, d.h. eine<br />
fachübergreifende Arbeitsgruppe, die die Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> unterstützt und begleitet.<br />
Das strategische Kooperationsgremium setzt sich aus Vertretern und Vertreterinnen von 20 privaten<br />
und staatlichen Institutionen und Behörden zusammen, um Strategien gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> <strong>für</strong> den<br />
Kanton <strong>Zürich</strong> zu entwickeln. Kooperation ist der Schlüssel <strong>für</strong> eine wirksame Interventionsarbeit. Die Kooperation<br />
ist im <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzt verankert und gibt ihr das notwendige Gewicht. Das „Strategische<br />
Kooperationsgremium“ (StrK) trifft sich vier Mal pro Jahr mit der Aufgabe, Strategien zur Minderung <strong>Häusliche</strong>r<br />
<strong>Gewalt</strong> zu diskutieren und deren Umsetzung in die Wege zu leiten.<br />
5 Der Nationalrat hat in der Sitzung vom 24. September 2013 der Wiedereinführung kurzer Freiheitsstrafen zugestimmt. Das Geschäft muss<br />
noch in den Ständerat.<br />
6 <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz vom 19. Juni 2006, LS 351<br />
7 Zürcher Frauenzentrale; Politische Projekte; Schutz vor häuslicher <strong>Gewalt</strong><br />
8 KEF 2007–2010, S. 96; Organisationsverordnung der JI (JIOV) vom 23. Dezember 2010<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen und Monika Maurer, Assistentin 116 / 2
Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Die IST im Rückblick und im Heute, November 2013<br />
Die IST organisiert im Rahmen des StrK auch im Frühjahr je an vier Vormittagen Fachweiterbildungen z.B.<br />
auf Grund neuer Forschungsergebnisse im Bereich <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> und sichert somit den Austausch<br />
unter den <strong>Fachleute</strong>n, fördert Diskussionen zur Optimierung etc. Zur Unterstützung der täglichen Arbeit<br />
erarbeitete die IST in Zusammenarbeit mit dem StrK ein umfassendes „<strong>Manual</strong> <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong>“ 9 .<br />
mit <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> befasste <strong>Fachleute</strong><br />
Als Untergruppe führt die IST die Arbeitsgruppe Monitoring. Auch diese trifft sich vier Mal pro Jahr mit<br />
der Aufgabe, u.a. Schnittstellen-Probleme möglichst frühzeitig zu erkennen und Lösungsvorschläge<br />
auszuarbeiten. Dazu verschickt die IST jeweils vor den Sitzungen die sogenannte Problemerfassungsliste<br />
an gut 30 Stellen im Kanton <strong>Zürich</strong>. Der Verteiler soll sämtliche Bereiche der mit <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
befassten <strong>Fachleute</strong> erreichen, damit eine möglichst lückenlose Monitorisierung allfälliger Schnittstellenprobleme<br />
stattfinden kann. Die Rückmeldungen an die IST erfolgen anhand anonymisierter Fälle, die<br />
an der Sitzung besprochen werden. Die mögliche Lösung <strong>für</strong> ein Problem kann zum Beispiel sein, dass<br />
einer Fachperson ein Fehler unterlaufen ist, der auf einen Informations- oder auf einen Weiterbildungsbedarf<br />
hinweist oder aber eine Behörde ein Formular anpassen muss, damit die Empfänger<br />
mehr Klarheit haben <strong>für</strong> ihre Entscheidungen. Diese Lösungen sollen einfach und möglichst schnell<br />
umsetzbar sein.<br />
Es kann aber auch sein, dass eine Problematik nicht mit einer einfachen Formular-Anpassung gelöst<br />
werden kann. Dann sind allenfalls auch Verordnungs- oder Gesetzesanpassungen ins Auge zu fassen.<br />
Diese Änderungen sind dann einzubringen, wenn ein Gesetz gerade in Revision ist. So können Anregungen<br />
der Co-Leiterinnen und der <strong>Fachleute</strong> im Zuge von Vernehmlassungen durch die IST eingebracht<br />
werden. Ob diese Anregungen später im Gesetz verankert sind, hängt vom politischen Willen in<br />
den vorbereitenden Kommissionen und schlussendlich vom Parlament ab und im Falle einer Abstimmung,<br />
von der Mehrheit des Stimmvolks.<br />
Nach dem zweifachen Tötungsdelikt von Pfäffikon am 11. August 2011 wurde die IST und das Kooperationsgremium<br />
beauftragt, Verbesserungsvorschläge zum Vorgehen zusammen zu tragen, die im Schlussbericht<br />
über mögliche Optimierungsmassnahmen bei Verfahren im Rahmen von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> vom<br />
13. Juni 2012 10 zusammengefasst sind. Die Regierung nahm ihn am 20. Juni 2012 zur Kenntnis 11 und<br />
entschied gleichentags, dass <strong>Gewalt</strong>schutz und <strong>Gewalt</strong>bekämpfung als Schwerpunkt der Strafverfolgung<br />
2012–2015 12 zu priorisieren sind. Die Regierung 13 verortete als Konsequenz die Interventionsstelle per 1.<br />
Januar 2014 in der neu geschaffenen Präventionsabteilung der <strong>Kantonspolizei</strong> unter Leitung von Oblt<br />
Reinhard Brunner. Die Leitung der IST übernimmt eine zu 100% angestellte Fachperson.<br />
9 www.ist.zh.ch / <strong>Manual</strong> <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong><br />
10 Download:<br />
/www.ji.zh.ch/internet/justiz_inneres/de/themen/ist/_jcr_content/contentPar/downloadlist_1341314370536/downloaditems/bericht_m_gliche_opt<br />
.spooler.download.1341313967990.pdf/0_120613_AG+Opt_Schlussbericht.pdf<br />
11 RRB Nr. 660. Schlussbericht der Arbeitsgruppe «Mögliche Optimierungsmassnahmen bei Verfahren im Rahmen von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>»<br />
(Kenntnisnahme) vom 20. Juni 2012<br />
12 RRB Nr. 659. Berichterstattung zu den Schwerpunkten in der Strafverfolgung 2009–2012 und Schwerpunktbildung in der Strafverfolgung<br />
2012–2015 vom 20. Juni 2012<br />
13 RRB Nr. 941. Übertragung der Interventionsstelle gegen häusliche <strong>Gewalt</strong> vom 29. August 2013<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen und Monika Maurer, Assistentin 116 / 3
Kanton <strong>Zürich</strong><br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
Kapitel 2<br />
Kurzfristiger Schutz und Deeskalation<br />
bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Inhaltsübersicht, November 2013<br />
Inhaltsverzeichnis Kapitel 2<br />
Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
200 Grundlagen<br />
201 • Rechtlicher Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> November 2013<br />
202 • Das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz (GSG) in Kürze November 2013<br />
203 • Übersicht über die polizeilichen Massnahmen nach GSG November 2013<br />
204 • Was regeln die Schutzmassnahmen? Was nicht? November 2013<br />
205 • Verfahren vor dem Zwangsmassnahmen- und dem Verwaltungsgericht Januar 2013<br />
206 • Verhältnis der GSG-Massnahmen zu zivil- und strafrechtlichen Anordnungen November 2013<br />
207 • Die proaktive Beratung November 2013<br />
208 • Gefährdungsmeldung an die KESB und zeitnahe Kinderansprache November 2013<br />
209 • Probleme in der Anwendung des Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes November 2013<br />
240 Merkblätter, Flyer, Informationsmaterial <br />
241 • Flyer zu Schutzmassnahmen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> Januar 2012<br />
260 Beispiele, Verfügungen, Musterbriefe <br />
261 • Polizeiliche Schutzverfügung nach GSG September 2013<br />
280 Gesetzestexte, Rechtsprechung §<br />
281 • Gesetzestexte zum kurzfristigen Schutz vor <strong>Gewalt</strong> Januar 2013<br />
282 • Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz<br />
1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />
November 2013<br />
Dazu: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Serviceteil im Kapitel 9<br />
<br />
901 • Wichtige Zürcher Adressen November 2013<br />
902 • Weiterführende Links September 2011<br />
903 • Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme November 2013<br />
904 • Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen November 2013<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Rechtlicher Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
201 Rechtlicher Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />
Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />
Arten von Schutzmassnahmen<br />
Die meisten Gesetze sehen Massnahmen vor, die bei einer besonderen Dringlichkeit<br />
eine vorsorgliche, einstweilige Regelung ermöglichen. So auch <strong>für</strong> akute <strong>Gewalt</strong>situationen,<br />
wenn der Schutz <strong>Gewalt</strong>betroffener gesichert sein muss.<br />
In der akuten <strong>Gewalt</strong>situation ist eine Wegweisung aus der gemeinsamen Wohnung<br />
kombiniert mit einem Rayon- und Kontaktverbot meistens eine genügende Massnahme<br />
zur vorläufigen Beruhigung der Situation.<br />
Wird aber mit einer Kindsentführung gedroht, braucht es weitergehende Massnahmen.<br />
Bei ernsten Morddrohungen reicht i.d.R. eine Wegweisung alleine nicht aus.<br />
Ist die <strong>Gewalt</strong> krankheitsbedingt, braucht es u.U. zusätzliche Massnahmen. U.U.<br />
muss auch Schutz gewährleistet werden können, ohne dass es bereits zu einer<br />
<strong>Gewalt</strong>eskalation gekommen ist, wenn ernsthafte Hinweise vorliegen, dass es zu<br />
einem schweren <strong>Gewalt</strong>delikt kommen könnte.<br />
Benötigt eine gewaltbetroffene Person zwar Schutz, will aber die Polizei aus unterschiedlichen<br />
Gründen nicht einschalten, stellt sich <strong>für</strong> involvierte <strong>Fachleute</strong> oft die<br />
Frage, ob gleichwohl Schutzmassnahmen beantragt werden können und sollen.<br />
Es gilt also im Einzelfall zu prüfen, welche Schutzmassnahmen kurzfristig angezeigt<br />
sind und welches Verfahren angestrengt werden muss.<br />
<strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Massnahmen<br />
Im Kanton <strong>Zürich</strong> ist seit dem 1. April 2007 das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz (GSG) vom<br />
19. Juni 2006 in Kraft. Es handelt sich um Polizeirecht in Konkretisierung der allgemeinen<br />
polizeilichen Generalklausel, deren Zweck die Aufrechterhaltung von Ruhe<br />
und Ordnung ist, u.a. durch den Schutz von Personen, die an Leib und Leben bedroht<br />
sind. Die Polizei muss, wenn sie sich von der Drohung oder der <strong>Gewalt</strong> überzeugt<br />
hat, die Schutzmassnahmen auch gegen den allfälligen Willen der gefährdeten<br />
Person anordnen. Mit einer 14-tägigen, polizeilichen Wegweisung, einem<br />
Betret- und Kontaktverbot und der nachfolgenden pro-aktiven Beratung durch spezialisierte<br />
Stellen wird diesem Schutzbedürfnis in der akuten Situation Rechnung<br />
getragen. Die Massnahmen können richterlich um weitere drei Monate verlängert<br />
werden, wenn glaubhaft die Gefahr fortbesteht.<br />
Die polizeilichen Schutzmassnahmen werden unentgeltlich angeordnet. Für die<br />
richterliche Verlängerung fallen Kosten von etwa CHF 300 bis CHF 600 an, die von<br />
der gefährdenden Person zu tragen sind, falls dem Verlängerungsgesuch entsprochen<br />
wird. Eventuell müssen zusätzlich Parteientschädigungen <strong>für</strong> die Vertretung<br />
der Gegenpartei bezahlt werden.<br />
Hält sich eine gefährdende Person nicht an die Schutzverfügung, wird sie auf Anzeige<br />
mit Busse bestraft. Ist der Vollzug der Schutzmassnahme durch ihr Verhalten<br />
in Frage gestellt, kann ein gewaltschutzrechtlicher Gewahrsam angeordnet werden,<br />
der richterlich um vier Tage verlängert werden kann.<br />
Provisorische oder superprovisorische Massnahmen im Eheschutz- und<br />
Scheidungsverfahren sowie bei Auflösung der Partnerschaft<br />
Ein Eheschutz- oder Scheidungsverfahren wird nur eingeleitet, wenn sich die gewaltbetroffene<br />
Person trennen will und eine Klage am zuständigen Gericht einleitet.<br />
Es werden sämtliche Folgen der Trennung (Unterhalt, Wohnungszuweisung, Elternrechte,<br />
insb. Obhut- und Besuchsrecht) geregelt.<br />
Ist ein <strong>Gewalt</strong>schutzverfahren vorausgegangen und damit die unmittelbare Gefahr<br />
beseitigt, werden im Eheschutzverfahren i.d.R. keine vorsorglichen Massnahmen<br />
angeordnet, sofern der eheschutzrichterlicher Entscheid noch innerhalb der Laufzeit<br />
der gewaltschutzrechtlichen Massnahmen ergehen kann.<br />
Spezielle Umstände können es notwendig machen, im Eheschutzverfahren vorsorgliche<br />
oder gar superprovisorische Massnahmen zu erwirken. Im Kontext <strong>Häusliche</strong>r<br />
<strong>Gewalt</strong> gilt dies bei einer akuten, konkret nachweisbaren Gefahr einer Kindsentführung.<br />
Da gilt es, das Sorgerecht unverzüglich auf den bedrohten Elternteil zu<br />
übertragen, damit überhaupt ein Rechtstitel besteht, der eine Rückführung des Kin-<br />
Art. 172ff ZGB<br />
Art. 248ff ZPO<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Rechtlicher Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
des möglich machen kann. Die Massnahmenanordnung dauert immer einige Tage<br />
evtl. sogar Wochen.<br />
Nach Ablauf der gewaltschutzrechtlichen Wegweisung kann die gefährdende Person<br />
in die gemeinsame Wohnung zurückkehren. Ist aufgrund der konkreten Umstände<br />
diese Rückkehr unzumutbar, muss die Rückkehr mit einer eheschutzrechtlichen<br />
Ausweisung gerichtlich festgehalten werden.<br />
Sowohl im Eheschutz- wie im Scheidungsverfahren können auf Antrag langfristige,<br />
d.h. über mehrere Monate oder Jahre gültige Rayon-, Annährungs- und Kontaktverbote<br />
angeordnet werden.<br />
Diese privatrechtlichen Schutzmassnahmen können auch im Scheidungsverfahren<br />
bzw. bei Auflösung einer Partnerschaft auf Antrag angeordnet werden.<br />
Nichteinhalten der privatrechtlichen Schutzmassnahmen zieht nur dann Folgen<br />
nach sich, wenn im Gerichtsentscheid ausdrücklich eine Bestrafung vorgesehen ist.<br />
Auf Anzeige werden Widerhandlungen gebüsst.<br />
Die Kosten eines Eheschutzverfahrens mit vorsorglichen Massnahmen betragen<br />
zwischen CHF 800 – 2‘500 (ohne Gebühren und Übersetzungskosten). Die Kosten<br />
sind von der unterliegenden Partei zu bezahlen. Allerdings ist die klagende Partei<br />
kostenvorschusspflichtig und das Gericht kann die Gerichtskosten damit verrechnen.<br />
Sofern in <strong>Gewalt</strong>fällen das Gericht keine situationsadäquate Kostenvorschussregelung<br />
trifft, heisst dies faktisch, dass die gewaltbetroffene Partei die Gerichtskosten<br />
finanziert.<br />
Zivilrechtlicher <strong>Gewalt</strong>schutz (vorsorgliche Massnahmen) <strong>für</strong> Konkubinatspaare<br />
und Geschiedene<br />
Sind die gewaltausübende und gewaltbetroffene Person nicht mehr verheiratet oder<br />
leben sie im Konkubinat, besteht die Möglichkeit, zivilrechtlich ein Betret-, Rayonund<br />
Kontaktverbot, das über mehrere Monate oder Jahre angeordnet werden kann,<br />
zu beantragen. Auch diese Massnahmen können vorsorglich vor der Einleitung des<br />
Hauptverfahrens angeordnet werden. Ist die <strong>Gewalt</strong> nachweisbar, so sind in der<br />
Regel die Voraussetzungen <strong>für</strong> vorsorgliche Massnahmen gegeben, sofern nach<br />
wie vor eine nachweisbare Gefährdungssituation besteht. Eingeleitet werden muss<br />
ein Zivilprozess im Vereinfachten Verfahren bei der Schlichtungsstelle (FriedensrichterIn).<br />
Die Anordnung vorsorglicher Massnahmen dauert in der Regel immer einige<br />
Tage oder Wochen.<br />
Die klagende Partei ist i.d.R. kostenvorschusspflichtig, d.h. es müssen ca. CHF<br />
2‘000 geleistet werden, ausser das Gericht sehe wegen der <strong>Gewalt</strong>situation davon<br />
ab. Werden zivilrechtliche Schutzmassnahmen ausgesprochen, so muss die beklagte<br />
Partei die Gerichtskosten übernehmen. Wurde ein Vorschuss verlangt, werden<br />
die Gerichtskosten allerdings damit verrechnet und die klagende Partei muss<br />
dann selbst sehen, wie sie die Gerichtskosten bei der beklagten Partei, also der<br />
gewaltausübenden, einfordern kann.<br />
Nichteinhalten der Massnahmen hat auf Anzeige nur Folgen, falls die Bussenandrohung<br />
im Widerhandlungsfall bereits im richterlichen Entscheid vorgesehen ist.<br />
Strafprozessuale „Schutzmassnahmen“<br />
Im Kanton <strong>Zürich</strong> ist bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in rund 80% der Vorfälle ein ernsthafter<br />
Verdacht auf ein Vergehen oder Verbrechen gegeben. Deshalb wird parallel zu den<br />
gewaltschutzrechtlichen Massnahmen von Amtes wegen auch ein Strafverfahren<br />
eröffnet.<br />
Besteht die Gefahr, dass das <strong>Gewalt</strong>opfer in seinem Aussageverhalten unter Druck<br />
gesetzt wird oder ist die dringende Gefahr gegeben, dass es zu Wiederholungstaten<br />
kommt oder zur Ausführung eines schweren, angedrohten Delikts, wird die beschuldigte<br />
Person in der Regel durch das Zwangsmassnahmengericht auf Antrag<br />
der Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft versetzt. Kann mit einem Kontakt- und<br />
Rayonverbot oder z.B. mit Arztbesuchen, Hinterlegung von Ausweisschriften,<br />
Zwangsberatungen beim mannebüro etc. die Kollusions- oder Ausführungsgefahr<br />
verhindert werden, wird die Untersuchungshaft durch Ersatzmassnahmen ersetzt,<br />
d.h. es kommt zu einer Entlassung aus der Untersuchungshaft mit Auflagen. Untersuchungshaft<br />
und Ersatzmassnahmen gelten maximal drei Monate, wenn sie durch<br />
das Zwangsmassnahmengericht nicht weiter verlängert werden.<br />
Art. 28b ZGB<br />
Kapitel 3<br />
Art. 28b ZGB<br />
Art. 243ff ZPO<br />
Kapitel 5<br />
Art. 221 StPO<br />
Art. 237 StPO<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Rechtlicher Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
Widerhandlung gegen die Ersatzmassnahmen hat meist erneut Untersuchungshaft<br />
zur Folge.<br />
<strong>Gewalt</strong>opfern erwachsen keine Kosten durch die Ersatzmassnahmen.<br />
Friedensbürgschaft<br />
Selten beantragt wird die „Friedensbürgschaft“. Wurde mit einer Körperverletzung<br />
oder dem Tod gedroht und handelt es sich um eine (nachgewiesene) <strong>Gewalt</strong>beziehung,<br />
kann verlangt werden, dass die drohende Person vor der Staatsanwaltschaft<br />
verspricht, die Tat nicht zu begehen und da<strong>für</strong> eine Sicherheit leisten muss. Verweigert<br />
sie das Versprechen, kann sie bis zu zwei Monaten in Sicherheitshaft gesetzt<br />
werden. Die Friedensbürgschaft kann in einem laufenden Strafverfahren oder<br />
selbständig bei der Staatsanwaltschaft beantragt werden. Sie hat wegen der hergestellten<br />
Öffentlichkeit der gemachten Drohungen eine nicht unwesentliche zusätzliche<br />
Schutzfunktion. Die Friedensbürgschaft wird in der Praxis allerdings selten beantragt.<br />
Die Sanktion ist die Eröffnung eines Strafverfahrens, wenn ein Delikt begangen wird<br />
sowie der Verlust der hinterlegten Sicherheit.<br />
Strafrechtliche Weisungen und Bewährungshilfe<br />
Kommt es zu einer bedingten Verurteilung einer beschuldigten Person, so kann das<br />
Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft Weisungen auferlegen. Es handelt sich um<br />
Verhaltensanforderungen, die während der Dauer der angeordneten Probezeit der<br />
bedingten Strafe, d.h. während minimal zwei bis maximal fünf Jahren, einzuhalten<br />
sind und der Verhinderung weiterer Delikte dienen.<br />
Ein Ersttäter bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> wird i.d.R. nur eine bedingte Strafe erhalten, sofern<br />
es überhaupt zu einer Verurteilung kommt. Die Weisungen verbieten ihm z.B.<br />
einen bestimmten Ort aufzusuchen, sich einer Person auf eine definierte Distanz<br />
anzunähern, Kontakt aufzunehmen oder verpflichten ihn, regelmässige Beratungsgespräche,<br />
evtl. ein Lernprogramm zu absolvieren.<br />
Werden die Weisungen missachtet, kann die Probezeit verlängert oder eine zusätzliche<br />
Weisung durch das Gericht angeordnet werden. Besteht die Gefahr, dass der<br />
Verurteilte ernsthaft Delikte begeht, kann die bedingte Strafe widerrufen werden.<br />
Weisungen werden im Urteil mit einer Bewährungshilfe kombiniert. Deren Aufgabe<br />
ist es u.a. zu überprüfen, ob die Weisungen eingehalten und die gewünschte Wirkung<br />
auch eintreten. Die Bewährungshilfe hat gegebenenfalls einen Bericht zu<br />
schreiben und zu beantragen, dass andere Weisungen oder sogar die Strafe zum<br />
Vollzug gelangen sollte, wenn sich zeigt, dass eine erneute Delinquenz droht.<br />
Art. 66 StGB<br />
Art. 372ff StPO<br />
Art. 94ff StGB<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Das GSG in Kürze, November 2013<br />
202 Das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz (GSG) in Kürze<br />
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />
Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> nach GSG<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> liegt vor, wenn eine Person in einer bestehenden oder aufgelösten<br />
familiären oder partnerschaftlichen Beziehung in ihrer körperlichen, sexuellen<br />
oder psychischen Integrität verletzt oder gefährdet wird<br />
− durch Ausübung oder Androhung von <strong>Gewalt</strong> oder<br />
− durch wiederholtes Belästigen, Auflauern, Nachstellen (Stalking).<br />
Ob die gefährdende Person mit der gefährdeten Person einen gemeinsamen Haushalt<br />
führt oder jemals geführt hat, spielt keine Rolle. Es muss eine familiäre oder<br />
partnerschaftliche Beziehung bestehen oder bestanden haben, die sich u.a. durch<br />
Vertrautheit, Verletzlichkeit und Abhängigkeit äussert. Damit fallen auch Eltern-<br />
Kinder-, Verwandtschafts-, Geschwister- und auch Liebesbeziehungen unter Teenagern<br />
unter die Legaldefinition. Weil ‚häuslich’ keine adjektivische Konnotation hat,<br />
wird ‚Häuslich’ als Begriff in den Texten der IST grossgeschrieben.<br />
Schutzbedürftigkeit<br />
Das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz schreibt vor, dass die Polizei „die zum Schutz notwendigen<br />
Massnahmen“ anzuordnen hat, sobald ein Fall von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> vorliegt.<br />
Dies wird immer dann der Fall sein, wenn<br />
- die gefährdete Person eine Wiederholung des Vorfalls oder gar eine Eskalation<br />
be<strong>für</strong>chtet oder<br />
- die Polizei aus früheren Interventionen bereits um die <strong>Gewalt</strong> weiss und wiederum<br />
Hinweise darauf vorliegen;<br />
- es Hinweise auf die Androhung oder Ausübung von <strong>Gewalt</strong> gibt.<br />
Die Polizei ist verpflichtet auch gegen den Willen der Parteien, namentlich auch gegen<br />
den Willen der gefährdeten Person, Schutzmassnahmen anzuordnen. Bei der<br />
Feststellung des Sachverhalts, aber auch bei der Beurteilung der Frage nach der<br />
Schutzbedürftigkeit der gefährdeten Person, stellt die Polizei in erster Linie auf die –<br />
glaubhaften – Schilderungen der gefährdeten Person und nicht auf diejenigen der<br />
gefährdenden ab. Schutzmassnahmen sind auch anzuordnen, wenn sich die gefährdende<br />
Person vorübergehend an einen anderen Ort aufhält (z.B. im Frauenhaus,<br />
im Ausland etc.).<br />
Polizeiliche Schutzmassnahmen<br />
Die Polizei kann <strong>für</strong> die Dauer von 14 Tagen drei Arten von Schutzmassnahmen<br />
verfügen:<br />
- eine Wegweisung aus dem Haus oder aus der Wohnung und / oder<br />
- ein Betretverbot <strong>für</strong> bestimmte Strassen und Quartiere (Wohn-, Arbeitsort,<br />
Schule) und / oder<br />
- ein Kontaktverbot mit der gefährdeten Person und – wo nötig – mit dieser<br />
nahe stehenden Personen (insb. betroffene Kinder).<br />
Die Schutzmassnahmen ergehen unter der Strafandrohung von Art. 292 StGB „Ungehorsam<br />
gegen amtliche Verfügungen“. Ein angezeigter Verstoss wird mit Busse<br />
bestraft.<br />
Verfügt die Polizei eine Wegweisung, muss die gefährdende Person eine<br />
- Zustelladresse <strong>für</strong> behördliche Mitteilungen nach GSG bekannt geben,<br />
- alle Schlüssel zur Wohnung oder zum Haus abgeben,<br />
- dringend benötigte Gegenstände packen (Reiseutensilien).<br />
Verfügt die Polizei ein Betretverbot, werden die erfassten Strassen und Quartier(e)<br />
auf einer Strassenkarte eingetragen. In der Regel wird die unmittelbare Umgebung<br />
der Wohnung und/oder des Arbeitsorts, die Schule, sowie der Weg dahin erfasst.<br />
Auf der Strassenkarte ist damit der Rayon sichtbar, der nicht betreten werden darf.<br />
Verfügt die Polizei ein Kontaktverbot, so kann sie dieses auf andere Personen<br />
ausdehnen, die der gefährdeten Person nahe stehen, insbesondere auch auf<br />
betreuungsbedürftige Kinder, wenn deren Schutzbedürfnis durch die Situation ausgewiesen<br />
ist. Diese Ausweitung muss begründet werden.<br />
§ 2 Abs. 1 GSG<br />
Gesetzestext GSG: 281<br />
Rechtsprechung zum GSG<br />
282<br />
§ 3 Abs. 1 GSG<br />
§ 3 Abs. 2 GSG<br />
§ 4 Abs. 3 GSG<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Das GSG in Kürze, November 2013<br />
Richterliche Überprüfung und Verlängerung<br />
Innert fünf Tagen kann eine Schutzverfügung durch die gefährdende Person beim<br />
zuständigen Zwangsmassnahmengericht angefochten werden. Die gefährdete Person<br />
hat die Möglichkeit, innert acht Tagen eine Verlängerung der Schutzmassnahme<br />
um maximal drei Monate zu beantragen. Das Zwangsmassnahmengericht entscheidet<br />
innert vier Arbeitstage. Der richterliche Entscheid kann innert fünf Tagen<br />
mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht angefochten werden, wobei der Bestand<br />
der Schutzmassnahme bis zum Entscheid des Verwaltungsgerichts nicht berührt<br />
wird.<br />
Zuständig sind Einzelrichterinnen und Einzelrichter am Zwangsmassnahmengericht<br />
der Zürcher Bezirksgerichte.<br />
Fristberechnung<br />
Die Zählung des Fristenlaufs beginnt immer mit dem folgenden Tag, an welchem<br />
die Schutzverfügung nachweislich in Empfang genommen, spätestens sieben Tage,<br />
nachdem ein eingeschriebener Brief nicht abgeholt wurde. Ab diesem Tag werden<br />
alle Kalendertage durchgezählt (inkl. Samstage, Sonntage, Feiertage so auch an<br />
Ostern, Pfingsten und Weihnachten).<br />
Die Frist hört am letzten Tag aus. Fällt der letzte Tag auf einen Samstag, Sonntag<br />
oder einen Feiertag, läuft sie am nachfolgenden Werktag ab, also am Montag oder,<br />
nach Ostern und Pfingsten, am Dienstag.<br />
Die Frist ist eingehalten, wenn am Tag des Fristablaufs das Gesuch an das Gericht<br />
der Schweizerischen Post (also nicht privaten Organisationen) übergeben wurde.<br />
Zum Nachweis der eingehaltenen Frist empfiehlt sich, den Brief eingeschrieben<br />
wegzuschicken. Diese Fristberechnung gilt <strong>für</strong> das <strong>Gewalt</strong>schutz-, Zivil- und Strafverfahren.<br />
Die prozessuale Fristberechnung ist anders als im Privatrecht: Fristen <strong>für</strong> Kündigungen<br />
eines Miet- oder Arbeitsvertrags sind nur eingehalten, wenn am Tag des<br />
Fristablaufs das Schreiben bei der Adressatin ist (die siebentägige Abholfrist <strong>für</strong><br />
eingeschriebene Briefe ist auch zu berücksichtigen).<br />
Der Gewahrsam<br />
Neben der Anordnung einer Schutzmassnahme kann die Polizei eine gefährdende<br />
Person <strong>für</strong> maximal 24 Stunden in Gewahrsam nehmen. Diese Massnahme kann<br />
zum Zug kommen<br />
- falls eine schwerwiegende und unmittelbare Gefährdung nicht anders abgewendet<br />
werden kann oder<br />
- zur Sicherung des Vollzugs einer Schutzmassnahme:<br />
> bei Widerstand durch die gefährdende Person während der polizeilichen<br />
Intervention oder<br />
> wenn sich herausstellt, dass die gefährdende Person gegen die Schutzmassnahme<br />
verstösst oder verstossen hat (Vollzugssicherung).<br />
Ist nach Beurteilung durch die Polizei ein Gewahrsam von mehr als 24 Stunden notwendig,<br />
stellt die Polizei beim zuständigen Zwangsmassnahmengericht umgehend<br />
einen begründeten Antrag um Verlängerung (maximal vier Tage).<br />
Proaktive Beratung <strong>für</strong> gefährdete und gefährdende Personen<br />
Die polizeilichen Schutzmassnahmen werden Opferberatungs- und Beratungsstellen<br />
<strong>für</strong> gefährdende Personen zugeschickt, deren Mitarbeitende je mit den Betroffenen<br />
umgehend Kontakt aufnehmen, um die Situation abzuklären.<br />
Zeitnahe Kinderansprachen<br />
Das GSG sieht nicht vor, auch die Kinder rasch anzusprechen. Die alten Vormundschaftsbehörden<br />
brauchten teilweise sehr viel Zeit, bis sie auf die Kinder bzw. Eltern<br />
zugingen. Mit der neuen Behördenorganisation der professionellen Kindes- und<br />
Erwachsenenschutzbehörden wird sich das Problem dann verringern, wenn die Arbeitslast<br />
dieser Behörden in den Normalbereich kommt.<br />
Mit zwei Pilotprojekten in Winterthur einerseits und in zwei Zürcher Stadtkreisen<br />
und dem Bezirk Horgen andererseits wurde zeitnah an das <strong>Gewalt</strong>ereignis mit dem<br />
elterlichen Einverständnis auch mit den im Haushalt lebenden Kindern gesprochen.<br />
Den Kindern sollte zur Intervention der Kindsschutzbehörden eine erste Orientierungshilfe<br />
und Informationen gegeben werden. Die Pilotprojekte wurden durch das<br />
§ 5 GSG<br />
§ 6 GSG<br />
§§ 8 GSG<br />
§33 GOG<br />
§ 13 Abs. 1 GSG<br />
§ 14 GSG<br />
§ 15 Abs. 2 GSG<br />
§ 16 Abs. 2 GSG<br />
Zeitnahe Kinderansprachen<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Das GSG in Kürze, November 2013<br />
Marie Meierhofer Institut <strong>für</strong> das Kind in <strong>Zürich</strong> begleitet und evaluiert. Die Studie<br />
zeigte die dringende Notwendigkeit <strong>für</strong> eine rasche Unterstützung der Kinder auf.<br />
Derzeit wird abgeklärt, ob die zeitnahe Kinderansprache definitiv eingeführt werden<br />
kann.<br />
Gefährdungsmeldung an die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB)<br />
und vorsorgliche Kindesschutzmassnahmen<br />
Sind Kinder im Haushalt, wird die Schutzmassnahme der zuständigen KESB zugestellt,<br />
die abklärt, ob eine kindesschutzrechtliche Massnahme notwendig ist.<br />
Handelt die KESB nach Eingang einer Gefährdungsmeldung rasch und hört sie sich<br />
die Kindseltern bzw. die Kinder an, hat sie die Möglichkeit des Erlasses einer provisorischen<br />
kindsschutzrechtlichen Massnahme. Wenn sie diesem Entscheid auch<br />
gleichzeitig die aufschiebende Wirkung <strong>für</strong> den Fall einer Beschwerde entzieht, tritt<br />
die Kindesschutzmassnahme unverzüglich in Kraft (unter Vorbehalt eines später<br />
ergehenden Endentscheides des KESB).<br />
Hat die Polizei oder das Zwangsmassnahmengericht die Kinder in das Kontaktverbot<br />
zum Schutz des gefährdeten Elternteils einbezogen, kann die KESB, falls sich<br />
das gänzliche Kontaktverbot als zu weitgehend erachtet, einstweilen einen Beistand<br />
zur Überwachung des Besuchsrechts anberaumen oder – falls die Eltern eine adäquate<br />
Lösung bieten können – diese übernehmen. Damit kann die GSG-<br />
Massnahme bezüglich des gänzlichen Kontaktverbots zu den Kindern im Sinne des<br />
Kindesschutzes rasch modifiziert werden.<br />
Gelingt es, dieses Vorgehen zu implementieren, werden auch die Zwangsmassnahmenrichte,<br />
die zur Prüfung von Kindesschutzmassnahmen nicht zuständig sind,<br />
entlastet.<br />
Interventionsstelle und Kooperation der <strong>Fachleute</strong><br />
Die Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>, die ab dem 1. Januar 2014 der<br />
<strong>Kantonspolizei</strong>, Dienststelle <strong>für</strong> <strong>Gewalt</strong>prävention angegliedert ist, hat Koordinations-<br />
und Evaluationsaufgaben. Sie ist auch zuständig <strong>für</strong> Weiterbildungen und Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Ihr zur Seite steht das Strategische Kooperationsgremium, ein<br />
behörden- und fachübergreifendes Gremium, das die Arbeit der Interventionsstelle<br />
unterstützt.<br />
§ 15 Abs. 1 GSG<br />
Art. 273, 275 ZGB i.V. 445<br />
Abs. 1, i.V. 450c ZGB<br />
Aufhebung der GSG-<br />
Massnahme mit adäquaten<br />
Kindsschutzmassnahmen<br />
§ 7 Abs. 1 GSG<br />
§§ 17 GSG<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Übersicht über die polizeilichen Massnahmen nach GSG, November 2013<br />
203 Übersicht über die polizeilichen Massnahmen nach GSG<br />
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901;<br />
Weiterführende Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />
Beziehungskonstellation § 2 Abs. 1 GSG<br />
Familie<br />
Partnerschaft<br />
bestehend<br />
z.B. Eheleute, Eltern-Kind, Schwiegereltern,<br />
Geschwister, Verschwägerte, Grosseltern<br />
z.B. Paarbeziehung, Lebenspartnerschaft,<br />
Freundschaft, auch intime Beziehungen unter<br />
Jugendlichen (keine Wohngemeinschaft<br />
erforderlich)<br />
aufgelöst<br />
z.B. Geschiedene, Getrennte, Ex-Schwager, Ex-<br />
Schwiegereltern<br />
(nicht die neue Partnerin bzw. Partner!)<br />
z.B. Ex-Partner, Ex-Freundin, Ex-Lebenspartner<br />
Gefährdung oder Verletzung der Integrität § 2 Abs. 1 GSG<br />
Körperliche Integrität<br />
Sexuelle Integrität<br />
Psychische Integrität<br />
Verletzung<br />
z.B. Kratzen, Schlagen, Würgen, Einsperren,<br />
Aussperren, Festbinden, etc.<br />
z.B. Vergewaltigen, gegen Willen in sexuelle<br />
Handlungen einbeziehen, etc.<br />
z.B. Nötigen, Drohen, gezielter Hinweis auf<br />
Waffen, regelmässig Demütigen, stetes<br />
Beschimpfen, Abwerten, mit Suizid/Rache<br />
drohen, Misshandeln, die freie Lebensgestaltung<br />
in wichtigen Belangen verbieten oder<br />
verunmöglichen (Zwang zu Heirat, striktes<br />
Ausgehverbot, Zwang zu sozialer Isolation),<br />
wiederholtes Nachstellen, Belästigen, Auflauern<br />
(Stalken), Telefon-, Mailterror, etc.<br />
Nicht erfasst werden heftige verbale Streitigkeiten, die keine Verletzung oder Gefährdung zur Folge haben.<br />
Gefährdung<br />
z.B. Androhung von Verletzungen oder sonstige<br />
Nachteile, Schläge androhen, Morddrohungen,<br />
etc.<br />
z.B. Vergewaltigung androhen, Androhung<br />
sexueller Handlungen gegen den Willen der<br />
gefährdeten Person, etc.<br />
z.B. Gegenstände mit hohem Gefühlswert<br />
absichtlich zerstören, Haustiere quälen, gezielte<br />
Verunglimpfung im sozialen Umfeld (auch im<br />
Internet), mit Verlust der Kinder oder<br />
Kindsentführung drohen, etc.<br />
Tathandlung § 2 Abs. 1 lit. a; lit. b GSG<br />
Ausüben oder Androhen<br />
von physischer, sexueller oder psychischer <strong>Gewalt</strong><br />
Stalking<br />
wiederholtes Belästigen,<br />
Auflauern, Nachstellen<br />
Schutzbedürftigkeit § 3 Abs. 1 GSG<br />
In der Regel, wenn<br />
→ nachvollziehbare Be<strong>für</strong>chtung vor weiterem Übergriff oder Gefahr der<br />
Eskalation droht<br />
JA → ein Machtungleichgewicht in der Beziehung besteht (körperlich oder<br />
finanziell)<br />
→ Unfähigkeit, sich zu wehren infolge seelischer Ohnmacht, frühere<br />
Vorkommnisse o.Ä. vorliegt<br />
→ gegen bestehende Schutzmassnahmen verstossen wurde.<br />
→ Bei erstmaligem geringfügigem Vorfall ohne Anzeichen auf<br />
Wiederholung und ohne Angst der gefährdeten Person<br />
→ Einmalige Entgleisung unter ähnlich starken Personen ohne<br />
NEIN<br />
<strong>Gewalt</strong>auswirkungen<br />
→ Erstmaliger, eher geringfügiger Vorfall im Zusammenhang mit beidseits<br />
übermässigem Alkohol- oder Drogenkonsum<br />
Schutzmassnahme<br />
anordnen<br />
Keine<br />
Schutzmassnahme<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Übersicht über die polizeilichen Massnahmen nach GSG, November 2013<br />
Schutzmassnahmen § 3 Abs. 2 GSG<br />
Wegweisung Betretverbot Kontaktverbot<br />
→ Zustelladresse angeben.<br />
Wenn keine Adressangabe innert ca. 24<br />
Stunden erfolgt, werden Zustellungen <strong>für</strong><br />
die GSG Verfahren an die polizeiliche<br />
Fachstelle gerichtet und müssen dort<br />
abgeholt werden.<br />
→ Schlüsselabnahme<br />
→ Mitnahme Reiseutensilien<br />
→ Rayonverbot<br />
Gebiet wird auf einer Strassenkarte<br />
eingezeichnet, welche unterschrieben<br />
und der Verfügung beigelegt wird.<br />
→ Verbot, mit gefährdeter Person in<br />
Kontakt zu treten<br />
→ Evtl. zusätzlich: Verbot mit<br />
nahestehenden Personen in Kontakt<br />
zu treten, wenn dies zu deren Schutz<br />
angezeigt ist (z.B. Kinder, neuer<br />
Partner etc.). Muss begründet<br />
werden.<br />
Anordnen mit Schutzmassnahme-Verfügung<br />
(gilt <strong>für</strong> 14 Tage nach Kenntnisnahme durch Gefährder)<br />
Kopie an gefährdete Person<br />
Wenn keine sofortige Kenntnisnahme möglich ist, wird am vermuteten Aufenthaltsort der gefährdenden Person eine Aufforderung<br />
deponiert, sich bei der Polizei zu melden. Nach drei Tagen ohne Meldung wird die Verfügung im Amtsblatt veröffentlicht. Die Verfügung gilt<br />
ab Datum der Veröffentlichung (§ 4 Abs. 2 GSG).<br />
Mitteilung der Schutzmassnahme-Verfügung<br />
→ an GSG-Opferberatungsstelle<br />
→ an Beratungsstelle <strong>für</strong> gefährdende Personen<br />
→ an Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) bei Kindern im Haushalt<br />
Die gefährdende Person kann innert fünf Tagen die Überprüfung durch<br />
das Zwangsmassnahmengericht verlangen (§ 5 GSG). Der Entscheid<br />
ergeht unter Anhörung der Parteien innert vier Arbeitstagen (§ 9 Abs. 1<br />
GSG).<br />
Die gefährdete Person (Opfer) kann innert acht Tagen beim<br />
Zwangsmassnahmengericht eine Verlängerung um maximal 3<br />
Monate beantragen (§ 6 Abs. 1 GSG). Der Entscheid ergeht unter<br />
Anhörung der Parteien innert vier Arbeitstagen (§ 9 Abs. 1 GSG).<br />
Innert fünf Tagen kann Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden. Die richterliche Massnahme bleibt bis zum Entscheid des<br />
Verwaltungsgerichts in Kraft (§ 11a GSG).<br />
Falls ein Verdacht auf ein Verbrechen oder ein Vergehen mit Kollusionsgefahr vorliegt, gibt es evtl. zusätzlich eine polizeiliche Festnahme<br />
gemäss Strafprozessordnung und eine Zuführung an die Staatsanwaltschaft.<br />
Gewahrsam §§13 GSG<br />
Evtl. wird polizeilich zusätzlich ein gewaltschutzrechtlicher Gewahrsam angeordnet (<strong>für</strong> 24 Stunden)<br />
→ Wenn eine schwerwiegende und unmittelbare Gefährdung vorliegt, die nicht anders abgewendet werden kann (entfällt aber, falls es zu<br />
einer polizeilichen Festnahme nach Strafprozessordnung kommt);<br />
→ Zur Sicherung des Vollzugs einer Schutzmassnahme z.B. bei Widerstand gegen die polizeiliche Intervention oder weil die Schutzmassnahme<br />
während der Geltungsdauer nicht beachtet wurde. Zusätzlich kann die widerhandelnde Person auf Anzeige wegen Verstoss gegen<br />
Art. 292 StGB gebüsst werden.<br />
Die Polizei kann innert 24 Std. eine Verlängerung des Gewahrsams beim Zwangsmassnahmengericht beantragen (§ 14 GSG).<br />
Die gefährdende Person wird durch das Zwangsmassnahmengericht innert zwei Arbeitstagen angehört.<br />
Verlängerung um max. vier Tage.<br />
Innert fünf Tagen kann Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden. Die richterliche Massnahme bleibt bis zum Entscheid des<br />
Verwaltungsgerichts in Kraft (§ 11a GSG).<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 203 / 2
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Was regeln die Schutzmassnahmen? Was nicht? November 2013<br />
204 Was regeln die GSG-Schutzmassnahmen? Was nicht?<br />
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />
Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />
Die Schutzmassnahme will kurzfristigen Schutz und die Beruhigung der Situation<br />
Das Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz will den rechtlichen Schutz, die Sicherheit und die § 1 Abs. 1GSG<br />
Unterstützung gefährdeter Personen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> sicher stellen. Die 14-<br />
tägigen polizeilichen Schutzmassnahmen dienen der Beruhigung und Deeskalation<br />
der Situation. Sie können richterlich um maximal drei Monate verlängert werden.<br />
§ 6 Abs. 3 GSG<br />
Eine Unterbringung im Frauenhaus kann trotz Schutzmassnahmen bei akuter Gefahr<br />
oder starker Beeinträchtigung der psychischen Integrität und Isolation der gefährdeten<br />
Frau und Kinder notwendig sein.<br />
Das GSG wird von Amtes wegen angewendet - auch gegen den Willen der Betroffenen<br />
Schutzmassnahmen werden von Amtes wegen angeordnet. Ist <strong>für</strong> die Zürcher Polizei<br />
offensichtlich, dass die Voraussetzungen erfüllt sind, ordnet sie die 14 Tage<br />
§ 3 Abs. 1 GSG<br />
dauernden Schutzmassnahmen an - auch gegen den Willen der Betroffenen. Damit<br />
wird die <strong>Gewalt</strong>spirale unterbrochen und genügend Zeit <strong>für</strong> eine flankierende Krisenberatung<br />
sichergestellt.<br />
Auch Kinder werden geschützt<br />
Für die Dauer der polizeilichen, evtl. der richterlichen Schutzmassnahmen kann das<br />
Kontaktverbot auch auf Kinder ausgedehnt werden, sofern die Kinder selber direkt<br />
von <strong>Gewalt</strong> betroffen sind, die elterlichen <strong>Gewalt</strong>handlungen beobachten mussten<br />
oder damit zu rechnen ist, dass der Kontakt zu den Kindern zu einer erneuten <strong>Gewalt</strong>eskalation<br />
führt. Kann der Schutz der Kinder z.B. durch eine mindere Massnahme<br />
erreicht werden, muss diese angeordnet werden.<br />
Allerdings ist der Zwangsmassnahmerichter weder zuständig noch durch das rasche<br />
Verfahren in der Lage, kindsschutzrechtliche Aspekte abzuklären. Das ist Sache<br />
der KESB, die neuerdings auch vermehrt den kindsschutzrechtlichen Handlungsbedarf<br />
nach Eingang der Schutzmassnahmeverfügung abzuklären beginnt,<br />
und wo möglich, noch innerhalb der 3-monatigen Verlängerungsfrist eine vorsorgliche<br />
Massnahme (mit Entzug der aufschiebenden Wirkung) erlässt. Damit kann das<br />
weitgehende, gewaltschutzrechtliche Kontaktverbot gegenüber den Kindern aufgehoben<br />
bzw. modifiziert werden.<br />
In schwierigen Fällen kann das Zwangsmassnahmegericht auch zusätzlich nochmals<br />
eine Gefährdungsmeldung an die KESB machen.<br />
Sowohl die Polizei wie die Richtenden müssen die Gründe, die eine Ausweitung<br />
des Kontaktverbotes auf Kinder rechtfertigen, festhalten und begründen.<br />
Das GSG löst eine Beratung in der Krisensituation aus<br />
Die polizeilichen Schutzmassnahmen werden unverzüglich zuständigen Opferberatungsstellen<br />
sowie Stellen <strong>für</strong> die Beratung gefährdender Personen zugestellt. Den<br />
Betroffenen soll <strong>für</strong> ihre individuelle Situation ein Ausweg aus der <strong>Gewalt</strong>situation<br />
aufgezeigt werden. Sind die betroffenen Personen Eltern, werden auch der Schutz<br />
der Kinder und die Auswirkungen der <strong>Gewalt</strong> auf die Kinder thematisiert, um so die<br />
elterliche Verantwortung anzusprechen.<br />
Derzeit wird geprüft, ob <strong>für</strong> die Kinder eine Ansprache flächendeckend sichergestellt<br />
werden soll, die zeitnah an den <strong>Gewalt</strong>vorfall erfolgt, bis die KESB die Abklärungen<br />
veranlasst hat bzw. Kindesschutzmassnahmen verfügen kann.<br />
Gefährdungsmeldung an die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB)<br />
Leben Kinder im Haushalt, erhält die zuständige KESB eine Kopie der Schutzmassnahmeverfügung.<br />
Sofern die Familie der KESB bzw. den Kinder- und Jugendhilfe<br />
(KJH) nicht bereits bekannt ist, wird u.U. eine erste Abklärung ausgelöst um zu<br />
prüfen, ob zur Wahrung des Kindswohls die Anordnung von Kindsschutzmassnahmen<br />
notwendig ist.<br />
In Fällen von Trennungsgewalt kann mit der Anordnung eines Beistands, welcher<br />
bei der Besuchsrechtsabwicklung hilft, evtl. mit geringem Aufwand ein deeskalierender<br />
Effekt bewirkt werden.<br />
§ 3 Abs. 1 lit. c GSG<br />
Vgl. Rechtsprechung zum<br />
GSG 282, 2.4<br />
Art. 273, 275 i.V. Art 445<br />
Abs. 1, 450c ZGB<br />
§ 7 Abs. § ZGB<br />
Art. 442 Abs. 2 ZGB<br />
§ 15 Abs. 2 GSG<br />
§ 15 Abs. 1 GSG<br />
Art. 302ff. ZGB<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Was regeln die Schutzmassnahmen? Was nicht? November 2013<br />
Das GSG kommt auch bei Trennungsgewalt zur Anwendung<br />
In rund 40% der polizeilichen Schutzmassnahmen handelt es sich um Formen der § 2 Abs. 1 lit. b GSG<br />
Trennungsgewalt. Das heisst, die Partnerschaft oder Familie lebt bereits getrennt.<br />
Die gefährdende Person übt aber <strong>Gewalt</strong> aus, sei dies in Form von (Mord-) Drohungen,<br />
Telefon-, Mail- und SMS-Terror, Belästigungen, Verunglimpfung bei Arbeitgeber<br />
oder Drittpersonen, Nachstellungen. Mit den GSG-Kontakt- und Betretverbot<br />
kann die Situation häufig beruhigt werden.<br />
Das GSG findet auch Anwendung, wenn gleichzeitig ein Strafverfahren eingeleitet wird<br />
Die 14-tägige polizeiliche Schutzmassnahme wird auch verfügt, wenn gleichzeitig<br />
ein Strafverfahren eingeleitet und eine Untersuchungshaft angeordnet wird. Die Untersuchungshaft<br />
dauert oft nur ein paar Tage. Die Dauer ist <strong>für</strong> die gefährdeden<br />
Personen nicht voraussehbar. Entlassungen erfolgen sehr kurzfristig und verunmöglichen<br />
dem Opfer oft, eigene Massnahmen zu treffen. Der Gefährder darf trotz<br />
Entlassung aus der Untersuchungshaft während der Dauer der GSG-Massnahme<br />
nicht in die Wohnung zurückkehren.<br />
Eine GSG-Schutzmassnahme kann auch angeordnet werden, wenn kein strafrechtlich<br />
relevantes Verhalten vorliegt. Anwendungsfälle sind Stalkinghandlungen<br />
ohne <strong>Gewalt</strong> (wiederholtes Auflauern, Nachstellen) oder wenn <strong>Gewalt</strong>handlungen<br />
vorliegen, die nur auf Strafantrag verfolgt werden und kein Strafantrag vorliegt (z.B.<br />
Körperverletzungen oder Tätlichkeiten gegen eine Mutter durch ihr Kind sind<br />
Antragsdelikte, Sachbeschädigungen, Hausfriedensbruch, Telefonterror).<br />
Keine verhaltensändernden Massnahmen durch das GSG<br />
Mit dem GSG kann die gefährdende Person nicht verpflichtet werden, sich <strong>Gewalt</strong><br />
mindernden Massnahmen zu unterziehen, wie z.B. dem Lernprogramm der Bewährungs-<br />
und Vollzugsdienste des Kantons <strong>Zürich</strong> „Partnerschaft ohne <strong>Gewalt</strong>“ (PoG),<br />
einer Therapie, einer Alkohol- oder Drogenbehandlung. Es kann lediglich versucht<br />
werden, in der Krisenberatung die Person zu motivieren, sich freiwillig einem solchen<br />
Programm oder einer Behandlung zu unterziehen.<br />
Strafrechtlich sind verhaltensändernde Massnahmen möglich<br />
Eine Verpflichtung, sich einer verhaltensändernden deliktsmindernden Massnahme<br />
zu unterziehen, kann mit einer strafrechtlichen Verurteilung oder einem Strafbefehl<br />
als Weisung aufgenommen werden. Allerdings ist die Einstellungsrate der Strafverfahren<br />
aus unterschiedlichen Gründen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> hoch, so dass dieses<br />
einfache, spezialpräventive strafrechtliche Instrument in der Praxis wenig angewandt<br />
wird.<br />
Anordnungen zur Ausübung des Besuchsrechts<br />
Zu <strong>Gewalt</strong> neigenden Eltern kann aus kindsschutzrechtlichen Erwägungen das Aufsuchen<br />
eines Lernprogramms oder einer geeigneten Therapie oder Begleitung nahe<br />
gelegt werden. Dies ist möglich, falls ein Obhutsentzug in Betracht gezogen<br />
werden muss, wenn die <strong>Gewalt</strong> nicht eingedämmt werden kann oder wenn bei getrennt<br />
Lebenden <strong>Gewalt</strong> bei der Besuchsrechtsabwicklung be<strong>für</strong>chtet wird.<br />
Das GSG regelt weder Unterhaltsverpflichtungen noch Elternrechte<br />
Verfügt nur die weggewiesene Person über Geldmittel und weigert sie sich, Haushaltsgeld<br />
zu hinterlassen, müssen Bekannte oder Verwandte aushelfen bzw. es<br />
muss eine Überbrückungshilfe von der Sozialhilfe beansprucht werden. Evtl. bestehen<br />
opferhilferechtliche Möglichkeiten. Mit den Schutzmassnahmen können keine<br />
wirtschaftlichen (z.B. Unterhaltsfragen) oder kindsrechtliche Fragen (z.B. Besuchsrecht<br />
<strong>für</strong> die Kinder) geregelt werden. Will die gefährdete Person da<strong>für</strong> eine Regelung,<br />
muss sie selbst aktiv werden, d.h. ein zivilrechtliches Verfahren einleiten (z.B.<br />
ein Eheschutzverfahren).<br />
Das GSG regelt die Trennung nicht - es erfolgt auch keine Zuteilung der Wohnung<br />
Die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen regeln das Getrenntleben nicht. Sie erzwingen lediglich<br />
eine kurze, behördlich angeordnete Trennung, deren Zweck die Herstellung<br />
von Sicherheit und Deeskalation ist. Kommt es zur zivilrechtlichen Trennung, müssen<br />
deren Folgen (Wohnungsnutzung, Unterhalt, Elternrechte) gütlich oder vor Gericht<br />
geregelt werden. Zusätzlich können auf Antrag privatrechtliche Schutzmöglichkeiten<br />
angeordnet werden (Annäherungs- und Kontaktverbot).<br />
In rund 89% der Fälle wird<br />
gleichzeitig ein Strafverfahren<br />
eingeleitet; in ca.<br />
80% besteht der Verdacht<br />
auf ein Verbrechen oder<br />
Vergehen.<br />
www.justizvollzug.zh.ch<br />
Art. 94 StGB Weisungen<br />
(Kapitel 5)<br />
Art. 307 Abs. 3 ZGB<br />
Weisungen<br />
Art. 308 ZGB<br />
Beistandschaften<br />
Art. 172ff ZGB<br />
Eheschutzverfahren<br />
Art. 111ff ZGB<br />
Ehescheidung<br />
Richterliche Trennung;<br />
Persönlichkeitsrechtlicher<br />
Schutz, Art. 28b ZGB<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht, Januar 2013<br />
205 Verfahren vor dem Zwangsmassnahmen- und dem Verwaltungsgericht<br />
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />
Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />
Inhaltsübersicht<br />
- Gerichtliche Beurteilung der angeordneten Schutzmassnahme<br />
- Verlängerung, Änderung und Aufhebung der Schutzmassnahmen (§6 GSG)<br />
- Anhörung der Gesuchstellenden bzw. –gegner,<br />
- Prozessparteien<br />
- Gerichtentscheid innert vier Arbeitstagen<br />
- Zustellung der Vorladung<br />
- Beschwerde an das Verwaltungsgericht<br />
- Kosten- und Entschädigungsfolgen<br />
Gerichtliche Beurteilung der angeordneten Schutzmassnahme<br />
Eine Person, gegen die eine polizeiliche Wegweisung, ein Betret- oder Kontaktverbot<br />
verfügt wurde, hat die Möglichkeit, innert fünf Tagen nach Aushändigung der Verfügung<br />
eine richterliche Überprüfung der Verfügung zu verlangen. Das zuständige<br />
Zwangsmassnahmegericht am Begehungsort ist in der Schutzmassnahmeverfügung<br />
aufgeführt. Mit der Möglichkeit der (nachträglichen) gerichtlichen Beurteilung der polizeilichen<br />
Schutzmassnahme bleibt das rechtliche Gehör gewahrt, indem anstelle vorheriger<br />
gerichtlicher Anhörung Gelegenheit zur Einsprache gegeben wird. Die Einsprache<br />
hat schriftlich unter Beilage der Verfügung zu erfolgen und muss eine kurze Begründung<br />
enthalten, weshalb die Anordnungen der Schutzmassnahme(n) unrechtmässig<br />
oder unverhältnismässig waren.<br />
Ihrem Wesen nach entsprechen die anzuordnenden Schutzmassnahmen superprovisorischen<br />
Verfügungen. Die polizeilichen Schutzmassnahmen des GSG sollen unmittelbar<br />
angeordnet und vollzogen werden können. Ansonsten wären weitere akute Gefährdungssituationen<br />
und damit verbunden Nachteile <strong>für</strong> die betroffene Person absehbar.<br />
Diese Dringlichkeit drängt das Interesse an der vorgängigen gerichtlichen Anhörung<br />
zurück, da in den vom GSG zu schützenden Sachverhalten eine schwerwiegende<br />
Gefahr im Verzug liegt, welche erhebliche Anliegen wie die körperliche und seelische<br />
Integrität von Personen berührt und dementsprechend sofortiges Handeln gebietet. Die<br />
Gewährung des rechtlichen Gehörs kann deshalb, wenn die gefährdende Person innert<br />
Frist nicht erreicht werden kann, einspracheweise nochmals durch das Zwangsmassnahmengericht<br />
nachgeholt werden.<br />
Die nachträgliche gerichtliche Überprüfung der Rechts- und Verhältnismässigkeit der<br />
polizeilichen Schutzmassnahme nach § 5 GSG hat unter Berücksichtigung und Würdigung<br />
der konkreten Umstände im Zeitpunkt der Anordnung der Schutzmassnahme zu<br />
erfolgen (sog. „ex-ante“-Betrachtung). In der Zwischenzeit neu eingetretene Tatsachen<br />
wie eine behauptete Aussöhnung etc., sind an dieser Stelle nicht zu beachten. Dies<br />
deshalb, weil das Einspracheverfahren nach § 5 GSG kein eigentliches Rechtsmittelverfahren<br />
ist, indem im Sinne des nachträglichen Rechtschutzes die Rechtmässigkeit<br />
der ursprünglichen Verfügung überprüft werden kann. Es hat eine gerichtliche Beurteilung<br />
der Situation auf den Zeitpunkt der Anordnung zur Folge. Es ist zu prüfen, ob die<br />
polizeiliche Schutzmassnahme im konkreten Falle zum Zeitpunkt der Anordnung zulässig<br />
und verhältnismässig, d.h. geeignet, erforderlich und zumutbar gewesen ist. Hier<br />
zeigt sich die Verbindlichkeitswirkung der polizeilichen Verfügung, welche sich auf eine<br />
Regelung nach der Tatsachen- und Rechtslage im Zeitpunkt der Anordnung bezieht<br />
und beschränkt, also nachfolgende tatsächliche Veränderungen des „Streitgegenstandes“<br />
(Integritätsverletzungen im Rahmen bestehender oder aufgelöster familiärer oder<br />
partnerschaftlicher Beziehungen; vgl. § 2 GSG) grundsätzlich nicht miterfasst.<br />
Diese Rechtsfolge entspricht dem Grundgedanken des Gesetzes. Die Schutzmassnahmen<br />
sollen während der Frist von 14 Tagen auch präventiv wirken und möglichst zu<br />
einer Entspannung der Gesamtsituation führen. Es soll verhindert werden, dass durch<br />
reuevolle Beteuerungen das Opfer erneut unter Druck gerät. Das Gesetz setzt die vorläufige<br />
Dauer der polizeilichen Schutzmassnahmen deshalb auf exakt 14 Tage fest und<br />
sieht nicht vor, dass die Polizei eine kürzere Dauer der Schutzmassnahmen anordnen<br />
kann. Es handelt sich um eine zwingende gesetzliche Sperrfrist. Dem Begehren um gerichtliche<br />
Beurteilung kommt ausdrücklich keine aufschiebende Wirkung zu und ent-<br />
§ 5 GSG<br />
§ 8 Abs. 2 GSG<br />
§ 8 Abs. 1 GSG<br />
Kölz/Bosshart/Röhl,<br />
Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz<br />
des Kantons<br />
<strong>Zürich</strong>, § 6 N23<br />
<strong>Zürich</strong>, § 8 N45<br />
Kölz/Bosshart/Röhl,<br />
Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz<br />
des Kantons<br />
<strong>Zürich</strong>, § 20 N48<br />
Gygi F., Verwaltungsrecht,<br />
S.307<br />
§ 3 Abs. 3 GSG Regierungsrätliche<br />
Weisung<br />
vom 6. Juli 2005<br />
§ 5 GSG<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht, Januar 2013<br />
sprechend können die gefährdende und die gefährdete Person die Schutzmassnahmen<br />
auch nicht durch Parteierklärung verkürzen oder aufheben.<br />
Sofern eine gerichtliche Beurteilung und Überprüfung der angeordneten polizeilichen<br />
Schutzmassnahmen ergibt, dass diese im Zeitpunkt der Anordnung rechtsmässig und<br />
der konkreten Situation angemessen waren, bleiben die Schutzmassnahmen bis zum<br />
Ablauf der 14-tägigen Frist in Kraft, ohne dass während dieser 14 Tage eine Revisionsmöglichkeit,<br />
d.h. eine Überprüfung unter Berücksichtigung neuer Umstände, bestünde.<br />
Eine solche ergibt sich (auf Antrag hin) erst nachfolgend im Rahmen einer richterlich<br />
verfügten Verlängerung der Schutzmassnahmen.<br />
Diese Lösung des Gesetzes ist sinnvoll und zweckmässig, da es in vielen Fällen einige<br />
Tage nach der <strong>Gewalt</strong>eskalation zu vermeintlichen Aussöhnungen kommt (sog. „Honeymoon-Phase<br />
bzw. OK-Phase“), welche die Schutzmassnahmen zum Zeitpunkt der<br />
Einsprache als nicht mehr dringlich erscheinen lassen, ohne dass am <strong>Gewalt</strong>muster<br />
etwas geändert würde. Um <strong>Gewalt</strong>wiederholungen zu vermeiden, soll die betroffene<br />
Familie aber zuerst mit Gefährder- und Opferberatenden in Kontakt kommen.<br />
Verlängerung, Änderung und Aufhebung der Schutzmassnahmen (§ 6 GSG)<br />
Die gefährdete Person kann beim zuständigen Zwangsmassnahmengericht innert acht<br />
Tagen ein Gesuch um Verlängerung der polizeilichen Schutzmassnahmen stellen. Die<br />
richterliche Verlängerung kann auf maximal drei Monate festgelegt werden. Die Gesamtdauer<br />
der polizeilichen und richterlichen Schutzmassnahmen beträgt maximal drei<br />
Monate und 14 Tage.<br />
Im Verlängerungsverfahren wird der gegenwärtige Sachverhalt gewürdigt. Dies im Gegensatz<br />
zur gerichtlichen Beurteilung gegen die ursprüngliche polizeiliche Schutzmassnahmenverfügung,<br />
welche auf ihre Rechts- und Verhältnismässigkeit hin geprüft<br />
werden muss (§ 5 GSG). Entsprechend sind im Verlängerungsverfahren nicht nur die<br />
konkreten Umstände im Zeitpunkt der polizeilichen Anordnung der Schutzmassnahme<br />
zu berücksichtigen, sondern es ist zu prüfen, ob sich die Umstände in der Zwischenzeit<br />
soweit verändert bzw. verbessert haben, dass sich eine Verlängerung oder die Aufrechterhaltung<br />
der Schutzmassnahmen nicht mehr rechtfertigen lässt. Entscheidend ist<br />
hier die Berücksichtigung der Situation, wie sie sich im Zeitpunkt des Entscheids über<br />
eine allfällige Verlängerung der Schutzmassnahmen darstellt. Es kommen also zunächst<br />
nur Umstände in Betracht, die nach der ursprünglichen Anordnung eingetreten<br />
sind. Dabei müssen die Veränderungen bzw. Verbesserungen in der konkreten Situation,<br />
aber insbesondere auch auf Seiten der gefährdenden Person, erheblich und dauerhaft<br />
sein.<br />
Ein Verlängerungsgesuch hat die gefährdete Person innert acht Tagen nach der ursprünglichen<br />
Anordnung der Schutzmassnahmen einzureichen (begründet und unter<br />
Beilage der Verfügung). Die polizeilichen Schutzmassnahmen fallen nach der 14-<br />
tägigen Sperrfrist ersatzlos dahin, wenn kein Verlängerungsgesuch gestellt wird. Der<br />
Verlängerungsentscheid muss innert vier Arbeitstagen gefällt werden. Damit wird sichergestellt,<br />
dass keine Lücken im Schutz der gefährdeten Person entstehen.<br />
Während der Dauer der richterlich verlängerten Schutzmassnahmen (nie jedoch während<br />
der ursprünglichen Sperrfrist von 14 Tagen) kann jederzeit und von beiden Parteien<br />
ein Gesuch um Aufhebung oder Änderung der Schutzmassnahmen gestellt werden.<br />
Wurde die Verlängerung beim ersten Mal nicht auf die maximalen drei Monate festgelegt,<br />
kann ein weiteres Verlängerungsgesuch bis hin zur maximalen Geltungsdauer von<br />
drei Monaten gestellt werden.<br />
Der richterliche Entscheid richtet sich bei Gesuchen gemäss § 6 GSG (Verlängerung,<br />
Aufhebung, Änderung) nach § 10 Abs. 1 GSG. Die Richtenden haben zu beurteilen, ob<br />
zum Zeitpunkt des Entscheides ein Fortbestand der Gefährdung wahrscheinlich ist.<br />
Diese Bestimmung gilt nur <strong>für</strong> Gesuche nach § 6 GSG (gerichtlich verfügte Verlängerung,<br />
Änderung oder Aufhebung), nicht jedoch <strong>für</strong> Gesuche nach § 5 GSG (gerichtliche<br />
Beurteilung der polizeilichen Schutzmassnahmen). Dort richtet sich die Beurteilung<br />
nach der Situation zum Zeitpunkt der ursprünglichen polizeilichen Anordnung. § 10<br />
GSG ist bei solchen Gesuchen nicht anwendbar.<br />
Gesuche sind schriftlich unter Beilage der Verfügung zu begründen. Beweismittel (insbesondere<br />
Arztzeugnisse, Therapieberichte, Nennung von Zeuginnen und Zeugen etc.)<br />
sollten im Gesuch genannt und beigebracht werden. Soweit das Verfahren keine Verzögerungen<br />
erfährt, können sämtliche Beweise abgenommen werden. Die richterlichen<br />
Kapitel 1<br />
§ 6 Abs. 1 GSG<br />
§ 6 Abs. 3 GSG<br />
§ 6 Abs. 1 GSG<br />
§ 9 Abs. 1 GSG<br />
§ 6 Abs. 2 GSG<br />
§ 9 Abs. 4 GSG<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 205 / 2
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht, Januar 2013<br />
Schutzmassnahmen sind auf längstens drei Monate limitiert und haben den Charakter<br />
einer vorsorglichen Massnahme. Deshalb genügt bei der Zulassung und Würdigung<br />
von Beweisen blosse Glaubhaftmachung einer fortdauernden Gefährdung.<br />
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet, dass die jeweils andere Partei bei einem<br />
Gesuch um Verlängerung, Aufhebung oder Abänderung der Schutzmassnahmen<br />
einen Anspruch darauf hat, im Verfahren Stellung zu nehmen und angehört zu werden.<br />
Da es um eine Beurteilung unter Würdigung einer auch veränderten Sachlage geht,<br />
genügt es in diesen Fällen nicht, diesem Verfahren alleine die polizeilichen Feststellungen<br />
und Anhörungsprotokolle der polizeilichen Schutzmassnahmeanordnung zugrunde<br />
zu legen.<br />
Ein eingereichtes zivilrechtliches Trennungsverfahren kann ein gewichtiges Indiz <strong>für</strong> einen<br />
Fortbestand der Gefährdung sein. Es ist wissenschaftlich untersucht, dass es in<br />
Trennungssituationen zu gefährlichen <strong>Gewalt</strong>eskalationen kommen kann. Die meisten<br />
vollendeten und versuchten Tötungen fallen in die erste Phase der Trennung.<br />
Im Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz wurde die Verlängerung der Schutzmassnahmen aufgrund<br />
der unbefriedigenden Erfahrungen anderer Kantone nicht an die Einleitung eines<br />
Trennungsverfahrens gekoppelt.<br />
Anhörung der Gesuchstellenden bzw. -gegner<br />
Das Zwangsmassnahmengericht hat gesetzlich die Möglichkeit, einen vorläufigen Entscheid<br />
ohne Anhörung des Gesuchsgegners bzw. der Gesuchsgegnerin zu fällen. Das<br />
Bundesgericht und das Verwaltungsgericht haben festgehalten, dass die Anhörung<br />
trotz Einsprachemöglichkeit grundsätzlich nicht im freien richterlichen Ermessen liegt.<br />
Es darf nur in begründeten Ausnahmefällen darauf verzichtet werden. Oft sind die Parteiaussagen<br />
das einzige Beweismittel. Die Aussagen sind oft bestritten und widersprüchlich.<br />
In der persönlichen Befragung kann sich die richtende Person einen Eindruck<br />
über die Glaubhaftigkeit machen. Dies ermöglicht eine Würdigung der Aussagen<br />
um festzustellen, ob der Sachverhalt zur Verlängerung einer Schutzmassnahme genügend<br />
glaubhaft nachgewiesen ist.<br />
Mit der Anhörung kann das Zwangsmassnahmengericht unverzüglich entscheiden.<br />
Ohne Anhörung wird der Entscheid nur endgültig, wenn innert fünf Tagen ab Erhalt des<br />
Entscheides keine der Parteien Einsprache erhebt. Die gefährdete Person hat die Möglichkeit,<br />
eine getrennte Anhörung zu beantragen.<br />
Prozessparteien<br />
Das polizeiliche Verfahren zur Anordnung von Schutzmassnahmen wird von Amtes<br />
wegen eingeleitet, sobald ein Fall von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> vorliegt und wird durch den<br />
Erlass der Schutzmassnahmeverfügung abgeschlossen. Es gilt die Offizial- wie auch<br />
die Untersuchungsmaxime. Entsprechend stellt sich die Frage, wem in einem allfällig<br />
nachfolgenden Einspracheverfahren nach § 5 GSG Parteistellung zukommt. Es sind<br />
dies einerseits die durch die Verfügung belastete Person, andererseits die zuständige<br />
Polizei, vertreten durch die polizeiliche Fachstelle, und die gefährdete Person. Dies<br />
deshalb, weil es sich um ein Anfechtungsstreitverfahren handelt. In einem solchen Verfahren<br />
treten entsprechend dem Verfügungsverhältnis der Verfügungsadressat und die<br />
verfügende Behörde als Parteien auf. Der Schutz der körperlichen und seelischen Integrität<br />
betroffener Personen stellt ein öffentliches Interesse des Staates dar, unabhängig<br />
davon, ob die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> zu einer straf- oder zivilrechtlichen Ver- oder Beurteilung<br />
führt. Auch <strong>für</strong> die gefährdete Person besteht ein grosses Rechtsschutzinteresse,<br />
da sie in ihren höchstpersönlichen Rechtsgüter betroffen ist und ein Interesse<br />
am Bestand oder Nichtbestand der Schutzmassnahmen hat. Demgegenüber sind im<br />
Verlängerungs-, Aufhebungs- oder Änderungsverfahren stets nur die gesuchstellende<br />
und die gesuchgegnerische Person Partei.<br />
Gerichtsentscheid innert vier Arbeitstagen<br />
Das Zwangsmassnahmegericht ist verpflichtet, innert vier Arbeitstagen einen Entscheid<br />
zu fällen. Von den polizeilichen Fachstellen und, wenn gleichzeitig ein Strafverfahren<br />
hängig ist, von der Staatsanwaltschaft oder im Übertretungsstrafverfahren vom<br />
Statthalteramt, können die Akten beigezogen werden.<br />
Zustellung der Vorladungen<br />
Sofern die weggewiesene Person in der Schutzmassnahmeverfügung noch keine Zustelladresse<br />
bezeichnet hat, kann diese über die polizeiliche Fachstelle in Erfahrung<br />
§ 10 Abs. 1 GSG<br />
§ 10 Abs. 1 GSG<br />
§ 9 Abs. 3 GSG<br />
FN<br />
Regierungsrätliche<br />
Weisung vom 6. Juli<br />
2005, S. 15<br />
§ 9 Abs. 3 GSG<br />
BGer 31. Jan. 2008<br />
(BGE 134 I 140)<br />
VGer 11. Dez. 2009<br />
(VB.2009.00642,<br />
E. 3.1.)<br />
§ 9 Abs. 3 GSG<br />
Häner I., Die Beteiligten<br />
im Verwaltungsverfahren<br />
und Verwaltungsprozess,<br />
S. 155f.<br />
§ 3 GSG<br />
§ 9 Abs. 1, 2 GSG<br />
§ 4 Abs. 3 GSG<br />
VGer 1. Okt. 2009<br />
(VB.2009.00460,<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht, Januar 2013<br />
gebracht werden. Hat sie keine bezeichnet, erfolgt die Vorladung gemäss Säumnisfolge<br />
an die polizeiliche Fachstelle und gilt als zugestellt. Es ist Sache der weggewiesenen<br />
Person, die Vorladung abzuholen.<br />
Die Zustellung an die von <strong>Gewalt</strong> betroffene Person erfolgt in der Regel an deren<br />
Wohnsitz. Verliess diese die Wohnung aus Sicherheitsgründen, kann die polizeiliche<br />
Fachstelle kontaktiert werden, um die Zustellung sicherzustellen.<br />
Beschwerde an das Verwaltungsgericht<br />
Gegen den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts kann innert fünf Tagen Beschwerde<br />
an das Verwaltungsgericht des Kantons <strong>Zürich</strong> erhoben werden. Die Beschwerde<br />
hat keine aufschiebende Wirkung, d.h. während der Beschwerdefrist und bis<br />
zum Beschwerdeentscheid durch das Verwaltungsgericht bleibt die Schutzmassnahme<br />
wirksam.<br />
Kosten- und Entschädigungsfolgen<br />
Im Gegensatz zum polizeilichen Verfahren, d.h. zur Anordnung der Schutzmassnahmen,<br />
löst das gerichtliche Verfahren Kosten- und Entschädigungsfolgen aus. Wird<br />
das Gesuch um Aufhebung einer Schutzmassnahme abgewiesen, werden der gesuchstellenden<br />
Person die Gerichtskosten auferlegt, andernfalls werden sie auf die Gerichtskasse<br />
genommen. Im Verlängerungs-, Änderungs- und Aufhebungsverfahren wird<br />
die unterliegende Partei kostenpflichtig. Die Auflage und Höhe der Kosten beträgt zwischen<br />
CHF 300 und CHF 600. Zusätzlich können Kosten einer allfälligen Übersetzung<br />
anfallen.<br />
Die Gerichtskosten des Verwaltungsgericht betragen ca. CHF 1‘200 und sind von der<br />
unterliegenden Partei zu bezahlen.<br />
Die unterliegende Partei hat ausserdem die Gegenpartei auf Antrag <strong>für</strong> Kosten und<br />
Umtriebe zu entschädigen.<br />
Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV ist die unentgeltliche Rechtspflege garantiert, sofern deren<br />
Voraussetzungen (keine Aussichtslosigkeit, Mittellosigkeit, Notwendigkeit) erfüllt sind.<br />
Im Rahmen derselben Garantie besteht auch ein Anspruch auf einen unentgeltlichen<br />
Rechtsbeistand.<br />
E. 3.3.)<br />
§ 11 a GSG<br />
§ 12 GSG<br />
CK Kosten überprüfe<br />
Art. 29 Abs. 3 BV<br />
§ 16 VRG<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 205 / 4
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Verhältnis der GSG-Massnahmen zu zivil- und strafrechtlichen Anordnungen, November 2013<br />
206 Verhältnis der GSG-Massnahmen zu zivil- und strafrechtlichen<br />
Anordnungen<br />
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />
Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />
Verhältnis zu zivilrechtlichen Massnahmen<br />
Ist bereits ein zivilrechtliches Verfahren, z.B. eine Eheschutzverfügung rechtskräftig<br />
und kommt es zu einem <strong>Gewalt</strong>vorfall, der eine GSG-Massnahme auslöst, so geht<br />
die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahme der zivilrechtlichen Massnahme vor.<br />
Wenn nach Erlass einer GSG-Schutzmassnahme eine entsprechende zivilrechtliche<br />
Massnahme rechtskräftig angeordnet und vollzogen wird, fällt die GSG-<br />
Schutzmassnahme dahin. Diese Bestimmung hat seit der Inkraftsetzung des erweiterten<br />
Persönlichkeitsschutzes an Bedeutung gewonnen, da nunmehr auch zivilrechtliche<br />
Schutzmassnahmen <strong>für</strong> gewaltbetroffene Personen möglich sind.<br />
Wurde ein Kontaktverbot auch auf Kinder ausgeweitet, so kann dieser Teil der<br />
GSG-Massnahme durch eine neu angeordnete zivil- oder kindsrechtliche, modifizierte<br />
Besuchsregelung gegenstandslos werden.<br />
Parallelität des <strong>Gewalt</strong>schutz- und Strafverfahren<br />
Die GSG-Massnahmen knüpfen am Rechtsgüterschutz der gefährdeten Person und<br />
am Interesse einer Deeskalation an. Anders das Strafrecht: Hier gilt es zu prüfen,<br />
ob der Vorwurf strafbaren Verhaltens nachgewiesen werden kann und gesetzlich<br />
vorgesehene Strafen zu verhängen sind. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ist in den meisten Fällen<br />
strafrechtlich relevant. Viele Delikte werden von Amtes wegen verfolgt. Es gibt aber<br />
auch Delikte (wie beispielsweise Elternmisshandlung), welche nur auf Antrag verfolgt<br />
werden.<br />
Wird das Strafverfahren eingestellt, ist es nicht möglich, staatlich Auflagen zu machen,<br />
wie z.B. ein Lernprogramm zu befolgen oder sich einer ärztlichen Behandlung<br />
zu unterziehen.<br />
§ 7 Abs. 1 GSG<br />
Art. 28b ZGB<br />
Vgl. Rechtsprechung 282,<br />
2.4<br />
Art. 122 ff StGB<br />
Verhältnis zu strafprozessualen Zwangsmassnahmen (Untersuchungshaft und Ersatzmassnahmen)<br />
Besteht ein Verdacht auf ein Vergehen oder Verbrechen und ist davon auszugehen, §7 Abs. 2 GSG<br />
dass der Beschuldigte das Aussageverhalten des Opfers beeinflussen könnte oder<br />
besteht die Gefahr der Ausführung eines angedrohten, schweren Verbrechens, Art. 221 StPO<br />
kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Zwangsmassnahmengericht Untersuchungshaft<br />
angeordnet werden.<br />
Der Zeitpunkt der Entlassung aus der Untersuchungshaft ist <strong>für</strong> ein Opfer nicht voraussehbar.<br />
Die Entlassung orientiert sich nicht am Schutzbedürfnis oder an der<br />
Notwendigkeit der Beruhigung der familiären Situation. In der Praxis ist es oft so,<br />
dass die Opfer erst unmittelbar vor der Entlassung Kenntnis erhalten, was immer<br />
wieder grossen Stress und Angst verursacht. Will ein Opfer Gewissheit über den<br />
Zeitpunkt der Entlassung, muss es von sich aus mit der Staatsanwaltschaft Kontakt<br />
aufnehmen. Deshalb hat sich der Gesetzgeber entschlossen, die beiden Verfahren<br />
parallel laufen zu lassen. Das heisst, die 14-tägige polizeiliche GSG-Massnahme<br />
bzw. die richterliche Verlängerung muss auch über eine vorgängige Entlassung aus<br />
der Untersuchungshaft hinaus beachtet werden.<br />
Das Zwangsmassnahmengericht hat die Möglichkeit, die Entlassung aus der Untersuchungshaft<br />
an strafprozessuale Ersatzmassnahmen zu knüpfen. Anstelle von Untersuchungshaft<br />
tritt ein Rayon- oder Kontaktverbot. Als Ersatzmassnahme können<br />
auch Reisepapiere hinterlegt (z.B. bei Entführungsdrohungen), Arztkonsultationen<br />
oder Pflichtberatungen verlangt werden, soweit diese mit dem deliktischen Vorwurf<br />
in Verbindung stehen. Hält sich der Angeschuldigte nicht an die Verbote, kann er<br />
erneut inhaftiert werden, soweit der Haftgrund noch besteht. Die Sanktionen gegen<br />
eine Widerhandlung der strafprozessualen Verbote sind deshalb effizienter als jene<br />
bei GSG-Schutzmassnahmen.<br />
Art. 226 StPO<br />
Art. 237 Abs. 2 StPO<br />
Art. 237 Abs. 5 StPO<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 206 / 1
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Verhältnis der GSG-Massnahmen zu zivil- und strafrechtlichen Anordnungen, November 2013<br />
Einstellung der Strafuntersuchung und Auswirkungen auf die GSG-Massnahme<br />
Ehe- und Lebenspartner haben bei einigen Delikten nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> die<br />
Möglichkeit durch eine Desinteresseerklärung das Strafverfahren gegen den Partner<br />
bzw. die Partnerin zur Einstellung zu bringen, unabhängig davon, ob der Sachverhalt<br />
nachgewiesen ist oder nicht. Dies ist möglich bei einigen Delikten, die bei<br />
<strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> oft erfüllt sind, so bei der „einfachen Körperverletzung“, den<br />
„wiederholten Tätlichkeiten“, bei „Drohung“ (auch Morddrohungen) und bei der „Nötigung“.<br />
Verlangt die geschädigte Person innerhalb von sechs Monaten nach Abgabe<br />
der Desinteresseerklärung die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, wird dieses<br />
weiterverfolgt. Andernfalls wird es eingestellt.<br />
Ein Strafverfahren kann bei allen Delikten, an denen kein überwiegendes öffentliches<br />
Interesse an der Strafverfolgung besteht, zur Einstellung gebracht werden,<br />
selbst wenn der Sachverhalt nachgewiesen ist, sofern die beschuldigte Person eine<br />
situationsadäquate Wiedergutmachung (Schadenersatz und Genugtuung) leistet.<br />
Die Staatsanwaltschaft kann in solchen Fällen zu einer „Vergleichsverhandlung“<br />
vorladen, die aber seitens der gefährdeten Person nicht befolgt werden muss. Diese<br />
Einstellungsmöglichkeit entfällt i.d.R. bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Im Gegensatz zur<br />
Desinteresseerklärung bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> ist die Wiedergutmachungs-<br />
Einstellung nicht an die provisorische Sistierungsfrist von sechs Monaten gebunden.<br />
Sie wird sofort rechtswirksam.<br />
Einstellungen sind Freisprüchen gleichgestellt. Sie werden nicht im Strafregister<br />
eingetragen. Die gefährdende Person ist nicht vorbestraft. Sie gilt deshalb auch bei<br />
wiederholter <strong>Gewalt</strong> als nicht vorbestraft.<br />
Das Opfer mag aus unterschiedlichsten Gründen – wirtschaftliche, rechtliche, persönliche<br />
Bedenken, Rücksicht auf die berufliche Zukunft etc. – kein Interesse an einer<br />
strafrechtlichen Verurteilung haben, selbst wenn sein Schutzbedürfnis nach wie<br />
vor gegeben ist. Das Schutzbedürfnis wird durch das GSG geschützt und entsprechend<br />
kann ein (durch das Strafrecht ausdrücklich legitimiertes) Absehen von einer<br />
strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung kein Indiz da<strong>für</strong> sein, dass keine fortdauernde<br />
Gefährdungssituation mehr besteht.<br />
Wird das Strafverfahren eingestellt, ist es nicht möglich, Auflagen wie zum Beispiel<br />
ein Lernprogramm oder eine ärztliche Behandlung anzuordnen. Evtl. ist es möglich,<br />
die vorgängige Durchführung einer solchen unterstützenden Massnahme von der<br />
Abgabe der Desinteresseerklärung abhängig zu machen.<br />
Der Bestand einer polizeilichen oder richterlichen GSG-Schutzmassnahme wird von<br />
der Einstellung des Strafverfahrens nicht tangiert.<br />
Einstellungen nach <strong>Häusliche</strong>r<br />
<strong>Gewalt</strong> Art. 55a<br />
StGB bei:<br />
Einfache Körperverletzung,<br />
Art. 123 Ziff. 2 Abs.<br />
3-5 StGB; wiederholten<br />
Tätlichkeiten, Art. 126 Abs.<br />
2 Bst. b, bbis und c StGB;<br />
Drohung, Art. 180 Abs. 2<br />
StGB; Nötigung, Art. 181<br />
StGB<br />
Einstellungen zur Wiedergutmachung<br />
Art. 53 StGB<br />
Art. 316 StPO<br />
Straffrei dank Einstellung<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Die proaktive Beratung, November 2013<br />
207 Die proaktive Beratung<br />
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />
Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />
Eine zentrale Neuerung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes ist die proaktive Beratung. Opfer-<br />
wie Beratungsstellen <strong>für</strong> gefährdende Personen werden von der Polizei von<br />
Gesetzes wegen informiert, wenn Schutzmassnahmen angeordnet wurden. Der<br />
Auftrag der Beratungsstellen besteht darin, möglichst schnell nach Erhalt der polizeilichen<br />
Verfügung mit der gefährdeten bzw. der gefährdenden Person Kontakt<br />
aufzunehmen. In einem ersten, meist telefonischen Gespräch, wird auf die Möglichkeit<br />
der Beratung hingewiesen und auch erste Informationen zum Verfahren und zur<br />
Situation abgegeben. Wünscht die Person ein Beratungsgespräch, wird dies auf der<br />
Beratungsstelle durchgeführt. Sinn und Zweck der proaktiven Ansprache ist es, die<br />
<strong>Gewalt</strong> anzusprechen und zum Thema zu machen, damit den betroffenen Personen<br />
Handlungsmöglichkeiten zur Veränderung eröffnet werden. Idealerweise kann an<br />
eine weitergehende, begleitende medizinische, therapeutische, soziale oder rechtliche<br />
Unterstützungs- oder Förderungshilfe triagiert werden.<br />
Beratung gefährdeter Personen<br />
In 93% sind die von <strong>Gewalt</strong> betroffenen Personen Frauen. Die Kontaktaufnahme<br />
wird von den meisten betroffenen Personen sehr geschätzt und hat eine positive<br />
Wirkung. Die gefährdete Person kommt dadurch häufig zum ersten Mal in Kontakt<br />
mit einer spezialisierten Hilfestelle und erfährt, dass sie in dieser schwierigen Situation<br />
Hilfe bekommt. Rund 90% der gewaltbetroffenen Frauen haben nach einer polizeilichen<br />
Intervention das Beratungsangebot in Anspruch genommen. Dank des<br />
proaktiven Ansatzes werden auch Frauen erreicht, die bislang keine Beratung in<br />
Anspruch genommen hätten, sei es aus Scham, Isolation oder wegen ihrer schlechten<br />
psychischen Verfassung. Vor allem Migrantinnen, die oft wegen Sprachproblemen<br />
keine Beratung aufsuchen, werden besser erreicht. Die Beratung erfasst<br />
auch Männeropfer aus hetero- wie homosexuellen Beziehungen, die vormals nie<br />
Hilfe in Anspruch genommen hatten.<br />
Insbesondere bei der Trennungsgewalt, die 40% aller Fälle ausmacht, zeigt sich,<br />
dass durch die Beratung und Unterstützung weiterer Eskalationen verhindert werden<br />
können. Das ist wichtig, weil Trennungsgewalt tendenziell eskaliert und es häufig<br />
auch zu schweren Verletzungen der physischen und psychischen Integrität<br />
kommt.<br />
Beratung gefährdender Personen<br />
Mit der Beratung gefährdender Männer wurde das mannebüro züri beauftragt. Die<br />
Beratung gefährdender Frauen wird durch Mitarbeiterinnen des Amt <strong>für</strong> Justizvollzug,<br />
Bereich Fachsupport & Lernprogramme, wahrgenommen.<br />
Die Erfahrungen des mannebüro züri und des BVD sind vorwiegend positiv. Das<br />
GSG wirkt auf verschiedenen Ebenen. Einerseits unterstreicht es die gesamtgesellschaftliche<br />
Haltung, dass <strong>Gewalt</strong> in der Partnerschaft nicht toleriert wird.<br />
Andererseits kann die polizeiliche Intervention die <strong>Gewalt</strong>dynamik unterbrechen und<br />
Beteiligten die Möglichkeit eröffnen, künftig gewaltfreie Wege in der Partnerschaft<br />
zu beschreiten.<br />
Der Wunsch nach Unterstützung bei den gefährdenden Männern stösst auf Interesse.<br />
Etwas mehr als ein Viertel der Gefährder beansprucht die freiwillige Beratung.<br />
Der Grossteil der Männer sind auch Väter. Neben rechtlichen Informationen wird<br />
auf eine Deeskalation der Situation hingearbeitet. Insbesondere werden sie mit den<br />
schädigenden Folgen <strong>für</strong> die Kinder konfrontiert, die die <strong>Gewalt</strong> gegen die Mutter <strong>für</strong><br />
diese hat. Es wird versucht, ihre väterliche Verantwortung anzusprechen, um sie zu<br />
gewinnen, gegen die <strong>Gewalt</strong> anzugehen.<br />
§15 Abs. 2 GSG<br />
§16 Abs. 2 GSG<br />
Mit dem dreijährigen Pilotprojekt<br />
„zeitnahe Kinderansprache“<br />
werden Kinder<br />
nach einem Polizeieinsatz<br />
rascher erreicht, sofern die<br />
Eltern mit einer Kontaktaufnahme<br />
einverstanden<br />
sind.<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gefährdungsmeldung an die KESB und zeitnahe Kinderansprache, November 2013<br />
208 Gefährdungsmeldung an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />
(KESB) und zeitnahe Kinderansprache<br />
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />
Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />
Sind Kinder im Haushalt, erhält die KESB eine Kopie der polizeilichen Verfügung.<br />
Kinder, die mit <strong>Gewalt</strong>, Angst und Ohnmacht aufwachsen, werden in ihrer Entwicklung<br />
beeinträchtigt und oft nachhaltig geschädigt.<br />
Das Kindswohl ist gefährdet. Deshalb erhält die KESB Kenntnis von der polizeilichen<br />
Schutzmassnahme. Diese enthält einige Angaben zu den Kindern:<br />
- Unter Tatbestand/Kontaktverbot kann der Schutzverfügung entnommen<br />
werden, ob das Kontaktverbot auch auf Kinder ausgeweitet wurde;<br />
- Unter dem Titel „GSG-Feststellungen“, Ziff. 15. ist ersichtlich, ob Kinder anwesend<br />
und direkt in den <strong>Gewalt</strong>vorfall involviert waren und wie sie auf die<br />
intervenierenden Polizeileute gewirkt haben;<br />
- Unter „Weitere Hinweise“ ist das Geschlecht und Alter der Kinder ersichtlich;<br />
- Unter „Sachverhalt“ findet sich eine Kurzbegründung, weshalb das Kontaktverbot<br />
auf die Kinder ausgeweitet wurde.<br />
Die regional am Wohnsitz der Eltern zuständige KESB erhält eine Verfügungskopie.<br />
Die KESB klärt ab, ob Sofortmassnahmen notwendig sind. Falls die Familie bereits<br />
bekannt ist, wird abgeklärt, ob weitere Massnahmen notwendig sind. In der Regel<br />
wird versucht, die Eltern <strong>für</strong> eine freiwillige Zusammenarbeit zu gewinnen. Muss eine<br />
Kindesschutzmassnahme verfügt werden, kommt es zu einer Anhörung der Eltern<br />
und der Kinder durch die KESB.<br />
Steht der nicht obhutsberechtigten Person ein Besuchsrecht zu und werden nachträglich<br />
<strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen oder ein auf die Kinder erweitertes Kontaktverbot<br />
angeordnet, so gehen die Schutzmassnahmen vor, weil sie eine akute Gefahr<br />
<strong>für</strong> Leib und Leben des Kindes abwenden. Es müssen konkrete Hinweise vorliegen,<br />
die eine Erweiterung des Kontaktverbotes auf die Kinder rechtfertigen. Ist die<br />
Sicherheit der Kinder durch die <strong>Gewalt</strong> direkt beeinträchtigt, was bei betreuungsbedürftigen<br />
Kleinkindern angenommen werden kann, muss der kurzfristige, leibliche<br />
Schutz der Kinder höher gewichtet werden, als das väterliche (oder auch das<br />
mütterliche) Recht auf Besuch und Kontakt <strong>für</strong> die Dauer der Schutzmassnahme.<br />
Die GSG-schutzrechtliche Einschränkung des Elternrechts kann durch eine sofort<br />
vollstreckbare, kindsrechtliche oder zivilrichterliche Anordnung, die nach Erlass der<br />
Schutzmassnahmen ergeht, aufgehoben werden. Diese kann auch als vorsorgliche<br />
Massnahme ergehen.<br />
Kinder, die elterliche <strong>Gewalt</strong> und anschliessend eine Polizeiinterventionen miterleben,<br />
brauchen dringend Orientierungshilfen. Mit dem elterlichen Einverständnis<br />
wird mit den Kindern von einer aussenstehenden Person Kontakt aufgenommen.<br />
Es ist deren Aufgabe, sich in der akuten Krise der Kinder anzunehmen und sie altersadäquat<br />
zu informieren bis die Kindesschutzbehörden die Abklärungen bzw.<br />
die notwendigen Anordnungen treffen können. Das Pilotprojekt, welches 2013 abgeschlossen<br />
wird, wird möglicherweise <strong>für</strong> den ganzen Kanton implementiert.<br />
§ 15 Abs. 1 GSG<br />
§ 59 EG zum ZGB<br />
§ 3 Abs. 2 lit. c GSG<br />
Schutzverfügung siehe 261<br />
Art. 308ff ZGB<br />
§ 7 Abs. 1 GSG<br />
Zeitnahe Kinderansprache<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Probleme in der Anwendung des Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes, November 2013<br />
209 Probleme in der Anwendung des Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes<br />
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />
Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />
Gefährdende Minderjährige<br />
In partnerschaftlichen und familiären Beziehungen wenden auch Minderjährige <strong>Gewalt</strong><br />
an, sei dies gegen Eltern (Elternmisshandlungen), gegen Geschwister oder gegen<br />
ihre Jugendfreundin oder -freund. (i.S.v. partnerschaftlichen Jugendbeziehungen,<br />
insbesondere auch durch Missbrauch von Foto- und Videomaterial oder Formen<br />
des Cyber-Stalkings). Die Polizei wird zunehmend sensibilisiert, auch nach<br />
diesen Formen der <strong>Gewalt</strong> zu fragen, um situationsadäquate Schutzmassnahmen<br />
anzuordnen. Soweit mit Kontakt- oder Betretverboten ein Schutz gesichert werden<br />
kann, bietet das GSG gegenüber Minderjährigen keine Probleme.<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>taten Minderjähriger gegenüber den Eltern, meist gegenüber alleinerziehenden<br />
Müttern, sind i.d.R. keine Offizialdelikte. D.h., wenn der gewaltbetroffene<br />
Elternteil keinen Strafantrag stellt, was der Regelfall ist, können auch kurzfristige<br />
jugendstrafrechtliche Massnahmen nicht greifen. Selbst eine kurzfristige<br />
deeskalierende Time-Out-Platzierung ist nicht möglich.<br />
<strong>Gewalt</strong>schutzrechtlich können keine Wegweisungen Minderjähriger aus der elterlichen<br />
Wohnung gemacht werden. Die Polizei kann einen Jugendlichen, der seine<br />
Mutter bedroht, nicht gegen deren Willen wegweisen, da sie - bundesrechtlich - die<br />
elterliche Sorge hat und <strong>für</strong> den Aufenthaltsort ihres Sohnes verantwortlich ist. Eine<br />
rasche Krisenintervention und Deeskalation ist bei minderjährigen Gefährdenden<br />
nicht gewährleistet, wenn sich die Eltern mit einer Fremdplatzierung, auch nur <strong>für</strong><br />
wenige Tage, nicht einverstanden erklären.<br />
Grundsätzlich können Kindesschutzmassnahmen als vorsorgliche Massnahmen<br />
angeordnet werden. Es ist offensichtlich, dass solche <strong>Gewalt</strong>eskalationen Minderjähriger<br />
auch als Kindswohlgefährdung, d.h. auf eine schädigende Entwicklung des<br />
Kindes hinweisen. Die meisten KESB sind in der Lage, rasch Abklärungen und Anhörungen<br />
durchzuführen.<br />
Wenngleich körperliche wie sexuelle <strong>Gewalt</strong> gegenüber Geschwistern grundsätzlich<br />
Offizialdelikte sind, kommen sie selten zur Anzeige. Überdurchschnittlich oft kommen<br />
diese Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in Familien vor, in denen die Eltern in einer<br />
<strong>Gewalt</strong>beziehung leben oder der Vater gewalttätig ist.<br />
<strong>Gewalt</strong>schutzrechtlich kann in diesen Fällen bei noch bestehender Familiengemeinschaft<br />
nichts ausgerichtet werden, wenn das gewalttätige Geschwister noch minderjährig<br />
ist. GSG-Massnahmen sind aber gegen mündige Geschwister ohne weiteres<br />
möglich.<br />
Intime Jugendbeziehungen begründen eine starke Abhängigkeit. Die „erste Liebe“<br />
ist emotional existenziell. Ein Auseinandergehen löst subjektiv grosse Schmerzen<br />
aus. Dürfen Eltern oder Verwandte von der Beziehung oder deren Intensität nichts<br />
wissen, fehlt bei auftretenden Problemen oft eine Person, der sich die Jugendlichen<br />
anvertrauen können. Minderjährige erkennen sich anbahnende Formen von Grenzverletzungen<br />
(noch) nicht. So wird z.B. permanentes Anrufen mit der Nachfrage, wo<br />
sie oder er sich aufhält, als Ausdruck der grossen Liebe verstanden, ohne darin ein<br />
Kontrollverhalten zu erkennen, das sich u.U. zu <strong>Gewalt</strong> weiterentwickeln kann. Der<br />
oft sorglose Umgang mit intimen Bildaufnahmen in der Jugendbeziehung kann nach<br />
einer Trennung zu (sexuellen) Nötigungshandlungen führen, wenn die Bilder in der<br />
Peer-Gruppe der Jugendlichen herumgezeigt werden.<br />
<strong>Gewalt</strong>schutzrechtlich können solche Formen des Stalkings mit einem gewaltschutzrechtlichen<br />
Kontakt- und Betretverbot unterbunden werden. Sie zeigen Wirkung,<br />
wenn sie mit einer klaren Haltung durchgesetzt werden.<br />
Elternmisshandlungen<br />
Geschwistermisshandlungen<br />
Jugendbeziehungen<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Probleme in der Anwendung des Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes, November 2013<br />
<strong>Gewalt</strong> in Partnerschaften betagter Menschen oder gegen pflegebedürftige Eltern<br />
Bei demenz- oder psychisch kranken (betagten) Personen kann es zu massiven<br />
Aggressionen gegen Familienangehörige kommen. Auch <strong>Gewalt</strong> gegen pflegebedürftige<br />
Eltern gehört in diesen Themenkreis. Mit einer Wegweisung alleine kann<br />
das Problem nicht angegangen werden, da sowohl <strong>für</strong> die pflegebedürftige, <strong>Gewalt</strong><br />
ausübende Personen und die pflegebedürftige <strong>Gewalt</strong>betroffene längerfristige Lösungen<br />
gesucht werden müssen. In der akuten Situation müssen Ärztinnen und Ärzte<br />
eingeschaltet werden, damit notfalls mit einer <strong>für</strong>sorgerischen Unterbringung (FU)<br />
eine mindestens vorübergehende Einweisung in ein Spital oder eine Pflegestation<br />
veranlasst werden kann.<br />
Die gleichzeitig angeordneten <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahme löst eine proaktive Beratung<br />
aus, sodass mit den Betroffenen das weitere Vorgehen besprochen und angegangen<br />
werden kann unter Beizug oder Überweisung an die spezialisierten Beratungsstellen<br />
wie Pro Senectute, pro mente sana oder der gemeindeeigenen Sozialdienste<br />
und der Spitex.<br />
In der Stadt <strong>Zürich</strong> haben die Stadtpolizei und der Stadtärztliche Dienst ein Konzept<br />
erarbeitet, welches in Fällen demenzbedingter <strong>Gewalt</strong> oder von <strong>Gewalt</strong>handlungen<br />
pflegender Kinder, die mit der Situation überfordert sind, rasche Hilfe und Unterstützung<br />
garantiert.<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> bei unsicherem Verbleiberecht in der Schweiz<br />
Drittstaatsangehörige, deren Ehegemeinschaft in der Schweiz erst von kurzer Dauer<br />
ist, verlieren ihr Verbleiberecht, wenn sie die eheliche Gemeinschaft auflösen. Eine<br />
vorübergehende Trennung ist dann unerheblich, wenn gewaltschutzrechtliche<br />
Massnahmen zur Deeskalation und ehelichen Neuorientierung dienen, ohne dass<br />
der Wille, die Ehe weiterzuführen grundsätzlich gebrochen ist.<br />
Ist wegen der gewalttätigen Vorfälle der Ehewille erloschen, so kann bei kurzer<br />
Ehedauer in der Schweiz dann ein selbstständiges Aufenthaltsrecht erwirkt werden,<br />
wenn die Intensität der nachgewiesenen <strong>Gewalt</strong> eine weitere Fortdauer der Ehe unzumutbar<br />
machen. Der Nachweis der <strong>Gewalt</strong> ist zwingend erforderlich. Da<strong>für</strong> ist jedoch<br />
nicht zwingend (aber vorteilhaft) die Einleitung eines Strafverfahrens erforderlich.<br />
Es können auch Berichte von Ärztinnen, Psychotherapeuten oder von Beratungsstellen<br />
<strong>für</strong> den Nachweis beigebracht werden.<br />
Werden Frauen in ihren Herkunftsländern als Geschiedene geächtet, kann dies zusätzlich<br />
geltend gemacht werden.<br />
Anders ist die Situation <strong>für</strong> jene Frauen, die nie einen Ehewillen besessen haben,<br />
sei es, dass sie zwangsverheiratet wurden (im Gegensatz zur arrangierten Ehe)<br />
oder eine Scheinheirat eingegangen sind, um in der Schweiz ein Verbleiberecht zu<br />
erlangen.<br />
Kommt es in diesen Situationen zu ehelicher <strong>Gewalt</strong>, wird das Verbleiberecht tangiert.<br />
Bei zwangsverheirateten Personen, die ehelicher <strong>Gewalt</strong> ausgesetzt sind,<br />
müssen mögliche migrationsrechtliche Folgen im Einzelfall geklärt werden. Bei<br />
Scheinehen ist eine Wegweisung i.d.R. unumgänglich.<br />
Postvention nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
Postvention ist eine Methode zur Begleitung gewaltbetroffener Familien. <strong>Gewalt</strong>belastete<br />
Familien brauchen oft eine punktuelle, längere Begleitung, damit mit der<br />
Familie nach Wegen gesucht werden kann, um die Faktoren, die die konkrete Familie<br />
belasten zu verringern und die vorhandenen persönlichen und sozialen Ressourcen<br />
und Netze zu aktiviert werden können. Ziel ist es abzuklären, ob und unter was<br />
<strong>für</strong> Voraussetzungen ein gewaltfreies Zusammensein möglich ist oder ob eine geordnete<br />
Trennung ohne <strong>Gewalt</strong> zielführend ist.<br />
VGer 20. Aug. 2009<br />
(VB.2009.00395)<br />
In diesem Fall wurde jedoch<br />
das Vorliegen psychischer<br />
<strong>Gewalt</strong> verneint.<br />
Art. 426 ff. ZGB<br />
Eheliche <strong>Gewalt</strong> bei kurzer<br />
Ehedauer<br />
Zwangs- und Scheinehen<br />
www.postvention.ch<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 209 / 2
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Flyer zu Schutzmassnahmen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
241 Flyer zu Schutzmassnahmen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
Der Flyer der Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> der Direktion der Justiz<br />
und des Innern informiert über die verschiedenen Möglichkeiten eines kurzfristigen<br />
<strong>Gewalt</strong>schutzes. Hauptsächlich werden die Möglichkeiten gewaltschutzrechtlicher<br />
Massnahmen erklärt. Kurz wird auch auf die strafprozessualen Zwangsmassnahmen<br />
und die persönlichkeitsrechtlichen Schutzmassnahmen verwiesen.<br />
Das Informationsmaterial dient vor allem Betroffenen, sich zu informieren. Es wird<br />
auch von der Polizei abgegeben, die gemäss <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz verpflichtet ist,<br />
Personen über das Verfahren zu informieren.<br />
§ 4 Abs. 1 GSG<br />
Im Flyer finden Sie Adressen<br />
der spezialisierten<br />
Beratungsstellen und der<br />
polizeilichen Fachstellen.<br />
Der deutschsprachige<br />
Flyer kann bei der<br />
Interventionsstelle gegen<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
<strong>Kantonspolizei</strong> <strong>Zürich</strong><br />
Präventionsabteilung<br />
Postfach 8021 <strong>Zürich</strong><br />
gratis bezogen werden.<br />
Download als pdf auf<br />
www.ist.zh.ch.<br />
Der Flyer ist auf 12 Sprachen<br />
übersetzt, die ebenfalls<br />
auf www.ist.zh.ch<br />
heruntergeladen werden<br />
können.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 241 / 1
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gesetzestexte zum kurzfristigen Schutz vor <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
281 Gesetzestexte zum kurzfristigen Schutz vor <strong>Gewalt</strong><br />
Nachfolgend werden die wichtigsten Gesetzestexte aufgeführt. Gesetzesartikel aus anderen Gesetzen sind kursiv und unterstrichen hervorgehoben.<br />
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901;<br />
Weiterführende Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />
Übersicht<br />
1. <strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Massnahmen<br />
2. <strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Massnahmen in Wohngemeinschaften<br />
3. Persönlichkeitsrechtlicher <strong>Gewalt</strong>schutz<br />
1. <strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Massnahmen<br />
A. Allgemeines<br />
§ 1 GSG Zweck<br />
1 Das Gesetz bezweckt den Schutz, die Sicherheit<br />
und die Unterstützung von Personen,<br />
die durch häusliche <strong>Gewalt</strong> betroffen<br />
sind.<br />
2 Der Kanton fördert vorbeugende Massnahmen<br />
zur Verminderung der häuslichen<br />
<strong>Gewalt</strong> und die Zusammenarbeit der damit<br />
befassten Stellen.<br />
§ 2 GSG Begriffe<br />
1 <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> liegt vor, wenn eine<br />
Person in einer bestehenden oder einer<br />
aufgelösten familiären oder partnerschaftlichen<br />
Beziehung in ihrer körperlichen, sexuellen<br />
oder psychischen Integrität verletzt<br />
oder gefährdet wird<br />
a) durch Ausübung oder Androhung von<br />
<strong>Gewalt</strong> oder<br />
b) durch mehrmaliges Belästigen, Auflauern<br />
oder Nachstellen.<br />
2 Als gefährdende Person gilt, wer häusliche<br />
<strong>Gewalt</strong> ausübt oder androht.<br />
3 Als gefährdete Person gilt, wer von häuslicher<br />
<strong>Gewalt</strong> betroffen ist.<br />
B. Anordnung von Schutzmassnahmen<br />
§ 3 GSG Polizeiliche Anordnung; Geltung<br />
1 Liegt ein Fall von häuslicher <strong>Gewalt</strong> vor,<br />
stellt die Polizei den Sachverhalt fest und<br />
ordnet umgehend die zum Schutz der gefährdeten<br />
Personen notwendigen Massnahmen<br />
an.<br />
2 Die Polizei kann<br />
a) die gefährdende Person aus der Wohnung<br />
oder dem Haus weisen,<br />
b) ihr untersagen, von der Polizei bezeichnete,<br />
eng umgrenzte Gebiete zu<br />
betreten, und<br />
c) ihr verbieten, mit den gefährdeten und<br />
diesen nahe stehenden Personen in irgendeiner<br />
Form Kontakt aufzunehmen.<br />
3 Die Schutzmassnahmen gelten während<br />
14 Tagen ab Mitteilung an die gefährdende<br />
Person. Sie ergehen unter der Strafandrohung<br />
gemäss Art. 292 StGB.<br />
„Vom Erfordernis des<br />
gemeinsamen Haushaltes<br />
wurde abgesehen,<br />
um auch jene Gefährdeten<br />
zu schützen,<br />
die nie oder noch nie<br />
mit ihrem Partner einen<br />
gemeinsamen Haushalt<br />
gründeten (…)“.<br />
In ca. 5% der Fälle sind<br />
Jugendliche gegen Eltern<br />
gewalttätig. Es war<br />
notwendig, die Legaldefinition<br />
auf diese Fakten<br />
auszurichten (..)<br />
Nicht erfasst werden<br />
heftige, verbale Streitigkeiten<br />
zwischen Partnern,<br />
die keine Integritätsverletzung<br />
oder -gefährdung<br />
zur Folge haben.“<br />
„Stalking (lit. b) wird<br />
i.d.R. nicht strafrechtlich<br />
erfasst. Gleichwohl<br />
kann zum Schutz einer<br />
betroffenen Person,<br />
z.B. bei Trennungsgewalt,<br />
eine Schutzmassnahme<br />
notwendig sein.“<br />
„Die Polizei muss die<br />
Situation vor Ort beurteilen.“<br />
Voraussetzung ist<br />
1. familiäre, partnerschaftliche<br />
Beziehung;<br />
2. <strong>Gewalt</strong>, Androhung<br />
von <strong>Gewalt</strong> oder Stalkinghandlungen<br />
3. Gefährdung oder Verletzung<br />
der Integrität.<br />
Funktion der Schutzmassnahme<br />
ist nicht nur<br />
der unmittelbare Schutz<br />
gefährdeter Personen,<br />
sondern auch eine Deeskalation<br />
und Beruhigung<br />
der Situation. Abs.<br />
1 lit. c ermöglicht die<br />
Ausdehnung des Kontaktverbotes<br />
auf Drittpersonen,<br />
insb. auf Kinder.<br />
Das Verhältnismässigkeitsprinzip<br />
erfordert,<br />
dass eine Beeinträchtigung<br />
der Kinder vorliegt,<br />
die die faktische Aufhebung<br />
des Besuchsrechts<br />
<strong>für</strong> die Dauer der<br />
Schutzmassnahmen<br />
rechtfertigt (BGer 19.<br />
Okt. 2007, (1C_219/<br />
2007), VGer vom 1.<br />
Nov. 2010, (VB.2010.<br />
00561). Vorbehalten ist<br />
eine zivilrechtliche Regelung,<br />
die die GSG-<br />
§ 4 GSG Mitteilung<br />
1 Die Polizei teilt die angeordneten<br />
Schutzmassnahmen schriftlich mit. In der<br />
Regel händigt sie die Verfügung der gefährdenden<br />
und der gefährdeten Person zusammen<br />
mit einer Information über das<br />
weitere Verfahren persönlich aus.<br />
2 Ist die persönliche Aushändigung an die<br />
gefährdende Person trotz sachdienlicher<br />
Nachforschungen nicht möglich, wird sie<br />
durch geeignete Bekanntmachung am Ort,<br />
wo sie wohnt oder sich gewöhnlich aufhält,<br />
aufgefordert, sich sofort bei der Polizei<br />
zu melden. Meldet sie sich innert drei<br />
Tagen nicht, wird die Verfügung zusammen<br />
mit einem Hinweis auf Abs. 3 Satz 2<br />
im Amtsblatt veröffentlicht.<br />
3 Wurde eine gefährdende Person im Sinne<br />
von § 3 Abs. 2 lit. a aus der Wohnung oder<br />
aus dem Haus gewiesen, so hat sie eine<br />
Adresse <strong>für</strong> behördliche Mitteilungen zu<br />
bezeichnen. Unterlässt sie dies, können<br />
Vorladungen und Verfügungen nach diesem<br />
Gesetz während der Geltungsdauer<br />
der Schutzmassnahmen bei der Polizei hinterlegt<br />
werden und gelten als zugestellt.<br />
§ 5 GSG Gerichtliche Beurteilung<br />
Innert fünf Tagen nach Geltungsbeginn der<br />
Schutzmassnahme kann die gefährdende<br />
Person das Gesuch um gerichtliche Beurteilung<br />
stellen. Dem Begehren kommt keine<br />
aufschiebende Wirkung zu.<br />
§ 6 GSG Verlängerung, Änderung und<br />
Aufhebung<br />
1 Die gefährdete Person kann innert acht<br />
Tagen nach Geltungsbeginn der Schutzmassnahmen<br />
beim Gericht um deren Verlängerung<br />
ersuchen.<br />
2 Ändern sich die Verhältnisse, so können<br />
die Parteien um Aufhebung, Änderung<br />
oder Verlängerung der haftrichterlichen<br />
Schutzmassnahmen ersuchen.<br />
3 Die gerichtlich verfügten Schutzmassnahmen<br />
dürfen insgesamt drei Monate<br />
nicht übersteigen.<br />
§ 7 GSG Verhältnis zu anderen Massnahmen<br />
1 Schutzmassnahmen fallen dahin, wenn<br />
entsprechende zivilrechtliche Massnahmen<br />
rechtskräftig angeordnet und vollzogen<br />
sind. In diesen Fällen teilen die Organe der<br />
Zivilrechtspflege ihre Entscheidungen der<br />
Polizei mit.<br />
2 Schutzmassnahmen werden durch die Anordnung<br />
strafprozessualer Zwangsmassnahmen<br />
nicht aufgehoben.<br />
Massnahme aufhebt(vgl.<br />
§ 7 Abs. 1 GSG).<br />
„Festzuhalten ist (..),<br />
dass es sich um eine<br />
blosse Hinterlegung<br />
handelt. Die Polizei ist<br />
nicht verpflichtet, aktiv<br />
nach dem Aufenthaltsort<br />
(..) zu forschen.“<br />
Das zuständige Gericht<br />
ist auf der Verfügung<br />
vermerkt.<br />
Die Verlängerung ist<br />
nicht von der Einleitung<br />
eines Eheschutz- bzw.<br />
Trennungsverfahrens<br />
abhängig. Mit der Verlängerungsmöglichkeit<br />
soll zusätzlich Ruhe<br />
gewonnen werden. Betroffenen,<br />
die ein Eheschutzverfahren<br />
anstrengen<br />
gewinnen<br />
durch die Beruhigung<br />
mehr Distanz und Sicherheit.<br />
Die Verfahren<br />
verlaufen deshalb weniger<br />
hektisch.<br />
Mit einer vollziehbaren,<br />
kindsschutz- oder eherechtlichen<br />
Massnahme<br />
kann eine GSG-<br />
Massnahme aufgehoben<br />
werden. Untersuchungshaft<br />
ist meist<br />
kurz. „Ausserdem werden<br />
die Opfer (..) oft<br />
nicht oder zu spät über<br />
die Entlassungen aus<br />
der U-Haft orientiert (..).“<br />
Die polizeiliche Schutzmassnahme<br />
dauert<br />
deshalb in jedem Fall 14<br />
Tage.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 281 / 1
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gesetzestexte zum kurzfristigen Schutz vor <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
C. Gemeinsame Verfahrensbestimmungen<br />
§ 8 GSG Form der Gesuche; Zuständigkeit<br />
1 Die Gesuche um gerichtliche Beurteilung<br />
einer polizeilichen Schutzmassnahme und<br />
um Verlängerung, Änderung oder Aufhebung<br />
einer haftrichterlichen Schutzmassnahme<br />
müssen unter Beilage der Verfügung<br />
schriftlich begründet werden.<br />
2 Zuständiges Gericht ist die Haftrichterin<br />
oder der Haftrichter am Ort der Begehung<br />
der häuslichen <strong>Gewalt</strong>.<br />
§ 33 GOG Zwangsmassnahmen des<br />
Verwaltungsrechtes<br />
1 Das Einzelgericht ist Haftrichterin oder -<br />
richter gemäss GSG vom 19. Juni 2006<br />
und gemäss Polizeigesetz vom 23. April<br />
2007.<br />
2 Die Mitglieder der Bezirksgerichte sind<br />
<strong>für</strong> die Funktion als Haftrichterin und -<br />
richter im ganzen Kantonsgebiet einsetzbar.<br />
Das Obergericht kann <strong>für</strong> dieselbe<br />
Funktion Ersatzmitglieder <strong>für</strong> das ganze<br />
Kantonsgebiet einsetzen.<br />
3 (..)<br />
§ 9 GSG Verfahrensgrundsätze<br />
1 Das zuständige Gericht entscheidet innert<br />
vier Arbeitstagen über Gesuche nach den<br />
§§ 5 und 6.<br />
2 Es stellt den Sachverhalt von Amtes wegen<br />
fest und fordert unverzüglich die polizeilichen<br />
Akten und, sofern ein Strafverfahren<br />
eingeleitet wurde, jene der Strafuntersuchung<br />
an. Auf Verlangen des Gerichts<br />
nehmen die Polizei und die Staatsanwaltschaft<br />
zum Gesuch Stellung.<br />
3 Das Gericht hört die Gesuchsgegnerin<br />
oder den Gesuchsgegner nach Möglichkeit<br />
an. Es kann auch eine Anhörung der Gesuchstellerin<br />
oder des Gesuchstellers anordnen.<br />
Es sorgt da<strong>für</strong>, dass sich die Parteien<br />
vor Gericht nicht begegnen, wenn die<br />
gefährdete Person darum ersucht und dem<br />
Anspruch der gefährdenden Person auf<br />
rechtliches Gehör in anderer Weise Rechnung<br />
getragen werden kann.<br />
4 Beweise können abgenommen werden,<br />
soweit sie das Verfahren nicht verzögern.<br />
§ 10 GSG Haftrichterlicher Entscheid<br />
1 Das zuständige Gericht weist das Gesuch<br />
um Aufhebung der Schutzmassnahmen ab<br />
oder heisst das Gesuch um Verlängerung<br />
der Massnahmen gut, wenn der Fortbestand<br />
der Gefährdung glaubhaft ist. Es<br />
kann eine andere Schutzmassnahme gemäss<br />
§ 3 Abs. 2 anordnen.<br />
2 Bei Gesuchen um Verlängerung, Änderung<br />
oder Aufhebung von Schutzmassnahmen<br />
entscheidet es vorläufig, wenn die<br />
Gesuchsgegnerin oder der Gesuchsgegner<br />
nicht angehört worden ist.<br />
3 Es teilt den Entscheid den Parteien sowie<br />
der Polizei mit einer kurzen Begründung<br />
schriftlich mit, auch wenn der Entscheid<br />
mündlich eröffnet wurde.<br />
§ 11 GSG Einsprache gegen vorläufige<br />
Entscheide<br />
1 Entscheidet das zuständige Gericht vorläufig,<br />
so setzt es der Gesuchsgegnerin<br />
oder dem Gesuchsgegner eine Frist von<br />
fünf Tagen, um gegen den Entscheid Einsprache<br />
zu erheben. Die Fristansetzung er-<br />
Zum Nachweis mit Arztund/oder<br />
Therapieberichten<br />
(auch früherer<br />
Arztbesuche); Chronologie<br />
der <strong>Gewalt</strong>ereignisse,<br />
die von einer Beratungsstelle<br />
beigebracht<br />
wird. Eine minimale<br />
Begründung ist<br />
Gültigkeitserfordernis<br />
<strong>für</strong> die gerichtliche Beurteilung<br />
(BGer, 13. Juli<br />
2007, (1C_89/2007).<br />
Zuständig ist das Einzelgericht<br />
(§ 33 GOG);<br />
VGer, 3. Mai 2010,<br />
(VB.2010.VO177; E.<br />
3.1.).<br />
Das Verfahren der gerichtlichen<br />
Überprüfung<br />
der polizeilichen<br />
Schutzmassnahme<br />
nach § 5 GSG ist vom<br />
Verlängerungsverfahren<br />
nach § 6 GSG zu<br />
unterscheiden.<br />
Im Verlängerungsverfahren<br />
muss der Gesuchsgegner<br />
angehört<br />
werden, es sei denn,<br />
dass eine Anhörung unter<br />
den gegebenen<br />
Umständen nicht möglich<br />
ist. BGer<br />
30. Jan. 2008; (134 I<br />
140, E. 5.5); VGer,<br />
25. März 2010.<br />
(VB.2010.00109, E.<br />
3.1.) 17. Juni 2010.<br />
(VB:2010.00265, E.<br />
4.4.).<br />
„Grundsätzlich sind<br />
sämtliche Beweismittel<br />
zugelassen wie schriftliche<br />
Auskünfte, Augenschein,<br />
Urkunden und<br />
Zeugenbefragung.“<br />
Die Gefährdung besteht<br />
entweder in weiteren<br />
Tathandlungen gemäss<br />
§ 2 GSG und/oder in<br />
der anhaltenden Integritätsgefährdung<br />
oder -<br />
verletzung. Die Einleitung<br />
eines Eheschutzverfahrens<br />
bewirkt in<br />
<strong>Gewalt</strong>beziehungen oft<br />
eine Zunahme der <strong>Gewalt</strong>,<br />
weshalb i.d.R. von<br />
einer Perpetuierung der<br />
Gefährdung auszugehen<br />
ist.<br />
Das Zwangsmassnahmengericht<br />
kann aufgrund<br />
der Akten vorläufig<br />
entscheiden. Dieser<br />
Entscheid unterliegt der<br />
Einsprache, welche innert<br />
fünf Tagen schriftfolgt<br />
unter der Androhung, dass es im<br />
Säumnisfall beim vorläufigen Entscheid<br />
sein Bewenden habe.<br />
2 Die Einsprache ist schriftlich begründet zu<br />
erheben. Ihr kommt keine aufschiebende<br />
Wirkung zu.<br />
§ 11a GSG Beschwerde ans Verwaltungsgericht<br />
1 Gegen Entscheide des zuständigen Gerichts<br />
kann innert fünf Tagen beim Verwaltungsgericht<br />
Beschwerde erhoben werden.<br />
2 Dem Lauf der Beschwerdefrist und der<br />
Einreichung der Beschwerde kommt keine<br />
aufschiebende Wirkung zu .<br />
§ 43 b VRG Verwaltungsgericht<br />
1 Die Beschwerde ist unzulässig gegen Entscheide<br />
der erstinstanzlichen Zivil- und<br />
Strafgerichte, ausgenommen Beschwerden<br />
betreffend Massnahmen nach<br />
a. §§ 3–14 des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes<br />
vom 19. Juni 2006 (..)<br />
§ 38 b VRG Einzelrichter (des VGer)<br />
1 Ein voll- oder teilamtliches Mitglied entscheidet<br />
als Einzelrichter über Rechtsmittel,<br />
a. – c. (..)<br />
d. bei Streitigkeiten betreffend (..)<br />
1. – 3. (..)<br />
4. Massnahmen erstinstanzlicher Gerichte<br />
nach § 43 Abs. 1 lit. a–c.<br />
2 In Fällen von grundsätzlicher Bedeutung<br />
kann die Entscheidung einer Kammer<br />
übertragen werden. 3 (..)<br />
§ 12 GSG Kosten<br />
1 Wird das Gesuch um Aufhebung einer<br />
Schutzmassnahme gemäss § 5 gutgeheissen,<br />
so werden die Verfahrenskosten auf<br />
die Staatskasse genommen. In den übrigen<br />
Fällen werden die Kosten in der Regel der<br />
unterliegenden Partei auferlegt.<br />
2 Jede Partei hat die Gegenpartei nach<br />
Massgabe ihres Unterliegens <strong>für</strong> Kosten<br />
und Umtriebe zu entschädigen.<br />
§ 16 VRG Unentgeltliche Rechtspflege<br />
1 Privaten, welchen die nötigen Mittel fehlen<br />
und deren Begehren nicht offensichtlich<br />
aussichtslos erscheint, ist auf entsprechendes<br />
Ersuchen die Bezahlung von Verfahrenskosten<br />
und Kostenvorschüssen zu<br />
erlassen.<br />
2 Sie haben überdies Anspruch auf die Bestellung<br />
eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes,<br />
wenn sie nicht in der Lage sind,<br />
ihre Rechte im Verfahren selbst zu wahren.<br />
3 (..)<br />
4 Eine Partei, der die unentgeltliche Rechtspflege<br />
gewährt wurde, ist zur Nachzahlung<br />
verpflichtet, sobald sie dazu in der Lage<br />
ist. Der Anspruch des Kantons verjährt<br />
zehn Jahre nach Abschluss des Verfahrens.<br />
lich begründet werden<br />
muss.<br />
Das Zwangsmassnahmengericht<br />
kann keine<br />
Unterhaltsfragen oder<br />
sonstigen Trennungsfolgen,<br />
wie die Zuteilung<br />
der Wohnung, regeln!<br />
Beschwerden betr.<br />
Massnahmen nach §§ 3<br />
- 14 GSG fallen nach §<br />
38 b Abs. 1 lit. d Ziff. 4<br />
VRG seit<br />
1. Juli 2010 in die einzelrichterliche<br />
Zuständigkeit<br />
des Verwaltungsgericht.<br />
Auch<br />
bei Rückweisung zur<br />
Durchführung einer Anhörung<br />
der Parteien<br />
und Neubeurteilung<br />
bleiben die Schutzmassnahmen<br />
in Kraft<br />
und der Einsprache<br />
kommt keine aufschiebende<br />
Wirkung zu;<br />
VGer vom<br />
25. März 2010<br />
(VB.2010.00109, E.<br />
3.2.)<br />
„Die Auflage und Höhe<br />
der Kosten richtet sich<br />
nach der VO über die<br />
Gerichtsgebühren (LS<br />
211.11).“ Gemäss der<br />
verfassungsmässigen<br />
Garantie von Art. 29<br />
Abs. 3 BV kann die unentgeltliche<br />
Rechtspflege<br />
gewährt werden<br />
sowie eine unentgeltliche<br />
Rechtsverbeiständung<br />
(§ 16 VRG).<br />
Die Kosten werden auf<br />
CHF 300 - 600<br />
angesetzt. Die polizeilichen<br />
Schutzmassnahmen<br />
sind<br />
demgegenüber unentgeltlich.<br />
Stundung der Verfahrenskosten<br />
in der wirtschaftlichen<br />
Notsituation.<br />
Sofern eine anwaltschaftliche<br />
Vertretung<br />
notwendig ist,<br />
auch <strong>für</strong> Anwaltskosten.<br />
Die zentrale Inkassostelle<br />
des Obergerichtes<br />
fordert die gestundeten<br />
Beiträge regelmässig<br />
ein.<br />
Die unentgeltliche<br />
Rechtspflege entbindet<br />
nicht von der Zahlung<br />
einer allfälligen Parteientschädigung.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 281 / 2
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gesetzestexte zum kurzfristigen Schutz vor <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />
D. Gewahrsam<br />
§ 13 GSG Anordnung<br />
1 Neben der Anordnung von Schutzmassnahmen<br />
kann die Polizei die gefährdende<br />
Person überdies in Gewahrsam nehmen,<br />
wenn<br />
a) die Gefährdung gemäss § 2 Abs. 1<br />
schwerwiegend und unmittelbar ist<br />
und nicht auf andere Weise abgewendet<br />
werden kann oder<br />
b) dies zur Sicherung des Vollzugs einer<br />
Schutzmassnahme notwendig ist.<br />
2 Die Polizei darf eine Person nicht länger<br />
als notwendig, längstens aber 24 Stunden<br />
in Gewahrsam behalten. Die Rechtmässigkeit<br />
des Gewahrsams wird auf Gesuch der<br />
betroffenen Person durch das zuständige<br />
Gericht überprüft. Dem Begehren kommt<br />
keine aufschiebende Wirkung zu.<br />
§ 14 GSG Verlängerung<br />
1 Ist ein Gewahrsam von mehr als 24 Stunden<br />
notwendig, so stellt die Polizei innert<br />
24 Stunden ab Beginn des Gewahrsams<br />
dem zuständigen Gericht gemäss § 8 Abs.<br />
2 einen begründeten Antrag auf Verlängerung.<br />
2 Das Gericht hört die gefährdende Person<br />
an und entscheidet innert zwei Arbeitstagen<br />
ab Antragseingang. Die Verlängerung<br />
erfolgt <strong>für</strong> längstens vier Tage. Art. 224ff.<br />
StPO sind sinngemäss anzuwenden.<br />
3 Der Entscheid ist mit Beschwerde beim<br />
Verwaltungsgericht anfechtbar. § 11a gilt<br />
sinngemäss.<br />
E. Flankierende Massnahmen<br />
§ 15 GSG Informations- und Mitteilungspflichten<br />
1 Leben Unmündige im Haushalt der gefährdeten<br />
oder gefährdenden Person, so<br />
teilt die Polizei die angeordneten Schutzmassnahmen<br />
der zuständigen Kindes- und<br />
Erwachsenenschutzbehörde (KESB) mit.<br />
2 Die Polizei informiert die gefährdete und<br />
die gefährdende Person über das weitere<br />
Verfahren und die spezialisierten Beratungsstellen.<br />
Sie übermittelt die Verfügung,<br />
mit der die Schutzmassnahmen angeordnet<br />
worden sind, sowie allenfalls<br />
weitere notwendige Unterlagen je einer<br />
Beratungsstelle <strong>für</strong> gefährdete und gefährdende<br />
Personen.<br />
3 Die polizeilichen und haftrichterlichen<br />
Akten werden der KESB und den Organen<br />
der Zivilrechtspflege auf Anfrage zugestellt.<br />
§ 16 GSG Beratungsstellen<br />
1 Der Kanton bezeichnet spezialisierte Beratungsstellen<br />
<strong>für</strong> gefährdende und gefährdete<br />
Personen und unterstützt die Tätigkeit<br />
dieser Organisationen.<br />
2 Nach einer Mitteilung gemäss § 15 Abs. 2<br />
nimmt die Beratungsstelle mit den gefährdeten<br />
und den gefährdenden Personen umgehend<br />
Kontakt auf. Wünscht eine Person<br />
keine Beratung, werden die von der Polizei<br />
übermittelten Unterlagen von den Beratungsstellen<br />
vernichtet.<br />
„Vorausgesetzt wird (..)<br />
eine nicht anders abwendbare<br />
schwere Gefährdung.<br />
Besteht ein<br />
Verdacht auf ein Vergehen<br />
oder Verbrechen,<br />
so kann die Polizei<br />
(..) eine Person<br />
festnehmen, ohne dass<br />
(..) eine schwerwiegende<br />
und unmittelbare<br />
Gefährdung des Opfers<br />
bzw. der gefährdeten<br />
Person vorliegen muss.<br />
Damit wird verdeutlicht,<br />
dass der Fokus dieses<br />
Gesetzes nicht das deliktische<br />
Handeln, sondern<br />
das ausgewiesene<br />
und glaubhaft zu machende<br />
Schutzbedürfnis<br />
der von <strong>Gewalt</strong> betroffenen<br />
Person ist.“<br />
In über 55% der Haushalte<br />
sind Kinder.<br />
Die KESB muss abklären,<br />
ob Kindsschutzmassnahmen<br />
notwendig<br />
sind.<br />
Die Schutzverfügung<br />
wird von der Polizei<br />
übermittelt. Die Beratungsstellen<br />
klären ab,<br />
ob die Betroffenen eine<br />
Beratung wollen (vgl. §<br />
16 GSG).<br />
In einer akuten Gefährdungssituation<br />
ist eine<br />
Unterbringung im Frauenhaus<br />
notwendig.<br />
Auch kann sich die<br />
Frage einer <strong>für</strong>sorgerischen<br />
Unterbringung<br />
(426ff ZGB) stellen,<br />
wenn die Drittgefährdung<br />
Folge einer Erkrankung<br />
ist.<br />
Adressen der Beratungsstellen<br />
in Kap.<br />
901.<br />
§ 17 GSG Interventionsstelle<br />
1 Die kantonale Interventionsstelle gegen<br />
häusliche <strong>Gewalt</strong> gewährleistet, steuert,<br />
koordiniert und überprüft die Zusammenarbeit<br />
der mit häuslicher <strong>Gewalt</strong> befassten<br />
Behörden und Beratungsstellen.<br />
2 Die zuständige Direktion des Regierungsrates<br />
setzt eine fachübergreifende Arbeitsgruppe<br />
ein, welche die Arbeit der Interventionsstelle<br />
unterstützt und begleitet.<br />
§ 18 GSG Aus- und Weiterbildung<br />
1 Der Kanton sorgt <strong>für</strong> die fachliche Ausund<br />
Weiterbildung der mit häuslicher <strong>Gewalt</strong><br />
befassten Behörden und Beratungsstellen.<br />
2 Er fördert die regelmässige Information<br />
der Bevölkerung zu Fragen der häuslichen<br />
<strong>Gewalt</strong>.<br />
3 Er unterstützt die Tätigkeit entsprechender<br />
Organisationen, insb. <strong>für</strong> vorbeugende<br />
Massnahmen zur Verminderung der <strong>Gewalt</strong>.<br />
Die IST Interventionsstelle<br />
gegen <strong>Häusliche</strong><br />
<strong>Gewalt</strong> ist bei der Präventionsabteilung<br />
der<br />
Zürcher <strong>Kantonspolizei</strong>.<br />
Das strategische Kooperationsgremium<br />
setzt sich aus ca. 20<br />
Fachpersonen zusammen,<br />
die Behörden und<br />
NGO vertreten, die sich<br />
mit <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
befassen.<br />
www.ist.zh.ch<br />
2. <strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Massnahmen in<br />
Wohngemeinschaften<br />
Art. 28 b ZGB <strong>Gewalt</strong>, Drohungen oder<br />
Nachstellungen<br />
2/3<br />
(..)<br />
4 Die Kantone bezeichnen eine Stelle, die<br />
im Krisenfall die sofortige Ausweisung der<br />
verletzenden Person aus der gemeinsamen<br />
Wohnung verfügen kann, und regeln das<br />
Verfahren.<br />
§ 42a EG zum ZGB Polizeiliche Zuständigkeit<br />
1 Die Polizei ist zuständige Stelle im Sinne<br />
von Art. 28b Abs. 4 ZGB.<br />
2 Liegt ein Fall häuslicher <strong>Gewalt</strong> im Sinne<br />
von § 2 GSG vor, richtet sich das Verfahren<br />
nach diesem Gesetz.<br />
3 In den übrigen Fällen sind die §§ 3 Abs. 3,<br />
4, 5 und 7 Abs. 1 GSG sinngemäss anwendbar.<br />
Im Kanton <strong>Zürich</strong><br />
kommt diese eidgenössische<br />
polizeirechtliche<br />
Schutzbestimmung in<br />
der akuten <strong>Gewalt</strong>situation<br />
selten zur Anwendung,<br />
da meist das<br />
GSG genügt.<br />
Die Anordnung der<br />
Schutzmassnahme erfolgt<br />
nach GSG. Für eine<br />
Verlängerung und<br />
Beibehaltung des<br />
Schutzes muss im Vereinfachten<br />
Verfahren<br />
ein Zivilprozess angestrengt<br />
werden.<br />
3. Persönlichkeitsrechtlicher <strong>Gewalt</strong>schutz<br />
Art. 28 b ZGB <strong>Gewalt</strong>, Drohungen oder<br />
Nachstellungen<br />
1 Zum Schutz gegen <strong>Gewalt</strong>, Drohungen<br />
oder Nachstellungen kann die klagende<br />
Person dem Gericht beantragen, der verletzenden<br />
Person insbesondere zu verbieten:<br />
1. sich ihr anzunähern oder sich in einem<br />
bestimmten Umkreis ihrer Wohnung<br />
aufzuhalten;<br />
2. sich an bestimmten Orten, namentlich<br />
bestimmten Strassen, Plätzen oder<br />
Quartieren, aufzuhalten;<br />
3. mit ihr Kontakt aufzunehmen, namentlich<br />
auf telefonischem, schriftlichem<br />
oder elektronischem Weg, oder sie in<br />
anderer Weise zu belästigen;<br />
2/3/4 (..)<br />
Zu den privatrechtlichen,<br />
im Persönlichkeitsrecht<br />
begründeten<br />
Schutzmassnahmen<br />
vgl. Kapitel 3.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 281 / 3
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />
282 Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz<br />
1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />
Inhaltsübersicht<br />
1. Zweck von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen § 1 GSG<br />
2. Tatbestandsmerkmale<br />
2.1. Familiäre Beziehung § 2 Abs. 1 GSG<br />
2.2. <strong>Gewalt</strong> und Drohung § 2 Abs. 1 lit a. GSG<br />
2.3. Stalking § 2 Abs. 1 lit. b GSG<br />
3. <strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Massnahmen<br />
3.1. Wegweisung § 3 Abs. 2 lit a. GSG<br />
3.2. Rayonverbot § 3 Abs. 2 lit. b GSG<br />
3.3. Kontaktverbot § 3 Abs. 2 lit. c GSG<br />
3.4. Kontaktverbot gegenüber Kindern § 3 Abs. 2 lit. c GSG<br />
3.5. Verhältnismässigkeit von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />
3.6. Teilaufhebung der GSG-Massnahme durch zivilrechtliche, vorsorgliche Kindesschutzmassnahmen<br />
4. Sachverhaltsabklärung durch Polizei und Gerichte<br />
4.1. Rechtliches Gehör, Anhörung, Glaubhaftigkeit § 3 Abs. 1 GSG, 9 Abs. 23 GSG<br />
4.2. Beweisabnahme, Glaubhaftmachung § 10 Abs. 1 GSG<br />
4.3. Kognition des Zwangsmassnahmen- und des Verwaltungsgerichts<br />
5. Zuständigkeit und Verhältnis zu den Parallelverfahren<br />
5.1. Örtliche und sachliche Zuständigkeit § 8 Abs. 2 GSG<br />
5.2. Verhältnis zu zivilrechtlich angeordneten Massnahmen (insb. Ehe- und Kindesschutz) § 7 Abs. 1 GSG<br />
5.3. Verhältnis zu strafprozessualen und strafrechtlichen Massnahmen und Auflagen § 7 Abs. 2 GSG<br />
6. Rechtsmittelinstanzen<br />
6.1. Beschwerde an das Verwaltungsgericht § 11a GSG<br />
6.2. Beschwerde an das Bundesgericht<br />
7. Verfahrensrechtliche Fragen<br />
7.1. Zustellung der Vorladung im GSG-Gerichtsverfahren § 4 Abs. 3 GSG<br />
7.2. Aktuelles Rechtsschutzinteresse und Gegenstandslosigkeit<br />
7.3. Keine aufschiebende Wirkung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde § 11a Abs. 2 GSG<br />
7.4. Weitere verfahrensrechtlichen Fragen<br />
8. Gerichtskosten, Parteientschädigung, Unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung<br />
8.1. Kostenauflage, Parteientschädigung § 12 GSG<br />
8.2. Unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung § 16 VRG<br />
Linke Spalte: Wörtliche Auszüge aus den Entscheiden; Hervorhebungen durch die IST<br />
Rechte Spalte: Prozessnummern; Stichworte; Hinweise zum Sachverhalt des Entscheides und Kommentare der IST sind kursiv.<br />
Seit 2008 ist das Zürcher Verwaltungsgericht Beschwerdeinstanz gegen richterliche GSG-Entscheide. Seit dem 1. Juli 2010 ist ein<br />
Einzelrichter des Verwaltungsgerichts zuständig.<br />
Mit der Einführung der Strafprozessordnung am 1. Januar 2011 wurde der Haftrichter als Zwangsmassnahmengericht bezeichnet.<br />
Die vollständigen Texte der publizierten Urteile können mit Hilfe der Prozessnummern <strong>für</strong> das Zürcher Verwaltungsgericht unter<br />
www.vgrzh.ch; <strong>für</strong> das Bundesgericht unter www.bger.ch abgerufen werden.<br />
1. Zweck von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen § 1 GSG<br />
2. (..) Auf das Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz abgestützte Massnahmen werden im öffentlichen Interesse zum<br />
Schutz gefährdeter Personen und zur Entspannung einer häuslichen <strong>Gewalt</strong>situation angeordnet (vgl.<br />
die Weisung des Regierungsrats vom 6. Juli 2005 zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, Amtsblatt des Kantons <strong>Zürich</strong><br />
2005, S. 767 ff., 771). Sie sind weder an die Eröffnung eines Strafuntersuchungsverfahrens gebunden noch an<br />
die Einleitung eines Zivilverfahrens, namentlich eines Eheschutzverfahrens geknüpft (vgl. die Weisung des<br />
Regierungsrats, a.a.O., insb. S. 774 und 776 f.).<br />
Ein wichtiges Anliegen der Schutzmassnahmen im Sinne des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes ist, dass die gefährdete<br />
Person wieder Sicherheit gewinnen und zur Ruhe kommen kann (ABl. 2005, 774).<br />
Der Beschwerdeführer ist in seiner Bewegungsfreiheit im Sinne von Art. 10 Abs. 2 BV eingeschränkt worden.<br />
Diese Verfassungsgarantie stellt <strong>für</strong> sich allein genommen kein "civil right" dar. Mit der Auferlegung von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />
(Rayon- und Kontaktverbot) besteht aber die Möglichkeit der Gefährdung des "guten<br />
Rufs", wie er vom nationalen Recht durch Art. 28 ff. ZGB und Art. 173 ff. StGB geschützt ist. Der "gute Ruf"<br />
stellt grundsätzlich ein "civil right" dar und ist geeignet, in den Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1<br />
EMRK zu fallen. Der vom Beschwerdeführer angerufene Anspruch auf rechtliches Gehör ist Teilgehalt des<br />
allgemeinen Grundsatzes des fairen Verfahrens von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 29 Abs. 1 BV. Er wird auch<br />
durch Art. 29 Abs. 2 BV geschützt.<br />
Schutz, Deeskalation BGE 134<br />
I 140, E.2<br />
u.a. VGr, 28. Okt. 2013; E.3.1,<br />
VB.2013.000609<br />
VB.2013.00092, E..4,<br />
VB.2010.00109, E. 2.<br />
VB.2009.00246, E. 2.<br />
VGr, 3. Dez. 2009,<br />
VB.2009.00632, E. 6.<br />
Recht auf faires Verfahren<br />
BGer, 31. Jan. 2008,<br />
BGE 134 I 140, E. 5.2.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 1
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />
Art. 6 Ziff. 1 EMRK garantiert die Öffentlichkeit des Verfahrens. Die Pflicht zur Durchführung einer öffentlichen<br />
Gerichtsverhandlung setzt nach der Rechtsprechung allerdings einen klaren Parteiantrag voraus. Blosse Beweisabnahmeanträge,<br />
wie die Durchführung einer persönlichen Befragung, reichen nicht aus. Art. 29 Abs. 2 BV<br />
räumt keinen Anspruch auf eine mündliche Anhörung ein.<br />
Unter dem Begriff "Freiheitsentziehung" im Sinne von Art. 5 EMRK und Art. 31 BV ist gemäss Rechtsprechung<br />
nicht bloss Haft im engen Sinn zu verstehen. Umgekehrt fällt nicht jede Art der Freiheitsbeschränkung unter<br />
diese Garantie, sondern nur Freiheitsbeschränkungen von gewissem Ausmass und gewisser Intensität. Allgemein<br />
kann Freiheitsentziehung als eine Massnahme der öffentlichen <strong>Gewalt</strong> umschrieben werden, durch die<br />
jemand gegen oder ohne seinen Willen an einem bestimmten, begrenzten Ort <strong>für</strong> gewisse Dauer festgehalten<br />
wird. Bei der Abgrenzung der Freiheitsentziehung von der blossen Beschränkung der Bewegungsfreiheit sind<br />
verschiedene Kriterien zu berücksichtigen, vor allem die Art und Weise, die Dauer, das Ausmass und die<br />
Intensität der Beschränkung; massgeblich sind die Auswirkungen der zu beurteilenden Massnahme insgesamt.<br />
Typische Beispiele sind Untersuchungs- und Auslieferungshaft sowie <strong>für</strong>sorgerische Freiheitsentziehung. Durch<br />
die Auferlegung eines Rayon- und Kontaktverbots wird eine Person in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt.<br />
Es wird ihr untersagt, bestimmte Orte aufzusuchen und mit bestimmten Personen Kontakte zu pflegen.<br />
Abgesehen von einem relativ eng begrenzten Gebiet kann sie ihren Aufenthaltsort frei wählen, ihren Alltag<br />
frei gestalten und ist dabei keinen Kontrollen unterworfen. Diese Art der Freiheitsbeschränkung ist in ihrem<br />
Ausmass und in ihrer Intensität nicht vergleichbar mit einer Festhaltung an einem bestimmten Ort (vgl.<br />
ebenso die regierungsrätliche Weisung, a.a.O., S. 773). Das Rayon- und Kontaktverbot fällt daher nicht unter<br />
den Begriff "Freiheitsentziehung" von Art. 5 EMRK und Art. 31 BV. Die in diesen Bestimmungen enthaltenen<br />
Garantien können vorliegend nicht angerufen werden.<br />
Der Begriff "strafrechtliche Anklage" im Sinne von Art. 6 EMRK ist autonomer Natur und wird vom Bundesgericht<br />
entsprechend der Praxis der Strassburger Organe nach drei Kriterien bestimmt: Massgeblich ist erstens<br />
die Zuordnung der Vorschrift im nationalen Recht. Diesem Gesichtspunkt kommt allerdings nur relative Bedeutung<br />
zu. Von grösserer Tragweite ist zweitens die Natur der vorgeworfenen Handlung und deren Folgen. Wird<br />
als Folge eine Sanktion vorgesehen, die sowohl präventiven als auch vergeltenden Charakter aufweist, so ist<br />
die strafrechtliche Natur der Zuwiderhandlung zu bejahen. Als drittes Kriterium ist auf die Schwere der Sanktion<br />
abzustellen. Zu ermitteln sind die Auswirkungen der Sanktion auf den konkret Betroffenen.<br />
Das GSG wird dem Bereich des öffentlichen Rechts zugeordnet, nicht aber als Strafsache qualifiziert. Die<br />
Anordnung von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen ist nicht zwingend mit der Einleitung eines Strafverfahrens verbunden.<br />
(..) Die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen sind in ihrer Zielsetzung nicht darauf ausgerichtet, die gewaltausübende<br />
Person zu bestrafen, sondern eine konkrete Person in einer bestimmten <strong>Gewalt</strong>situation zu<br />
schützen (vgl. § 2 Abs. 1 GSG). Auch die Konsequenzen <strong>für</strong> die gefährdende Person - die Pflicht zur Einhaltung<br />
eines rechtlich gebotenen Verhaltens - sind nicht mit denjenigen einer strafrechtlichen Sanktion vergleichbar.<br />
Die Auferlegung von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen fällt demnach nicht unter den Begriff "strafrechtliche<br />
Anklage" i.S.v Art. 6 EMRK, und es können die spezifischen Garantien im Strafverfahren (Art. 6 Ziff.<br />
2 und 3 EMRK, Art. 32 BV) nicht angerufen werden.<br />
<strong>Gewalt</strong>schutzrecht ist nicht<br />
Strafrecht<br />
BGer, 31. Jan. 2008,<br />
BGE 134 I 140, E. 3.2.<br />
Ebenfalls<br />
VGr, 11. März 2013,<br />
VB.2013.00092<br />
E. 4.2. Keine Berufung auf die<br />
Verfahrensgarantien des Strafrechts;<br />
Art. 6 EMRK<br />
2. Tatbestandsmerkmale<br />
2.1 Familiäre Beziehung § 2 Abs. 1 GSG<br />
Zwischen der gefährdenden und der gefährdeten Person muss eine familiäre oder partnerschaftliche Beziehung<br />
bestehen bzw. bestanden haben, die sich durch Vertrautheit, Verletzlichkeit und Abhängigkeit äussert;<br />
das Vorhandensein eines gemeinsamen Haushalts wird nicht vorausgesetzt (Weisung des Regierungsrats,<br />
ABl 2005 S. 762 ff., 771).<br />
Die in einem gemeinsamen Haushalt wohnende 77-jährige Mutter und ihre Tochter stellen eine familiäre<br />
Beziehung im Sinn von § 2 Abs. 1 GSG dar, auch wenn hier die gefährdete Person nicht – wie sonst eher<br />
üblich – das Kind, sondern ein Elternteil ist.<br />
VGr, 25. März 2010,<br />
VB.2010.00098, E. 2.<br />
Mutter-Tochter Beziehung<br />
VGr, 20. Aug. 2009,<br />
VB.2009.00395, E. 3, 5.1.<br />
2.2. <strong>Gewalt</strong> und Drohung § 2 Abs. 1 lit. a GSG<br />
Es sind nicht nur physische <strong>Gewalt</strong>übergriffe des Beschwerdeführers aktenkundig, sondern es ist auch glaubhaft,<br />
dass die Beschwerdegegnerin durch die Dominanz des Beschwerdeführers, der ihr kaum Raum <strong>für</strong><br />
eigene Entscheidungen lässt, auch psychischer <strong>Gewalt</strong> ausgesetzt war.<br />
Unter <strong>Gewalt</strong> fallen gemäss den regierungsrätlichen Weisungen z.B. strafbare Handlungen wie Tätlichkeiten,<br />
Körperverletzungen, Beschimpfungen, Drohungen, Nötigungen und Sachbeschädigungen, sofern sie in der<br />
konkreten Situation geeignet sind, gefährdende oder verletzende Auswirkungen auf die Integrität einer Person<br />
zu haben. Nicht erfasst werden hingegen heftige verbale Streitigkeiten zwischen Partnern, die nicht zu<br />
einer derartigen Verletzung führen.<br />
In engen familiären Beziehungen kann die Schwelle zur Bejahung von <strong>Gewalt</strong> aufgrund einseitiger oder gegenseitiger<br />
Abhängigkeiten tiefer liegen als bei partnerschaftlichen Beziehungen. Angesichts des fortgeschrittenen<br />
Alters, des Gesundheitszustands und der Abhängigkeit der Mutter von der Tochter, welche <strong>für</strong> sie tägliche<br />
Verrichtungen erledigte, ist vorliegend davon auszugehen. Dennoch erreicht die Aussage der Tochter, die<br />
Mutter solle "sterben und verrecken", noch nicht die Intensität psychischer <strong>Gewalt</strong>. Kein anderes Bild ergibt<br />
sich, wenn diese Aussage im Zusammenhang mit weiteren Äusserungen der Beschwerdeführerin gelesen wird,<br />
wie etwa, es herrsche der dritte Weltkrieg und sie habe einen Termin beim Militärtribunal in Paris. Diese Aus-<br />
Psychische <strong>Gewalt</strong><br />
VGr, 20. Mai 2010,<br />
VB.2010.00200, E. 4.2.<br />
Verbale Streite ohne Integritätsverletzung<br />
VGr, 28. Dez. 2009,<br />
VB.2009.00705, E 2.1.<br />
Psychische <strong>Gewalt</strong><br />
VGr, 20. Aug. 2009,<br />
VB.2009.00395, E. 5.3.1.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 2
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />
sagen sind wohl vor dem Hintergrund der psychischen Krankheit der Tochter zu sehen. Sofern sie die Mutter<br />
am Boden liegen lassen haben soll, nachdem jene gestürzt ist, liegt darin ebenfalls keine psychische <strong>Gewalt</strong>.<br />
Zudem bestreitet sie, das Hinfallen bemerkt zu haben.<br />
Selbst wenn das Vorliegen niedrigschwelliger psychischer <strong>Gewalt</strong> bejaht würde, könnten die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />
aus Gründen der Verhältnismässigkeit nicht um drei Monate verlängert werden, würde es<br />
sich doch um einen Fall sehr leichter <strong>Gewalt</strong> handeln, welcher eine so lange Dauer nicht rechtfertigen würde.<br />
Gegen die psychische Belastung und die Angstgefühle kann die Körperstatur des Beschwerdegegners (2 Meter<br />
gross, 100kg schwer) nichts ausrichten. Das Verhalten der Beschwerdeführerin gefährdete insbesondere die<br />
psychische Integrität des Beschwerdegegners.<br />
Die Aussage eines Ehepartners, dass er zum Erhalt der Ehe alles zu tun bereit wäre, selbst wenn er ins Gefängnis<br />
gehen müsste, kann zwar nicht per se und losgelöst von den übrigen Sachverhaltsumständen als<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Sinne des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes qualifiziert werden.<br />
(..) dass er auf Biegen und Brechen an der Ehe festzuhalten bereit ist und zu diesem Zweck auch strafrechtlich<br />
verpönte Mittel einsetzen würde. Was die gewaltschutzrechtliche Qualifikation der Aussage angeht, muss diese<br />
vor dem Hintergrund gesehen werden, dass der Beschwerdeführer nur sechs Monate zuvor seine Ziele damit<br />
zu erzwingen versucht hatte, dass er mit einem Bild einen Schlag in das Gesicht der Beschwerdegegnerin<br />
andeutete und die Bewegung erst 10 cm vor ihrem Kopf bremste, und dass er auch sonst durch sein unbeherrschtes<br />
Verhalten auffiel. Dass die Beschwerdegegnerin relativ kurze Zeit zuvor bereits einmal einer häuslichen<br />
<strong>Gewalt</strong>situation ausgesetzt war und in diesem Zusammenhang durch Androhung von <strong>Gewalt</strong> in ihrer<br />
psychischen Integrität verletzt wurde, lässt die Aussage des Beschwerdeführers vom 10. Juli 2009 deutlich<br />
bedrohlicher erscheinen. Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin<br />
am Abend des 10. Juli 2009 per SMS mitteilte, er habe ihr im Rahmen des nachmittäglichen<br />
Telefonanrufs nicht drohen wollen; zum Zeitpunkt des SMS-Versandes wusste der Beschwerdeführer bereits,<br />
dass die Beschwerdegegnerin ihn inzwischen bei der Polizei angezeigt hatte. Zusammenfassend ging der<br />
Haftrichter zu Recht davon aus, dass die Äusserung des Beschwerdeführers vom 10. Juli 2009 eine Androhung<br />
von <strong>Gewalt</strong> im Sinne von § 2 Abs. 1 GSG darstellte, die die Beschwerdegegnerin in ihrer psychischen Integrität<br />
verletzte und somit den Tatbestand der <strong>Häusliche</strong>n <strong>Gewalt</strong> erfüllte.<br />
VGr, 11. März 2010,<br />
VB.2010.00066, E. 4.2.3.<br />
Sie zündete das T-Shirt an<br />
Würdigung von Drohungen<br />
unter Einbezug der Vorgeschichte<br />
VGr, 3. Sep. 2009,<br />
VB.2009.00422, E. 5.3.<br />
2.3. Stalking § 2 Abs. 1 lit. b GSG<br />
§ 2 Abs. 1 lit. b GSG will Formen der Trennungsgewalt tatbestandsmässig erfassen, die auch als „Stalking“<br />
bezeichnet werden und bei den Betroffenen schwere psychische Schädigungen verursachen können (Weisung<br />
des Regierungsrates, ABl 2005, S. 762 ff., 772).<br />
Der Beschwerdeführer deckte das gesamte Umfeld der Beschwerdegegnerin mit massiven Indiskretionen<br />
aus der gemeinsamen Ehezeit ein und beschränkt sich nicht darauf, die <strong>für</strong> seine Anliegen zuständigen<br />
Instanzen auf sachliche und neutrale Art zu informieren. Damit bezweckte er offensichtlich, den Ruf der Beschwerdegegnerin<br />
zu schädigen. Die zahlreichen Aktivitäten des Beschwerdeführers erscheinen ohne Weiteres<br />
geeignet, die psychische Integrität der Beschwerdegegnerin zu verletzen. Die anhaltenden massiven Belästigungen<br />
des Beschwerdeführers sind demnach als <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Sinne von § 2 Abs. 1 GSG zu qualifizieren.<br />
Der Haftrichter erachtete diverse Äusserungen in den an die Beschwerdegegnerin gerichteten Schreiben als<br />
durchaus geeignet, um die psychische Integrität eines Menschen zu verletzen oder zu gefährden. So habe der<br />
Beschwerdeführer u.a. festgehalten: „Jedes Mal, wenn du in den Spiegel schaust, wirst du eine Frau sehen, die<br />
feige und verlogen ist…“. In einem weiteren Schreiben hiess es „Tatsache ist, dass du bereits um 1.40 Uhr<br />
wieder zu ihm ins Bett gestiegen bis und bis 6.45 Uhr bei ihm gewesen bist, was ich anhand des Bildes beweisen<br />
kann, das ich am 17. Juli morgens gemacht habe.“ (..). Insbesondere erfolgten solche - teilweise sehr<br />
lange - Schreiben nicht nur unmittelbar oder kurz nach Auflösung der Beziehung, sondern wiederkehrend<br />
auch noch Monate danach. Dem Beschwerdeführer war ausserdem bewusst, dass die Beschwerdegegnerin<br />
keine Schreiben oder SMS mehr zu empfangen wünscht. Die Qualifikationen des Beschwerdeführers zielen<br />
unmissverständlich darauf hin, der Beschwerdegegnerin zu suggerieren, charakterlich schlecht und unfähig zu<br />
sein, ihr Leben - insbesondere in partnerschaftlicher Hinsicht - selber bzw. ohne ihn gestalten zu können. Wie<br />
der Haftrichter zu Recht ausführte, macht der Beschwerdeführer in „zermürbender Regelmässigkeit“ entsprechende<br />
Vorhalte, welche das Selbstwertgefühl der Beschwerdegegnerin in untragbarer Weise beeinträchtigen<br />
sollen und objektiv massive Belästigungen darstellen. Das Verhalten ist durchaus als „Stalking“ zu<br />
werten und geeignet, bei der Beschwerdegegnerin schwere psychische Schäden zu verursachen.<br />
Der Beschwerdeführer sei zusammen mit seiner heutigen Ehefrau und einem Kollegen in der Bar in Winterthur<br />
erschienen, in der die Beschwerdegegnerin arbeite. Trotz entsprechender Aufforderung durch sie und ihren<br />
Chef hätten die drei Personen die Bar erst nach Aufbieten der Polizei verlassen. Es sei anzunehmen, dass dem<br />
Beschwerdeführer damals bewusst gewesen sei, dass sich die Beschwerdegegnerin durch seine Anwesenheit<br />
bedroht gefühlt habe. Das Aussageverhalten der Beschwerdegegnerin sei konsistent. Sie habe glaubhaft<br />
gemacht, dass der Beschwerdeführer auch an ihrem früheren Arbeitsort immer wieder aufgetaucht sei und<br />
dass er das Rayonverbot kurz nach Erlass der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen missachtet habe. Sodann sei davon<br />
auszugehen, dass die mehrfachen Wohnsitzwechsel der Beschwerdegegnerin auf das belästigende Verhalten<br />
des Beschwerdeführers zurückzuführen seien. Insgesamt spreche das Verhalten des Beschwerdeführers da<strong>für</strong>,<br />
dass er das Bedürfnis der Beschwerdegegnerin nach Ruhe nicht respektiere. Es sei von einem subtilen Stal-<br />
VGr, 3. Dez. 2009,<br />
VB.2009.00632, E. 3.1<br />
Fortgesetze Verleumdung<br />
VGr , 4. Juni 2009,<br />
VB.2009.00246, E.1<br />
VGr, 25. März 2010,<br />
VB..2010.00098, E 3.3 f., E. 4.3.<br />
Der Beschwerdeführer schrieb<br />
der Beschwerdegegnerin seit<br />
Sommer 2009 wöchentlich<br />
teilweise eingeschriebene<br />
Briefe, zahllose SMS und E-<br />
Mails, welche mehr als einen<br />
Bundesordner füllten.<br />
Annäherung ohne sachlichen<br />
Grund<br />
VGr, 5. Nov. 2009,<br />
VB.2009.00514, E. 4.2.<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />
king auszugehen, das als <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Sinne des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes zu werten sei. Im vorliegenden<br />
Fall ist unbestritten, dass sich der Beschwerdeführer und die Beschwerdegegnerin aufgrund der seit 2006<br />
anhaltenden Streitigkeiten in einer emotional sehr belastenden Situation befinden. Dem Beschwerdeführer<br />
musste aufgrund des Strafprozesses 2007 und des Scheidungsverfahrens 2008 klar geworden sein, dass sich<br />
die Beschwerdegegnerin vor ihm <strong>für</strong>chtet und dass sie es als bedrohlich auffassen musste, wenn er sich<br />
ihr ohne sachlichen Grund bewusst näherte und trotz entsprechender Aufforderung nicht wieder entfernte.<br />
Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin in ihrer psychischen<br />
Integrität verletzt wurde, als der Beschwerdeführer am 1. Sep. 2009 die Bar, wo sie arbeitete, betrat<br />
und diese erst wieder verliess, nachdem der Geschäftsführer die Polizei gerufen hatte. Das Verhalten des<br />
Beschwerdeführers ist objektiv als massive Belästigung der Beschwerdegegnerin einzustufen – selbst wenn<br />
man davon ausgehen würde, dass der Beschwerdeführer beim Betreten der Bar noch nicht wusste, dass die<br />
Beschwerdegegnerin in diesem Lokal tätig ist.<br />
3. <strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Massnahmen<br />
3.1 Wegweisung § 3 Abs. 2 lit a. GSG<br />
4.1 Die Wegweisung des Beschwerdegegners aus der Wohnung würde im vorliegenden Fall einen Eingriff in<br />
sein Recht auf Achtung seines Privatlebens gemäss Art. 13 Abs. 1 der Bundesverfassung vom 18. April 1999<br />
(BV) bedeuten. Letzteres vermittelt einen Anspruch darauf, vom Staat nicht in der freien Gestaltung des Lebens<br />
und des Verkehrs mit anderen Personen beeinträchtigt zu werden (vgl. Botschaft des Bundesrats vom 20.<br />
November 1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl 1999 S. 152; Pascal Mahon in: Jean-François Aubert/Pascal<br />
Mahon [Hrsg.], Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération Suisse, <strong>Zürich</strong><br />
etc. 2003, Art. 13 N. 2). Der Beschwerdegegner wäre durch eine Wegweisung gezwungen, sein Leben anders<br />
zu gestalten. Zudem findet er sich in einer persönlich schwierigen Situation, bei der es seinen Anspruch auf<br />
Schutz seiner psychischen Unversehrtheit gemäss Art. 10 Abs. 2 BV zu berücksichtigen gilt. Eine Wegweisung<br />
ist mithin nur dann zulässig, wenn sie den Anforderungen von Art. 36 BV genügt. (..)<br />
So frequentierte die Beschwerdeführerin regelmässig das Wohnzimmer des Beschwerdegegners, während<br />
Letzterer die Küche der Beschwerdeführerin benutzte. Nach den glaubhaften Schilderungen der Beschwerdeführerin<br />
befinden sich sodann zahlreiche, in ihrem Eigentum stehende Gegenstände auf der "Seite" des Beschwerdegegners.<br />
Dass es ihr unter diesen Umständen nicht möglich ist, die <strong>für</strong> die Entspannung der Situation<br />
nötige Ruhe zu finden und sich vom Beschwerdegegner auch mental zu distanzieren, erscheint damit als<br />
glaubhaft. Aufgrund des offenen Durchgangs dürfte sich die Beschwerdeführerin auch stets der unmittelbaren<br />
Gegenwart des Beschwerdegegners bewusst sein, kann das ihm auferlegte Betretverbot doch optische und<br />
akustische, von der Beschwerdeführerin wahrnehmbare Einwirkungen seinerseits nicht verhindern.<br />
Diese Massnahmen müssen als Eingriff in Grundrechte der gefährdenden Person, vorliegend insbesondere in<br />
die durch Art. 10 Abs. 2 BV geschützte persönliche Freiheit und in die durch Art. 27 BV garantierte Wirtschaftsfreiheit,<br />
verhältnismässig sein. Der Eingriff in die Grundrechte des Beschwerdeführers darf dabei in sachlicher,<br />
räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht nicht über das Notwendige hinausgehen. Das öffentliche Interesse<br />
an der Vermeidung <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> überwiegt die privaten Interessen des Beschwerdeführers,<br />
die von der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahme betroffene Zone zu betreten sowie sich dort aufzuhalten.<br />
Der Haftrichter ging angesichts der Umstände zu Recht davon aus, dass ein Fortbestand der Gefährdung der<br />
Beschwerdegegnerin durch <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> glaubhaft gemacht wurde. Auch Verhältnismässigkeitsüberlegungen<br />
vermögen dies nicht zu ändern. Nachdem die Parteien die ehemalige gemeinsame Wohnung auf Ende<br />
Sep. gekündigt haben und der Haftrichter die Wegweisung und das Rayonverbot ab 1. Sep. 2010 aufgehoben<br />
hat, verbleibt dem Beschwerdeführer ein ganzer Monat Zeit, um seine Gegenstände aus der Wohnung zu<br />
räumen.<br />
Wegweisung und Recht auf<br />
Privatleben bzw. psychische<br />
Unversehrtheit<br />
VGr, 28. Aug. 2012, E. 4.1,<br />
VB.2012.00472<br />
Betraf zwei aneinanderliegende<br />
Wohnungen von Mutter und<br />
Sohn<br />
Gemeinsamer Arbeitsraum<br />
der getrenntlebenden Parteien<br />
wird ins Betretverbot aufgenommen.<br />
VGr, 3. Dez. 2009,<br />
VB.2009.00632, E. 6.<br />
Zeit zum Zügeln<br />
VGr, 25. Aug. 2010,<br />
VB.2010.00394, Erw. 4.4.<br />
3.2 Rayonverbot § 3 Abs. 2 lit. b. GSG<br />
Das Rayonverbot gemäss § 3 Abs. 2 lit. b GSG ist von der Wegweisung aus der Wohnung oder dem Haus<br />
gemäss § 3 Abs. 2 lit. a GSG zu unterscheiden. Die Wegweisung bezieht sich stets auf eine Liegenschaft bzw.<br />
eine Wohnung. Sie wird angeordnet, wenn die gefährdete und die gefährdende Person im gleichen Haushalt<br />
leben, und bezweckt, dass die gefährdete Person unabhängig von der sachen- oder vertragsrechtlichen Situation<br />
ihren Haushalt am bisherigen Ort weiterführen kann. Mit dem Rayonverbot wird hingegen bezweckt, dass<br />
die gefährdete Person sich in einem eng umgrenzten Gebiet sicher aufhalten kann. Rayonverbote umfassen<br />
denn auch regelmässig nicht nur einzelne Liegenschaften, sondern auch deren nähere Umgebung.<br />
Indem der Haftrichter das Rayonverbot auf einzelne Liegenschaften (Wohnhaus und Arbeitsort der Beschwerdeführerin<br />
und Schulhaus der Kinder) beschränkte, kam er dem Schutzgedanken des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes<br />
nicht genügend nach. Ein wesentliches Anliegen der Schutzmassnahmen ist, dass die gefährdete Person<br />
wieder Sicherheit gewinnen und zur Ruhe kommen kann. Dies ist nur möglich, wenn auch die nähere Umgebung<br />
der Wohnliegenschaft, des Arbeitsorts und des Schulhauses vom Rayonverbot erfasst werden. Andernfalls<br />
würde der Beschwerdeführerin faktisch aufgezwungen, sich nur in ihrer Wohnung und an ihrem Arbeitsort<br />
aufzuhalten. Die Anordnungen der <strong>Kantonspolizei</strong> erweisen sich in dieser Hinsicht als gerechtfertigt, beziehen<br />
sie sich doch auf eng umgrenzte Gebiete mit einem maximalen Durchmesser von 300–400 Metern und lassen<br />
der Beschwerdeführerin damit die Möglichkeit offen, sich in der näheren Umgebung sicher aufzuhalten. Für die<br />
Wahrung der Verhältnismässigkeit ist dem Beschwerdeführer aber zu ermöglichen, seine Arbeitsorte aufzusuchen,<br />
wobei da<strong>für</strong> zu sorgen ist, dass die Beschwerdeführerin dadurch so wenig wie möglich beeinträchtigt<br />
wird.<br />
Umfang des Rayons<br />
VGr, 23. Sep. 2009, VB.2009.<br />
00461, E. 5.4.<br />
Die Vorinstanz schränkte das<br />
Betretverbot auf einzelne Liegenschaften<br />
ohne deren Umgebung<br />
ein.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 4
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />
4.4 (..) das auf Montage beschränkte Rayonverbot in D einen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit des Beschwerdeführers<br />
darstellt, da dieser daran gehindert wird, im Mehrzweckraum des Schulhauses "H" jeden zweiten Montag<br />
von 11.05 bis 11.50 Uhr eine Sportlektion zu erteilen. Die Zulässigkeit eines solchen Eingriffs setzt voraus,<br />
dass es sich beim Rayonverbot um eine geeignete, erforderliche und zumutbare Massnahme handelt. Im<br />
vorliegenden Fall stellt sich insbesondere die – vom Haftrichter nicht näher geprüfte – Frage, ob nicht ein<br />
milderer Eingriff genügen würde, um das Ziel, die Beschwerdegegnerin an ihrem Arbeitsort in D vor häuslicher<br />
<strong>Gewalt</strong> zu schützen, zu erreichen. Dies ist zu bejahen: Erlaubt man dem Beschwerdeführer zu Arbeitszwecken,<br />
das Schulhaus H in D von 11 bis 12 Uhr an jenen Montagen zu betreten, an denen er im dortigen Mehrzweckraum<br />
Sport unterrichtet, so bedeutet dies <strong>für</strong> die Beschwerdegegnerin – verglichen mit einem auch von 11 bis<br />
12 Uhr geltenden Rayonverbot – keine oder höchstens eine äusserst geringfügig gesteigerte Gefährdung. Zu<br />
Begegnungen zwischen den Ex-Partnern wird es bereits deshalb kaum kommen, weil der Beschwerdeführer im<br />
Mehrzweckraum und die Beschwerdegegnerin im Spielgruppenraum arbeiten. Ferner hat die Beschränkung der<br />
Betreterlaubnis auf die Stunde von 11 bis 12 Uhr zur Folge, dass der Beschwerdeführer das Schulhausareal,<br />
das er nur zu Arbeitszwecken betreten darf, vor und nach dem Unterricht umgehend und auf direktem<br />
Weg verlassen muss. Umgekehrt führt die zeitliche Lockerung des Rayonverbots dazu, dass der Eingriff in die<br />
Wirtschaftsfreiheit des Beschwerdeführers weitgehend entfällt. Demnach steht eine Massnahme zur Verfügung,<br />
die die Grundrechte des Beschwerdeführers in wesentlich geringerem Umfang beschränkt, ohne dass das Ziel,<br />
die Beschwerdegegnerin vor häuslicher <strong>Gewalt</strong> zu schützen, dadurch beeinträchtigt würde. Das in D an Montagen<br />
geltende Rayonverbot erweist sich somit insofern als unverhältnismässig, als es <strong>für</strong> die Stunde von 11 bis<br />
12 Uhr keine Ausnahme vorsieht.<br />
Wirtschaftsfreiheit<br />
Rayonverbot, welches den<br />
Arbeitsplatz umfasst.<br />
Verhältnissmässigkeit<br />
VGr, 11. April 2013, E.4.4,<br />
VB.2013.00145<br />
3.3. Kontaktverbot § 3 Abs. 2 lit. c GSG<br />
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer – wenn auch über die Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin<br />
– versuchte, an die Beschwerdegegnerin zu gelangen, obwohl das Verbot auch eine Kontaktaufnahme über<br />
Drittpersonen umfasste, lässt überdies den Schluss zu, dass er allfällige Treffen mit E auch zu einem untersagten<br />
Annäherungsversuch zur Beschwerdegegnerin missbrauchen könnte (vgl. VGr, 21. Juli 2011,<br />
VB.2011.00410, E. 6.2; 7. April 2011, VB.2011.00142, E. 4.2)<br />
Kontaktaufnahme über Drittpersonen<br />
VGr, 11. März 2013,<br />
VB.2013.92<br />
3.4. Kontaktverbot gegenüber Kindern § 3 Abs. 2 lit. c GSG<br />
Art. 13 Abs. 1 BV gewährleistet den Anspruch einer jeden Person auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens.<br />
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts fällt unter den verfassungs- und konventionsrechtlichen Begriff<br />
"Familie" in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Beziehung zwischen Ehegatten sowie zwischen Eltern und<br />
minderjährigen Kindern. Inhaltlich schützt das Recht auf Achtung des Familienlebens das Recht auf Zusammenleben<br />
oder auf persönliche Kontakte unter den Familienmitgliedern. Zwischen dem minderjährigen Kind<br />
und den Elternteilen gilt dies auch dann, wenn die Beziehung zwischen den Eltern beendet ist, die Eltern nicht<br />
mehr zusammenleben oder geschieden sind. Die Auferlegung eines vollständigen Kontaktverbots zwischen<br />
einem Elternteil und dem minderjährigen Kind stellt einen schweren staatlichen Eingriff in das<br />
Recht auf Familienleben dar. Ein solcher ist nur zulässig, wenn er auf einer formellgesetzlichen Grundlage<br />
beruht, im öffentlichen Interesse liegt, verhältnismässig ist und der Kerngehalt des Grundrechts unangetastet<br />
bleibt (Art. 36 BV, Art. 8 Abs. 2 EMRK, Art. 17 Abs. 2 UNO-Pakt II).<br />
Der Haftrichter begründete die Verlängerung der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen in erster Linie mit der lang andauernden<br />
Anspannung der ehelichen Beziehungen sowie mit der Körperverletzung zum Nachteil der Ehefrau. Das<br />
Kontaktverbot mit den Kindern stützte der Haftrichter auf den Umstand, dass die Kinder bei der gewaltbetroffenen<br />
Mutter leben und der Vater sie in der Vergangenheit ebenfalls geschlagen habe. Zudem habe die Ehefrau<br />
angegeben, der Beschwerdeführer habe ihr wiederholt mit der Wegnahme der Kinder gedroht. Die Aufrechterhaltung<br />
des Kontaktverbots sei jedenfalls so lange gerechtfertigt, als nicht ein Eheschutzrichter den Kontakt<br />
zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Kindern geregelt habe. Der Haftrichter hat vorliegend mildere<br />
Massnahmen nicht einmal ansatzweise in Betracht gezogen. Dies hätte er umso mehr tun müssen, als er die<br />
Auffassung vertritt, die Schutzmassnahme solle während der gesetzlichen Maximaldauer von drei Monaten<br />
bestehen bleiben. Der Haftrichter hätte die Frage milderer Massnahmen in Betracht ziehen müssen.<br />
Im Folgenden ist zunächst zu prüfen, ob die Kinder selber von häuslicher <strong>Gewalt</strong> betroffen, d.h. in ihrer körperlichen,<br />
sexuellen oder psychischen Integrität verletzt oder gefährdet sind (§ 2 Abs. 1 GSG). Dabei kann nicht<br />
davon ausgegangen werden, dass dies regelmässig und gewissermassen automatisch der Fall ist, wenn vom<br />
Vater gegenüber der Mutter <strong>Gewalt</strong> ausgeübt wird. Insbesondere genügt dazu allein die Tatsache, dass die<br />
Eltern nicht in der Lage sind, die Kinder aus ihren ehelichen Problemen herauszuhalten, und dass die Konflikte<br />
der Eltern zu Nervosität, Loyalitätskonflikten und schulischen Problemen der Kinder führen, nicht. Solche<br />
Probleme bestehen häufig auch bei gewaltfreien Ehekonflikten und stellen <strong>für</strong> sich keine Gefährdung durch<br />
häusliche <strong>Gewalt</strong> dar. Übt jedoch die gefährdende Person wiederholt <strong>Gewalt</strong> gegen die gefährdete Person<br />
in Anwesenheit der Kinder aus, so kann dies zu einer Traumatisierung der Kinder führen, welche sie<br />
selber zu von (psychischer) <strong>Gewalt</strong> betroffenen Personen macht.<br />
Sind die Kinder nicht selber von häuslicher <strong>Gewalt</strong> betroffen, so stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage,<br />
ob Grund <strong>für</strong> eine Ausdehnung der Schutzmassnahmen auf nahe stehende Personen im Sinn von § 3 Abs. 2<br />
lit. c GSG besteht bzw. unter welchen Voraussetzungen dies zulässig ist. Dazu lässt sich der Weisung des<br />
Regierungsrats zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz nichts entnehmen (ABl 2005 762 ff.). Die Kinder einer gefährdeten<br />
Person sind zwar zweifellos nahe stehende Personen im Sinn von § 3 Abs. 2 lit. c GSG. Doch erlaubt dies<br />
nicht, die Kinder voraussetzungslos in das Kontaktverbot einzubeziehen, denn das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz bezweckt<br />
den Schutz von Personen, die durch häusliche <strong>Gewalt</strong> betroffen sind (§ 1 GSG). § 3 Abs. 2 lit. c GSG ist<br />
BGer, 19. Okt. 2007,<br />
BGE 1C_219/2007, E. 2.3.<br />
Recht auf Familienleben<br />
Wegweisung aus der gemeinsamen<br />
Wohnung und Kontaktverbot<br />
mit der Ehefrau und den<br />
Kindern.<br />
Ebenfalls<br />
VGr, 1. Nov. 2010,<br />
VB.2010.00561, E. 4.2.,5.<br />
Voraussetzung <strong>für</strong> Kontaktverbot<br />
gegenüber Kindern<br />
VGr, 7. April 2011<br />
VB 2011.00142, E. 4.2<br />
VB.2013.261, E 4.2.2.<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />
vielmehr so auszulegen, dass die Ausdehnung des Kontaktverbots auf nahe stehende Personen zulässig<br />
ist, wenn dies zum Schutz der gefährdeten Person notwendig ist, wenn also beispielsweise Anhaltspunkte<br />
da<strong>für</strong> bestehen, dass der Kontakt mit den Kindern zur verbotenen Kontaktaufnahme zur gefährdeten<br />
Person missbraucht wird, um diese weiterhin zu bedrohen.<br />
Sowohl die direkte Betroffenheit der Kinder von häuslicher <strong>Gewalt</strong> als auch die Ausdehnung der Schutzmassnahmen<br />
auf die Kinder ist vom Haftrichter zu prüfen und zu begründen. Dies erfordert der Anspruch auf rechtliches<br />
Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; vgl. dazu VGr, 1. November 2010, VB.2010.00561, E. 2.3).<br />
Im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung ist schliesslich dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein<br />
dreimonatiges gänzliches Kontaktverbot der gefährdenden Person zum unmündigen Kind einen schweren<br />
staatlichen Eingriff in das verfassungsmässige Recht – der gefährdenden Person wie des Kindes – auf Familienleben<br />
darstellt (vgl. E. 3.2). Der Eingriff setzt daher eine Interessenabwägung voraus, welche eine gleichsam<br />
automatische Ausdehnung des Kontaktverbots auf die Kinder ebenfalls ausschliesst. Damit kann<br />
vermieden werden, dass dieses Instrument zur Vorbereitung des Scheidungsverfahrens hinsichtlich der Frage<br />
der Zuteilung der elterlichen Obhut missbraucht wird.<br />
5.1 (..) Übt jedoch die gefährdende Person wiederholt <strong>Gewalt</strong> gegen die gefährdete Person in Anwesenheit<br />
des Kindes aus, so kann dies zu einer Traumatisierung des Kindes führen, die es selbst zu einer von<br />
(psychischer) <strong>Gewalt</strong> betroffenen Person macht. (..)<br />
5.3 (..) Die Anordnung bzw. Verlängerung eines solchen Verbots kommt deshalb nur infrage, wenn den drohenden<br />
Gefahren nicht mittels milderer Massnahmen begegnet werden kann (..) In Würdigung der gesamten<br />
Umstände ist nicht ersichtlich, welche mildere Massnahme das Zwangsmassnahmengericht hätte anordnen<br />
können, um den Gesetzeszweck – Schutz, Sicherheit und Unterstützung von Personen, die durch häusliche<br />
<strong>Gewalt</strong> betroffen sind (§ 1 Abs. 1 GSG) – gerecht zu werden, zumal es nicht in der Kompetenz der <strong>Gewalt</strong>schutz<br />
anordnenden Instanz liegt, ein begleitetes oder unbegleitetes Besuchsrecht anzuordnen.(..)<br />
4.2.2. (..)Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer zwar nie häusliche <strong>Gewalt</strong> ausgeübt, die sich direkt<br />
gegen die beiden Kinder richtete (..). Gleichzeitig ist jedoch zu beachten, dass der knapp sechsjährige Sohn<br />
und die vierjährige Tochter unbestrittenermassen beim Vorfall vom 18. Februar 2013, als der Beschwerdeführer<br />
gegenüber der Beschwerdegegnerin häusliche <strong>Gewalt</strong> ausübte, anwesend waren. Werden Kinder Zeugen<br />
von häuslicher <strong>Gewalt</strong>, ist ihr Wohl gefährdet (Büchler/Michel, S. 551). Die Kinder des Beschwerdeführers<br />
und der Beschwerdegegnerin werden von der Beratungsstelle H betreut, wo sie gemäss Aussagen der Beschwerdegegnerin<br />
geäussert hätten, dass sie Angst vor ihrem Vater hätten (act. 9, Anhörungsprotokoll S. 4).<br />
Wie die Vorinstanz ausgeführt hat, ist es aufgrund der massiven <strong>Gewalt</strong>, die der Beschwerdeführer gegen die<br />
Beschwerdegegnerin angewendet hat, nachvollziehbar, dass die Kinder derzeit Angst vor ihm haben.(..)<br />
4.3. (..) Vorliegend muss davon ausgegangen werden, dass die kleinen Kinder mit der Situation überfordert<br />
sind, nachdem sie miterlebt haben, wie ihr Vater ihre Mutter geschlagen hat, auch als sie bereits am Boden lag.<br />
Es ist daher mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass es eine gewisse Zeit benötigt, die Kinder wieder an<br />
den Beschwerdeführer heranzuführen. Es sind daher keine mildere Massnahmen im Vergleich zu einem dreimonatigen<br />
Kontaktverbot ersichtlich, die das Zwangsmassnahmengericht hätte anordnen können, um dem<br />
Gesetzeszweck – Schutz, Sicherheit und Unterstützung von Personen, die durch häusliche <strong>Gewalt</strong> betroffen<br />
sind (§ 1 Abs. 1 GSG) – gerecht zu werden, zumal es nicht in der Kompetenz der <strong>Gewalt</strong>schutz anordnenden<br />
Instanzen liegt, ein (begleitetes oder unbegleitetes) Besuchsrecht anzuordnen.<br />
6.2 (..) Die Rüge des Beschwerdeführers, der Schutz vor Entführung von Kindern sei gar nicht durch das<br />
<strong>Gewalt</strong>schutzgesetz abgedeckt, ist unzutreffend. Von der Drohung, die Kinder nach G zu entführen, sind die<br />
beiden Söhne direkt betroffen, da be<strong>für</strong>chtet werden muss, dass sie gegen ihren Willen ins Ausland und weg<br />
von ihrer gewohnten Umgebung gebracht werden. (..) Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass sich die<br />
Ängste der Beschwerdegegnerin, die sich vor einer Entführung ihrer Kinder <strong>für</strong>chtet, auf die kleinen Kinder<br />
übertragen können.<br />
Angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers und seiner ambivalenten Ausführungen in Bezug auf die<br />
angebliche Drohung gegenüber der Betreuerin im Kinderheim ging das Zwangsmassnahmengericht zu Recht<br />
von einem glaubhaft gemachten Fortbestand der Gefährdung der Kinder im Sinn von § 10 Abs. 1 GSG aus.<br />
Auch falls die Beschwerdegegnerin an dem Tag, an dem sie bei der Polizei war, am Nachmittag den Beschwerdeführer<br />
getroffen hat, kann er daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten, da dies keine Auswirkung auf<br />
die Gefährdung der Kinder hat.<br />
5.4 (..), zumal das Bedürfnis der Beschwerdegegnerin nach Ruhe – insbesondere unter Berücksichtigung<br />
ihrer persönlichen Situation als alleinerziehende, berufstätige Mutter – anderweitig nicht entsprochen<br />
werden kann (..). Dies gilt auch <strong>für</strong> ihr engeres familiäres Umfeld, weshalb sich die Ausdehnung der besagten<br />
Massnahmen auf ihre Kinder rechtfertigt.<br />
Die Anordnung der Verlängerung von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen setzt gemäss § 10 Abs. 1 Satz 1 GSG die<br />
blosse Glaubhaftmachung des Fortbestandes einer Gefährdung voraus.<br />
(..) Ein Kontaktrecht hätte damals in Anbetracht des Alters des Sohnes nur über (unerlaubte) Kontakte zwischen<br />
dem Beschwerdeführer und der obhutsberechtigten Beschwerdegegnerin umgesetzt werden können und<br />
wäre unter den gegebenen Umständen mit einem erheblichen Konfliktpotenzial verbunden gewesen. Allenfalls<br />
denkbar wäre ein Kontaktrecht zwar unter Einbezug einer vermittelnden Vertrauensperson gewesen, die Gewähr<br />
<strong>für</strong> ein geordnetes Besuchsrecht hätte bieten können. Doch zum Zeitpunkt des Entscheides des Haftrichters<br />
waren die erforderlichen Abklärungen zur Bestimmung einer Vertrauensperson und zur Regelung der<br />
Kind als Zeuge von <strong>Gewalt</strong><br />
VGr, 25. Okt. 2013,<br />
VB.2013,000609<br />
Verhältnismässigkeit und sachliche<br />
Zuständigkeit des ZMG<br />
Kinder als Zeugen väterlicher<br />
<strong>Gewalt</strong><br />
VGr, 24. April 2013,<br />
VB.2013.261, E.4.2.2.; E.4.3<br />
Ebenfalls<br />
VB.2012.00276<br />
VB.2012.00162<br />
4- und 6-jähriges Kind<br />
Verhältnismässigkeit des dreimonatigen<br />
Kontaktverbots<br />
Entführungsandrohung<br />
VGr, 27. März 2012, E 6.2,<br />
VB.2012.00141<br />
Betr. 5 bzw. 8-jährigen Knaben<br />
Stiefkindern: Berücksichtigung<br />
der Situation der alleinerziehenden<br />
Mutter<br />
VGr, 18. März 2013,<br />
VB.2013.34/68, E.5.4<br />
Kontaktverbot während notwendiger<br />
Abklärungszeit<br />
VGr, 30. April 2009,<br />
VB.2009.00175, E. 5.2.<br />
Einmonatige Verlängerung des<br />
Kontaktverbots zwischen dem<br />
Beschwerdeführer und seinem<br />
7-jährigen Sohn<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />
Besuchsmodalitäten noch nicht abgeschlossen. Solche Abklärungen, die inzwischen vom Eheschutzrichter in<br />
die Wege geleitet wurden, sind erfahrungsgemäss mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden.<br />
Die Anordnung eines einmonatigen Kontaktverbotes stellte eine geeignete, erforderliche und zumutbare Massnahme<br />
dar, um die momentane Konfliktsituation zu entschärfen, potenzielle Gefährdungen abzuwenden und<br />
eine längerfristig gangbare Lösung in die Wege zu leiten. Anzumerken ist, dass sich ein vollständiges Kontaktverbot<br />
vor dem Hintergrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur während jener kurzen Zeit rechtfertigt,<br />
die erforderlich ist, um die Modalitäten <strong>für</strong> ein geordnetes und der konkreten Konfliktsituation<br />
angemessenes Kontaktrecht zu regeln. Im vorliegenden Fall erscheint eine baldige Beendigung des Kontaktverbotes<br />
umso dringlicher, als dieses den Beschwerdeführer hart trifft, da er als nicht erwerbstätige<br />
Person mit seinem Sohn regelmässig viel Zeit verbracht und offenbar eine wichtige Betreuungsfunktion<br />
ausgeübt hat. Hinzu kommt, dass sich der Beschwerdeführer in Bezug auf Lösungsvorschläge kooperativ<br />
gezeigt hat, indem er innert Kürze eine Vertrauensperson <strong>für</strong> ein begleitetes Besuchsrecht vorgeschlagen<br />
hat und sich zur Hinterlegung des eigenen Reisepasses bereit erklärte, um seine fehlende Entführungsabsicht<br />
zu belegen<br />
(..) Soweit die angeordneten Massnahmen den 2-jährigen Sohn betreffen, darf zwar nicht übersehen werden,<br />
dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein legitimes Interesse daran hat, Kontakte zu seinem Kind zu pflegen.<br />
Doch diesem Interesse stehen im vorliegenden Fall gewichtige private und öffentliche Interessen am<br />
Schutz der Sicherheit und der persönlichen Integrität der Beschwerdegegnerin gegenüber. Hinzu<br />
kommt, dass der Beschwerdeführer seinen Sohn bisher noch nie gesehen hat und folglich weder eine<br />
Betreuungs- noch eine Erziehungsfunktion ausübte, sodass die Gewährung eines Kontaktrechts nicht<br />
als dringlich anzusehen ist. Vielmehr erscheint es als zumutbar, das Kontaktverbot zum Sohn vorläufig<br />
aufrechtzuerhalten bzw. den anstehenden zivilgerichtlichen Entscheid über die Gewährung eines allfälligen<br />
Besuchsrechts abzuwarten.<br />
Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss beachtet werden, dass ein dreimonatiges gänzliches<br />
Kontaktverbot zwischen einem Elternteil und einem minderjährigen Kind einen schweren staatlichen Eingriff in<br />
das Recht auf Familienleben darstellt und – abgesehen von konkreten Gefährdungshinweisen – nicht im Interesse<br />
des Kindes an der Aufrechterhaltung seiner Beziehung zum Elternteil steht, mit dem es nicht zusammenlebt.<br />
Die Anordnung eines solchen Verbots kommt deshalb nur infrage, wenn den drohenden Gefahren nicht<br />
mittels milderer Massnahmen begegnet werden kann.<br />
Der Haftrichter trug dem gewichtigen Interesse an der Aufrechterhaltung der Vater-Tochter-Beziehung dadurch<br />
Rechnung, dass er das Kontaktverbot nicht pauschal um drei Monate verlängerte, sondern nur bis zu jenem<br />
Zeitpunkt, da im Rahmen zivilrechtlicher Anordnungen (etwa eines begleiteten Besuchsrechts) eine<br />
Regelung <strong>für</strong> ein Besuchsrecht zum Vater getroffen sein würde.<br />
Dass das Rayon- und Kontaktverbot ihr gegenüber zu "logistischen" Problemen bei der Ausübung des<br />
Besuchsrechts mit den Kindern bzw. zur Regelung der Übergabe der Kinder führt, wie dies der Beschwerdeführer<br />
geltend macht, kann zwar nicht von der Hand gewiesen werden. Es ist allerdings nicht gerechtfertigt, die<br />
die Beschwerdegegnerin betreffenden Schutzmassnahmen deswegen aufzuheben, denn die Erschwerung von<br />
Treffen mit seinen Kindern lässt die Gefährdungssituation gegenüber derselben nicht dahinfallen. Überdies<br />
sieht das Scheidungsurteil zu diesem Zweck eine Beistandschaft vor, auch wenn eine solche gemäss dem<br />
Beschwerdeführer bis anhin offenbar noch nicht eingerichtet werden konnte.<br />
(..), wenn die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer aufgrund ausserordentlicher Gegebenheiten unter<br />
Missachtung des Rayonverbots einmalig gestattete, den gemeinsamen Sohn nach Hause zu bringen (act.<br />
12/3). Würde dies mehrfach geschehen, müsste allerdings zu Recht in Zweifel gezogen werden, ob die Beschwerdegegnerin<br />
der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen noch bedürfe. (..) konnte das Zusammentreffen der Parteien<br />
bei der Übergabe des gemeinsamen Sohnes dank der Hilfe der Schwester des Beschwerdeführers vermieden<br />
werden.<br />
Als Eingriff in die durch Art. 10 Abs. 2 BV geschützte persönliche Freiheit, insbesondere auch in die Bewegungsfreiheit,<br />
müssen Schutzmassnahmen verhältnismässig sein. Dies wird einerseits dadurch gewährleistet,<br />
dass nur die notwendigen Massnahmen angeordnet werden dürfen. Andererseits sind stets die Interessen der<br />
gefährdeten Person und diejenigen der gefährdenden Person gegeneinander abzuwägen. Mit dem Kontaktverbot<br />
als mildeste aller Massnahmen und der damit verbundenen Möglichkeit Ruhe in den Alltag einkehren<br />
zu lassen, wird in casu überdies dem Wohl des gemeinsamen Kindes am besten entsprochen, was <strong>für</strong><br />
die werdenden Eltern nunmehr im Vordergrund stehen sollte. Die Verlängerung des Kontaktverbots erscheint<br />
verhältnismässig.<br />
E. 5.3. Der Eheschutzrichter<br />
ordnete als superprovisorische<br />
Massnahme die Aufhebung des<br />
gemeinsamen Haushaltes, das<br />
Getrenntleben und die Obhutszuteilung<br />
an die Mutter an. Der<br />
Ehemann wurde verpflichtet,<br />
alle Reisepapiere abzugeben.<br />
Kontaktverbot zu 2-jährigem<br />
Sohn<br />
VGr, 4. Juni 2009,<br />
VB.2009.00246, E. 2.<br />
.<br />
Kontaktverbot zur 8-jährigen<br />
Tochter bis zur Regelung<br />
eines begleiteten Besuchsrechts.<br />
VGr, 3. Dez. 2009,<br />
VB.2009.00640/<br />
VB.2009.00646, E. 4.5.2.<br />
Besuchsrechtsabwick-lung<br />
VGr,18. Juli 2013, VB.2013.458<br />
Missachtung des Kontaktverbots<br />
wegen des Besuchsrechts<br />
VGr, 5. Juli 2013, VB.2013.428<br />
Kontaktverbot während<br />
Schwangerschaft zum Schutz<br />
des Ungeborenen<br />
VGr, 11. März 2010,<br />
VB.2010.00066, E 4.5.<br />
3.5. Verhältnismässigkeit von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />
Das Verhältnismässigkeitsprinzip besagt, dass die Grundrechtseinschränkung zur Erreichung des<br />
angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein muss und dem Betroffenen zumutbar ist. Zudem darf<br />
die Grundrechtsbeschränkung den Kerngehalt des Grundrechts nicht antasten (Art. 36 Abs. 4 BV).<br />
Zweck des Rayonverbots ist der Schutz der Beschwerdegegnerin vor <strong>Gewalt</strong>ausübung durch den Beschwerdeführer.<br />
Die Anordnung und Verlängerung des Rayonverbots ist geeignet, die Beschwerdegegnerin zumindest<br />
im Umkreis ihrer Wohnung vor dem Beschwerdeführer zu schützen. Eine mildere Massnahme ist nicht ersichtlich,<br />
zumal gegen den Beschwerdeführer bereits einmal <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen verhängt wurden. Die<br />
BGer, 31. Jan. 2008,<br />
BGE 134 I 140, E. 6.2. f.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 7
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />
Massnahme ist ohne weiteres zumutbar, da das Verhalten des Beschwerdeführers selbst Anlass zu deren<br />
Anordnung gab. Der Kerngehalt der persönlichen Freiheit bleibt unangetastet. Das Rayonverbot stellt somit<br />
keine unverhältnismässige Einschränkung der persönlichen Freiheit dar.<br />
3.6. Teilaufhebung der GSG-Massnahme durch zivilrechtliche vorsorgliche Kindsschutzmassnahmen<br />
(..) Dass das Zwangsmassnahmengericht Winterthur mit Verfügung vom 23. August 2013 die gegenüber der<br />
Mutter sowie den Kindern angeordnete Schutzmassnahme bis zum 1. Dezember 2013 verlängerte,<br />
dass der Vater anlässlich der Anhörung vom 16. September 2013 bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />
(KESB) Winterthur-Andelfingen ausführte, er habe seine Kinder sehr gerne und vermisse sie sehr,<br />
Dass die Mutter anlässlich der Anhörung vom 18. September 2013 bei der KESB Winterthur-Andelfingen<br />
ausführte, der Vater habe ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Töchtern, sie ihn sehr vermissen würden und sie<br />
damit einverstanden sei, wenn A und B während der Dauer der Schutzmassnahmen ihren Vater besuchen<br />
würden,<br />
dass A und B anlässlich der Anhörung vom 18. September 2013 (bei der) KESB Winterthur-Andelfingen ausführten,<br />
dass sie ihrem Vater am liebsten jeden Sonntag sehen würden und mit ihm auch ihre Geburtstage<br />
feiern wollten,<br />
dass sich M, gemeinsame Freundin der Kindseltern, mit Telefongespräch vom 24. September 2013 bereit<br />
erklärte, A und B jeden Sonntag bei der Mutter zuhause abzuholen und wieder nach Hause zu bringen,<br />
dass bei der Anordnung von zivilrechtlichen Massnahmen gem. Art. 273ff ZGB gemäss § 7 Abs. 1 GSG die<br />
Schutzmassnahmen dahinfallen,<br />
dass die aufschiebende Wirkung gemäss Art. 450c ZGB zu entziehen ist, damit das behördlich geregelte<br />
Besuchsrecht zum Wohl von A und B seine Wirkung ohne Verzug entfalten kann, (..)<br />
entscheidet die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde:<br />
1. (Der Vater) wird berechtigt erklärt <strong>für</strong> die Dauer des Rayons- und Kontaktverbots bis zum 1. Dezember<br />
2013 seine Töchter A und B jeden Sonntag von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr zu sehen. Der erste Besuchstag soll<br />
am Sonntag den 29. September 2013 stattfinden. (..)<br />
3. Es wird davon Vermerk genommen, dass es sich bei der behördlichen Regelung des Besuchsrechts um<br />
eine zivilrechtliche Massnahme gem. Art. 273 und Art. 275 ZGB handelt und somit gemäss § 7 Abs. 1 GSG die<br />
vom Zwangsmassnahmengericht W. angeordneten Schutzmassnahmen gegenüber A und B entfallen.<br />
4. Es wird davon Vormerk genommen, dass die mit Verfügung vom Zwangsmassnahmengericht Winterthur<br />
vom 23. August 2013 angeordnete Schutzmassnahme gegenüber der Mutter weiterhin Geltung hat<br />
5. Es wird davon Vermerk genommen, dass sich M mit Telefon vom 24. September 2013 bereit erklärt hat,<br />
A und B jeden Sonntag um 10.00 Uhr bei der Mutter von zuhause abzuholen und um 18.00 Uhr wieder nach<br />
Hause zu bringen.<br />
6. Es wird davon Vormerk genommen, dass die KESB Winterthur-Andelfingen den Erlass von weiteren<br />
Kindesschutzmassnahmen prüft und sich den Erlass von weiteren Entscheiden vorbehält.<br />
7. Es wird davon Vormerk, genommen, dass die Prüfung ob weitere Kindesschutzmassnahmen erforderlich<br />
sind, im Endentscheid dieses Verfahrens festgehalten werden.<br />
8. Es wird davon Vormerk genommen, dass die Gebühr <strong>für</strong> dieses Verfahren im Endentscheid festgesetzt<br />
wird.<br />
Anordnung vorsorglicher<br />
Kindsschutzmassnahmen mit<br />
Entzug der aufschiebenden<br />
Wirkung <strong>für</strong> eine allfällige<br />
Beschwerde zur Aufhebung<br />
des Kontaktverbots nach Art.<br />
273;275 ZGB und § 7 Abs. 1<br />
GSG<br />
KESB vom 25. Sept. 2013<br />
Zwischenentscheid<br />
Die Töchter sind 9 bzw. 11<br />
jährig<br />
Die unverzügliche Anhörung<br />
und Abklärung durch die KESB<br />
ermöglichte rasche vorsrogliche<br />
Kindesschutzmassnahmen (in<br />
casu modifiziertes Besuchsrecht)<br />
4. Sachverhaltsabklärung durch Polizei und Gerichte<br />
4.1. Rechtliches Gehör, Anhörung, Glaubhaftigkeit § 3 Abs. 1 GSG; 9 Abs. 3 GSG<br />
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gründet in der Auffassung, dass der Bürger in einem staatlichen Verfahren<br />
nicht blosses Objekt sein darf, sondern Prozesssubjekt ist und in dieser Eigenschaft durch aktives Mitwirken<br />
seine Rechte zur Geltung bringen kann.<br />
3.2 (..) Unter Hinweis auf § 3 Abs. 1 GSG, wonach die Polizei den Sachverhalt von Amtes wegen feststellt und<br />
„umgehend die zum Schutz der gefährdeten Personen notwendigen Massnahmen“ anordnet, hat sie nicht nur<br />
die gefährdete, sondern auch die gefährdenden Personen (VGr, 25. Juli 2011, VB.2011.00343, E. 3.2.2; Andreas<br />
Conne/Kaspar Plüss, <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen im Kanton <strong>Zürich</strong>, Sicherheit&Recht, 2011, S. 127ff.,<br />
136). Ohne Anhörung der gefährdenden Person ist die Anordnung von Schutzmassnahmen nur dann zulässig,<br />
wenn eine kurzfristige Anhörung nicht möglich ist, die Polizei vom Vorliegen häuslicher <strong>Gewalt</strong> überzeugt ist<br />
und die Anordnung von Massnahmen aus Gründen des Opferschutzes als dringlich erscheint. Jedenfalls ist<br />
nach Massgabe des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung<br />
vom 18. April 1999 (BV) nur in Ausnahmefällen von der Anhörung der gefährdenden Person<br />
abzusehen, soweit sie sich nicht bewusst davon entzieht (..)<br />
Die Haftrichtenden haben gesetzlich die Möglichkeit, einen vorläufigen Entscheid ohne Anhörung des Gesuchsgegners/-gegnerin<br />
zu fällen. Das Bundesgericht hat in Auslegung von § 9 Abs. 3 GSG dazu festgehalten,<br />
dass die Anhörung trotz Einsprachemöglichkeit grundsätzlich nicht im freien richterlichen Ermessen<br />
liegt, sondern begründet sein muss. Mit Anhörung können die Haftrichtenden unverzüglich entscheiden.<br />
Ohne Anhörung wird der Entscheid nur endgültig, wenn innert fünf Tagen ab Erhalt des Entscheides keine der<br />
Parteien Einsprache macht. Wird eine Anhörung durchgeführt, kann die gefährdete Person eine getrennte<br />
Anhörung vor Gericht beantragen.<br />
Unter welchen Umständen auf eine Anhörung der Parteien verzichtet werden darf, ist im Gesetz nicht geregelt.<br />
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nach bundesgerichtlicher Praxis als geheilt gelten, wenn die<br />
BGer, 24. Sep. 2009,<br />
BGE 1C_339/2008, E. 2.1.<br />
Polizeiliche Anhörung der<br />
gefährdenden Person<br />
VGr, 18. März 2013,<br />
VB.2013.00034/68<br />
BGer, 31. Jan. 2008; BGE 134 I<br />
140, E. 5.5.<br />
Anhörung des Beschwerdegegners<br />
ohne Anhörung der<br />
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betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt<br />
als auch die Rechtslage frei prüfen kann.<br />
Im <strong>Gewalt</strong>schutzverfahren finden regelmässig keine Verhandlungen, sondern Anhörungen der betroffenen<br />
Personen statt, da es sich um ein verwaltungsgerichtliches und nicht um ein privatrechtliches Verfahren handelt.<br />
Die Anhörung der Beschwerdeführerin fand – wie in GSG-Fällen üblich – ohne die Anwesenheit des Beschwerdeführers<br />
statt. Nachdem dieser dem Haftrichter ein Gesuch um Änderung der GSG-Massnahmen beantragt<br />
und diese bereits schriftlich begründet hatte, musste ihn der Haftrichter nicht erneut anhören. Das rechtliche<br />
Gehör wurde nicht verletzt.<br />
Die mündliche Anhörung der Parteien durch den Haftrichter dient zum anderen auch der Wahrung des rechtlichen<br />
Gehörs der beteiligten Parteien und stellt insbesondere <strong>für</strong> den Gesuchsgegner ein Verteidigungsrecht<br />
dar. Die Regelung in § 9 Abs. 3 Satz 1 GSG, wonach der Haftrichter den Gesuchsgegner „nach Möglichkeit“<br />
anhört, ist deshalb in dem Sinn restriktiv zu verstehen, dass der Verzicht auf eine Anhörung nur ausnahmsweise<br />
infrage kommt. Zulässig ist die definitive Verlängerung von Schutzmassnahmen trotz fehlender Anhörung<br />
der Parteien lediglich dann, wenn diese auf eine Anhörung bewusst verzichten oder der Anhörung<br />
unentschuldigt fernbleiben, obwohl sie rechtzeitig dazu vorgeladen worden sind. In den übrigen Fällen<br />
darf der Haftrichter hingegen bloss im Rahmen einer vorläufigen, mit Einsprache anfechtbaren Verfügung über<br />
ein Verlängerungsgesuch entscheiden.<br />
In der Rolle als Gesuchsteller kann der Beschwerdeführer den Anspruch auf mündliche Anhörung nicht geltend<br />
machen. Nach Satz 2 von § 9 Abs. 3 GSG steht es im Ermessen des Haftrichters, ob auch eine Anhörung des<br />
Gesuchstellers, welcher von der Polizei bereits mündlich angehört worden ist, durchgeführt wird.<br />
Dagegen war der Beschwerdeführer im Verfahren um Verlängerung der verhängten Massnahmen Gesuchsgegner.<br />
Er hätte deshalb gestützt auf § 9 Abs. 3 Satz 1 GSG grundsätzlich mündlich angehört werden müssen.<br />
In der angefochtenen Verfügung legte der Haftrichter mit keinem Wort dar, dass eine Anhörung des Beschwerdeführers<br />
unter den gegebenen Umständen nicht möglich gewesen wäre. Es liegt nicht im Ermessen des<br />
Richters, ob eine Anhörung durchzuführen ist. Die Gehörsverletzung ist mit der schriftlichen Einsprache<br />
indessen geheilt worden, da es sich angesichts der kurzen Verfahrensfristen nicht um einen schwerwiegenden<br />
Fehler handelt, das Gesetz selbst die Möglichkeit der Einsprache anstelle der mündlichen<br />
Anhörung vorsieht und der Haftrichter im Einspracheverfahren mit gleicher Kognition entscheidet. Eine<br />
Verletzung des Verbots der willkürlichen Anwendung kantonalen Rechts liegt zumindest im Ergebnis nicht vor.<br />
Die Verletzung des Gehörsanspruchs führt grundsätzlich unabhängig von den Erfolgsaussichten des Rechtsmittels<br />
in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Nach der bundesgerichtlichen<br />
Rechtsprechung kann eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs ausnahmsweise<br />
geheilt werden, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu<br />
äussern, die sowohl den Sachverhalt als auch die Rechtslage frei prüfen kann. Von einer Rückweisung ist<br />
selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs dann abzusehen, wenn und soweit die<br />
Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit<br />
dem Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht vereinbar wäre.<br />
Indem der Haftrichter die Argumente des Beschwerdeführers betreffend den Kontakt mit seinem Sohn überhaupt<br />
nicht in seine Erwägungen einbezog, verletzte er dessen Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Beschwerdeführer<br />
verlangt eine materielle Entscheidung der Streitsache durch das Verwaltungsgericht um möglichst<br />
früh wieder Kontakt zu seinem Sohn erhalten zu können. Entscheidet das Verwaltungsgericht in der<br />
Sache neu, so ermächtigt dieses Vorgehen das Gericht ausnahmsweise auch zur Beurteilung von Ermessensfragen.<br />
Die detailreichen und widerspruchsfreien Aussagen der Beschwerdegegnerin erscheinen glaubhaft; zudem<br />
gestand sie ein, den Beschwerdeführer ebenfalls geschlagen zu haben. Dieses Eingeständnis erhöht die<br />
Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen zusätzlich. Überdies werden ihre Aussagen teilweise durch diejenigen des<br />
Beschwerdeführers bestätigt. So gab er der Polizei ebenfalls zu Protokoll, nach dem Würgevorfall im Jan. 2009<br />
im Badezimmer die Polizei angerufen und dieser gemeldet zu haben, von der Beschwerdegegnerin mit einem<br />
Elektroschockgerät bedroht zu werden. Zudem gestand er ein, sie geschlagen zu haben, auch wenn es ihm<br />
nicht bewusst gewesen sei, dass er sie verletzt haben könnte. Er räumte auch ein, dass es ihm ab und zu<br />
Mühe bereite, sich bezüglich verbaler Entgleisungen zu beherrschen. Schliesslich wird dieses Gesamtbild<br />
durch die Aussagen zweier weiteren Personen bestärkt. Angesichts der glaubhaft wirkenden Aussagen der<br />
Beschwerdegegnerin und der ansatzweisen Geständnisse des Beschwerdeführers ging der Haftrichter zu<br />
Recht davon aus, dass die Beschwerdegegnerin ihre fortbestehende Gefährdung durch den Beschwerdeführer<br />
glaubhaft dargelegt habe.<br />
Beschwerdeführerin: keine<br />
Gehörsverletzung<br />
VGr, 25. Aug. 2010,<br />
VB.2010.00394, E. 2.2.<br />
Mündliche Anhörung<br />
VGr, 17. Juni 2010,<br />
VB.2010.00265, E. 4.4.<br />
Beschwerdeführer erschien<br />
nicht zur Anhörung, da er die<br />
Vorladung zu spät erhielt.<br />
(s. auch unter Verletzung rechtliches<br />
Gehör)<br />
Einspracheverfahren heilt die<br />
Gehörsverletzung<br />
BGer, 31. Jan. 2008, BGE<br />
134 I 140, E. 5.2.<br />
Rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren<br />
VGr, 1. November 2010,<br />
VB.2010.00561, E. 2.2.<br />
Glaubhaftigkeit, Kriterien<br />
VGr, 16. Juli 2009,<br />
VB.2009.00345, E. 4.2.<br />
4.2. Beweisabnahme, Glaubhaftmachung § 10 Abs. 1 GSG<br />
4.2 Gemäss § 10 Abs. 1 GSG genügt bereits die Glaubhaftmachung des Fortbestandes einer Gefährdung.<br />
Es ist daher nicht notwendig, den Ablauf der Geschehnisse im Details zu rekonstruieren, was sich aufgrund der<br />
gegensätzlichen Angaben der Parteien ohnehin nicht bewerkstelligen liesse. Die VI hat sich den auch zu Recht<br />
darauf konzentriert, in erster Linie die Darstellung der Ereignisse durch die Parteien und deren Aussagen vor<br />
den Behörden in den Grundzügen zu analysieren und auf deren Glaubhaftigkeit hin zu untersuchen (..)<br />
Glaubhaftmachung der Gefährdung<br />
VGr 3. Juli 2013,<br />
VB.2013.000428<br />
3.3 Erscheint der Sachverhalt umfassend ermittelt, obgleich nicht alle Möglichkeiten der Beweisführung ausge- Beweisabnahme, Antizipierte<br />
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schöpft wurden, und versprechen zusätzliche Abklärungen keine wesentlichen neuen Erkenntnisse,<br />
rechtfertigt es sich, auf weitere Untersuchungen zu verzichten. Um festzustellen, ob ein Sachverhalt hinreichend<br />
feststeht und ein Beweis zur Klärung der Sachlage etwas beiträgt, kommt die Behörde bzw. das Gericht<br />
allerdings nicht umhin, das Beweisergebnis vorläufig zu würdigen. Eine solche antizipierte Beweiswürdigung<br />
und der darauf beruhende Verzicht auf Beweisabnahme sind mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör vereinbar<br />
(Kölz/Bosshard/Röhl, § 7 N. 10, § 60 N.5; BGE 131 I 153 E.3; 130 II 425 E.2.1; 124 I 208 E. 4a; je mit<br />
Hinweisen) (..).<br />
Beweiswürdigung<br />
VGr, 18. März 2013,<br />
VB.2010.00034/68<br />
4.3. Kognition des Zwangsmassnahmen- und des Verwaltungsgerichts<br />
3.3 Im Zusammenhang mit der Prüfung der angefochtenen Verlängerung der angeordneten <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahme<br />
ist dem Zwangsmassnahmengericht ein relativ grosser Beurteilungsspielraum zuzugestehen.<br />
Zum einen kann sich dieses im Rahmen der Anhörung der Parteien einen umfassenden Eindruck von der<br />
Situation machen, während das Verwaltungsgericht primär aufgrund der Akten zu entscheiden hat. Zum anderen<br />
greift das Verwaltungsgericht nur im Falle von Rechtsverletzungen im Sinne von § 50 Abs. 1 in Verbindung<br />
mit § 20 Abs. 1 lit. A VRG ein, nicht aber bei blosser Unangemessenheit. In Bezug auf den Nachweis<br />
häuslicher <strong>Gewalt</strong> dürfen nicht allzu hohe Beweisanforderungen gestellt werden; Grundsätzlich genügt diesbezüglich<br />
das Beweismass der Glaubhaftigkeit (VGr, 26. Mai 2011, VB.2011.00228, E. 4.3), was sich auch<br />
vorliegend nicht anders verhält. Es ist auch nicht notwendig, den Ablauf der Geschehnisse im Detail zu rekonstruieren,<br />
was sich aufgrund der gegensätzlichen Angaben der Parteien ohnehin nicht bewerkstelligen liesse.<br />
Auch der Fortbestand einer Gefährdung muss gemäss § 10 Abs. 1 GSG nur glaubhaft gemacht werden. Demzufolge<br />
rechtfertigt sich eine gewisse Zurückhaltung bei der Beurteilung der vorinstanzlichen Würdigung (vgl.<br />
VGr, 5. Nov. 2009, VB.2009.00514. E. 4.1)<br />
Kognition des VGr, Glaubhaftigkeit<br />
VGr, 25. Okt. 2013, E.3.3<br />
ebenso VB.2010.00066, E.<br />
4.1.VB.2010.0098, E. 4.1.;<br />
VB.2009.00705, E. 4.1;<br />
VB.2009.00422, E. 6.;<br />
VB.2009.005014, E. 4.1.,<br />
VB.2010.00243, E. 4.1.<br />
5. Zuständigkeit und Verhältnis zu den Parallelverfahren<br />
5.1. Örtliche und sachliche Zuständigkeit § 8 Abs. 2 GSG<br />
5.3 (..) In Würdigung der gesamten Umstände ist nicht ersichtlich, welche mildere Massnahme das Zwangsmassnahmengericht<br />
hätte anordnen können, um den Gesetzeszweck – Schutz, Sicherheit und Unterstützung<br />
von Personen, die durch häusliche <strong>Gewalt</strong> betroffen sind (§ 1 Abs. 1 GSG) – gerecht zu werden, zumal es<br />
nicht in der Kompetenz der <strong>Gewalt</strong>schutz anordnenden Instanz liegt, ein begleitetes oder unbegleitetes<br />
Besuchsrecht anzuordnen. Ausserdem bedarf es zur Entspannung der Situation einer gewissen Zeit. Entsprechend<br />
ist es angezeigt, die verfügten Massnahmen aufrechtzuerhalten.<br />
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung können <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen und eheschutzrechtliche<br />
Anordnungen parallel angeordnet werden; letztere gehen allerdings vor und können im gewaltschutzrechtlichen<br />
Verfahren nicht in Frage gestellt oder abgeändert werden. Auf das Eventualbegehren des Beschwerdeführers<br />
betreffend Übertragung der Obhut ist deshalb nicht einzutreten. Der Entscheid über die Obhutszuteilung ist<br />
Sache des Eheschutzrichters (vgl. Art. 315a ZGB).<br />
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens kann einzig die Frage bilden, ob die Haftrichterin die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />
zu Recht verlängert hat (§ 1 VO GSG i.V.m. § 10 Abs. 1 GSG). Für die Anträge des Beschwerdeführers<br />
hinsichtlich des Besuchsrechts und der Herausgabe diverser Gegenstände ist hingegen der<br />
Eheschutzrichter im Rahmen des hängigen Eheschutzverfahrens zuständig (vgl. Art. 172 Abs. 3 ZGB).<br />
3.7 (..) Das <strong>für</strong> die Verlängerung von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen zuständige Gericht ist gemäss § 8 Abs. 2 GSG<br />
die Haftrichterin oder der Haftrichter am Ort der Begehung der häuslichen <strong>Gewalt</strong>. Im vorliegenden Fall ist der<br />
im Kanton <strong>Zürich</strong> gelegene Wohnort der Beschwerdegegnerin – G – als Ort der Begehung der häuslichen<br />
<strong>Gewalt</strong> zu erachten, denn dort empfing die Beschwerdegegnerin gemäss den polizeilichen Ermittlungen die<br />
Comboxnachricht des Beschwerdeführers, die die Drohungen enthielt (..).<br />
Gemäss § 8 Abs. 2 GSG ist der Haftrichter am Ort der Begehung der <strong>Häusliche</strong>n <strong>Gewalt</strong> zur Verlängerung<br />
einer Schutzmassnahme zuständig.<br />
Nachdem der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin nach deren Aussagen vor der Polizei nicht nur in I,<br />
sondern insbesondere auch in ihrer gemeinsamen Wohnung in O (im Bezirk P) bedroht hat, ist der Haftrichter<br />
des Bezirks P zuständig. Daran ändert die Tatsache nichts, dass die Beschwerdegegnerin und ihre Tochter nun<br />
im Kanton F wohnen und sich folglich – mit Ausnahme desjenigen bezüglich des Reithofs in O – alle Gebiete<br />
des Rayonverbots im Kanton F befinden.<br />
Die Verlängerung der Schutzmassnahmen um maximal drei Monate ordnet der Haftrichter als erste Instanz an;<br />
dies im Gegensatz zur gerichtlichen Beurteilung der durch die Polizei <strong>für</strong> die Dauer von 14 Tagen angeordneten<br />
Schutzmassnahmen, wo er als zweite Instanz entscheidet. Eine räumliche Ausdehnung des Rayonverbots im<br />
Vergleich zu den polizeilich verfügten Schutzmassnahmen erscheint durchaus möglich. Zudem kann das<br />
Gericht eine andere Schutzmassnahme gemäss § 3 Abs. 2 GSG anordnen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GSG). Auch<br />
hält § 6 Abs. 2 GSG fest, dass die Parteien bei veränderten Verhältnissen das Gericht um Änderung der haftrichterlichen<br />
Schutzmassnahmen ersuchen können. Eine Ausdehnung der Schutzmassnahmen muss somit<br />
bereits beim Entscheid des Haftrichters über die Verlängerung derselben möglich sein. Der Haftrichter war<br />
demnach zur räumlichen Ausdehnung des Rayonverbots grundsätzlich befugt.<br />
Besuchsrechtsanordnungen<br />
VGr, vom 26. Okt. 2013,<br />
VB.2013.00609<br />
Obhutszuteilung<br />
VGr, 30. April 2009,<br />
VB.2009.00175, E. 1.3.<br />
Besuchsrechtsregelung<br />
VGr, 20. Mai 2010,<br />
VB.2010.00200, E.1.3.<br />
Örtliche Zuständigkeit bei<br />
SMS-, Telefonnachrichten im<br />
interkt. Verhältnis<br />
VGr, 5. März 2013,<br />
VB.2013.00069<br />
Der Gefährder lebt in Dt.<br />
Örtliche Zuständigkeit, am<br />
Begehungsort<br />
VGr, 3. Mai 2010,<br />
VB.2010.00177, E. 3.1.<br />
§ 8 Abs. 2 GSG<br />
E. 3.2.<br />
Ausdehnung Rayonverbot durch<br />
das Gericht (reformatio in peius)<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />
5.2. Verhältnis zu zivilrechtlich angeordneten Massnahmen (insb. Ehe- und Kindsschutz) § 7 Abs. 1 GSG<br />
Die Dauer von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen darf einzig aufgrund des Fortbestehens der häuslichen <strong>Gewalt</strong>situation<br />
beurteilt werden (vgl. § 10 Abs. 2 GSG). Die Vorladung zu einer Eheschutzverhandlung hingegen ist kein<br />
sachliches Kriterium <strong>für</strong> eine veränderte Beurteilung des Gefährdungspotenzials bzw. <strong>für</strong> eine Änderung der<br />
Geltungsdauer von Schutzmassnahmen. Die Ansetzung eines Verhandlungstermins in einem parallel<br />
laufenden Eheschutzverfahren stellt keine Gewähr da<strong>für</strong> dar, dass am Verhandlungstag effektiv eine<br />
definitive zivilrechtliche Regelung des Getrenntlebens gefunden sein wird, die die gewaltschutzrechtlichen<br />
Anordnungen hinfällig werden lässt.<br />
Der Haftrichter hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Parteien spätestens am 17. Dez. 2009 eine<br />
zivilrechtliche Lösung finden werden, die die Aufrechterhaltung der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen hinfällig<br />
machen würde. Eine rasche Regelung insbesondere des Besuchsrechts des Vaters zur Tochter steht zwar im<br />
Interesse aller Beteiligten. Doch dies darf nicht dazu führen, dass eine gewaltschutzrechtliche Massnahme trotz<br />
glaubhaft gemachtem Gefährdungsfortbestand auf das Datum einer Eheschutzverhandlung terminiert wird und<br />
die Parteien so dazu gedrängt werden, an diesem Tag eine zivilrechtliche Regelung zu finden. Indem der<br />
Haftrichter die maximale Dauer der angeordneten Schutzmassnahmen aufgrund der Vorladung zur Eheschutzverhandlung<br />
um einen Monat verkürzte, stützt er sich in Bezug auf die Geltungsdauer auf ein sachfremdes<br />
Kriterium und überschritt das ihm zustehende Ermessen in rechtsfehlerhafter Weise.<br />
Gemäss § 7 Abs. 1 Satz 1 GSG fallen <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen dahin, wenn entsprechende zivilrechtliche<br />
Massnahmen rechtskräftig angeordnet und vollzogen sind. Zivilrechtlich angeordnete Massnahmen<br />
gehen <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen deshalb vor und können im gewaltschutzrechtlichen Verfahren<br />
nicht infrage gestellt oder abgeändert werden. Die zivilrechtliche Sistierung des Besuchsrechts kann nicht<br />
im Rahmen des gewaltschutzrechtlichen Verfahrens aufgehoben werden. Der Haftrichter hat diesem Umstand<br />
insofern Rechnung getragen, als er das Kontaktverbot zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn nur<br />
bis zur Anordnung einer neuen Besuchsrechtsregelung durch die Vormundschaftsbehörde verfügt hat. Da das<br />
gewaltschutzrechtlich angeordnete Kontaktverbot im Vergleich zur momentan ohnehin geltenden zivilrechtlichen<br />
Sistierung des Besuchsrechts <strong>für</strong> den Beschwerdeführer keine weitergehenden Einschränkungen bewirkt,<br />
fehlt es ihm im Rahmen des vorliegenden Verfahrens an einem schutzwürdigen Interesse, die Aufhebung des<br />
Kontaktverbots zu seinem Sohn zu verlangen.<br />
Der Eheschutzrichter ist bei seinem Entscheid über vorsorgliche Massnahmen in keiner Weise an Urteile<br />
gebunden, die im Zusammenhang mit dem <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz ergangen sind (vgl. Art. 172 ff. ZGB). Es<br />
verhält sich vielmehr genau umgekehrt: Die Schutzmassnahmen fallen dahin, wenn entsprechende zivilrechtliche<br />
Massnahmen rechtskräftig angeordnet und vollzogen sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1 GSG). Eheschutzrechtliche<br />
Anordnungen gehen <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen vor und können im gewaltschutzrechtlichen<br />
Verfahren nicht mehr in Frage gestellt oder abgeändert werden. In Bezug auf Anordnungen<br />
über Kinder gelten Offizial- und Untersuchungsmaxime (Art. 145 Abs. 1 ZGB). Der Entscheid, wem der Eheschutzrichter<br />
die eheliche Wohnung überlässt, hängt in der Regel vom Obhutsentscheid ab. Das vorliegende<br />
Urteil stellt den Eheschutzrichter demnach keineswegs vor vollendete Tatsachen in Bezug auf die Zuteilung der<br />
Liegenschaft und der Kinderobhut.<br />
Paralles Eheschutzverfahren<br />
VGr, 3. Dez.2009,<br />
VB.2009.00640/<br />
VB.2009.00646, E. 4.5. f.<br />
.<br />
GSG Massnahmen und<br />
Kindesschutzmassnahmen<br />
VGr, 5. Nov. 2009,<br />
VB.2009.00514, E. 1.3.<br />
Die Parteien sind geschieden.<br />
Die Mutter hat das Sorgerecht.<br />
Der Vater hat das Besuchsrecht<br />
über einen Beistand<br />
wahrzunehmen, welcher das<br />
Besuchsrecht sistiert hat.<br />
VGr, 3. Sep. 2009,<br />
VB.2009.00422,<br />
zwei gemeinsame Söhne (13<br />
und 15 Jahre alt)<br />
5.3. Verhältnis zu strafprozessualen und strafrechtlichen Massnahmen und Auflagen § 7 Abs. 2 GSG<br />
Die strafprozessualen Massnahmen sowie die Ersatzmassnahmen einerseits und die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />
inklusive Kontaktverbot anderseits unterscheiden sich demnach sowohl hinsichtlich ihres Zwecks als auch<br />
der Voraussetzungen zur Anordnung erheblich voneinander. Während die strafprozessualen Massnahmen vor<br />
allem dazu dienen, einen Beschuldigten <strong>für</strong> ein Strafverfahren zur Verfügung zu halten und ihn der Bestrafung<br />
zuzuführen, bezwecken die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen den kurzzeitigen Schutz eines Opfers vor weiterer<br />
häuslicher <strong>Gewalt</strong>. Der unterschiedliche Zweck der Massnahmen erklärt auch die unterschiedlichen Voraussetzungen<br />
zu deren Anordnung. So können die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen, welche im Unterschied zu den Ersatzmassnahmen<br />
nach der Strafprozessordnung verwaltungsrechtlicher Natur sind, auch bei Verdacht auf<br />
Übertretungen (z.B. Tätlichkeiten) angeordnet werden. Zudem ist deren Dauer unabhängig von der Straflänge.<br />
Die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen, welche einen anderen Zweck verfolgen als die Ersatzmassnahmen zur Untersuchungs-<br />
oder Sicherheitshaft, werden demnach entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers durch die<br />
strafprozessualen Zwangsmassnahmen der Schweizerischen Strafprozessordnung nicht verdrängt. Dies gilt<br />
auch im Verhältnis der jeweiligen Kontaktverbote untereinander.<br />
VGr, 7.April 2011<br />
VB.2011.00142, E.2.2<br />
Im Strafverfahren gelten höhere beweisrechtliche Anforderungen als im <strong>Gewalt</strong>schutzverfahren. VGr, 5. Nov. 2009,<br />
VB.2009.00514, E. 4.2.<br />
Nach Entlassung aus der Haft, könnten allenfalls <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen den Schutz der Ehefrau vor dem<br />
wiederholungsgefährdeten Ehemann bieten.<br />
1.3 Die Staatsanwaltschaft hat mit Strafbefehl vom 22. Februar 2012 <strong>für</strong> die Dauer von zwei Jahren angeordnet,<br />
dass Kontakte des Beschwerdeführers zur Regelung und Ausübung des Besuchsrechts zum gemeinsamen<br />
Sohn über das Jugendsekretariat D bzw. über Drittpersonen zu erfolgen hätten. Diese auf Art. 44 Abs. 2<br />
des Strafgesetzbuchs (StGB) gestützte, inzwischen rechtskräftige Weisung führt nicht zur Gegenstandslosigkeit<br />
des vorliegenden Verfahrens, da der Strafbefehl vom 22. Februar 2012 – anders als die vorliegend umstrittene<br />
<strong>Gewalt</strong>schutzanordnung – kein Kontaktverbot gegenüber dem Sohn des Beschwerdeführers enthält.<br />
BGer, 6. Nov. 2009, BGE<br />
1B_280/2008<br />
GSG und strafrechtliche<br />
Weisung<br />
VB.2012.00162<br />
VGr. 2.April 2012<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 11
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />
6.2 (..) Schutzmassnahmen werden von der Anordnung strafprozessualer Zwangsmassnahmen nicht beeinflusst<br />
(vgl. § 7 Abs. 2 GSG). Zudem behandelte dieser Entscheid die anstelle der Untersuchungshaft zu ergreifenden<br />
Ersatzmassnahmen und setzte sich mit der Frage der Kollusionsgefahr betreffend die Beschwerdegegnerin<br />
und F auseinander. Der hier massgeblichen Drohungen des Beschwerdeführers gegenüber E bzw. die<br />
der Anordnung der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen zugrundeliegenden Umstände waren dagegen kein Thema. Der<br />
Beschwerdeführer kann damit aus dem Verzicht auf ein Kontaktverbot gegenüber E im Entscheid vom 28.<br />
Januar 2013 nichts zu seinen Gunsten ableiten.<br />
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens kann einzig die Frage bilden, ob die Haftrichterin die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />
zu Recht verlängert hat (§ 1 VO GSG i.V.m. § 10 Abs. 1 GSG). Für die Anträge des Beschwerdeführers<br />
hinsichtlich des Besuchsrechts und der Herausgabe diverser Gegenstände ist hingegen der Eheschutzrichter<br />
im Rahmen des hängigen Eheschutzverfahrens zuständig (vgl. Art. 172 Abs. 3 ZGB).<br />
3.7 (..) Das <strong>für</strong> die Verlängerung von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen zuständige Gericht ist gemäss § 8 Abs. 2 GSG<br />
die Haftrichterin oder der Haftrichter am Ort der Begehung der häuslichen <strong>Gewalt</strong>. Im vorliegenden Fall ist der<br />
im Kanton <strong>Zürich</strong> gelegene Wohnort der Beschwerdegegnerin – G – als Ort der Begehung der häuslichen<br />
<strong>Gewalt</strong> zu erachten, denn dort empfing die Beschwerdegegnerin gemäss den polizeilichen Ermittlungen die<br />
Comboxnachricht des Beschwerdeführers, die die Drohungen enthielt (..).<br />
Gemäss § 8 Abs. 2 GSG ist der Haftrichter am Ort der Begehung der <strong>Häusliche</strong>n <strong>Gewalt</strong> zur Verlängerung<br />
einer Schutzmassnahme zuständig.<br />
Nachdem der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin nach deren Aussagen vor der Polizei nicht nur in I,<br />
sondern insbesondere auch in ihrer gemeinsamen Wohnung in O (im Bezirk P) bedroht hat, ist der Haftrichter<br />
des Bezirks P zuständig. Daran ändert die Tatsache nichts, dass die Beschwerdegegnerin und ihre Tochter nun<br />
im Kanton F wohnen und sich folglich – mit Ausnahme desjenigen bezüglich des Reithofs in O – alle Gebiete<br />
des Rayonverbots im Kanton F befinden.<br />
Die Verlängerung der Schutzmassnahmen um maximal drei Monate ordnet der Haftrichter als erste Instanz an;<br />
dies im Gegensatz zur gerichtlichen Beurteilung der durch die Polizei <strong>für</strong> die Dauer von 14 Tagen angeordneten<br />
Schutzmassnahmen, wo er als zweite Instanz entscheidet. Eine räumliche Ausdehnung des Rayonverbots im<br />
Vergleich zu den polizeilich verfügten Schutzmassnahmen erscheint durchaus möglich. Zudem kann das<br />
Gericht eine andere Schutzmassnahme gemäss § 3 Abs. 2 GSG anordnen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GSG). Auch<br />
hält § 6 Abs. 2 GSG fest, dass die Parteien bei veränderten Verhältnissen das Gericht um Änderung der haftrichterlichen<br />
Schutzmassnahmen ersuchen können. Eine Ausdehnung der Schutzmassnahmen muss somit<br />
bereits beim Entscheid des Haftrichters über die Verlängerung derselben möglich sein. Der Haftrichter war<br />
demnach zur räumlichen Ausdehnung des Rayonverbots grundsätzlich befugt.<br />
GSG und StPR-<br />
Ersatzmassnahmen<br />
VGr, 11. März 2013,<br />
VB.2013.00092<br />
Besuchsrechtsanträge<br />
VGr, 20. Mai 2010,<br />
VB.2010.00200, E.1.3.<br />
Zuständigkeit bei SMS-,<br />
Telefonnachrichten im interkt.<br />
Verhältnis<br />
VGr, 5. März 2013,<br />
VB.2013.00069<br />
Örtliche Zuständigkeit, am<br />
Begehungsort<br />
VGr, 3. Mai 2010,<br />
VB.2010.00177, E. 3.1.<br />
§ 8 Abs. 2 GSG<br />
E. 3.2.<br />
Ausdehnung Rayonverbot<br />
durch das Gericht<br />
6. Rechtsmittelinstanzen<br />
6.1. Beschwerde an das Verwaltungsgericht § 11a GSG<br />
Gegen provisorische Entscheide sieht das Gesetz die Einsprache an den Haftrichter im Sinne von § 11<br />
Abs. 1 GSG vor, weshalb sich die Rechtsmittelbelehrung des vorinstanzlichen Entscheids, in welcher die Beschwerde<br />
ans Verwaltungsgericht angegeben wurde, als unzutreffend erweist. Demgemäss ist auf die Beschwerde<br />
nicht einzutreten.<br />
Soweit sich die Rügen des Beschwerdeführers gegen die am 3. Sep. 2009 angeordneten polizeilichen Massnahmen<br />
richten, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Seit dem 18. Sep. 2009 gelten die haftrichterlichen<br />
Anordnungen und nicht mehr die polizeilichen Anordnungen, die vom Beschwerdeführer deshalb mangels Beschwer<br />
nicht mehr angefochten werden können.<br />
VGr, 11. Dez. 2009,<br />
VB.2009.00642, E 3.2.<br />
VGr, 5. Nov. 2009,<br />
VB.2009.00514, E. 1.2.<br />
6.2. Beschwerde ans Bundesgericht<br />
Der Zürcher Gesetzgeber hat darauf verzichtet, an die polizeilichen Schutzmassnahmen eine Frist <strong>für</strong> die<br />
zwangsweise Einleitung eines Zivilverfahrens, namentlich eines Eheschutzverfahrens, zu knüpfen. Die polizeilichen<br />
Massnahmen werden einzig im öffentlichen Interesse zum Schutz gefährdeter Personen und zur Entspannung<br />
einer häuslichen <strong>Gewalt</strong>situation angeordnet (vgl. Weisung des Regierungsrates, ABl 2005, S. 762 ff., 776<br />
f.). Aus diesen Gründen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang der öffentlich-rechtlichen Angelegenheit zu<br />
Zivilrecht im Sinne von Art. 72 Abs. 2 lit. b BGG. Mithin ist vorliegend die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen<br />
Angelegenheiten im Sinne von Art. 82 lit. a BGG gegeben.<br />
Der Rückweisungsentscheid des Verwaltungsgerichts ist als Zwischenentscheid zu qualifizierten, der sich nur<br />
unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG weiterziehen lässt. Als Endentscheid im Sinne von<br />
Art. 90 BGG lässt sich ein Rückweisungsentscheid dann einstufen, wenn der unteren Instanz kein Beurteilungsspielraum<br />
mehr verbleibt.<br />
BGer, 13. Juli 2007,<br />
BGE 1C_89/2007, E. 1.1.<br />
Beschwerde in öffentlichrechtlichen<br />
Angelegenheiten<br />
VGr, 25. März 2010,<br />
VB.2010.00109, E. 5.<br />
Rückweisungsentscheid<br />
ans VGr<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />
7. Verfahrensrechtliche Fragen<br />
7.1. Zustellung der Vorladungen im GSG-Gerichtsverfahren § 4 Abs. 3 GSG<br />
Aus Art. 29 Abs. 2 BV leitet das Bundesgericht unter anderem ein Recht auf rechtzeitige Vorladung zu einer<br />
gerichtlichen Verhandlung ab.<br />
Das Recht angehört zu werden, ist formeller Natur; die Verletzung des Gehörsanspruchs führt grundsätzlich zur<br />
Aufhebung der angefochtenen Verfügung, ungeachtet der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Sache<br />
selbst.<br />
Wer ein Verfahren anhängig gemacht und so ein Prozessrechtsverhältnis begründet hat, muss mit<br />
behördlichen Zustellungen rechnen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben hat er daher da<strong>für</strong><br />
besorgt zu sein, dass ihm amtliche Urkunden reibungslos zugestellt werden können. Wird der Adressat<br />
in einem solchen Fall bei der versuchten Zustellung einer eingeschriebenen Sendung nicht angetroffen und<br />
daher eine Abholeinladung in seinen Briefkasten oder sein Postfach gelegt, so gilt nach der bundesrechtlichen<br />
Rechtssprechung die Sendung in jenem Zeitpunkt als zugestellt, da die Post abgeholt wird. Geschieht dies<br />
nicht innerhalb der Abholfrist von sieben Tagen, gilt die Sendung als am letzten Tag dieser Frist zugestellt.<br />
Unter den vorliegenden Umständen verstösst die Berufung des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers auf<br />
die siebentätige Zustellfrist gegen Treu und Glauben, wurde doch die Ansetzung des Anhörungstermins auf die<br />
Ferienpläne des Rechtsvertreters ausgerichtet, wie er sie angegeben hatte.<br />
Durch die kurzfristige Vorladung verletzte die Haftrichterin § 175 Abs. 1 GVG, nach welchem die Vorladung -<br />
dringende Fälle vorbehalten - wenigstens fünf Tage vor der Verhandlung zugestellt werden muss, nicht. In<br />
Übereinstimmung mit der Bejahung eines dringenden Falls nach § 14 Abs. 2 GSG muss auch die gerichtliche<br />
Beurteilung der angeordneten Schutzmassnahmen und der gerichtliche Entscheid über die Verlängerung,<br />
Änderung oder Aufhebung der Massnahmen als dringender Fall im Sinne von § 175 Abs. 1 GVG betrachtet<br />
werden, gilt doch <strong>für</strong> diese Verfahren eine Behandlungsfrist von vier Arbeitstagen.<br />
Vorladung<br />
VGr, 1. Okt. 2009,<br />
VB.2009.00460, E. 2.2.<br />
VGr 1. Okt. 2009,<br />
VB.2009.00460, E. 3.3.<br />
7.2. Aktuelles Rechtsschutzinteresse und Gegenstandslosigkeit<br />
Die Beschwerdelegitimation setzt ein aktuelles Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung oder Änderung der<br />
angefochtenen Anordnung voraus. Auf dieses Erfordernis kann ausnahmsweise verzichtet werden, sofern eine<br />
Anordnung zu beurteilen ist, die sich nach ihrer Art und ihrem Gegenstand jederzeit wiederholen kann und die<br />
sonst der behördlichen oder gerichtlichen Überprüfung regelmässig entzogen bliebe, sodass die rechtliche<br />
Klärung einer Grundsatzfrage nie erfolgen könnte.<br />
Soweit der Beschwerdeführer die Verfügung des Haftrichters anficht, mit welcher sein Gesuch um Aufhebung<br />
der durch die <strong>Kantonspolizei</strong> verfügten Schutzmassnahmen abgewiesen wurde, fehlt ihm ein aktuelles Rechtsschutzinteresse.<br />
Die Schutzmassnahmen liefen am 30. Aug. 2009, somit zwei Tage vor der Beschwerdeerhebung,<br />
ab, weshalb der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung durch die angefochtenen<br />
Massnahmen nicht mehr beschwert war. Daran ändert nichts, dass er während der Geltungsdauer der Massnahmen<br />
offenbar gegen das Rayonverbot verstossen hat. Sollte er deswegen androhungsgemäss wegen<br />
Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen im Sinn von Art. 292 StGB sanktioniert werden, dürfte der<br />
Strafrichter nämlich die Verfügung mit gleicher Kognition, wie sie dem Verwaltungsgericht zukommt,<br />
überprüfen.<br />
Da die im vorliegenden Fall von der Polizei angeordneten <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen nur bis am 27. März 2009<br />
(bzw. bis zum Tag der Beschwerdeeinreichung) in Kraft waren, ist der Antrag des Beschwerdeführers auf<br />
Aufhebung der Massnahmen gegenstandslos geworden. Der Beschwerdeführer macht jedoch an sich zu Recht<br />
geltend, dass er in Bezug auf die Kosten- und Entschädigungsfragen des vorinstanzlichen Entscheids nach wie<br />
vor beschwert sei; in diesem Zusammenhang wird die Frage der Rechtmässigkeit der polizeilich angeordneten<br />
Massnahmen denn auch summarisch zu prüfen sein.<br />
Der Beschwerdeführer war bezüglich der haftrichterlichen Bestätigung der von der <strong>Kantonspolizei</strong> angeordneten<br />
Schutzmassnahmen nicht mehr beschwert, weshalb es ihm an einem aktuellen Rechtsschutzinteresse<br />
mangelt. Auf dieses Erfordernis kann vorliegend auch nicht verzichtet werden, da keine grundsätzliche Frage<br />
zu klären ist, die aufgrund ihrer Natur der Anordnung regelmässig einer gerichtlichen Überprüfung entzogen<br />
bliebe. Demnach ist auf die Beschwerde in diesem Punkt nicht einzutreten.<br />
VGr, 23. Sep. 2009,<br />
VB.2009.00461, E.1.3.<br />
Ausnahme des Erfordernisses<br />
des aktuellen Rechtsschutzinteresse<br />
VGr, 20. Aug. 2009,<br />
VB.2009.00159, E. 1.2.<br />
Rechtsschutzinteressen<br />
hinsichtlich polizeilich angeordneter<br />
<strong>Gewalt</strong>schutzmassnahme<br />
VGr, 3. Juni 2010,<br />
VB.2010.00243, E. 1.2.<br />
Die Schutzmassnahmen der<br />
<strong>Kantonspolizei</strong> dauerten bis<br />
zum 12. Mai 2010 und waren im<br />
Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung<br />
bereits abgelaufen.<br />
7.3. Keine aufschiebende Wirkung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde § 11a Abs. 2 GSG<br />
Trotz Rückweisung zur Durchführung einer Anhörung der Parteien und anschliessender Neubeurteilung, bleiben<br />
die mit Verfügung des Haftrichters verlängerten Schutzmassnahmen weiterhin in Kraft und der Einsprache<br />
kommt keine aufschiebende Wirkung zu (§ 11 Abs. 2 GSG).<br />
Der Beschwerdeführer beantragt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerden. Da<br />
vorliegend der Entscheid in der Hauptsache ergeht, erweist sich sein Antrag als gegenstandslos.<br />
VGr, 25. März 2010,<br />
VB.2010.00109 E. 3.2.<br />
Vgr, 23. Sep. 2003,<br />
VB.2009.00461, E. 1.4.<br />
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7.4. Weitere verfahrensrechtliche Fragen<br />
Die Verlängerung der Schutzmassnahmen um maximal drei Monate ordnet der Haftrichter als erste Instanz an;<br />
dies im Gegensatz zur gerichtlichen Beurteilung der durch die Polizei <strong>für</strong> die Dauer von 14 Tagen angeordneten<br />
Schutzmassnahmen, wo er als zweite Instanz entscheidet. Eine räumliche Ausdehnung des Rayonverbots im<br />
Vergleich zu den polizeilich verfügten Schutzmassnahmen erscheint durchaus möglich. Zudem kann das Gericht<br />
eine andere Schutzmassnahme gemäss § 3 Abs. 2 GSG anordnen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GSG). Auch hält § 6<br />
Abs. 2 GSG fest, dass die Parteien bei veränderten Verhältnissen das Gericht um Änderung der haftrichterlichen<br />
Schutzmassnahmen ersuchen können. Eine Ausdehnung der Schutzmassnahmen muss somit bereits beim<br />
Entscheid des Haftrichters über die Verlängerung derselben möglich sein. Der Haftrichter war demnach zur<br />
räumlichen Ausdehnung des Rayonverbots grundsätzlich befugt.<br />
Gemäss § 140 Abs. 1 GVG finden in der Zeit vom 10. Juli bis und mit 20. Aug. sowie vom 20. Dez. bis und mit 8.<br />
Jan. keine Verhandlungen statt; die gesetzlichen und die richterlichen Fristen stehen still. Vorbehalten bleiben die<br />
in Abs. 2 genannten Fälle. Die Aufzählung in § 140 Abs. 2 GVG ist nicht erschöpfend. Für die Beurteilung der<br />
Dringlichkeit ist auf die Natur der hängigen Streitsache und nicht auf das einseitige Interesse einer Partei an der<br />
Förderung des Prozesses abzustimmen. Aus den Ausführungen in der Weisung des Regierungsrats geht hervor,<br />
dass die gerichtliche Beurteilung der Schutzmassnahmen bzw. der Entscheid über deren Verlängerung, Änderung<br />
und Aufhebung bewusst dem Haftrichter übertragen wurde, um ein rasches Verfahren sicherzustellen. Aus der<br />
mehrfachen Betonung des zentralen Anliegens der Beschleunigung des Verfahrens wird deutlich, dass es<br />
sich bei den genannten Entscheiden um dringende Fälle im Sinne von § 140 Abs. 2 GVG handeln muss,<br />
<strong>für</strong> welche die Gerichtferien nicht gelten. Diesen Schluss legt auch der Umstand nahe, dass die gerichtlich<br />
verfügten Schutzmassnahmen insgesamt drei Monate nicht übersteigen dürfen. Es ist daher als offensichtliches<br />
Versehen des Gesetzgebers zu werten, dass er beim Erlass des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes nicht ausdrücklich auf die<br />
Nichtgeltung der Gerichtsferien <strong>für</strong> das Verfahren nach diesem Gesetz hinwies.<br />
Unter Vorbehalt hier nicht zutreffenden Ausnahmen erwächst nur das Dispositiv einer Verfügung in Rechtskraft.<br />
Nur darin enthaltene Anordnungen sind anfechtbar, nicht auch die Begründung oder andere Bestandteile einer<br />
Verfügung.<br />
Der Beschwerdeführer wehrte sich ausdrücklich nicht gegen die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen, sondern nur gegen<br />
das Strafverfahren wegen Drohung und Nötigung. Ein Anfechtungswille des Beschwerdeführers ist nicht ersichtlich.<br />
Auf die Beschwerde ist entsprechend nicht einzutreten.<br />
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet, weshalb sie gemäss § 38 Abs. 1 Satz 2 VRG (neu ab<br />
1. Juli 2010: § 38 Abs. 2 VRG) auf dem Zirkulationsweg abzuweisen ist.<br />
Aus dem Wortlaut von § 5 Satz 1 GSG ergibt sich mit genügender Klarheit, dass die schriftliche Begründung ein<br />
Gültigkeitserfordernis <strong>für</strong> das Begehren um gerichtliche Beurteilung darstellt. Wird die Gültigkeit eines Rechtsmittels<br />
kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung davon abhängig gemacht, dass es eine minimale Begründung<br />
enthalte, so liegt darin weder eine Verweigerung des Anspruchs auf rechtliches Gehör noch kann darin ein überspitzter<br />
Formalismus gesehen werden. Der verfassungsmässige Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV)<br />
schliesst es nicht aus, dass ohne Ansetzung einer Nachfrist zur Verbesserung auf ein mangelhaftes Rechtsmittel<br />
dann nicht eingetreten wird, wenn der Rechtsmittelkläger die diesbezügliche Unvollständigkeit bzw. Mangelhaftigkeit<br />
der Rechtsmittelbelehrung erkannt hat oder mit zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen müssen. Aus § 8 GSG mit<br />
dem Marginale "Form der Gesuche" folgt das Erfordernis einer schriftlichen Gesuchsbegründung - wiederum auch<br />
<strong>für</strong> einen Laien - klarerweise.<br />
Es ist zwar nicht zu bezweifeln, dass der Beschwerdeführer ein berufliches Interesse an der Aufhebung des<br />
Rayonverbots hat. Allerdings hat er sich nicht genauer dazu geäussert, inwiefern ihn dieses konkret an der Ausübung<br />
seines Berufs einschränke, sondern es bei einem bloss pauschalen Hinweis darauf bewenden lassen,<br />
weshalb sein Vorbringen als ungenügend substanziiert erscheint.<br />
Der Beschwerdeführer kritisiert ganz allgemein namentlich die Verfügung des Haftrichters, ohne im Einzelnen<br />
darzulegen, inwiefern die ihr zugrunde liegenden Erwägungen bzw. die Verfügung im Ergebnis rechts- bzw.<br />
verfassungswidrig sein soll. Schon mangels hinreichender Begründung ist daher nicht auf die Beschwerde<br />
einzutreten.<br />
Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des Betroffenen tatsächlich hört, sorgfältig und<br />
ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt, was aber nicht bedeutet, dass sich die Behörde ausdrücklich<br />
mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen muss. Die<br />
Begründung muss so abgefasst sein, dass der Betroffene einen Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten<br />
kann.<br />
Dass der Haftrichter die Beschwerdeführerin nicht nochmals mit den einzelnen Vorwürfen ihrer Mutter konfrontierte,<br />
ist nicht zu beanstanden, hatte dies doch bereits die Polizei getan. Zudem wusste die Beschwerdeführerin um<br />
die Vorwürfe der Mutter, auf die sie denn auch in der Anhörung einging. Mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin<br />
in ihrer Einsprache und anlässlich der Anhörung befasste sich der Haftrichter in der Tat nicht sehr einge-<br />
Ausweitung der Schutzmassnahme<br />
durch das<br />
ZMG<br />
Erweiterung des Rayons<br />
VGr, 3. Mai 2010,<br />
VB.2010.00177, E. 3.2.<br />
VGr 1. Okt. 2009,<br />
VB.2009.00460, E. 3.2.<br />
Gerichtsferien<br />
Ab 1. Jan. 2011 richtet sich<br />
die Regelung der Gerichtsferien<br />
nach § 71 VRG i.V.m.<br />
§ 145 f. ZPO: Analog zum<br />
summarischen Verfahren<br />
gibt es im GSG keine Gerichtsferien.<br />
Rechtskraft<br />
VGr, 23. Juni 2010,<br />
VB:2010.00294, E. 2. und<br />
3.2. VB.2009.00545, E. 1.2<br />
Zirkulationsbeschluss<br />
VGr, 28. Dez. 2009,<br />
VB.2009.00705, E 5.<br />
Begründungspflicht der<br />
GSG-Gesuchs § 8 GSG<br />
BGer, 13. Juli 2007,<br />
BGE 1C_89/2007, E. 2.1. f.<br />
Substanziierungspflicht<br />
VGr, 23. Dez. 2009,<br />
VB.2009.00665, E 4.2.<br />
Substanziierungspflicht<br />
BGer, 8. Juni 2010,<br />
BGE 1C_28672010<br />
in diesem Sinne auch<br />
BGer, 13. Juli 2010,<br />
BGE 1C_338/2010<br />
Urteilsbegründung<br />
VGr, 20. Aug. 2009,<br />
VB.2009.00395, E. 2.2. f.<br />
Urteilsbegründung<br />
VGr, 20. Aug. 2009,<br />
VB.2009.00395, E. 2.2. f.<br />
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hend. Dabei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass an die Begründungsdichte der Entscheide des Haftrichters<br />
angesichts der vorgeschriebenen Verfahrensdauer nicht allzu hohe Anforderungen gestellt werden<br />
können. Eine sachgerechte Anfechtung verunmöglichte die Begründung des angefochtenen Entscheids<br />
jedenfalls nicht; dies behauptet auch die Beschwerdeführerin nicht.<br />
2.3 (..) Eine Rückweisung würde denn auch zu einer Verzögerung führen, (..). Von einer Rückweisung der Streitsache<br />
an die Vorinstanz wäre demnach ohnehin selbst bei einer – hier allerdings nicht gegebenen – Gehörsverletzung<br />
abzusehen.<br />
3.4 Nach dem Gesagten stellt der Entscheid der Haftrichterin vom 16. Mai 2012 richtigerweise lediglich eine<br />
vorläufige, mit Einsprache beim Haftrichter anfechtbare Verfügung dar (§ 10 Abs. 2 und § 11 Abs. 1 GSG), weshalb<br />
sich die Rechtsmittelbelehrung des vorinstanzlichen Entscheids, in welcher die Beschwerde an das Verwaltungsgericht<br />
angegeben wurde, als unzutreffend erweist. Demgemäss ist auf die Beschwerde mangels Zuständigkeit<br />
des Verwaltungsgerichts nicht einzutreten. Die Akten sind der Haftrichterin des Bezirksgerichts <strong>Zürich</strong> zur<br />
Behandlung als Einsprache zu überweisen (§ 5 Abs. 2 VRG). Diese wird den Beschwerdeführer anzuhören<br />
haben, bevor sie den Einspracheentscheid fällt (vgl. E. 2.3). Der Klarheit halber ist anzufügen, dass die im Entscheid<br />
der Haftrichterin vom 16. Mai 2012 angeordneten <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen bis zum neuen Entscheid der<br />
Haftrichterin aufrechterhalten bleiben.<br />
4.3 Die Verfügung vom 26. Juli 2012 ist somit wegen ungenügender Anhörung im Sinn von § 9 Abs. 3 GSG<br />
aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beschwerde ist dementsprechend teilweise gutzuheissen.<br />
Eine Rückweisung erweist sich aufgrund der beschränkten Kognition des Verwaltungsgerichts (vgl. § 50<br />
VRG) und angesichts der äusserst kurzen Begründung der vorinstanzlichen Verfügung als unumgänglich (vgl. §<br />
64 Abs. 1 VRG). Die Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin im Einzelnen anzuhören bzw. zu befragen und<br />
anschliessend die Frage der Verlängerung oder Aufhebung der gegen die Beschwerdeführerin angeordneten<br />
<strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen neu zu beurteilen.<br />
Keine Rückweisung an das<br />
ZMG<br />
VGr, 11. Màrz 2013,<br />
VB.2013.00092. E. 2.3<br />
Unkorrekte Rechtsmittelbelehrung,<br />
Überweisung<br />
als Einsprache<br />
VGr 27. Juni 2012<br />
VB.2012.00356<br />
Rückweisung und Aufrechterhaltung<br />
als Vorsorgliche<br />
2 VGr, 27. Aug. 2012<br />
VB.2012.00492<br />
8. Gerichtskosten, Parteientschädigung, Unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung<br />
8.1. Kostenauflage und Parteientschädigung § 12 GSG<br />
Im Gegensatz zur polizeilichen Anordnung der Schutzmassnahmen löst das gerichtliche Verfahren Kosten- und Entschädigungsfolgen<br />
aus. Wird das Gesuch um Aufhebung einer Schutzmassnahme abgewiesen, werden der gesuchstellenden Person die Verfahrenskosten<br />
auferlegt, andernfalls werden sie auf die Gerichtskasse genommen. Im Verlängerungs-, Änderungs- und Aufhebungsverfahren wird<br />
die unterliegende Partei kostenpflichtig. Die Auflage und Höhe der Kosten beträgt zwischen CHF 100 und CHF 600. Zusätzlich können Kosten<br />
einer allfälligen Übersetzung anfallen. Vor Verwaltungsgericht betragen die Kosten inkl. den Gebühren zwischen CHF 800 bis CHF<br />
1‘200.Jede Partei hat die Gegenpartei nach Massgabe ihres Unterliegens <strong>für</strong> Kosten und Umtriebe zu entschädigen. Verordnung über Gerichtsgebühren<br />
(LS 211.11)<br />
Die Gerichtskosten des vorliegenden Verfahrens sind aufgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch<br />
den Haftrichter auf die Gerichtskasse zu nehmen (§ 70 i.V.m. § 13 Abs. 2 VRG).<br />
Die Gerichtskosten sind aufgrund der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung auf die Gerichtskasse zu nehmen<br />
(§ 70 i.V.m. 13 Abs. 2 VRG).<br />
Bei diesem Ausgang des Verfahrens - Unterliegen der Beschwerdeführerin - wären die Gerichtskosten ihr<br />
aufzuerlegen. Unter den vorliegenden Umständen - insbesondere aufgrund der Ungewissheit, ob sie überhaupt<br />
eine Beschwerde erheben wollte - rechtfertigt es sich aber, die Kosten auf die Gerichtskasse zu nehmen.<br />
Da der Haftrichter die polizeilich angeordneten Schutzmassnahmen im Rahmen seines Entscheids verlängerte,<br />
hätte er auf eine Kostenauferlegung an die unterliegende Partei nicht ohne Begründung verzichten dürfen.<br />
Bei dieser Ausgangslage hätte der Haftrichter die Kosten des zweiten Verfahrens zu einem Teil auf die Gerichtskasse<br />
nehmen müssen, da der Beschwerdeführer mit seinem Gesuch zu einem gewissen – wenn auch<br />
nicht sehr hohen – Anteil durchdrang.<br />
Die Nebenfolgenregelung des vorinstanzlichen Entscheids wird bei Gegenstandslosigkeit vor Verwaltungsgericht<br />
nach Ermessen und im Sinne der Billigkeit überprüft. Neu festzusetzen sind die Nebenfolgen nur dann,<br />
wenn sich ihre Regelung ohne Weiteres als unzutreffend herausstellt. Dabei fordert die Prozessökonomie<br />
grundsätzlich, auf die eingehende Behandlung hypothetisch gewordener Fragen zu verzichten. Wenn die<br />
Vorinstanz Kosten und Parteientschädigungen nach dem Unterliegensprinzip verteilt hat, so ist ihre Regelung<br />
der Nebenfolgen dann fehlerhaft, wenn der betreffende Entscheid im Ergebnis nicht haltbar ist. Entsprechend<br />
nimmt das Verwaltungsgericht in solchen Fällen, wenn ein materieller Entscheid angefochten worden ist, eine<br />
summarische Prüfung des angefochtenen Entscheids in der Hauptsache vor.<br />
Anlass zum bundesgerichtlichen Verfahren und dem damit insbesondere <strong>für</strong> die Parteien verbundenen Aufwand<br />
hat die Vorinstanz gegeben. Dem Kanton werden keine Kosten auferlegt (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dagegen<br />
rechtfertigt es sich, ihn in Anwendung von Art. 68 Abs. 4 i.V.m. Art. 66 Abs. 3 BGG zur Bezahlung einer Entschädigung<br />
an den Vertreter der Beschwerdeführerin, sowie an die Vertreterin des Beschwerdegegners zu<br />
Kostenauflage<br />
VGr, 25. März 2010,<br />
VB.2010.0010,9 E. 4.<br />
VGr, 11. Dez. 2009,<br />
VB.2009.00642, E. 3.2.<br />
VGr, 7. Okt. 2009,<br />
VB.2009.00545, E. 3.<br />
VGr, 17. Juni 2010,<br />
VB.2010.00265, E. 6.2.<br />
VGr, 25. Aug. 2010,<br />
VB.2010.00394, Erw. 5.3.<br />
Überprüfung der Kostenregelung<br />
der Vorinstanz durch das<br />
VGr.<br />
VGr, 20. Aug. 2009,<br />
VB.2009.00159, E. 1.2.<br />
Parteientschädigung<br />
BGer, 16. Jan. 2009,<br />
BGE 1C_272/2008, E. 2.2.<br />
Die Vorinstanz sprach der<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 15
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />
verpflichten. Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung <strong>für</strong> das bundesgerichtliche<br />
Verfahren sind damit gegenstandslos.<br />
Mangels eines Antrages auf Prozessentschädigung, ist dem Beschwerdegegner trotz Obsiegens keine Prozessentschädigung<br />
zuzusprechen (§ 17 Abs. 2 VRG).<br />
Beschwerdeführerin keine<br />
Prozessentschädigung zu und<br />
befand nicht über deren Antrag<br />
um Bestellung eines unentgeltlichen<br />
Rechtsvertreters.<br />
VGr, 11. März 2010,<br />
VB.2010.00066, E 5.2.<br />
8.2. Unentgeltliche Rechtspflege, unentgeltlicher Rechtsbeistand § 16 VRG<br />
Die Notwendigkeit der Rechtsverbeiständung ist zu bejahen, wenn die Interessen des Gesuchstellers in<br />
schwerwiegender Weise betroffen sind und das Verfahren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten<br />
bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erfordern. Neben dem Schwierigkeitsgrad der sich<br />
stellenden Rechts- und Sachverhaltsfragen sind auch in der Person des Betroffenen liegende Gründe<br />
zu berücksichtigen - etwa die Fähigkeit, sich im Verfahren zurechtzufinden, der Gesundheitszustand<br />
des Gesuchstellers und die Bedeutung der Angelegenheit <strong>für</strong> diesen. Im Allgemeinen ist eine Verbeiständung<br />
grundsätzlich geboten, wenn das infrage stehende Verfahren besonders stark in die<br />
Rechtsstellung des Gesuchstellers eingreift.<br />
Angesichts des schwerwiegenden Eingriffs der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen in das Privatleben des Beschwerdeführers,<br />
seines Aufenthalts in der psychiatrischen Klinik wegen der starken psychischen Belastung und der<br />
nicht ganz einfachen Rechtsfragen ist die Notwendigkeit der Rechtsverbeiständung vorliegend zu bejahen.<br />
Von der Mittellosigkeit ist aufgrund der eingereichten Mietzinsmahnungen und da er seit vielen Jahren kein<br />
Einkommen erzielt und als Hausmann tätig war, auszugehen.<br />
6.2.1. (..) Als aussichtslos sind Begehren anzusehen, bei denen die Aussicht auf Gutheissung um derart viel<br />
kleiner als jene auf Abweisung erscheint, dass sie deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können.<br />
Massgebend ist, ob ein Selbstzahler, der über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung und<br />
Abwägung der Aussichten zu einem Verfahren entschliessen würde oder davon Abstand nähme. Der Private<br />
soll ein Verfahren, das er auf eigene Rechnung und Gefahr führen würde, nicht deshalb anstrengen können,<br />
weil es ihn nichts kostet. Dagegen gilt ein Begehren als aussichtsreich, wenn sich die Aussichten auf Gutheissung<br />
oder Abweisung ungefähr die Waage halten oder nur geringfügig differieren (..)<br />
Im vorliegenden Fall konnte den Begehren des Ehemanns indessen zum vornherein kein Erfolg beschieden<br />
sein, denn aufgrund des gegebenen Gefährdungspotenzials sowie des Deeskalationsbedürfnisses kam eine<br />
sofortige ersatzlose Aufhebung der angeordneten Schutzmassnahmen offensichtlich nicht infrage. Somit ist das<br />
Gesuch des Ehemanns um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsvertretung abzuweisen.<br />
Mittellos im Sinne von § 16 VRG ist, wer die erforderlichen Vertretungskosten lediglich bezahlen kann,<br />
wenn er jene Mittel heranzieht, die er <strong>für</strong> die Deckung des Grundbedarfs <strong>für</strong> sich und seine Familie<br />
benötigt. Die Bedürftigkeit ist aufgrund der gesamten Verhältnisse, namentlich der Einkommenssituation, der<br />
Vermögensverhältnisse und allenfalls der Kreditwürdigkeit zu beurteilen.<br />
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdeführerin und die Kinder zu unterstützen. Bei der Beurteilung der<br />
Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin sind deshalb die Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers<br />
mit zuberücksichtigen. Daneben erzielt die Beschwerdeführerin selber ein Einkommen. Schliesslich<br />
schweigt sie sich darüber aus, ob es ihr möglich wäre, finanzielle Leistungen von Dritten (so etwa vom Beschwerdeführer<br />
oder ihren Eltern) zusätzlich erhältlich zu machen. Sie hat demnach – wie der Beschwerdeführer<br />
– nicht als mittellos zu gelten, weshalb sich eine nähere Prüfung ihrer zudem nicht deklarierten Einkommens-<br />
und Vermögensverhältnisse erübrigt.<br />
Die Mittellosigkeit ist durch die eingereichten Unterlagen der Beschwerdegegnerin ausgewiesen. Ihr Begehren<br />
ist zudem nicht aussichtslos. Hingegen war die Rechtsvertretung nicht notwendig: Die Beschwerdegegnerin<br />
hatte bereits vor der Polizei und dem Haftrichter ohne Rechtsvertretung ausgesagt, und es stellten sich keine<br />
rechtlich besonders schwierigen Fragen. Strittig war lediglich, ob die Wegweisung und das Rayonverbot <strong>für</strong><br />
zwei bzw. drei Tage aufgehoben werden solle, mithin eine einfache Frage. Das Begehren um unentgeltliche<br />
Rechtsvertretung ist demnach abzuweisen.<br />
Aufgrund der Steuerrechnung der Beschwerdeführerin (Tochter) ist von deren Mittellosigkeit auszugehen. Die<br />
vorliegende Beschwerde kann zudem nicht als aussichtslos bezeichnet werden. Angesichts ihrer psychischen<br />
Situation, aber auch aufgrund einer <strong>für</strong> ein Verfahren nach <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz eher ungewöhnlichen Konstellation<br />
mit einer Elternteil-Kind-Beziehung war die Beschwerdeführerin schliesslich kaum in der Lage, ihre<br />
Rechte selber zu wahren. Entsprechend ist ihr die unentgeltliche Rechtsvertretung zu gewähren und <strong>für</strong> das<br />
Beschwerdeverfahren in der Person ihres derzeitigen Vertreters ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen.<br />
Vor der Vorinstanz wurde die unentgeltliche Rechtsvertretung mit Hinweis auf die Aussichtslosigkeit des<br />
Standpunkts der Beschwerdeführerin abgelehnt, was sich nunmehr als unzutreffend erweist.<br />
Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Prozessführung ist als gegenstandslos geworden<br />
abzuschreiben, da die Verfahrenskosten dem Beschwerdeführer auferlegt wurden. Da die vorliegende Beschwerde<br />
abzuweisen ist, waren die Begehren der Beschwerdegegnerin nicht offensichtlich aussichtslos. Der<br />
Voraussetzung <strong>für</strong> URB<br />
VGr, 25. März 2010,<br />
VB.2010.00109, E. 4.<br />
Vgl. auch VB.2010.00177<br />
Aussichtslosigkeit<br />
VGr, 18. Juli 2013,<br />
VB.2013.00458, E. 6.2.1<br />
VGr, 11. März 2010,<br />
VB.2010.00066, E 5.2.<br />
VGr, 3. Dez. 2009,<br />
VB.2009.00640/VB.2009.00646,<br />
E.6.<br />
Mittellosigkeit<br />
VGr 1. Okt. 2009,<br />
VB.2009.00460, E. 4.<br />
VGr, 23. Sep. 2009,<br />
VB.2009.00461, E. 6.<br />
Nettoeinkommen Beschwerdeführer:<br />
ca. Fr. 6'700.- (inkl.<br />
Kinderzulagen),<br />
Beschwerdeführerin: Fr. 2'300.-<br />
Unentgeltliche Rechtsvertretung,<br />
Notwendigkeit<br />
VGr, 25. Aug. 2010,<br />
VB.2010.00394, E. 6.4.<br />
VGr, 20. Aug. 2009,<br />
VB.2009.00395, E. 6.<br />
Die 77-jährige Mutter liess<br />
gegen die im gleichen Haushalt<br />
wohnende Tochter <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />
anordnen.<br />
VGr, 5. Nov. 2009,<br />
VB.2009.00514, E. 6.4 f.<br />
Beschwerdegegnerin: Nettoein-<br />
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />
Entscheid über die Geltung eines dreimonatigen Rayon- und Kontaktverbots war <strong>für</strong> die Beschwerdegegnerin<br />
nicht von bloss unwesentlicher Bedeutung; es stellten sich Rechts- und Sachverhaltsfragen von einer gewissen<br />
Komplexität; die Beschwerdegegnerin befand sich aufgrund des Verfahrens in einer emotional belastenden<br />
Situation; die Gegenpartei war anwaltlich vertreten. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen,<br />
dass <strong>für</strong> die rechtsunkundige Beschwerdegegnerin eine sachliche Notwendigkeit bestand, ihre Rechte über<br />
einen anwaltlichen Vertreter zu wahren.<br />
Das Begehren des Beschwerdeführers kann nicht als aussichtslos bezeichnet werden. Zudem war die Rechtsvertretung<br />
notwendig, da das vollständige Kontaktverbot des Beschwerdeführers zu seinem Sohn einen schweren<br />
staatlichen Eingriff in das verfassungsmässig geschützte Recht auf Familienleben darstellt und der Beschwerdeführer<br />
nur gebrochen Deutsch spricht.<br />
Aufgrund der Akten ist mit dem Haftrichter davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin nicht über die<br />
erforderlichen Mittel verfügt, um einen Prozess zu führen. Ausserdem war ihr Antrag auf Abweisung der Beschwerde<br />
keineswegs aussichtslos. Zu berücksichtigen ist schliesslich, dass sich die Beschwerdegegnerin aus<br />
nachvollziehbaren Gründen an einen geheimen Aufenthaltsort begeben hat, um eine be<strong>für</strong>chtete Kontaktaufnahme<br />
des Beschwerdeführers zu verhindern; sie war demnach dazu gezwungen, sich im Verfahren<br />
vertreten zu lassen. Aufgrund dieser besonderen Umstände ist nicht zu beanstanden, wenn sich die<br />
rechtsunkundige Beschwerdegegnerin anwaltlich vertreten liess. Das Gesuch um Bestellung einer unentgeltlichen<br />
Rechtsvertreterin ist somit gutzuheissen.<br />
Die Prozesschancen zur Beurteilung, ob ein Begehren aussichtslos war, sind in einer vorläufigen und<br />
summarischen Prüfung des Prozessstoffes abzuschätzen. Ob ein Begehren aussichtslos erscheint,<br />
beurteilt sich aufgrund der Verhältnisse im Zeitpunkt des Gesuchs.<br />
Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat die bedürftige Partei, deren Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint, Anspruch<br />
auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand, soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist. Gilt in<br />
einem Verfahren die Untersuchungsmaxime, so lässt dies die anwaltliche Vertretung nicht ohne Weiteres<br />
als unnötig erscheinen. Abgesehen davon, dass die Untersuchungsmaxime allfällige Fehlleistungen der<br />
Behörde nicht zu verhindern vermag, ist zu bedenken, dass sie nicht unbegrenzt ist. Sie verpflichtet die<br />
Behörde zwar, von sich aus alle Elemente in Betracht zu ziehen, die entscheidwesentlich sind, und<br />
unabhängig von den Anträgen der Parteien Beweise zu erheben. Diese Pflicht entbindet die Beteiligten<br />
indessen nicht davon, durch Hinweise zum Sachverhalt oder Bezeichnung von Beweisen am Verfahren<br />
mitzuwirken. Somit kann auch in Verfahren wie dem vorliegenden, die vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht<br />
sind, eine anwaltliche Vertretung erforderlich sein.<br />
Der Entscheid über die Verlängerung, Änderung oder Aufhebung dieser Schutzmassnahmen war <strong>für</strong> den<br />
Beschwerdeführer von grosser Tragweite. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs und die Möglichkeit der<br />
Wiedererwägung warfen zudem Rechtsfragen auf, denen der Beschwerdeführer als juristischer Laie nicht<br />
gewachsen war. Dem Hinweis der Vorinstanz, die geltend gemachten sprachlichen Schwierigkeiten könnten<br />
durch einen gerichtlich bestellten Dolmetscher behoben werden, kann nicht gefolgt werden. Ein Dolmetscher<br />
vermag einen Rechtsbeistand, der juristisch ausgebildet ist und auch im Vorfeld des Verfahrens unterstützend<br />
tätig wird, nicht zu ersetzen.<br />
Die Beschwerdeführerin macht eine formelle Rechtsverweigerung geltend. Eine solche liegt vor, wenn eine<br />
Behörde auf eine ihr frist- und formgerecht unterbreitete Sache nicht eintritt, obschon sie darüber entscheiden<br />
müsste.<br />
Die Vorinstanz hätte Anlass dazu gehabt, über den Antrag um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters<br />
zu befinden, nachdem sie zum Schluss gekommen war, der Beschwerdegegner könne nicht zur Zahlung<br />
einer Prozessentschädigung an die Beschwerdeführerin verpflichtet werden und <strong>für</strong> eine Entschädigung aus<br />
der Staatskasse nach § 12 GSG die gesetzliche Grundlage fehle. Indem die Vorinstanz das Gesuch der<br />
Beschwerdeführerin um Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes mitsamt ihrem Antrag um<br />
Einräumung einer Nachfrist zur allenfalls erforderlichen Einreichung von Unterlagen zu den finanziellen<br />
Verhältnissen nicht behandelt hat, hat sie eine formelle Rechtsverweigerung begangen und damit Art.<br />
29 BV verletzt.<br />
kommen: durchschnittlich rund<br />
Fr. 3'000.- pro Monat; ausgewiesenen<br />
monatlichen Fixkosten<br />
bei Fr. 2'285.25<br />
VGr, 1. Nov. 2010,<br />
VB.2010.00561, E. 6.2.2.<br />
VGr, 30. April 2009,<br />
VB.2009.00175, E. 7.<br />
Nach Eskalation eines Streites<br />
zog die Ehefrau und der 7-<br />
jährige Sohn aus und begaben<br />
sich an einen geheim gehaltenen<br />
Aufenthaltsort.<br />
BGer, 24. Sep. 2009,<br />
BGE 1C_339/2008, E. 2.1.<br />
Zeitpunkt der Beurteilung der<br />
Aussichtslosigkeit<br />
Untersuchungsmaxime und<br />
Notwendigkeit eines Rechtsbeistandes<br />
BGer, 16. Jan. 2009, BGE<br />
1C_272/2008, E. 2.2.<br />
Formelle Rechtsverweigerung<br />
Abkürzungen<br />
ABl<br />
Amtsblatt des Kantons <strong>Zürich</strong><br />
BGE in der amtlichen Sammlung publizierter Bundesgerichtsentscheid<br />
BGG Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz,), SR 173.110<br />
BGer Bundesgericht<br />
BV Bundesverfassung vom 18. April 1999, SR 101<br />
EMRK Konvention vom 4. Nov. 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, SR 0.101<br />
GSG <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz vom 19. Juni 2006, LS 351<br />
KESB Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde<br />
VGr Verwaltungsgericht des Kantons <strong>Zürich</strong><br />
VRG Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons <strong>Zürich</strong> vom 24. Mai 1959, LS: 175.2<br />
ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch, SR 210<br />
ZMG Zwangsmassnahmengericht<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 17
Kanton <strong>Zürich</strong><br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
Kapitel 9<br />
Kurzfassung<br />
Nützliche Informationen<br />
zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>
Kapitel 9: Serviceteil, Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Inhaltsverzeichnis, November 2013<br />
Inhaltsverzeichnis Kapitel 9<br />
Serviceteil, Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
900 Serviceteil <br />
901 • Wichtige Zürcher Adressen November 2013<br />
902 • Weiterführende Links September 2011<br />
903 • Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme November 2013<br />
904 • Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen November 2013<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
Kapitel 9: Serviceteil, Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Wichtige Zürcher Adressen, November 2013<br />
901 Wichtige Zürcher Adressen<br />
<strong>Gewalt</strong>schutz (Kapitel 2 und 5)<br />
Polizeinotruf 117<br />
<strong>Kantonspolizei</strong> <strong>Zürich</strong><br />
Fachstelle <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
Stadtpolizei <strong>Zürich</strong><br />
Fachstelle <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
Fachgruppe <strong>Gewalt</strong>delikte<br />
Stadtpolizei Winterthur<br />
Fachstelle <strong>Gewalt</strong><br />
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden<br />
Anrufe aus der Stadt <strong>Zürich</strong> werden mit der<br />
Notrufzentrale der Stadtpolizei <strong>Zürich</strong> verbunden.<br />
Anrufe aus dem Kanton werden mit der Notrufzentrale<br />
der KAPO verbunden.<br />
Anrufe aus der Stadt Winterthur werden mit<br />
der Notrufzentrale der Stadtpolizei Winterthur<br />
verbunden.<br />
Eine Gefährdungsmeldung kann durch die<br />
betreffende Person selbst oder durch<br />
Angehörige, Nachbarn, Polizei oder von<br />
anderen Personen bei der zuständigen KESB<br />
im jeweiligen Bezirk eingereicht werden.<br />
117<br />
Postfach, 8021 <strong>Zürich</strong><br />
Fachstellenleiter Heinz Mora<br />
Tel: 044 247 30 61 (Bürozeiten)<br />
Fax: 044 247 21 45 ( täglich)<br />
E-Mail: fachstelle.hg@kapo.zh.ch<br />
Zeughausstrasse 31, 8004 <strong>Zürich</strong><br />
Fachstellenleiter Armin Schönenberger<br />
Tel: 044 411 64 12 (Bürozeiten)<br />
Fax: 044 291 51 36 (täglich)<br />
E-Mail: fachstelle.hg@stp.stzh.ch<br />
Postfach 126, 8402 Winterthur<br />
Fachstellenleiterin Frau Corinne Greuter<br />
Tel: 052 267 64 69 (Bürozeiten)<br />
Handy: 079 201 53 05<br />
Fax: 052 267 65 27<br />
E-Mail: fachstelle.hg@win.ch<br />
www.kesb-zh.ch<br />
Beratungshilfe (Opferhilfe- und <strong>Gewalt</strong>schutzberatungen)<br />
bif Beratungs- und<br />
Informationsstelle<br />
Stadt <strong>Zürich</strong>, Bezirke Dielsdorf,<br />
Horgen, Meilen, Uster <strong>für</strong><br />
<strong>Gewalt</strong>schutzfragen<br />
Frauenberatung sexuelle gewalt<br />
Bezirke Affoltern und Dietikon <strong>für</strong><br />
<strong>Gewalt</strong>schutzfragen.<br />
Für Frauen, die von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> betroffen<br />
sind, die physische und/oder psychische<br />
<strong>Gewalt</strong> während oder nach Auflösung der<br />
Ehe/Partnerschaft oder eingetragenen Partnerschaft<br />
erfahren.<br />
Für Frauen, die von sexueller <strong>Gewalt</strong> betroffen<br />
sind, mit Wohnsitz in der Stadt <strong>Zürich</strong>, den<br />
Bezirken Affoltern, Dielsdorf, Dietikon, Horgen,<br />
Meilen oder Uster<br />
Tel. 044 278 99 99<br />
www.bif-frauenberatung.ch<br />
Tel. 044 291 46 46<br />
www.frauenberatung.ch<br />
Frauen Nottelefon Winterthur<br />
Bezirke Andelfingen, Bülach,<br />
Hinwil, Pfäffikon, Winterthur <strong>für</strong><br />
<strong>Gewalt</strong>schutzfragen<br />
Für <strong>Gewalt</strong> betroffene Frauen und weibliche<br />
Jugendliche ab 14 Jahren (physische, psychische<br />
und sexuelle <strong>Gewalt</strong>), unabhängig von<br />
der Art der Beziehung zum Täter oder zur<br />
Täterin.<br />
Für Frauen, die von sexueller <strong>Gewalt</strong> betroffen<br />
sind, mit Wohnsitz in den Bezirken<br />
Andelfingen, Bülach, Hinwil, Pfäffikon,<br />
Winterthur<br />
Tel. 052 213 61 61<br />
www.frauennottelefon.ch<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 901 / 1
Kapitel 9: Serviceteil, Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Wichtige Zürcher Adressen, November 2013<br />
opferberatung zürich<br />
Fachstelle der Stiftung Opferhilfe<br />
<strong>Zürich</strong><br />
mannebüro züri Beratungs- und<br />
Informationsstelle<br />
Für Frauen und weibliche Jugendliche, die<br />
nicht von Partnergewalt, aber von <strong>Häusliche</strong>r<br />
<strong>Gewalt</strong> durch andere Familienmitglieder oder<br />
Verwandte betroffen sind (nicht primär sexuelle<br />
<strong>Gewalt</strong>), mit Wohnsitz in der Stadt <strong>Zürich</strong>, den<br />
Bezirken Affoltern, Dielsdorf, Dietikon, Horgen,<br />
Meilen und Uster.<br />
Für Männer und männliche Jugendliche, die<br />
von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch die Partnerin/den<br />
Partner oder durch andere Familienmitglieder<br />
betroffen sind, mit Wohnsitz im ganzen<br />
Kanton.<br />
<strong>für</strong> gefährdende Männer und Jugendliche.<br />
Seit September 2010 Beratungen in<br />
Winterthur, (jeweils Dienstag-Nachmittag/<br />
Abend möglich).<br />
Tel. 044 299 40 50<br />
www.ohzh.ch<br />
Hohlstrasse 36, 8004 <strong>Zürich</strong><br />
Tel. 044 242 08 88<br />
E-Mail: info@mannebuero.ch<br />
www.mannebuero.ch<br />
Bewährungs- und Vollzugsdienste <strong>für</strong> gefährdende Frauen. Tel. 043 259 83 11<br />
E-Mail: gsg.frauen@ji.zh.ch<br />
www.justizvollzug.zh.ch<br />
Beratungshilfe (Opferschutzstellen)<br />
Okey, Fachstelle <strong>für</strong> Opferhilfe<br />
und Kinderschutz<br />
Kinderschutzgruppe und<br />
Opferberatungsstelle des<br />
Kinderspitals <strong>Zürich</strong><br />
Castagna<br />
Beratungsstelle <strong>für</strong> sexuell ausgebeutete<br />
Kinder, weibliche Jugendliche und in der<br />
Kindheit ausgebeutete Frauen.<br />
Jugendsekretariat Winterthur<br />
Tel. 052 266 90 09<br />
Pikett-Telefon: 079 780 50 50 Kinderklinik<br />
Kantonsspital Winterthur<br />
Tel. 052 266 41 56<br />
www.okey-winterthur.ch<br />
Tel. 044 266 76 46,<br />
www.kinderschutzgruppe.ch<br />
Tel. 044 360 90 40<br />
www.castagna-zh.ch<br />
Mädchenhaus <strong>Zürich</strong> Tel. 044 341 49 45<br />
E-Mail: info@maedchenhaus.ch<br />
www.maedchenhaus.ch<br />
schlupfhuus <strong>Zürich</strong> Tel. 043 268 22 68<br />
(auch Sorgentelefon <strong>für</strong> Kinder)<br />
Beratung Tel. 043 266 22 66<br />
E-Mail: info@schlupfhuus.ch<br />
www.schlupfhuus.ch<br />
Allgemeine Beratungsstellen<br />
Beratungsnotrufnummer <strong>für</strong><br />
Erwachsene<br />
Beratungsnotrufnummer <strong>für</strong> Kinder<br />
und Jugendliche<br />
Tel. 143<br />
www.143.ch<br />
sowie gratis SMS-Beratung. Tel. 147<br />
www.147.ch<br />
FIZ Fraueninformationszentrum<br />
Infodona<br />
<strong>für</strong> Frauen aus Afrika, Asien, Lateinamerika<br />
und Osteuropa.<br />
Beratungsstelle <strong>für</strong> Migrantinnen und<br />
Migranten, die in der Stadt <strong>Zürich</strong> wohnen.<br />
Badenerstrasse 134<br />
Tel. 044 240 44 22<br />
www.fiz-info.ch<br />
Langstrasse 21<br />
Tel. 044 271 35 00<br />
www.stadt-zuerich.ch/infodona<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 901 / 2
Kapitel 9: Serviceteil, Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Wichtige Zürcher Adressen, November 2013<br />
Beratungsstelle Frauenhaus<br />
Zürcher Oberland<br />
Beratungen auch per Mail. Tel. 044 994 40 94<br />
www.frauenhaus-zo.ch<br />
E-Mail: info@frauenhaus-zo.ch<br />
Pinocchio<br />
Elternnotruf<br />
Beratungsstelle <strong>für</strong> Eltern und Kinder im<br />
Vorschulalter (und Eltern).<br />
Telefonische Elternberatung.<br />
Ambulante Beratungsmöglichkeit ist kostenpflichtig.<br />
Hallwylstrasse 29, 8004 <strong>Zürich</strong><br />
Tel. 044 242 75 33<br />
E-Mail: info@pinocchio-zh.ch<br />
www.pinocchio-zh.ch<br />
Weinbergstrasse 135, 8006 <strong>Zürich</strong><br />
Tel. 044 261 88 66<br />
E-Mail: 24h@elternnotruf.ch<br />
www.elternnotruf.ch<br />
Frauenhaus <strong>Zürich</strong> <strong>für</strong> Frauen Tel. 044 350 04 04<br />
www.frauenhaus-zhv.ch<br />
Frauenhaus Winterthur Tel. 052 213 08 78<br />
www.frauenhaus-winterthur.ch<br />
Frauenhaus <strong>Zürich</strong> Oberland Tel. 044 994 40 94<br />
www.frauenhaus-zo.ch<br />
Projekt KidsPunkt Winterthur<br />
Projekt KidsCare <strong>Zürich</strong><br />
c/o Pinocchio <strong>Zürich</strong><br />
Zürcher Fachstelle <strong>für</strong><br />
Alkoholprobleme ZfA<br />
Sucht Info Schweiz<br />
Beratungsstelle <strong>für</strong> Stadt und Landgemeinden<br />
des Bezirks Winterthur.<br />
Beratungsstelle <strong>für</strong> die Stadt <strong>Zürich</strong><br />
(Stadtkreise 6,11,12 und Bezirk Horgen).<br />
Die Zürcher Fachstelle berät, behandelt und<br />
begleitet Menschen mit risikoreichem Alkoholund<br />
Medikamentenkonsum. Diverse Kursangebote.<br />
Tel. 052 266 90 48<br />
Mobile 079 780 50 00 oder SMS<br />
Tel. 044 240 41 08<br />
E-Mail: kidscare@pinocchio-zh.ch<br />
Josefstrasse 91, 8005 <strong>Zürich</strong><br />
Tel. 043 444 77 00<br />
www.zfa.ch<br />
Gerichte, Staatsanwaltschaft, Statthalter, Betreibungsämter (Kapitel 3 - 5)<br />
Bezirksgerichte des Kantons<br />
<strong>Zürich</strong><br />
Friedensrichterämter<br />
Zürcher Obergericht<br />
Bezirke, Bezirksrat<br />
Oberstaatsanwaltschaft <strong>Zürich</strong><br />
Gesamtverzeichnis aller Zürcher Bezirksgerichte.<br />
Angabe der Öffnungszeiten <strong>für</strong> Beratungen.<br />
Gesamtverzeichnis aller FriedensrichterInnen<br />
im Kanton <strong>Zürich</strong>. Notwendig <strong>für</strong> die Einleitung<br />
selbständiger privatrechtlicher Schutzmassnahmen<br />
und <strong>für</strong> ordentliche Zivilprozesse.<br />
Adressen aller Bezirksräte.<br />
Der Bezirksrat ist u.a. zuständig <strong>für</strong> Beschwerden<br />
gegen die Vormundschaftsbehörden.<br />
www.gerichte-zh.ch<br />
www.friedensrichter-zh.ch<br />
Hirschengraben 13/15, 8001 <strong>Zürich</strong><br />
Tel. 044 257 91 91<br />
www.gerichte-zh.ch/organisation<br />
www.bezirke.zh.ch<br />
Florhofgasse 2, Postfach, 8090 <strong>Zürich</strong><br />
Tel. 044 265 77 11<br />
Fax 044 252 40 95<br />
E-Mail: kanzlei.osta@ji.zh.ch<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 901 / 3
Kapitel 9: Serviceteil, Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Wichtige Zürcher Adressen, November 2013<br />
Staatsanwaltschaften <strong>Zürich</strong><br />
Statthalter<br />
Stadtrichteramt <strong>Zürich</strong><br />
Polizeirichteramt Winterthur<br />
Zentrale Inkassostelle der<br />
Zürcher Gerichte<br />
Betreibungsamt<br />
Waffenhinterlegung<br />
Logistikbasis der Armee<br />
Örtlich nach Amtskreisen eingeteilte<br />
Staatsanwaltschaften, die alle Geschäfte der<br />
Strafverfolgung Erwachsene bearbeiten, die<br />
nicht in die Zuständigkeit der besonderen<br />
Staatsanwaltschaften fallen.<br />
Der Statthalter des Bezirks ist zuständig <strong>für</strong> die<br />
Durchführung der ordentlichen Strafverfahren<br />
bei Übertretungen, welche in seinem Gebiet<br />
begangen wurden. Der Statthalter ist auch<br />
zuständig <strong>für</strong> den Entzug ziviler Waffen, wenn<br />
z.B. eine Dritt- oder Selbstgefährdung vorliegt.<br />
Das Stadtrichteramt hat auf dem Gebiet der<br />
Stadt <strong>Zürich</strong> dieselbe Funktion wie der<br />
Statthalter im Bezirks..<br />
Der Winterthurer Polizeirichter hat dieselbe<br />
Funktion wie der Bezirksstatthalter<br />
Ist zuständig <strong>für</strong> das Inkasso sämtlicher<br />
Prozesskosten und weiterer Gebühren, die<br />
durch einen Prozess entstehen.<br />
Sie verschicken Rechnungen, Mahnungen und<br />
auch Rückforderungen bei unentgeltlicher<br />
Rechtspflege bzw. Verbeiständung. Auf<br />
Rechnungen und Mahnungen muss reagiert<br />
werden, wenn Ratenzahlungen oder weitere<br />
Stundungen ausgewiesenermassen notwendig<br />
sind.<br />
Adressen der Betreibungsämter. Sie sind auf<br />
der Website des Betreibungsinspektorates<br />
auffindbar, indem die Postleitzahl des<br />
entsprechenden Ortes eingegeben werden<br />
kann.<br />
Angehörige der Armee können seit dem<br />
1. Januar 2010 ihre persönliche Waffe ohne<br />
Angabe von Gründen kostenlos bei einer<br />
Retablierungsstelle (Zeughaus) hinterlegen.<br />
Winterthur-Unterland<br />
See-Oberland<br />
Limmattal-Albis<br />
<strong>Zürich</strong>-Limmat<br />
<strong>Zürich</strong>-Sihl<br />
www.bezirke.zh.ch<br />
Gotthardstrasse 62, 8002 <strong>Zürich</strong><br />
Tel. 044 411 99 99<br />
Öffnungszeiten: Mo - Fr 08.00 - 16.00 Uhr<br />
Technikumstrasse 73, Postfach,<br />
8402 Winterthur<br />
Tel.: 052 267 50 93<br />
Keine Homepage<br />
Thurgauerstrasse 56<br />
8050 <strong>Zürich</strong>-Oerlikon<br />
Telefon: 044 257 92 39<br />
www.betreibungsinspektorat-zh.ch<br />
Zeughaus <strong>Zürich</strong>, Retablierungsstelle<br />
LBA, Uetlibergstrasse 113, 8045 <strong>Zürich</strong><br />
Tel. 044 465 41 11<br />
Fax 044 451 12 90<br />
Öffnungszeiten: 07:30 bis 16:30 Uhr<br />
www.lba.admin.ch<br />
Logistik-Center Hinwil Zeughaus <strong>Zürich</strong> Oberland Retablierungsstelle, Überlandstrasse 17,<br />
Halle B/Trakt 1, 8340 Hinwil<br />
Tel: 044 938 35 06<br />
Fax: 044 938 35 81<br />
Öffnungszeiten: 07:30 bis 11:45 und<br />
13:30 bis 17:00 Uhr<br />
Amt <strong>für</strong> Militär und Zivilschutz<br />
Uetlibergstrasse 113, 8045 <strong>Zürich</strong><br />
Tel. 043 268 62 99<br />
www.amz.zh.ch<br />
Führungsstab der Armee FST A Zuständig <strong>für</strong> definitiven Armeewaffenentzug. Papiermühlestrasse 20, 3003 Bern<br />
Tel. 031 324 44 21 Auskunft Sekretariat<br />
E-Mail: info@fsta.vtg.admin.ch<br />
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Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Links zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, September 2011 (Kurzfassung <strong>für</strong> Kapitel 1 und 2)<br />
902 Weiterführende Links zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
Links Allgemein (Kapitel 1)<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Kanton <strong>Zürich</strong><br />
Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong> FGG<br />
Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung der Stadt <strong>Zürich</strong><br />
Kantonale Interventionsstellen der Schweiz<br />
KIFS<br />
AGAVA<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons<br />
<strong>Zürich</strong>. Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
<strong>für</strong> Betroffene (mit Übersetzungen in mehrere<br />
Sprachen), <strong>Manual</strong> <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong>, Weiterbildungshinweise.<br />
Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong> des Eidgenössischen<br />
Büro <strong>für</strong> die Gleichstellung von Mann und Frau.<br />
Informationsblätter zu verschiedenen Aspekten<br />
<strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> und Stalking (mit Übersetzungen).<br />
Mit Toolbox zu Publikationen und Flyers<br />
zum Thema.<br />
Interessante Hinweise zu Gleichstellung und<br />
<strong>Gewalt</strong>. Hinweise auf Veranstaltungen und Publikationen.<br />
Themen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in der<br />
Stadt <strong>Zürich</strong>.<br />
Adressliste der Schweizer Interventionsstelle<br />
AGAVA Arbeitsgemeinschaft gegen Ausnützung<br />
von Abhängigkeitsverhältnissen:<br />
Weiterbildungsveranstaltungen.<br />
www.ist.zh.ch<br />
www.against-violence.ch<br />
www.ebg.admin.ch<br />
www.stadtzuerich.ch/gleichstellung<br />
www.ebg.admin.ch<br />
www.agava.ch<br />
Elternnotruf Hilfe <strong>für</strong> Eltern. www.elternnotruf.ch<br />
Stopp <strong>Gewalt</strong><br />
Fachstelle <strong>für</strong> Integrationsfragen<br />
Rechtsfragen <strong>für</strong> Behinderte<br />
Stalking<br />
Unabhängige Beschwerdestelle <strong>für</strong> das Alter<br />
in <strong>Zürich</strong><br />
Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong> Sozialberatung und<br />
Psychotherapie AGSP<br />
Opferhilfestatistik<br />
Eidgenössische Polizeistatistik<br />
BigBerlin<br />
Informationen <strong>für</strong> Schulen und Eltern der Bildungsdirektion<br />
des Kantons <strong>Zürich</strong>.<br />
Informationen zur Migration, ausführliche Linkliste<br />
zu Beratungsstellen.<br />
Rechtsberatung <strong>für</strong> Behinderte, unentgeltliche<br />
Beratung.<br />
Forschungsprojekt zu Stalking, Universität Darmstadt.<br />
Beratung und Unterstützung zu Fragen der <strong>Gewalt</strong><br />
bei Betagten<br />
Das FORUM ist die Internetzeitschrift des AGSP,<br />
mit Artikeln, Forschungsresultaten, Neuigkeiten<br />
etc. zu unterschiedlichen Fragen des Kindesschutzes.<br />
Bundesamt <strong>für</strong> Statistik. Verschiedene Statistiken<br />
zu Opfer von Straftaten, Beratungsstatistik, Beziehung<br />
Opfer-Täter, Delikte, Entschädigungen<br />
und Genugtuung<br />
PublikationenBundesamt <strong>für</strong> Polizei, Polizeiliche<br />
Kriminalitätsstatistik PKS<br />
BIG Koordinierung. Hilfe <strong>für</strong> Frauen und ihre<br />
Kinder bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />
www.bi.zh.ch<br />
www.integration.zh.ch<br />
www.saeb.ch<br />
www.stalkingforschung.de<br />
www.uba.ch<br />
www.agsp.de<br />
www.bfs.admin.ch<br />
www.bfs.admin.ch<br />
www.big-koordinierung.de<br />
4Uman Für gewaltausübende Männer. www.4uman.info<br />
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Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Links zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, September 2011 (Kurzfassung <strong>für</strong> Kapitel 1 und 2)<br />
Links <strong>für</strong> Kinder und Jugendliche<br />
147 Website von der pro Juventute <strong>für</strong> Kinder in Not.<br />
Als Telefon 147 oder SMS sowie auf der Site sind<br />
Anfragen (nicht anonymisiert) möglich.<br />
www.147.ch<br />
Lilli<br />
LustundFrust<br />
Feelok (zu <strong>Gewalt</strong>)<br />
mama.trinkt.ch / papa.trinkt.ch<br />
Tschau<br />
<strong>Gewalt</strong>schutz (Kapitel 2)<br />
<strong>Kantonspolizei</strong> - <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
Stadtpolizei - <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
Stadtpolizei Winterthur<br />
Institut <strong>für</strong> Rechtsmedizin<br />
Kantonale Opferhilfestelle<br />
Frauenberatungsstellen bei <strong>Gewalt</strong><br />
Online-Beratung zu Sexualität, Verhütung und<br />
sexueller <strong>Gewalt</strong>. Website <strong>für</strong> Kinder und Jugendliche.<br />
Fragen und Antworten sind anonym.<br />
Fachstelle <strong>für</strong> Sexualpädagogik. Ein Angebot der<br />
Schulgesundheitsdienste der Stadt <strong>Zürich</strong> und<br />
der Zürcher Aids-Hilfe <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong> und Jugendliche<br />
Multithematische Website der schweizerischen<br />
Gesundheitsstiftung RADIX <strong>für</strong> Jugendliche und<br />
Fachpersonen zu allen Themen die Jugendliche<br />
beschäftigen.<br />
Sucht Info Schweiz<br />
Antworten zu Themen aus dem Alltag Jugendlicher,<br />
zur Schule, Familie und Freundinnen. Veranstaltungshinweise.<br />
Pro Juventute<br />
Unter „Fachthemen“ finden sich Informationen zu<br />
„<strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>“ und „Stalking“ sowie die<br />
wichtigen Kontaktadressen.<br />
Generell werden die polizeilichen Aufgaben<br />
vorgestellt. Das Organigramm mit den entsprechenden<br />
Kontaktpersonen und -adressen ist<br />
hilfreich.<br />
Informationen zur Stadtpolizei und deren Arbeit,<br />
insbesondere zur Präventionsarbeit<br />
Unter >online-Polizei Stichwort „<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>“<br />
sind Adressen und Informationen zur <strong>Häusliche</strong>n<br />
<strong>Gewalt</strong><br />
Institut <strong>für</strong> Rechtsmedizin der Universität <strong>Zürich</strong>,<br />
wichtige Hinweise zum ärztlichen Vorgehen<br />
Gut strukturierte Website mit zahlreichen Informationen<br />
zur Opferhilfe, zur Stellung des Opfers<br />
im Strafverfahren und Links vor allem auf die<br />
Opfer-Beratungsstellen.<br />
Übersicht und Links zu allen Zürcher Frauen- und<br />
Kinderberatungsstellen sowie zu den Frauenhäusern.<br />
www.lilli.ch<br />
Langstrasse 21<br />
8004 <strong>Zürich</strong><br />
www.lustundfrust.ch<br />
www.feelok.ch<br />
www.tschau.ch<br />
www.kapo.zh.ch<br />
www.stadt-zuerich.ch<br />
www.stapo.winterthur.ch<br />
www.irm.unizh.ch<br />
www.opferhilfe.zh.ch<br />
www.frauengegengewalt.ch<br />
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Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />
903 Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften,<br />
Statistiken, Filme<br />
Inhaltsübersicht:<br />
A Literatur zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
1. a. Allgemeine Literatur zu <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und den Folgen der <strong>Gewalt</strong><br />
b. Erfahrungsberichte<br />
c. Filme<br />
2. Partnergewalt, Opfer und Täter, Täterinnen<br />
3. Kinder und Jugendliche im Kontext <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
4. Kinder und Jugendliche, die <strong>Gewalt</strong> ausüben (Elternmisshandlung, <strong>Gewalt</strong> in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen)<br />
5. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Betagte (<strong>Gewalt</strong> im Alter, <strong>Gewalt</strong> pflegender Kinder)<br />
6. <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> und Migration<br />
B. Literatur und Gesetzesmaterialien zu <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Rechtsfragen<br />
1. Multinationale Verträge und ausländische Gesetzgebungen zu <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
2. <strong>Gewalt</strong>schutzrecht (zu Kapitel 2)<br />
a. Aufsätze<br />
b. Gesetzesmaterialien<br />
3. Zivilrecht und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> (zu Kapitel 3)<br />
a. Aufsätze<br />
b. Gesetzesmaterialien<br />
4. Kindesschutz und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> (zu Kapitel 4)<br />
a. Aufsätze<br />
b. Gesetzesmaterialien<br />
5. Strafprozessualer und strafrechtlicher Schutz<br />
a. Aufsätze<br />
b. Allgemeine Kommentare zur StPO<br />
c. Gesetzesmaterialien<br />
6. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und migrationsrechtliche Fragen<br />
a. Aufsätze<br />
b. Gesetzesmaterialien<br />
A. Literatur zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
1.a. Allgemeine Literatur zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> und Folgen der <strong>Gewalt</strong><br />
AGAVA (Hrsg.) (2010): Ware Frau – Ware Mann – Ware Kind. Referate der Fachtagung. <strong>Zürich</strong>.<br />
Bleuler, E.: Ambivalenz. Festgabe zur Einweihung der Neubauten der Universität <strong>Zürich</strong> 18. IV. 1914. In:<br />
Festgabe der medizinischen Fakultät. <strong>Zürich</strong>: Schulthess & Co 1914, S. 95-106.<br />
Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2010): Gemeinsam gegen häusliche<br />
<strong>Gewalt</strong>. Kooperation, Intervention, Begleitforschung. Berlin.<br />
Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2010): Lebenssituationen, Sicherheit und<br />
Gesundheit von Frauen in Deutschland. Ergebnisse der repräsentativen Untersuchung zu <strong>Gewalt</strong> gegen<br />
Frauen in Deutschland. Kurzfassung. Berlin.<br />
Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2011): Aktueller Forschungsstand zu Opfern und<br />
Tatpersonen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Bern.<br />
Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt Definition, Formen und<br />
Betroffene <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Bern.<br />
Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt Zahlen zur <strong>Häusliche</strong>n <strong>Gewalt</strong>.<br />
Bern.<br />
Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in der<br />
Schweizer Gesetzgebung. Bern.<br />
Engel, George L. (1977):The Need for a New Medical Model. A Challenge for Biomedicine. Science 196, S.<br />
129-136.<br />
FamPra, Praxis des Familienrechtes; Themenheft zu Rechtsfragen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Heft 3/2009, Stämpfli<br />
Bern<br />
Fischer, Gottfried; Riedesser, Peter (2003): Lehrbuch der Psychotraumatologie. 3. Auflage. Ernst Reinhardt<br />
Verlag. München.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 1
Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />
FORSA, Techniker Krankenkasse, Universität Münster (2011): Cybermobbing - Forsa-Umfrage <strong>für</strong> Nordrhein<br />
Westfalen NRW. Münster.<br />
Gloor, Daniela; Meier, Hanna (2004): Frauen, Gesundheit und <strong>Gewalt</strong> im sozialen Nahraum.<br />
Repräsentativbefragung bei Patientinnen der Maternité Inselhof Triemli. Hrsg. von Büro <strong>für</strong> die Gleichstellung<br />
von frau und Mann der Stadt <strong>Zürich</strong> und Maternité Inselhof Triemli <strong>Zürich</strong>. Bern: Edition Soziothek<br />
Gloor, Daniela; Meier, Hanna (2009): Von der Harmonie zur Trübung – Polizeiliche (Re-)Konstruktion von<br />
Tötungsdelikten im sozialen Nahraum. Eine qualitativ-soziologische Aktenuntersuchung. Schriftenreihe zum<br />
Familienrecht Band 12. FamPra. Stämpfli Verlag. Bern.<br />
Gollan, J. (2005): Developmental psychopathology and neurobiology of aggression.<br />
Dev. Psychopathol 17. S.1151-1171.<br />
Greber, Franziska (2010): Die Vielfalt und Komplexität <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> erkennen. In: Fachstelle <strong>für</strong><br />
Gleichstellung der Stadt <strong>Zürich</strong> et al. (Hrsg.): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren.<br />
2. überarbeitete Auflage. Verlag Hans Huber. Bern. S. 165-180.<br />
Greber, Franziska; Kranich, Cornelia (2011): Dynamik <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> und rechtliche Interventionen. In:<br />
Borst, Ulrike; Lanfranchi, Andrea Hrsg. (2011): Liebe und <strong>Gewalt</strong> in nahen Beziehungen. Carl-Auer Verlag.<br />
Heidelberg. S. 219 – 233.<br />
Hermann, Judith (2006): Narben der <strong>Gewalt</strong>. 2. Auflage. Verlag Junfermann. Paderborn.<br />
Koordinierungsstelle gegen häusliche <strong>Gewalt</strong> (2005): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>. Erkennen - behandeln -<br />
dokumentieren. Ministerium <strong>für</strong> Justiz, Gesundheit und Soziales. Saarland. Saarbrücken.<br />
Margairaz, Christiane ; Girard, Jacques; Halpérin, Daniel S.: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in Ehe und Familie, Zur Rolle<br />
des Allgemeinpraktikers. Schweiz Med. Forum 6/ 2006. S. 367 – 373.<br />
Mösch-Payot, Peter (2007): Der Kampf gegen häusliche <strong>Gewalt</strong>. Zwischen Hilfe, Sanktion und Strafe.<br />
interact. Luzern.<br />
Sachs, Josef (2009): Umgang mit Drohungen. Von Telefonterror bis Amoklauf. Verlag Orell Füssli, <strong>Zürich</strong>.<br />
Seith, Corinna (2003): Öffentliche Interventionen gegen häusliche <strong>Gewalt</strong>. Campus. Frankfurt a. M.<br />
Spitzberg, B. H. (2002): The tactical topography of stalking victimization and Management. In: Trauma,<br />
Violence and Abuse. S. 261 - 288.<br />
Schweizerische Gesellschaft <strong>für</strong> Gynäkologie und Geburtshilfe sggg (2009): Leitfaden <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>.<br />
Verbesserung der Betreuung betroffener Frauen. Bern.<br />
Techniker Krankenkasse (2011): Cybermobbing – <strong>Gewalt</strong> unter Jugendlichen. Ergebnisse einer<br />
repräsentativen Forsa-Umfrage in NRW.<br />
Tschan, Werner (2008): Stalking und interpersonelle <strong>Gewalt</strong> - das Interventionsdilemma. In: Dokumentation<br />
der Interdisziplinären Fachtagung. Stalking und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>. Interventionsprojekt <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>,<br />
Freiburg, S. 155-124.<br />
Yodanis, Carrie; Godenzi, Alberto (1988): Erster Bericht zu den ökonomischen Kosten der <strong>Gewalt</strong> gegen<br />
Frauen. Universität Freiburg.<br />
1.b. Erfahrungsberichte<br />
Dill, Nicole (2009): Leben! Wie ich ermordet wurde. Wörterseh Verlag. Gockhausen.<br />
Minelli, Michèle (2009): Adeline, grün und blau. Edition Isele. Eggingen.<br />
1.c. Filme<br />
Stiftung Frauenhaus <strong>Zürich</strong> (2010): <strong>Gewalt</strong> an Frauen. Bildungs-DVD in 5 Teilen <strong>für</strong> junge Erwachsene und<br />
weitere Interessierte. www.frauenhaus-zuerich.ch<br />
Colla, Rolando (2011): Summer Games – Giochi d’Estate (DVD). Spielfilm über eine elterliche<br />
<strong>Gewalt</strong>beziehung und Folgen auf die Kinder. www.looknow.ch<br />
2. Partnergewalt, Opfer und Täter, Täterinnen<br />
Ainsworth, M. et al. (1978): Patterns of Attachment. A psychological study of the strange situation. New<br />
York: Hilsdale.<br />
Barz, Monika; Helfferich, Cornelia (2006): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> beenden. Verhaltensänderung von Tätern als<br />
Ansatzpunkt. Herausgegeben von der Landesstiftung Baden-Württemberg Bd. 23. Stuttgart.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 2
Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />
Bundesministerium <strong>für</strong> Familien, Senioren, Frauen und Jugend (2011): Lebenssituation, Sicherheit und<br />
Gesundheit von Frauen in Deutschland. Berlin.<br />
Bowlby, J. (1969) Attachment and Loss. Vol. 1. Attachment. New York: Basic Books.<br />
Grossmann, K.; Grossmann, K. E. (2004): Bindungen. Das Gefüge psychischer Sicherheit (Attachment. The<br />
composition of psychological security). Stuttgart, Klett-Cotta. S. 81<br />
Bowlby, J. (1995): Bindung: Historische Wurzeln, theoretische Konzepte und klinische Relevanz. In:<br />
Spangler, G./ Zimmermann, P. (Hg.): Die Bindungstheorie. Stuttgart: Klett-Cotta.<br />
Brisch, K.H. (2009): Bindungsstörungen. Von der Bindungstheorie zur Therapie. Stuttgart: Klett-Cotta. S.<br />
102-111.<br />
Dixon, L.; Browne, K: "The heterogeneity of spouse abuse: A review." Aggression and Violent Behavior 8.1<br />
(2003): 107-130<br />
Eidgenössisches Büro <strong>für</strong> die Gleichstellung von Frau und Mann (2009): Bericht über <strong>Gewalt</strong> in<br />
Paarbeziehungen. Ursachen und in der Schweiz getroffene Massnahmen. Bericht des Bundesrate vom 3. Juli<br />
2009.<br />
Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt <strong>Gewalt</strong> gegen Frauen. Bern.<br />
Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2011): Informationsblatt <strong>Gewalt</strong> gegen Männer. Bern.<br />
Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2011): Informationsblatt Unterstützungsangebote <strong>für</strong><br />
gewaltbetroffene Frauen und Männer. Bern.<br />
Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt <strong>Gewalt</strong>spirale in<br />
Paarbeziehungen. Bern.<br />
Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt <strong>Gewalt</strong> in Trennungssituationen.<br />
Bern.<br />
Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt Ursachen und Risikofaktoren<br />
von <strong>Gewalt</strong> in Paarbeziehungen. Bern.<br />
Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt Stalking: bedroht, belästigt,<br />
verfolgt. Bern.<br />
Egger, Therese; Schär Moser, Marianne (2009): <strong>Gewalt</strong> in Paarbeziehungen. Ursachen und in der Schweiz<br />
getroffene Massnahmen, Eidgenössisches Büro <strong>für</strong> die Gleichstellung von Frau und Mann EBG, Bern.<br />
(www.ebg.admin.ch).<br />
Egger, Therese (2008): Beratungsarbeit und Anti-<strong>Gewalt</strong>-Programme <strong>für</strong> Täter und Täterinnen häuslicher<br />
<strong>Gewalt</strong> in der Schweiz. Eidgenössisches Büro <strong>für</strong> die Gleichstellung von Frau und Mann EBG, Bern.<br />
(www.ebg.admin.ch).<br />
Endrass, Jérôme; Rossegger, Astrid; Urbaniok, Frank; Borchard, Bernd (Hrsg.) (2012): Interventionen bei<br />
<strong>Gewalt</strong>- und Sexualstraftätern. Risk-Management, Methoden und Konzepte der forensischen Therapie,<br />
Berlin.<br />
Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung Stadt <strong>Zürich</strong>; Frauenklinik Maternité; Stadtspital Triemli <strong>Zürich</strong>; Verein<br />
Inselhof Triemli, <strong>Zürich</strong> (Hrsg.) (2010): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren. Handbuch <strong>für</strong><br />
Medizin, Pflege und Beratung. 2. Auflage. Hans Huber. Bern.<br />
Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung Stadt <strong>Zürich</strong> (2010): Zwangsheirat in <strong>Zürich</strong>. Hintergründe, Beispiele,<br />
Folgerungen. Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung. <strong>Zürich</strong>.<br />
Gloor, Daniela; Meier, Hanna (2004): Frauen, Gesundheit und <strong>Gewalt</strong> im sozialen Nahraum.<br />
Repräsentativbefragung bei Patientinnen der Maternité Inselhof Triemli, Klinik <strong>für</strong> Geburtshilfe und<br />
Gynäkologie. Edition Soziothek 12. Bern.<br />
Gloor, Daniela; Meier, Hanna (2013): <strong>Gewalt</strong> in der Partnerschaft und Alkohol. Häufigkeit einer<br />
Dualproblematik, Muster und Beratungssettings. Studie im Auftrag des Bundesamtes <strong>für</strong> Gesundheit.<br />
www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/30687.pdf<br />
Greber, Franziska (2010): Die Vielfalt und Komplexität <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> erkennen. In: Fachstelle <strong>für</strong><br />
Gleichstellung der Stadt <strong>Zürich</strong> et al. (Hrsg.): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren. 2.<br />
Überarbeitete Auflage. Verlag Hans Huber. Bern. S. 175-180.<br />
Greber, Franziska (2011): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> – Erkennen und Handeln. Referat, gehalten an der HfH<br />
Interkantonale Hochschule <strong>für</strong> Heilpädagogik <strong>Zürich</strong>.<br />
Hansen, Ralf (2004): "Der Troll, der mich liebte". Stalking in den Medien des Internets - eine rechtliche<br />
Betrachtung.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 3
Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />
Helfferich, Cornelia; Lehmann, Kathrin; Kavemann, Barbara; Rabe, Heike (2005): Wissenschaftliche<br />
Untersuchung zur Situation von Frauen und zum Beratungsbedarf nach einem Platzverweis nach häuslicher<br />
<strong>Gewalt</strong>. Sozialministerium Baden-Württemberg. Stuttgart.<br />
Helfferich, Cornelia (2006): Muster von <strong>Gewalt</strong>beziehungen. Ein Beitrag zur hermeneutischen Diagnostik von<br />
<strong>Gewalt</strong>beziehungen. „Tötungsdelikte und schwere <strong>Gewalt</strong> durch Intimpartner. Prävention und<br />
Fallmanagement.<br />
Henderson, A. J. Z. et al. (1997): He Loves Me; He Loves Me Not: Attachment and Separation Resolution of<br />
Abused Women. Journal of Family Violence, Vol. 12, No. 2.<br />
http://www.sfu.ca/psyc/faculty/bartholomew/violencepub_files/loveme.pdf<br />
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Walker, Leonore (1984/2000): The Battered Woman Syndrome. Springer. New York.<br />
3. Kinder und Jugendliche im Kontext <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
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Averdijk, Margit; Müller-Johnson, Katrin; Eisner, Manuel: Sexuelle Viktimisierung von Kindern und<br />
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Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2004): Gemeinsam gegen häusliche<br />
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Bundesministerium <strong>für</strong> Familien, Senioren, Frauen und Jugend (2008): Lernen aus problematischen<br />
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Fehleranalyse. Berlin.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 4
Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />
Dlugosch, Sandra. Mittendrin oder nur dabei? Miterleben häuslicher <strong>Gewalt</strong> in der Kindheit und seine Folgen<br />
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Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt <strong>Gewalt</strong> gegen Kinder und<br />
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Fegert, Jörg (2001): Begutachtung sexuell missbrauchter Kinder. Fachliche Standards in juristischen<br />
Verfahren. Luchterhand Verlag.<br />
Fegert, Jörg; Ziegenhain, Ute; Fangerau, Heiner (2008): Problematische Kinderschutzverläufe. Mediale<br />
Skandalisierung, fachliche Fehleranalyse und Strategien zur Verbesserung des Kinderschutzes. Juventa.<br />
Weinheim.<br />
Flammer, Patricia (2006): Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen - Prävention in Schule und<br />
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Homeier, Schirin (2009): Sonnige Traurigtage. Illustriertes Kinderfachbuch <strong>für</strong> Kinder psychisch kranker<br />
Eltern und deren Bezugspersonen. Mabuse Verlag. Frankfurt am Main.<br />
Kavemann, Barbara (2000): Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong> - Kinder misshandelter Mütter. In:<br />
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Kavemann, B.; Kreyssig, U. (HG.) (2006): Handbuch Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong>, VS-Verlag<br />
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ärztlichen Praxis. Stiftung Kinderschutz Schweiz. FMH. Bern.<br />
Mahrer, Monika; Meier, Peter; Mögel, Maria; Pedrina, Fernanda; Ryf, Esther; Simoni, Heidi (2007):<br />
Kindesschutz in der frühen Kindheit 0 - 3 Jahre. Interdisziplinäre Regionalgruppe <strong>Zürich</strong>.<br />
Pfeiffer, Christian; Wetzels, Peter; Enzmann, Dirk (1999): Innerfamiliäre <strong>Gewalt</strong> gegen Kinder und<br />
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Sit, Michaela (2007): „Resilienz“ – Was Kinder stark macht. Dorner Verlag. Wien.<br />
Steinhausen, H-Ch. (2006): Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Urban und Fischer.<br />
Voindrot, Franck (2010): L’enfant face à la violence conjugale: une réalité clinique déniée. Referat gehalten<br />
am 4. Nov. 2009 in Bern an der Nationalen Tagung der Interventionsstellen, Interventionsprojekte,<br />
Fachstellen und Gleichstellungsbüros gegen häusliche <strong>Gewalt</strong> der Schweiz.<br />
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Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />
4. Kinder und Jugendliche, die <strong>Gewalt</strong> ausüben (Elternmisshandlung, <strong>Gewalt</strong> in<br />
partnerschaftlichen Jugendbeziehungen)<br />
AGAVA (2007): Wenn Kinder Opfer von <strong>Gewalt</strong> sind. Referate der Fachtagung. <strong>Zürich</strong><br />
Averdijk, Margit; Billaud, Chantal; Greber, Franziska; Iso, Miko Isabel; Kranich, Cornelia; Wechlin, Andrea;<br />
Weingartner, Martha (2013): Empfehlungen zur Reduktion sexueller <strong>Gewalt</strong> zwischen Teenagern. Ein<br />
Beitrag aus fachlicher Sicht. www.optimusstudy.org/<br />
Cottrell, Barbara (2002): Dringend Hilfe gesucht: Teenager misshandeln ihre Eltern. In: Systhema 3/2002. S.<br />
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Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2010): Informationsblatt <strong>Gewalt</strong> in jugendlichen<br />
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Innern EDI, Bern.<br />
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et al. (Hrsg): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren. 2. Auflage, Hans Huber. Bern S. 99-106.<br />
Greber, Franziska (2007/2008): Wenn Minderjährige <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben. Umsetzung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes<br />
(GSG) auf minderjährige GefährderInnen im Kontext von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Thesis im<br />
Rahmen des universitären Lehrganges „Master of Arts“ zak - zentrum <strong>für</strong> agogik Basel. AGAVA <strong>Zürich</strong>.<br />
www.ist.zh.ch.<br />
Greber, Franziska (2010): Tatort Familie, Tatort Beziehung. Familiäre und partnerschaftliche <strong>Gewalt</strong> von<br />
Kindern und Jugendlichen. Themenheft Jugendgewalt. Plädoyer <strong>für</strong> eine ganzheitliche Sichtweise. In:<br />
SozialAktuell Heft 9/2010. Die Fachzeitschrift <strong>für</strong> Soziale Arbeit, S. 9-29.<br />
Kinderschutz Zentrum Berlin (2009): Kindswohlgefährdung. Erkennen und Helfen. 11. überarbeitete<br />
Auflage. Berlin.<br />
Markie-Dadds, C. (2002): Das Triple P Elternarbeitsbuch. PAG-Institut <strong>für</strong> Psychologie. Verlag <strong>für</strong><br />
Psychotherapie. Münster.<br />
Omer, Haim; von Schlippe, Arist (2005): Autorität durch Beziehung. Die Praxis des gewaltlosen Widerstands<br />
in der Erziehung. 2. Auflage 2005. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen.<br />
Ostendorf, Heribert (2005): Sexuell grenzverletzende Kinder und Jugendliche - Ein neues Problem? Vortrag<br />
anlässlich eines Kongresses zu sexuell grenzverletzenden Kindern und Jugendlichen in Kiel.<br />
Ostendorf, Heribert (2005): Kinder und Jugendliche mit sexuell grenzverletzendem Verhalten.<br />
Presseerklärung. Fachkongress der Kinderschutz-Zentren und der Forschungsstelle <strong>für</strong> Jugendstrafrecht und<br />
Kriminalprävention CAU Kiel.<br />
Petermann, F. & U. (2008): Training mit aggressiven Kindern. Beltz. Weinheim<br />
Pfeiffer, Christian; Wetzels, Peter (2001): Zur Struktur und Entwicklung der Jugendgewalt in Deutschland.<br />
Ein Thesenpapier auf Basis aktueller Forschungsbefunde. In: Oerter, Rolf & Höfling, Siegfried. Mitwirkung<br />
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Rotthaus, Willhelm; Trapmann, Hilde (2004): Auffälliges Verhalten im Jugendalter. Verlag Modernes Lernen.<br />
Bd. 2. Dortmund. Verlag modernes Lernen.<br />
Rotthaus, Wilhelm (2006): Familiäre <strong>Gewalt</strong>, die von den Kindern ausgeht - Ein neues gesellschaftliches<br />
Phänomen. In: Kontext, Zeitschrift <strong>für</strong> Systemische Therapie und Familientherapie. Band 37, 3/2006.<br />
Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen.<br />
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Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />
5. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Alter und gegen pflegebedürftige Menschen<br />
Beratungsstelle Nottelefon <strong>für</strong> Frauen (2011): Alt werden mit dem Trauma. Jahresbericht 2010. <strong>Zürich</strong>.<br />
Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2010): Kriminalitäts- und<br />
<strong>Gewalt</strong>erfahrungen im Leben älterer Menschen. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse einer Studie zu<br />
Gefährdungen älterer und pflegebedürftiger Menschen. Berlin.<br />
Freiburger Interventionsprojekt <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> (2011): Ältere Menschen und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>.<br />
Tagungsdokumentation. Freiburg i.P.<br />
Görgen, Thomas; Nägele, Barbara (2005):Wehrlos im Alter? Strategien gegen <strong>Gewalt</strong> in engen persönlichen<br />
Beziehungen älterer Menschen. Dokumentation zur Fachtagung vom juni 2006. Hannover.<br />
Huber Näf, Kathrin; Seehafer Baumeler, Monika (2011): Prävention von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> im Alter.<br />
Bachelor-Arbeit. HSA. Luzern<br />
Hirsch, R. D.; Brendebach, Ch. (1999): <strong>Gewalt</strong> gegen alte Menschen in der Familie. Untersuchungsergebnisse<br />
der "Bonner HsM-Studie". In: Zeitschrift <strong>für</strong> Gerontologie und Geriatrie. Jg. 32/1999, H. 6, S. 449-<br />
455.<br />
Hirsch, R.D. (2001): Misshandlung und <strong>Gewalt</strong> an alten Menschen. Notfallmedizin 27, 324-328.<br />
Görgen, Thomas (2006): <strong>Gewalt</strong> in engen persönlichen Beziehungen älterer Menschen: Zwischenergebnisse<br />
der Studie "Kriminalität und <strong>Gewalt</strong> im Leben alter Menschen". In: Wehrlos im Alter? Dokumentation einer<br />
Fachtagung und eines Expertenforums, KFN Materialien <strong>für</strong> die Praxis - Nr. 2/2006, S. 10-32.<br />
Nägele, B. (2006): Nahraumgewalt im Alter - die besondere Situation älterer weiblicher <strong>Gewalt</strong>opfer. In:<br />
Wehrlos im Alter? Dokumentation einer Fachtagung und eines Expertenforums, KFN Materialien <strong>für</strong> die<br />
Praxis - Nr. 2/2006, S. 33-45.<br />
6. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Migration<br />
AGAVA Hrsg (2004): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Schweiz -<br />
Intervention - Prävention – Postvention. Tagungsreader. AGAVA. <strong>Zürich</strong>.<br />
Bachmann, Susanne (2009): Leben in der Ambivalenz, Selbstverortung junger Migrantinnen in der Schweiz.<br />
Soziothek. Bern.<br />
Breithaupt, Esther; Alsaid, Munib (2003): Väter im Spannungsfeld von alten und neuen Erwartungen.<br />
Anregungen <strong>für</strong> die Beratung von Migrantenfamilien aus dem Mittelmeerraum. Edition Soziothek. Rubigen.<br />
Gloor, Daniela; Meier, Hanna (2012): Beurteilung des Schweregrades häuslicher <strong>Gewalt</strong>.<br />
Sozialwissenschaftlicher Grundlagenbericht. Sozialwissenschaftliche Überlegungen zur Anforderung des<br />
Bundesgerichts,dass eheliche <strong>Gewalt</strong> «eine gewisse Intensität» aufweisen muss,um als wichtiger<br />
persönlicher Grund <strong>für</strong> den unabhängigen Aufenthalt in der Schweiz im Sinne von Art. 50 Abs. 2 des<br />
Ausländergesetzes AuG geltend gemacht werden zu können. EGB. Bern.<br />
Durrer, Sylvie; Hanselmann, Magaly (2008): Migrantinnen und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>. Stärker betroffen und<br />
weniger geschützt. Frauenfragen 2/2008. Bern. S. 65 - 69.<br />
Echarte Fuentes-Kieffer, Rita (2004): Migration aus Liebe, interkulturelle Paare zwischen strukturellen<br />
Zwängen und individuellen Konzepten. Soziothek. Bern.<br />
Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im<br />
Migrationskontext. Bern.<br />
FIZ Fraueninformationszentrum Hrsg. (2006): Champagner, Plüsch und prekäre Arbeit. Arbeits- und<br />
Lebensbedingungen von Cabaret-Tänzerinnen in der Schweiz. FIZ. <strong>Zürich</strong>.<br />
Frauenfragen 1/2005: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Migration. Bern.<br />
Lanfranchi, Andrea (2011): Liebe und <strong>Gewalt</strong> in Migrationsfamilien - Problemtrance Kultur? In: Borst, Ulrike;<br />
Lanfranchi, Andrea (Hrsg.): Liebe und <strong>Gewalt</strong> in nahen Beziehungen. Carl-Auer Verlag. Heidelberg.<br />
Lanfranchi, Andrea (2009): Kompetenz statt Kulturalisierung. Ein mehrdimensionales Analysemodell <strong>für</strong><br />
<strong>Gewalt</strong> in Migrationsfamilien. Psychoskop 5/2009. S. 8 - 11.<br />
Schröttle, Monika; Khelaifat, Nadia (2008): Gesundheit - <strong>Gewalt</strong> - Migration. Eine vergleichende<br />
Sekundäranalyse zur gesundheitlichen und <strong>Gewalt</strong>situation von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund<br />
in Deutschland.<br />
Schwertenleib, Marianne (2006): Begehrt aber unerwünscht. Illegalisierte Migrantinnen als Opfer von<br />
Frauenhandel. In: Schweizerisches Rotes Kreuz SRK, Departement Migration (Hrsg.), Sans-Papiers in der<br />
Schweiz. Unsichtbar - unverzichtbar. SRK. <strong>Zürich</strong>.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 7
Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />
Stahl, Judith (2006): Jugendliche mit Migrationshintergrund, Ansätze einer interkulturellen Sozialpädagogik.<br />
Soziothek. Bern.<br />
Terre des Femmes (2006): Unterrichtsmappe Zwangsheirat: Wer entscheidet, wen du heiratest? 3. Auflage.<br />
Tübingen.<br />
Widerspruch 59 (2010): Integration und Menschenrechte. Migration, Islam, Leitkultur, Citoyenneté,<br />
Interkultur, Härtefallpraxix. Beiträge zu sozialistischer Politik. Heft 2/2010. <strong>Zürich</strong>.<br />
B. Literatur und Gesetzesmaterialien zu Rechtsfragen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
1. Multinationale Verträge und ausländische Gesetzgebungen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />
Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2010): Informationsblatt: Nutzen internationaler<br />
Menschenrechtsinstrumente <strong>für</strong> die Arbeit im Bereich häusliche <strong>Gewalt</strong> in der Schweiz. Bern.<br />
2. <strong>Gewalt</strong>schutzrecht (Kapitel 2)<br />
2a. Artikel zum <strong>Gewalt</strong>schutzrecht<br />
Büchler, Andrea; Michel, Margot (2011): Besuchsrecht und häusliche <strong>Gewalt</strong>. FamPra 2011, S. 525 – 552.<br />
DuBois Jeanne; Vetterli, Rolf (2005): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: erste Erfahrungen mit neuen Gesetzen. FamPra.<br />
4/2004. S. 851-857.<br />
Conne, Andreas; Kaspar, Plüss (2011): <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen im Kanton <strong>Zürich</strong>. Agrenzung von<br />
gewaltschutz-, zivil- und strafrechtlichen Massnahmen sowie Rechtsprechung zum Beweisrecht, zum<br />
rechtlichen Gehör und zum Kontaktverbot gegenüber Kindern. In: Sicherheit & Recht. Dike Verlag. <strong>Zürich</strong>. S.<br />
127 – 138.<br />
Eidgenössische Kommission <strong>für</strong> Frauenfragen EKF (2008): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: eine Bestandesaufnahme,<br />
Frauenfragen 2/2009. Bern.<br />
Gloor, Daniela; Meier Hanna (2001): Interventionen von Polizei und Justiz bei Anzeigen zu <strong>Gewalt</strong> im<br />
sozialen Nahraum. Empirische Untersuchung zur Veränderungen in Basel-Stadt 1995-2000. FamPra 4/2001.<br />
S. 651-675.<br />
Konferenz der Städtischen Polizeidirektorinnen und Polizeidirektoren KSPD und dem Polizeidepartement<br />
der Stadt <strong>Zürich</strong> (Hrsg.) (2009): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>. Referate der Tagung vom<br />
4. Sep. 2008. Schulthess. <strong>Zürich</strong>.<br />
Kranich, Cornelia (2010): Rechtliche Interventionsmöglichkeiten. In: Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung Stadt<br />
<strong>Zürich</strong>: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren. Handbuch <strong>für</strong> Medizin, Pflege und Beratung. 2.<br />
Überarbeitete und erweiterte Auflage. Verlag Hans Huber. Bern. S. 131 – 158.<br />
Kranich, Cornelia; Vontobel, Eva (2008): Das neue Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz. FamPra 1/2008. S. 90-<br />
107.<br />
Kranich, Cornelia (2008): Gedanken zur Einführung und Implementierung eines <strong>Gewalt</strong>schutz-gesetzes (am<br />
Beispiel des Kantons <strong>Zürich</strong>). Frauenfragen 6/2008. S. 56-59.<br />
Mösch-Payot, Peter (2007): Der Kampf gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: Zwischen Hilfe, Sanktion und Strafe.<br />
Impact. Luzern.<br />
Schröder, Detlef; Berthel, Ralph (2004): <strong>Gewalt</strong> im Sozialen Nahraum. Eine erste Zwischenbilanz nach<br />
Einführung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes. Band I. Verlag <strong>für</strong> Polizeiwissenschaften. Frankfurt.<br />
Steiner, Silvia (2004): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: Erscheinungsformen, Ausmass und polizeiliche Bewältigungsstrategien<br />
in der Stadt <strong>Zürich</strong> 1999-2001. Rüegger. <strong>Zürich</strong>, Chur.<br />
Steiner, Silvia; Kranich, Cornelia (2009): Polizeiliche Interventionen gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> am Beispiel<br />
des Kantons <strong>Zürich</strong>. Kriminalistik 2/2009. Seite 95-106.<br />
2b. Gesetzesmaterialien zum <strong>Gewalt</strong>schutzrecht (Kapitel 2)<br />
Weisung des Regierungsrates vom 6. Juli 2005, ABl 2005. S. 761 – 792<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 8
Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />
3. Zivil- und Eherecht (Kapitel 3)<br />
3a. Artikel zum Zivil- und Eherecht<br />
Büchler, Andrea (2010): Zivilrechtliche Aspekte der Ausgestaltung der elterlichen Kontakte zu Kindern in<br />
Fällen von Trennung nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Gutachten. <strong>Zürich</strong>.<br />
Büchler, Andrea; Vetterli, Rolf (2007): Ehe Partnerschaft Kinder. Eine Einführung in das Familienrecht<br />
der Schweiz. Helbling und Lichterhahn. Basel.<br />
Büchler, Andrea (2007): Zwangsehen in zivilrechtlicher und internationalprivatrechtlicher Sicht. Rechtstatsachen<br />
– Rechtsvergleich – Rechtsanalyse. FamPra 4/2007. S. 725-751.<br />
Büchler, Andrea; Michel, Margot (2011): Besuchsrecht und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>. Zivilrechtliche Aspekte des<br />
persönlichen Verkehrs nach Auflösung einer von häuslicher <strong>Gewalt</strong> geprägten Beziehung. FamPra<br />
3/2011.<br />
Büchler, Andrea; Gora, Justyna (2011): Eheschliessung in rechtsvergleichender Sicht. FamPra 1/2011.<br />
S. 96-119.<br />
Cottier, Michelle; Aeschlimann, Sabine (2010): Nichteheliche Lebensgemeinschaften (Cohabitation).<br />
FamPra 1/2010. S. 109 -131.<br />
Dahinden, Jeanine; Riaňo, Yvonne (2010): Zwangsheirat. Hintergründe, Massnahmen, lokale und<br />
transnationale Dynamiken. Seismo. <strong>Zürich</strong><br />
Dolder; Mattias (2002): Das Informations- und Anhörungsrecht des nichtsorgeberechtigten Elternteils<br />
nach Art. 2785a ZGB. Dissertation Nr. 2576. Universität St. Gallen.<br />
Fankhauser, Roland (2010): Das Scheidungsverfahren nach neuer ZPO. FamPra 2010/4. S. 753-784.<br />
Fischbacher, Christian (2008): Stalking im Blickfeld des revidierten Persönlichkeitsschutzes (Art. 28b<br />
ZGB). AJP/PJA 7/2006. S. 8008-8012.<br />
Hrubesch-Millauer, Stephanie; Vetterli, Rolf (2009): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: die Bedeutung des Artikels 28b<br />
ZGB. FamPra 3/2009. S. 535-560.<br />
Kantonales Sozialamt <strong>Zürich</strong>, Abteilung Öffentliche Sozialhilfe. Hrsg.(2010): Behördenhandbuch 1993 -<br />
2009. <strong>Zürich</strong>. (Vollständig überarbeitete Neuauflage ist vorgesehen)<br />
Leuzinger-Naef, Susanne (2011): Die familienbezogene Rechtsprechung der sozialrechtlichen<br />
Abteilungen des Bundesgerichts im Jahre 2009. FamPra 1/2011. S. 131-148.<br />
Leuzinger-Naef, Susanne (2010): Die familienbezogene Rechtsprechung der sozialrechtlichen<br />
Abteilungen des Bundesgerichts im Jahre 2008. FamPra 1/2010. S. 132-144.<br />
Leuzinger-Naef, Susanne (2009): Die familienbezogene Rechtsprechung der sozialrechtlichen<br />
Abteilungen des Bundesgerichts im Jahre 2007. FamPra 1/2009. S. 112-124.<br />
Matefi, Gabriella (2003): Mediation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>? FamPra 2/2003. S. 260-272.<br />
Möckli, Urs Peter (2009): Aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht im Jahr<br />
2008. FamPra 3/2009. S. 672 – 690.<br />
Möckli, Urs Peter (2008): Aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht im Jahr<br />
2007. FamPra 3/2008. S. 545 – 558..<br />
Schwenzer, Ingeborg. Hrsg.(2011): Familienrechtskommentar Scheidung. Band I und II. 2. Auflage.<br />
Stämpfli Verlag. Bern.<br />
SKOS, Schweizerische Konferenz <strong>für</strong> Sozialhilfe (2011): Richtlinien <strong>für</strong> die Ausgestaltung und Bemessung<br />
der Sozialhilfe. Bern. (Das Zürcher Sozialhilfegesetz verweist zur Berechnung der Sozialhilfe auf diese<br />
Richtlinien).<br />
Umbricht Lukas, Barbara; Gloor, Urs (2010): Die Mediation in der Zivilprozessordnung. FamPra 4/2010.<br />
S. 818-830.<br />
Vetterli, Rolf (2010): Das Eheschutzverfahren nach der schweizerischen Zivilprozessordnung. FamPra<br />
4/2010. S. 785-799.<br />
Von Flüh, Karin (2009): Trau dich! Das gilt in der Ehe. Finanzen, Kinder, Partnerschaft – was Eheleute<br />
wissen müssen. Beobachter-Buchverlag. <strong>Zürich</strong>.<br />
Von Flüh, Karin (2010): Zusammen leben, zusammen wohnen. Was Paare ohne Trauschein wissen<br />
müssen. 6. Aktualisierte Auflage. Beobachter-Buchverlag. <strong>Zürich</strong>.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 9
Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />
Zingg, Raphael (2008): Schutz der Persönlichkeit gegen <strong>Gewalt</strong>, Drohungen und Nachstellungen nach<br />
Art. 28b ZGB, in: Jusletter 28. Juli 2008.<br />
3b. Gesetzesmaterialien zum Zivil- und Eherecht (Kapitel 3)<br />
Scheinehen: Parlamentarische Initiative, Scheinehen unterbinden, Stellungnahme des Bundesrates vom<br />
14. März 2008. Bundesblatt BBl 2008. S. 2481 – 2484.<br />
Bericht vom 31. Jan. 2008 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates. Bundesblatt BBL 2008. S.<br />
2467 – 2478.<br />
Ergänzung des Persönlichkeitsrechts (Art. 28b ZGB):<br />
Parlamentarische Initiative, Schutz vor <strong>Gewalt</strong> im Familienkreis und in der Partnerschaft.<br />
Bericht der Kommission <strong>für</strong> Rechtsfragen des Nationalrates vom 18. Aug. 2005. Bundesblatt BBl 2005.<br />
S. 6871 – 6894.<br />
Botschaft zur schweizerischen Zivilprozessordnung vom 28. Juni 2006. Bundesblatt BBl 2006. S. 6871 –<br />
7412.<br />
Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht, Änderung vom<br />
19. Dezember 2008 (Gesetzestext), Bundesblatt BBl Nr. 1/ 2009. S. 141-200.<br />
Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches. Erwachsenenschutz, Personenrecht und<br />
Kindesrech vom 28. Juni 2006. Bundesblatt BBl. Nr. 36 / 2006. S. 7001 – 7138.<br />
4. Kindesschutzrecht (Kapitel 4)<br />
4a. Artikel zum Kindesschutzrecht<br />
AGAVA Arbeitsgemeinschaft gegen Ausnützung von Abhängigkeit (2007): Wenn Kinder Opfer von<br />
<strong>Gewalt</strong> sind…. Referate der Fachtagung vom 16./17. Nov. 2007. Kongressreader. AGAVA. <strong>Zürich</strong>.<br />
Arbeitsgruppe Kindsmisshandlungen (2002): Kindsmisshandlungen in der Schweiz. Bern.<br />
Stellungnahme des Bundesrates vom 27. Juni 1995 zum Bericht Kindesmisshandlung in der Schweiz. In<br />
BBl Jhg 147. Bd IV. S. 54 – 224.<br />
Blum; Stefan; Cottier, Michelle; Migliazza, Daniela (2007): Anwalt des Kindes. Ein europäischer<br />
Vergleich zum Recht des Kindes auf eigene Vertretung in behördlichen und gerichtlichen Verfahren. Band<br />
9 Schriftenreihe FamPra. Stämpfli Verlag. Bern.<br />
Breithaupt, Esther; Alsaid, Munib (2003): Väter im Spannungsfeld von alten und neuen Erwartungen.<br />
Anregungen <strong>für</strong> die Beratung von Migrantenfamilien aus dem Mittelmeerraum. Edition Soziothek.<br />
Rubigen.<br />
Cottier, Michelle (2006): Partizipation von Kindern im Verfahren. Ein rechtlicher und empirischer Vergleich<br />
von Jugendstraf- und Kindesschutzverfahren. FamPra 4/2006. S. 823-844.<br />
Eidgenössische Experten-Kommission über den Kinderschutz bei Kindesentführungen (2005):<br />
Schlussbericht. Bern<br />
Kinderschutz Zentrum Berlin (2009): Kindswohlgefährdung. Erkennen und Helfen. 11. überarbeitete<br />
Auflage. Berlin.<br />
Hegnauer, Cyril (1999): Grundriss des Kindesrechts. 5. überarbeitete Auflage. Stämpfli Verlag. Bern.<br />
Heiliger, Anita (2007): Väter um jeden Preis. Forum. München.<br />
Jametti Greiner, Monique (2008): Der neue internationale Kindesschutz in der Schweiz<br />
(Kindsentführung). FamPra 2/2008. S. 277 – 308.<br />
Kavemann, Barbara; Kreyssig, Ulrike (2007): Handbuch - Kinder und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>. 2. durchgesehene<br />
Auflage. VS Verlag <strong>für</strong> Sozialwissenschaften. Wiesbaden.<br />
Müller-Rudolf von Rohr, Verena; Schmid, Lydia (2005): Soziale Arbeit im zivilrechtlichen Kindesschutz.<br />
Edition Soziothek. Rubigen.<br />
Pfister-Liechti, Renate; Heer, Marianne Hrsg. (2002): Das Kind im Straf- und Zivilprozess. Stämpfli. Bern.<br />
Salgo, Ludwig (2006): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Umgang. ArbeitsGemeinschaft <strong>für</strong> Sozialberatung und<br />
Psychotherapie AGSP. Internetforum 1/2006.<br />
Schweizerische Stiftung des Internationalen Sozialdienstes SSI (2011): Ratgeber „Kindsentführung.<br />
SSI. <strong>Zürich</strong>. ssi@zh.ssiss.ch.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 10
Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />
Schwenzer, Ingeborg (2005): Die elterliche Sorge - die Sicht des Rechts von aussen auf das Innen.<br />
FamPra. 1/2005. S. 12-24.<br />
Voll, Peter (2006): Vormundschaftsbehörden und Sozialdienste. Eine Untersuchung zur institutionellen<br />
Kooperation im Kindesschutz. FramPra 2/2006. S. 262-285.<br />
Weller, Cornelia (2007): Kindeswohl und Kindeswille in hochstrittigen Trennungs- und Scheidungssituationen.<br />
Edition Soziothek. Rubigen.<br />
4b. Gesetzesmaterialien zum Kindesschutz (Kapitel 4)<br />
Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personenrecht und<br />
Kindesrecht) vom 28. Juni 2006. Bundesblatt Bbl 36/2006, S. 7001 – 7138.<br />
Schweizerisches Zivilgesetzbuch (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht) Änderung vom<br />
19. Dez. 2008. Bundesblatt Bbl 1/2009.S. 141 -200. (Gesetzestext, Inkraftsetzung per 1. Januar 2013)<br />
5. Strafprozessualer und strafrechtlicher Schutz (Kapitel 5)<br />
5a. Artikel zum Straf- und Strafprozessrecht<br />
Bettermann, Julia; Feenders, Moetje (2004): Stalking - Möglichkeiten und Grenzen der Intervention.<br />
Verlag Polizeiwissenschaft. Frankfurt.<br />
Bommer, Felix (2006): Offensive Verletztenrechte im Strafprozess. Stämpfli. Bern.<br />
Colombi, Roberto (2009): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - Die Offizialisierung im Strafrecht am Beispiel der Stadt<br />
<strong>Zürich</strong>. Schulthess. <strong>Zürich</strong>.<br />
Eidgenössisches Büro <strong>für</strong> Gleichstellung, Bundesamt <strong>für</strong> Statistik (2006): Tötungsdelikte in der<br />
Partnerschaft. Polizeilich registrierte Fälle 2000-2004. EBG. Bern.<br />
Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2010): Informationsblatt Tatmittel Schusswaffe. Bern.<br />
Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2011): Informationsblatt Rechtliche Beratung und<br />
Vertretung bei häuslicher <strong>Gewalt</strong> gemäss der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO). Bern.<br />
Egger, Therese (2008): Beratungsarbeit und Anti-<strong>Gewalt</strong>-Programme <strong>für</strong> Täter und Täterinnen <strong>Häusliche</strong>r<br />
<strong>Gewalt</strong> in der Schweiz. EBG. Bern. Mit Kurzfassung.<br />
Frei, Mirjam Annika ((2010): Der rechtlich relevante Kausalzusammenhang im Strafrecht im Vergleich mit<br />
dem Zivilrecht. Schulthess Verlag. <strong>Zürich</strong>.<br />
Gomm, Peter; Zehntner, Dominik (2009): Opferhilfegesetz. 3. Überarbeitete Auflage. Stämpfli. Bern.<br />
Hoffmann, Jens; Wondrak, Isabel (2006): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Tötung des Intimpartners. Prävention<br />
und Fallmanagement. Verlag <strong>für</strong> Polizeiwissenschaft. Frankfurt.<br />
Jesionek, Udo; Hilf, Marianne (2006): Die Begleitung des Verbrechensopfers durch den Strafprozess.<br />
Studienverlag GmbH. Innsbruck.<br />
Logar, Rosa; Rösemann, Ute; Zürcher, Urs (2002): <strong>Gewalt</strong>tätige Männer ändern (sich). Rahmenbedingungen<br />
und Handbuch <strong>für</strong> ein soziales Trainingsprogramm. Haupt. Bern, Stuttgart, Wien.<br />
Mayer, Klaus (2002): Partnerschaft ohne <strong>Gewalt</strong> – Informationen zum deliktorientierten Lernprogramm <strong>für</strong><br />
Männer, die in Partnerschaft <strong>Gewalt</strong> ausüben. Amt <strong>für</strong> Justizvollzug des Kantons <strong>Zürich</strong>. <strong>Zürich</strong>.<br />
Mösch-Payot, Peter (2007): Der Kampf gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: Zwischen Hilfe, Sanktion und Strafe.<br />
Interact. Luzern.<br />
Pelikan, Christa; Hösch, Bernhard (1999): Die Wirkungsweisen strafrechtlicher Massnahmen bei<br />
<strong>Gewalt</strong>taten in Paarbeziehungen. Institut <strong>für</strong> Rechts- und Kriminalsoziologie. Wien.<br />
Pfister-Liechti, Renate; Heer, Marianne (2002): Das Kind im Straf- und Zivilprozess. Stämpfli. Bern.<br />
Rae, Sarah-Joy (2009): Tatort Familie – strafrechtliche Delikte im Kreis der Familie und in der Partnerschaft.<br />
FamPra 3/2009. S. 579-604.<br />
Sachs, Josef (2009): Umgang mit Drohungen; vom Telefonterror bis Amoklauf. Orell Füssli Verlag. <strong>Zürich</strong>.<br />
Scheidegger, Alexandra (2006): Minderjährige als Zeugen und Auskunftspersonen im Strafverfahren.<br />
Schulthess. <strong>Zürich</strong>.<br />
Schwander, Marianne (2010): Das Opfer im Strafrecht. Aktuelles und potenzielles Opfer zwischen Recht,<br />
Psychologie und Politik. Haupt Verlag. Bern.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 11
Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />
Steiner, Silvia (2004): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: Erscheinungsformen, Ausmass und polizeiliche Bewältigungsstrategien<br />
in der Stadt <strong>Zürich</strong> 1999-2001. Rüegger. <strong>Zürich</strong>, Chur.<br />
Weishaupt, Eva (1998): Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Opferhilfegesetzes (OHG), unter<br />
besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen auf das Zürcher Verfahrensrecht. Schulthess. <strong>Zürich</strong>.<br />
Weishaupt, Eva (2004): Die Schweigepflicht nach Art. 4 OHG unter besonderer Berücksichtigung des<br />
Vorentwurfs. In: Bundesamt <strong>für</strong> Justiz (Hrsg.): Opferhilfe in der Schweiz, Erfahrungen und Perspektiven.<br />
Haupt. Bern.<br />
Weishaupt, Eva (2008): Die Ansprüche des Opfers im Adhäsions- und im Opferhilfeverfahren. In:<br />
Fellmann, Walter; Weber, Stephan (Hrsg.): Haftpflichtprozess. Have. <strong>Zürich</strong>. S. 113 – 162. ff.<br />
Wyss Sisti, Esther (2008): Strafprozessordnung. Die Rechte der Opfer. Plädoyer 1/2008. S. 34-39.<br />
Zoder, Isabel; Maurer, Gabriela (2006): Tötungsdelikte. Fokus <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - Polizeilich registrierte<br />
Fälle 2000-2004. Bundsamt <strong>für</strong> Statistik. Neuchâtel.<br />
5b. Gesetzesmaterialien zum Straf- und Strafprozessrecht<br />
Strafprozessordnung: Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dez. 2005. BBl<br />
2006. S. 1085-1576.<br />
Offizialisierung: Bericht der Kommission <strong>für</strong> Rechtsfragen des Nationalrates vom 28. Okt. 2002.<br />
BBl 2003. S. 1909-1936. Stellungnahme des Bundesrates vom 19. Feb. 2003. BBl 2003. S. 1937-1943.<br />
6. Migrationsrecht<br />
6a. Artikel zum Migrationsrecht<br />
Bertschi, Susanne (2009): Berücksichtigung <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in der aufenthaltsrechtlichen Praxis.<br />
FamPra 3/2009. S. 605-611.<br />
Dubacher, Claudia; Reusser, Lena (2011): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Migrantinnen. Schweizerische<br />
Beobachtungsstelle <strong>für</strong> Asyl- und Ausländerrecht. Bern.<br />
Frauenfragen 1/2005: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Migration. Bern.<br />
Morais, Julia (2011): Chancen und Grenzen von Integrationsvereinbarungen. Erste Erfahrungen eines<br />
Schweizer Pilotprojekts. SIAK - Journal. Zeitschrift <strong>für</strong> Polizeiwissenschaften und polizeiliche Praxis<br />
1/2011. Bundesministerium <strong>für</strong> Inneres. Wien. S. 16-26.<br />
Müller, Jörg Paul (2006): Menschenrechte und Grundrechte <strong>für</strong> alle. In: Schweizerisches Rotes Kreuz<br />
SRK, Departement Migration (Hrsg.): Sans-Papiers in der Schweiz. Unsichtbar - unverzichtbar. SRK.<br />
<strong>Zürich</strong>.<br />
Schefer, Markus; Šmid, Nicole (2006): Drohende häusliche <strong>Gewalt</strong> als Hindernis der Ausweisung und<br />
Auslieferung im Rahmen von Art. 3 EMRK. Gutachten Universität Basel. Asyl 2007. S. 1. 3-16.<br />
Schwertenleib, Marianne (2006): Begehrt aber unerwünscht. Illegalisierte Migrantinnen als Opfer von<br />
Frauenhandel. In Schweizerisches Rotes Kreuz SRK, Departement Migration (Hrsg.), Sans-Papiers in der<br />
Schweiz. Unsichtbar – unverzichtbar. SRK. <strong>Zürich</strong>.<br />
Spescha, Marc (2010): Die familienbezogene Rechtsprechung im Migrationsrecht (FZA/AuG/EMRK) ab<br />
September 2009 bis Ende August 2010. FamPra 4/2010. S. 857-882.<br />
Spescha, Marc (2009): Die familienbezogene Rechtsprechung im Migrationsrecht<br />
(ANAG/AuG/FZA/EMRK) ab August 2008 bis Ende August 2009. FamPra 4/2009. S. 991-1011.<br />
Spescha, Marc (2007): Migrationsabwehr im Fokus der Menschenrechte. Dike. <strong>Zürich</strong>.<br />
Spescha, Marc; Thür, Hanspeter; Zünd, Andreas; Bolzli, Peter (2008): Kommentar zum Migrationsrecht.<br />
Orell Füssli Verlag. <strong>Zürich</strong>.<br />
Spescha, Marc (2008): Lichtblicke im Dunkel des Ausländerrechts. Plädoyer 2/2008. S. 30-33.<br />
Übersax, Peter; Münch Peter; Geiser, Thomas; Arnold, Martin (2008): Ausländerrecht. Helbling und<br />
Lichtenhahn. Basel<br />
Widerspruch 51 (2006): Migration, Integration und Menschenrechte. Beiträge zu sozialistischer Politik.<br />
Heft 1/2006. <strong>Zürich</strong>.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 12
Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />
6b. Gesetzesmaterialien zum Migrationsrecht<br />
Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002. BBl 2002,<br />
S. 3709-3850.<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 13
Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen, November 2013<br />
904 Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen<br />
Bundesgesetze, Staatsverträge<br />
Die aktuelle Version der Staatsverträge und der Bundesgesetze kann unter www.admin.ch > Gesetzgebung<br />
> Systematische Sammlung (SR) abgerufen werden. Mit Hilfe der SR-Nummern können die entsprechenden<br />
Gesetze rasch gefunden werden. Die Bundesgesetze sind alle auf Deutsch, Französisch und<br />
Italienisch, einzelne auch auf Englisch verfügbar.<br />
AHVG<br />
ATSG<br />
AuG<br />
AVIG<br />
BetmG<br />
Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) vom 20. Dezember<br />
1946, SR 831.1<br />
Bundesgesetz über den Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober<br />
2000, SR 830.1<br />
Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (Ausländergesetz, AuG) vom<br />
16. Dezember 2005, SR 142.2<br />
Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und<br />
die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG), SR 837.0<br />
Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz,<br />
BetmG) vom 3. Oktober 1951, SR 812.121<br />
BGG Bundesgesetz über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) vom 17. Juni 2005,<br />
SR 173.100<br />
BGIAA<br />
BG-KKE<br />
BüG<br />
CEDAW<br />
ELG<br />
EMRK<br />
EÜ<br />
Bundesgesetz über das Informationssystem <strong>für</strong> den Ausländer- und den Asylbereich<br />
(BGIAA) vom 20. Juni 2003, SR 142.51<br />
Bundesgesetz über internationale Kindesentführung und die Haager Übereinkommen zum<br />
Schutz von Kindern und Erwachsenen vom 21. Dezember 2007, SR 211.222.32<br />
Bundesgesetz vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer<br />
Bürgerrechts (Bürgerrechtsgesetz, BüG), SR 141.0<br />
(Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women)<br />
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, abgeschlossen<br />
am 18. Dezember 1979, in Kraft getreten <strong>für</strong> die Schweiz am 26. April 1997, SR 0.108<br />
BG über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung<br />
vom 6. Oktober 2006, SR 831.30<br />
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten EMRK vom 4. Nov.<br />
1950, SR 0.101<br />
Europäische Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen<br />
über das Sorgerecht <strong>für</strong> Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts vom<br />
20. Mai 1980, Inkraftsetzung 1. Januar 1984, SR 0.211.230.01<br />
FamZG Bundesgesetz über die Familienzulagen (Familienzulagengesetz) vom 24. März 2006,<br />
SR 836.2<br />
FZA<br />
GgV<br />
HKsÜ<br />
Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen<br />
Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit.<br />
Abgeschlossen am 21. Juni 1999, von der Bundesversammlung genehmigt am 8. Oktober<br />
1999, Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 16. Oktober 2000<br />
In Kraft getreten am 1. Juni 2002, SR 0.142.112.681<br />
Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen (GgV), SR 831.232.21 (mit<br />
Anhang „Liste der Geburtsgebrechen“)<br />
Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung,<br />
Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der<br />
Massnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996; Inkraftsetzung 1. Juli 2009,<br />
SR 0.211.231.011<br />
HKÜ Haager Kindesentführungsübereinkommen HKÜ: Haager Übereinkommens vom 25.<br />
Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung,<br />
Inkraftsetzung 1. Januar 1984, SR 0.211.230.02<br />
IPRG Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 18. Dezember 1987,<br />
SR 291<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 904 / 1
Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen, November 2013<br />
IVG Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG) vom 19. Juni 1959, SR 831.20<br />
KRK Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UNO-Kinderrechtskonvention) vom 20.<br />
November 1989; In Kraft getreten <strong>für</strong> die Schweiz am 26. März 1997, SR 0.107<br />
KVG Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung, SR. 832.10<br />
KLV Krankenpflege-Krankenleistungsverordnung (KLV) vom 29. Sept. 1995, SR 832.112.31<br />
MSA<br />
Haager-Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende<br />
Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961,<br />
Inkraftsetzung am 4. Feb. 1969, SR 0.211.231.01<br />
MG Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung vom 3. Feb. 1995, SR 510.10<br />
MStGB Militärstrafgesetzes vom 13. Juni 1927, SR 321.0<br />
OHG<br />
Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten<br />
(Opferhilfegesetz, OHG), SR 312.5<br />
OHV Opferhilfeverordnung, OHV vom 27. Februar 2008, SR 312.5.1<br />
OR Obligationenrecht, SR 220<br />
PartG Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, SR 211.231<br />
StGB Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937, SR 311.0<br />
StPO Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, SR. 312.0<br />
SVG Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG), SR 741.01<br />
UNO Pakt II<br />
VIntA<br />
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, abgeschlossen in New York<br />
am 16. Dezember 1966, in Kraft getreten <strong>für</strong> die Schweiz am 18. September 1992,<br />
SR 0.103.2<br />
Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern<br />
(VIntA) vom 24. Oktober 2007, SR 142.205<br />
VOSTRA Verordnung über das Strafregister vom 29. September 2006, SR 331<br />
VO<br />
Kinderschutz<br />
Verordnung über Massnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie zur<br />
Stärkung der Kinderrechte vom 11. Juni 2010, SR 311.039.1<br />
VPPA VO über die persönliche Ausrüstung der Armeeangehörigen vom 5. Dez. 2003,<br />
SR 514.10<br />
VVG<br />
VZAE<br />
Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) vom<br />
2. April 1908 (Stand am 1. Januar 2011), SR 221.299.1.<br />
Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit<br />
(VZAE) vom 24. Oktober 2007, SR 142.201<br />
WG BG über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG) vom 20. Juni 1997,<br />
SR 514.14<br />
ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907, SR 210<br />
Gesetze des Kantons <strong>Zürich</strong>, LS<br />
Alle Zürcher Gesetze können unter www.zhlex.ch > „Loseblattsammlung“ (LS) abgerufen werden. Die<br />
Ordnungsnummer erleichtert das Auffinden.<br />
Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010, LS 251.3<br />
EG OHG Einführungsgesetz zum Opferhilfegesetz vom 25. Juni 1995, LS 341<br />
EG FamZG Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Familienzulagen vom 19. Januar 2009.<br />
LS 836.1<br />
EG KESR<br />
Einführungsgesetz zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht voom 26. Juni 2012, LS<br />
232.3<br />
EG ZGB Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 2. April 1911, LS 230.0<br />
GebV OG Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010, LS 211.11<br />
GesG Gesundheitsgesetz vom 2. April 2007, ZH, LS 810.1<br />
GOG<br />
Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess<br />
vom 10. Mai 2010, LS 211.1<br />
IDG Gesetz über die Information und den Datenschutz vom 12. Februar 2007, LS 170.4<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 904 / 2
Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen, November 2013<br />
JHG Gesetz über die Jugendhilfe(Jugendhilfegesetz) vom 14. Juni 1981, LS 852.1<br />
JHV Verordnung zum Jugendhilfegesetz vom 21. Oktober 1981, LS 852.11<br />
SHG Sozialhilfegesetz vom 14. Juni 1981 LS 851.1<br />
SHV Verordnung zum Sozialhilfegesetz vom 21. Oktober 1981, LS 851.11<br />
PolG Polizeigesetz vom 27. April 2007, LS 550.1<br />
POLIS VO Verordnung über das Polizei-Informationssystem vom 13. Juli 2005, LS 551.103<br />
StJVG Straf- und Justizvollzugsgesetz vom 19. Juni 2006, LS 221<br />
VRG Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons <strong>Zürich</strong> vom 24. Mai 1959, LS 175.2<br />
VSG Volksschulgesetz vom 7. Februar 2005, LS 412.100<br />
VSM Verordnung über die sonderpädagogischen Massnahmen vom 11. Juli 2007,<br />
LS 112.103<br />
VSV Volksschulverordnung vom 28. Juni 2006, LS 412.101<br />
WafVO Waffenverordnung vom 16. Dezember 1998<br />
WOSTA<br />
Diverses<br />
ABl<br />
Abs.<br />
AJB<br />
Art.<br />
BBl<br />
BFM<br />
BG<br />
BGE<br />
BGer<br />
Bst.<br />
BSV<br />
D-VRAG<br />
EGRM<br />
Weisungen der Oberstaatsanwaltschaft zum Vorverfahren<br />
Amtsblatt des Kantons <strong>Zürich</strong><br />
Absatz<br />
Amt <strong>für</strong> Jugend- und Berufsberatung der Bildungsdirektion des Kantons <strong>Zürich</strong><br />
Artikel<br />
Bundesblatt, publiziert auf www.admin.ch<br />
Bundesamt <strong>für</strong> Migration<br />
Bundesgesetz<br />
Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts<br />
Bundesgerichtsentscheide, publiziert auf www.bger.ch<br />
Buchstabe<br />
Bundesamt <strong>für</strong> Sozialversicherung<br />
The Domestic Violence Risk Appraisal Guide<br />
Europäischer Menschenrechtsgerichtshof<br />
f. und der Folgende<br />
ff.<br />
FFE<br />
FU<br />
i.V.<br />
IRM<br />
IST<br />
JUV<br />
KAPO<br />
KESB<br />
KIZ<br />
kjz<br />
KRISTA<br />
lit.<br />
LS<br />
LSTA<br />
m.E.<br />
MA<br />
und die Folgenden<br />
Fürsorgerische Freiheitsentziehung (bis 31. Dez. 2012), neu FU<br />
Fürsorgerische Unterbringung<br />
in Verbindung mit<br />
Institut <strong>für</strong> Rechtsmedizin der Universität <strong>Zürich</strong><br />
Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
Amt <strong>für</strong> Justizvollzug<br />
<strong>Kantonspolizei</strong> <strong>Zürich</strong><br />
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />
Kriseninterventionszentrum<br />
Kinder- und Jugendhilfezentren<br />
Kriminalstatistik der Zürcher Polizeicorps (durch PKS ab 2009 abgelöst)<br />
litera<br />
Zürcher Gesetzessammlung (ZH-Lex), Loseblattsammlung<br />
Leitende Staatsanwältin, Leitender Staatsanwalt<br />
meines Erachtens<br />
Migrationsamt des Kantons <strong>Zürich</strong><br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 904 / 3
Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen, November 2013<br />
ODARA Ontario Domestic Assault Risk Assessment<br />
OSTA Oberstaatsanwaltschaft des Kantons <strong>Zürich</strong><br />
PCL-R Hare Psychopathy Checklist-Revised<br />
PE<br />
Prozessentschädigung<br />
PKS<br />
Eidgenössische Polizeikriminalstatistik<br />
POLIS Polizei Informationssystem<br />
PPD<br />
Psychiatrisch-Psychologischer Dienst<br />
PUK<br />
Psychiatrische Universitätsklinik <strong>Zürich</strong><br />
PV<br />
Postvention<br />
RRB<br />
Beschlüsse des Regierungsrates des Kantons <strong>Zürich</strong><br />
SR<br />
Systematische Sammlung des Bundesrechts; www.admin.ch/ch/d/sr/sr.html<br />
STA<br />
Staatsanwaltschaft<br />
STAPO Stadtpolizei <strong>Zürich</strong><br />
VB Vormundschaftsbehörde (bis 31. Dez. 2012)<br />
VG<br />
Verfügung<br />
VGer Entscheide des Zürcher Verwaltungsgerichts, publiziert auf www.vger.ch<br />
VO<br />
Verordnung<br />
WINPO Stadtpolizei Winterthur<br />
WS<br />
Wohnsitz<br />
ZMG Zwangsmassnahmengericht<br />
IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 904 / 4