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Ausgabe 3/2009 - Deutsche Olympische Gesellschaft

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ung ist das tragende Motiv des sportlichen Handelns. In<br />

gleicher Weise handeln die Verbände. Die Frage, wie der<br />

Erfolg gesteigert werden kann, um die Einnahmen zu erhöhen,<br />

steht im Mittelpunkt ihres Denkens. Die Verbände folgen<br />

damit der gleichen Logik wie jene Partner aus der Wirtschaft,<br />

wenn sie sich für den Sport interessieren. Die Folgen einer<br />

derartig ungezügelten Kommerzialisierung, derzeit im gesamten<br />

System des Sports zu beobachten, sind offensichtlich.<br />

Eine mögliche Sinn- und Motivvielfalt wird reduziert, der<br />

Sport nähert sich immer mehr der Arbeitswelt, wird teilweise<br />

mit ihr identisch, selbstloses Handeln wird zurückgedrängt,<br />

Handeln um der Ehre willen muss als naiv eingestuft werden,<br />

technologische Macher aus Wirtschaft und Justiz werden die<br />

Leitpersönlichkeiten eines derartigen Sports.<br />

Die ungezügelte Kommerzialisierung hat eine Reihe von<br />

weiteren Risiken zur Folge, zuvorderst ist dabei die Gefahr der<br />

Korruption zu benennen. Wird das System des Sports vom<br />

Geld dominiert, so ist es naheliegend, dass jenen, die darüber<br />

verfügen, eine besondere Macht zukommt. Deshalb kann es<br />

nicht überraschen, dass Stimmenkäufe bei Wahlen zu beobachten<br />

sind, wenn es um wichtige Positionen im Weltsystem<br />

des Sports geht. Ganze Mannschaften können von reichen<br />

Oligarchen eingekauft werden, mittlerweile stehen auch<br />

ganze Verbände auf der Kaufliste. Korruption lässt sich mittlerweile<br />

nahezu in allen Entscheidungsprozessen innerhalb<br />

des Systems des Sports beobachten. Bei der Vergabe von<br />

attraktiven sportlichen Großereignissen haben sich solche<br />

Tendenzen gezeigt, beim Verkauf von attraktiven Fernsehund<br />

Sponsorenrechten haben sich einige Funktionäre bereichert,<br />

und als Gastgeschenke verhüllte Beeinflussungen sind<br />

längst in allen Sportarten üblich geworden, mit denen sich<br />

Geld verdienen lässt.<br />

Das dritte Risiko, mit dem der Sport konfrontiert ist, hat ebenfalls<br />

mit der Kommerzialisierung zu tun. Es ist die zunehmende<br />

Betrugsgefahr, die in allen denkbaren Varianten zum Ausdruck<br />

kommt. Fast immer wird dabei der Zuschauer und es werden<br />

jene Athletinnen und Athleten betrogen, die bereit sind, das<br />

Prinzip des Fair-Play zu beachten und die selbstgesetzten<br />

Regeln zu befolgen. Wettbetrug, Schiedsrichterbestechung,<br />

Ergebnisabsprachen und manipulierte Wettkämpfe sind das<br />

Dauerthema der Berichterstattung über den Sport.<br />

Das Betrugsthema gipfelt in dem wohl dramatischsten Risiko,<br />

mit dem der Sport derzeit konfrontiert ist. Die medikamentöse<br />

Manipulation sportlicher Leistung, der Dopingbetrug, hat<br />

ein Ausmaß erreicht, das eine Hilflosigkeit bei den Verantwortlichen<br />

im System des Sports zur Folge hat, die ihresgleichen<br />

sucht. Kriminelle Netzwerke, die sich durch höchste<br />

Professionalität auszeichnen, haben mittlerweile den gesamten<br />

Hochleistungssport unterlaufen und haben eine Situation<br />

hervorgerufen, in der der Zuschauer mit seinen Zweifeln über<br />

die Qualität der sportlichen Leistung allein gelassen wird. Das<br />

10<br />

Phänomen des Dopingbetrugs hat dabei den Charakter eines<br />

Flächenbrandes. Bisher eingeschlagene präventive Maßnahmen<br />

zeichnen sich durch Hilflosigkeit aus; ein teures und in<br />

seiner Wirkung bei weitem überschätztes Kontrollsystem hat<br />

allenfalls einen Alibicharakter, und nach wie vor stehen dem<br />

Dopingproblem viel zu viele Sportfachverbände halbherzig<br />

und folgenlos gegenüber. Gleiches gilt für die beteiligten<br />

Partner aus Staat und Wirtschaft. Dies alles hat zur Folge,<br />

dass für jene, die sich für den Betrug entschieden haben,<br />

dieser sich lohnt. All jene, die aus dem Dopingbetrug ihren<br />

Vorteil und Nutzen ziehen können, verfügen über eine Macht,<br />

die die wenigen engagierten Antidoping-Kämpfer zwangsläufig<br />

als ohnmächtig erscheinen lassen.<br />

Als fünftes Risiko ist von der Gewalt zu sprechen, die den<br />

Sport seit seinen Anfängen begleitet, die jedoch in einem<br />

kommerzialisierten Sport mit immer wieder neuen Merkmalen<br />

zutage tritt. Psychische und physische Gewaltexzesse<br />

unter Spielern, Athletinnen und Athleten, Zuschauergewalt in<br />

den und außerhalb der Sportarenen sind dabei die Markierungspunkte,<br />

die allenthalben sichtbar sind. In diesem<br />

Zusammenhang muss aber auch von den verbalen Zuschaueraggressionen<br />

gesprochen werden, die in einigen Sportarten<br />

ein Ausmaß angenommen haben, dass das Prinzip des Fair-<br />

Play ständig mit Füßen getreten wird. Verbale Aggressionen<br />

unter Athletinnen und Athleten haben ebenfalls eine Entwicklung<br />

aufzuweisen, die meist großzügig übersehen wird.<br />

Die Verrohung der Sprache im Sport ist dabei jedoch offensichtlich,<br />

und es muss dabei angenommen werden, dass<br />

aggressives sprachliches Handeln auf das Engste mit physischer<br />

Gewalt verknüpft ist.<br />

Schließlich muss von einem sechsten Risiko gesprochen<br />

werden, das auf eine Paradoxie verweist. Im Alltagswissen<br />

über den Sport kommt der Gesundheit eine herausragende<br />

Bedeutung zu. Der Sport wird durch seine Gesundheitsfunktion<br />

legitimiert: Wer Sport treibt, lebt gesünder, mittels Sport<br />

können Lebenserwartungen vergrößert werden, Sport wirkt<br />

präventiv in Bezug auf mögliche Risikofaktoren, die die<br />

Gesundheit des Menschen beeinträchtigen. Diese besondere<br />

Bedeutungszuschreibung hat dem Sport bislang sehr genützt,<br />

nicht zuletzt ihr ist es zuzuschreiben, dass der Sport ein<br />

Wachstumsphänomen erster Ordnung in den vergangenen<br />

Jahrzehnten geworden ist. Doch genau die Gesundheit ist<br />

mittlerweile zu einem Risikofaktor des Sports selbst geworden.<br />

Der Sport muss mit der Paradoxie leben, dass er einen<br />

positiven Beitrag zur Gesundheit erbringen kann, dass mittels<br />

Sporttreiben jedoch auch die Gesundheit gefährdet wird. Er<br />

muss auch damit leben, dass nicht alle Bedeutungsmotive,<br />

die Menschen mit Sport verbinden, notwendigerweise der<br />

Gesundheit dienen. Dies war lange Zeit unproblematisch,<br />

problematisch ist mittlerweile jedoch, dass die Beeinträchtigungen<br />

der Gesundheit durch den Sport selbst ein Ausmaß<br />

annehmen, das nicht länger hingenommen werden kann.

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