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Sind Wun<strong>der</strong> möglich?<br />

Sind Wun<strong>der</strong> möglich? – www.karl-leisner-jugend.de<br />

Wun<strong>der</strong> gehören zum Glauben an Gott und zur Religion "wie das Ei zum Huhn"... Deshalb<br />

gehört zur Kritik an den Religionen auch immer die Kritik am Wun<strong>der</strong>glaube: Wer den<br />

Glauben an Gott ablehnt, muss sich früher o<strong>der</strong> später mit den wun<strong>der</strong>baren Berichten<br />

auseinan<strong>der</strong>setzen, die es in allen Religionen gibt.<br />

Aber auch innerhalb <strong>der</strong> Religionen sind Wun<strong>der</strong> umstritten; <strong>der</strong> damalige Vorsitzende <strong>der</strong><br />

Kongregation für die Glaubenslehre in <strong>der</strong> katholischen Kirche, Kardinal Ratzinger, meinte<br />

in einem Interview, dass <strong>der</strong> kritische Umgang mit vielen angeblichen Wun<strong>der</strong>berichten <strong>der</strong><br />

größte Teil seiner Ar<strong>bei</strong>t im Vatikan ausmache - früher war das nicht so. Er fügte hinzu,<br />

dass mit <strong>der</strong> Ablehnung aller Übernatürlichkeit in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Zeit <strong>der</strong> unkontrollierte<br />

Glaube an alle möglichen Wun<strong>der</strong> zunehme.<br />

Die grundlegende Frage, ob es denn Wun<strong>der</strong> geben kann - o<strong>der</strong> eben nicht - ist in vielen<br />

Diskussionen nicht geklärt, und trotzdem gehen die Diskutanten voreilig in die zweite<br />

Runde: Ganz bestimmte (oft biblischen) Wun<strong>der</strong>berichte werden auf den Tisch gelegt und<br />

diskutiert. Da werden alle möglichen Theorien und Hypothesen aufgestellt: Ob das, was da<br />

berichtet wird, denn überhaupt ein Wun<strong>der</strong> sei o<strong>der</strong> vielleicht ganz natürlich zu erklären, ob<br />

<strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>-Bericht überhaupt glaubwürdig ist, ob da nicht Täuschungen und veraltete<br />

Weltbil<strong>der</strong> hinter stehen - und so weiter. Meistens kommen solche Diskussionen nicht weit,<br />

da die Voraussetzungen nicht geklärt wurden.<br />

Als logisch denken<strong>der</strong> Mensch (und eingefleischter Naturwissenschaftler) beginne ich also<br />

mit meiner Katechese, wo sich die meisten Menschen noch einig sind: In <strong>der</strong><br />

Naturwissenschaft. Und, damit wir nicht mitten im Thema anfangen, wollen wir zunächst<br />

aus naturwissenschaftlicher Sicht klären, was denn ein Wun<strong>der</strong> überhaupt ist.<br />

Noch eine Vorbemerkung: Das Thema "Wun<strong>der</strong>" kann theologisch o<strong>der</strong><br />

fundamental-theologisch behandelt werden. (Fundamentaltheologie beschäftigt sich mit<br />

<strong>der</strong> Begründung des Glaubens - nicht so sehr mit dem Glaubensinhalten selber.) In dieser<br />

Katechese soll auf die fundamental-theologische Frage "Sind Wun<strong>der</strong> möglich?" eine<br />

Antwort versucht werden.<br />

1. Was ist das überhaupt, ein Wun<strong>der</strong>?<br />

Den Begriff «Wun<strong>der</strong>» gibt es in allen möglichen Bedeutungen. So bezeichnen wir geniale<br />

menschliche Leistungen als Wun<strong>der</strong> («Die sieben Weltwun<strong>der</strong>» o<strong>der</strong> «Das Wun<strong>der</strong> von<br />

Bern»), wir reden <strong>bei</strong> einem glücklichen Ausgang einer Katastrophe vom Wun<strong>der</strong> («Das<br />

Wun<strong>der</strong> von Lengede»); beeindruckende Tatsachen aus Biologie («Die Wun<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Tierwelt»), Technik («Wun<strong>der</strong> <strong>der</strong> Technik») o<strong>der</strong> Geografie («Die Wun<strong>der</strong> dieser Welt»)<br />

werden genauso unter diesen Begriff gefasst wie ein persönliches Erlebnis, das uns sehr<br />

beeindruckt hat («ein wun<strong>der</strong>barer Tag»). Auch sehr unwahrscheinliche (meist glückliche)<br />

Ereignisse bekommen schnell das Wun<strong>der</strong>-Etikett («Kind stürzt aus dem 8. Stock und<br />

überlebt - Ein Wun<strong>der</strong>!»).<br />

Reden wir aber von den Wun<strong>der</strong> Jesu o<strong>der</strong> den Wun<strong>der</strong>n, die auf Fürsprache eines Heiligen<br />

geschehen, meinen wir von alledem nichts. Was aber genau solch ein Wun<strong>der</strong> meint, ist oft<br />

nicht eindeutig geklärt. Was hältst Du von <strong>der</strong> folgenden Definition: "Ein Wun<strong>der</strong> ist die<br />

(Unter-) Brechung <strong>der</strong> natürlichen Kausalkette" - tolle Definition, nicht wahr?<br />

Aber was ist damit gemeint?<br />

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Sind Wun<strong>der</strong> möglich? – www.karl-leisner-jugend.de<br />

Die natürliche Kausalkette<br />

Alles, was in unserer Welt geschieht, hat eine Ursache (eine Billardkugel rollt,<br />

normalerweise, nur dann, wenn sie angestoßen wurde). Alles, was in dieser Welt geschieht,<br />

hat allerdings auch eine Wirkung (eine rollende Billardkugel kann eine an<strong>der</strong>e Billardkugel<br />

anstoßen - o<strong>der</strong> eine Tasse Kaffee umstoßen - o<strong>der</strong> eine unschuldige Fliege überrollen...<br />

usw.). Aus diesem allgemeingültigen Ursache-Wirkung-Zusammenhang, in dem alle<br />

Ereignisse dieser Welt stehen, lassen sich nun Ketten bilden bzw. entdecken: So<br />

funktioniert ein Atomkraftwerk nur aufgrund <strong>der</strong> verketteten Reaktionen: Ein gespaltenes<br />

Uran-Atom setzt zwei Neutronen frei, die wie<strong>der</strong>um ein Uran-Atom spalten, die wie<strong>der</strong>um...<br />

Das ist so sehr berechenbar, das <strong>der</strong> Mensch sich zutraut, diese Kettenreaktion sogar zu<br />

kontrollieren (hoffen wir, dass er sich da nicht zu viel zutraut).<br />

Wie einfach solche Ursache-Wirkung-Ketten sein können, sehen wir zum Beispiel <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

Kettenreaktion aufwendig aufgestellter Dominosteine - erinnerst Du Dich noch an den<br />

DOMINO-DAY? (Übrigens beruht ein intelligentes PC-Spiel auf diesem Prinzip: «The<br />

Incredible Machine»; da<strong>bei</strong> gilt es, Geräte und Gegenstände so in Zusammenhang zu<br />

bringen, dass durch die vorhersehbare Kettenreaktion ein bestimmtes Ergebnis erzielt<br />

wird).<br />

Letztlich kann man nicht nur Ketten aufstellen, son<strong>der</strong>n alle Ereignisse dieser Welt in einem<br />

großartigen Ursache-Wirkung-Netz miteinan<strong>der</strong> verbunden sehen. Der französische<br />

Naturwissenschaftler Laplace schloss daraus, dass es sogar möglich sei, die gesamte<br />

Zukunft und Vergangenheit <strong>der</strong> Welt zu berechnen, wenn für einen beliebigen Augenblick<br />

die Zustände alle Teilchen dieser Welt exakt bestimmt sind: Dann lassen sich über den<br />

Ursache-Wirkung-Zusammenhang alle Ereignisse zu allen Zeiten schlicht berechnen.<br />

(Mo<strong>der</strong>ne Physiker sind da inzwischen etwas zurückhalten<strong>der</strong> - aber dazu später).<br />

Die Brechung <strong>der</strong> natürlichen Kausalkette<br />

Ein Wun<strong>der</strong> wäre - im strengen, naturwissenschaftlichen Sinn - ein Ereignis, von dem keine<br />

natürliche Ursache angenommen wird; also eine Wirkung, die nicht von einer natürlichen<br />

Ursache herleitbar ist. Ein Beispiel: Eine Billardkugel, die plötzlich anfängt zu rollen, obwohl<br />

sie zuvor vollkommen bewegungslos war, kann durch eine natürliche Ursache dazu<br />

angeregt worden sein (eine an<strong>der</strong>e Billardkugel hat sie gestoßen, ein Erdbeben hat den<br />

Tisch in Vibration versetzt, eine Windstoß... magnetische Kräfte... spontan auftretende<br />

Erdanziehung... usw.) - o<strong>der</strong> durch eine übernatürliche Ursache (durch Gedankenkraft,<br />

durch einen Geist, durch einen Engel... usw.).<br />

Entdecken wir eine natürliche Ursache, so ist die Behauptung, es handele sich hier<strong>bei</strong> um<br />

ein Wun<strong>der</strong>, wi<strong>der</strong>legt. Könnten wir beweisen, dass es sich hier<strong>bei</strong> um eine übernatürliche<br />

Ursache handelt, hätten wir den Paradefall eines Wun<strong>der</strong>s. Aber wahrscheinlich reicht auch<br />

schon <strong>der</strong> Beweis, dass <strong>bei</strong> dem angegeben Ereignis keine natürlich Ursache vorhanden ist.<br />

2. Lassen sich Wun<strong>der</strong> beweisen?<br />

Es gibt keinen "Nicht-Existenz-Beweis"<br />

Die Naturwissenschaften kennen allerdings keinen "Nicht-Existenz-Beweis". Mit an<strong>der</strong>en<br />

Worten: In den Naturwissenschaften kann die Existenz bestimmter Dinge, Energien o<strong>der</strong><br />

Objekte nachgewiesen werden - aber die Behauptung einer bislang unbewiesenen Existenz<br />

nicht wi<strong>der</strong>legt werden.<br />

Sollte ein Forscher behaupten, seinen Theorien zufolge müsse irgendwo auf <strong>der</strong> Welt<br />

grüngestreifte Pinguine leben - o<strong>der</strong> rosa Eisbären - so kann kein Kritiker ihn definitiv<br />

wi<strong>der</strong>legen. Wie sollte man auch beweisen, dass es keine grüngestreiften Pinguine gibt?<br />

Dass sie bisher noch nicht entdeckt sind, ist ja kein Gegenbeweis. Dass man sie nicht für<br />

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Sind Wun<strong>der</strong> möglich? – www.karl-leisner-jugend.de<br />

lebensfähig hält, ebenso wenig. Allerdings kann <strong>der</strong> Forscher, <strong>der</strong> die Existenz solcher<br />

bunten Zebra-Pinguine behauptet, die Existenz sehr leicht nachweisen: Er muss nur ein<br />

Exemplar fangen und <strong>der</strong> allgemeinen Forschung zur Verfügung stellen (wie zum Beispiel<br />

mit dem Quastenflosser o<strong>der</strong> dem Riesenpuma geschehen, nachdem zuvor keiner an ihre<br />

Existenz geglaubt hat). Deswegen ist die Haltung <strong>der</strong> Biologie zur Frage <strong>der</strong> Existenz von<br />

grüngestreiften Pinguinen ziemlich neutral: Solange kein Exemplar <strong>der</strong> grünstreifigen<br />

Pinguine <strong>der</strong> Forschung zur Verfügung steht, stellt sie lediglich fest: "Nach heutigem Stand<br />

<strong>der</strong> Wissenschaft gibt es für die Existenz von grünstreifigen Pinguinen keinen<br />

Anhaltspunkt." Ein Forscher, <strong>der</strong> so etwas schreibt, meint damit nicht: "Aber wir werden<br />

noch welche finden!"; und diese "vorsichtige" Formulierung wird auch nicht deshalb<br />

gewählt, weil sich alle noch Hoffnung machen, grüne Pinguine zu finden. Der Satz kann nur<br />

so und nicht an<strong>der</strong>s lauten, weil grundsätzlich je<strong>der</strong> Forscher weiß: Ein<br />

"Nicht-Existenz-Beweis" ist nicht möglich.<br />

Es gibt keine Untersuchung übernatürlicher Ursachen<br />

Natürlich kann die Naturwissenschaft nicht die übernatürliche Ursache selbst untersuchen -<br />

einen Geist o<strong>der</strong> einen Engel o<strong>der</strong> Dämon o<strong>der</strong> so etwas. Das liegt daran, dass die<br />

Naturwissenschaft sich - wie <strong>der</strong> Name schon sagt - auf den natürlichen Bereich <strong>der</strong> Welt<br />

beschränkt: Auf alles sichtbare, messbare o<strong>der</strong> quantifizierbare. Es wäre natürlich arrogant,<br />

wenn man daraus den Schluss ziehen würde, es gäbe nichts außerhalb <strong>der</strong> Natur, denn mit<br />

dem übernatürlichen Bereich ist ja nicht nur Gott und alles Religiöse gemeint, son<strong>der</strong>n auch<br />

die Seele des Menschen, sein Selbstbewusstsein und seine Freiheit.<br />

Lei<strong>der</strong> gibt es solche arrogante - o<strong>der</strong> vielleicht sollte man sie eher "beschränkt" nennen -<br />

forschen(den) Menschen. Aber nur wenige Materialisten sind bereit, ihre Behauptung, es<br />

gäbe nichts außerhalb <strong>der</strong> Naturwissenschaften, konsequent zu durchdenken. Denn daraus<br />

würde ja folgen, dass diese Forscher selbst nichts an<strong>der</strong>es sind als eine gut (o<strong>der</strong><br />

schlecht?) funktionierende biologische Maschine, die zu einer solchen Behauptung gar nicht<br />

fähig ist...<br />

Es gibt keine naturwissenschaftliche Beschreibung personaler Entscheidungen<br />

Dass ein Wun<strong>der</strong> nur in seiner "Nicht-Erklärbarkeit" von den Naturwissenschaften erfasst<br />

werden kann, liegt aber auch daran, dass es sich <strong>bei</strong> den übernatürlichen Ursachen um<br />

personale Wesen handeln soll.<br />

Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse werden zum großen Teil aus Experimenten<br />

gewonnen, die immer und überall unter den exakt beschriebenen, gleichen<br />

Voraussetzungen wie<strong>der</strong>holt, die gleichen Ergebnisse liefern müssen. Ein Wun<strong>der</strong> ist<br />

dadurch nicht fassbar, denn es geschieht eben nicht immer wie<strong>der</strong> unter den gleichen<br />

Bedingungen - sonst wäre es ja kein Wun<strong>der</strong>.<br />

Das ist ja genau das Problem, wenn ein Spukhaus auf "wissenschaftliche Weise" untersucht<br />

wird. Denn meistens genau zu diesem Zeitpunkt hat <strong>der</strong> "Geist" keine Lust, ist auf Urlaub<br />

o<strong>der</strong> <strong>bei</strong>m Einkaufen...<br />

... <strong>bei</strong> den Spukhäusern liegt deshalb <strong>der</strong> Verdacht nahe, dass die persönlichen Launen des<br />

Geistes eine bloße Ausrede sind, um die wissenschaftliche Überprüfung zu umgehen. Aber<br />

grundsätzlich ist das nichts Neues für den Naturwissenschaftler: Eine persönliche<br />

Entscheidung ist niemals naturwissenschaftlich fassbar - ganz gleich, ob es sich da<strong>bei</strong> um<br />

Geister, Dämonen o<strong>der</strong> um Tante Gisela handelt. Ob Hannibal tatsächlich über die Alpen<br />

elefantierte o<strong>der</strong> Jesus übers Wasser ging, ist allein deswegen kein Gegenstand <strong>der</strong><br />

Naturwissenschaften, weil es sich per se um einmalige personale Ereignisse handelte.<br />

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Sind Wun<strong>der</strong> möglich? – www.karl-leisner-jugend.de<br />

Fazit: Die Untersuchung <strong>der</strong> übernatürlichen Ursache<br />

entzieht sich also doppelt <strong>der</strong> Naturwissenschaft.<br />

Somit kann die Naturwissenschaft auch in <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>frage nur eine neutrale Position<br />

beziehen: Ob ein Ereignis ein Wun<strong>der</strong> ist, hängt davon ab, ob die Wissenschaft eine<br />

natürliche Ursache findet. Da grundsätzlich nicht beweisbar ist, dass keine natürliche<br />

Ursache existiert, kann ein Wun<strong>der</strong> auch nie endgültig "bewiesen" werden. Es bleibt immer<br />

nur <strong>der</strong> Schluss: "Nach heutigem Stand <strong>der</strong> Wissenschaft ist das betreffende Ereignis auf<br />

natürliche Weise nicht erklärbar." So lauten <strong>bei</strong>spielsweise die Abschlussberichte <strong>der</strong><br />

medizinischen Kommission in Lourdes, wenn eine Heilung als medizinisch nicht erklärbar<br />

eingestuft wird. Dass dieser Satz so klingt, als ob es morgen schon eine Wi<strong>der</strong>legung des<br />

Wun<strong>der</strong>s gibt, lässt nicht darauf schließen, dass sich die Wissenschaftler berechtigte (o<strong>der</strong><br />

unberechtigte) Hoffnungen machen. Der Satz kann nur so und nicht an<strong>der</strong>s lauten, weil ein<br />

"Nicht-Existenz-Beweis" nicht möglich ist.<br />

3. Naturgesetze und Gesetzesverstöße<br />

Was Hannibal, Julius Caesar, Jesus o<strong>der</strong> Tante Gisela tun o<strong>der</strong> nicht tun, ist<br />

naturwissenschaftlich we<strong>der</strong> vorhersagbar noch rekonstruierbar. Aber dennoch setzt die<br />

Naturwissenschaft den Handlungen von Personen doch Grenzen - die Naturgesetze, o<strong>der</strong>?<br />

Genau genommen sind Naturgesetze keine "Gesetze", wie wir sie kennen. Denn wenn es<br />

heißt, dass das Ball-Spielen auf den Parkwiesen verboten ist, bedeutet das ja nicht, das es<br />

Kin<strong>der</strong>n nicht möglich ist, dort einen Ball zu bewegen - probiert's nur aus, es geht. Im<br />

Gegensatz dazu ist ein Naturgesetz (wie z.B. das "Pauli-Verbot für Fermionen" o<strong>der</strong> das<br />

"Energie-Erhaltungsgesetz") keine Vorschrift, son<strong>der</strong>n eine Beschreibung, wie sich die<br />

Natur tatsächlich verhält.<br />

Veröffentlicht ein Forscher seine Forschungsergebnisse, in denen ein Naturgesetz verletzt<br />

wird, so werden die Kollegen ihn darauf hinweisen und sagen: Sorry, das kann alles nicht<br />

richtig sein, denn die Natur verhält sich, so wie wir wissen, nicht so.<br />

In diesem Sinne verstößt ein Wun<strong>der</strong> gegen die Naturgesetze - und zwar deshalb, weil dort<br />

etwas in <strong>der</strong> Natur geschieht, das sonst nicht geschieht. Entwe<strong>der</strong>, weil es extrem<br />

unwahrscheinlich ist, o<strong>der</strong> weil dort tatsächlich ein Gesetz verletzt wird (<strong>bei</strong>des liegt sehr<br />

nahe <strong>bei</strong>einan<strong>der</strong>, wie uns die Quantentheorie nahe legt - aber darauf will ich hier nicht<br />

näher eingehen).<br />

Die Behauptung, dass ein Phänomen, das gegen die Naturgesetze verstößt, nicht sein<br />

kann, ist nun wie<strong>der</strong> Ansichtssache: Wenn die Natur alles ist, was es gibt, dann liegt es auf<br />

<strong>der</strong> Hand, dass nichts die Natur dazu bewegen kann, sich gelegentlich an<strong>der</strong>s zu verhalten<br />

als gewohnt.<br />

Gibt es aber eine Wirklichkeit jenseits <strong>der</strong> messbaren Natur, dann spricht auch nichts<br />

dagegen, dass diese Übernatur sich bemerkbar macht.<br />

Genauso wenig können eindeutig belegte Wun<strong>der</strong> (wie z.B. in Lourdes, Fatima o<strong>der</strong><br />

Guadeloupe) die Frage nach Gott klären: Für einen Atheisten handelt es sich da<strong>bei</strong> nur um<br />

ein paar Lücken zusätzlich zu den ohnehin vorhandenen Lücken in <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />

Erkenntnis.<br />

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4. Der Lückenbüßer-Gott<br />

Sind Wun<strong>der</strong> möglich? – www.karl-leisner-jugend.de<br />

Somit können im naturwissenschaftlichen Sinne Wun<strong>der</strong> niemals bewiesen werden - und<br />

auch nicht zum naturwissenschaftlichen Beweis <strong>der</strong> Existenz Gottes herangezogen werden.<br />

Es gibt keinen naturwissenschaftlichen Beweis dafür, dass ein Wun<strong>der</strong> geschehen ist; es<br />

gibt immer nur ein "Wir können es nicht erklären" <strong>der</strong> Naturwissenschaftler mit einer<br />

gewissen Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Erklärung auch niemals gefunden wird.<br />

Wie groß allerdings die Chancen <strong>der</strong> Wissenschaften ist, ein momentan unerklärliches<br />

Ereignis demnächst ableiten zu können, ist schließlich wie<strong>der</strong> Ansichtssache. Im<br />

Zusammenhang mit Krebserkrankungen gibt es das Phänomen <strong>der</strong> "Spontan-Remissionen",<br />

<strong>der</strong> plötzlichen und unerklärlichen Rückbildungen von Krebsgeschwüren. Außerdem gibt es<br />

das Phänomen <strong>der</strong> hysterischen Krankheiten, die manchmal spontan und plötzlich wie<strong>der</strong><br />

geheilt werden können.<br />

Es wäre aber zu viel <strong>der</strong> Gutgläubigkeit, wenn daraus geschlossen wird, dass immer und<br />

überall spontane Heilungen je<strong>der</strong> Art auftreten können: Nun, da wir bis heute nicht genau<br />

wissen, warum eine "normale" Körperzelle plötzlich beginnt, sich unkontrolliert zu teilen und<br />

ein Geschwür zu bilden (wir kennen zwar auslösende Faktoren - wie zum Beispiel radioaktive<br />

Strahlung o<strong>der</strong> bestimmte krebserregende Stoffe - aber wir kennen den Mechanismus nicht),<br />

ist es nicht überraschend, dass wir den plötzlichen Abbruch des Krebs-Wachstums ebenso<br />

wenig erklären können.<br />

Da wir aber sehr genau wissen, wie ein Auge entsteht und ein Sehnerv funktioniert, wie die<br />

Tuberkulose wirkt und ein Bein wächst, ist es nicht nur unwahrscheinlich, son<strong>der</strong>n<br />

wi<strong>der</strong>spricht je<strong>der</strong> Erkenntnis, wenn ein zerstörtes Organ plötzlich und vollständig<br />

wie<strong>der</strong>hergestellt ist.<br />

Da<strong>bei</strong> darf <strong>der</strong> Glaube an Wun<strong>der</strong> kein Lückenbüßer für ungeklärte Ursachenforschung sein.<br />

Wo kämen wir hin, wenn <strong>bei</strong> je<strong>der</strong> ungeklärten Frage <strong>der</strong> Naturwissenschaft (z.B.: «Wir<br />

wissen zur Zeit nicht, wie das Aids-Virus entstanden ist») sofort eine übernatürliche<br />

Ursache angenommen wird («Dann muss Gott die Viren geschaffen haben»)? Wir wüssten<br />

heute wahrscheinlich nicht einmal, wie Ebbe und Flut entsteht («Gott schaukelt das Meer<br />

hin und her») o<strong>der</strong> warum Glas durchsichtig ist («Gott will, dass wir da hindurch schauen<br />

können»).<br />

Nein, das leuchtet ein: Ohne einen triftigen Grund ist es unverantwortlich, eine unbekannte<br />

Ursache im Übernatürlichen zu suchen.<br />

Der Lückenbüßer-Gott ist <strong>der</strong> Tod je<strong>der</strong> wissenschaftlichen Erkenntnis; und in gelehrten<br />

kirchlichen Kreisen hat es einen solchen Gott nie gegeben - auch nicht im Mittelalter<br />

(warum soll es eigentlich alles Schlechte dieser Welt ausgerechnet im Mittelalter gegeben<br />

haben...? Aber das gehört nicht hierher...). Der Lückenbüßer-Gott ist eher ein<br />

populistisches Phänomen, also eine Reaktion <strong>der</strong> Nicht-Wissenschaftler, des "gemeinen<br />

Volkes", die sich mit einer Wissenslücke nicht zufrieden geben wollten. Echten<br />

Forschernaturen war eine ungeklärtes Ereignis immer Ansporn zu weiteren<br />

Untersuchungen.<br />

5. Triftige Gründe, ein Wun<strong>der</strong> anzunehmen<br />

Es muss also, im Zusammenhang mit einem natürlich nicht erklärbarem Phänomen, einen<br />

triftigen Grund geben, die Suche nach einer natürlichen Ursache aufzugeben und eine<br />

übernatürliche Ursache anzunehmen. Ein solch triftiger Grund ist zum Beispiel <strong>der</strong> religiöse<br />

Kontext eines Ereignisses.<br />

Das mag Dich vielleicht verwun<strong>der</strong>n. Normalerweise vermuten wir, dass <strong>der</strong> religiöse<br />

Kontext eines Berichtes die Glaubwürdigkeit schmälert: «Da hat bestimmt jemand im<br />

religiösen Übereifer Halluzinationen gehabt...!» - o<strong>der</strong> dass <strong>der</strong> religiöse Kontext eine<br />

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Sind Wun<strong>der</strong> möglich? – www.karl-leisner-jugend.de<br />

wissenschaftliche Untersuchung meistens verhin<strong>der</strong>t. Aber nüchtern betrachtet ist das<br />

Gegenteil <strong>der</strong> Fall:<br />

Zum Beispiel würde ich den Bericht, unser lieber Herr Bundeskanzler hätte am Samstag<br />

morgen von 11.23 Uhr bis 11.24 Uhr zweiundzwanzig Zentimeter über den Boden<br />

geschwebt, als völlig abwegig abtun - warum sollte er das tun? In diesem Bericht läge für<br />

mich nichts Glaubwürdiges. Da je<strong>der</strong> sinngebende Kontext fehlt, würde ich nicht nur jeden,<br />

<strong>der</strong> mir davon erzählt, in seiner Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehen. Ich würde sogar, wenn<br />

ich es selbst gesehen hätte, mir die Augen reiben und eher an eine Sinnestäuschung<br />

glauben. Vermutlich kein ernstzunehmen<strong>der</strong> Wissenschaftler würde daraufhin eine<br />

Untersuchung beginnen.<br />

Wird aber von einer Wun<strong>der</strong>heilung in Lourdes berichtet, so erscheint (zumindest mir als<br />

gläubigen Katholik) dieser Bericht keineswegs als unqualifizierte Meldung, die in den<br />

Mülleimer gehört. Und obwohl <strong>der</strong> religiöse Kontext das Ereignis plausibel erscheinen lässt<br />

(da anstelle einer nicht sichtbaren natürlichen Ursache eine übernatürliche Ursache nicht<br />

abwegig ist), wird trotzdem je<strong>der</strong> Mediziner zu einer neutralen Untersuchung gerne bereit<br />

sein.<br />

Der religiöse Kontext erschließt die Glaubwürdigkeit des Berichtes und<br />

ermöglicht oft erst eine wissenschaftliche Untersuchung.<br />

Darin liegt auch <strong>der</strong> Unterschied <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong> im Raum des Christlichen zu den Berichten<br />

von Spukhäusern, Geistererscheinungen und Botschaften aus dem Jenseits. Während im<br />

Christlichen <strong>der</strong> religiöse Rahmen bereits feststeht und damit Kriterium für die Feststellung<br />

eines Wun<strong>der</strong>s sein kann, ist im nicht-religiösen Raum alles möglich. Kein Wun<strong>der</strong> also,<br />

dass in gewissen nichtchristlichen Kreisen <strong>der</strong> Glaube an Wun<strong>der</strong> vollkommen<br />

gleichberechtigt neben dem Glauben an UFOs, intelligentem Gemüse, Telekinese und<br />

Telepathie, Mondkalen<strong>der</strong>, Horoskope, Wünschelrutengängern und Wassera<strong>der</strong>n,<br />

Erdstrahlen und <strong>der</strong> Heilkraft von Edelsteinen, <strong>der</strong> Entführung durch Aliens, <strong>der</strong><br />

Kornkreiszeichen und <strong>der</strong> Kultur von Atlantis steht.<br />

Wer sich entschieden hat, die Vernunft über Bord zu werfen, wird schließlich alles glauben.<br />

Wer sich entschieden hat, <strong>der</strong> Welt eine religiöse Dimension zu geben, erweitert seine<br />

Vernunft um das Kriterium des Christlichen - und wird daher einen genaueren Begriff von<br />

Wirklichkeit entwickeln - und seine Vernunft behalten.<br />

6. Das Wun<strong>der</strong> als Selbstoffenbarung Gottes<br />

Die Frage stellt sich also: Warum soll es Wun<strong>der</strong> im Raum des christlichen Glaubens<br />

überhaupt geben?<br />

Es war die Aufklärung (eine geistige Strömung aus dem 18. Jahrhun<strong>der</strong>t - vor allem aus<br />

Frankreich kommend), die glaubte, die gesamte Wirklichkeit ohne ein Eingreifen Gottes<br />

erklären zu können. Alles, was geschieht, sei vollständig auf die eigenen, innerweltlichen<br />

Gesetzmäßigkeiten zurück zu führen - für Gott, Vorsehung und Gebetserhörungen war in<br />

dieser Welt kein Platz mehr.<br />

Allerdings versuchten die Denker <strong>der</strong> Aufklärung keineswegs, Gott selbst zu wi<strong>der</strong>legen -<br />

son<strong>der</strong>n nur sein Wirken in <strong>der</strong> Natur. Das sei, so behaupteten einige sogar, ein Gewinn für<br />

den Glauben: Die Welt, so glaubte man entdeckt zu haben, ist wie eine riesige Maschine -<br />

zum Beispiel wie ein hoch kompliziertes Uhrwerk. Gott, <strong>der</strong> Schöpfer <strong>der</strong> Welt, ist <strong>der</strong><br />

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Erbauer dieser Maschine und hat alles vorausgesehen, geplant und eingebaut. So wusste er<br />

bereits vor <strong>der</strong> Erschaffung <strong>der</strong> Welt, das zu einer bestimmten Zeit ein Mensch zu ihm<br />

beten werden, und deshalb hat er bereits in den Lauf <strong>der</strong> Welt eingebaut, dass dieses<br />

Gebet erhört wird (o<strong>der</strong> eben auch nicht). Was für ein genialer Gott! (Behaupten zumindest<br />

diese Art von Philosophen, die an einen Uhrmachergott glaubten - heute nennen wir sie<br />

"Deisten". Lamattrie schreib sogar ein Werk mit dem Titel "L'homme machine" - Der<br />

Mensch als Maschine).<br />

Demnach wäre ein Wun<strong>der</strong> - also ein Eingriff Gottes in die Natur, eine Verletzung <strong>der</strong><br />

Naturgesetze - ein peinlicher Moment in meinem Gottesglauben: Gott hat <strong>bei</strong>m Bau seiner<br />

Maschine etwas vergessen o<strong>der</strong> übersehen und muss nun in die Welt eingreifen, damit<br />

doch noch wie<strong>der</strong> alles nach Plan läuft. Was ist das für ein Uhrmacher, <strong>der</strong> jede Stunde<br />

seine Uhr für ein paar Minuten anhalten muss, damit sie noch richtig tickt. Was für ein<br />

billiger Gott!<br />

Goethe hat deshalb auch nur ein abschätzendes Urteil für die Wun<strong>der</strong>gläubigen übrig:<br />

Wun<strong>der</strong> seien "eine Lästerung gegen den großen Gott und seine Offenbarung in <strong>der</strong> Natur".<br />

Friedrich Paulsen, ein Berliner Philosoph, meint sogar: "Wun<strong>der</strong> und magische Wirkungen<br />

sind Dinge geworden, die für den Verstand etwas sehr Abstoßendes haben"; und Max Planck<br />

for<strong>der</strong>t, man solle "ehrlich und entschlossen dieses Hin<strong>der</strong>nis (den Wun<strong>der</strong>glauben), das dem<br />

mo<strong>der</strong>nen Menschen den Weg zum Christentum versperrt, aufgeben, um dadurch die Werte<br />

des Christentums für den heutigen Menschen und damit für die abendländische Kultur zu<br />

retten".<br />

Also, die Frage stellt sich: Hat Gott <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Erschaffung <strong>der</strong> Welt ein paar Sachen falsch<br />

geplant und muss korrigierend eingreifen?<br />

Zunächst ist die Auffassung, die Welt sei eine Maschine, längst wi<strong>der</strong>legt und ad acta<br />

gelegt. Zumindest die Physiker wissen Bescheid - es hat sich allerdings noch nicht in allen<br />

Bevölkerungsschichten herumgesprochen. Dass die alte, mechanistische Vorstellung <strong>der</strong><br />

Welt "endgültig als Irrtum erkannt wurde - das ist <strong>der</strong> Beitrag <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Naturforschung zu den Weltanschauungsfragen von heute" - schreibt <strong>der</strong> Atomphysiker<br />

Pascual Jordan.<br />

Zum an<strong>der</strong>en belegt ein Blick auf die Wun<strong>der</strong>, von den wir wissen, dass <strong>der</strong>en Sinn nicht<br />

die Korrektur einer Wirklichkeit ist - son<strong>der</strong>n dem Glauben <strong>der</strong> Menschen dienen soll. Wenn<br />

ein Wun<strong>der</strong> geschieht, dann nicht, weil Gott einsieht, dass die Wirklichkeit<br />

korrekturbedürftig ist, son<strong>der</strong>n weil er Menschen zum Glauben führen will, keimhaft<br />

vorhanden Glauben stärken und festen Glauben krönen möchte.<br />

Wun<strong>der</strong> geschehen nicht an fernen, menschenleeren Orten, in vollautomatisierten<br />

Stellwerken o<strong>der</strong> Computerzentralen, son<strong>der</strong>n sie geschehen am Menschen. Gott wirkt, um<br />

uns <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Suche nach Ihm zu helfen: In seinen Wun<strong>der</strong>n offenbart er sich dem, <strong>der</strong><br />

glauben will.<br />

Deshalb sprechen wir <strong>bei</strong> den Wun<strong>der</strong>n Gottes von "Selbstoffenbarungen": Gott zeigt<br />

exemplarisch, wer er ist und was er tut. Das wird beson<strong>der</strong>s deutlich an den Wun<strong>der</strong>n, die<br />

uns von Jesus überliefert sind:<br />

Blinde sehen wie<strong>der</strong>, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören (Mt 11, 5), Jesus<br />

heilte jegliche Krankheit und jegliches Gebrechen (Mt 9, 35). Gott schenkt uns Licht <strong>der</strong><br />

Erkenntnis, er öffnet uns die Augen für das unsichtbare. Er heilt den Menschen, weil er unser<br />

körperliches und vor allem seelisches Heil will.<br />

Er wandelte Wasser in Wein und speiste 5000 Männer mit fünf Broten und zwei Fischen<br />

(Mk 6, 38) - Gott erhält unser Leben und schenkt uns die Nahrung, er ist <strong>der</strong> Gott unseres<br />

Lebens, ohne ihn verhungern wir.<br />

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Er stillt den Sturm, <strong>der</strong> die Jünger bedroht (Mt 8, 26), er gebietet über die Kräfte <strong>der</strong> Natur<br />

und geht über den See Gennesaret (Mt 14, 25) - Gott ist <strong>der</strong> Herr <strong>der</strong> Welt, Er hat sie<br />

erschaffen und lenkt sie. Keine Kraft <strong>der</strong> Natur kann Ihn erschüttern.<br />

Er wusste, was die Menschen dachten, kannte ihre Gedanken und ihr Herz (Lk 5,22) -<br />

Gott kennt unsere Gefühle, Ängste, Hoffnungen, er hört, wenn wir zu ihm rufen.<br />

Er erweckte Tote wie<strong>der</strong> zum Leben (Joh 11, 44) und stand nach seinem eigenen Tod drei<br />

Tage später zu neuem Leben auf (Mt 28, 7) - Gott ist <strong>der</strong> Herr des Lebens, nicht einmal <strong>der</strong><br />

Tod kann uns von ihm trennen. Nach diesem Leben ruft er uns zu einem neuen, an<strong>der</strong>en<br />

Sein.<br />

Wohlgemerkt, Gott will mit seinem Wun<strong>der</strong>n keinen, <strong>der</strong> nicht glauben möchte,<br />

überzeugen. Im amüsanten Buch "Das Wun<strong>der</strong> des Malachias" erzählt Chesterton die<br />

Geschichte eines fliegenden Bordells, mit dem Pater Malachias seinen ungläubigen<br />

Mitbru<strong>der</strong> bekehren will. Lei<strong>der</strong> muss er feststellen, dass sogar di Gäste des Bordells, die<br />

Augenzeugen des Wun<strong>der</strong>s waren, nicht daran glauben wollen (und übrigens trotzdem<br />

Schadensersatz vom armen Pater Malachias for<strong>der</strong>n). Nein, Wun<strong>der</strong> überzeugen nicht den,<br />

<strong>der</strong> nicht glauben will. Aber sie können den, <strong>der</strong> Gott ehrlich sucht, ergreifen. Das ist wie<br />

mit dem Blumenstrauß, den ein Mann seiner Frau nach einem Streit schenkt: Die Blumen<br />

können die, die nicht verzeihen will, nicht dazu bringen, an die Reue des Mannes zu<br />

glauben. Bin ich aber bereit, zu vergeben, und suche nach einem Zeichen <strong>der</strong> Reue, dann<br />

ist <strong>der</strong> Strauß Blumen ein eindeutiges Zeichen.<br />

So sind die Wun<strong>der</strong> Gottes keine Korrekturen eines vergesslichen Gottes, son<strong>der</strong>n<br />

Liebesbeweise an den, <strong>der</strong> lieben möchte.<br />

7. Warum dann nicht noch viel mehr Wun<strong>der</strong>?<br />

Nun, aufmerksame und kritische Leser können jetzt natürlich zu recht fragen: Wenn Gott<br />

sich durch Wun<strong>der</strong> offenbart, damit wir glauben - na, warum stellt er sich nicht direkt auf<br />

den Marktplatz - am besten vor laufenden Fernsehkameras mit Live-Übertragung in alle<br />

Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Welt - und führt ein Wun<strong>der</strong> nach dem an<strong>der</strong>en auf. Das wäre doch etwas<br />

handfestes! (Dieser Vorschlag wird übrigens auch im Musical "Jesus Christ Superstar"<br />

gemacht - bezeichnen<strong>der</strong>weise von Judas, <strong>der</strong> Jesus vorhält, alles falsch gemacht zu<br />

haben).<br />

Ich habe vor einiger Zeit mit meiner kleinen Nichte Verstecken gespielt. Für mich als<br />

Verstandesmensch eine echte Herausfor<strong>der</strong>ung: Wie soll man verstecken spielen mit einem<br />

Kind, das sich versteckt und noch aus seinem Versteck heraus ruft, wo man es finden<br />

kann? Ein seltsames Verhalten. Aber meiner Nichte kam eben es nicht auf das perfekte<br />

Versteck an. Son<strong>der</strong>n an <strong>der</strong> Tatsache, dass ich es suche, erkennt es, dass es wichtig ist.<br />

So ähnlich ist das auch für unseren Gott: For<strong>der</strong>t man ihn (wie zu einem Duell) heraus, so<br />

versteckt er sich wie ein kleines Kind. Er macht sein Versteck sehr einfach, denn es kommt<br />

ihm darauf an, zu erkennen: Wer sucht mich eigentlich? Wer will eigentlich wirklich eine<br />

Antwort? Will <strong>der</strong>, <strong>der</strong> die Frage gestellt hat, nur Recht behalten und mich bloßstellen -<br />

o<strong>der</strong> sucht er wirklich eine Antwort?<br />

Gott befriedigt mit seinen Wun<strong>der</strong>n nicht unsere Sensationslust; wer ein Wun<strong>der</strong> for<strong>der</strong>t,<br />

bevor er glauben will, wird leicht leer ausgehen. Denn Glauben heißt vertrauen. Und Gott<br />

will unser Vertrauen - nicht unseren Applaus: "Das war aber ein schönes Wun<strong>der</strong>! Fein,<br />

aber - was machen wir jetzt? Geh’n wir zu McDonalds."<br />

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Rabbi Baruchs Enkel, <strong>der</strong> Knabe Jechiel, spielte einst mit einem an<strong>der</strong>en Jungen verstecken.<br />

Er verbarg sich gut und wartete, dass ihn sein Freund suche. Als er lange gewartet hatte,<br />

kam er aus dem Versteck, aber <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e war nirgends zu sehen. Nun merkte Jechiel, dass<br />

jener ihn von Anfang an nicht gesucht hatte. Darüber musste er weinen, kam weinend in die<br />

Stube seines Großvaters gelaufen und beklagte sich über seinen bösen Spielgenossen. Da<br />

musste auch <strong>der</strong> Rabbi weinen, er rieb sich die Augen und sagte: "So spricht auch Gott: 'Ich<br />

verberge mich, aber keiner will mich suchen'".<br />

Auch heute geschehen noch Wun<strong>der</strong><br />

Auch heute geschehen noch Wun<strong>der</strong>, und dass nicht nur in verborgenen Kämmerchen o<strong>der</strong><br />

entlegenen Dörfern, weitab von allen Möglichkeiten <strong>der</strong> wissenschaftlichen Überprüfung.<br />

Vor allem in Lourdes sind die Bedingungen für Skeptiker ideal: Dort gibt es eine ständige<br />

Kommission unabhängiger Ärzte, von denen immer ein großer Teil Atheisten o<strong>der</strong><br />

zumindest nicht kirchlich gebundene Mediziner gemeldete Heilungen unmittelbar und<br />

eigenhändig überprüfen. Auch diese Untersuchungen kommen nicht zu dem gesicherten<br />

Ergebnis, dass es Wun<strong>der</strong> gibt; sie erklären lediglich, dass eine Heilung medizinisch nicht<br />

erklärbar ist. Die Kriterien zur Anerkennung einer "wun<strong>der</strong>baren", d.h. nicht erklärbaren<br />

Heilung sind so streng, dass von den über tausend gemeldeten Heilungen bis heute nur 55<br />

anerkannt wurden.<br />

Aus den Heiligsprechungsakten<br />

Aber Wun<strong>der</strong> sind nicht an solch beson<strong>der</strong>en Orte gebunden. In jedem Selig- o<strong>der</strong><br />

Heiligsprechungsverfahren muss ein Wun<strong>der</strong> gesichert sein, damit ein Kandidat (o<strong>der</strong> eine<br />

Kandidatin) offiziell liturgisch verehrt werden darf. Auch diese sogenannten<br />

Wun<strong>der</strong>prozesse sind strenge Verfahren, die übrigens zu einem großen Teil öffentlich<br />

gemacht wurden (z. B. in Wilhelm Schamonis Werk "Wun<strong>der</strong> sind Tatsachen"). Diese<br />

Wun<strong>der</strong>verfahren sind akribisch und umfangreich: Bei <strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong> Heilung eines<br />

taubstummen Jungen 1717 wurden 129 Zeugen verhört, die Akte umfasst 2934 <strong>bei</strong>dseitig<br />

beschriebene Blätter - also fast 6000 Seiten.<br />

In den Heiligsprechungsakten finden wir z.B.: Heilungen von verätzten Augen (1850), von<br />

Netzhautablösungen (1890), eines ausgelaufenen Auges (1921), weitere Blindenheilungen<br />

(1883, 1941, 1947); Heilung von verkrüppelten o<strong>der</strong> schwer verletzten Gliedmaßen,<br />

Rachitis (1891), Subluxation (1953), eine Verlängerung eines Beines (1710),<br />

Kin<strong>der</strong>lähmung (Poliomyelitis - 1923), Gicht (1736); Heilungen von stummen, tauben,<br />

taubstummen (1721, 1870, 1902, 1930), Knochenfraß (1933), von verdorrten Händen<br />

(1626, 1719), Hepatitis mit Eiteransammlung in <strong>der</strong> Gallenblase (1954), knochenlose Beine<br />

(1737), Epilepsie (1862) - und so weiter. Das überraschendste Wun<strong>der</strong> aber ist wohl das<br />

Wun<strong>der</strong> von Calanda - durch über 100 meist kritische Publikationen untersucht und<br />

geprüft: Dort wuchs 1640 <strong>der</strong> Spanier Miguel Juan Pellicer das rechte Bein nach, das ihm<br />

1637 amputiert worden ist. Bereits 1641 erschien eine wissenschaftliche Untersuchung u.a.<br />

mit den Vernehmungsprotokoll aller beteiligten Ärzte auf 533 Seiten.<br />

In einer sehr amüsanten Homepage - www.dittmar-online.net - behauptet <strong>der</strong> Verfasser,<br />

dass Wun<strong>der</strong> immer nur anerkannt werden, wenn alle Zeugen tot sind, so dass es keine<br />

Überprüfung mehr geben kann. Genau das Gegenteil ist wahr: Gibt es für das gefor<strong>der</strong>te<br />

Wun<strong>der</strong> keine lebenden Zeugen mehr - o<strong>der</strong> aber zu wenig - wird es nicht anerkannt.<br />

Wer nur ein wenig in diesen Akten blättert, wird erkennen, dass die Kirche keineswegs<br />

"wun<strong>der</strong>gläubig" ist, son<strong>der</strong>n äußerst skeptisch und kleinlich. Erst, wenn die Zeugen<br />

glaubwürdig und kompetent sind; das beschriebene selbst gesehen bzw. erlebt haben, <strong>bei</strong><br />

Heilungswun<strong>der</strong>n die Heilung plötzlich, vollkommen und dauerhaft ist; jede Vorteilsnahme<br />

ausgeschlossen ist und keine Aussage aufgrund von religiösen Übereifer, persönlicher<br />

Zuneigung, Begünstigung o<strong>der</strong> freundschaftlichen Gründen geschieht, ebenso wenig aus<br />

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Furcht o<strong>der</strong> Hass; dass nichts verschwiegen wird, noch das etwas Falsches eingeflochten<br />

wurde... erst dann - und noch nicht einmal immer dann - wird ein Wun<strong>der</strong> anerkannt.<br />

...die haben wir abgelehnt<br />

Der Glaube <strong>der</strong> Kirche begünstigt daher nicht - wie Skeptiker meinen - die Leichtgläubigkeit<br />

<strong>der</strong> Prüfenden, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> christliche Glaube ist ein Kriterium vor allem zum Ausschluss<br />

zahlreicher gut belegter, aber unsinnigeren Wun<strong>der</strong>.<br />

So wird in Rom die Geschichte eines Journalisten erzählt, <strong>der</strong> sich 1960 dem im Vatikan mit<br />

<strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>untersuchung beauftragten Sekretär gegenüber abfällig über Wun<strong>der</strong>berichte<br />

äußerte. Wenige Tage später überreichte <strong>der</strong> Sekretär dem Journalisten wortlos einen<br />

riesigen Stapel von Berichten und Zeugenaussagen. Nach dem <strong>der</strong> Journalist wochenlang<br />

diese Schriften studiert, musste er dem Sekretär gegenüber eingestehen, dass es nach<br />

menschlichen Ermessen an <strong>der</strong> Tatsächlichkeit <strong>der</strong> dort beschriebenen Ereignisse wohl<br />

keinen Zweifel mehr geben könne. Der Sekretär erwi<strong>der</strong>te ihm mit einem Lächeln: "...und<br />

da<strong>bei</strong> sind die Akten, die ich ihnen gegeben haben, doch nur die, die wir als mangelhaft<br />

abgelehnt haben."<br />

8. Fazit<br />

Halten wir schließlich fest: Wun<strong>der</strong> erschließen sich letztlich nur dem, <strong>der</strong> bereit ist, eine<br />

übernatürliche Ursache zu akzeptieren. Für einen reinen Materialisten, <strong>der</strong> nicht nur Gott,<br />

son<strong>der</strong>n jede nicht-materielle Existenz ablehnt, sind Wun<strong>der</strong> zwar auch überprüfbar. Er<br />

wird aber nur zu dem Schluss kommen, dass es sich <strong>bei</strong> den beschriebenen Phänomen um<br />

nicht erklärbare Ereignisse handelt.<br />

Erst <strong>der</strong> religiöse Kontext - die Bedeutung für den, <strong>der</strong> Glauben will o<strong>der</strong> eine Stärkung<br />

seines Glaubens erfährt - lässt das unerklärliche Ereignis zu einem Wun<strong>der</strong> werden. Denn<br />

nicht das Mirakulöse ist das Vergnügen Gottes, son<strong>der</strong>n unser liebevolles Vertrauen auf<br />

SEINE Wirk-lichkeit.<br />

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