Ausgabe 3/2009 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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ist auch das Verständnis für die unterschiedlichen Belange<br />
der einzelnen Abteilungen vorhanden, das unter anderem<br />
deshalb erforderlich ist, damit die schwächeren nicht zu kurz<br />
kommen. Bei großen Unterschieden in Angebotsformen,<br />
Programminhalten, Zielen, Interessen und Erwartungen der<br />
Mitglieder nehmen erfahrungsgemäß die auseinanderstrebenden<br />
Kräfte zu, wie das Beispiel der inzwischen auch eigens zu<br />
gesundheitlichen Zwecken gegründeten Gesundheitssportvereine<br />
zeigt, die sich die Vorteile der Gemeinnützigkeit und<br />
Unterstützung durch Kassen unmittelbar sichern wollen und<br />
zumeist auch die Mitgliedschaft in einem Landesportverband<br />
anstreben.<br />
Unterschätzen darf man aber auch die allgemeinen vereinsund<br />
verbandsinternen Probleme, die in diesem Zusammenhang<br />
entstehen können, nicht: ein Hochleistungssport, zum<br />
Teil hochprofessionalisiert und nach Markt-Kriterien organisiert,<br />
der sich vom allgemeinen Leistungs- und Wettkampfsport<br />
im Verein zunehmend abkoppelt, ein Breiten- und Freizeitsport,<br />
der allein schon durch seine große Masse Gewicht<br />
besitzt, ein Kinder- und Jugendsport, der gesellschaftlich und<br />
sozial von größter Bedeutung ist, aber keineswegs immer jene<br />
Aufmerksamkeit erfährt, die er verdient hätte, und dazu nun<br />
auch ein Gesundheitssport, der eigenen Interessen und Zielsetzungen<br />
folgt - das alles unter dem Dach eines Vereins oder<br />
Verbands möglichst konfliktlos und ohne größere Reibungsverluste<br />
zu organisieren, erfordert ein hohes Maß an gegenseitigem<br />
Verständnis und an Kooperationsbereitschaft.<br />
Über die Vereinsebene hinaus stellt sich damit die nicht einfach<br />
zu beantwortende und nicht zuletzt auch sportpolitische<br />
Frage, was in dem in Vereinen und Verbänden organisierten<br />
Sport besonders wichtig ist, welche Ziele verfolgt und welche<br />
bevorzugt gefördert werden sollten (oder eben auch nicht).<br />
Dazu kann es unterschiedliche Positionen geben. Umso wichtiger<br />
ist eine Klärung, die auch eine begründete Prioritätensetzung<br />
erlaubt. Dies gilt nicht zuletzt für den organisierten<br />
Sport, der sich unter dem Namen "olympisch" vereinigt hat.<br />
Da gesundheitliche Ziele zum traditionellen olympischen<br />
Selbstverständnis nicht unmittelbar hinzu gehörten, gilt es für<br />
ihn, der Leistungs- und Spitzensport, Breiten-. Freizeit- und<br />
Jugendsport, Behindertensport und aus guten Gründen auch<br />
Gesundheitssport zu seinen Aufgaben zählt, diese möglichst<br />
gleichgewichtig zu behandeln, ihre unterschiedlichen Interessen<br />
auszugleichen und zu koordinieren, ihre jeweiligen Möglichkeiten<br />
angemessen einzuschätzen und für ihr partnerschaftliches<br />
Zusammenwirken in Verein und Verband zu<br />
sorgen.<br />
Möglicherweise gravierender als vereins- und verbandsinterne<br />
Differenzen wird in diesem Zusammenhang allerdings oft das<br />
Verhältnis zwischen dem vereins- und verbandsgebundenen<br />
Gesundheitsport und jenen gesundheitsportlichen Aktivitäten<br />
empfunden, die mittlerweile von zahlreichen Anbietern außer-<br />
halb der Vereine angeboten werden. Volkshochschulen, Familienbildungsstätten,<br />
kommunale Einrichtungen, Kurorte, Touristikunternehmen,<br />
Urlaubsregionen, Kirchengemeinden und<br />
Hochschulen gehören - neben den kommerziellen Gesundheits-<br />
und Fitnessstudios - zu diesen Anbietern. Sie werden<br />
deshalb oft als Konkurrenz angesehen, dies auch, weil sie den<br />
Vereinen häufig von ihnen ausgebildete Übungsleiter durch<br />
günstigere Bezahlung weglocken, allerdings auch arbeitslosen<br />
Sportlehrern und Sportlehrerinnen Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
bieten. Sofern dies wirklich eine Konkurrenz sein sollte,<br />
können sich die Vereine mit ihren spezifischen Angeboten<br />
jedoch getrost auf diese einlassen.<br />
Das starke Wachstum des Gesundheitsbereichs bedeutet<br />
natürlich nicht, dass alle gesundheitssportlichen Angebote<br />
auch auf ihre tatsächlichen gesundheitlichen Wirkungen<br />
geprüft wären - auch wenn sie Spaß machen und Wohlbefinden<br />
vermitteln, so heißt dies nicht, dass sie auch die<br />
gewünschten gesundheitlichen Ziele erreicht haben - dazu<br />
sind auch langfristiges und beharrliches Üben, eine "gesunde"<br />
Lebensweise mit "gesunder" Ernährung, viel Bewegung, Wechsel<br />
zwischen Anspannung und Entspannung und möglichst<br />
Verzicht auf Alkohol und Nikotin erforderlich. Gerade den<br />
Verzicht auf Alkohol im Vereinsleben umzusetzen, ist nicht<br />
einfach, nachdem es kaum noch eine Sportübertragung im<br />
Fernsehen gibt, die ohne Werbung für alkoholische Getränke<br />
auskommt. Wie kann da die Idee vom "gesunden Sport"<br />
überzeugend vertreten werden? Es gehört deshalb zur Verantwortung<br />
des organisierten Sports, sich auch darüber klar zu<br />
werden, was Gesundheit und Wohlbefinden im Rahmen ihrer<br />
gesundheitsheitssportlichen Angebote wirklich bedeuten, wie<br />
dieses Angebot organisiert werden muss, damit es wirksam ist<br />
und welches die dafür geeigneten Inhalte sind. Gesundheit,<br />
Wohlbefinden und Fitness sollten keine Etiketten sein. Vielmehr<br />
es ist wichtig, deutlich zu machen, was der besondere<br />
Sinn eines im Rahmen eines funktionierenden Vereinslebens<br />
organisierten Gesundheitssports ist und was ihn von den<br />
gesundheitssportlichen Angeboten unterscheidet, die man<br />
auch anderswo haben kann.<br />
Dazu gehört auch, sich über die Grenzen der gesundheitlichen<br />
Möglichkeiten des Sports klar zu werden. Wie man Gesundheit<br />
versteht, aber auch, wie man seinen Körper "vervollkommnet",<br />
wie man ihn "leistungssporttauglich" macht, wie man junge<br />
Talente trainiert, wie man alte Menschen behandelt, wie man<br />
mit Rauchen und Alkohol im Vereinsleben umgeht - dies<br />
berührt nicht nur speziell gesundheitliche Fragen, sondern<br />
auch sport- und gesundheitsethische. "Gesundheitskultur"<br />
statt "Gesundheitskult" sollte das Leitmotiv gesundheitssportlicher<br />
Angebote der Vereine lauten. Gerade in einer Zeit, in der<br />
Gesundheit so groß geschrieben wird und der "junge", fitte,<br />
schöne, schlanke, attraktive und gesunde Körper zum verbreiteten<br />
Leitbild wird, ist auch daran zu erinnern, dass Krankheit,<br />
Verletzlichkeit und Altern zu unserem Leben gehören.<br />
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