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VGE 100.2012.155 - Kanton Bern

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<strong>100.2012.155</strong>U<br />

KEP/BAE/RAP<br />

Verwaltungsgericht des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong><br />

Verwaltungsrechtliche Abteilung<br />

Urteil vom 22. April 2013<br />

Verwaltungsrichter Müller, Abteilungspräsident<br />

Verwaltungsrichterin Steinmann<br />

Verwaltungsrichter Daum, Keller und Rolli<br />

Gerichtsschreiberin Barben<br />

ARGE Kleinkraftwerk Sousbach, bestehend aus:<br />

1. EWL Genossenschaft, handelnd durch die statutarischen Organe,<br />

Auf der Fuhren 438, 3822 Lauterbrunnen<br />

2. Axpo Power AG, handelnd durch die statutarischen Organe,<br />

Parkstrasse 23, 5401 Baden, c/o EWL Genossenschaft, Auf der<br />

Fuhren 438, 3822 Lauterbrunnen<br />

beide vertreten durch Rechtsanwalt …<br />

Beschwerdeführerinnen<br />

gegen<br />

BKW FMB Energie AG<br />

Viktoriaplatz 2, 3000 <strong>Bern</strong> 25<br />

vertreten durch Rechtsanwalt …<br />

Beschwerdegegnerin 1<br />

und<br />

<strong>Kanton</strong> <strong>Bern</strong><br />

handelnd durch den Grossen Rat, vertreten durch die Bau-, Verkehrs- und<br />

Energiedirektion, Amt für Wasser und Abfall, Reiterstrasse 11, 3011 <strong>Bern</strong><br />

Beschwerdegegner 2<br />

betreffend Wassernutzungskonzession Sousbach; Abweisung des Konzessionsgesuchs<br />

(Verfügung des Grossen Rates vom 26. März 2012)


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 2<br />

Sachverhalt:<br />

A.<br />

Am 30. Juni 2010 reichte die BKW FMB Energie AG (nachfolgend BKW)<br />

beim Amt für Wasser und Abfall des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> (AWA) ein Konzessionsgesuch<br />

ein für die Nutzung der Wasserkraft des Sousbachs in Lauterbrunnen<br />

auf der Strecke zwischen Schluuchi und Sandweidli. Die Arbeitsgemeinschaft<br />

(ARGE) Kleinkraftwerk Sousbach, bestehend aus der EWL<br />

Genossenschaft und der Axpo AG (heute Axpo Power AG), reichte am<br />

12. Mai 2011 ebenfalls ein Konzessionsgesuch ein für die Nutzung der<br />

Wasserkraft des Sousbachs zwischen Inhalti und Sandweidli. Da die beiden<br />

Gesuche zum Teil denselben Streckenabschnitt des Sousbachs betreffen,<br />

vereinigte das AWA die Konzessionsverfahren.<br />

Mit Beschluss vom 21. Dezember 2011 beantragte der Regierungsrat dem<br />

Grossen Rat des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong>, das Konzessionsverfahren für das Projekt<br />

der ARGE Kleinkraftwerk Sousbach fortzuführen und das Konzessionsgesuch<br />

der BKW abzuweisen (RRB 2175).<br />

Der Grosse Rat beschloss am 26. März 2012, das Konzessionsverfahren<br />

betreffend das Gesuch der BKW weiterzuführen, und wies das Konzessionsgesuch<br />

der ARGE Kleinkraftwerk Sousbach ab (Geschäft<br />

Nr. 2011.1816).<br />

B.<br />

Gegen diesen Beschluss haben die Mitglieder der ARGE Kleinkraftwerk<br />

Sousbach am 14. Mai 2012 Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben mit<br />

folgenden Rechtsbegehren:<br />

«1. Der Entscheid des Regierungsrates des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 21. Dezember<br />

2011 betreffend Nutzung der Wasserkraft des Sousbach<br />

(RRB 2175) sowie der Beschluss des Grossen Rats des <strong>Kanton</strong>s<br />

<strong>Bern</strong> vom 26. März 2012 (Geschäfts-Nr. 2011.1816) seien aufzuheben<br />

und es sei das Konzessionsverfahren, soweit es das Konzessionsgesuch<br />

der ARGE Kleinkraftwerk Sousbach, bestehend<br />

aus EWL Genossenschaft und Axpo AG, betrifft, weiterzuführen und<br />

das Konzessionsgesuch der BKW FMB Energie AG abzuweisen.


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 3<br />

2. Eventualiter seien der Entscheid des Regierungsrates des <strong>Kanton</strong>s<br />

<strong>Bern</strong> vom 21. Dezember 2011 betreffend Nutzung der Wasserkraft<br />

des Sousbach (RRB 2175) sowie der Beschluss des Grossen Rats<br />

des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 26. März 2012 (Geschäfts-Nr. 2011.1816)<br />

aufzuheben und die Angelegenheit sei zur Neubeurteilung im Sinne<br />

der Erwägungen an die Vorinstanz(en) zurückzuweisen.<br />

– unter Kosten- und Entschädigungsfolge –»<br />

Die BKW beantragt mit Beschwerdeantwort vom 19. Juli 2012, die Beschwerde<br />

sei abzuweisen, soweit auf sie einzutreten sei. Der Grosse Rat,<br />

vertreten durch das AWA, beantragt mit Vernehmlassung vom 16. Juli 2012<br />

die Abweisung der Beschwerde.<br />

Mit Schlussbemerkungen vom 11. Oktober 2012 und vom 14. Dezember<br />

2012 haben die ARGE Kleinkraftwerk Sousbach und die BKW an ihren<br />

Begehren festgehalten.<br />

Erwägungen:<br />

1.<br />

1.1 Anfechtungsgegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet der<br />

Beschluss des Grossen Rates vom 26. März 2012. Dieser erscheint zwar<br />

formal als (abgeänderter) Beschluss des Regierungsrats vom 21. Dezember<br />

2011, genehmigt vom Grossen Rat am 26. März 2012; dies ändert<br />

jedoch nichts daran, dass es sich um eine Verfügung des Grossen Rates<br />

handelt (vgl. Art. 14 Bst. d des Wassernutzungsgesetzes vom 23. November<br />

1997 [WNG; BSG 752.41] in der ursprünglichen Fassung vom<br />

23.11.1997 [BAG 97-139], in Kraft bis 31.7.2011; vgl. hinten E. 2.2). Soweit<br />

die Beschwerdeführerinnen auch die Aufhebung des Beschlusses des<br />

Regierungsrats beantragen, kommt ihrem Rechtsbegehren keine selbständige<br />

Bedeutung zu.<br />

1.2 Gemäss Art. 76 Abs. 1 Bst. a des Gesetzes vom 23. Mai 1989<br />

über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG; BSG 155.21) ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde<br />

unzulässig gegen Verfügungen und Entscheide


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 4<br />

des Grossen Rates und seiner Organe, soweit das Gesetz nichts anderes<br />

vorsieht. Art. 46 Abs. 2 WNG lässt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu<br />

gegen Verfügungen des Grossen Rates, die gestützt auf dieses Gesetz<br />

erlassen werden. Dies entspricht ebenfalls den Anforderungen an die<br />

Rechtsweggarantie gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (Art. 29a<br />

der Bundesverfassung [BV; SR 101]; Art. 86 Abs. 2 und 3 des Bundesgesetzes<br />

vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz,<br />

BGG; SR 173.110]; vgl. BGE 136 II 436 E. 1.3). Das Verwaltungsgericht<br />

ist daher zur Beurteilung der Beschwerde zuständig.<br />

1.3 Die angefochtene Verfügung beinhaltet nicht die Erteilung einer<br />

Konzession, sondern bestimmt lediglich, welches von zwei Konzessionsverfahren<br />

weitergeführt wird. Für die Beschwerdeführerinnen schliesst sie<br />

das Verfahren indessen ab, da ihr Konzessionsgesuch abgewiesen wird.<br />

Der angefochtene Akt stellt insoweit eine Teil- bzw. Endverfügung dar. Die<br />

Beschwerdeführerinnen haben am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen,<br />

sind durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und haben<br />

grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung<br />

(Art. 79 Abs. 1 VRPG). Unter Vorbehalt von E. 1.4 hiernach ist auf<br />

die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten.<br />

1.4 Die angefochtene Verfügung verpflichtet die Beschwerdegegnerin<br />

1 im Sinn einer Auflage dazu, «vor Abschluss des Konzessionsverfahrens<br />

für die Nutzung des Sousbachs dem EW Lauterbrunnen eine<br />

Offerte für eine Partnerschaft anzubieten. Die Konditionen sollen sich an<br />

der heutigen vertraglichen Vereinbarung orientieren. Dem EW Lauterbrunnen<br />

sollen keine finanziellen Nachteile erwachsen» (Ziff. 3). Von dieser<br />

Auflage sind die Beschwerdeführerinnen nicht direkt betroffen; sie werden<br />

dadurch weder verpflichtet noch in irgendeiner Form benachteiligt. Zu<br />

ihrem Interesse an der Anfechtung der Auflage bringen sie vor, die Beschwerdeführerin<br />

1 sei nicht bereit, eine Zusammenarbeit mit der Beschwerdegegnerin<br />

1 einzugehen; sie könne sich aber gegen deren Marktmacht<br />

nicht wehren und stehe aufgrund der lokalen Gegebenheiten besonders<br />

in der Pflicht, den Ausbau der Energieversorgung sicherzustellen. An<br />

diesen Umständen ändert die Auflage indessen nichts. Sollte die Auflage<br />

den Entscheid des Grossen Rates zu Gunsten der Beschwerdegegnerin 1


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 5<br />

beeinflusst haben (indem sie die Möglichkeit eröffnet, beide einheimischen<br />

Konkurrentinnen in das Vorhaben einzubinden), wäre dies als Einwand<br />

gegen die Abweisung des Konzessionsgesuchs der Beschwerdeführerinnen<br />

zu prüfen. Den Beschwerdeführerinnen fehlt somit das schutzwürdige<br />

Interesse an der Anfechtung der Auflage; in diesem Punkt ist auf die Beschwerde<br />

nicht einzutreten. Weitere Beweismassnahmen in diesem Zusammenhang<br />

erübrigen sich; der Antrag auf eine Parteibefragung wird daher<br />

abgewiesen.<br />

1.5 Das Verwaltungsgericht überprüft die angefochtene Verfügung auf<br />

Rechtsverletzungen hin (Art. 80 VRPG; vgl. auch hinten E. 4.2 f.). Da die<br />

Streitigkeit von grundsätzlicher Bedeutung ist, urteilt es in Fünferbesetzung<br />

(Art. 119 VRPG i.V.m. Art. 56 Abs. 2 Bst. a des Gesetzes vom 11. Juni<br />

2009 über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft<br />

[GSOG; BSG 161.1]).<br />

2.<br />

2.1 Die Verleihung von Wasserrechten steht der zuständigen Behörde<br />

desjenigen <strong>Kanton</strong>s zu, in dessen Gebiet die in Anspruch genommene<br />

Gewässerstrecke liegt (Art. 38 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 22. Dezember<br />

1916 über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte [Wasserrechtsgesetz,<br />

WRG; SR 721.80]). Das Verfahren für die Verleihung durch die<br />

<strong>Kanton</strong>albehörde wird unter Vorbehalt der Bestimmungen des WRG durch<br />

die <strong>Kanton</strong>e geregelt (Art. 60 Abs. 1 WRG). Für Wasserkraftanlagen, die<br />

der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegen, ist ein zweistufiges<br />

Verfahren durchzuführen (Art. 5 Abs. 2 und Anhang Ziff. 21.3 der Verordnung<br />

vom 19. Oktober 1988 über die Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

[UVPV; SR 814.011]). Im <strong>Kanton</strong> <strong>Bern</strong> entscheidet in der ersten Stufe die<br />

Konzessionsbehörde im Konzessionsbeschluss über die wesentlichen<br />

Elemente der Wassernutzung sowie die wesentlichen raum- und umweltrelevanten<br />

Aspekte; in der zweiten Stufe entscheidet das AWA als zuständige<br />

Stelle der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion (BVE) im Baubewilligungsverfahren<br />

über das Bauprojekt, indem es über die übrigen notwendigen<br />

Elemente, Bedingungen und Auflagen verfügt (Art. 19 WNG; Art. 4


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 6<br />

Abs. 1 und Anhang Ziff. 21.3 der kantonalen Verordnung vom 14. Oktober<br />

2009 über die Umweltverträglichkeitsprüfung [KUVPV; BSG 820.111]).<br />

2.2 Die Konzessionsgesuche der Beschwerdeführerinnen und der<br />

Beschwerdegegnerin 1 betreffen Anlagen mit einer installierten Leistung<br />

von 5,45 MW bzw. 9,5 MW (Vorprojekt ARGE, act. 4B, S. 3; Technischer<br />

Bericht BKW, act. 4C, S. 3, 24), die der UVP unterliegen (Art. 10a des<br />

Bundesgesetzes vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz [Umweltschutzgesetz,<br />

USG; SR 814.01]; Art. 1 und Anhang Ziff. 21.3 UVPV). Im<br />

Zeitpunkt der Einreichung der Gesuche am 30. Juni 2010 und 12. Mai 2011<br />

war der Grosse Rat zuständige Konzessionsbehörde für Anlagen mit einer<br />

maximal möglichen Leistung von über 3 MW (Art. 14 Bst. d WNG in der<br />

ursprünglichen Fassung vom 23.11.1997 [BAG 97-139], in Kraft bis<br />

31.7.2011). Seit 1. August 2011 ist er nur noch für Anlagen mit einer maximal<br />

möglichen Leistung über 10 MW zuständig (Art. 14 Abs. 1 Bst. d WNG<br />

in der Fassung vom 25.1.2011). Nach Ziff. 2 der Übergangsbestimmungen<br />

zur Änderung des WNG vom 25. Januar 2011 sind nur die Bestimmungen<br />

über die Zuständigkeit für unwesentliche Konzessionsänderungen auf hängige<br />

Konzessionsgesuche bereits anwendbar. Im Übrigen bleibt nach allgemeinen<br />

übergangsrechtlichen Grundsätzen die einmal begründete Zuständigkeit<br />

aber während des hängigen Verfahrens bestehen (vgl.<br />

BVR 2008 S. 481 E. 3.1.1; Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege,<br />

2. Aufl. 1983, S. 52 f., 75). Die Zuständigkeit des Grossen Rates zum Erlass<br />

der hier angefochtenen Verfügung war somit gegeben und wird auch<br />

nicht bestritten.<br />

2.3 Das Verfahren der Auswahl unter verschiedenen Bewerberinnen<br />

und Bewerbern um Verleihung einer Wasserrechtskonzession ist nicht gesetzlich<br />

geregelt. Art. 60 Abs. 3 bis WRG (in der Fassung vom 23.12.2011, in<br />

Kraft seit 1.7.2012) sieht vor, dass die Konzession ohne Ausschreibung<br />

verliehen werden kann. Die Verleihung hat in einem diskriminierungsfreien<br />

und transparenten Verfahren zu erfolgen. Dabei handelt es sich um allgemeine<br />

Grundsätze, an denen sich die Vergabebehörden bereits vor Inkrafttreten<br />

von Art. 60 Abs. 3 bis WRG zu orientieren hatten (Bericht der Kommission<br />

für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats vom<br />

21.2.2011 [nachfolgend: Bericht UREK-N], in BBl 2011 S. 2901 ff., 2910


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 7<br />

und 2913). Gemäss Art. 60 Abs. 2 WRG sollen die Gesuche um Verleihung<br />

veröffentlicht werden unter Ansetzung einer angemessenen Frist, während<br />

welcher wegen Verletzung öffentlicher oder privater Interessen Einsprache<br />

gegen die Verleihung erhoben werden kann. – Es ist unbestritten, dass die<br />

Auswahl zwischen den vorgelegten Projekten auf Vorprojektstufe – vor der<br />

Publikation des Gesuchs – erfolgen durfte. Dafür spricht auch die Praktikabilität.<br />

Dem besonderen wasserrechtlichen Auflage- und Einspracheverfahren<br />

kommt keine Rechtsmittelfunktion zu (Art. 60 Abs. 3 WRG;<br />

BGE 119 Ib 23 E. 2c/cc); es dient dazu, spätere Konflikte zwischen den<br />

Beliehenen und berührten Dritten möglichst zu vermeiden (BVR 2007<br />

S. 468, nicht publ. E. 1.2.1). Nach einer Publikation des Gesuchs sind am<br />

Verfahren unter Umständen auch Personen beteiligt, die von der Auswahl<br />

unter verschiedenen Bewerberinnen und Bewerbern nicht betroffen sind,<br />

etwa Umweltorganisationen. Zwar soll die Publikation nicht nur die Möglichkeit<br />

bieten, einem Projekt entgegenstehende Interessen und Rechte<br />

geltend zu machen, sondern auch anderen Personen ermöglichen, ihr<br />

eigenes Interesse an einer entsprechenden Konzession anzumelden. Doch<br />

ist für diese bereits aus der Statistik über die Wasserkraftanlagen der<br />

Schweiz (WASTA) sowie der Wassernutzungsstrategie 2010 des <strong>Kanton</strong>s<br />

<strong>Bern</strong> ersichtlich, wann welche Konzessionen erneuert und welche voraussichtlich<br />

neu erteilt werden (Bericht UREK-N, S. 2907; WASTA einsehbar<br />

unter: , Rubrik «Geobasisdaten»;<br />

Wassernutzungsstrategie 2010 einsehbar unter: ,<br />

Rubrik «Die Direktion», «Über die Direktion», «Dossiers»). Die Publikation<br />

dient daher nicht in erster Linie der Beteiligung allfälliger Mitbewerberinnen<br />

und Mitbewerber. Anders verhält es sich nach dem Entwurf für eine Änderung<br />

des WNG, der sich vor kurzem in der Vernehmlassung befand (vgl.<br />

RRB 1726 vom 5.12.2012): Er sieht vor, dass Gesuche künftig veröffentlicht<br />

werden, um allfälligen Konkurrentinnen und Konkurrenten zu ermöglichen,<br />

eigene Gesuche einzureichen. Derzeit besteht keine derartige Verpflichtung.<br />

Der grundsätzliche Ablauf des Verfahrens ist somit nicht zu beanstanden;<br />

dagegen werden auch keine Einwände erhoben.


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 8<br />

3.<br />

Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, ihr Anspruch auf rechtliches<br />

Gehör sei verletzt worden.<br />

3.1 Dazu bringen sie zunächst vor, die angefochtene Verfügung genüge<br />

den Anforderungen an die Begründungspflicht nicht.<br />

3.1.1 Die Begründungspflicht ist wesentlicher Bestandteil des Anspruchs<br />

auf rechtliches Gehör im Sinn von Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 26 Abs. 2 der<br />

Verfassung des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> (KV; BSG 101.1). Dieser verlangt, dass die<br />

Behörde die Vorbringen der vom Entscheid in ihrer Rechtsstellung betroffenen<br />

Person auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung<br />

berücksichtigt. Daraus folgt die Pflicht der Behörde, ihren Entscheid zu begründen.<br />

Den Umfang der Begründungspflicht bestimmt in erster Linie das<br />

kantonale Recht. Dieses entspricht weitgehend den vom Bundesgericht<br />

aufgestellten Grundsätzen; Art. 52 Abs. 1 Bst. b VRPG verlangt jedoch<br />

darüber hinaus die Begründung in der Verfügung selbst, wobei sie auch<br />

aus einem Verweis (z.B. auf ein Sitzungsprotokoll) bestehen kann (vgl.<br />

Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum bernischen VRPG, 1997,<br />

Art. 52 N. 5). Im Allgemeinen muss die Begründung zumindest so abgefasst<br />

sein, dass die Betroffenen die Verfügung oder den Entscheid gegebenenfalls<br />

sachgerecht anfechten können. Es müssen wenigstens kurz die<br />

Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen<br />

und auf die sich ihr Entscheid stützt (statt vieler BGE 136 I 229 E. 5.2,<br />

134 I 83 E. 4.1; BVR 2012 S. 109 E. 2.3.3). Der Anspruch auf rechtliches<br />

Gehör ist auch im Verfahren vor der Legislative zu beachten, wenn diese<br />

individuell-konkrete Hoheitsakte erlässt. Der konkrete Umfang des Gehörsanspruchs<br />

bestimmt sich allerdings auch hier aufgrund der konkreten Situation<br />

und der betroffenen Interessen; wesentliche Elemente zu seiner Bestimmung<br />

sind etwa das Rechtsschutzbedürfnis, die spezifische Struktur<br />

und Organisation der Legislative sowie die Natur der Streitsache. Wenn die<br />

Legislative materiell als Verwaltungsbehörde amtet, dürfen unter dem Gesichtspunkt<br />

des Gehörsanspruchs keine allzu hohen Anforderungen gestellt<br />

werden (BGE 119 Ia 141 E. 5c/dd; VGer ZH VB.2009.00083 vom 2.9.2009,<br />

E. 6.1; Michele Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 9<br />

Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Diss. <strong>Bern</strong> 2000,<br />

S. 181 ff.).<br />

3.1.2 Wie das Bundesgericht in BGE 135 I 113, E. 2.3, entschieden hat,<br />

ist es auch einem <strong>Kanton</strong>sparlament als politischer Behörde ohne weiteres<br />

möglich und zumutbar, seinen Entscheid zu begründen, etwa indem es den<br />

begründeten Antrag seiner Kommission oder einen begründeten Gegenantrag<br />

eines seiner Mitglieder annimmt und diesen damit samt Begründung<br />

zum Beschluss erhebt. Das Bundesgericht hat im erwähnten Entscheid auf<br />

seine Rechtsprechung zur Begründungspflicht bei Einbürgerungsentscheiden<br />

an Gemeindeversammlungen verwiesen: Demnach hat sich die Begründung<br />

aus den Wortmeldungen zu ergeben, wenn eine Gemeindeversammlung<br />

entgegen dem Antrag des Gemeinderats eine Einbürgerung<br />

verweigert (BGE 132 I 196 E. 3.1). Werden an der Gemeindeversammlung<br />

Gründe für die Ablehnung einer Einbürgerung genannt und wird darüber<br />

unmittelbar im Anschluss an die Diskussion abgestimmt, kann angenommen<br />

werden, dass die ablehnenden Gründe von der Mehrheit der Abstimmenden<br />

mitgetragen werden. In der Regel wird damit ein ablehnender Gemeindeversammlungsbeschluss<br />

hinreichend begründet werden können, so<br />

dass abgelehnte Bewerberinnen und Bewerber wissen, weshalb ihr Gesuch<br />

abgewiesen worden ist (BGE 130 I 140 E. 5.3.6). In solchen Konstellationen<br />

liegt formal eine hinreichende Begründung vor. Das Bundesgericht<br />

schliesst eine nachträgliche Präzisierung der Begründung nicht prinzipiell<br />

aus, erachtet aber das Nachschieben völlig neuer Gründe als unzulässig<br />

(BGE 138 I 305 E. 2.3).<br />

3.1.3 Diese Rechtsprechung kann auch im vorliegenden Fall herangezogen<br />

werden. Der Antrag des Regierungsrats sah vor, das Konzessionsverfahren<br />

für das Projekt der Beschwerdeführerinnen fortzuführen (Tagblatt<br />

des Grossen Rates 2012, Beilage 6). Der Grosse Rat ist nach ausführlicher<br />

Beratung von diesem Antrag abgewichen und dem Gegenantrag mehrerer<br />

Mitglieder gefolgt. Der Regierungsrat hat anschliessend die Verfügung<br />

ausgearbeitet, indem er die vorgebrachten Argumente stichwortartig und<br />

ungewichtet an die Stelle seiner gegenteiligen Ausführungen im Beschluss<br />

vom 21. Dezember 2011 gesetzt hat. E. 2.2 der angefochtenen Verfügung<br />

lautet wie folgt:


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 10<br />

«Der Grosse Rat zieht in Erwägung, dass<br />

a. der <strong>Kanton</strong> <strong>Bern</strong> mit 52 Prozent an der BKW beteiligt ist;<br />

b. das BKW-Projekt eine grössere Stromproduktion aufweist;<br />

c. die jährlichen Wasserzinsen für das BKW-Projekt um 105'000 Franken<br />

höher ausfallen als diejenigen für das Projekt der ARGE;<br />

d. das Vorhaben der BKW um 11 Millionen Franken höhere Investitionen<br />

generiert;<br />

e. das ARGE-Projekt einen Standort der Zentrale im roten Gefahrengebiet<br />

gemäss Art. 6 des kantonalen Baugesetzes vorsieht;<br />

f. von der BKW der Ausstieg aus dem Atomstrom gefordert wird;<br />

g. die BKW im Oberland wichtige Sportanlässe sponsert und damit<br />

lokal verankert ist.»<br />

Daraus ist ersichtlich, auf welche Gründe der Grosse Rat seinen Entscheid<br />

im Wesentlichen gestützt hat. Es handelt sich um eine Zusammenfassung<br />

der Wortmeldungen in der Ratsdebatte, die nach der bundesgerichtlichen<br />

Rechtsprechung als Begründung genügen können. Die Verfügung ist daher<br />

ohne weiteres im Verbund mit dem Ratsprotokoll zu lesen, auch wenn sie<br />

nicht ausdrücklich auf dieses verweist. Das Protokoll ist öffentlich einsehbar<br />

(Tagblatt des Grossen Rates 2012 S. 447 ff.), und sein Beizug bedeutet<br />

kein «Zusammensuchen» der Begründung in verschiedenen Dokumenten,<br />

wie die Beschwerdeführerinnen vorbringen. Aus dem Ratsprotokoll ist ersichtlich,<br />

dass die Befürworterinnen und Befürworter des BKW-Projekts im<br />

Wesentlichen übereinstimmend argumentiert haben; es kann deshalb davon<br />

ausgegangen werden, dass die aufgezählten Gründe – wenn auch mit<br />

unterschiedlichem Gewicht (dazu hinten E. 5) – zum Entscheid des Grossen<br />

Rates geführt haben. Die angefochtene Verfügung unter Beizug des<br />

Ratsprotokolls erfüllt somit die Anforderungen an eine rechtsgenügende<br />

Begründung; es war den Beschwerdeführerinnen möglich, sie sachgerecht<br />

anzufechten. Ob die vorgebrachten Argumente zutreffen, wird nachfolgend<br />

zu prüfen sein (hinten E. 5); das Recht auf einen begründeten Entscheid ist<br />

nicht gleichzusetzen mit dem Recht auf einen sachlich richtigen Entscheid<br />

(vgl. BGE 130 II 530 E. 4.3; BGer 2D_22/2012 vom 17.10.2012, E. 3.4;<br />

Michele Albertini, a.a.O., S. 360 und 405).<br />

3.1.4 Im Interesse grösserer Klarheit und Transparenz künftiger Entscheide<br />

ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Grosse Rat seiner Begründungspflicht<br />

auch in anderer Weise nachkommen könnte: So wäre es<br />

etwa denkbar, nach durchgeführter Beratung die zuständige Kommission


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 11<br />

oder das Ratssekretariat mit der Ausarbeitung einer Begründung zu beauftragen<br />

und diese anschliessend durch den Grossen Rat genehmigen zu<br />

lassen. Damit könnte dem Gewicht der einzelnen Argumente unter Umständen<br />

besser Rechnung getragen werden und sich der Beizug des<br />

Ratsprotokolls erübrigen.<br />

3.2 Die Beschwerdeführerinnen rügen weiter, ihnen sei die vollständige<br />

Akteneinsicht verwehrt worden; insbesondere hätten sie keine Einsicht<br />

in die nach der «Überweisung» des Geschäfts von der verfahrensleitenden<br />

Behörde AWA an den Grossen Rat produzierten Schriftstücke erhalten.<br />

3.2.1 Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst auch das Recht auf<br />

Akteneinsicht. Danach haben die Parteien Anspruch auf Einsicht in die<br />

Verfahrensakten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen<br />

deren Geheimhaltung erfordern (vgl. Art. 23 Abs. 1 VRPG). Das<br />

Einsichtsrecht bezieht sich auf alle Akten, die geeignet sind, Grundlage der<br />

Verfügung bzw. des Entscheids zu bilden. In verwaltungsinterne Akten<br />

muss praxisgemäss keine Einsicht gewährt werden. Als verwaltungsinterne<br />

Akten gelten dabei Unterlagen, denen für die Behandlung eines Falles kein<br />

Beweischarakter zukommt, weil sie ausschliesslich der verwaltungsinternen<br />

Meinungsbildung dienen und somit für den verwaltungsinternen Gebrauch<br />

bestimmt sind (z.B. Entwürfe, Anträge, Notizen, Mitberichte, Hilfsbelege<br />

usw.). Verwaltungsintern erstellte Berichte, Gutachten und Echtheitsprüfungen<br />

zu streitigen Sachverhaltsfragen sind demgegenüber nicht als<br />

verwaltungsinterne Akten zu qualifizieren. Für die Unterscheidung kommt<br />

es nicht auf die Einstufung der Akte als «internes Papier» an, sondern auf<br />

deren objektive Bedeutung für die verfügungswesentliche Sachverhaltsfeststellung<br />

(zum Ganzen BVR 2012 S. 252 E. 3.3.4 mit zahlreichen Hinweisen).<br />

3.2.2 Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, ihnen hätte Einblick<br />

in die Schriftstücke (Protokolle) der vorberatenden Kommission gewährt<br />

werden müssen. Diese dienen jedoch nicht der Sachverhaltsfeststellung,<br />

sondern der internen Meinungsbildung im Hinblick auf die Antragstellung<br />

an den Grossen Rat. Auch die Ratsmitglieder hatten nicht ohne weiteres<br />

Zugang zu den Kommissionsprotokollen (vgl. Art. 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung<br />

vom 9. Mai 1989 für den Grossen Rat [GO; BSG 151.211.1]), und


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 12<br />

die angefochtene Verfügung stützt sich nicht darauf. Die Protokolle stellen<br />

damit interne Akten im Sinn der Rechtsprechung dar, die nicht vor der<br />

Öffentlichkeit ausgebreitet werden sollen. Aus dem Anspruch auf rechtliches<br />

Gehör ergibt sich somit kein Recht auf Einsicht in diese Unterlagen<br />

(vgl. BGE 132 I 167, nicht publ. E. 1.2; vgl. auch BVR 2000 S. 1 E. 3d). Der<br />

Antrag der Beschwerdeführerinnen auf Edition dieser Protokolle wird daher<br />

abgewiesen.<br />

3.3 Die angefochtene Verfügung ist in formeller Hinsicht somit nicht zu<br />

beanstanden.<br />

4.<br />

4.1 Bei der Verleihung von Wasserrechten berücksichtigt die Behörde<br />

das öffentliche Wohl, die wirtschaftliche Ausnutzung des Gewässers und<br />

die an ihm bestehenden Interessen (Art. 39 WRG). Unter mehreren Bewerberinnen<br />

und Bewerbern gebührt denjenigen der Vorzug, deren Unternehmen<br />

dem öffentlichen Wohl in grösserem Mass dient und, wenn sie darin<br />

einander gleichstehen, denjenigen, durch deren Unternehmen für die wirtschaftliche<br />

Ausnutzung des Gewässers am besten gesorgt ist (Art. 41<br />

WRG). Zur Gewichtung dieser beiden Kriterien bestehen in der Literatur<br />

verschiedene Auffassungen: Gemäss Geiser/Abbühl/Bühlmann (Einführung<br />

und Kommentar zum WRG, 1921, Kommentar zu Art. 41, S. 173) ist das<br />

öffentliche Wohl vor allem massgebend und die wirtschaftliche Ausnutzung<br />

des Gewässers kommt erst in zweiter Linie in Betracht. Die Autoren halten<br />

fest, beim öffentlichen Wohl sei auf das ganze Landesinteresse Rücksicht<br />

zu nehmen; gleichzeitig führen sie aus, vor allem dürfe eine Gewässerstrecke,<br />

die für eine grosse Wasserkraftanlage in Frage komme, nicht<br />

durch eine oder mehrere Gemeinden unrationell ausgenutzt werden. Auf<br />

jeden Fall sei im Sinn von Art. 39 und 41 WRG auf alle berechtigten Interessen<br />

aller Bewerberinnen und Bewerber Rücksicht zu nehmen. Nach<br />

Jacques Fournier (Vers un nouveau droit des concessions hydroélectriques,<br />

Diss. Fribourg 2002, S. 304 ff.) handelt es sich um gleichwertige<br />

Kriterien; nach seiner Auffassung bemisst sich das öffentliche Interesse an<br />

einem Projekt nach dessen vorgesehener Energiebilanz unter Berücksich-


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Seite 13<br />

tigung der Ausnutzung des Gewässers. Neben dem öffentlichen Interesse<br />

an der Energieversorgung des Landes beeinflussen weitere öffentliche Interessen<br />

die Auswahl unter mehreren Bewerberinnen und Bewerbern: So<br />

Anliegen des Umweltschutzes oder der Raumplanung oder finanzielle Interessen<br />

des Gemeinwesens; Letztere können jedoch nicht allein entscheidend<br />

sein (vgl. auch Jacques Fournier, L'attribution d'une concession hydroélectrique,<br />

in RVJ 2003 S. 3 ff., 11 ff.).<br />

4.2 Öffentliches Wohl und wirtschaftliche Ausnutzung des Gewässers<br />

sind unbestimmte Gesetzesbegriffe (BGE 130 II 18 E. 3.3 S. 24<br />

[Pra 94/2005 Nr. 40]). Grundsätzlich ist es Aufgabe der Gerichte, derartige<br />

unbestimmte Gesetzesbegriffe im Einzelfall auszulegen und zu konkretisieren.<br />

Wenn aber die Gesetzesauslegung ergibt, dass der Gesetzgeber mit<br />

der offenen Normierung der verfügenden Behörde eine gerichtlich zu respektierende<br />

Entscheidungsbefugnis einräumen wollte und dies mit der<br />

Verfassung vereinbar ist, darf und muss sich das Gericht bei der Überprüfung<br />

zurückhalten (BGE 132 II 257 E. 3.2, 127 II 184 E. 5a/aa; vgl. auch<br />

Benjamin Schindler, Verwaltungsermessen, 2010, S. 363 ff., 367, 382 f.).<br />

4.3 Bei der Wassernutzungskonzession handelt es sich um die Verleihung<br />

des Rechts zur Sondernutzung einer öffentlichen Sache. Auf die Erteilung<br />

einer solchen Konzession besteht kein Rechtsanspruch (Art. 11<br />

Abs. 3 WNG; Peter M. Keller, Umwelt- und Energierecht, in Müller/Feller<br />

[Hrsg.], <strong>Bern</strong>isches Verwaltungsrecht, 2008, S. 539 ff., 561 N. 55 f.;<br />

Tschannen/Zimmerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2009,<br />

§ 45 N. 23 und 26). Die Konzessionserteilung ist (auch) ein politischer Akt<br />

(BGE 136 II 436 E. 1.3). Das zeigt sich insbesondere an der Zuständigkeitsordnung,<br />

indem für die Erteilung von Wasserkraftkonzessionen – je<br />

nach installierter Leistung – das AWA, die BVE, der Regierungsrat oder der<br />

Grosse Rat zuständig ist (Art. 14 Abs. 1 WNG; vorne E. 2.2). Konzessionsbeschlüsse<br />

des Grossen Rates unterliegen gemäss Art. 62 Abs. 1 Bst. d<br />

KV zudem der fakultativen Volksabstimmung. Damit ist gewährleistet, dass<br />

Konzessionen für bedeutendere Vorhaben von einer politisch legitimierten<br />

Instanz erteilt werden (BVR 2009 S. 341 E. 3.3). Daraus folgt, dass sich<br />

das Verwaltungsgericht bei der Überprüfung der politischen Komponente<br />

der Konzessionserteilung eine gewisse Zurückhaltung auferlegt, um den


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 14<br />

Gestaltungsspielraum der demokratischen Behörden nicht zu beschränken<br />

(vgl. Hansjörg Seiler, in Seiler/von Werdt/Güngerich [Hrsg.], Handkommentar<br />

BGG, 2007, Art. 86 N. 24). Dies muss insbesondere gelten, wenn<br />

der Grosse Rat zuständige Konzessionsbehörde ist (vgl. zum Ganzen<br />

weiterführend Daniel Kolb, Grossprojekte als Demokratieproblem, Diss.<br />

Zürich 1998, insbesondere S. 86 f. und 179 f.).<br />

5.<br />

Die Beschwerdeführerinnen sind der Ansicht, dass der rechtserhebliche<br />

Sachverhalt zwar von der verfahrensleitenden Behörde und dem Regierungsrat<br />

ausreichend und richtig festgestellt worden ist. Sie machen aber<br />

geltend, der Grosse Rat habe im Rahmen seiner Entscheidfindung auf unrichtige<br />

Sachverhaltselemente abgestellt und nach sachfremden Kriterien<br />

entschieden.<br />

5.1 Zu den beiden Konzessionsgesuchen ist den Akten Folgendes zu<br />

entnehmen:<br />

5.1.1 Gemäss dem technischen Bericht vom 30. Juni 2010 (S. 3, 10 f.,<br />

23 f.; act. 4C) beabsichtigt die BKW, mit ihrem Projekt die Gefällsstufe zwischen<br />

Schluuchi (unterhalb des Souslägers) und Sandweidli (Einmündung<br />

in die weisse Lütschine) mit einer Bruttofallhöhe von 826 m zu nutzen. Die<br />

vorgesehene Ausbauwassermenge beträgt 1,4 m 3 /s; das Wasser soll über<br />

einen rund 2,5 km langen Druckleitungsstollen zur Turbine in einer Zentrale<br />

am rechten Ufer bei Sandweidli geführt werden. Mit 9,5 MW installierter<br />

Leistung wird eine durchschnittliche Jahresproduktion von 24,7 GWh erwartet.<br />

Die Anlagekosten werden auf rund Fr. 36 Mio. veranschlagt, die<br />

mittleren Gestehungskosten für die produzierte Energie über 80 Jahre Betriebs-<br />

und Konzessionsdauer sollen sich auf 11,5 bis 12 Rp./kWh belaufen.<br />

5.1.2 Die ARGE Kleinkraftwerk Sousbach hingegen möchte mit ihrem<br />

Projekt das Gefälle zwischen Inhalti (unterhalb des Zusammenflusses des<br />

Sousbachs und des Sulsbachs) und Sandweidli mit einer Bruttofallhöhe<br />

von 479 m nutzen. Die Zentrale ist am rechten Ufer in einer hochwasser-


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 15<br />

gefährdeten Zone vorgesehen. Bei einer Ausbauwassermenge von<br />

1,4 m 3 /s und einer Nennleistung von 5,45 MW erwartet die ARGE eine<br />

Jahresproduktion von 18,6 GWh. Die Anlagekosten sollen sich auf<br />

Fr. 25 Mio., die Gestehungskosten für die produzierte Energie auf<br />

12 Rp./kWh belaufen. Die ARGE weist darauf hin, dass die Anlage um eine<br />

kleinere Stufe oberhalb des Fassungsstandorts, zwischen Schluuchi und<br />

Inhalti, erweitert werden könnte: Dort könnte eine zusätzliche Bruttofallhöhe<br />

von 321 m genutzt und bei einer Ausbauwassermenge von 1,0 m 3 /s und<br />

einer Nennleistung von 2,6 MW die Jahresproduktion um 9,3 GWh gesteigert<br />

werden; dies mit Anlagekosten von Fr. 13,4 Mio. und Gestehungskosten<br />

für die produzierte Energie von 13,5 Rp./kWh (Vorprojekt Kleinkraftwerk<br />

Sousbach, Dossier Konzessionsvoranfrage, act. 4B, S. 3, 25, 32).<br />

5.2 Am 14. Dezember 2011 hat der Regierungsrat die «Verwaltungsverordnung<br />

zum Vorgehen bei mehreren Bewerbern um Erteilung einer<br />

Konzession zur Nutzung der Wasserkraft» erlassen (RRB 2097; Akten<br />

AWA [act. 4D] 4). Diese sieht vor, dass nach den Entscheidkriterien von<br />

Art. 41 WRG vorab auf das öffentliche Wohl und sodann auf die wirtschaftliche<br />

Ausnutzung des Gewässers abzustellen ist (Ziff. 2.2). Grundlage für<br />

das erste Entscheidkriterium bilden die Nachhaltigkeitsbeurteilungen der<br />

Gesuchstellenden, die von der Konzessionsbehörde einer vorläufigen<br />

Plausibilisierung oder Beurteilung zu unterziehen sind (Ziff. 2.2.1). Für das<br />

zweite Entscheidkriterium sind die Vorhaben insbesondere anhand folgender<br />

Aspekte zu beurteilen: Stromproduktion, bedarfsgerechte Energieerzeugung<br />

(Anteil Winter- oder Spitzenstrom), Energieeffizienz (Quotient<br />

aus Energieproduktion und Länge der Restwasserstrecke) und spezifische<br />

Wertschöpfung (Quotient aus Marktpreis und Gestehungskosten). Dabei<br />

erfolgt die Interessenabwägung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände<br />

des jeweiligen Einzelfalls (Ziff. 2.2.2). Grundlage des Entscheidkriteriums<br />

«öffentliches Wohl» bildet gemäss Vortrag der BVE zur Verwaltungsverordnung<br />

(act. 4D 4) das im Rahmen der kantonalen Wasserstrategie<br />

entwickelte Instrument zur Beurteilung von Projekten für Kleinwasserkraftwerke<br />

aus Sicht der Nachhaltigen Entwicklung (einsehbar unter:<br />

).


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 16<br />

5.3 Das AWA hat die Nachhaltigkeitsbeurteilungen beider Projekte<br />

ausgewertet und ist dabei zum Schluss gekommen, dass die Wirkungen<br />

auf Umwelt und Wirtschaft vergleichbar sind. Demnach hat das Projekt der<br />

BKW zwar eine längere Restwasserstrecke, greift aber weniger stark in<br />

schützenswerte Lebensräume ein. Die Auswirkungen auf die Gesellschaft<br />

beurteilt das AWA beim Projekt der ARGE als positiver aufgrund der lokalen<br />

Beteiligung an der Anlage und der lokalen Verankerung des Betreibers<br />

(act. 4D 5 f.).<br />

Gestützt darauf hat der Regierungsrat in Anwendung der erwähnten Verwaltungsverordnung<br />

in seinem Antrag an den Grossen Rat ausgeführt,<br />

beide Vorhaben erreichten in der Nachhaltigkeitsbeurteilung die Mindestwerte<br />

und dienten somit dem öffentlichen Wohl in etwa gleichem Mass.<br />

Ausschlaggebend für den Antrag an den Grossen Rat war für den Regierungsrat<br />

damit die wirtschaftliche Ausnutzung des Gewässers. Dazu führte<br />

er aus, die Berechnungen der Gesuchstellerinnen basierten auf unterschiedlichen<br />

hydrologischen Erhebungen, zudem sei beim Projekt der BKW<br />

die bestehende Konzession eines Dritten zu berücksichtigen; die BKW<br />

könnte mit ihrem Vorhaben deshalb jährlich nur 4,5 GWh mehr Strom produzieren<br />

als ihre Konkurrentin. Wegen der tiefer gelegenen Fassung mit<br />

einem längeren saisonalen Laufwasserbetrieb und aufgrund eines Speicherstollens<br />

ermögliche das Projekt der ARGE im Winterhalbjahr eine um<br />

0,3 GWh grössere Stromproduktion als dasjenige der BKW. Es schneide<br />

auch bezüglich Energieeffizienz und spezifischer Wertschöpfung besser<br />

ab; zudem lasse es die spätere Erweiterung mit einer oberen Kraftwerksstufe<br />

zu. Diese Faktoren fielen für den Regierungsrat stärker ins Gewicht<br />

als die insgesamt grössere Stromproduktion des BKW-Projekts (Tagblatt<br />

des Grossen Rates 2012, Beilage 6; act. 4D 2).<br />

Der Grosse Rat ist von dieser Beurteilung abgewichen; wie aus dem<br />

Ratsprotokoll ersichtlich ist, standen in der Beratung zwei der in der Verfügung<br />

genannten Argumente im Vordergrund: dass das BKW-Projekt insgesamt<br />

eine grössere Stromproduktion aufweise und die jährlichen Wasserzinsen<br />

für dieses Projekt um Fr. 105'000.-- höher ausfallen würden.<br />

5.4 Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, Art. 41 WRG sehe<br />

mit dem öffentlichen Wohl und der wirtschaftlichen Ausnutzung des Ge-


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Seite 17<br />

wässers klar eine zweistufige Prüfungskaskade vor; dieses Prüfungsprogramm<br />

habe der Grosse Rat nicht angewendet, weshalb die angefochtene<br />

Verfügung bundesrechtswidrig sei. Das Prüfschema der Verwaltungsverordnung<br />

sei ein offensichtlich taugliches Instrument zum Vorgehen bei<br />

mehreren Bewerberinnen und Bewerbern um eine Konzession zur Nutzung<br />

des Wasserkraft. Der Grosse Rat als Verwaltungsbehörde habe sich an<br />

dieselben Rahmenbedingungen zu halten wie die Verwaltung. Beim Argument,<br />

dass das BKW-Projekt eine grössere Stromproduktion aufweise,<br />

habe der Grosse Rat auf falsche Vergleichszahlen abgestellt. Dasselbe<br />

gelte für das Argument der Höhe der jährlichen Wasserzinsen: Diese liesse<br />

sich gar nicht verlässlich berechnen und es sei fraglich, ob sie überhaupt<br />

ein zulässiges Kriterium darstelle. Es sei vielmehr auf die spezifische Wertschöpfung<br />

abzustellen, wie dies die Verwaltungsverordnung vorsehe. Die<br />

übrigen in der Verfügung genannten Argumente seien sachfremd und regionalpolitisch<br />

motiviert. Das Argument der grösseren Investitionen sei zudem<br />

qualifiziert falsch; da sämtliche Investitionen über den Strompreis zu<br />

finanzieren seien, müsste vielmehr darauf geachtet werden, dass sie möglichst<br />

gering seien.<br />

5.5 Es ist unbestritten, dass die Verwaltungsverordnung für den Grossen<br />

Rat (und das Verwaltungsgericht) nicht bindend ist; Verwaltungsverordnungen<br />

sind generelle Dienstanweisungen und richten sich an untergeordnete<br />

Behörden oder Personen (statt vieler BGE 136 II 415 E. 1.1;<br />

BVR 2012 S. 545 E. 4.2). Die Verwaltungsverordnung enthält ein mögliches<br />

Beurteilungsschema, bestimmt aber auch, dass die Interessenabwägung<br />

unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen<br />

Einzelfalls zu erfolgen hat. Wie den Akten sowie den Ausführungen des<br />

AWA und des Regierungsrats zu entnehmen ist, sind die beiden Projekte<br />

qualitativ vergleichbar; beide erfüllen die Anforderungen der Nachhaltigkeitsbeurteilung<br />

und dienen in diesem Sinn dem öffentlichen Wohl in ähnlicher<br />

Weise. Davon ist auch der Grosse Rat ausgegangen; im Vordergrund<br />

stand somit die wirtschaftliche Ausnutzung des Gewässers, unabhängig<br />

davon, ob diese als nachgelagertes Entscheidkriterium oder ebenfalls als<br />

Teilaspekt des öffentlichen Wohls betrachtet wird (vorne E. 4.1). Dass der<br />

Grosse Rat nicht nach einem zweistufigen Prüfprogramm vorgegangen ist,


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

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macht den Entscheid daher entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerinnen<br />

nicht bundesrechtswidrig.<br />

5.6 Die wirtschaftliche Ausnutzung des Gewässers, die im Gesetz<br />

nicht näher definiert wird, ist nach der Verwaltungsverordnung anhand von<br />

Stromproduktion, bedarfsgerechter Energieerzeugung, Energieeffizienz<br />

und spezifischer Wertschöpfung zu beurteilen. Für den Grossen Rat stand<br />

dabei die Stromproduktion im Vordergrund; die Befürworter des BKW-Projekts<br />

wiesen insbesondere darauf hin, man werde für den anvisierten<br />

Atomausstieg auf die Nutzung aller Stromproduktionsmöglichkeiten angewiesen<br />

sein, und um die Ziele der Wasserstrategie zu erreichen, müsse<br />

man die geeigneten Strecken maximal ausnützen können (u.a. Voten<br />

Jakob Etter, Alfred Schneiter, Peter <strong>Bern</strong>asconi, in Tagblatt des Grossen<br />

Rates 2012, S. 452 f., 455 f.). Dass der Grosse Rat dieses Kriterium stärker<br />

gewichtet hat, ist nicht zu beanstanden: Die Frage, welcher oder welchem<br />

von mehreren Bewerberinnen und Bewerbern das Gemeinwesen eine<br />

Konzession erteilen will, ist Teil des Verleihungsakts an sich und hat damit<br />

eine ausgeprägte politische Komponente; dies im Unterschied namentlich<br />

zu den mit der Konzession verbundenen wasserbau- und umweltrechtlichen<br />

Pflichten der Konzessionärin oder des Konzessionärs, denen der<br />

politische Gehalt weitgehend abgeht (BGE 136 II 436 E. 1.3). Beim Verleihungsakt<br />

kommt der Konzessionsbehörde daher ein grosser Entscheidungsspielraum<br />

zu, der vom Verwaltungsgericht zu respektieren ist (vorne<br />

E. 4.3). Dies gilt insbesondere auch für die Gewichtung der einzelnen Kriterien<br />

bei der Auswahl unter mehreren Bewerberinnen und Bewerbern. – Die<br />

Beschwerdeführerinnen bestreiten nicht, dass das Projekt der BKW insgesamt<br />

mehr Strom produzieren würde. Sie machen jedoch geltend, die<br />

Unterschiede fielen bei richtiger Berechnung geringer aus als vom Grossen<br />

Rat angenommen. Dieser habe insofern auf einen falschen Sachverhalt<br />

abgestellt. Der Grosse Rat ging in der Beratung davon aus, dass das Projekt<br />

der BKW je nach Berechnungsweise 25 bis 44 % mehr Strom produzieren<br />

würde als dasjenige der ARGE (u.a. Voten Markus Grossen, Jakob<br />

Etter, Alfred Schneiter, Lars Guggisberg, in Tagblatt des Grossen Rates<br />

2012, S. 450, 452 f., 458). Nach Darstellung der Beschwerdeführerinnen<br />

beträgt die Differenz 4,5 GWh bzw. 20 % (Beschwerde S. 13). Auch nach<br />

ihren Angaben ist die Differenz somit erheblich; wie hoch sie genau aus-


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

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fällt, ist nicht entscheidend (vgl. Votum Gerhard Fischer, in Tagblatt des<br />

Grossen Rates 2012, S. 459). Es ist nicht zu beanstanden, dass der<br />

Grosse Rat die grössere Stromproduktion zu Gunsten der BKW berücksichtigt<br />

hat und sich nicht auf die allfällige spätere, noch nicht Gegenstand<br />

des Gesuchs bildende Ausbaumöglichkeit des ARGE-Projekts verlassen<br />

hat. Dasselbe gilt für die höheren Wasserzinsen des BKW-Projekts: Der<br />

Grosse Rat ging von Fr. 105'000.-- Differenz aus, die Beschwerdeführerinnen<br />

hingegen von Fr. 76'000.--, wobei die genaue Höhe auch hier nicht<br />

ausschlaggebend ist. Nach Art. 49 Abs. 1 WRG bzw. Art. 35 Abs. 2 WNG<br />

wird der Wasserzins pro kW Bruttoleistung erhoben; er ist damit ebenfalls<br />

Ausdruck der wirtschaftlichen Ausnutzung des Gewässers. Das Argument<br />

zielt in diesem Sinn in die gleiche Richtung wie dasjenige der grösseren<br />

Stromproduktion. Darüber hinaus umfasst das öffentliche Wohl wie ausgeführt<br />

auch finanzielle Interessen des Gemeinwesens (vorne E. 4.1). Die<br />

Berücksichtigung der höheren Wasserzinsen zu Gunsten des BKW-Projekts<br />

ist daher ebenfalls nicht zu beanstanden.<br />

5.7 Das Argument, wonach das Vorhaben der BKW um Fr. 11 Mio.<br />

höhere Investitionen auslöse, hat zwei Seiten: Einerseits können solche<br />

Investitionen ebenfalls im finanziellen Interesse des Gemeinwesens liegen,<br />

andererseits erhöhen grosse Investitionen die Gestehungskosten für die<br />

produzierte Energie und damit den Strompreis. Diesem Argument kommt<br />

daher kein grosses Gewicht zu. Dies gilt auch für die Beteiligung des <strong>Kanton</strong>s<br />

<strong>Bern</strong> an der BKW, die ebenfalls seine finanziellen Interessen berührt,<br />

nach den Kriterien von Art. 41 WRG jedoch nicht ausschlaggebend sein<br />

kann (vorne E. 4.1). Ebenso kann der beim ARGE-Projekt vorgesehene<br />

Standort der Zentrale im roten Gefahrenbereich für sich allein dieses Vorhaben<br />

nicht ausschliessen, da die konkrete Ausgestaltung der Konzession<br />

bzw. der Baubewilligung nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens<br />

bildet (vorne E. 2.1 und 2.3). Dasselbe gilt für die im Grossen Rat befürchtete<br />

Schwall-Sunk-Problematik beim ARGE-Projekt aufgrund des vorgesehenen<br />

Speicherstollens. All diese Argumente wurden in der Beratung im<br />

Grossen Rat zwar erwähnt, standen jedoch nicht im Vordergrund. Dies gilt<br />

auch für die unterschiedliche Bearbeitungsstufe der beiden Projekte sowie<br />

die weiteren in der Verfügung genannten Argumente, dass die BKW den<br />

Ausstieg aus dem Atomstrom fordere und im Oberland wichtige Sportan-


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

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lässe sponsere; diese wurden aufgrund einzelner Voten in die Verfügung<br />

aufgenommen. Inwiefern sie sachbezogen sind, kann offenbleiben: Die<br />

Diskussion auch solcher Argumente im Rahmen der Entscheidfindung ist<br />

Folge der Zuständigkeit des Grossen Rates als politische Behörde und<br />

führt für sich allein jedenfalls nicht dazu, dass die angefochtene Verfügung<br />

aufzuheben wäre. Dass der Grosse Rat eine Zusammenarbeit der Beschwerdegegnerin<br />

1 mit der Beschwerdeführerin 1 befürwortet und die Beschwerdegegnerin<br />

1 verpflichtet hat, eine solche anzubieten, wurde nicht<br />

als Argument für das Projekt der Beschwerdegegnerin 1 genannt (vgl.<br />

Voten Markus Grossen, Peter <strong>Bern</strong>asconi, in Tagblatt des Grossen Rates<br />

2012, S. 450, 456). Ob und wie eine solche Zusammenarbeit überhaupt<br />

erfolgen könnte, ist daher nicht von Bedeutung. Entscheidend ist, wie sich<br />

aus dem Ratsprotokoll ergibt, dass der Grosse Rat aus den in E. 5.6 erwähnten,<br />

sachlich haltbaren Gründen von zwei vergleichbaren Projekten<br />

dasjenige der Beschwerdegegnerin 1 vorgezogen hat. Damit hat er seinen<br />

Entscheidungsspielraum nicht überschritten.<br />

5.8 Die angefochtene Verfügung erweist sich somit nicht als rechtswidrig;<br />

die Beschwerde ist abzuweisen.<br />

6.<br />

6.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die unterliegenden<br />

Beschwerdeführerinnen kostenpflichtig. Sie haben unter Solidarhaft die<br />

Verfahrenskosten zu tragen und der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin<br />

1 die Parteikosten zu ersetzen (Art. 108 Abs. 1 und 3 i.V.m.<br />

Art. 106 VRPG).<br />

6.2 Gemäss Art. 41 Abs. 1 des kantonalen Anwaltsgesetzes vom<br />

28. März 2006 (KAG; BSG 168.11) i.V.m. Art. 11 Abs. 1 der Verordnung<br />

vom 17. Mai 2006 über die Bemessung des Parteikostenersatzes (Parteikostenverordnung,<br />

PKV; BSG 168.811) beträgt das Honorar in Beschwerdeverfahren<br />

Fr. 400.-- bis 11'800.--. Innerhalb dieses Rahmentarifs bemisst<br />

sich der Parteikostenersatz nach dem in der Sache gebotenen Zeitaufwand,<br />

der Bedeutung der Streitsache und der Schwierigkeit des Prozesses


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 21<br />

(Art. 41 Abs. 3 KAG). Ein Zuschlag von bis zu 100 Prozent auf das Honorar<br />

wird gewährt bei Verfahren, die besonders viel Zeit und Arbeit beanspruchen,<br />

wie namentlich bei schwieriger und zeitraubender Sammlung oder<br />

Zusammenstellung des Beweismaterials, bei grossem Aktenmaterial oder<br />

umfangreichem Briefwechsel, wenn ein wesentlicher Teil des Aktenmaterials<br />

oder des Briefwechsels in einer anderen als der Gerichtssprache vorliegt,<br />

oder bei besonders komplexen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen<br />

(Art. 16 i.V.m. Art. 9 PKV). Sind bedeutende vermögensrechtliche<br />

Interessen zu wahren, wird auf dem Honorar ein Zuschlag von bis zu<br />

200 Prozent gewährt (Art. 11 Abs. 2 PKV). – Der Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin<br />

1 macht ein Honorar von Fr. 19'000.-- zuzüglich Auslagen<br />

und MWSt geltend für einen Zeitaufwand von 76 Stunden, unter Berücksichtigung<br />

eines Zuschlags gemäss Art. 11 Abs. 2 PKV. Das Verwaltungsgericht<br />

hat diese Bestimmung in seiner bisherigen Rechtsprechung<br />

nur herangezogen, wenn eine bestimmte Geldsumme festzulegen war. In<br />

Baustreitigkeiten geht es jedenfalls in der Regel davon aus, dass keine<br />

bedeutenden vermögensrechtlichen Interessen im Sinn von Art. 11 Abs. 2<br />

PKV zu wahren sind (BVR 2010 S. 433 E. 8.3 mit Hinweisen). Über die<br />

Anwendbarkeit des Zuschlags ist im Einzelfall aufgrund einer Würdigung<br />

des Prozessthemas zu entscheiden (in diesem Sinn bereits MBVR 1975<br />

S. 464 E. 6). Ist wie vorliegend die Verleihung an sich bzw. ein dafür notwendiger<br />

Vorentscheid umstritten, ist Thema des Prozesses die wirtschaftliche<br />

Nutzung des Wasserrechts, dies im Gegensatz zu jenen Beschwerdefällen,<br />

bei denen die mit der Konzession verbundenen wasserbau- und<br />

umweltrechtlichen Pflichten der Konzessionärin oder des Konzessionärs im<br />

Vordergrund stehen (vgl. BGE 136 II 436 E. 1.3). Damit geht es hier um<br />

vermögensrechtliche Interessen im Sinn von Art. 11 Abs. 2 PKV, auch<br />

wenn nicht eine bestimmte Geldsumme zur Diskussion steht. Der geltend<br />

gemachte Zuschlag erscheint angesichts der Bedeutung der auf dem Spiel<br />

stehenden vermögensrechtlichen Interessen angemessen. Damit erscheint<br />

es gerechtfertigt, den Parteikostenersatz der Beschwerdegegnerin 1 auf<br />

Fr. 19'000.-- zuzüglich die geltend gemachten Auslagen von Fr. 120.-- und<br />

Fr. 1'529.60 MWSt, somit total Fr. 20'649.60, festzusetzen.


Urteil des Verwaltungsgerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong> vom 22.04.2013, Nr. <strong>100.2012.155</strong>U,<br />

Seite 22<br />

Demnach entscheidet das Verwaltungsgericht:<br />

1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.<br />

2. Die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht, bestimmt auf<br />

eine Pauschalgebühr von Fr. 5'000.--, werden den Beschwerdeführerinnen<br />

auferlegt.<br />

3. Die Beschwerdeführerinnen haben der Beschwerdegegnerin 1 die<br />

Parteikosten, festgesetzt auf Fr. 20'649.60 (inkl. Auslagen und MWSt),<br />

zu ersetzen.<br />

4. Zu eröffnen:<br />

- den Beschwerdeführerinnen<br />

- der Beschwerdegegnerin 1<br />

- dem Beschwerdegegner 2<br />

- dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und<br />

Kommunikation<br />

Der Abteilungspräsident:<br />

Die Gerichtsschreiberin:<br />

Rechtsmittelbelehrung<br />

Gegen dieses Urteil kann innert 30 Tagen seit Zustellung der schriftlichen Begründung<br />

beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen<br />

Angelegenheiten gemäss Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgesetzes vom<br />

17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110) geführt werden.

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