Ãber den Umgang mit den »Konkurrenzen« in ... - Juraexamen.info
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JURA Heft 12/2009 Georg Ste<strong>in</strong>berg/Andrea Bergmann Über <strong>den</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>den</strong> »Konkurrenzen« Grundstudium<br />
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schehen als Handlungse<strong>in</strong>heit oder -mehrheit darstellt, ist auf<br />
<strong>den</strong> ersten Blick vor allem der äußerliche (objektive) Geschehensablauf<br />
maßgeblich. Wie die folgen<strong>den</strong> Erörterungen zeigen,<br />
spielt aber letztlich die subjektive Seite, nämlich die Frage, ob die<br />
Handlungen des Täters von e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Vorsatz getragen<br />
waren (bzw. sich als e<strong>in</strong>e Sorgfaltspflichtverletzung darstellen),<br />
die entschei<strong>den</strong>dere Rolle. Ist dies der Fall, hat er subjektiv<br />
ger<strong>in</strong>geres Unrecht verwirklicht, sich nämlich (im Falle vorsätzlichen<br />
Handelns) nur e<strong>in</strong>mal für e<strong>in</strong>en Verstoß gegen die Rechtsordnung<br />
entschie<strong>den</strong>, was die Anwendung des § 52 statt des § 53<br />
rechtfertigt. Bei der argumentativen Begründung der Konkurrenzverhältnisse<br />
<strong>in</strong> der Klausur sollten Sie daher stets auch die<br />
subjektive Seite des Geschehens <strong>in</strong> <strong>den</strong> Blick nehmen.<br />
(1) tatbestandliche Handlungse<strong>in</strong>heit<br />
(a) bei mehraktigem Delikt<br />
Delikte, deren Tatbestand mehrere Akte erfordert (zum Beispiel<br />
§ 249: Nötigung und Wegnahme), bewirken, dass die jeweiligen<br />
Teilhandlungen bereits aufgrund dieser Mehraktigkeit des Tatbestands<br />
als Handlungse<strong>in</strong>heit gelten, die zusammengenommen<br />
<strong>den</strong> betreffen<strong>den</strong> Tatbestand e<strong>in</strong>mal erfüllen. Dies bedeutet, dass<br />
e<strong>in</strong>e Handlungse<strong>in</strong>heit vorliegt, dass aber, ohne dass auf die Frage<br />
e<strong>in</strong>er Gesetzeskonkurrenz e<strong>in</strong>zugehen wäre, die Anwendung des<br />
§ 52 schon deshalb ausgeschlossen ist, weil nicht »dasselbe Strafgesetz<br />
mehrmals« (Wortlaut), sondern nur e<strong>in</strong>mal verletzt ist.<br />
Ergebnis ist hier also schlicht e<strong>in</strong>e Straftatverwirklichung. In<br />
der Klausur ist dieses Faktum nicht besonders zu erwähnen, es<br />
kommt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er korrekten Subsumtion beispielsweise des § 249<br />
h<strong>in</strong>reichend zum Ausdruck.<br />
(b) iterative Tatbegehung<br />
Bei der iterativen (wörtlich: »wiederholen<strong>den</strong>«) Tatbegehung<br />
wird die wiederholte Tatbestandsverwirklichung durch gleichartige<br />
Akte, die <strong>in</strong> un<strong>mit</strong>telbarer zeitlicher Abfolge auf derselben<br />
subjektiven Basis (Vorsatz/Fahrlässigkeit) erfolgen, zu e<strong>in</strong>er Bewertungse<strong>in</strong>heit<br />
zusammengefasst <strong>mit</strong> der Folge, dass der Tatbestand<br />
als nur e<strong>in</strong>mal verletzt gilt. Auch hier entfällt also die<br />
Anwendung des § 52, da durch die <strong>in</strong> Handlungse<strong>in</strong>heit stehen<strong>den</strong><br />
Akte nur e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Straftatbestand verwirklicht wird.<br />
Beispielfall 2: A verprügelt <strong>den</strong> O, <strong>in</strong>dem er ihm e<strong>in</strong>en Schlag<br />
unters K<strong>in</strong>n und e<strong>in</strong>en auf <strong>den</strong> Kopf sowie e<strong>in</strong>en Fußtritt <strong>in</strong> die<br />
Körper<strong>mit</strong>te versetzt.<br />
Hier liegt trotz der verschie<strong>den</strong>en durch A vorgenommenen<br />
E<strong>in</strong>zelakte nur e<strong>in</strong>e Körperverletzung gemäß § 223 I vor. Im<br />
Gutachten können Sie <strong>mit</strong> dieser Konstellation auf zwei unterschiedliche<br />
Arten umgehen: Entweder Sie prüfen jede E<strong>in</strong>zelhandlung<br />
zunächst als eigene Straftat und formulieren, daran<br />
anschließend: »Die drei festgestellten Verwirklichungen des § 223<br />
I s<strong>in</strong>d, da sie <strong>in</strong> un<strong>mit</strong>telbarer zeitlicher Abfolge durch gleichartige<br />
Handlungen gegen <strong>den</strong>selben Rechtsgutsträger erfolgten und von<br />
e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Verletzungsvorsatz getragen waren, als e<strong>in</strong>e<br />
Verwirklichung des § 223 I anzusehen.«<br />
Oder Sie prüfen, eleganter, die betreffen<strong>den</strong> Handlungen von<br />
vornhere<strong>in</strong> als e<strong>in</strong>e: »A könnte sich, <strong>in</strong>dem er dem O e<strong>in</strong>en Schlag<br />
unters K<strong>in</strong>n und auf <strong>den</strong> Kopf sowie e<strong>in</strong>en Tritt versetzte, nach<br />
§ 223 I strafbar gemacht haben. . .« Beachten Sie aber: Grundsätzlich<br />
ist jede Handlung punktuell und separat zu prüfen;<br />
oftmals s<strong>in</strong>d stu<strong>den</strong>tische Bearbeitungen gerade deswegen fehlerhaft,<br />
weil sie dies nicht beachten (z. B. durch Zusammenziehen<br />
von Handlungen, die teilweise gerechtfertigt s<strong>in</strong>d, teilweise<br />
nicht). Prüfen Sie also sorgfältig, ob dem Zusammenziehen<br />
mehrerer Handlungen im konkreten Fall nichts entgegensteht.<br />
Typische Fallkonstellationen e<strong>in</strong>er iterativen Tatbegehung<br />
s<strong>in</strong>d auch die stückweise Wegnahme der Diebesbeute, § 242,<br />
sowie das zeitlich gestreckte Unterlassen (beispielsweise der Hilfeleistung,<br />
§ 323 c) und die Verwirklichung von Dauerdelikten<br />
(zum Beispiel § 239, § 316). In <strong>den</strong> letzteren Fällen ist es offensichtlich,<br />
dass nur e<strong>in</strong>e Verletzung e<strong>in</strong>es Strafgesetzes vorliegt, so<br />
dass e<strong>in</strong>e Erörterung dieses Faktums <strong>in</strong> der Klausur überflüssig<br />
ist.<br />
(c) sukzessive Tatbegehung<br />
Im Gegensatz zur iterativen Tatbegehung erfolgt die sukzessive<br />
Begehung e<strong>in</strong>er Tat »allmählich«, es wird also auch bei punktueller<br />
Betrachtung der tatbestandliche Erfolg nur e<strong>in</strong>mal herbeigeführt.<br />
Im Übrigen gilt das zur iterativen Begehung Gesagte<br />
für die sukzessive ebenso.<br />
Beispielfall 3: A will <strong>in</strong> das Gartenhaus des O e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen, um<br />
e<strong>in</strong>en Rasenmäher zu stehlen. Als er die Tür <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em Dietrich<br />
öffnen will, bricht dieser ab. A greift nicht auf <strong>den</strong> zweiten <strong>mit</strong>gebrachten<br />
Dietrich zurück, sondern bemerkt plötzlich e<strong>in</strong> offenes<br />
Fenster, durch das er e<strong>in</strong>steigt und <strong>den</strong> Rasenmäher stiehlt.<br />
Auch hier liegt angesichts des räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs<br />
des Geschehens, sowie angesichts desselben angegriffenen<br />
Rechtsguts und derselben Motivlage beim Täter nur<br />
e<strong>in</strong> Diebstahl vor (§§ 242 I, 243 I 2 Nr. 1) 6 , wobei der Tatbestand<br />
des § 242 I nicht rasch h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>ander mehrmals, sondern e<strong>in</strong>mal<br />
sukzessiv verwirklicht wor<strong>den</strong> ist. Der BGH hat <strong>in</strong> der »Dagobert«-Entscheidung<br />
klargestellt, dass nur e<strong>in</strong>e Tat vorliegt, wenn<br />
»die der Tatbestandsvollendung dienen<strong>den</strong> Teilakte e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>heitlichen<br />
Lebensvorgang bil<strong>den</strong>, wobei der Wechsel des Angriffs<strong>mit</strong>tels<br />
nicht von entschei<strong>den</strong>der Bedeutung ist« 7 . Diese<br />
E<strong>in</strong>heit ende erst dort, wo der Täter nach <strong>den</strong> Regelungen über<br />
<strong>den</strong> Rücktritt nicht mehr strafbefreiend zurücktreten könnte,<br />
also <strong>in</strong>sbesondere bei Fehlschlag des Versuchs. Die Parallele zu<br />
§ 24 überzeugt, weil der Täter von mehreren E<strong>in</strong>zelakten, die<br />
e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>heitlichen Lebensvorgang, also e<strong>in</strong>en Versuch bil<strong>den</strong>,<br />
gemäß § 24 <strong>in</strong>sgesamt zurücktreten könnte; demnach kann es<br />
sich bei Fehlen e<strong>in</strong>es Rücktritts auch nur um e<strong>in</strong>e Tatbestandsverwirklichung<br />
handeln.<br />
Analog zu <strong>den</strong> zwei Lösungsvarianten bei der iterativen Tatbegehung<br />
könnten Sie auch hier entweder zunächst <strong>den</strong> versuchten<br />
Diebstahl (Türöffnungsversuch <strong>mit</strong>tels Dietrich) und dann<br />
<strong>den</strong> vollendeten Diebstahl (E<strong>in</strong>stieg durch das Fenster und Wegnahme<br />
des Rasenmähers) getrennt prüfen und daran anschließend<br />
erläutern, warum letztlich nur e<strong>in</strong>e Tatbegehung vorliegt.<br />
Vorzugswürdig ist es u. E., die Handlungen von vornhere<strong>in</strong> zusammenzuziehen:<br />
»A könnte sich, <strong>in</strong>dem er zunächst <strong>mit</strong> dem<br />
Dietrich die Gartenhaustür zu öffnen suchte, dann durch das Fenster<br />
e<strong>in</strong>stieg und <strong>den</strong> Rasenmäher <strong>mit</strong>nahm, nach §§ 242 I, 243 I 2<br />
Nr. 1 strafbar gemacht haben. . .« Dass nur e<strong>in</strong>e Tatbestandsverwirklichung<br />
vorliegt, stellen Sie dann im Rahmen der Prüfung<br />
des objektiven und subjektiven Tatbestands (e<strong>in</strong> Vorsatz) klar.<br />
(2) teilweise Handlungsi<strong>den</strong>tität<br />
Bei Verwirklichung e<strong>in</strong>es Delikts durch e<strong>in</strong>e Handlung, die zugleich<br />
Teilakt e<strong>in</strong>es anderen mehraktigen Delikts ist (Teili<strong>den</strong>tität),<br />
stehen die bei<strong>den</strong> Delikte <strong>in</strong> Handlungse<strong>in</strong>heit.<br />
Beispielfall 4: A schlägt der B <strong>in</strong>s Gesicht. Die verängstigte B<br />
verh<strong>in</strong>dert nicht, dass A ihr die Handtasche abnimmt und verschw<strong>in</strong>det.<br />
Hier steht der von A verwirklichte Raub, § 249, <strong>in</strong> Handlungse<strong>in</strong>heit<br />
<strong>mit</strong> der Körperverletzung, § 223 I, da die Körperverletzungshandlung<br />
zugleich die Nötigung im S<strong>in</strong>ne von § 249<br />
darstellt. Im Gutachten formulieren Sie, nachdem Sie die<br />
schuldhafte Begehung von § 249 und § 223 I festgestellt haben:<br />
»Ergebnisse und Konkurrenzen: A hat sich nach § 223 I und<br />
§ 249 strafbar gemacht. Die Körperverletzungshandlung war zu-<br />
6 Abgesehen von dem zusätzlich verwirklichten Hausfrie<strong>den</strong>sbruch, § 123.<br />
7 BGHSt 41, 368 ff., 369 = NStZ 1996, 429 ff. <strong>mit</strong> Anmerkung Beulke/<br />
Satzger.<br />
Angemeldet | mail@juraexamen.<strong>in</strong>fo<br />
Heruntergela<strong>den</strong> am | 13.04.12 16:01