Konzept zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit ... - Die Linke
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In den staatssozialistischen Ländern gehörte die „Aufhebung<br />
der Trennung <strong>von</strong> Stadt und Land“ zu den expliziten<br />
Aufgaben. Dabei ging es um „kulturelle Versorgung“, aber<br />
vor allem um eine Erleichterung der Arbeitsbedingungen<br />
durch genossenschaftliches Eigentum (Technisierung der<br />
Landwirtschaft, Verkürzung der Arbeitszeiten besonders<br />
für die Frauen). <strong>Die</strong>se Verschiebung des Eigentums in die<br />
Genossenschaften (auch als Zwangskollektivierung bekannt)<br />
hatte den widersprüchlichen Effekt, zwar die<br />
Arbeitszeiten zu verkürzen, Urlaub zu ermöglichen usw.,<br />
aber zugleich ging damit der Impuls, sich ganz einzusetzen,<br />
die Verantwortung und der damit nötige Einsatz nach<br />
und nach verloren. Nach dem Untergang der DDR und<br />
der Rückverteilung des Landes als individuelles Eigentum<br />
blieben die Fragen <strong>von</strong> Überarbeit und relativer Armut.<br />
Bis heute können die auf dem Lande Tätigen kein ausreichendes<br />
Eigentum erwirtschaften.<br />
Streiks, Aufstände und Kampf um Subventionen sind<br />
Antworten auf die ungleich-zeitige Lage der in der Landwirtschaft<br />
Tätigen. Nach der Verstädterung der meisten<br />
industriellen Länder verlagern sich die gesellschaftliche<br />
Ungleichheit und die Reproduktion ländlicher Armut auf<br />
die Rohstofflieferanten aus der sogenannten „Dritten<br />
Welt“. <strong>Die</strong> Landlosenbewegungen aus diesen Ländern<br />
kämpfen um ihr Grundrecht auf Land als Überlebensgrundlage,<br />
lange bevor sie am Reichtum des Stadtlebens<br />
teilhätten. <strong>Die</strong> Perspektive der Aufhebung der Arbeitsteilung<br />
<strong>von</strong> Stadt und Land, um die gesellschaftliche Entwicklung<br />
gleicher und humaner zu gestalten, hat sich<br />
verschoben in den elementaren Kampf um die Ressourcen<br />
der Erde.<br />
Auch <strong>von</strong> der Arbeitsteilung <strong>von</strong> Kopf und Hand zu<br />
sprechen und ihre Entwicklung zu verfolgen, hört sich<br />
zunächst veraltet an. <strong>Die</strong> Entwicklung der Produktivkräfte<br />
hat die Handarbeit bis auf eine Restgröße schrumpfen<br />
lassen. Auch industrielle Arbeit ist heute weitgehend<br />
Kopfarbeit. Aber in der Trennung <strong>von</strong> Kopf- und Handarbeit<br />
lag Herrschaft. <strong>Die</strong> Geschichte dieser Trennung und<br />
Verwandlung zu folgen ist notwendig, um zu begreifen,<br />
wie trotz aller Durchmischung im Großen und Ganzen die<br />
Herrschaft der Oberen über die Unteren, also Fügsamkeit<br />
und Akzeptanz einer Führung, die die Unteren ärmer<br />
macht, geblieben sind.<br />
<strong>Die</strong> Trennung <strong>von</strong> Kopf- und Handarbeit ist Grundlage für<br />
die Herausbildung spezieller intellektueller und ideologischer<br />
Stände, die an der Reproduktion <strong>von</strong> Herrschaft<br />
und auch an ihrer Infragestellung arbeiten. <strong>Die</strong>se Trennung<br />
begleitet die Geschichte der Arbeit und ist Grundlage<br />
für die Entwicklung <strong>von</strong> Maschinerie, die zunächst die<br />
immer einfacheren Handtätigkeiten auf die Maschine<br />
übertrug. Sie hat im Taylorismus/Fordismus einen Höhepunkt<br />
erreicht. Mit der Computerisierung der Arbeitswelt<br />
geraten die alten Hierarchien durcheinander. Es wird<br />
schwierig zu bestimmen, was Hand- was Kopfarbeit ist<br />
und damit auch, was Männer-, was Frauenarbeit. <strong>Die</strong><br />
gewerkschaftlichen Kämpfe um gute Arbeit verlieren ihre<br />
alten Kriterien, wonach etwa Hitze, Lärm, Staub, Enge<br />
eingeschränkt oder besser bezahlt gehörten.<br />
Das digitale Zeitalter braucht weniger lebendige Arbeit im<br />
industriellen Prozess. <strong>Die</strong> eingesparte notwendige Erwerbsarbeitszeit<br />
hätte durch eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung<br />
für alle in ein mehr an frei verfügbarer Zeit für<br />
alle fließen und somit in mehr Zeitwohlstand für alle<br />
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münden können. Jedoch vollzog sich das Gegenteil. Um<br />
mit Andre Gorz zu sprechen: Je weniger Arbeit es für alle<br />
gab, um so mehr tendiert die individuelle Arbeitszeit<br />
dazu, länger zu werden. <strong>Die</strong> Kapitalbesitzenden konnten<br />
den Umbruch in den Produktivkräften für sich nutzen,<br />
indem sie die eingesparte Arbeitszeit in eingesparte<br />
Erwerbsarbeitsplätze verwandelten und die gewerkschaftliche<br />
Gegenwehr geschwächt wurde. Geschwächt wurde<br />
die Gegenwehr auch dadurch, dass ein alternatives<br />
Kampfkonzept noch aussteht.<br />
In der Trennung der geistigen <strong>von</strong> der körperlichen Arbeit<br />
finden sich die Frauen <strong>von</strong> Anfang an quasi natürlich auf<br />
der Seite der körperlichen Arbeit. Und dies nicht auf<br />
Grund unterstellter typisch weiblicher Wesensmerkmale,<br />
sondern auf Grund <strong>von</strong> gesellschaftlichen Verhältnissen,<br />
die ihnen im Zuge der Arbeitsteilung die weniger angesehenen<br />
Arbeiten – namentlich die der Familienarbeit, der<br />
Hausarbeit, der Pflege – kurz der „Reproduktion“ – zuwies.<br />
<strong>Die</strong> Herausbildung einer führenden Elite wurde<br />
hingegen vorrangig Männerwerk. <strong>Die</strong> Folgen reichen bis<br />
in unser Jahrhundert, in dem die Eroberung der Leitung<br />
<strong>von</strong> Wirtschaft und Politik durch Frauen eigene Anstrengungen<br />
und eine eigne Kultur braucht, um die zu kämpfen<br />
ist.<br />
<strong>Die</strong> mikroelektronische Revolution stellt eine neue Stufe<br />
der Entwicklung der Produktivkräfte dar. Im Zuge dieses<br />
technischen Fortschritts verringert sich nicht nur die<br />
notwendige Arbeitszeit, es verändert sich auch der Charakter<br />
der Produkte. Da die Maschinen immer mehr<br />
materielle Produktion übernehmen, sind zunehmend<br />
mehr Menschen an der Produktion immaterieller Güter,<br />
also z.B. Wissen beteiligt. Im Gegensatz zu materiellen<br />
Produkten wird Wissen nicht dadurch weniger, dass man<br />
es vielen <strong>zur</strong> Verfügung stellt: Wenn zwei Personen sich<br />
einen Stuhl teilen, hat jeder nur einen halben. Teilen sich<br />
aber zwei Personen jeweils ihre Ideen mit, so haben sie<br />
nach dem Austausch mehr Ideen als vorher. Das Wissensprodukt<br />
entfaltet seine ganze Produktivität nicht im<br />
privaten Gebrauch, sondern gerade durch öffentliches<br />
Zur-Verfügung-Stellen. Erst in der Aneignung durch die<br />
Vielen entfaltet das Wissen seine ganze produktive Wirkung.<br />
In verschiedenen Bereichen (Wissenschaft, pharmazeutische<br />
Industrie, Software-Entwicklung, Kreativbranche)<br />
wird insofern zunehmend augenfällig, dass die<br />
private Verfügung über Wissen die ökonomischen Potentiale<br />
der Gesellschaft behindert.<br />
In unseren Zeiten hört sich die Frage Trennung <strong>von</strong> Arbeit<br />
und Nichtarbeit so an, als sprächen wir <strong>von</strong> Erwerbslosigkeit.<br />
In der Sozialtheorie ist diese Trennung jedoch nicht<br />
als Trennung zwischen Erwerbslosen und<br />
Erwerbsarbeitsplatzinhabenden – also innerhalb der<br />
Klasse – herausgearbeitet worden. Vielmehr geht es hier<br />
um die Trennung zwischen denjenigen, die nur ihre Arbeitskraft<br />
als Ware haben und denjenigen, die über Eigentum<br />
an Produktionsmitteln ohne eigene Leistung<br />
verfügen. <strong>Die</strong>se Unterscheidung ist zentral. Konnte doch<br />
auch in der Sozialdemokratie die Kritik der Nichtarbeit,<br />
die sich historisch auf die Ausbeutung der Arbeitskraft<br />
auf Grund <strong>von</strong> Eigentum bezog, verkehrt werden in negative<br />
Einstellungen gegenüber Erwerbslosen. Und diese<br />
wiederum geronnen im Zuge der Agenda 2010 in Zustimmung<br />
zu Gesetzen wie Hartz IV, einen Angriff auf<br />
Grundrechte und die Teil-habe aller.