Ãber den Umgang mit den »Konkurrenzen« in ... - Juraexamen.info
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Grundstudium<br />
Georg Ste<strong>in</strong>berg/Andrea Bergmann Über <strong>den</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>den</strong> »Konkurrenzen«<br />
JURA Heft 12/2009<br />
gleich Raub<strong>mit</strong>tel, so dass die Taten <strong>in</strong> Handlungse<strong>in</strong>heit stehen<br />
(partielle Handlungsi<strong>den</strong>tität) . . .«<br />
(3) Verklammerung<br />
Zwei Tathandlungen, die zue<strong>in</strong>ander (eigentlich) <strong>in</strong> Handlungsmehrheit<br />
stehen, können durch e<strong>in</strong>e dritte Handlung, zu der sie<br />
jeweils <strong>in</strong> Handlungse<strong>in</strong>heit stehen, zu e<strong>in</strong>er Handlungse<strong>in</strong>heit<br />
verklammert wer<strong>den</strong>. Dies ist allerd<strong>in</strong>gs nur dann möglich,<br />
wenn der Unrechtsgehalt des (potentiell) verklammern<strong>den</strong> Delikts<br />
nicht h<strong>in</strong>ter dem Unrechtsgehalt der anderen Straftatbestände<br />
zurückbleibt. Strittig ist, ob die Klammerwirkung e<strong>in</strong>tritt,<br />
wenn das (potentiell) verklammernde Delikt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />
Unrechtsgehalt h<strong>in</strong>ter nur e<strong>in</strong>em der zu verklammern<strong>den</strong> Delikte<br />
zurückbleibt. Strittig ist des Weiteren, ob es für die Bestimmung<br />
des Unrechtsgehalts (abstrakt) auf <strong>den</strong> jeweiligen Strafrahmen<br />
der Norm ankommt oder auf das im (konkreten) E<strong>in</strong>zelfall verwirklichte<br />
Unrecht.<br />
Beispielfall 5: A hält <strong>den</strong> O zehn Tage lang gefangen. Am ersten<br />
Tag misshandelt er ihn körperlich. Am dritten Tag beleidigt er<br />
ihn.<br />
Nach der Prüfung von § 239 I, III Nr. 1, § 223 I Alt. 1 und § 185<br />
formulieren Sie hierzu im Gutachten: »Ergebnisse und Konkurrenzen:<br />
A hat sich nach § 239 I, III Nr. 1, § 223 I und § 185 strafbar<br />
gemacht. Die Freiheitsberaubung steht, da sie während der Körperverletzung<br />
fortdauerte, <strong>mit</strong> dieser <strong>in</strong> Handlungse<strong>in</strong>heit, dasselbe<br />
gilt für die Freiheitsberaubung im Verhältnis zur Beleidigung.<br />
H<strong>in</strong>gegen wur<strong>den</strong> die Körperverletzung und die Beleidigung an<br />
verschie<strong>den</strong>en Tagen und auf der Basis e<strong>in</strong>es jeweils separaten Tatentschlusses<br />
begangen, wonach Handlungsmehrheit vorläge. Fraglich<br />
ist <strong>mit</strong>h<strong>in</strong>, ob e<strong>in</strong>e Verklammerung dieser Delikte durch das<br />
jeweils <strong>mit</strong> diesen <strong>in</strong> Handlungse<strong>in</strong>heit stehende Dauerdelikt<br />
(§ 239 I) möglich ist. Die schwere Freiheitsberaubung weist sowohl<br />
bei abstrakter Betrachtung der Strafrahmen (Verbrechen, § 12 I!)<br />
als auch nach <strong>den</strong> konkreten Umstän<strong>den</strong> des Falles e<strong>in</strong>en weit<br />
höheren Unrechtsgehalt auf als die Körperverletzung und die Beleidigung.<br />
E<strong>in</strong>e Verklammerung ist also möglich. Demnach bil<strong>den</strong><br />
alle drei Taten e<strong>in</strong>e Handlungse<strong>in</strong>heit. . .«<br />
c. natürliche Handlungse<strong>in</strong>heit<br />
Die Rechtsprechung fasst des Weiteren mehrere Handlungen im<br />
natürlichen S<strong>in</strong>ne zu e<strong>in</strong>er Handlung zusammen <strong>mit</strong>tels der Figur<br />
der natürlichen Handlungse<strong>in</strong>heit. Die Term<strong>in</strong>ologie ist irreführend.<br />
Sie erschließt sich, wenn man sich klarmacht, dass sich<br />
hier weder e<strong>in</strong> Handlungsentschluss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Körperbewegung<br />
realisiert hat (also ke<strong>in</strong>e Handlung im natürlichen S<strong>in</strong>ne vorliegt),<br />
noch sich aus <strong>den</strong> verwirklichten Tatbestän<strong>den</strong> oder aufgrund<br />
von Teili<strong>den</strong>tität der Ausführungshandlung oder Klammerwirkung<br />
e<strong>in</strong>e Handlungse<strong>in</strong>heit ableiten lässt, gleichwohl<br />
aber bei »natürlicher Betrachtungsweise« – letztlich im H<strong>in</strong>blick<br />
auf Schuldpr<strong>in</strong>zip und Gleichheitssatz – die Anwendung des § 53<br />
als unangemessen hart ersche<strong>in</strong>t. E<strong>in</strong>e natürliche Handlungse<strong>in</strong>heit<br />
liegt demnach vor, wenn die gleichartig erfolgende Begehung<br />
mehrerer Straftaten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em engen zeitlichen und räumlichen<br />
Zusammenhang steht, e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>heitlichen Willensentschluss zur<br />
Grundlage hat und sich für Dritte als e<strong>in</strong>heitliches Tun darstellt.<br />
Beispielfall 6: In bl<strong>in</strong>der Zerstörungswut tritt A nach e<strong>in</strong>em<br />
verlorenen Fußballderby auf dem Heimweg bei sechs Autos, die<br />
am Straßenrand stehen, nache<strong>in</strong>ander die Außenspiegel ab.<br />
Diese Sachbeschädigungen (§ 303 I) des A können nicht als<br />
e<strong>in</strong>e (iterative) Begehung <strong>in</strong>terpretiert wer<strong>den</strong>, weil das Eigentum<br />
verschie<strong>den</strong>er Rechtsgutsträger (der jeweiligen Eigentümer)<br />
verletzt wurde. Allerd<strong>in</strong>gs ersche<strong>in</strong>t es allzu hart, von Handlungsmehrheit<br />
auszugehen, also <strong>den</strong> A nicht <strong>in</strong> <strong>den</strong> Genuss des<br />
§ 52 kommen zu lassen. Als Handlung im natürlichen S<strong>in</strong>n können<br />
die Sachbeschädigungen daher zu e<strong>in</strong>er Handlungse<strong>in</strong>heit<br />
zusammengefasst wer<strong>den</strong>. Im Gutachten formulieren Sie nach<br />
Feststellung der sechs Sachbeschädigungen:<br />
»Ergebnisse und Konkurrenzen: A hat sechs Sachbeschädigungen<br />
<strong>mit</strong>tels sechs Handlungen im natürlichen S<strong>in</strong>n verwirklicht. Diese<br />
können, da jeweils unterschiedliche Rechtsgutsträger betroffen s<strong>in</strong>d,<br />
nicht als e<strong>in</strong>e (iterativ begangene) e<strong>in</strong>heitliche Sachbeschädigung<br />
<strong>in</strong>terpretiert wer<strong>den</strong>. Fraglich ist aber, ob die Taten als natürliche<br />
Handlungse<strong>in</strong>heit anzusehen s<strong>in</strong>d. Die Voraussetzungen des engen<br />
räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs und des e<strong>in</strong>heitlichen<br />
Vorsatzes (allgeme<strong>in</strong>e »bl<strong>in</strong>de Zerstörungswut«) s<strong>in</strong>d gegeben; auch<br />
stellen sich die Taten für Dritte als e<strong>in</strong>heitlicher Vorgang dar. Bei<br />
natürlich-wertender Betrachtung ist das Geschehen so<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit,<br />
so dass die Rechtsfolge des § 53 unangemessen hart wäre. Die<br />
Taten bil<strong>den</strong> also e<strong>in</strong>e natürliche Handlungse<strong>in</strong>heit im S<strong>in</strong>ne des<br />
§ 52. . .«<br />
Der BGH hat beispielsweise auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Polizeifluchtfall für<br />
die strafbaren Handlungen, die der Täter während der Flucht<br />
begangen hatte, Handlungse<strong>in</strong>heit angenommen, da sie »e<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />
sich geschlossenes Verhalten, e<strong>in</strong>e natürliche Handlungse<strong>in</strong>heit«<br />
bildeten 8 . Entschei<strong>den</strong>d dabei war, dass der Handlungswille des<br />
Täters beim Verüben der Straftaten e<strong>in</strong>heitlich war, dieser war<br />
nämlich von dem Gedanken beherrscht, <strong>den</strong> Verfolgern zu entkommen.<br />
– Das Ergebnis mag im konkreten Fall gerecht gewesen<br />
se<strong>in</strong>. Bereits diese Entscheidung zeigt allerd<strong>in</strong>gs auch, auf welch<br />
unsichere Abgrenzungskriterien sich die Figur der natürlichen<br />
Handlungse<strong>in</strong>heit stützt, was zu deutlicher Kritik <strong>in</strong> der Literatur<br />
geführt hat 9 . Wen<strong>den</strong> Sie die Figur <strong>in</strong> der Klausur eher zurückhaltend<br />
an! Ablehnen sollte man sie je<strong>den</strong>falls, wenn höchstpersönliche<br />
Rechtsgüter (v. a. Leib, Leben, Freiheit) verschie<strong>den</strong>er<br />
Rechtsgutsträger bee<strong>in</strong>trächtigt wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d, der Täter zum Beispiel<br />
kurz nache<strong>in</strong>ander drei Menschen getötet hat.<br />
d. fortgesetzte Tat<br />
Kurz erwähnt sei schließlich die »fortgesetzte Tat«. Mit dieser<br />
seitens der Rechtsprechung entwickelten Figur wur<strong>den</strong> zeitlich<br />
weit ause<strong>in</strong>anderliegende (daher ke<strong>in</strong>e iterative Begehung<br />
und auch ke<strong>in</strong>e natürliche Handlungse<strong>in</strong>heit), aber von e<strong>in</strong>em<br />
»Gesamtvorsatz« getragene gleichartige Handlungen zu e<strong>in</strong>er<br />
Handlungse<strong>in</strong>heit verbun<strong>den</strong>, zum Beispiel über e<strong>in</strong>en längeren<br />
Zeitraum immer wieder begangene La<strong>den</strong>diebstähle (§ 242),<br />
Schwarzfahrten (§ 265 a I Var. 3) oder Sexualstraftaten<br />
(§§ 174 ff.). Rechtspolitisches Ziel war es, <strong>den</strong> »Serientäter« <strong>in</strong><br />
<strong>den</strong> Genuss des § 52 kommen zu lassen. Nachdem die Literatur<br />
die Figur schon immer kritisiert hatte, hat sich 1994 auch der<br />
BGH <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen<br />
(§ 132 GVG) grundsätzlich von ihr distanziert 10 . In Klausuren ist<br />
sie nicht mehr zu diskutieren; <strong>mit</strong> Blick auf die mündliche Prüfung<br />
sollte man sie kennen.<br />
2. Zweiter Schritt: Liegt Gesetzeskonkurrenz vor?<br />
Haben Sie nach alledem festgestellt, ob Handlungse<strong>in</strong>heit oder<br />
-mehrheit vorliegt (und dass im ersteren Fall mehrere Strafgesetze<br />
oder dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt s<strong>in</strong>d, also nicht<br />
nur e<strong>in</strong>e Straftat begangen wurde), ist als nächstes zu prüfen, ob<br />
Tate<strong>in</strong>heit (§ 52) beziehungsweise Tatmehrheit (§ 53) vorliegen,<br />
oder ob nicht e<strong>in</strong> Delikt durch e<strong>in</strong> anderes im Wege der Gesetzeskonkurrenz<br />
vollständig verdrängt wird, also <strong>in</strong> <strong>den</strong> Schuldspruch<br />
nicht <strong>mit</strong> aufgenommen wird. Dies letztere soll dann<br />
geschehen, wenn der Unrechtsgehalt des e<strong>in</strong>en verwirklichten<br />
Delikts von dem e<strong>in</strong>es anderen verwirklichten Delikts bereits voll<br />
erfasst ist, so dass es dem Schuldpr<strong>in</strong>zip und dem Gleichheitssatz<br />
widerspräche, beides <strong>in</strong> <strong>den</strong> Schuldspruch aufzunehmen. Umgekehrt<br />
entfällt die Verdrängung e<strong>in</strong>es Delikts im Wege der Gesetzeskonkurrenz,<br />
wenn die Erwähnung beider Delikte zur Klar-<br />
8 BGHSt 22, 67 ff., 76.<br />
9 Vgl. Kühl, AT (Fn. 2), § 21 Rdn. 10–20.<br />
10 BGHSt GrS 40, 138 ff.<br />
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Heruntergela<strong>den</strong> am | 13.04.12 16:01