2013-1-Aufgabe-5 - Juraexamen.info
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Erste Juristische Staatsprüfung <strong>2013</strong>/1<br />
<strong>Aufgabe</strong> 5<br />
(Arbeitszeit: 5 Stunden)<br />
Der Landwirt Benno Bierschneider betreibt auf dem Grundstück Flurstück-<br />
Nummer 143, das im Außenbereicti er 3.000 Einwohner zählenden kreisangehörigen<br />
Gemeinde ö i . do im Oberbayerischen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen<br />
liegt,. eine Bullenmast mit 70 Tieren. Für den Betrieb, der eine ausschließlich eigene<br />
Futtergrundlage hat, wurde im Jahr 995 eine Baugenehmigung erteilt. Der Flächennutzungsplan<br />
sieht für den Bereich, in dem sich das Grundstück befindet, eine Fläche<br />
für Landwirtschaft vor.<br />
Unmittelbar im Anschluss an das Betriebsgrundstück in einer Entfernung von etwa<br />
150 Metern von den Betriebsgebäuden beginnt der Ortsbereich von Königsdorf. Dort<br />
besteht seit 2007 der Bebauungsplan "Alpen blick", der ein allgemeines Wohngebiet<br />
festsetzt. Im Bereich des Bebauun lans "Alpe Iiek" wohnen seit Beginn des Jahres<br />
2011 auch die Eheleute Dor und Carlo C opp. Das Wohngebäude befindet<br />
sich auf dem nördlich unmittel ar an den Au enbereich und an das Grundstück<br />
des Benno Bierschneider angrenzenden Grundstück Flurstück-Nummer 137, das im<br />
Eigentum des Carlo Kopp steht.<br />
Seit ihrem Zuzug ist den Eheleuten Kopp allerdings der Betrieb des Benno Bierschneider<br />
ein Dorn im Auge, weil der dorthin führende Weg unmittelbar an der südlichen<br />
Grenze des Wohngrundstücks Flurstück-Nummer 137 verläuft. Es handelt sich<br />
um einen gewidmeten, etwa vier Meter breiten und unbefestigten Feld- und Waldweg.<br />
lnfolge der regelmäßigen Nutzung dieses öffentlichen Wegs durch landwirtschaftliche<br />
Nutzfahrzeuge des Benno Bierschneider, aber auch anderer Landwirte,<br />
fühlen sich die Eheleute Kopp in ihrem Wohnwert stark beeinträchtigt, vor allem im<br />
Sommer, wenn sie den Garten nutzen.<br />
Am 2:1. Se tember 201 geht bei der Gemeinde Königsdorf ein vollständiger Bauantrag<br />
des Benno Bierschneider - nebst einer Verpflichtungserklärung bezüglich des<br />
Rückbaus und der BodenversiegeJung für den Fall der Nutzungsaufgabe der Anlage<br />
- ein. Darin wird die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung und den Betrieb<br />
einer Biogasanlage mit einer Feuerungswärmeleistung von 0,5 Megawatt und<br />
einer Kapazität zur Erzeugung von 500.000 Normkubikmeter Biogas pro Jahr auf<br />
dem Grundstück Flurstück-Nummer 143 des Benno Bierschneider 50 Meter südlich<br />
des Bullenmaststalles beantragt. Von der nächstgelegenen Wohnbebauung im Bebauungsplangebiet<br />
"Aipenblick" - mithin von dem Wohnhaus, in dem die Eheleute<br />
Kopp leben - ist die geplante Anlage etwa 200 Meter entfernt. Die zum Betrieb der<br />
Anlage benötigte Biomasse soll zu 80 Prozent aus dem eigenen Betrieb des Benno<br />
Bierschneider stammen. Die g.eplante Anlage soll 30 Meter lang, 20 Meter breit und<br />
vier Meter hoch sein. Eine Explosions- oder erhöhte Brandgefahr oder eine vergleichbare<br />
Gefahr ist mit der geplanten Anlage beziehungsweise ihrem Betrieb nicht<br />
verbunden.<br />
Da der Gemeinderat der Gemeinde Königsdorf sich zum ersten Mal mit einer derartigen<br />
Anlage zu befassen hat und die potentiellen Auswirkungen nicht kennt, be-
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schließt er in seiner Sitzung am 4. Oktober 2012, zunächst Erkundigungen einzuholen.<br />
Nach einer am 20. November 201f durchgeführten Informationsveranstaltung<br />
verweigert der Gemeinderat in seiner Sitzung am 21. November 2012 das Einvernehmen<br />
durch einstimmigen Beschluss aufgrund der Neuartigkeit von Biogasarilagen.<br />
Das entsprechende Schreiben der Gemeinde Königsdorf geht beim Landratsamt<br />
Bad Tölz-Wolfratshausen am 26. November 2012 ein.<br />
Am 14. Dezember 2012 erteilt das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen die beantragte<br />
Baugenehmigung für die Biogasanlage unter Hinweis insbesondere darauf,<br />
dass diese im Außenbereich rivile iert zulässi sei. Nach der fachlichen Beurteilung<br />
des·Sachgebietes Immissionsschutz im Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen würden<br />
angesichts der Entfernung zur nächsten Wohnbebauung die lmmissionsrichtbeziehungsweise<br />
Grenzwerte für ein allgemeines Wohngebiet betreffend Lärm und<br />
Gerüche nach den maßgeblichen technischen Regelwerken eingehalten. Dies gelte<br />
für den Lärm auch unter Berücksichtigung des Zu-und Abgangsverkehrs zu beziehungsweise<br />
von dem Betriebsgrundstück. Die Baugenehmigung enthält Nebenbestimmungen,<br />
die die Anlieferzeiten zur Biogasanlage auf werktags von 7.00 Uhr bis<br />
19.00 Uhr und die Anlieferungen auf acht Fahrbewegungen pro Tag begrenzen. Die<br />
Baugenehmigung wird Benno Bierschneider und der Gemeinde Königsdorf jeweils<br />
am 17. Dezember 2012 ordnungsgemäß zugestellt.<br />
Am 5. Februar <strong>2013</strong> beginnt Benno Bierschneider mit den Bauarbeiten zur Errichtung<br />
der Biogasanlage. Nachdem die Eheleute Kopp dadurch am selben Tag Kenntnis<br />
von dem Bauprojekt erlangt haben, geht am 19. Februar <strong>2013</strong> beim Bayerischen<br />
v erwltungsgerich München ein chriftsatz der Rechtsanwältin Dr. Viola Vette r (V)<br />
. . r:'\.<br />
e1n. S1e erhebt dann namens und 1m Auftrag der Eheleute Kopp Klage gegen d1e er- v<br />
teilte Baugenehmigung für die Biogasanlage "gegen das Landratsamt Bad Tölz- .<br />
Wolfratshausen" und beantragt, "die bereits begonnenen Bauarbeiten im Wege einer@<br />
sofortigen Entscheidung zu stoppen".<br />
Zur Begründung der Anträge führt Rechtsanwältin Dr. Viola Vetter in dem Schriftsatz<br />
aus, dass die angegriffene Baugenehmigung die Rechte der Eheleute Kopp in mehrfacher<br />
Hinsicht verletze. So sei allein schon mit der Errichtung de Alllc;ge -von der.<br />
sich anschließenden Nutzung ganz zu schweigen - ein erheblicher Wertverlust !ür<br />
das Grunc;Jstück Flurstück-Nummer 13Z und eine nicht hinnehmbare Beeinträchti-.<br />
un der VVohnqua!ltät vrbunden. Dies insbesondere deshalb, weil die Zufahrt zum<br />
Betrieb des Benno Bierschneider entlang der südlichen Grenze des Grundstücks<br />
Flurstück-Nummer 137 erfolge, was vor allem im Sommer die für Fahrgeräusche be-;,<br />
sondepfindljche Dora Kopp n der Nutzung des GartDS hindere. Allein die Art<br />
und Weise, wie das Genehmigungsverfahren durchgeführt worden sei, nämlich_2hn§<br />
Beteiligung der Eheleute Kope, führe zu einer Rechtsverletzung. Die Erschließung<br />
eines mehr oder weniger landwirtschaftlichen Betriebs über einen unbefestigten Q.ffentlichen<br />
Feld- und Waldweg könne nicht rechtens sein. Darüber hinaus werde der<br />
durch Bebauungsplan festgesetzte Wohj'lgbietscharktr durch die benachbarte<br />
Biogasanlage mehr als nur in Frage gestellt. An der Zulässigkeil der Biogasanlage im<br />
Außenbereich bestünden erhebliche Zweifel, unter anderem im Hinblick auf die ent:.,<br />
gegenstehende RegeJung im Flächenl)utzungsplao. ucb habe die Gemeinde Kö;<br />
ni sdorf mit ihrer Entscheidung vom 21. November 2012 zugunsten der Gemeindebürger<br />
klar zum Ausdruck,9o_ebracht, dass S()lche Anlagen im Ge_minc;!egebiet nicht.<br />
gewollt seien. Uljlklar sei zudem, ob das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen für<br />
die Erteilung einer solchen Genehmigung überha_upt zuständig sei.<br />
bitte wenden!
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Das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen führt gegenüber dem Bayerischen Verwaltungsgericht<br />
München schrittsätzlieh aus, schon hinsichtlich der Zulässigkeit der<br />
Rechtsbehelfe bestünden erhebliche Bedenken, insbesondere im Hinblick auf die<br />
maßgebliche Klagefrist Im Übrigen sei die Baugenehmigung rechtmäßig erteilt worden,<br />
sodass schon deshalb oachbarschützende Rechtspositionen nicht verletzt sein<br />
könnten. Selbst wenn formelle oder materielle Fehler vorliegen sollten, fuhre dies<br />
nicht' zum Erfolg der Rechtsbehelfe. Der für die Erschließung des Betriebsgrundstücks<br />
dienende öffentliche feld- und Waldweg sei rechtlich wie tatsächlich geeignet,<br />
den zu erwartenden Verkehr aufzunehmen. Schließlich seien im Interesse der Nachbarschaft<br />
Nebenbestimmungen in dte Baugenehmigung aufgenommen worden, die,<br />
sollten.sie nicht beachtet werden, durchsetzbar'seien. Auf die gemeindliche Entschejdung<br />
bezüglich des Vorhabens, die ohnehin keine Rolle mehr spiele, komme es<br />
im vorliegenden Verfahren nicht an.<br />
Vermerk für die Bearbeiter:<br />
ln einem Gutachten, das auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen eingeht, sind die Erfolgsaussichten<br />
des von Rechtsanwältin Dr. Viola Vetter für die Eheleute Kopp gestellten<br />
Antrags "auf sofortige Entscheidung" beim Bayerischen Verwaltungsgericht<br />
München zu prüfen.<br />
Hinweise:<br />
Es ist davon auszugehen, dass der Sachvortrag zutreffend ist. Weiter ist davon auszugehen,<br />
dass es für die Errichtung der Biogasanlage keiner immissionsschutzrecht,.<br />
Iichen Genehmigung bedarf. Naturschutzrecht ist nicht zu prüfen.<br />
Eine Biogasanlage dient der Erzeugung von Biogas und damit der Erzeugung von<br />
Energie zur Strom- und Wärmeversorgung. ln landwirtschaftlichen Biogasanlagen<br />
werden dafür tierische Exkremente (Gülle und Festmist) sowie Energiepflanzen (insbesondere<br />
Maissilage) als Substrat eingesetzt.<br />
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