Ausgabe 3/2009 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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Was as macht eigentlich ...?<br />
Willi Wülbeck<br />
Von Steffen Haffner<br />
Den Lauf hat Willi Wülbeck immer noch vor Augen.<br />
"Auch, weil ich immer wieder darauf angesprochen<br />
werde", wie das war an jenem 9. August 1983 in<br />
Helsinki. Der populärste Sportler des Ruhrgebiets und wohl<br />
beliebteste deutsche Leichtathlet stürmte im 800-Meter-<br />
Finale nach vorne und biss sich zum Sieg durch. Eine Sensation.<br />
Der Oberhausener hatte zwar hierzulande die Szene<br />
beherrscht und war zehnmal in Folge auf dieser Strecke<br />
deutscher Meister geworden. Ein<br />
Jahr zuvor aber enttäuschte der<br />
Olympiavierte von Montreal 1976<br />
als Letzter im Finallauf der Europameisterschaft<br />
von Athen. Der Fokus<br />
der Aufmerksamkeit richtete sich<br />
damals auf seinen Rivalen Hans-<br />
Peter Ferner, der den Olympiasieger<br />
Sebastian Coe schlug.<br />
In diesen Wochen vor der Weltmeisterschaft<br />
in Berlin, wo Wülbeck<br />
im August ein paar Tage als<br />
Ehrengast dabei sein will, wird die<br />
Erinnerung durch Interviews und<br />
Zeitungsberichte belebt. Augenzwinkernd<br />
sagt der schlaksige 54-<br />
Jährige: "Ich bin ja nach diesen 26<br />
Jahren fast schon zur historischen<br />
Persönlichkeit geworden." Da ist er<br />
wieder, dieser leise Humor, der die<br />
Art ins Gedächtnis ruft, in der<br />
"Williii", wie sie ihn in den Stadien<br />
anfeuerten, schüchtern lächelnd<br />
mit den Zuschauern Zwiesprache<br />
hielt. Der Publikumsliebling verlor nicht einmal in der Niederlage<br />
an Sympathie. Und wenn er wieder einmal das Video<br />
von Helsinki zeigen muss, kommt immer noch Jubel auf. Das<br />
tut einem wie ihm persönlich, aber auch geschäftlich gut, der<br />
mit seiner Sport- und Veranstaltungsagentur die Öffentlichkeit<br />
braucht. "Weltmeister - das war ja doch eine Lebensleis-<br />
26<br />
tung und ist immer noch die Auszeichnung schlechthin." Sein<br />
deutscher Rekord von 1:43,65 Minuten steht bis auf den<br />
heutigen Tag. Ebenso die Bestmarke im 1.000-Meter-Lauf von<br />
2:14,53 Minuten aus dem Jahre 1980.<br />
Der Blick zurück auf den Höhepunkt seiner Laufbahn sagt<br />
nichts über die Zweifel, die nach dem Tief von Athen an Willi<br />
Wülbeck nagten. Bis zu den Vorläufen von Helsinki fragte er<br />
sich, ob es noch Sinn hatte, überhaupt<br />
weiter zu laufen. Wegen<br />
Schlafstörungen griff er vor wichtigen<br />
Wettkämpfen schon einmal zur<br />
Tablette. "Ich hatte mich in den<br />
Jahren vor der WM aus der<br />
Umklammerung durch meinen<br />
Trainer Hans Raff gelöst." Der<br />
Olympiateilnehmer im Hindernislauf<br />
von Berlin 1936 "hat zu viel mentalitätsfremdes<br />
Verhalten von mir<br />
verlangt: Ruhe und Askese, sich<br />
nicht der Sonne aussetzen, nicht<br />
schwimmen, keine Mädchen. Das<br />
hat zu Verdruss geführt." Nun war<br />
er frei, selbst verantwortlich. Das tat<br />
seiner sportlichen und persönlichen<br />
Entwicklung gut. Dennoch war Raff,<br />
der den jungen Läufer schon unter<br />
seine Fittiche nahm, als der Sechzehnjährige<br />
vom Vorortverein TV<br />
Biefang zum renommierten Club<br />
Rot-Weiß Oberhausen und später<br />
zum TV Wattenscheid wechselte, so<br />
eine Art Vaterfigur. Der eigene Vater<br />
war meist in Sachen Industriebau für Mannesmann von Griechenland<br />
über Ägypten bis Irak unterwegs.<br />
"Irgendwie bin ich zur falschen Zeit gelaufen. Schon acht<br />
Jahre nach der WM in Helsinki wären ganz andere Dimensionen<br />
möglich gewesen, nachdem 1981 der Amateur-Paragraph