30.10.2012 Aufrufe

Konzept zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit ... - Die Linke

Konzept zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit ... - Die Linke

Konzept zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit ... - Die Linke

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

22<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26<br />

27<br />

28<br />

29<br />

30<br />

31<br />

32<br />

33<br />

34<br />

35<br />

36<br />

37<br />

38<br />

39<br />

40<br />

41<br />

42<br />

43<br />

44<br />

45<br />

46<br />

47<br />

48<br />

49<br />

50<br />

51<br />

52<br />

53<br />

54<br />

55<br />

56<br />

57<br />

58<br />

59<br />

60<br />

61<br />

62<br />

63<br />

In den staatssozialistischen Ländern gehörte die „Aufhebung<br />

der Trennung <strong>von</strong> Stadt und Land“ zu den expliziten<br />

Aufgaben. Dabei ging es um „kulturelle Versorgung“, aber<br />

vor allem um eine Erleichterung der Arbeitsbedingungen<br />

durch genossenschaftliches Eigentum (Technisierung der<br />

Landwirtschaft, Verkürzung der Arbeitszeiten besonders<br />

für die Frauen). <strong>Die</strong>se Verschiebung des Eigentums in die<br />

Genossenschaften (auch als Zwangskollektivierung bekannt)<br />

hatte den widersprüchlichen Effekt, zwar die<br />

Arbeitszeiten zu verkürzen, Urlaub zu ermöglichen usw.,<br />

aber zugleich ging damit der Impuls, sich ganz einzusetzen,<br />

die Verantwortung und der damit nötige Einsatz nach<br />

und nach verloren. Nach dem Untergang der DDR und<br />

der Rückverteilung des Landes als individuelles Eigentum<br />

blieben die Fragen <strong>von</strong> Überarbeit und relativer Armut.<br />

Bis heute können die auf dem Lande Tätigen kein ausreichendes<br />

Eigentum erwirtschaften.<br />

Streiks, Aufstände und Kampf um Subventionen sind<br />

Antworten auf die ungleich-zeitige Lage der in der Landwirtschaft<br />

Tätigen. Nach der Verstädterung der meisten<br />

industriellen Länder verlagern sich die gesellschaftliche<br />

Ungleichheit und die Reproduktion ländlicher Armut auf<br />

die Rohstofflieferanten aus der sogenannten „Dritten<br />

Welt“. <strong>Die</strong> Landlosenbewegungen aus diesen Ländern<br />

kämpfen um ihr Grundrecht auf Land als Überlebensgrundlage,<br />

lange bevor sie am Reichtum des Stadtlebens<br />

teilhätten. <strong>Die</strong> Perspektive der Aufhebung der Arbeitsteilung<br />

<strong>von</strong> Stadt und Land, um die gesellschaftliche Entwicklung<br />

gleicher und humaner zu gestalten, hat sich<br />

verschoben in den elementaren Kampf um die Ressourcen<br />

der Erde.<br />

Auch <strong>von</strong> der Arbeitsteilung <strong>von</strong> Kopf und Hand zu<br />

sprechen und ihre Entwicklung zu verfolgen, hört sich<br />

zunächst veraltet an. <strong>Die</strong> Entwicklung der Produktivkräfte<br />

hat die Handarbeit bis auf eine Restgröße schrumpfen<br />

lassen. Auch industrielle Arbeit ist heute weitgehend<br />

Kopfarbeit. Aber in der Trennung <strong>von</strong> Kopf- und Handarbeit<br />

lag Herrschaft. <strong>Die</strong> Geschichte dieser Trennung und<br />

Verwandlung zu folgen ist notwendig, um zu begreifen,<br />

wie trotz aller Durchmischung im Großen und Ganzen die<br />

Herrschaft der Oberen über die Unteren, also Fügsamkeit<br />

und Akzeptanz einer Führung, die die Unteren ärmer<br />

macht, geblieben sind.<br />

<strong>Die</strong> Trennung <strong>von</strong> Kopf- und Handarbeit ist Grundlage für<br />

die Herausbildung spezieller intellektueller und ideologischer<br />

Stände, die an der Reproduktion <strong>von</strong> Herrschaft<br />

und auch an ihrer Infragestellung arbeiten. <strong>Die</strong>se Trennung<br />

begleitet die Geschichte der Arbeit und ist Grundlage<br />

für die Entwicklung <strong>von</strong> Maschinerie, die zunächst die<br />

immer einfacheren Handtätigkeiten auf die Maschine<br />

übertrug. Sie hat im Taylorismus/Fordismus einen Höhepunkt<br />

erreicht. Mit der Computerisierung der Arbeitswelt<br />

geraten die alten Hierarchien durcheinander. Es wird<br />

schwierig zu bestimmen, was Hand- was Kopfarbeit ist<br />

und damit auch, was Männer-, was Frauenarbeit. <strong>Die</strong><br />

gewerkschaftlichen Kämpfe um gute Arbeit verlieren ihre<br />

alten Kriterien, wonach etwa Hitze, Lärm, Staub, Enge<br />

eingeschränkt oder besser bezahlt gehörten.<br />

Das digitale Zeitalter braucht weniger lebendige Arbeit im<br />

industriellen Prozess. <strong>Die</strong> eingesparte notwendige Erwerbsarbeitszeit<br />

hätte durch eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung<br />

für alle in ein mehr an frei verfügbarer Zeit für<br />

alle fließen und somit in mehr Zeitwohlstand für alle<br />

64<br />

65<br />

66<br />

67<br />

68<br />

69<br />

70<br />

71<br />

72<br />

73<br />

74<br />

75<br />

76<br />

77<br />

78<br />

79<br />

80<br />

81<br />

82<br />

83<br />

84<br />

85<br />

86<br />

87<br />

88<br />

89<br />

90<br />

91<br />

92<br />

93<br />

94<br />

95<br />

96<br />

97<br />

98<br />

99<br />

100<br />

101<br />

102<br />

103<br />

104<br />

105<br />

106<br />

107<br />

108<br />

109<br />

110<br />

111<br />

112<br />

113<br />

114<br />

115<br />

116<br />

117<br />

118<br />

119<br />

120<br />

121<br />

122<br />

123<br />

124<br />

125<br />

126<br />

21<br />

münden können. Jedoch vollzog sich das Gegenteil. Um<br />

mit Andre Gorz zu sprechen: Je weniger Arbeit es für alle<br />

gab, um so mehr tendiert die individuelle Arbeitszeit<br />

dazu, länger zu werden. <strong>Die</strong> Kapitalbesitzenden konnten<br />

den Umbruch in den Produktivkräften für sich nutzen,<br />

indem sie die eingesparte Arbeitszeit in eingesparte<br />

Erwerbsarbeitsplätze verwandelten und die gewerkschaftliche<br />

Gegenwehr geschwächt wurde. Geschwächt wurde<br />

die Gegenwehr auch dadurch, dass ein alternatives<br />

Kampfkonzept noch aussteht.<br />

In der Trennung der geistigen <strong>von</strong> der körperlichen Arbeit<br />

finden sich die Frauen <strong>von</strong> Anfang an quasi natürlich auf<br />

der Seite der körperlichen Arbeit. Und dies nicht auf<br />

Grund unterstellter typisch weiblicher Wesensmerkmale,<br />

sondern auf Grund <strong>von</strong> gesellschaftlichen Verhältnissen,<br />

die ihnen im Zuge der Arbeitsteilung die weniger angesehenen<br />

Arbeiten – namentlich die der Familienarbeit, der<br />

Hausarbeit, der Pflege – kurz der „Reproduktion“ – zuwies.<br />

<strong>Die</strong> Herausbildung einer führenden Elite wurde<br />

hingegen vorrangig Männerwerk. <strong>Die</strong> Folgen reichen bis<br />

in unser Jahrhundert, in dem die Eroberung der Leitung<br />

<strong>von</strong> Wirtschaft und Politik durch Frauen eigene Anstrengungen<br />

und eine eigne Kultur braucht, um die zu kämpfen<br />

ist.<br />

<strong>Die</strong> mikroelektronische Revolution stellt eine neue Stufe<br />

der Entwicklung der Produktivkräfte dar. Im Zuge dieses<br />

technischen Fortschritts verringert sich nicht nur die<br />

notwendige Arbeitszeit, es verändert sich auch der Charakter<br />

der Produkte. Da die Maschinen immer mehr<br />

materielle Produktion übernehmen, sind zunehmend<br />

mehr Menschen an der Produktion immaterieller Güter,<br />

also z.B. Wissen beteiligt. Im Gegensatz zu materiellen<br />

Produkten wird Wissen nicht dadurch weniger, dass man<br />

es vielen <strong>zur</strong> Verfügung stellt: Wenn zwei Personen sich<br />

einen Stuhl teilen, hat jeder nur einen halben. Teilen sich<br />

aber zwei Personen jeweils ihre Ideen mit, so haben sie<br />

nach dem Austausch mehr Ideen als vorher. Das Wissensprodukt<br />

entfaltet seine ganze Produktivität nicht im<br />

privaten Gebrauch, sondern gerade durch öffentliches<br />

Zur-Verfügung-Stellen. Erst in der Aneignung durch die<br />

Vielen entfaltet das Wissen seine ganze produktive Wirkung.<br />

In verschiedenen Bereichen (Wissenschaft, pharmazeutische<br />

Industrie, Software-Entwicklung, Kreativbranche)<br />

wird insofern zunehmend augenfällig, dass die<br />

private Verfügung über Wissen die ökonomischen Potentiale<br />

der Gesellschaft behindert.<br />

In unseren Zeiten hört sich die Frage Trennung <strong>von</strong> Arbeit<br />

und Nichtarbeit so an, als sprächen wir <strong>von</strong> Erwerbslosigkeit.<br />

In der Sozialtheorie ist diese Trennung jedoch nicht<br />

als Trennung zwischen Erwerbslosen und<br />

Erwerbsarbeitsplatzinhabenden – also innerhalb der<br />

Klasse – herausgearbeitet worden. Vielmehr geht es hier<br />

um die Trennung zwischen denjenigen, die nur ihre Arbeitskraft<br />

als Ware haben und denjenigen, die über Eigentum<br />

an Produktionsmitteln ohne eigene Leistung<br />

verfügen. <strong>Die</strong>se Unterscheidung ist zentral. Konnte doch<br />

auch in der Sozialdemokratie die Kritik der Nichtarbeit,<br />

die sich historisch auf die Ausbeutung der Arbeitskraft<br />

auf Grund <strong>von</strong> Eigentum bezog, verkehrt werden in negative<br />

Einstellungen gegenüber Erwerbslosen. Und diese<br />

wiederum geronnen im Zuge der Agenda 2010 in Zustimmung<br />

zu Gesetzen wie Hartz IV, einen Angriff auf<br />

Grundrechte und die Teil-habe aller.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!