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Ausgabe 3/2009 - Deutsche Olympische Gesellschaft

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es ein Trauerspiel") und mokierte sich über die Metaphorik von<br />

Berichterstattern ("Die Schotten sind noch dicht"). Der Meister<br />

der Rhetorik fand manches einfach nur "Papperlapapp".<br />

"Stellen Sie sich vor, ein Politikjournalist geht zum Bundeskanzler<br />

und sagt: hey Du, wie findest du eigentlich ...?" kritisierte<br />

Walter Jens die Duz-Mentalität und Anbiederungshaltung<br />

von Sportjournalisten. Umgekehrt stellte er den Sport<br />

als vorbildhaft für die Politik dar, wenn er sich wünschte,<br />

"dass der Bundeskanzler so regiert wie Beckenbauer einmal<br />

Fußball spielte".<br />

Dass er sich erfolglos gegen den Olympiaboykott einsetzte,<br />

ist kein Makel. In der Diskussion um den Olympiaboykott<br />

1980 in Moskau stand Jens (erfolglos) an der Seite von Willi<br />

Daume. "Verlegt die Spiele, das werden sie spüren, die<br />

Roten", forderte Jens und musste mit ansehen, wie es doch<br />

zum Boykott kam. Spekulation, was Walter Jens zu den<br />

Spielen von Peking 2008 gesagt hätte. "Eine unbelehrbare<br />

Diktatur dürfte keine <strong>Olympische</strong>n Spiele austragen", sagte<br />

Jens im Interview mit der Stuttgarter Zeitung schon 1987.<br />

Dies lässt Jens Einschätzung der Peking-Spiel zumindest<br />

erahnen.<br />

"Jens wäre mit seiner kritischen Sympathie zum Sport als<br />

Orientierung und Korrektiv noch heute hilfreich", sagt Ommo<br />

Gruppe, Nestor der deutschen Sportwissenschaft. Diese<br />

Sympathie kann Walter Jens (86) heute nicht mehr aufbringen.<br />

Seit vier Jahren leidet er an Demenz. Der Band "Reden<br />

zum Sport" soll seine Gedanken zum Sport erhalten.<br />

� Walter Jens: Reden zum Sport, Nachdenkliches und Kritisches<br />

1964-1999, Hoffmann-Verlag Schorndorf <strong>2009</strong>, 90<br />

Seiten, 12.90 Euro<br />

Biografisches zu Walter Jens<br />

Walter Jens wurde am 8. März 1923 in Hamburg geboren,<br />

lebt und arbeitete in Tübingen als Professor für Klassische<br />

Philologie und Allgemeine Rhetorik (1963-89) in Tübingen;<br />

Präsident der Berliner Akademie der Künste (1989-97); ab<br />

1950 gehörte Jens zur "Gruppe 47", deren Ziel die Förderung<br />

von Autoren der noch jungen<br />

deutschen Nachkriegsliteratur<br />

sowie die Aufklärung<br />

und Erziehung zur Demokratie<br />

der Menschen in<br />

Deutschland nach dem<br />

Hitlerregime war.<br />

Auszeichnungen/Ehrungen/<br />

Preise: u.a. Heine-Preis,<br />

Düsseldorf. Corine-Literaturpreis<br />

(2003); Mitglied in der<br />

Akademie der Künste, Berlin<br />

und im P.E.N;<br />

Veröffentlichungen (u.a.):<br />

Der Blinde (1951), Der Mann,<br />

der nicht alt werden wollte<br />

(1955). Nein. Die Welt der<br />

Angeklagten (1959), Die rote<br />

Rosa, Fernsehspiel (1966), Die Verschwörung, Fernsehspiel<br />

(1966), Frau Thomas Mann, Biografie (2003 - zusammen mit<br />

Inge Jens). Katias Mutter, Biografie (2005 - zusammen mit<br />

Inge Jens).<br />

Im Jahre 2003 wurde bekannt, dass er seit dem 1. September<br />

1942 als Mitglied der NSDAP geführt wurde.<br />

Seit 2004 leidet Walter Jens an Demenz. Mit seinem Buch<br />

"Demenz - Abschied von meinem Vater" sorgte Sohn Tilman<br />

Jens Anfang <strong>2009</strong> für große Aufregung. "Die Rache des<br />

Spätgeborenen" (Süddeutsche Zeitung), "Vatermord" (Welt)<br />

oder "Warum schützt niemand den Vater vor dem Sohn?"<br />

(Zeit) kritisieren die Medien den 54-jährigen Kulturjournalisten<br />

ob der Offenlegung des Vater-Sohn-Verhältnisses.<br />

Gewinnbringend ist das Buch zum Thema Demenz und die<br />

Diskussion um die Sterbehilfe, die Walter Jens 1995 ("Darf ich<br />

nach einem selbstbestimmtem Leben nicht auch einen selbstbestimmten<br />

Tod haben?") angestoßen hatte.<br />

Beim letzten öffentlichen Auftritt im Januar 2007 in der<br />

Mediothek in Pliezhausen (bei Tübingen) hat der Autor einen<br />

von seiner Krankheit gezeichneten Walter Jens erlebt. "Mein<br />

Mann hat an diesem Abend seine Fähigkeit verloren, seinen<br />

Namen zu schreiben", erinnert sich Inge Jens. Beim Signieren<br />

von Büchern schob er diese seiner Frau weiter...<br />

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