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Ausgabe 3/2009 - Deutsche Olympische Gesellschaft

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land" umzubenennen. Dahinter verbarg sich die trickreiche<br />

Absicht, West-Berlin mit seinem politischen Sonderstatus als<br />

drittes deutsches NOK sportpolitisch isolieren zu wollen.<br />

Zudem fand das Begehren des kommunistischen Lagers in<br />

Allianz mit Ländern der Dritten Welt keine Zustimmung, das<br />

IOC durch eine "Demokratisierung" in eine Art Sport-UNO zu<br />

verwandeln, jedes NOK sollte in der IOC-Vollversammlung<br />

eine Stimme erhalten. Der deutsche Olympier Berthold Beitz<br />

zog aus dem Varna-Kongress ein positives Fazit: "Unter dem<br />

Druck von außen ist das IOC näher zusammengerückt. Sie<br />

dachten vorher, die sind schwach, alt und blaublütig, die<br />

können wir auffressen."<br />

Markierte Varna einen Übergang, so wurde Baden-Baden<br />

1981 zu einer Zäsur in bedrückenden Zeiten. Unter der Führung<br />

der USA hatten die meisten westlichen Staaten die<br />

Spiele 1980 in Moskau wegen des sowjetischen Einmarsches<br />

in Afghanistan boykottiert. Das zwischen die Blöcke geratene<br />

IOC kämpfte um sein - auch finanzielles - Überleben. Die<br />

UNESCO galt damals als alternative olympische Dachorganisation.<br />

Im beschaulichen Umfeld des weltbekannten Kurorts<br />

und seiner ebenfalls berühmten Spielbank begann das große<br />

Spiel von Juan Antonio Samaranch, der in der russischen<br />

Metropole mit starker Unterstützung der kommunistischen<br />

Welt das Erbe von Lord Killanin angetreten hatte. Und der<br />

spanische Großmeister legte los, und zwar in einem Zweckbündnis<br />

mit dem Kongress-Organisator Willi Daume, den er<br />

bei der Präsidentenwahl in Moskau haushoch besiegt hatte.<br />

Der deutsche NOK-Präsident schrieb in seiner Eigenschaft<br />

als Vorsitzender der IOC-Zulassungskommission die Vorlage<br />

für einen veränderten Amateurparagrafen, der den westlichen<br />

Berufssportlern - unter dem Protest des Ostblocks -<br />

die Tür zu Olympia öffnete und damit Gleichheit herstellte<br />

mit dem Staatsamateur. Als Folge beförderte die Session in<br />

Baden-Baden Tennis und Tischtennis als 22. und 23. Sportart<br />

ins Olympiaprogramm. Daume stand auch Pate für die<br />

Schaffung einer Athletenkommission, die durch die Olympiasieger<br />

Sebastian Coe und Thomas Bach eine starke Vertretung<br />

erhielt. Unter Samaranchs früher Präsidentschaft<br />

wurden nach 329 Männern mit der Finnin Pirjo Haeggman<br />

und Flor Isava Fonseca aus Venezuela die ersten Frauen in<br />

den olympischen Orden aufgenommen, aber auch Funktionäre<br />

wie der gelernte Maschinenschlosser Günther Heinze<br />

aus Ost-Berlin.<br />

Dass Samaranch in Baden-Baden unter dubiosen Umständen<br />

den Führungsanspruch des IOC festschreiben ließ, gehört<br />

zur Realität des Baden-Baden-Kongresses wie die dunkle<br />

Aussage des Ehrenpräsidenten Killanin: "Ich war der Überzeugung,<br />

dass der Posten des IOC-Präsidenten nicht käuflich,<br />

sondern für jedermann offen sein sollte, der die Zeit opfern<br />

kann." Auf jeden Fall markiert der zweite <strong>Olympische</strong> Kongress<br />

auf deutschem Boden den Beginn der Ära Samaranch.<br />

30<br />

Über ihn sagte in Baden-Baden der griechische Olympier<br />

Nikolaos Nissiotis, ein Professor der Theologie: "Er vermag auf<br />

allen Klavieren virtuos zu spielen. Er manipuliert, ich meine<br />

dies in positivem Sinn. Er kann das, was ein Kennzeichen<br />

spanischer Geschichte ist: Er beherrscht die Welt durch<br />

Freundschaften."<br />

Der Jahrhundertkongress von Paris 1996 zeigte Samaranch<br />

auf dem Höhepunkt seiner Macht. Er konnte als großen<br />

Erfolg die Wiedervereinigungsspiele in Seoul 1988 und die<br />

geglückten Sommerspiele in Barcelona 1992 vorweisen. Auf<br />

der Habenseite des östlichen Gegenboykotts der Spiele von<br />

Los Angeles 1984 stand der große kommerzielle Erfolg. Olympia<br />

war dabei, eine Geldmaschine zu werden. Das IOC stand<br />

glänzend da, und die Auflösung der politischen Blöcke nach<br />

dem Fall der Mauer hatte den politischen Druck genommen.<br />

Doch eine neue Gefahr wurde deutlich, benannt durch den<br />

australischen Vizepräsidenten Kevan Gosper: "Wir sollten<br />

neben dem Boykott, dem Doping und den Drogen auch der<br />

Korruption ein energisches Halt sagen."<br />

Der Kongress plädierte für die Verstärkung sportlicher Entwicklungshilfe,<br />

erhob den Umweltschutz zu einer olympischen<br />

Priorität, forderte für den Sport Autonomie und für die<br />

Athleten, dass sie den Großteil ihrer Kommission selbst wählen<br />

dürfen. Mit einem Plädoyer für Fair Play im Sport nahm<br />

mit Willi Daume einer der großen Olympier leise Abschied.<br />

Die Session endete mit der Verabschiedung eines Doping-<br />

Gesetzbuchs (Medical Code), das den gesamten olympischen<br />

Sport zu einem einheitlichen Kampf gegen den Leistungsbetrug<br />

verpflichtete. Samaranch machte eine höchst erstaunliche<br />

Personalpolitik dadurch, dass er unter 12 neuen Mitgliedern<br />

auch den Tennistrainer Schamil Tarpischew in das IOC<br />

wählen ließ, auf Wunsch des russischen Präsidenten Boris<br />

Jelzin, dessen Übungsleiter Tarpischew auch war. Allerdings<br />

fand die Allmacht des Spaniers auch seine Grenzen. Als er für<br />

sich selbst das Recht reklamierte, zehn Präsidenten von<br />

olympischen Verbänden zu IOC-Mitgliedern zu ernennen,<br />

blockierte die Vollversammlung. Da half Thomas Bach, als<br />

Jungmitglied des IOC schnell zum Mitglied der Juristischen<br />

Kommission aufgestiegen und dabei auch zum Mitautor des<br />

Medical Codes geworden, seinem Förderer aus der Patsche.<br />

Samaranch solle nur ein Vorschlagsrecht bekommen und die<br />

Session ihr letztes Wort behalten, schlug Bach vor. So<br />

geschah es.<br />

Während des Kongresses erregte noch ein gewisser Jacques<br />

Rogge mit der Aussage Aufsehen, notfalls sollten die Athleten<br />

ihre Rechte mit einem Streik erzwingen. In seinem<br />

Anlauf auf die IOC-Präsidentschaft gab sich der Belgier<br />

noch als kleiner Revolutionär. Beim 13. <strong>Olympische</strong>n Kongress<br />

vom 3. bis 5. Oktober <strong>2009</strong> in Kopenhagen ist er der<br />

große Vorsitzende, der irgendwelche Aufstände nicht<br />

gebrauchen kann.

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