Ãber den Umgang mit den »Konkurrenzen« in ... - Juraexamen.info
Ãber den Umgang mit den »Konkurrenzen« in ... - Juraexamen.info
Ãber den Umgang mit den »Konkurrenzen« in ... - Juraexamen.info
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
JURA Heft 12/2009 Georg Ste<strong>in</strong>berg/Andrea Bergmann Über <strong>den</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>den</strong> »Konkurrenzen« Grundstudium<br />
909<br />
stellung des <strong>in</strong>sgesamt verwirklichten Unrechtsgehalts erforderlich<br />
ist (»Klarstellungsfunktion« des § 52). Sowohl bei der Handlungse<strong>in</strong>heit<br />
als auch bei der Handlungsmehrheit s<strong>in</strong>d verschie<strong>den</strong>e<br />
Formen von Gesetzeskonkurrenz zu unterschei<strong>den</strong>.<br />
a. Formen der Gesetzeskonkurrenz bei Handlungse<strong>in</strong>heit<br />
(1) Gesetzeskonkurrenz <strong>in</strong> Form von Spezialität<br />
Spezialität liegt vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Tatbestände<br />
verwirklicht, von <strong>den</strong>en e<strong>in</strong>er (die lex specialis) <strong>den</strong> anderen<br />
(die lex generalis) sprachlich logisch umfasst, wenn also e<strong>in</strong>e<br />
Strafnorm begriffsnotwendig alle Merkmale e<strong>in</strong>er anderen sowie<br />
m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> weiteres Merkmal enthält. Beispielsweise steckt<br />
<strong>in</strong> jeder gefährlichen Körperverletzung (§ 224) e<strong>in</strong>e »e<strong>in</strong>fache«<br />
Körperverletzung (§ 223), so dass der Täter A, der <strong>den</strong> B <strong>mit</strong><br />
e<strong>in</strong>em Messer sticht, nicht tate<strong>in</strong>heitlich beide Delikte realisiert,<br />
sondern nur e<strong>in</strong>e gefährliche Körperverletzung nach § 224 I Nr. 2<br />
Alt. 2.<br />
Im Gutachten stellen Sie dies bei Qualifikationen dadurch klar,<br />
dass Sie die Normen geme<strong>in</strong>sam prüfen: »A könnte sich nach<br />
§§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2 strafbar gemacht haben, <strong>in</strong>dem er. . .«;<br />
e<strong>in</strong>e weitere Erörterung der Konkurrenzlage ist dann überflüssig.<br />
– Spezialität anderer, nicht qualifizierender Normen, zum Beispiel<br />
die des § 249 im Verhältnis zu § 242, oder auch die des<br />
§ 224 I Nr. 2 Alt. 1 im Verhältnis zu Alt. 2, berücksichtigen Sie<br />
<strong>in</strong> der Klausur schlicht dadurch, dass Sie die speziellere Norm<br />
vorrangig prüfen.<br />
(2) Gesetzeskonkurrenz <strong>in</strong> Form formeller Subsidiarität<br />
Für manche Tatbestände ist die Gesetzeskonkurrenz im Verhältnis<br />
zu anderen Tatbestän<strong>den</strong> im Gesetz explizit angeordnet,<br />
nämlich als formelle Subsidiarität (subsidiär = »zur Aushilfe<br />
dienend«), vergleiche z. B. § 145 d I a. E., § 246 I a. E., § 248 b I<br />
a. E., § 265 I a. E. und § 316 I a. E.<br />
Beispielfall 7: A verkauft und übereignet se<strong>in</strong> Fahrrad an <strong>den</strong><br />
e<strong>in</strong>geweihten B und meldet es dann bei se<strong>in</strong>er Versicherung als<br />
gestohlen. Versicherungs<strong>mit</strong>arbeiter V kommt aber dem A auf<br />
die Schliche und verweigert die Auszahlung.<br />
Hier hat A e<strong>in</strong>en Versicherungsmissbrauch begangen, <strong>in</strong>dem<br />
er das gegen Diebstahl versicherte Fahrrad e<strong>in</strong>em anderen überlassen<br />
hat (§ 265 I Var. 5). Mit der Scha<strong>den</strong>smeldung hat A auch<br />
e<strong>in</strong>en Betrug versucht, §§ 263 I, III 2 Nr. 5, 22, der mangels<br />
Auszahlung nicht zur Vollendung gelangte. In der Klausur tragen<br />
Sie der formellen Subsidiarität des § 265 Rechnung, <strong>in</strong>dem Sie<br />
zuerst <strong>den</strong> Betrug prüfen und, nachdem Sie unter »1.« festgestellt<br />
haben, dass A nach §§ 263 I, III 2 Nr. 5, 22 strafbar ist, folgendermaßen<br />
formulieren: »2. Der womöglich ebenfalls verwirklichte<br />
Versicherungsmissbrauch tritt je<strong>den</strong>falls aufgrund formeller Subsidiarität<br />
(§ 265 I a. E.) h<strong>in</strong>ter dem versuchten Versicherungsbetrug<br />
zurück.« E<strong>in</strong>e weitere Prüfung des § 265 ist überflüssig.<br />
Beachten Sie im Übrigen zweierlei h<strong>in</strong>sichtlich der formellen<br />
Subsidiarität des § 246 I: Zum e<strong>in</strong>en bezieht sich diese auch auf<br />
§ 246 II, vgl. <strong>den</strong> Wortlaut »<strong>in</strong> <strong>den</strong> Fällen des Absatzes 1«. Zum<br />
anderen ist bezogen auf § 246 I streitig, ob die Subsidiarität sich<br />
auf alle oder nur auf Vermögensdelikte bezieht. Überzeugend<br />
<strong>mit</strong> Verweis auf <strong>den</strong> Wortlaut folgt die Rechtsprechung dem<br />
ersteren 11 .<br />
(3) Gesetzeskonkurrenz <strong>in</strong> Form materieller Subsidiarität<br />
Materielle Subsidiarität liegt vor, wenn e<strong>in</strong>e Tatbestandsverwirklichung<br />
weniger <strong>in</strong>tensiv das von bei<strong>den</strong> Normen geschützte<br />
Rechtsgut verletzt als die andere, ohne dass e<strong>in</strong> Fall der Spezialität<br />
vorliegt.<br />
Beispielfall 8: A und B tüfteln e<strong>in</strong>en Plan aus, wie sie geme<strong>in</strong>sam<br />
O töten können. Tags darauf hält, wie geplant, A <strong>den</strong> O fest,<br />
und B <strong>in</strong>jiziert ihm e<strong>in</strong> tödlich wirkendes Gift.<br />
Hier ist auf Konkurrenzebene zu prüfen, wie sich die Verbrechensverabredung,<br />
§ 30 II Var. 3, zum plangemäß verwirklichten<br />
<strong>mit</strong>täterschaftlichen Totschlag, §§ 212 I, 25 II, verhält. Spezialität<br />
liegt nicht vor, da § 212 I sprachlich nicht alle Elemente des § 30 II<br />
Var. 3 erfasst, h<strong>in</strong>gegen ist materielle Subsidiarität gegeben. Im<br />
Gutachten können Sie formulieren: »Ergebnisse und Konkurrenzen:<br />
A und B s<strong>in</strong>d strafbar nach § 30 II Var. 2 und §§ 212 I, 25 II.<br />
Die Handlungen bil<strong>den</strong>, <strong>in</strong>dem durch sie der Taterfolg sukzessive<br />
herbeigeführt wurde, e<strong>in</strong>e rechtliche Handlungse<strong>in</strong>heit. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
bildet die Verbrechensverabredung e<strong>in</strong>en weniger <strong>in</strong>tensiven Angriff<br />
auf das durch die Tötung (plangemäß) ebenso angegriffene<br />
Rechtsgut, nämlich das Leben des O, und tritt daher als materiell<br />
subsidiär zurück. Es verbleibt e<strong>in</strong>e Strafbarkeit von A und B nach<br />
§§ 212 I, 25 II.«<br />
Es existieren auch Fälle der materiellen Subsidiarität, die so<br />
offensichtlich s<strong>in</strong>d, dass sie <strong>in</strong> der Klausur noch nicht e<strong>in</strong>mal<br />
erwähnt wer<strong>den</strong> müssen, zum Beispiel die <strong>mit</strong> jedem Totschlag<br />
zw<strong>in</strong>gend verwirklichte Körperverletzung oder auch die im Totschlag<br />
enthaltene fahrlässige Tötung. Ebenso ist die Beihilfe, § 27,<br />
subsidiär im Verhältnis zur Mittäterschaft, § 25 II, die versuchte<br />
Anstiftung, § 30 I 1 Alt. 1, zur Anstiftung, § 26, etc.; <strong>in</strong> der Klausur<br />
br<strong>in</strong>gen Sie dies zum Ausdruck, <strong>in</strong>dem Sie stets die <strong>in</strong>tensivere<br />
Beteiligungsform zuerst prüfen und nur bei deren Nichtvollendung<br />
sodann die nächst schwächere <strong>in</strong> Betracht kommende.<br />
(4) Gesetzeskonkurrenz <strong>in</strong> Form der Konsumtion<br />
Konsumtion liegt vor, wenn e<strong>in</strong> Tatbestand zwar nicht sprachlich<br />
oder sachlich logisch zw<strong>in</strong>gend (ke<strong>in</strong>e Spezialität, ke<strong>in</strong>e Subsidiarität),<br />
aber doch typischerweise bei der Begehung e<strong>in</strong>er<br />
dem Unrechtsgehalt nach wesentlich höheren Tat als Begleittat<br />
<strong>mit</strong>verwirklicht wird. Die typische Begleittat wird dann konsumiert<br />
(tritt zurück).<br />
Beispielfall 9: A schießt <strong>den</strong> B tödlich <strong>in</strong> die Brust und verdirbt<br />
dabei dessen Smok<strong>in</strong>g.<br />
In der Klausur formulieren Sie nach Feststellung der begangenen<br />
Delikte: »Ergebnisse und Konkurrenzen: A hat sich nach<br />
§ 212 I und nach § 303 I strafbar gemacht. Die Sachbeschädigung<br />
am Smok<strong>in</strong>g wird als typische und <strong>in</strong> ihrem Unrechtsgehalt deutlich<br />
untergeordnete Begleittat der Tötung konsumiert, so dass A im<br />
Ergebnis nach § 212 I strafbar ist.«<br />
Als Fallkonstellation sollte Ihnen <strong>in</strong>sbesondere die Konsumtion<br />
von Sachbeschädigung (am Türschloss), § 303 I, und Hausfrie<strong>den</strong>sbruch,<br />
§ 123, durch <strong>den</strong> begangenen Wohnungse<strong>in</strong>bruchdiebstahl,<br />
§§ 242 I, 244 I Nr. 3, bekannt se<strong>in</strong>. Ebenso<br />
sollte Ihnen die Streitfrage bekannt se<strong>in</strong>, ob die genannten Begleittaten<br />
auch durch e<strong>in</strong>en besonders schweren Fall des Diebstahls<br />
nach §§ 242 I, 243 I 2 Nr. 1, Nr. 2 konsumiert wer<strong>den</strong><br />
können. Dies ist im Ergebnis zu verne<strong>in</strong>en, weil Regelbeispiele<br />
aufgrund ihres Charakters re<strong>in</strong>er Strafzumessungsregeln ke<strong>in</strong>e<br />
Tatbestände konsumieren können 12 .<br />
b. Formen der Gesetzeskonkurrenz bei Handlungsmehrheit<br />
Als Formen der Gesetzeskonkurrenz bei Handlungsmehrheit<br />
kommen die <strong>mit</strong>bestrafte Vortat und die <strong>mit</strong>bestrafte Nachtat<br />
<strong>in</strong> Betracht. Ursache des Zurücktretens e<strong>in</strong>es Delikts als <strong>mit</strong>bestrafte<br />
Vor- oder Nachtat ist, dass der Unrechtsgehalt dieser Tat<br />
von dem der Haupttat bereits umfasst ist, weil sie zwar nicht<br />
zw<strong>in</strong>gend, aber typischerweise als Vorbereitungshandlung zur<br />
Begehung der Haupttat (<strong>mit</strong>bestrafte Vortat) oder nach Begehung<br />
der Haupttat zwecks Sicherung oder Verwertung der Vorteile<br />
vorgenommen wird (<strong>mit</strong>bestrafte Nachtat). Es handelt sich<br />
also der Sache nach um Fälle der Konsumtion bei Handlungsmehrheit<br />
13 .<br />
11 Vgl. Lackner/Kühl, 26. Auflage 2007, § 246 Rdn. 14.<br />
12 Vgl. (a. A.) dies., § 243 Rdn. 24.<br />
13 Str., vgl. LK-Riss<strong>in</strong>g van Saan, 12. Auflage 2006, Vor § 52 Rdn. 149.<br />
Angemeldet | mail@juraexamen.<strong>in</strong>fo<br />
Heruntergela<strong>den</strong> am | 13.04.12 16:01