Ausgabe 3/2009 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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Wir lehnen uns also nicht an die moralische Klagemauer.<br />
Aber was sind überhaupt Werte, wie sie gesucht werden?<br />
Der Begriff "Wert", bezogen auf etwas Geistiges, ist merkwürdig<br />
unscharf. Wir haben weniger Probleme, wenn wir<br />
ihn auf Materielles beziehen. So wird von hochwertigen<br />
Ausstattungen gesprochen, sogar das Wort "wertig" für<br />
Plastik im Automobil ist eingeführt. Der Wertbegriff kann<br />
seine Herkunft aus der Ökonomie nicht verbergen. Etwas<br />
ist das wert, was man dafür gibt. Im Vordergrund steht<br />
der Tauschwert. Vereine tauschen "Sportlerwerte". Fußballer<br />
wissen um ihren Verkaufswert. Mit solchen "Werten"<br />
kann sich ein Vermittler oder Berater eine goldene Nase<br />
verdienen. So entsteht ein ungutes Gefühl, wenn von<br />
Werten die Rede ist.<br />
Was meinen wir also mit "Wert"? Wir meinen das, was<br />
wir für eine Gemeinschaft und für ihren Zusammenhalt<br />
für unverzichtbar halten: eine Art "Ökumene" der praxisrelevanten<br />
Sinneinsichten, die aus Traditionen und neuen<br />
Optionen stammen. Für die Tradition mag z.B. ein humanistisches<br />
Erbe aus Antike, Christentum und Aufklärung<br />
stehen, für die Option ein wirtschaftliches, politisches und<br />
kulturelles Gemeinwohl, das man im Interesse von<br />
Lebensqualität und Friedenswahrung, von Sicherheitsund<br />
Freiheitsbedürfnis verteidigt und propagiert. Dabei<br />
müssen wir instrumentelle Werte, die dem Menschen<br />
weiter helfen, aber auch aus dem Ruder geraten können,<br />
von Werten unterscheiden, die den Menschen in seiner<br />
Ganzheit auszeichnen und seine unverlierbare Würde<br />
repräsentieren.<br />
Die Traditions- und Optionsgemeinschaft hat zugleich<br />
Gehalte, von denen man weitgehende und breit entfaltete<br />
Anerkennung erhofft und die zur Integrierung von etwaigen<br />
Abweichungen bereit stehen. Was dazu gehört, ist z.B.<br />
in der Charta europäischer Grundrechte anvisiert. Das sind<br />
Optionen politischer Herrschaftsform, die Menschenwürde<br />
und Menschenrechte umrahmenden unverzichtbaren<br />
Merkmale der institutionellen Gestaltung des Zusammenlebens.<br />
Der Sport hat Traditionen wie den "Olympismus", und er<br />
hat Optionen wie die Gestaltung des Körpers, die Kunst<br />
OF-PODIUM<br />
Wertewandel und Sportmoral<br />
Von Dr. Dietmar Mieth, Professor für Sozialethik an der Universität Tübingen<br />
der Beweglichkeit und der Bewegung, die innere Fairness,<br />
die Abstimmung spielender und kämpfender Menschen<br />
aufeinander und die äußere Friedlichkeit. Im Körper<br />
erscheint dabei der Kulturwert "Natur" als Verbindung von<br />
Leiblichkeit und Leistungsfähigkeit. Sport kennzeichnet in<br />
seinem Regelwerk hier auch - im Anti-Doping - Gestaltungsgrenzen,<br />
um die sich die <strong>Gesellschaft</strong> im Hinblick auf<br />
Vorschläge zur Perfektionierung des Menschen bemühen<br />
muss. Werte gibt es nicht ohne Grenzwerte. Sport kann<br />
Werte national und international abbilden, stärken, aber<br />
auch schwächen. Das alles hängt davon ab, ob er die<br />
Werte in die richtige Reihenfolge bringt, d.h. dem Menschen,<br />
der Person, Vorrang gibt vor den instrumentellen<br />
Werten wie Medien, Eventkultur, Finanzen und Medikamenten.<br />
Denn der Mensch, so der Philosoph Immanuel<br />
Kant, ist ein absoluter Wert, der durch nichts aufgewogen<br />
werden kann.<br />
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