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Prof. Dr. Wolfgang März Winter 2013<br />

Vorlesung: Öffentliches Wirtschaftsrecht<br />

A. Programm, Ort und Zeit<br />

Die zweistündige Vorlesung „Öffentliches Wirtschaftsrecht“ ist Teil der Spezialisierung „Staat,<br />

Wirtschaft, Verwaltung“ im Bachelorstudiengang „LL.B. Wirtschaft, Gesellschaft, Recht – Good<br />

Governance“. Sie wird als Baustein des Moduls „Vertiefung im Öffentlichen Recht“ immer im<br />

7. Fachsemester angeboten und durch das Kolloquium zum Öffentlichen Wirtschaftsrecht (2 SWS)<br />

ergänzt. Die Vorlesung behandelt das traditionelle deutsche Wirtschafts(ordnungs)recht aus<br />

verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Perspektive (s.u.).<br />

Nicht behandelt werden Fragen der staatlichen Regulierung und Privatisierung sowie der Infrastrukturverwaltung<br />

(Netzwirtschaften). Sie sind Gegenstand der ebenfalls zu diesem Modul gehörenden<br />

Vorlesung „Regulierungsverwaltung und Infrastrukturrecht“ (2 SWS), die von Prof.<br />

Dr. Gersdorf angeboten wird.<br />

– Termin und Ort: Dienstag, 9.00 – 11.00 Uhr c.t.; Campus Ulmenstr., Haus 1, SR 118<br />

B. Vorlesungsgliederung<br />

I. Das öffentliche Unternehmensrecht / Wirtschaftsrecht als Gegenstand des Rechts<br />

§ 1 Das öffentliche Wirtschaftsrecht als Rechtsgebiet; Grundgesetz und Wirtschaftsordnung<br />

§ 2 Staat und Eigenwirtschaft: die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand<br />

§ 3 Organisation und rechtliche Ordnung der Wirtschaftsverwaltung<br />

II. Klassische Wirtschaftsverwaltung und neue Aufgabenfelder<br />

§ 4 Der Staat als Nachfrager am Markt: das öffentliche Auftragswesen/Vergaberecht<br />

§ 5 Der Staat als Wirtschaftslenker und Wirtschaftsförderer: das Subventionsrecht<br />

§ 6 Das Gewerberecht (mit Ladenschlußrecht)<br />

§ 7 Das Gaststättenrecht<br />

§ 8 Das Handwerksrecht


– 2 –<br />

C. Grundausstattung zur Veranstaltung<br />

Als Mindestausstattung für die Vorlesung benötigen Sie eine Textsammlung und ein Lehrbuch:<br />

– Gesetzessammlungen zum öffentlichen Wirtschaftsrecht:<br />

• unverzichtbar „NomosGesetze Öffentliches Recht“; alternativ Sodan (Hg.), Öffentliches, Privates<br />

und Europäisches Wirtschaftsrecht, 14 2013; oder Stober (Hg.), Wichtige Gesetze für<br />

Wirtschaftsverwaltung und die Öffentliche Wirtschaft, 25 2013<br />

• für § 4: das GWB, Vierter Teil, §§ 97–129b (NomosGesetze Zivilrecht); zur Vertiefung eine<br />

Textsammlung, z.B. VergabeR – VgR (mit VOB, VOL, VOF), 15 2013 (Beck-Texte im dtv)<br />

– Lehr- bzw. Lernbücher zum öffentlichen Wirtschaftsrecht (7 =Empfehlung):<br />

• Frotscher/Kramer, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, 6 2013 7<br />

• Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3 2011 7<br />

• Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4 2013 7<br />

• R. Schmidt/Vollmöller (Hg.), Kompendium öffentliches Wirtschaftsrecht, 3 2007 7<br />

• Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, 17 2011; Stober/Eisenmenger, Besonderes<br />

Wirtschaftsverwaltungsrecht, 15 2011<br />

• Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2 2010<br />

• s.a. die beiden Beiträge zum Wirtschaftsverwaltungsrecht von Arndt/Fetzer (in: Steiner<br />

[Hg.], Besonderes Verwaltungsrecht, 8 2006, Teil VI) und von Huber (in: Schoch [Hg.], Besonderes<br />

Verwaltungsrecht, 15 2013, Kap. 3)<br />

– Zum Nachschlagen von Details:<br />

• Ehlers/Fehling/Pünder (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. I: Öffentliches Wirtschaftsrecht,<br />

3 2012<br />

• Rittner/Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, 3 2008<br />

• R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht. Allgemeiner Teil, 1990; ders. (Hg.), Öffentliches<br />

Wirtschaftsrecht. Besonderer Teil 1, 1995; Besonderer Teil 2, 1996 (z.T. veraltet)<br />

– Fälle und Lösungen zum öffentlichen Wirtschaftsrecht:<br />

• Glaser/Klement, Öffentliches Wirtschaftsrecht mit Regulierungsrecht, 2009<br />

• Oberrath, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3 2009<br />

• Schöbener/Jahn, Fälle zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, 2 2009<br />

– In diesem Arbeitspapier finden Sie in den jeweiligen Abschnitten (§§ 1–8) weitere Hinweise zu<br />

Rechtsprechung und Literatur.<br />

– Spezielle Fachzeitschriften zum öffentlichen Wirtschaftsrecht (Auswahl):<br />

– Gewerbearchiv – GewArch. U (= in Rostock vorhanden)<br />

– Infrastrukturrecht – IR U<br />

– Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht – NZBau (–> Beck Online)<br />

– Recht der Energiewirtschaft – RdE U<br />

– Vergaberecht – VergR (am LS Prof. März vhd.)<br />

– Wettbewerb in Recht und Praxis – WRP U<br />

– Wirtschaft und Verwaltung – WuV (Beilage zum Gewerbearchiv) U<br />

– Wirtschaft und Wettbewerb – WuW U<br />

– Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht – ZfBR U<br />

– Zeitschrift für neues Energierecht – ZNER U


– 3 –<br />

Arbeitsblatt zu § 1<br />

Das öffentliche Wirtschaftsrecht als Rechtsgebiet;<br />

Grundgesetz und Wirtschaftsordnung<br />

A. Übersicht: I. Das öffentliche Wirtschaftsrecht als Rechtsgebiet<br />

II. Grundgesetz und Wirtschaftsordnung (die „Wirtschaftsverfassung“)<br />

B. Literatur:<br />

Frotscher, §§ 1–2, 4–6; Schliesky, S. 1–107; Schmidt, ÖffWiR AT, §§ 1–4; Ruthig/Storr,<br />

§§ 1–2; Schmidt/Vollmöller, § 2; Stober, AllgWiVerwR, § 1–5, 17–23; Rittner/Dreher, §§ 2, 4<br />

zum Öffentlichen Wirtschaftsrecht<br />

– Walther, Die Mehrdeutigkeit des Rechtsbegriffs „wirtschaftlich“, BayVBl. 2004, 167 ff.<br />

zur Wirtschaftsverfassung<br />

– Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, 4 2011, Rn. 1–75<br />

– Leisner, Freiheitliche Wirtschaftsverfassung aus Grundrechten – oder Grundrechtsrelativierung<br />

durch soziale Verfassungssystematik?, in: Bauer (Hg.), Wirtschaft im offenen Verfassungsstaat.<br />

FS für Reiner Schmidt, 2006, S. 363 ff.<br />

– Papier, Grundgesetz und Wirtschaftsverfassung, WM 2009, 1869 ff.; ders., Wirtschaftsverfassung<br />

in der Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes, in: FS Peter Selmer, 2003,<br />

S. 459 ff.<br />

– Schmidt, Staatliche Verantwortung für die Wirtschaft, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), HStR<br />

III ( 2 1996), § 83; dito, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), HStR IV ( 3 2006), § 92<br />

– Schünemann, „Wirtschaftspolitische Neutralität“ des Grundgesetzes?, in: Kluth u.a. (Hg.),<br />

Wirtschaft – Verwaltung – Recht. FS für Rolf Stober, 2008, S. 147 ff.<br />

– Seyfarth, Die Wirtschaftsordnung unter dem Grundgesetz, in: Albers u.a. (Hg.), Beobachten<br />

– Entscheiden – Gestalten. Symposion für Dieter Grimm, 2000, S. 239 ff.<br />

– Sodan, Vorrang der Privatheit als Prinzip der Wirtschaftsverfassung, DÖV 2000, 361 ff.<br />

zur sozialen Marktwirtschaft<br />

– Müller-Volbehr, Das Soziale in der Marktwirtschaft, JZ 1982, 132 ff.<br />

– Papier, Soziale Marktwirtschaft – ein Begriff ohne verfassungsrechtliche Relevanz?, in:<br />

Nörr/Starbatty (Hg.), Soll und Haben – 50 Jahre Soziale Marktwirtschaft, 1999, S. 95 ff.<br />

– Rupp, Die Soziale Marktwirtschaft in ihrer Verfassungsbedeutung, in: Isensee/Kirchhof,<br />

HStR IX (1997), § 203


– 4 –<br />

C. Das Thema in Stichworten:<br />

I. Besonderheiten des Öffentlichen Wirtschaftsrechts<br />

– Zur Begrifflichkeit: Öffentliches Wirtschaftsrecht meint „Öffentliches Recht der [kleinen und<br />

mittleren] Unternehmen“, früher „Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht“<br />

genannt, allerdings ohne das Thema des § 4). Es handelt sich um eine typisch deutsche<br />

Rechtsmaterie, die weder mit ausländischen Rechtssystematiken noch mit dem Unionsrecht<br />

nahtlos zur Deckung zu bringen ist.<br />

– Zur Positionsbestimmung: ÖffWiR ist keine geschlossene oder gar kodifizierte Materie, sondern<br />

leidet unter einer starken, aus Traditionen beruhenden Rechtszersplitterung; allenfalls<br />

die Grundfunktionen sind identisch, nämlich Ordnung und Planung/Steuerung/Förderung<br />

privatwirtschaftlicher Betätigung.<br />

– Definitionsversuch: ÖffWiR = Summe aller rechtlichen Regeln, die für die Wirtschaft bzw.<br />

das Wirtschaften bedeutsam sind und Sonderrecht des Staates darstellen. Wegen letzterer<br />

Voraussetzung zählt etwa das Wettbewerbsrecht (UWG, GWB) nicht zum ÖffWiR, wenngleich<br />

es den Staat beim privatrechtlich geformten Auftreten am Markt als Teilnehmer und<br />

Wettbewerber bindet. Wirtschaft/Wirtschaften bedeutet dabei a) funktionsbezogen die Produktion<br />

und Verteilung von Waren und Dienstleistungen, b) institutionsbezogen die gesamte<br />

Tätigkeit von Unternehmen (zivilrechtliche Definition –> § 14 BGB), c) tätigkeitsbezogen die<br />

Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Als erster Anhaltspunkt für „Wirtschaft“ mag<br />

Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG herhalten, wenngleich die dort genannten Ausprägungen die Wirtschaftsformen<br />

des 21. Jahrhunderts längst nicht mehr zu erfassen vermögen.<br />

– ÖffWiR und kleine und mittlere Unternehmen (KMU): Der landesspezifische Bezug zu diesem<br />

Unternehmensspektrum wird dadurch deutlich, daß die einzelnen Themen vor allem für<br />

solche Unternehmen eine wichtige Rolle spielen; Gewerbe, Handwerk etc. wird in erster Linie<br />

von kleineren Wirtschaftseinheiten betrieben, nicht von Industrieunternehmen. Dabei<br />

kann für KMU die Abgrenzung des Unionsrechts herhalten (Zahlen etwas modifiziert):<br />

• Kleinstunternehmen < 10 Beschäftigte oder < 2 Mio. EUR Umsatz<br />

• Kleinunternehmen < 50 Beschäftigte oder


– 5 –<br />

zelnen: gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht = (im Rahmen der marktwirtschaftlichen<br />

Ordnung) Stabilität des Preisniveaus (–> nunmehr auch Art. 88 Satz 2 GG) + hoher Beschäftigungsstand<br />

+ außenwirtschaftliches Gleichgewicht [Außenhandelsbilanz] + angemessenes<br />

Wirtschaftswachstum. Ähnlich, aber ergänzt um Umweltschutz und sozialen<br />

Fortschritt, Art. I-3 Abs. 3 EU-Verfassung als Teilziel der Europäischen Union.<br />

– Darüber hinaus Absicherung eines bestimmten Wirtschaftssystems/-modells im Grundgesetz?<br />

In der Staatsrechtslehre der frühen Bundesrepublik häufig vertreten, daß Grundgesetz<br />

ein bestimmtes geschlossenes Konzept „soziale Marktwirtschaft“ absichert, und zwar nach<br />

den Maßstäben der ordoliberalen Wirtschaftstheorie (Prinzip des freien Wettbewerbs am<br />

Markt und des privaten Eigentums an den Produktionsmitteln). Etwa vertreten von Hans<br />

Carl Nipperdey (BAG-Präsident) und modifiziert von Ernst Rudolf Huber („Garantie der<br />

gemischten Wirtschaftsverfassung“). Verfassungsrechtliche Absicherung dabei über Art. 2<br />

Abs. 1 GG als zentralem Wirtschaftsgrundrecht (nicht Art. 12 oder 14!) und dem Sozialstaatsprinzip<br />

als marktkonformem Regulativ; Art. 2 Abs. 1 GG sollte so auch eine institutionelle<br />

Garantie der sozialen Marktwirtschaft beinhalten. Eingriffe des Staates waren demnach nur<br />

erlaubt, wenn marktkonform, also zur Beseitigung von Mißständen, nicht aber zur flächendeckenden<br />

Steuerung des Marktes. Schon wegen Art. 14 15 GG nicht nachvollziehbar.<br />

– Überdies Konsequenz dieser Lehre: wirtschaftstheoretisches Modell wird zur Verfassungsnorm<br />

und damit abhängig von einer nichtjuristischen Interpretationsmethode. Ansatz wurde<br />

vom BVerfG bereits 1954 im Investitionshilfe-Urteil (E 4, 7 ff.) zurückgewiesen:<br />

• wirtschaftspolitische Neutralität i.S.v. Offenheit des Grundgesetzes gegenüber bestimmten<br />

ökonomischen Marktmodellen und wirtschaftswissenschaftlichen Theorien. Demzufolge<br />

irrelevant für das Verfassungs- und Grundrechtsverständnis:<br />

• Einfügen einer gesetzlichen Regelung in die vorhandene Marktordnung?<br />

• Marktkonformität staatlicher Interventionen?<br />

• Übereinstimmung staatlicher Maßnahmen mit ökonomischen Lehrmeinungen?<br />

• Förderung von Gruppeninteressen durch staatliche Wirtschaftspolitik?<br />

• fehlende Wettbewerbsneutralität von Wirtschaftsgesetzen?<br />

• Aber: volle allgemeine Bindung des Wirtschaftsgesetzgebers an die Grundrechte, d.h. Integration<br />

der „Wirtschaftsverfassung“ in das allgemeine Verfassungssystem und -denken<br />

=> keine eigenständigen „Subverfassungen“ im Grundgesetz. Art. 1 Abs. 3 GG bedeutet<br />

auch hier: Jeder Markteingriff ist rechtfertigungsbedürftig, benötigt also mindestens ein<br />

vernünftiges Ziel des Gesetzgebers und die Beachtung des Übermaßverbots.<br />

– In Verbindung mit späteren Entscheidungen: allgemeiner Verfassungsgrundsatz des Vorrangs<br />

freier wirtschaftlicher Marktbetätigung, der allerdings nicht mehr auf Art. 2 Abs. 1 GG<br />

gestützt wird, sondern in Art. 12 und 14 GG residiert (dort engere Einschränkungsmöglichkeiten).<br />

Diese beiden Wirtschaftsgrundrechte – und andere Grundrechte – stehen dabei unverbunden<br />

nebeneinander und bilden kein wirtschaftsverfassungsrechtliches System, schon<br />

gar nicht eine institutionelle Garantie der sozialen Marktwirtschaft. Daher immer grundrechtliche<br />

Einzelfallbetrachtung erforderlich.<br />

– Im Vordergrund der wirtschaftsrelevanten Aussagen der Verfassung stehen somit die Grundrechte,<br />

daneben das Rechtsstaatsprinzip, das Sozialstaatsprinzip und das Prinzip demokratsicher<br />

Legitimation allen Staatshandelns. Daneben haben eine besondere Bedeutung die<br />

Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen nach dem VII. und VIII. Abschnitt des<br />

Grundgesetzes, und einige andere Vorschriften aus dem Bereich der Finanzverfassung, etwa<br />

der schon erwähnte Art. 109 GG. Da Grundrechte bereits bekannt, hier nur einige Besonderheiten<br />

aus wirtschaftsverfassungsrechtlicher Sicht.<br />

– Grundrechte grundsätzlich als Abwehrrechte gegen staatliche Reglementierung und Steuerung<br />

des Marktgeschehens wirksam (bürgerlich-liberales Verständnis); institutionelle Gewährleistung<br />

ökonomierelevanter „Ordnungen“ allenfalls bei Art. 9 Abs. 3 GG (Koalitionsfreiheit<br />

mit Tarifautonomie), daneben eventuell „allgemeine Wirtschaftsfreiheit“ i.S.v. wirtschaftserheblicher<br />

Handlungsfreiheit, vornehmlich über Art. 12 GG oder („Verbraucherwehrrechtliche<br />

Komponente der Wirtschaftsgrundrechte verstärken, eventuell auch korrigieren<br />

(z.B. Verbraucherschutz als Ausdruck staatlicher Schutzpflicht).


– 6 –<br />

– Zentral für wirtschaftliche Betätigung daher Art. 12 GG, der über Art. 19 Abs. 3 GG auch für<br />

alle Personen- und Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) Schutz gewährt, ebenso für nichtrechtsfähige<br />

Personenvereinigungen, soweit sie sich am Markt betätigen (OHG, GbR). Bekanntlich<br />

weiter Schutzbereich des „Berufs“, der hinsichtlich wirtschaftlicher Betätigung<br />

häufig als „Gewerbefreiheit“, „Unternehmerfreiheit“, „Wettbewerbsfreiheit“ o.ä. bezeichnet<br />

wird (ohne dabei besondere Konturen zu erreichen).<br />

– Dabei gelegentlich Problem der Abgrenzung verschiedener Tätigkeiten = „Berufe“ gegeneinander<br />

=> gesetzliche Regelungen können bei strengem Verständnis dann entweder (noch)<br />

Ausübungsregelungen oder (schon) berufswahlbezogene Zugangsschranken zu einem „anderen“<br />

Beruf darstellen (Lebensmittelhändler – Fischhändler; Spediteur im Güternahverkehr –<br />

Spediteur im Güterfernverkehr; selbständige – unselbständige Tätigkeit, z.B. freiberuflich<br />

tätiger Arzt – Krankenhausarzt). Früher in der Rspr. häufige Bezugnahme auf „Berufsbilder“,<br />

d.h. rechtlich festgelegte Typisierungen eines bestimmten Berufs mit der Folge, daß<br />

dem Grundrechtsträger dann nur der Zugang zu genau diesem Beruf ermöglicht wird und<br />

atypische Erscheinungsformen ausgeschlossen sind = kein Berufs(er)findungsrecht des Berufstätigen<br />

(z.B. Friseur, der in einem Ladengeschäft für Kundschaft tätig ist, gegenüber<br />

einem Friseur, der keinen Laden hat und auch dort nicht arbeitet, sondern seine Dienstleistung<br />

ausschließlich beim Kunden zuhause anbietet und vornimmt, etwa in Krankenhäusern<br />

oder Altenheimen; wäre sicher kein anderer Beruf!). Aber (BVerfGE 9, 39 [48], 9, 73 [78]):<br />

Handel mit loser Milch sei ein anderer Beruf als Handel mit verpackten Lebensmitteln (zw.).<br />

Heute zu Recht deutliche Zurückhaltung der Rspr., was Befugnis des Gesetzgebers zur Berufsbildprägung<br />

betrifft; zudem soll nunmehr bereits die gesetzliche Fixierung von Berufsbildern<br />

(Tätigkeitsfeldern mit festgelegten Aktionsmöglichkeiten) einen Eingriff in den<br />

Schutzbereich darstellen und an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden werden (i.e.<br />

Wieland, in: Dreier [Hg.], Grundgesetz, Bd. I, 3 2013, Art. 12 Rn. 37 ff.).<br />

– Erstreckung von Eingriffen auf gesetzliche Vorschriften mit nur berufsregelnder Tendenz,<br />

ohne daß gezielt eine solche Tätigkeit reglementiert werden soll; z.B. Verbot des Besitzes<br />

bestimmter Güter (Artenschutz), Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung fremder<br />

Steuern, Verzerrung des Wettbewerbs durch Subventionen. Kein Eingriff hingegen bei<br />

„marktkonformem“ staatlichem Verhalten, etwa Herstellung/Förderung von Wettbewerb<br />

(Zulassung von Marktkonkurrenten), oder bei staatlichem Aufklären über marktrelevante<br />

Daten (Informationspolitik [BVerfG], eventuell auch Warentests [a.A. BVerwG]).<br />

– Recht des Gesetzgebers zur Regelung (nicht nur Beschränkung) der Berufsausübung aus<br />

vernünftigen Gründen des Gemeinwohls); insoweit kein Unterschied zur allgemeinen Dogmatik<br />

des Art. 12 GG. Daher zulässig etwa Festlegung von Arbeitszeiten im Betrieb, Pflicht<br />

zur Vorratshaltung wichtiger Produkte in Krisenzeiten, Kennzeichnungspflicht von Waren).<br />

– Recht des Gesetzgebers zur Regelung des Zugangs zum Beruf durch subjektive Kriterien;<br />

insoweit kein Unterschied zur allgemeinen Dogmatik des Art. 12 GG. Daher zulässig etwa<br />

Festlegung von Ausbildungsvoraussetzungen und berufsbezogenen Fähigkeiten und Kenntnissen,<br />

Altersgrenzen zur Sicherung einer ordnungsgemäßen Berufsausübung (auch zur<br />

„generationenbezogenen Marktregulierung?), soweit wichtige Gemeinschaftsgüter geschützt<br />

werden sollen, z.B. Schutz des Verbrauchers oder „Erhaltung eines gesunden und leistungsfähigen<br />

Handwerkerstandes“ (problematisch).<br />

– Recht des Gesetzgebers zur Regelung des Zugangs zum Beruf durch objektive Kriterien; insoweit<br />

kein Unterschied zur allgemeinen Dogmatik des Art. 12 GG. Daher nur ausnahmsweise<br />

zulässig etwa Festlegung von Bedarfszahlen (1 Allgemeinarzt auf 1.500 Einwohner), Nachweis<br />

eines Bedürfnisses für den Beruf oder Kontingentierung (z.B. im Güterverkehr). Schon<br />

wegen der Grundfreiheiten des Unionsrechts sind wesentliche Teile der älteren Rspr. überholt,<br />

z.B. Beschränkungen zum Erhalt der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit der<br />

Deutschen Bahn gegenüber Gütertransport auf der Straße.<br />

– An zweiter Stelle der Wirtschaftsgrundrechte steht die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG,<br />

der von der Rspr. ein überragender Stellenwert für die wirtschaftliche Betätigung zuerkannt


– 7 –<br />

wird, sowohl durch Sicherung eines Freiheitsraums für ökonomisches Handeln als auch<br />

durch die (vorgelagerte) privatrechtliche Zuordnung vermögenswerter Rechte („Eigentum“).<br />

– Schutzbereich aus dieser Sicht:<br />

• alle vermögenswerten Rechte, die der Gesetzgeber definiert und anerkennt; nicht nur<br />

Sacheigentum, sondern auch Forderungen, Geschäftsanteile, Urheberrechte, Markenrechte,<br />

aber auch Aktien, Anteilseigentum an Gesellschaften usw.<br />

• nicht: „Vermögen“ als Bilanzsumme aller Aktiva und Passiva, ebensowenig Wertgarantie<br />

für die einzelnen vermögenswerten Rechte unter Marktbedingungen. Daher auch nicht<br />

Schutz des Geldwerts der Währung gegen Inflation (–> Lepsius, JZ 2002, 313 ff.). Daher<br />

auch problematisch, ob Steuerlast Eingriff darstellt (–> Wernsmann, NJW 2006, 1169 ff.)<br />

• nicht: größtmöglicher wirtschaftlicher Vorteil aus der Nutzung vermögenswerter Rechte<br />

• Problem beim Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs. Die ein Unternehmen<br />

bildende Sach- und Rechtsgesamtheit, wie sie sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise<br />

darstellt und auch faktische Gegebenheiten einbezieht, ist kein eigenes<br />

Schutzgut des Art. 14 GG; es fehlt an einem gesonderten, vom Gesetzgeber inhaltsbestimmten<br />

vermögenswerten Recht, das jenseits der einzelnen Bestandteile anerkannt ist<br />

und den wirtschaftlichen Mehrwert des Unternehmens auffängt. Rein funktionelle Einheit<br />

genügt daher nicht (zur Abgrenzung gegenüber Art. 12 GG –> Lerche, FS Reiner Schmidt,<br />

2006, S. 377 ff.).<br />

– Regelungsbefugnis des Gesetzgebers aus wirtschaftsrechtlicher Sicht:<br />

• Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG) = generelle und<br />

abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten vor dem Hintergrund der Sozialbindung<br />

der Eigentumsgarantie und der Nähe zur Sicherung der persönlichen Freiheit des Rechtsträgers<br />

=> geringerer Schutz von „nur“ gesellschaftsrechtlich vermitteltem, entpersönlichtem<br />

Eigentum (Anteilseigentum)<br />

• Enteignung (Art. 14 Abs. 2 und 3 GG) = gezielter staatlicher Zugriff auf einzelne vermögenswerte<br />

Rechte zum Entzug dieser Rechtsposition zwecks anderer Nutzung (Entzug<br />

i.S.v. Vernichtung genügt nicht). Wohl der Allgemeinheit soll dabei (sehr str. und problematisch)<br />

im Wege privatnütziger Enteignung auch die Sicherung von Arbeitsplätzen, vielleicht<br />

sogar die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur oder die Förderung eines<br />

Wirtschaftsstandsorts sein können (z.B. Landesmessegesetz B-W); sicher der Fall und<br />

zulässig bei Einrichtungen notwendiger Infrastruktur (z.B. Strom-, Wasserversorgung).<br />

Dann allerdings wichtig: Sicherstellung dauerhafter Bindung des privaten Unternehmers<br />

an die allgemeinen Interessen jenseits der Marktmechanismen (Gewinnerzielung).<br />

– Weitere wirtschaftlich bedeutsame Grundrechte:<br />

• Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit, Art. 9 Abs. 1 und 3 GG; Schutz der Förderung der<br />

Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände,<br />

und zwar mit unmittelbarer Drittwirkung für und gegen Private. Grundrecht enthält sowohl<br />

Individualgrundrecht als auch direkten Schutz kollektiver Koalitionsfreiheit (jenseits<br />

Art. 19 Abs. 3 GG), vor allem zur Förderung und Durchsetzung von Tarifautonomie.<br />

• Wohnungsgrundrecht, Art. 13 GG; sachlicher Schutzbereich schließt nach BVerfG auch<br />

alle Büro-, Geschäfts- und Betriebsräume ein (nicht überzeugend; vgl. Hermes, in: Dreier,<br />

a.a.O., Art. 13 Rn. 23 ff.), die Schranken des Art. 13 Abs. 2 und 7 GG sollen allerdings<br />

nicht einschlägig sein, soweit gesetzlich behördliche Besichtigungs- und Kontrollrechte<br />

vorgesehen sind. In diesen Fällen nur Schranken nach dem Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG<br />

(Verhältnismäßigkeit) anwendbar (sehr zw.).<br />

• Allgemeine wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, vor allem in Gestalt von<br />

" Vertragsfreiheit (Abschluß- und Gestaltungsfreiheit)<br />

" Unternehmensfreiheit (Dispositions-, Initiativfreiheit); eigentlich Teil von Art. 12 GG!<br />

" Wettbewerbsfreiheit; eigentlich Teil von Art. 12 GG!<br />

Hierbei unklar, warum nicht im Kontext der jeweiligen „Grundfreiheit“ geschützt, etwa bei<br />

Berufstätigkeit oder bei Nutzung von Eigentum etc.<br />

– Zur wirtschaftlich relevanten Kompetenzordnung –> vor allem (z.T. mit Art. 72 Abs. 2 GG)<br />

Art. 74 Abs. 1 Nr. 11–20, 24 GG, außerdem Art. 73 I Nr. 4–7, 9, 11 GG


– 8 –<br />

Arbeitsblatt zu § 2<br />

Staat und Eigenwirtschaft: die wirtschaftliche<br />

Betätigung der öffentlichen Hand<br />

A. Übersicht: I. Zur Problemstellung: das Auftreten des Staates am Markt, seine Zwecke<br />

und Wirkungen (mit Abgrenzung zur Daseinsvorsorge)<br />

II. Organisation wirtschaftlicher Betätigung: das öffentliche Unternehmen<br />

III. Zulässigkeit und Grenzen eigenwirtschaftlicher Betätigung (Verfassung,<br />

Haushalts- und Kommunalrecht, Wettbewerbsrecht)<br />

IV. Zum Rechtsschutz gegen staatliche und kommunale Marktkonkurrenz<br />

B. Rechtsgrundlagen (–> Vorl. Europäisches Wirtschaftsrecht):<br />

– zur wirtschaftlichen Betätigung des Staates allgemein:<br />

• Kompetenzvorschriften, z.B. Art. 30 GG („staatliche Aufgaben“), 110 Abs. 1 GG („Bundesbetriebe“),<br />

Art. 134, 135 GG (Vermögenszuordnung) (Bedeutung i.e. streitig)<br />

• Wirtschaftsgrundrechte der privaten Konkurrenten (Art. 2 Abs.1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG)<br />

• § 7 BHO/LHO – Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der staatlichen Haushaltsführung,<br />

Verpflichtung zur Kosten- und Leistungsrechnung (nur Innenrecht)<br />

• § 65 BHO/§§ 65, 65a LHO – Voraussetzungen für eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung<br />

des Bundes bzw. des Landes an privatrechtlichen Unternehmen (nur Innenrecht)<br />

– zur wirtschaftlichen Betätigung des Staates aus Wettbewerbssicht<br />

• Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) i.d.F. d. Bek. vom 3.3.2010 (BGBl. I<br />

S. 254), zuletzt geändert durch Art. 5 Gesetz vom 20.9.2013 (BGBl. I S. 3642)<br />

• Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) i.d.F. d. Bek. vom 26.6.2013, zuletzt<br />

geändert durch Art. 16 Gesetz vom 4.7.2013 (BGBl. I S. 1981)<br />

– zur wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen (in Mecklenburg-Vorpommern)<br />

• §§ 68 ff. KV M-V; dazu Schwartz, NordÖR 2011, 421 ff.<br />

C. Literatur:<br />

Frotscher, § 3; Ruthig/Storr, § 8; Schliesky, S. 148–171; Schmidt, ÖffWiR AT, § 11;<br />

Schmidt/Vollmöller, § 5; Stober, AllgWiVerwR, §§ 24, 33 I; Rittner/Dreher, § 11<br />

– zur erwerbswirtschaftlichen Betätigung allgemein<br />

• Cremer, Gewinnstreben als öffentliche Unternehmen legitimierender Zweck: die Antwort des Grundgesetzes,<br />

DÖV 2003, 921 ff.<br />

• Czybulka, Zur Legitimationsbasis wirtschaftlichen Handelns des Staates, BB 1988, 2321 ff.<br />

• Ehlers, Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand in der Bunderepublik Deutschland, JZ 1990,<br />

1089 ff.<br />

• Gusy, Die wirtschaftliche Betätigung des Staates, JA 1995, 166 ff., 253 ff.<br />

• Huber, Die unternehmerische Betätigung der öffentlichen Hand: ein verwaltungsrechtliches Phänomen vor der<br />

Neubewertung, FS Badura, 2004, 897 ff.<br />

• Lindner, Zur grundrechtsdogmatischen Struktur der Wettbewerbsfreiheit, DÖV 2003, 185 ff.


– 9 –<br />

• Pieroth/Hartmann, Grundrechtsschutz gegen wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, DVBl. 2002,<br />

421 ff.<br />

• Ronellenfitsch, Wirtschaftliche Betätigung des Staates, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), HStR III ( 2 1996), § 84; dito, in:<br />

Isensee/Kirchhof (Hg.), HStR IV ( 3 2006), § 98<br />

• Scharpf, Von „Ressourcennutzungen“ und „Annextätigkeiten“, DÖV 2006, 23 ff.<br />

• Schneider, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Steuerungsakteur, DVBl. 2000, 1250 ff.<br />

– zur erwerbswirtschaftlichen Betätigung anhand des Wettbewerbsrechts<br />

• Brohm, Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand und Wettbewerb, NJW 1994, 281 ff.<br />

• Diefenbach, § 1 UWG als Schranke wirtschaftlicher Betätigung der Kommunen, WuV 2003, 99 ff.<br />

• Fuchs, Zivilrechtliche Sanktionen gegen gesetzwidrigen Wettbewerb durch die öffentliche Hand?, FS Brohm,<br />

2002, 275 ff.<br />

• Gröning, Kommunalrechtliche Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden und Drittschutz auf dem<br />

ordentlichen Rechtsweg, WRP 2002, 17 ff.<br />

• Tomerius, Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen zwischen Gemeindewirtschafts- und Wettbewerbsrecht,<br />

LKV 2000, 41 ff.<br />

– zur erwerbswirtschaftlichen Betätigung anhand des Kommunalwirtschaftrechts<br />

• Berg, Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen – kommunale Selbstverwaltung und Wettbewerb, WuV<br />

2000, 141 ff.<br />

• Broß, Ausgewählte Probleme des Wettbewerbs der öffentlichen Hand, VerwArch. 97 (1996), 731 ff.<br />

• Ehlers, Rechtsprobleme der Kommunalwirtschaft. DVBl. 1998, 497 ff.<br />

• Franzius, Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, JURA 2009, 677 ff.<br />

• Grawert, Zuständigkeitsgrenzen der Kommunalwirtschaft, FS Blümel, 1999, S. 119 ff.<br />

• Hösch, Öffentlicher Zweck und wirtschaftliche Betätigung von Kommunen, DÖV 2000, 393 ff.<br />

• Mann, Die drittschützende Wirkung der kommunalrechtlichen Subsidiaritätsregelungen unter Berücksichtigung<br />

aktueller Fallbeispiele aus der Rechtsprechung, DVBl. 2009, 817 ff.<br />

• Ruffert, Grundlagen und Maßstäbe einer wirkungsvollen Aufsicht über die kommunale wirtschaftliche Betätigung,<br />

VerwArch. 92 (2001), 27 ff.<br />

• Scharpf, Die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden zwischen Grundrechtsrelevanz und kommunalem Selbstverwaltungsrecht,<br />

GewArch. 2005, 1 ff.<br />

• Schmidt-Aßmann, Verfassungsschranken der Kommunalwirtschaft, FS Ulmer, 2003, S. 1015 ff.<br />

– zur Konkurrentenklage privater Wettbewerber gegen die öffentliche Hand<br />

• Diefenbach, Zur Konkurrentenklage gegen unzulässige kommunale Wirtschaftstätigkeit, WuV 2003, 115 ff.<br />

• Faßbender, Rechtsschutz privater Konkurrenten gegen kommunale Wirtschaftsbetätigung, DÖV 2005, 89 ff.<br />

• Ipsen, Rechtsschutz gegen kommunale Wirtschaftstätigkeit, ZHR 170 (2006), 422 ff.<br />

• Suerbaum, Durchbruch oder Phyrrussieg? Neues zum Schutz Privater vor der Kommunalwirtschaft, Die Verwaltung<br />

40 (2007), 29 ff.<br />

• Wieland, Konkurrentenschutz in der neueren Rechtsprechung zum Wirtschaftsverwaltungsrecht, Die Verwaltung<br />

32 (1999), 217 ff.; ders., Konkurrentenschutz gegen kommunale Wirtschaftsbetätigung, Die Verwaltung 36<br />

(2003), 225 ff.


– 10 –<br />

D. Rechtsprechung:<br />

– Verfassungs- und Verwaltungsgerichte<br />

• VerfGH Rheinland-Pfalz, DVBl. 2000, 992 ff. m. Anm. Henneke, ebd. S. 997 ff.; s.a. Ruffert,<br />

NVwZ 2000, 763 ff.; Neutz, ZG 2000, 279 ff.; Schliesky, JA 2001, 110 ff. (wirtschaftliche<br />

Betätigung im Rahmen der Daseinsvorsorge zählt zum verfassungsgeschützten kommunalen<br />

Aufgabenbereich, nicht aber erwerbswirtschaftlich-fiskalische Betätigung. Allerdings<br />

ist eine gemeinderechtliche Subsidiaritätsklausel [vgl. § 68 Abs. 1 Nr. 3 KV M-V a.F.] mit<br />

der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie vereinbar; legt diese Klausel den Vorrang<br />

privater Wirtschaftstätigkeit fest [nicht in M-V], hat die Norm sogar drittschützende Wirkung<br />

zugunsten der privaten Wettbewerber der Gemeinde)<br />

• BVerwG, NJW 1995, 2938 ff. m. Anm. Erdemir, JA 1996, 927 ff.; Selmer, JuS 1995, 1136 f.<br />

(Grundrechte eines privaten Wettbewerbers schützen nicht vor dem Auftreten des Staates<br />

oder von Gemeinden als Konkurrenten am Markt, solange die private Betätigung durch<br />

die öffentliche Konkurrenz nicht unmöglich gemacht oder unzumutbar eingeschränkt wird<br />

oder eine Monopolstellung erlangt wird)<br />

• OVG Münster, NVwZ 2003, 1520 ff. m. Anm. Schliesky, DVBl. 2004, 138 f.; s.a. Antweiler,<br />

NVwZ 2003, 1466 ff. (kommunalrechtliche Vorschriften zur Zulässigkeit wirtschaftlicher<br />

Unternehmen haben für private Wettbewerber vor Ort drittschützenden Charakter; gegen<br />

kommunalen Wettbewerb kann der Private mittels Unterlassungsklage vorgehen. Dabei<br />

sind allerdings erwerbswirtschaftliche Hilfs- und Nebengeschäfte der Gemeinde zulässig,<br />

wenn sie sich im Rahmen der Daseinsvorsorge bewegen). Anders wiederum OVG Münster,<br />

NVwZ-RR 2005, 738 ff. m. Anm. Frenz, GewArch. 2006, 100 ff. (kein Drittschutz für private<br />

Konkurrenz gegen kostengünstige Erfüllung kommunaler Pflichtaufgaben [hier: Abfallentsorgung]).<br />

–> Neufassung der §§ 107 ff. GemO NRW (2007); dazu nunmehr OVG<br />

Münster, NVwZ 2008, 1031 m. Anm. Ennuschat, ebd., S. 966; s.a. Dünchheim/Schöne,<br />

DVBl. 2009, 146 ff.<br />

• OVG Lüneburg, NdsVBl. 2009, 21 ff. m. Anm. Roling, ebd., S. 10 ff. und Freese, ebd., S. 192<br />

ff. (die verschärfende Neufassung der Vorschriften über kommunale Wirtschaftstätigkeit<br />

durch den Landesgesetzgeber muß nicht zwingend zur Annahme drittschützender Wirkung<br />

führen)<br />

– Zivilgerichte<br />

• OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1470 ff. (kommunaler Nachhilfeunterricht für Schüler<br />

kann gegen das drittschützende kommunale Wirtschaftsrecht verstoßen und deshalb einen<br />

Verstoß gegen § 1 UWG [a.F.] darstellen)<br />

• OLG Hamm, NJW 1998, 3504 ff. „Gelsengrün“ m. Anm. Müller, JZ 1998, 578 ff.; Schliesky,<br />

JA 1998, 930 ff. (Wettbewerb des kommunalen Grünflächenamts außerhalb der drittschützenden<br />

kommunalwirtschaftlichen Vorschriften verstößt gegen § 1 UWG [a.F.] und kann<br />

vom privaten Konkurrenten untersagt werden)<br />

• OLG Karlsruhe, NVwZ 2001, 712 ff. m. Anm. Stehlin, ebd. S. 645 ff. (erwerbswirtschaftliche<br />

Betätigung der Gemeinde kann nur dann vom privaten Wettbewerber mit § 1 UWG<br />

[a.F.] abgewehrt werden, wenn das Kommunalwirtschaftsrecht drittschützende Wirkung<br />

entfaltet; für Baden-Württemberg verneint; hierzu Els, VBlBW 2006, 420 ff.)<br />

• BGHZ 150, 343 ff. „Elektroarbeiten“ = JZ 2003, 315 ff. m. Anm. Ehlers, ebd. S. 318 ff.; s.a.<br />

Meyer, NVwZ 2002, 1075 ff.; Warneke, JuS 2003, 958 ff. (Verstöße gegen das Kommunalwirtschaftsrecht<br />

sind nicht zugleich sittenwidrig i.S.d. Wettbewerbsrechts und können<br />

daher nicht über § 1 UWG [a.F.] angegriffen werden. Das Wettbewerbsrecht regelt nicht<br />

den Zugang der Kommunen zum Markt, sondern das Verhalten der Wettbewerber am<br />

Markt; es bezweckt auch nicht den Erhalt bestimmter Marktstrukturen). – Fortsetzung in


– 11 –<br />

BGH, NJW 2003, 586 ff. „Altautoverwertung“ (Verstöße gegen kommunalwirtschaftliche<br />

Schranken der Betätigung am Markt begründen keinen Anspruch der privaten Wettbewerber<br />

aus § 1 UWG [a.F.]; das Kommunalwirtschaftsrecht ist auch kein Schutzgesetz<br />

i.S.v. § 823 Abs.1 BGB)<br />

• BGH, NJW 1998, 3778 ff.; NJW 2003, 752 ff.; NJW 2003, 2684 ff. „Schilderpräger“ (Vermietung<br />

von Verkaufsräumen in einer Kfz-Zulassungsstelle kann Mißbrauch einer marktbeherrschenden<br />

Stellung durch die kommunale Verwaltung sein und einen Verstoß gegen<br />

das Kartellrecht bewirken (§§ 20 Abs. 1, 26 Abs. 2 GWB)<br />

E. Das Thema in Stichworten:<br />

I. Problemstellung<br />

– Darf Staat selbst erwerbswirtschaftlich tätig werden, also am Markt für jedermann Güter<br />

und Dienstleistungen anbieten, die in gleicher Form auch von privaten Unternehmen angeboten<br />

werden (können)? Falls ja, welcher Rahmen setzt das öffentliche Wirtschaftsrecht solchem<br />

Verhalten?<br />

– Dabei grundsätzlich Unterscheidung erforderlich zwischen erwerbswirtschaftlicher Betätigung<br />

=> Gewinnerzielung in Form des Privatrechts und wirtschaftlicher Betätigung => Leistungserbringung<br />

zur Daseinsvorsorge in Form des Verwaltungsprivatrechts; nur bei letzterer<br />

ausdrücklicher öffentlicher Zweck erkennbar, bei dessen Verfolgung Gewinnerzielung<br />

entweder nicht erstrebt („Zuschußgeschäft“) oder leistungsbedingt nicht erreichbar wird;<br />

Abgrenzungskriterium ist daher Einnahmeerzielung als Hauptzweck oder als Nebenfolge.<br />

Allerdings: Beide Formen der Betätigung der öffentlichen Hand am Markt können zusammenhängen<br />

oder ineinander übergehen, z.B. bei Randnutzungen bzw. „Beigeschäften“. Jedoch:<br />

Gegenstand des öffentlichen Wirtschaftsrecht ist allein die staatliche und kommunale<br />

Erwerbswirtschaft.<br />

II. Formen erwerbswirtschaftlicher Betätigung<br />

– Grundsatz: immer nur in privatrechtlicher Handlungsform möglich; Staat darf kein Sonderrecht<br />

in Anspruch nehmen<br />

– Organisationseinheit: öffentliches Unternehmen als Sammelbegriff aller Einrichtungen der<br />

Erwerbswirtschaft (–> Art. 106 AEUV, Transparenz-RL); Voraussetzung hierfür<br />

• verselbständigte Einheit Amt/Behörde, nicht notwendig rechtsfähig!<br />

• wirtschaftliches Verhalten, jedenfalls im Schwerpunkt; Abgrenzung zu kulturelen und<br />

sozialen Einrichtungen<br />

• Träger muß öffentliche Hand = Fiskus sein, entweder allein oder zusammen mit privaten<br />

Eigentümern => gemischtwirtschaftliche Unternehmen, aber nur wenn beherrschender<br />

staatlicher Einfluß vorliegt (Beteiligung, Satzung etc.)<br />

– Organisationsformen öffentlicher Unternehmen:<br />

• nach öffentlichem Recht<br />

" Eigenbetrieb, organisatorisch und haushaltsrechtlich verselbständigtes Sondervermögen<br />

" rechtsfähige Anstalt, z.B. Sparkasse, Landesbank<br />

• nach Zivilrecht: Eigengesellschaft<br />

" Personengesellschaft, GmbH<br />

" Kapitalgesellschaft, AG (dabei staatliche Steuerung [Demokratieprinzip] problematisch)


– 12 –<br />

III. Zulässigkeit und Grenzen erwerbswirtschaftlicher Betätigung (nach deutschem Recht)<br />

1. Grundgesetz<br />

– Wirtschaftsverfassung? keine generelle Aussage, aber:<br />

• ausdrückliche Zulassung bestimmter gewinnorientierter Wirtschaftstätigkeit des Bundes,<br />

z.B. in Art. 87 f. und Art. 87e GG<br />

• Anerkennung der Existenz von erwerbswirtschaftlichen Einrichtungen bzw. Betätigungsfeldern<br />

in Art. 110 Abs. 1 GG („Bundesbetriebe“, „Sondervermögen“)<br />

• Anerkennung von Bundesvermögen und Landesvermögen in Art. 134, 135 GG –> Annexkompetenz<br />

zur Nutzung und Pflege<br />

• Anerkennung der Zulässigkeit von Gemeinwirtschaft in Art. 15 GG<br />

Daher: kein generelles verfassungsrechtliches Verbot öffentlicher Unternehmen<br />

– Finanzverfassung? Steuerstaat und Abgabenstaat erzwingen kein Verbot wirtschaftlicher<br />

Betätigung, solange Vorrang der Finanzverfassung beachtet wird<br />

– Kompetenzregelungen im Bundesstaat, Art. 30 GG als Sperre erwerbswirtschaftlicher Betätigung<br />

zu Lasten des Bundes? Str., ob Vorschrift auf solches Handeln anwendbar ist<br />

– Grundrechte als Schranken erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit? Dabei zunächst Differenzierung/klarstellende<br />

Wiederholung allgemeiner Grundsätze erforderlich:<br />

• Grundrechtsfähigkeit öffentlicher Unternehmen (Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG)?<br />

–> Art. 19 Abs. 3 GG „soweit … zustehen kann“<br />

" staatliche Einrichtungen können nicht Grundrechtsträger sein, da Art. 1 Abs. 3 GG<br />

" Grundrechte wollen private Freiheit schützen, nicht aber staatliche Betätigung<br />

" bei öffentlichen Unternehmen regelmäßig keine grundrechtstypische Gefährdungslage<br />

" Besonderheit bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen (Unternehmen / Eigentümer)<br />

• Grundrechtsverpflichtung öffentlicher Unternehmen nach Art. 1 Abs. 3 GG? „Verwaltung“<br />

ist in allen Handlungsformen erfaßt, also auch privatrechtlich gebunden => umfassende<br />

Fiskalgeltung der Grundrechte. Problematisch allerdings bei gemischtwirtschaftlichen<br />

Unternehmen; wenn (wie z.B. bei Art. 87f Abs. 2 GG) privatwirtschaftliche Tätigkeit vorgeschrieben,<br />

keine Grundrechtsverpflichtung aus Art. 1 Abs. 3 GG, sondern wie andere<br />

Private zur Achtung von Grundrechten Dritter im Rahmen der Drittwirkungslehre (staatliche<br />

Schutzpflicht) verpflichtet<br />

• Grundrechtsschutz Privater gegen staatliche Erwerbswirtschaft, abhängig vom einschlägigen<br />

Grundrecht; Art. 12 Abs. 1 GG als Grundlage der Wettbewerbsfreiheit (–> Grzeszick,<br />

in: Isensee/Kirchhof [Hg.], HStR IV, 3 2006, § 78 Rn. 9 ff.); Schutz allerdings umstritten:<br />

# BVerwG/Lit.: kein Schutz von Umsatz-/Gewinnerwartungen, auch kein Schutz gegen<br />

eine marktimmanente Verschärfung des Wettbewerbs durch Hinzutreten staatlicher Konkurrenz<br />

–> Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG nicht betroffen, außer wenn ruinöser<br />

Wettbewerb oder Verdrängungswettbewerb mit unlauteren Mitteln stattfindet<br />

# Lit.: staatliches Auftreten am Markt ist nicht systemimmanent, weil nicht Freiheitsbetätigung,<br />

keine grundrechtlich geschützte Erwerbstätigkeit –> jeder Wettbewerb durch<br />

öffentliche Unternehmen ist an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Eingriff allerdings nur, wenn<br />

privater Wettbewerber auf einem konkreten Markt in seiner Entfaltung nachweislich<br />

durch das öffentliche Unternehmen behindert – und nicht nur belästigt – wird. Problematisch,<br />

solange nicht auf einen staatlichen Lenkungszweck oder auf marktinkonforme Mittel<br />

abgestellt wird. Falls Eingriff nachweisbar, gesetzliche Ermächtigung erforderlich, die<br />

u.U. im Haushaltsrecht (§ 65 BHO) liegen kann.<br />

2. Einfaches Recht<br />

– Haushaltsrecht? Beschränkte Ermächtigung zum erwerbswirtschaftlichen Handeln aus § 65<br />

BHO/ §§ 65, 65a LHO; aber: keine Schutznorm zugunsten der privaten Wettbewerber, daher<br />

keine Klagebefugnis aus staatlichem Haushaltsrecht


– 13 –<br />

– Staatliches Sonder-Wirtschaftsrecht? Nur auf kommunaler Ebene vorhanden –> §§ 68 ff. KV<br />

• Art. 28 Abs. 2 GG schützt zwar Leistungen der Daseinsvorsorge, nicht aber erwerbswirtschaftliches<br />

Handeln der Gemeinden; dies hindert Gesetzgeber indes nicht, solches einfachrechtlich<br />

zuzulassen, wie in § 68 KV geschehen<br />

• „Wirtschaftliche Betätigung“ = jede Tätigkeit, die auch von einem Privaten mit Gewinnerzielungsabsicht<br />

betrieben werden kann (in M-V auch im Bereich der Daseinsvorsorge)<br />

• KV unterscheidet mit Folgen für Organisationsform<br />

" wirtschaftliche Unternehmen, § 68 Abs. 1 Satz 1 KV<br />

" Einrichtungen („nicht-wirtschaftliche“ Unternehmen), § 68 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 KV<br />

• dreifache Schranke für Errichtung eines wirtschaftlichen Unternehmens in § 68 Abs. 2<br />

KV; dabei Problem, ob Subsidiaritätsklausel in Nr. 3 Schutznorm zugunsten privater<br />

Wettbewerber ist, die dann im Verwaltungsprozeß für Prüfung der Einhaltung durch das<br />

öffentliche Unternehmen herangezogen werden kann. Nach überwiegender Meinung (in<br />

M-V sogar unangefochten) nicht der Fall, da nur reflexhafte Wirkung für alle Konkurrenten,<br />

Schutz der Norm zielt ausschließlich auf Gemeinden selbst gegen Überforderung<br />

– Wettbewerbsrecht? Grundsätzlich Einordnung der erwerbswirtschaftlichen Betätigung in die<br />

marktwirtschaftlichen Regularien –> Wettbewerbsordnung, daher Anwendbarkeit von UWG<br />

und GWB<br />

• § 1 UWG (alt) –> Verstoß gegen gute Sitten erforderlich; soll bereits bei Wettbewerb nach<br />

einem Rechtsverstoß der Fall sein, da rechtsmißbräuchliches Verhalten immer wettbewerbswidrig<br />

ist –> Verstoß gegen §§ 68 ff. KV reicht aus; a.A. zu Recht BGH: einerseits<br />

erfaßt UWG nur das Verhalten im Wettbewerb, nicht den Zugang zum Wettbewerb, andererseits<br />

kann UWG nicht die fehlende Schutznormqualität der KV-Vorschriften als Auffangordnung<br />

ersetzen.<br />

• §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (neu) –> Unlautere Wettbewerbshandlung liegt insbesondere dann<br />

vor, wenn Wettbewerber einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt<br />

ist, im Interesse der Marktteilnehmer Marktverhalten zu regeln. Bislang unklar,<br />

ob dies im Fall des Kommunalwirtschaftsrechts der Fall ist (noch keine Judikatur dazu).<br />

IV. Rechtsschutz gegen staatliche und kommunale Marktkonkurrenz<br />

– Abhängig von Rechtsregime, auf welches Klage gestützt wird:<br />

• bei Berufung auf Grundrechte bzw. auf Kommunalwirtschaftsrecht (abhängig von der<br />

konkreten Ausgestaltung in den Ländern) –> Unterlassungsklage vor dem Verwaltungsgericht<br />

(Problem der Klagebefugnis)<br />

• bei Berufung auf allgemeines Wettbewerbsrecht –> Unterlassungsklage vor dem Zivilgericht


– 14 –<br />

Arbeitsblatt zu § 3<br />

Organisation und rechtliche Ordnung<br />

der Wirtschaftsverwaltung<br />

A. Übersicht: I. Organisation und Handlungsformen der Wirtschaftsverwaltung<br />

II. Funktionelle Selbstverwaltung im Bereich der Wirtschaft<br />

B. Rechtsgrundlagen:<br />

– Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18.12.<br />

1956 (BGBl. I S. 920), zuletzt geändert durch Art. 17 Gesetz vom 25.7.2013 (BGBl. I S. 2749)<br />

(Errichtung von Industrie- und Handelskammern); s.a. Industrie- und Handelskammerngesetz – IHKG<br />

– M-V<br />

– §§ 90 ff. Handwerksordnung (Errichtung von Handwerkskammern)<br />

– §§ 60 ff., 175 ff. BRAO (Errichtung von Rechtsanwaltskammern auf der Ebene der OLG-Bezirke<br />

und der Bundesrechtsanwaltskammer als gemeinsamer Dacheinrichtung)<br />

– §§ 73 ff., 85 ff. Steuerberatungsgesetz (Errichtung von Steuerberaterkammern auf der Ebene<br />

der OFD-Bezirke und der Bundessteuerberaterkammer als gemeinsamer Dacheinrichtung)<br />

– (Landes-)Gesetze zur Errichtung von Kammern im Bereich der freien Berufe, z.B.<br />

• §§ 1–30 Heilberufsgesetz M-V (Errichtung von Kammern – Körperschaften des ö.R. – für Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte<br />

und Apotheker, nicht aber für andere Heilberufe, etwa für Psychotherapeuten [so z.B. Schleswig-Holstein]);<br />

aber: die Bundesärztekammer (ebenso die Bundesapothekerkammer usw.) ist keine Körperschaft des öffentlichen<br />

Rechts, sondern als Arbeitsgemeinschaft der Landesärztekammern ein privatrechtlicher Verein<br />

• §§ 11 ff. Architektengesetz M-V (Errichtung einer Landesarchitektenkammer)<br />

– Gesetze, in denen Selbstverwaltungseinrichtungen mit staatlichen Verwaltungsaufgaben<br />

betraut werden, z.B. § 18 KrW-/AbfG, § 32 Umwelt-Audit-Gesetz (EMAS-Register)<br />

– Selbstbeschränkungsvereinbarungen zwischen Staat und Wirtschaft, z.B.<br />

• Freiwillige Selbstbeschränkungsvereinbarungen der Verbände der Unterhaltungsautomatenwirtschaft über die<br />

Bauart und Aufstellung von Unterhaltungsautomaten mit Geldgewinnen (1990), abgedruckt in BT-Drs. 11/6224;<br />

dazu v. Ebner, GewArch. 1990, 343 ff.<br />

• Freiwillige Selbstverpflichtungserklärung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.<br />

(GDV) zur Verwendung prädiktiver Gentests (2001), VersR 2002, 35<br />

• Kodex der Mitglieder des Vereins „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.“ vom 16.2.2004,<br />

BAnz. 2004, Nr. 76, S. 8732; dazu Balzer/Dieners, NJW 2004, 908 f.<br />

• Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung und dem Deutschen<br />

Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) vom 1.3.2005, betr. den Nichtraucherschutz in Schank- und Speisewirtschaften<br />

(vgl. BVerfGE 121, 317 [324 u.ö.])<br />

C. Rechtsprechung:<br />

– zur funktionellen Selbstverwaltung und zum Kammerrecht<br />

• BVerwGE 106, 64 ff. und NVwZ 1999, 870 ff.; BVerfGE 107, 59 ff. „Lippe-Wasserverband/<br />

Emscher-Genossenschaft“; dazu Becker, DÖV 2004, 910 ff.; Hanebeck, DÖV 2004, 901 ff.;<br />

Häußermann, JA 2004, 22 ff.; Jestaedt, JuS 2004, 649 ff.; Musil, DÖV 2004, 116 ff.; Unruh,<br />

JZ 2003, 1061 ff. (demokratische Legitimation funktioneller Selbstverwaltung)<br />

• BVerfGE 111, 191 ff. „Notarkasse München“ (verfassungsrechtliche Grenzen der Delegation<br />

von Rechtsetzungsbefugnissen auf Einrichtungen funktioneller Selbstverwaltung)


– 15 –<br />

• BVerfGE 15, 235 ff.; BVerwGE 107, 169 ff. (dazu Jahn, JuS 2000, 129 ff.); BVerfG, NVwZ<br />

2002, 335 ff. (dazu Jahn, GewArch. 2002, 98 ff.; Karsten, NJ 2002, 405 f.; Kluth, NVwZ<br />

2002, 298 ff.) – Vereinbarkeit der Pflichtmitgliedschaft in der IHK mit Art. 2 Abs. 1 GG;<br />

ebenso z.B. VG Trier, GewArch. 2010, 246 f.<br />

• BayVGH, GewArch. 2000, 60 ff. und 2001, 236 f.; BVerwGE 112, 69 ff. (dazu Jahn, Gew-<br />

Arch. 2001, 146 ff.; Leisner, BayVBl. 2002, 609 ff.) – Aufgaben von Industrie- und Handelskammern,<br />

hier Beteiligung an einer Flugplatz-Betriebsgesellschaft<br />

• BVerwGE 137, 171 ff.; dazu Eisenmenger, GewArch. 2010, 403 ff.; Hövelberndt, DÖV 2011,<br />

628 ff.; Jahn, ThürVBl. 2010, 268 ff.; Kluth, GewArch. 2012, 424 ff.; Möllering, GewArch.<br />

2011, 56 ff.; Siebert/Batterman, GewArch. 2012, 59 ff.; Waldhoff, JuS 2011, 670 ff.; VGH<br />

Kassel, GewArch. 2009, 158 ff. m. Anm. Selmer, JuS 2009, 852 ff. (Unzulässigkeit politischer<br />

Äußerungen und Forderungen der IHK für Gegenstände, die keine Belange der gewerblichen<br />

Wirtschaft berühren, d.h. keine nachvollziehbaren Auswirkungen auf sie haben<br />

[z.B. Einführung einer Ganztagesbetreuung in Schulen, Professionalisierung des Managements<br />

in Universitäten])<br />

• OVG Münster, GewArch. 2004, 255 ff.; BVerwGE 120, 255 ff. m. Anm. Rickert, GewArch.<br />

2004, 369 f. (kein gesetzlicher Anspruch des Vollversammlungsmitglieds einer IHK auf<br />

Einsicht in Rechnungsprüfungsvorgänge)<br />

• OVG Schleswig, GewArch. 2004, 428 m. Anm. Jahn, ebd. S. 410 f. (Kammerzugehörigkeit<br />

und Beitragspflicht einer freiberuflichen GmbH)<br />

• SächsOVG, SächsVBl. 2008, 191 ff. (Pflichtmitgliedschaft einer Rechtsanwaltsgesellschaft<br />

in der IHK)<br />

• BVerwG, GewArch. 2007, 478 f. (nach OVG Münster, GewArch. 2007, 113 ff.) (Auskunftsanspruch<br />

nach Informationsrecht steht neben den spezifischen Rechten aus Kammerrecht)<br />

• BVerwG, DVBl. 2010, 708 ff. mit Anm. Reus; s.a. Volino, GewArch 2010, 72 ff.; Bulla, Gew-<br />

Arch. 2013, 145 ff. (die einfachgesetzlich gewährleistete Selbstverwaltung der IHK hindert<br />

die Rechnungshöfe grundsätzlich nicht an einer Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung<br />

der Kammern)<br />

D. Literatur:<br />

Frotscher, §§ 20 f.; Ruthig/Storr, § 2 IV; Schliesky, S. 125 ff., 141 ff.; Schmidt, ÖffWiR AT,<br />

§§ 9 f.; Schmidt/Vollmöller, § 3; Stober, AllgWiVerwR, §§ 25–44; Rittner/Dreher, § 6<br />

Rn. 53 ff., § 7 Rn. 21 ff.<br />

– zum Wirtschaftsordnungsrecht<br />

• Brüning, Steht das alte Rechtsinstitut der Beleihung vor einer neuen Zukunft? , SächsVBl. 1998, 201 ff.<br />

• Burgi, Der Beliehene – ein Klassiker im modernen Verwaltungsrecht, in: FS Maurer, 2001, S. 581 ff.<br />

• Di Fabio, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft – Grenzgänger zwischen Freiheit und Zwang, JZ 1997, 969 ff.<br />

• Schmidt, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse der Beliehenen, ZG 17 (2002), 353 ff.<br />

• Schmidt am Busch, Die Beleihung: ein Rechtsinstitut im Wandel, DÖV 2007, 533 ff.<br />

• Schmidt-Aßmann, Der Beitrag des öffentlichen Wirtschaftrechts zur verwaltungsrechtlichen Systembildung, in:<br />

Bauer u.a. (Hg.), Umwelt, Wirtschaft und Recht (FS Reiner Schmidt), 2002, S. 15 ff.<br />

• Schwill, Die Grenzen der Delegation staatlicher Aufgaben an berufsständische Selbstverwaltungskörperschaften,<br />

NdsVBl. 2004, 91 ff.<br />

• Steiner, Neues vom Beliehenen, in: Bauer (Hg.), Wirtschaft im offenen Verfassungsstaat. FS für Reiner Schmidt,<br />

2006, S. 293 ff.<br />

• Weiß, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, DVBl.<br />

2002, 1167 ff.


– 16 –<br />

– zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie<br />

• in Mecklenburg-Vorpommern: Gesetz zur verwaltungsrechtlichen Umsetzung der EG-Dienstleistungsrichtlinie<br />

und zur Umsetzung von Bundesgesetzen in das Landesrecht von mecklenburg-Vorpommern vom 2.12.2009,<br />

GVBl. 2009 S. 666; s.a. Wilke, Europäische Dienstleistungsrichtlinie: Einheitliche Ansprechpartner in Bremen,<br />

Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, NordÖR 2010, 97 f.<br />

• Calliess/Korte, Die Dienstleistungsrichtlinie und ihre Umsetzung in Deutschland, EuR 2009, Beiheft 2, S. 65 ff.<br />

• Cremer, Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in Deutschland – Verfassungsrechtliche Grenzen für die Installierung<br />

der Kammern als Einheitliche Ansprechpartner, EuZW 2008, 655 ff.<br />

• Eisenmenger, Das Öffentliche Wirtschaftsrecht im Umbruch: Drei Jahre Dienstleistungsrichtlinie in Deutschland,<br />

NVwZ 2010, 337 ff.<br />

• Kluth, Die Genehmigungsfiktion des § 42a VwVfG – Verfahrensrechtliche und prozessuale Probleme, JuS 2011,<br />

1078 ff.<br />

• Krajewski, Anforderungen der Dienstleistungsrichtlinie an Genehmigungsverfahren und ihre Umsetzung im<br />

deutschen Recht, NVwZ 2009, 929 ff.<br />

• Lemor/Haake, Ausgesuchte Rechtsfragen der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie, EuZW 2009, 65 ff.<br />

– zum Kammerrecht<br />

• Blanke, Zur Verbandskompetenz und Staatsaufsicht anläßlich der Verortung des „Einheitlichen Ansprechpartners“<br />

bei den Wirtschaftskammern, WuV 2008, 191 ff. (zur Umsetzung der DLR)<br />

• Gornig, Pflichtmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer. Verfassungsrechtliche und europarechtliche<br />

Aspekte, WuV 1998, 157 ff.<br />

• Hahn, Verwaltungsstreitverfahren zwischen Kammern und ihren Mitgliedern, WuV 2004, 178 ff.<br />

• Jahn, Die Novelle des Rechts der Industrie- und Handelskammern zum 1. Januar 2008, ThürVBl. 2008, 169 ff.<br />

• Jahn, Interne Willensbildungsprozesse in wirtschaftlichen Selbstverwaltungskörperschaften am Beispiel der<br />

Industrie- und Handelskammern, WuV 2004, 133 ff.<br />

• Knemeyer, Wettbewerbsrelevante Dienstleistungen der Industrie- und Handelskammern – Zulässigkeit und<br />

Grenzen, WuV 2001, 1 ff.<br />

• Laubinger, Zum Anspruch der Mitglieder von Zwangsverbänden auf Einhaltung des gesetzlich zugewiesenen<br />

Aufgabenbereichs, VerwArch. 74 (1983), 175 ff.<br />

• Löwer, Verfassungsdogmatische Grundprobleme der Pflichtmitgliedschaft in IKHen, GewArch. 2000, 89 ff.<br />

• Möllering, Übertragung von Aufgaben der Wirtschaftsverwaltung auf die Industrie- und Handelskammern, WuV<br />

2006, 261 ff.<br />

• Rickert, Öffentlichkeit und Informationspflichten in den Industrie- und Handelskammern, WuV 2004, 153 ff.<br />

• Rosenkranz, Einführung in das Recht der Industrie- und Handelskammern, JURA 2009, 597 ff.<br />

• Schöbener, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten im Kammerrecht, GewArch. 2008, 329 ff.<br />

E. Das Thema in Stichworten:<br />

I. Problemstellung<br />

– Gibt es Besonderheiten in der Organisation der Wirtschaftsverwaltung und ihrer rechtlichen<br />

Ordnung gegenüber dem Instrumentarium des Allgemeinen Verwaltungsrechts?<br />

• Nein, soweit die allgemeinen Organisationsformen der Verwaltung und ihre Inanspruchnahme<br />

durch Bund und Länder gemeint sind; die Vorgaben des Grundgesetzes (Art. 30, 83<br />

ff.) finden uneingeschränkt Anwendung.<br />

• Ja, weil hier herkömmlich neben der staatlichen „Fremd“verwaltung auch eine breiter<br />

Kreis von Einrichtungen funktioneller „Selbst“verwaltung existieren, in denen die betroffenen<br />

Wirtschaftsträger ihre Angelegenheiten autonom gestalten können und dabei nur<br />

einer Rechtsaufsicht der staatlichen Fremdverwaltung unterliegen –> Kammerwesen;<br />

• ja, weil bestimmte Handlungsformen des Verwaltungsrechts im wirtschaftsrechtlichen<br />

Kontext einen besonderen Stellenwert genießen bzw. Modifizierungen erfahren, um ihren<br />

Zweck erfüllen zu können.<br />

II. Verfassungsrechtlicher Rahmen der Wirtschaftsverwaltungsorganisation<br />

– Art. 83 GG => Verwaltungskompetenz grundsätzlich bei den Ländern (–> Fachgesetze; Ausführungsgesetze<br />

und -verordnungen zu Bundegesetzen; Landesorganisationsgesetz M-V),<br />

außer Grundgesetz bestimmt oder läßt anderes zugunsten des Bundes zu


– 17 –<br />

– „bestimmt“ = obligatorische Bundesverwaltung, zwingend immer vorhanden<br />

• Bundesbank (und EZB), Art. 88 GG<br />

• Ministerialverwaltung, z.B. Wirtschafts-, Finanz-, Verkehrs- und Innenministerium<br />

• Eisenbahnverwaltung, Art. 87e Abs. 1, 2 GG –> EBA<br />

• Post und Telekommunkation, Art. 87f Abs. 3 GG –> BNetzagentur<br />

• Luftverkehr, Art. 87d Abs. 1 GG –> LuftBA, BAFlugsicherung<br />

– „läßt zu“ = fakultative Bundesverwaltung, kann vom Bund bedarfsweise eingerichtet werden<br />

und verdrängt damit Länder(verwaltung) => „Einfallstor“ in Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG für<br />

• Bundesoberbehörden als aus dem Ministerium ausgegliederte, organisatorisch verselbständigte<br />

Verwaltungsbehörden mit Zuständigkeit für das gesamte Bundesgebiet; letzteres<br />

ist zwingend, d.h. BOB muß Verwaltungsaufgabe ohne Unterbau wahrnehmen können<br />

(ausgenommen etwa „Außenstellen“, str). Falls nicht der Fall, Errichtung nach Art. 87<br />

Abs. 43 Satz 2 GG ausnahmsweise unter den dort genannten Voraussetzungen möglich<br />

• bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten als unselbständige Teile der Ministerialverwaltung,<br />

dito.<br />

III. Besonderheiten der Handlungsformen des Wirtschaftsverwaltungsrechts<br />

– Alle bekannten Handlungsformen finden Anwendung: Gesetz, Verordnung, Satzung (vor<br />

allem bei Selbstverwaltung), Verwaltungsvertrag, Realhandeln, Kooperation im vorrechtlichen<br />

Raum<br />

– 1. Verwaltungsakt, § 35 Satz 1 und 2 VwVfG: als Einzelfallentscheidung (z.B. Gewerbeerlaubnis,<br />

Gaststättengenehmigung, Untersagungsverfügung) und als Allgemeinverfügung<br />

(z.B. Typengenehmigung, Bauartzulassung, Genehmigung gentechnisch veränderter Lebensmittel);<br />

dabei<br />

• sachbezogene Genehmigung für Anlage oder Produkt = dingliche Erlaubnis, unabhängig<br />

vom Betreiber/Hersteller, wirkt für/gegen den Rechtsnachfolger<br />

• personenbezogene Genehmigung (bei Zuverlässigkeit, Sachkunde, Leistungsfähigkeit), z.B.<br />

Meisterbrief, Sachverständigenzulassung, Reisegewerbekarte<br />

• raumbezogene Genehmigung = Kombination aus sach- und personenbezogener Erlaubnis,<br />

z.B. Gaststättenkonzession<br />

Hinweis: Genehmigung (nach Antrag) ist grundsätzlich als begünstigender VA zu sehen,<br />

auch wenn belastende Nebenbestimmungen beigefügt werden. Problem allerdings, wenn von<br />

Genehmigung kein Gebrauch gemacht wird oder genehmigtes Handeln eingestellt wird, obwohl<br />

gesetzliche Betriebspflicht besteht (z.B. Personenbeförderung, Eisenbahnverbindung,<br />

Luftverkehr [Flugstrecke, Flughafen], Rettungsdienst). In diesen Fällen Lösung von der Genehmigung<br />

seitens des Betreibers durch einseitigen Verzicht (–> § 43 Abs. 2 VwVfG „auf<br />

anderer Weise“) oder durch Entlassung aus der Genehmigung (–> § 49 Abs. 2 VwVfG, ist<br />

grundrechtsgeboten teleologisch zu reduzieren)<br />

Wichtig: Die Umsetzung der EG-Dienstleistungsrichtlinie hat verwaltungsorganisatorisch<br />

die Einführung einer „Einheitlichen Stelle“ gebracht, deren Verwaltungsverfahren nunmehr<br />

in §§ 71a ff. VwVfG geregelt ist (dazu Schmitz/Prell, NVwZ 2009, 1 ff. sowie die einschlägigen<br />

Kommentare zum VwVfG); außerdem wurden mit den §§ 8a ff. Regelungen über die europäische<br />

Verwaltungszusammenarbeit in das VwVfG eingefügt (dazu Schmitz/Prell, NVwZ<br />

2009, 1121 ff.). Informativ hierzu der von Hartmut Bauer u.a. herausgegebene Sammelband:<br />

Die Europäische Dienstleistungsrichtlinie: Herausforderung für die Kommunen (KWI-Schriften,<br />

H. 3), 2010 (http://www.uni-potsdam.de/u/kwi/publikationen/kwi-schriften.html).<br />

– 2. Verwaltungsvertrag, § 54 VwVfG<br />

• Gegenstand (Leistung der Behörde) muß sonderrechtlich geregelt sein, um öffentlichrechtliche<br />

Vertragsqualität zu erreichen; dabei<br />

• häufig koordinationsrechtlicher Vertrag zwischen Wirtschaftsverwaltung und Unternehmer<br />

möglich (im VwVfG nur rudimentär ausgestaltet); immer dann der Fall, wenn bei<br />

konkreter Betrachtung hinsichtlich des Vertragsgegenstandes keine Über-/Unterordnung<br />

der Beteiligten besteht, z.B. bei entgeltlicher Übernahme staatlicher Pflichten durch Private<br />

(Abfallwirtschaft, Rettungsdienst, Tierkörperbeseitigung).


– 18 –<br />

– 3. neben einseitiger Steuerung der Wirtschaft Kooperation mit Regierung/Verwaltung (nicht:<br />

mit Gesetzgeber) im vorrechtlichen Raum durch „Selbstverpflichtung“ der Wirtschaft (dazu<br />

i.e. Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperierenden Verfassungsstaat, 2002, S. 229 ff.)<br />

• vor allem im Umweltrecht üblich (dort sogar im Gesetz ausdrücklich angesprochen, etwa<br />

in § 25 KrW-/AbfG), z.B. Abfallwirtschaft, Nichtverwendung bestimmter schädlicher Stoffe<br />

bei der Produktion, Nichteinleitung aufwendig zu beseitigender Stoffe in das Abwasser<br />

usw.; s.a. „Atomkonsens“ zur Beendigung der friedlichen Nutzung der Kernenergie<br />

• im Wirtschaftsverwaltungsrecht vor allem im Bereich des Gewerberechts (Bauart und<br />

Aufstellung von Spielautomaten), des Gaststättenrechts (Nichtraucherschutz, –> Schmidt<br />

am Busch, GewArch. 2009, 377 ff.), des Produktrechts (Arzneimittel-Kodex) oder des Versicherungsrechts<br />

(Gentest„verbot“ oder Beamtentarife für Versicherungsverträge).<br />

• Grundgedanken dabei: Freiwilligkeit (i.S.v. Fehlen von Rechtszwang) nach staatlichem<br />

Anstoß, regelmäßig zur Abwendung (weiter reichender) gesetzlicher Regelungen<br />

• Vor und Nachteile: autonome Steuerung der Wirtschaft –> größere Flexibilität und Akzeptanz;<br />

Zeit- und Kostenersparnis für staatliche Rechtsetzung (oder doch konsentierte Vorstufe<br />

zur Gesetzgebung [„Atomkonsens“]); kann aus staatlicher (Auf-)Sicht zu Durchsetzungsdefiziten<br />

und geringerem Regelungsniveau führen, außerdem Problem der Erfassung/Einbeziehung<br />

aller Betroffenen durch Verbandsentscheidung („Außenseiter“ und<br />

„Trittbrettfahrer“).<br />

• Verfassungsrechtliche Probleme: Sicherung des Gemeinwohlbezugs gegenüber Betroffenenpartizipation;<br />

Gefahr des „Ausverkaufs“ staatlicher Steuerungskompetenzen; kein Präjudizieren<br />

des Gesetzgebers zulässig; keine Beeinträchtigung von Rechten nicht beteiligter<br />

Dritter zulässig, außerdem Gefahr des Unterschreitens grundrechtlich gebotenen Schutzniveaus<br />

• Handlungsformen der Selbstverpflichtung? Verwaltungsvertrag, wenn Wirtschaftsverwaltung<br />

formal beteiligt (keine „Selbst“verpflichtung!); aber problematisch, falls auf privater<br />

Seite nicht alle Betreiber beteiligt, sondern nur Verband gebunden wird („Vertrag zu<br />

Lasten Dritter“? Zustimmungserfordernis aller Verbandsmitglieder?). Daher regelmäßig<br />

kein Vertrag, sondern einseitige politisch bindende Vereinbarung der Wirtschaft mit staatlichen<br />

Stellen gewollt.<br />

IV. Beteiligung Privater an der staatlichen Wirtschaftsverwaltung<br />

– Generelles Problem: Wahrnehmung der staatlichen Verantwortung zur Unparteilichkeit der<br />

unter Beteiligung Privater zustandegekommenen Entscheidung; regelmäßig nur durch<br />

Rechts- und Fachaufsicht sicherzustellen. Außerdem demokratische Legitimation beachtlich.<br />

Formen der Beteiligung i.e.:<br />

– 1. Beteiligung an Aufgabe durch<br />

• Eigenüberwachung des Wirtschaftsunternehmens –> Gesetzesvorbehalt und unmittelbarer<br />

Betriebsbezug der Überwachungsmaßnahmen (i.S.e. „Eigensicherung“)<br />

• Indienstnahme Privater durch Pflicht zur Bestellung besonderer Beauftragter auf Geschäftsleitungsebene<br />

(und Benennung der konkreten Person gegenüber der Behörde) i.S.v.<br />

betriebseigenem Risikomanagement (z.B. Immissionsschutzbeauftragter, Datenschutzbeauftragter,<br />

Betriebsbeauftragte für Gewässerschutz) –> Gesetzesvorbehalt; außerdem<br />

ohne Übertragung besonderer Hoheitsrechte nur insoweit zulässig, als die betriebsinternen<br />

Maßnahmen des Beauftragten sich im Rahmen des unternehmerischen Direktionsrechts<br />

bewegen.<br />

• Verwaltungshelfer = Werkzeug zur unselbständigen hilfsweisen Erledigung hoheitlicher<br />

Aufgaben ohne rechtliche Beziehung nach außen (z.B. Einschaltung einer privaten Bank<br />

bei der Abwicklung von Subventionen im Zweistufenverhältnis) –> Gesetz oder Vertrag; da<br />

keine Beeinträchtigung der Rechte des Privaten, kein Gesetzesvorbehalt<br />

– 2. Beteiligung an Befugnis durch Übertragung außenwirksamer Kompetenzen an Beliehene<br />

• im Wirtschaftsverwaltungsrecht „Breitband-Institut“ moderner Verwaltung; z.B. Toll Collect<br />

als Mauteintreiber nach Autobahnmautgesetz; Errichtung von Anlagen zur Endlagerung<br />

radioaktiver Abfälle (§ 9a Abs. 4 AtG); „Klassiker“ sind der TÜV und der Bezirksschonsteinfeger,<br />

aber auch der Flugzeugführer.


– 19 –<br />

• Beleihung bewirkt keine verwaltungsorganisatorische Eingliederung in den Behördenapparat;<br />

regelmäßig behält Beliehener auch seine anderweitigen grundrechtsgeschützten<br />

unternehmerischen/beruflichen Aufgaben.<br />

• Gründe für B.: Staatsentlastung, Ersparnis für Haushalte, Mobilisierung vorhandener<br />

Sachverstands; nicht: Nähe zur Sache, bessere Beherrschung der abzuwehrenden Gefahr<br />

• Def.: Beliehener = Privater, der mit der hoheitlichen Wahrnehmung bestimmter (fremder)<br />

Verwaltungsaufgaben betraut wird und befugt ist, diese Aufgaben im eigenen Namen nach<br />

außen in Handlungsformen des Verwaltungsrechts (VA) wahrzunehmen => keine Aufgabenprivatisierung,<br />

aber „Teil“privatisierung der Organisation<br />

• Status: natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts oder natürliche Person<br />

in einer juristischen Person des Privatrechts (TÜV-Ingenieur)<br />

• Voraussetzungen der Beleihung:<br />

" organisatorisch-institutioneller Gesetzesvorbehalt (Demokratieprinzip)<br />

" grundrechtlicher Gesetzesvorbehalt, da Eingriffsbefugnisse gegenüber privaten Dritten<br />

" Maßstab für Beleihungsgesetze: Art. 33 Abs. 4 GG – Hoheitsvorbehalt (qualitativ)<br />

" dient der Sicherung von Neutralität, Zuverlässigkeit, Gemeinwohlbindung<br />

" Schwergewicht hoheitlicher Aufgaben muß beim Staat bleiben<br />

" daher z.B. keine Eingriffe in Berufswahlfreiheit zulässig (Betriebsstillegung)<br />

• Rechtsfolgen der Beleihung:<br />

" Erfüllungsverantwortung der Verwaltung bleibt erhalten –> volle Aufsichtspflicht<br />

" Beliehener ist funktional vollziehende Gewalt i.S.v. Art. 1 Abs. 3 GG<br />

" Beliehener kann daher selbst funktional nicht Grundrechtsträger sein<br />

" somit kein Schutz gegen Aufsichtsmaßnahmen<br />

" kein Schutz gegen Beendigung der Beleihung<br />

" kein Schutz gegen Konkurrenz durch Zulassung weiterer Beliehener<br />

" eventuell aber (Vertrauens-)Schutz gegen vermögenswerte Einbußen (bei Investitionen)<br />

" Amtshaftung => Beliehener ist als „jemand“ haftungsrechtlicher Beamter<br />

" Haftender ist dabei die Anvertrauenskörperschaft (Bund/Land)<br />

" Beliehener ist im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß „Behörde“<br />

– 3. Beteiligung an der Organisation der Verwaltung (i.S.v. Eingliederung) durch<br />

• Kondominialverwaltung = Schaffung einzelner Organe mit privater Besetzung und bindenden<br />

(andernfalls nur Beratung) Mitgestaltungsbefugnissen in und gegenüber der jeweiligen<br />

Einrichtung, z.B. Hochschulrat nach LHG<br />

• funktionale Selbstverwaltung, dazu unten V.<br />

– 4. Beteiligung am Entscheidungsverfahren der Verwaltung durch<br />

• sachverständige Beratung; regelmäßig (aber im Einzelfall, z.B. Sachverständigenrat zur<br />

Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung; Rat von Sachverständigen für<br />

Umweltfragen) nicht durch Gesetz festgelegt, sondern zumeist ad hoc durch privatrechtliche<br />

Beauftragung bewirkt<br />

• Zuarbeit Privater, z.B. durch Projektmanagement im Städtebaurecht (§ 10 VwVfG)<br />

V. Funktionelle Selbstverwaltung im Bereich der Wirtschaft<br />

– Besonderheit der Selbstverwaltung: mittelbare Staatsverwaltung, d.h. die staatlichen Verwaltungsaufgaben<br />

werden nicht durch eigene Behörden wahrgenommen, die in den hierarchischen<br />

Aufbau integriert sind und ihre Spitze in der Ministerialebene finden, sondern<br />

rechtlich selbständigen Organisationen zur eigenverantwortlichen Erledigung übertragen –><br />

in Form von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen. Grundbedingung hierfür:<br />

• Errichtung durch staatlichen Hoheitsakt (grundsätzlich Gesetzesvorbehalt, wenn Zwangsmitgliedschaft<br />

vorgesehen),<br />

• Rechtsfähigkeit der Einrichtung (Zurechnungssubjekt von Rechten und Pflichten),<br />

• Mitgliedschaft als bestimmendes Element (Mitglieder müssen bestimmenden Einfluß auf<br />

die Gestaltung der Angelegenheiten haben),<br />

• eigenverantwortliche Aufgabenerfüllung (Partizipation der Betroffenen oder mit der Aufgabe<br />

Betrauten).


– 20 –<br />

– Funktionelle Selbstverwaltung (d.h. nicht auf Gebiet [wie kommunale Selbstverwaltung]<br />

bezogen) setzt demnach voraus:<br />

• öffentlich-rechtliche organisierte Körperschaft<br />

• zur Erledigung öffentlicher Verwaltungsaufgaben<br />

• für bestimmte private Wirtschaftszweige<br />

• auf Grund eines Gesetzes<br />

• unter staatlicher Aufsicht.<br />

Daher nicht bei privaten Wirtschaftsverbänden (Arbeitgeber/-nehmer, Branchenverband)<br />

Zweck: Entlastung der staatlichen Wirtschaftsverwaltung + Beteiligung der Betroffenen an<br />

der Erledigung der sie betreffenden staatlichen Aufgaben + administrative Nutzung privaten<br />

Sachverstands und individueller Sachnähe („Kooperationsprinzip“). Daneben auch denkbar:<br />

Organisation von Solidargemeinschaften, institutionelle Absicherung grundrechtlich gebotener<br />

Staatsdistanz, Instrument der Verwaltungsdezentralisation.<br />

Merke: Keine geschlossene Typologie der Aufgaben, auch keine Beschränkung auf nur eigene<br />

(Selbst-)Verwaltungsaufgaben; wie bei kommunaler Selbstverwaltung auch hier Delegation<br />

staatlicher Verwaltungsaufgaben (durch Gesetz) zulässig<br />

– Klassische Unterscheidung der funktionellen Wirtschafts-Selbstverwaltung in<br />

• wirtschaftliche Selbstverwaltung (Industrie- und Handel, Handwerk, Landwirtschaft)<br />

• berufsständische Selbstverwaltung der „freien“ Berufe (Ärzte, Architekten, Notare, Rechtsanwälte,<br />

Patentanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, aber auch freie Heilberufe wie<br />

Psychologen, Psychiater, Heilpraktiker, ambulante Pflegedienste etc. denkbar)<br />

Aber: traditionelle Unterscheidung der freien Berufe vom Gewerbe heute nicht mehr tragfähig<br />

und in der Lebenswirklichkeit bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen (Steuerberatungs-<br />

GmbH oder – bislang nicht zulässig – GmbH aus Rechtsanwalt, Notar, Patentanwalt, Steuerberater<br />

und Wirtschaftsprüfer).<br />

Daneben weitere Erscheinungsformen funktioneller Selbstverwaltung:<br />

• grundrechtsgetragene Selbstverwaltung (Hochschulen, Studierendenschaften, öff.-rechtl. Rundfunkanstalten)<br />

• Realkörperschaften (Wasserverbände, Waldwirtschaftsgenossenschaften, Forstbetriebsverbände, Jagdgenossenschaften,<br />

Entsorgungsverbände)<br />

• soziale Selbstverwaltung (Sozialversicherungsträger, Bundesagentur für Arbeit, Kassenärztliche Vereinigungen,<br />

Versorgungswerke der freien Berufe, Studentenwerke)<br />

– Allgemeine verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gründung von Trägern funktioneller<br />

Selbstverwaltung<br />

• Gesetzgebungskompetenz für Aufgabenbereich (Art. 70 ff. GG) und Verwaltungskompetenz<br />

für Errichtung der Körperschaft (Art. 83 ff. GG)<br />

• Beachtung der nach Art. 33 Abs. 4 GG nur begrenzt zulässigen Übertragung hoheitlicher<br />

Befugnisse (z.B. Eingriffsbefugnisse wie Begründung der Zwangsmitgliedschaft, Beitragsverpflichtung,<br />

Maßnahmen der Wirtschaftsaufsicht gegenüber Mitgliedern)<br />

• Durchsetzung von Staatlichkeit und Gemeinwohlbindung funktioneller Selbstverwaltung<br />

– Demokratieprinzip – durch Bestimmungsrechte staatlicher Organe und Rechtsaufsicht<br />

(i.e. BVerwGE 106, 64 ff. und NVwZ 1999, 870 ff.; dazu Dederer, NVwZ 2000, 403 ff.; Britz, VerwArch. 91 (2000),<br />

418 ff.; Unruh, VerwArch. 92 (2001), 531 ff.; BVerfGE 107, 59 ff.; dazu Hanebeck, DÖV 2004, 901 ff.; Häußermann,<br />

JA 2004, 22 ff.; Jestaedt, JuS 2004, 649 ff.; Musil, DÖV 2004, 116 ff.; Unruh, JZ 2003, 1061 ff.)<br />

– grundrechtliche Einordnung der funktionellen Selbstverwaltung in Gestalt von Kammern:<br />

• Kammern sind selbst „vollziehende Gewalt“ i.S.v. Art. 1 Abs. 3 GG und können daher<br />

– Konfusionsargument – Grundrechte weder gegenüber ihren Mitgliedern noch gegenüber<br />

Dritten in Anspruch nehmen;<br />

• die Mitglieder können sich gegenüber ihren Kammern hingegen auf (vor allem Wirtschafts-)<br />

Grundrechte berufen.<br />

• Dabei grundrechtliches Problem der Mitgliedschaft in Kammern, da Aufgabe i.S.v. Betroffenenpartizipation<br />

regelmäßig nur unter Einbeziehung aller betroffenen Wirtschaftsträger<br />

wahrgenommen werden kann –> Zwangsmitgliedschaft durch „Verkammerung“ mit der<br />

Folge einer Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen (=> Gesetzesvorbehalt). Verfassungsmäßigkeit<br />

einer Verkammerung soll nach BVerfG (s.o.) anhand von Art. 2 Abs. 1 GG<br />

bestimmt werden, nicht aber anhand von Art. 9 Abs. 1 GG (da nur „private“ negative und<br />

positive Vereinigungsfreiheit geschützt wird), auch nicht anhand von Art. 12 Abs. 1 GG<br />

(da Kammerzugehörigkeit nur eine Folge der Berufsausübung und [wie Steuerpflicht]<br />

keine berufsregelnde Tendenz aufweisen soll). Dabei zwar legitime öffentliche Aufgabe


– 21 –<br />

erforderlich. aber bereits dann gegeben, wenn an der Erfüllung der Aufgabe durch Selbstverwaltung<br />

ein gesteigertes öffentliches Interesse besteht, das durch die staatliche Verwaltung<br />

selbst nicht sachgerecht wahrgenommen werden kann. Verhältnismäßigkeit allenfalls<br />

im Bereich der Höhe der Beitragspflicht erheblich; Tatsache, daß konkretes Mitglied<br />

keinen Nutzen durch Kammerleistungen hat, nicht erheblich. Vgl. zum ganzen anhand<br />

einer Psychotherapeutenkammer Ortmann, NordÖR 2003, 473 ff.<br />

• Aufgabenfestlegung für Kammern allein durch Gesetz zulässig, das damit die verfassungsrechtliche<br />

Legitimität der Aufgaben der Körperschaft umreißt => nur diese dürfen von der<br />

Kammer wahrgenommen und mit Beiträgen der Mitglieder finanziert werden; Pflichtmitglied<br />

hat demzufolge einen verfassungsgeschützten und verwaltungsgerichtlich durchsetzbaren<br />

Anspruch darauf, daß Kammer sich an ihren gesetzlich festgelegten Aufgabenbereich<br />

hält. Art. 2 Abs. 1 GG enthält also ein subjektives öffentliches Recht auf Abwehr von<br />

Kammertätigkeit außerhalb des gesetzlichen Wirkungskreises. Zudem: die gesetzlich definierten<br />

Aufgaben verbieten ein allgemeinpolitisches Mandat der Kammern; auch dies ist<br />

klagebewehrt.<br />

– Aufgaben funktioneller wirtschaftlicher Selbstverwaltung anhand der IHK<br />

• Mitgliedschaft (§ 1 IHKG): alle Gewerbetreibenden, sofern sie kein Handwerk ausüben<br />

(–> s.u. § 8, dann Handwerkskammer) oder eine landwirtschaftliche Genossenschaft betreiben<br />

(dann Landwirtschaftskammer).<br />

• Organisation: Vollversammlung der Mitglieder –> Wahl des Präsidiums und Bestellung<br />

des Hauptgeschäftsführers (–> Diefenbach, GewArch. 2006, 313 ff.)<br />

• Aufgaben der IHK (§ 1 IHKG) (im Rahmen der Selbstverwaltung, d.h. nicht staatlicher<br />

Aufgaben): Wahrnehmung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen ihrer Mitglieder,<br />

Förderung der gewerblichen Wirtschaft, Unterstützung staatlicher Behörden in der Wirtschaftsverwaltung,<br />

Ausgleich unterschiedlicher Interessen der einzelnen Gewerbetreibenden.<br />

Dabei auch zahlreiche Servicefunktionen, z.B. Erstellung von Gutachten für Gerichte,<br />

um Handelsbräuche (§ 346 HGB) oder Verkehrssitten festzustellen oder Zweifelsfälle im<br />

Markenrecht zu klären, aber auch Förderung und Durchführung kaufmännischer und<br />

gewerblicher Berufs(aus)bildung. Nicht dazu gehört die Wahrnehmung sozialpolitischer<br />

und arbeitsrechtlicher Interessen der Mitglieder.<br />

• Aufgaben der IHK im übertragenen (staatlichen) Wirkungskreis (vgl. § 1 IV IHKG): Bestellung<br />

und Vereidigung gewerblicher Sachverständiger, Registrierung von Betrieben im<br />

Rahmen des Ökoaudit; nunmehr auch Registrierung und Überwachung von Versicherungsvermittlern<br />

nach §§ 11a, 34d, 34e GewO (Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlungsrechts<br />

vom 19.12.2006, BGBl. I S. 3232; s.a. Kluth/Rieger, EuZW 2005, 486<br />

ff.); jedenfalls zeitweise in Planung sogar Führung des Handelsregisters anstelle der Amtsgerichte.


– 22 –<br />

Arbeitsblatt zu § 4<br />

Der Staat als Nachfrager am Markt:<br />

das öffentliche Auftragswesen / Vergaberecht<br />

A. Übersicht: I. Der Staat als Nachfrager am Markt: Gegenstand, Funktion und Begriff<br />

des Vergaberechts; seine historische Entwicklung<br />

II. Zur Einordnung des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe, seine<br />

Rechtsquellen im nationalem Recht und im Unionsrecht (zum EU-Vergaberecht<br />

–> Vorl. Europäisches Wirtschaftsrecht)<br />

III. Das klassische System der Auftragsvergabe in Deutschland: Rechtsgrundlagen,<br />

Inhalt und Verfahren; Rechtsschutz<br />

IV. Das System der Auftragsvergabe nach Unionsrecht und GWB: Rechtsgrundlagen,<br />

Inhalt und Verfahren; Rechtsschutz<br />

B. Rechtsgrundlagen:<br />

– im Unionsrecht – Materielle Vergaberichtlinien<br />

• Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung<br />

der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, ABl. L 134/114<br />

ff. („Basis-RL“); zuletzt geändert durch VO (EG) Nr. 2009/81/EG vom 13.7.2009, ABl. Nr. 216/76<br />

[Koordinierungs-RL]<br />

• Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der<br />

Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der<br />

Postdienste, ABl. L 134/1 ff. („Sektoren-RL“); zuletzt geändert durch VO (EG) Nr. 1177/2009 vom 30.11.2009,<br />

ABl. L 314/64 [Sektorenkoordinierungs-RL]<br />

• Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der<br />

Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und<br />

Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG, ABl. L 216/76 [Verteidigungskoordinierungs-RL];<br />

dazu Hermann/Polster, NVwZ 2010, 341 ff.; Höfler/Petersen, EuZW 2011, 336 ff. – Umgesetzt<br />

durch Gesetz zur Änderung des Vergaberechts für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit vom 7.12.2011<br />

(BGBl. I S. 2570); dazu Roth/Lamm, NZBau 2012, 609 ff.; Voll, NVwZ 2013, 120 ff. Ergänzend hierzu die Vergabeverordnung<br />

für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) vom 12.7.2012; dazu Scherer-Leydecker,<br />

NZBau 2012, 533 ff.<br />

• Verordnung (EG) Nr. 1177/2009 der Kommission vom 30. November 2009 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/<br />

EG, 2004/18/EG und 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte<br />

für Auftragsvergabeverfahren, ABl. L 314/64<br />

• Entscheidung der Kommission vom 7. Januar 2005 über die Durchführungsmodalitäten für das Verfahren nach<br />

Artikel 30 der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Zuschlagserteilung<br />

durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste,<br />

ABl. L 7/7 ff.<br />

• Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher<br />

Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen, vom 23.6.2006, ABl. C<br />

179/2 ff. (dazu Köster, ZfBR 2007, 127 ff.; Lutz, WuW 2006, 890 ff.); die von Deutschland hiergegen erhobene Klage<br />

wurde vom EuG als unzulässig zurückgewiesen (Urteil vom 20.5.2010, T-258/06).<br />

– im Unionsrecht – Rechtsmittelrichtlinien<br />

• Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989, ABl. L 395/33 vom 30. Dezember 1989; zuletzt geändert<br />

durch RL 2007/66/EG vom 11.12.2007, ABl. L 335/31 [Überwachungs-RL]<br />

• Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992, ABl. L 76/14 vom 23. März 1992; zuletzt geändert durch<br />

RL 2007/66/EG vom 11.12.2007, ABl. L 335/31 [Sektorenüberwachungs-RL]<br />

• Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007, ABl. L 335/31 vom<br />

20. Dezember 2007 (Rechtsmittel-Änderungs-RL); dazu Costa-Zahn/Lutz, NZBau 2008, 22 ff.; Schwab/Seidel,<br />

VergabeR 2007, 699 ff.


– 23 –<br />

– im deutschen Recht<br />

• Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG), dort:<br />

§ 30 Öffentliche Ausschreibung. Dem Abschluß von Verträgen über Lieferungen und Leistungen muß eine öffentliche<br />

Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme<br />

rechtfertigen.<br />

• Bundeshaushaltsordnung (BHO) bzw. Landeshaushaltsordnung (LHO) M-V, dort:<br />

§ 55 Öffentliche Ausschreibung. (1) Dem Abschluß von Verträgen über Lieferungen und Leistungen muß eine<br />

öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine<br />

Ausnahme rechtfertigen.<br />

(2) Beim Abschluß von Verträgen ist nach einheitlichen Richtlinien zu verfahren.<br />

• Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) M-V, dort:<br />

§ 29 Vergabe von Aufträgen. Der Vergabe von Aufträgen muß eine Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die<br />

Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. Die allgemeinen Vergaberichtlinien<br />

der VOB/VOL sowie die dazu ergangenen Landesrichtlinien sind anzuwenden.<br />

• Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) i.d.F. d. Bek. vom 26. Juni 2013 (BGBl.<br />

I S. 1750), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 78 Gesetz vom 7.8.2013 (BGBl. I S. 3154);<br />

dort: 4. Teil. Vergabe öffentlicher Aufträge (§§ 97–129b)<br />

• Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV) i.d.F.<br />

d. Bek. vom 11. Februar 2003 (BGBl. I S. 169), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung<br />

vom 12.7.2012 (BGBl. I S. 1508) –> Höfler/Bert, NJW 2000, 3310 ff.; Otting, NVwZ<br />

2001, 775 ff.; Schröder, NVwZ 2002, 1440 ff.; Just/Sailer, NVwZ 2010, 937 ff.<br />

• Verordnung über die Vergabe von Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung<br />

und der Energieversorgung (Sektorenverordnung – SektVO) vom 23.9.2009,<br />

BGBl. I S. 3110; zuletzt geändert durch Art 7 Gesetz vom 25.7.2013 (BGBl. I S. 2722 –><br />

Opitz, VergabeR 2009, 689 ff.; Rosenkötter/Plantiko, NZBau 2010, 78 ff.<br />

• Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit zur Umsetzung der<br />

Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über<br />

die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge<br />

in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der<br />

Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit<br />

– VSVgV) vom 12.7.2012 (BGBl. I S. 1509), zuletzt geändert durch Art. 8 Gesetz<br />

vom 25.7.2013 (BGBl. I S. 2722)<br />

• VOB – Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen. Teil A: Allgemeine Bestimmungen<br />

für die Vergabe von Bauleistungen, vom 26.6.2012 (VOB 2012) (BAnz. Amtl. Teil<br />

13.7.2012)<br />

• VOL – Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen. Teil A: Allgemeine Bestimmungen<br />

für die Vergabe von Leistungen, Ausgabe 2009 vom 20.11.2009 (BAnz. Nr. 196a)<br />

• VOF – Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen vom 18.11.2009 (BAnz. Nr. 185a)<br />

• Gesetz zur wirtschaftlichen Flankierung des Mittelstandes in Mecklenburg-Vorpommern<br />

(Mittelstandsförderungsgesetz M-V – MFG) vom 14. Dezember 1993 (GVOBl. 1994<br />

S. 3); dort § 15 – Beteiligung an öffentlichen Aufträgen; dazu Richtlinien für die verstärkte<br />

Beteiligung mittelständischer Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vom<br />

30. Juni 2003 (ABl. S. 790). Der Entwurf eines neuen Mittelstandsförderungsgesetzes (LT-<br />

Drs. 6/1813 befindet sich z.Zt. in der parlamentarischen Beratung.<br />

• Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge in Mecklenburg-Vorpommern (Vergabegesetz<br />

M-V – VgG) vom 7.7.2011 (GVOBl. S. 411); geändert durch Erstes Gesetz zur Änderung<br />

des Vergabegesetzes Mecklenburg-Vorpommern vom 25.6.2012 (GVOBl. S. 238)<br />

C. Rechtsprechung:<br />

– zum Vergabeunionsrecht (vgl. Gabriel/Schulz, EWS 2010, 503 ff.; 2011, 449 ff.; 2012, 497 ff.)<br />

• EuGH vom 28.10.1999 – C-81/98 „Alcatel“; dazu Jaeger, EWS 2000, 124 ff.; Martin-Ehlers,<br />

EuZW 2000, 101 f. (Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Zuschlag und Vertragsschluß<br />

nach EG-Recht; Verpflichtung der Mitgliedstaaten, dem unterlegenen Bieter vor<br />

dem Vertragsschluß ein Nachprüfungsverfahren zugänglich zu machen)<br />

• EuGH vom 18.11.1999 – C-107/98 „Teckal“; dazu Wagner, EuZW 2000, 250 f. (Auftragsvergabe<br />

unterfällt als „In-house-Geschäft“ nicht dem EU-Vergaberecht, wenn der [staatliche<br />

oder gemischt-wirtschaftliche] Auftragnehmer der vollen rechtlichen Kontrolle des<br />

Auftraggebers unterliegt und ihm gegenüber keine eigene Entscheidungsgewalt besitzt) –>


– 24 –<br />

EuGH vom 11.1.2005 (s.u.); EuGH vom 11.5.2006 – C-340/04 „Carbotermo“; dazu Steinfeld,<br />

EuZW 2006, 378 ff.<br />

• EuGH vom 17.9.2002 – C-513/99 „Concordia Bus Finland“; dazu Bultmann, ZfBR 2004,<br />

134 ff. (Berücksichtigung ökologischer Kriterien bei Auftragsvergabe nach EU-Recht zulässig,<br />

aber Vergütung entsprechender Mehrkosten kann u.U. Beihilfe darstellen)<br />

• EuGH vom 4.12.2003 – C-448/01 „EVN und Wienstrom“; dazu Steinfeld, EuZW 2004, 76 ff.<br />

(Zulässigkeit auch nicht-wirtschaftlicher Kriterien im Rahmen des Zuschlags, soweit sie<br />

mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängen)<br />

• EuGH vom 9.9.2004 – C-125/03 „Lüdinghausen“; dazu Bitterich, EWS 2005, 162 ff. (Vertragsverletzung<br />

des Mitgliedstaates besteht auch dann fort, wenn entgegen den Vergaberichtlinien<br />

Aufträge ausgeschrieben und vergeben werden und der Vertragsschluß vom<br />

Konkurrenten nicht mehr mit Primärrechtsschutz angegriffen werden kann)<br />

• EuGH vom 11.1.2005 – C-26/03 „Stadt Halle“; dazu Hausmann/Bultmann, NVwZ 2005,<br />

377 ff.; Kalbe, EWS 2005, 116 ff. (Auftragsvergabe an gemischt-wirtschaftliches Unternehmen<br />

ist grundsätzlich kein „In-house-Geschäft“, außer der staatliche Auftraggeber hat<br />

über das Unternehmen „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“)<br />

• EuGH vom 18.7.2007 – C-503/04 „Kommission ./. Deutschland“; dazu Gundel, JA 2007, 910<br />

ff. (kein mitgliedschaftsrechtlicher Bestandsschutz für [gemeinschafts]vergaberechtswidrige<br />

Aufträge)<br />

• EuGH vom 13.11.2007 – C-507/03 „Kommission ./. Irland“ („An Post“); dazu Bitterich,<br />

EuZW 2008, 14 ff. (de-facto-Vergabe eines Dienstleistungsauftrags an inländisches Unternehmen<br />

ist in der Regel gemeinschaftsrechtswidrig, erfordert aber den Nachweis eines<br />

grenzüberschreitenden Interesses an diesem Auftrag<br />

• EuGH vom 13.12.2007 – C-337/06 „Bayerischer Rundfunk ./. GEWA“; dazu Antweiler,<br />

EuZW 2008, 189 ff.; Degenhart, JZ 2008, 568 ff. (ö.-r. Rundfunkanstalten sind außerhalb<br />

der Programmtätigkeit öffentliche Auftraggeber und an das EU-Vergaberecht gebunden)<br />

• EuGH vom 3.4.2008 – C-346/06 „Rüffert ./. Niedersachsen“; dazu Becker, JZ 2008, 891 ff.;<br />

Bungenberg, EuR 2008, 397 ff.; Gundel, JA 2008, 750 ff.; Klumpp, NJW 2008, 3473 ff.;<br />

Streinz, JuS 2008, 823 ff. (Unvereinbarkeit gesetzlicher Tariftreuebindungen mit Dienstleistungsfreiheit<br />

und Entsende-Richtlinie)<br />

• EuGH vom 15.5.2008 – C-147/06 und 148/06 (gemeinschaftsrechtliche Grenzen eines ungeprüften<br />

Ausschlusses ungewöhnlicher niedriger Angebote im Vergabeverfahren)<br />

• EuGH vom 19.6.2008 – C-454/06 „Pressetext“; dazu Niestedt, NJW 2008, 3321 ff.; Krohn,<br />

NZBau 2008, 619 ff. (Änderungen eines Auftrags nach Vergabe sind als ausschreibungspflichtige<br />

Neuvergabe zu qualifizieren, wenn sie wesentlich andere Merkmale enthalten<br />

als der ursprüngliche Auftrag, z.B. Erweiterung auf zuvor nicht enthaltene Dienstleistungen<br />

oder erhebliche Änderungen im wirtschaftlichen Gleichgewicht des Vertrags)<br />

• EuGH vom 9.6.2009 – C-480/06 „Kommission ./. Deutschland“ = „Hamburger Stadtreinigung“<br />

/ „Rugenberger Damm“; dazu Brüning, DVBl. 2009, 1539 ff.; Pielow, EuZW 2009,<br />

531 f.; Struve, EuZW 2009, 805 ff.; Veldboer/Eckert, DÖV 2009, 859 ff. (interkommunale<br />

Kooperation durch Besorgungsvertrag dann vergabebefreit, wenn damit eine öffentliche<br />

Aufgabe erfüllt und ein angemessenes Entgelt vereinbart wird und keine Beherrschung<br />

des beauftragten kommunalen Unternehmens durch den Auftraggeber vorliegt)<br />

• EuGH vom 10.9.2009 – C-573/07 „Sea“ [Fortsetzung von „Teckal“, s.o.] (in-house-Geschäft<br />

dann vergabebefreit, wenn volle rechtliche Kontrolle bei AG darin besteht, daß sowohl auf<br />

deren strategische Ziele als auch auf deren wichtige Entscheidungen ausschlaggebender<br />

Einfluß ausgeübt werden kann)<br />

• EuGH vom 25.3.2010 – C-451/08 „Helmut Müller“ (Grundstücksveräußerung mit Bauverpflichtung<br />

des Erwerbers ist – entgegen OLG Düsseldorf, NZBau 2007, 530 ff. „Ahlhorn“ –<br />

kein „Bauauftrag“ und daher nicht vergabepflichtig)<br />

• EuGH vom 10.5.2012 – C-368/10 „Kommission ./. Niederlande“; dazu Siegel, EuZW 2012,<br />

599 f. (Vergaberecht ist grundsätzlich offen für auftragsfremde umweltbezogene und soziale<br />

Aspekte, vorausgesetzt ihre inhaltlichen Anforderungen werden transparent und klar<br />

formuliert und sind von den Auftragnehmern erfüllbar)<br />

• EuGH vom 29.12.2012 – C-182/11 u.a. „Econord“; dazu Hausmann, NVwZ 2013, 760 ff.;<br />

Hertwig, NZBau 2013, 278 ff.; Knauff, EuZW 2013, 112 f. (die Übertragung einer kommunalen<br />

Aufgabe durch mehrere Gemeinden auf eine gemeinsam betriebene und gesteuerte<br />

Gesellschaft fällt als horizontale „in house“-Vergabe nicht unter das EU-Vergaberecht)


– 25 –<br />

• EuGH vom 19.12.2011 – C-159/11 „Lecce“; dazu Hertwig, NZBau 2013, 278 ff.; Schrotz/<br />

Ahlhaus, NVwZ 2013, 712 f. (Vergabe eines Forschungsauftrags durch eine staatliche Stelle<br />

an eine Universität soll unter das EU-Vergaberecht fallen); s.a. Geitel, NVwZ 2013,<br />

765 ff.)<br />

• EuGH vom 13.7.2013 – C-386/11 „Piepenbrock“; dazu Brakalova, EuZW 2013, 593 f.;<br />

Schrotz/Raddatz, NVwZ 2013, 933 f. (die Übertragung einer auf Kreisebene anfallenden<br />

Aufgabe [hier: Büroreinigung] auf eine kreisangehörige Gemeinde fällt als vertikale „in<br />

house“-Vergabe dann grundsätzlich unter das EU-Vergaberecht, wenn es sich um eine<br />

rechtlich auch von Privaten zu erbringende Dienstleistung handelt)<br />

– zum haushaltsrechtlichen („kleinen“) Vergaberecht<br />

• BVerfGE 116, 135 ff. –> Niestedt/Hölzl, NJW 2006, 3680 ff.; Pietzcker, ZfBR 2007, 131 ff.;<br />

Sauer/Hollands, NZBau 2006, 763 ff.; Siegel, DÖV 2007, 237 ff. (Rechtsschutzrestriktionen<br />

im „kleinen Vergaberecht“ genügen trotz Bindung der Verwaltung an Art. 3 Abs. 1 GG<br />

dem Anspruch auf privatrechtliche Justizgewährung nach Art. 20 Abs. 3 GG); ebenso nunmehr<br />

– für das „große Vergaberecht“ – BVerfG (K), NVwZ 2009, 835 ff.<br />

• BVerfGE 116, 202 ff. –> Pietzcker, ebd.; Sachs, JuS 2007, 575 ff. (gesetzliche Tariftreueregelungen<br />

berühren Art. 9 Abs. 3 GG nicht und sind mit Art. 12 GG vereinbar)<br />

• OVG Koblenz, DVBl. 2005, 988 f. (–> Ruthig, NZBau 2005, 497 ff.); OVG Münster, NVwZ-<br />

RR 2006, 233, 842 f.; OVG Bautzen, SächsVBl. 2006, 269 (–> Braun, ebd. S. 249 ff.): Verwaltungsrechtsweg<br />

für Überprüfung der Auftragsvergabe eröffnet; a.A. OVG Berlin-Brandenburg,<br />

DVBl. 2006, 1250 ff. m. Anm. Rennert; dazu Dabringhausen, Krist/Kutscher,<br />

Losch und Irmer, VergabeR 2006, 462 ff., 823 ff., 299 ff., 159 ff. und 308 ff.; VGH Mannhein,<br />

VBlBW 2007, 147 f. – Nunmehr BVerwGE 129, 9 ff. (–> Antweiler, NWVBl. 2007, 285<br />

ff.; Burgi, NVwZ 2007, 737 ff.; Ennuschat/Ulrich, NJW 2007, 2224 ff.; Gundel, JA 2008,<br />

288 ff.; Hufen, JuS 2007, 958 ff.): Verwaltungsrechtsweg im „kleinen Vergaberecht“ nicht<br />

eröffnet<br />

• OLG Düsseldorf, DÖV 1981, 537 ff. m. Anm. Pietzcker „Fernmeldetürme“ (Gebot der<br />

Gleichbehandlung aller Anbieter, unabhängig von der privatrechtlichen Handlungsform;<br />

Vergabe wichtiger Aufträge nur durch öffentliche Ausschreibung zulässig)<br />

• BGHZ 139, 259 ff.; dazu Byok, WuW 2000, 718 ff.; Noch, JZ 1999, 256 ff. (Bieter hat bei<br />

einer ohne hinreichende Gründe erfolgten Aufhebung des Vergabeverfahrens Anspruch<br />

auf Ersatz der mit der Teilnahme verbundenen Aufwendungen [„negatives Interesse“],<br />

wenn er bei Vergabe den Zuschlag erhalten hätte; Anspruch auf Ersatz des entgangenen<br />

Gewinns [„positives Interesse“] hat er nur, wenn Auftrag tatsächlich erteilt worden ist)<br />

• VG Neustadt/Weinstraße, VergabeR 2006, 78 ff. (kein Informationsanspruch des unterlegenen<br />

Bieters im „kleinen“ Vergaberecht aus § 13 VgV oder Verdingungsordnungen<br />

– zum GWB-Vergaberecht<br />

• BVerfG, NVwZ 2004, 1224 ff. (verfassungsrechtliches Gebot der Einräumung vergaberechtlichen<br />

Primärrechtsschutzes gegen rechtswidrige Entscheidung der Vergabestellen,<br />

da nach der Erteilung des Zuschlags an den Konkurrenten nur noch Sekundärrechtsschutz<br />

zulässig ist (§ 114 II 1 GWB); Verletzung des Anspruchs aus Art. 19 Abs. 4 GG auf tatsächlich<br />

wirksame gerichtliche Kontrolle einer Vergabeentscheidung, wenn bereits wegen unklarer<br />

Ausschreibungsunterlagen die Chancengleichheit der Bewerber beeinträchtigt wurde,<br />

das Gericht aber über diesen Sachverhalt hinaus nach § 107 II GWB noch Darlegungen<br />

darüber fordert, daß sich die Zuschlagschancen gerade des betroffenen Bewerbers durch<br />

die Rechtsverstöße besonders beeinträchtigt wurden)<br />

• BGHZ 146, 202 ff. = JZ 2001, 927 ff. m. Anm. Burgi (nach Auftragserteilung an den erfolgreichen<br />

Bieter kann die Vergabekammer nicht mehr angerufen werden)<br />

• BGHZ 148, 55 = DVBl. 2001, 1607 ff.; dazu Röhl, JuS 2002, 1053 ff. (kein GWB-Auftrag,<br />

sondern „In-house-Geschäft“, wenn öffentlicher Auftraggeber alleiniger Inhaber des Auftragnehmers<br />

ist, er über diesen Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübt und der<br />

Beauftragte im wesentlichen für den Auftraggeber tätig wird)<br />

• BGHZ 158, 43 = NJW 2004, 2092 ff. (Verfassungs- und Rechtmäßigkeit von § 13 Vergabe-<br />

VO, wonach ein Vertrag, der vor Ablauf von 14 Tagen seit der Information über die Nichtberücksichtigung<br />

eines Bieters abgeschlossen wird, nichtig ist)<br />

• BGH, NVwZ 2005, 845 ff. (Nichtigkeit des Vertrags nach § 13 VgV nur, wenn unterlegener<br />

Bieter in seinen Informationsrechten verletzt ist und Nachprüfungsverfahren anstrengt)


– 26 –<br />

• BayObLG, NVwZ 2005, 117 ff. m. Anm. Byok, ebd. S. 53 ff. „AOK Bayern“ (staatliches<br />

Krankenversicherungsunternehmen ist kein öffentlicher Auftraggeber i.S.d. §§ 97 ff. GWB,<br />

da funktionelle Selbstverwaltung)<br />

• VG Koblenz, ZfBR 2005, 104 ff.; OVG Koblenz, ZfBR 2005, 590 ff. (für Klagen gegen eine<br />

Vergabeentscheidung außerhalb des GWB [hier: Rüstungsauftrag, vgl. § 100 Abs. 2] ist der<br />

Verwaltungsrechtsweg eröffnet; dazu Hollands/Sauer, DÖV 2006, 55 ff. A.A. VG Potsdam,<br />

VergabeR 2006, 83 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, VergabeR 2006, 85 ff. (keine öffentlichrechtliche<br />

Streitigkeit). S.a. OVG Münster, VergabeR 2006, 86 ff. (Verwaltungsrechtsweg<br />

für Anspruch eines Bieters gegen Gemeinde, auf beherrschte GmbH einzuwirken)<br />

• BSG, NJW 2008, 3238 ff. „Arzneimittel-Rabattverträge“ und NZS 2010, 204 ff. „Hilfsmittelversorgung“<br />

(gegen Entscheidungen [= Verwaltungsakte] der Vergabekammern wegen<br />

Arzneimittel-Rabattverträgen bzw. Hilfsmittelverträgen zwischen Anbietern und gesetzlichen<br />

Krankenkassen ist der besondere Verwaltungsrechtsweg zu den Sozialgerichten<br />

– und nicht zu den Vergabesenaten der Oberlandesgerichte – eröffnet); dagegen OLG Düsseldorf<br />

vom 30.4.2008 – VII-Verg 4/08 (gesetzliche Alleinzuständigkeit der Oberlandesgerichte)<br />

–> Vorlage zum BGH<br />

• BGHZ 179, 84 ff. „Rettungsdienst“; dazu Berger/Tönnemann, VergabeR 2009, 129 ff.;<br />

Jahn, NdsVBl. 2010, 33 ff.; Wenzel, LKV 2009, 298 ff. (Beauftragung Privater mit der<br />

Durchführung des Rettungsdienstes ist bei Erreichung des Schwellenwerts öffentlicher<br />

Auftrag gem. GWB und daher ausschreibungspflichtig); s.a. EuGH vom 29.4.2010<br />

– C-160/08 (Gemeinschaftsrecht gebietet zumindest Bekanntgabe des Ergebnisses der<br />

Zuschlagserteilung)<br />

D. Literatur:<br />

Ruthig/Storr, § 10; Schliesky, S. 171 ff.; Schmidt/Vollmöller, § 6; Stober, AllgWiVerwR, § 37;<br />

Rittner/Dreher, § 30; zur Entwicklung des Vergaberechts berichten Byok, NJW 2001, 2295<br />

ff.; 2004, 198 ff.; 2006, 2076 ff.; 2008, 559 ff.; 2009, 644 ff.; 2010, 817 ff.; 2011, 975 ff.; 2012,<br />

1124 ff.; 2013, 1488; Bungenberg, WuW 2007, 351 ff., 1103 ff.; 2008, 796 ff.; 2009, 503 ff., 1149<br />

ff.; 2010, 890 ff., 1242 ff.; 2011, 832 ff.; 2012, 571 ff.; 2013, 251 ff. – Zum Unionsrecht Prieß,<br />

Handbuch des europäischen Vergaberechts, 3 2005; Egger, Europäisches Vergaberecht, 2008;<br />

s.a. die Berichte von Neun/Otting, EuZW 2011, 456 ff.; 2012, 566 ff.; 2013, 529 ff.<br />

– zum Recht der öffentlichen Auftragsvergabe allgemein:<br />

• Alexander, Öffentliche Auftragsvergabe und unlauterer Wettbewerb, WuW 2004, 700 ff.<br />

• Burgi, Die Zukunft des Vergaberechts, NZBau 2009, 609 ff.<br />

• Dörr, Das deutsche Vergaberecht unter dem Einfluß von Art. 19 Abs. 4 GG, DÖV 2001, 1014 ff.<br />

• Eggers/Malmendier, Strukturierte Bieterverfahren der öffentlichen Hand, NJW 2003, 780 ff.<br />

• Grzeszick, Vergaberecht zwischen Markt und Gemeinwohl, DÖV 2003, 649 ff.<br />

• Koenig/Haratsch, Grundzüge des deutschen und europäischen Vergaberechts, NJW 2003, 2637 ff.<br />

• Lux, Einführung in das Vergaberecht, JuS 2006, 969 ff.<br />

• Malmendir, Vergaberecht, quo vadis?, DVBl. 2000, 963 ff.<br />

• Pietzcker, Grenzen des Vergaberechts, NVwZ 2007, 1225 ff.<br />

• Pünder, Zu den Vorgaben des grundgesetzlichen Gleichheitssatzes für die Vergabe öffentlicher Aufträge, Verw-<br />

Arch. 95 (2004), 38 ff.<br />

• Roebling, Das Vergaberecht im Wandel – eine Einführung, JURA 2000, 453 ff.<br />

• Thieme/Correll, Deutsches Vergaberecht zwischen nationaler Tradition und europäischen Integration, DVBl.<br />

1999, 884 ff.<br />

– zum haushaltsrechtlichen Modell (anwendbar bei Aufträgen unterhalb der EU-Schwellenwerte<br />

[zuletzt VO (EU) Nr. 1251/2011 der Kommission vom 30.11.2011, ABl. L 319/43]):<br />

• Binder, Effektiver Rechtsschutz und neues Vergaberecht – Überlegungen zur Verfassungsmäßigkeit der Differenzierung<br />

nach Schwellenwerten in §§ 97 ff. GWB, ZZP 113 (2000), 195 ff.<br />

• Bittrich, Rechtsschutz bei Verletzung aus dem EG-Vertrag abgeleiteter „Grundanforderungen“ an die Vergabe<br />

öffentlicher Aufträge, NVwZ 2007, 890 ff.<br />

• Dicks, Nochmals: Primärrechtsschutz bei Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte, VergabeR 2012, 531 ff.<br />

• Druschel, Rechtswegfragen am Beispiel des Vergaberechts, JA 2008, 514 ff.<br />

• Hermes, Gleichheit durch Verfahren bei der staatlichen Auftragsvergabe, JZ 1997, 909 ff.<br />

• Hösch, Die Nachprüfung von Vergabeentscheidungen der öffentlichen Hand, BayVBl. 1997, 193 ff.<br />

• Huber, Der Rechtsschutz des Bieters im öffentlichen Auftragswesen unterhalb der sog. Schwellenwerte, JZ 2000,<br />

877 ff.<br />

• Koch, Probleme administrativer Außenrechtserzeugung am Beispiel der Verdingungsordnungen, VerwArch. 91<br />

(2000), 354 ff.


– 27 –<br />

• Pietzcker, Rechtsbindungen der Vergabe öffentlicher Aufträge, AöR 107 (1982), 61 ff.<br />

• Schnieders, Die kleine Vergabe, DVBl. 2007, 287 ff.<br />

• Storr, Fehlerfolgenlehre im Vergaberecht, SächsVBl. 2008, 60 ff.<br />

• Wollenschläger, Das EU-Vergaberegime für Aufträge unterhalb der Schwellenwerte, NVwZ 2007, 388 ff.<br />

– zum Vergabe-Unionsrecht:<br />

• Brenner, Die Einwirkungen der EG-Vergaberichtlinien auf die Struktur der Auftragsvergabe in Deutschland, FS<br />

Kriele, 1997, S. 1431 ff.<br />

• Frenz, Grundrechte und Vergaberecht, EuZW 2006, 748 ff.<br />

• Heiß, Allgemeines EU-Vergaberecht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Binnenmarktweite<br />

Grundanforderungen an staatliche Eigenerbringung und an nicht EU-Sekundärrecht unterfallende<br />

Aufträge sowie Plattform für künftiges Spezialrecht, VerwArch 103 (2012), 421 ff.<br />

• Huber, Die Europäisierung des öffentlichen Auftragswesens in Deutschland, FS Schiedermair, 2001, S. 765 ff.<br />

• Knauff, Die Reform des europäischen Vergaberechts, EuZW 2004, 141 ff.<br />

• Mader, Das neue EG-Vergaberecht, EuZW 2004, 425 ff.<br />

• Prieß/Hausmann, Der deutsche Vergaberechtsschutz im europäischen Vergleich, EuR 1999, 203 ff.<br />

• Schneider, EG-Vergaberecht zwischen Ökonomisierung und umweltpolitischer Instrumentalisierung, DVBl.<br />

2003, 1186 ff.<br />

• Schwarze, Die Vergabe öffentlicher Aufträge im Lichte des europäischen Wirtschaftsrechts, EuZW 2000, 133 ff.<br />

• Stumpf, Der Anwendungsbereich der Vergaberichtlinie 2004/18/EG im Lichte der Rechtsprechung des EuGH,<br />

EWS 2009, 65 ff.<br />

– zum Vergaberecht nach GWB:<br />

• Ackermann, Die Haftung des Auftraggebers bei Vergabeverstößen, ZHR 164 (2000), 394 ff.<br />

• Egidy, Das GWB-Vergaberecht nach der Novelle 2009: Flexibel, europarechtskonform und endlich von Dauer?,<br />

DÖV 2009, 835 ff.<br />

• Gabriel, Die Vergaberechtsreform 2009 und die Neufassung des vierten Teils des GWB, NJW 2009, 2011 ff.<br />

• Heinemann, Fehlerfolgen im Vergabeverfahren, VerwArch 103 (2012), 87 ff.<br />

• Huber, Der Schutz des Bieters im öffentlichen Auftragswesen unterhalb der sog. Schwellenwerte, JZ 2000, 877 ff.<br />

• Kramer/André, Grundzüge des vergaberechtlichen Rechtsschutzes, JuS 2009, 906 ff.<br />

• Kühling, Das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe nach der GWB-Reform 2009, JURA 2009, 835 ff.<br />

• Martin-Ehlers, Die Novellierung des deutschen Vergaberechts, EuR 1998, 648 ff.<br />

• Pache, Der Staat als Kunde – System und Defizite des neuen deutschen Vergaberechts, DVBl. 2001, 1781 ff.<br />

• Pietzcker, Die neue Gestalt des Vergaberechts, ZHR 162 (1998), 427 ff.<br />

• Schwarze, Die Vergabe öffentlicher Aufträge im Lichte des europäischen Wirtschaftsrechts, EuZW 2000, 133 ff.<br />

• Thieme/Correll, Deutsches Vergaberecht zwischen nationaler Tradition und europäischer Integration, DVBl.<br />

1999, 884 ff.<br />

• Weyd, Die Konzessionsvergabe, JURA 2009, 448 ff. (Examensklausur)<br />

– zur GWB-Reform 2009:<br />

• Byok, Das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts – GWB 2009, NVwZ 2009, 551 ff.<br />

• Egidy, Das GWB-Vergaberecht nach der Novelle 2009: flexibel, europarechtskonform und endlich von Dauer?,<br />

DÖV 2009, 835 ff.<br />

• Gabriel, Die Vergaberechtsreform 2009 und die Neufassung des vierten Teils des GWB, NJW 2009, 2011 ff.<br />

• Kühling/Lehmberg, Das Recht der Auftragsvergabe nach der GWB-Reform 2009, JURA 2009, 835 ff.<br />

– zum Rechtsschutz im GWB-Vergaberecht:<br />

• Germelmann, Die Vergabekammern im System des vergaberechtlichen Rechtsschutzes, DÖV 2013, 50 ff.<br />

• Knauff/Streit, Die Reform des EU-Vergaberechtsschutzes, EuZW 2009, 37 ff.<br />

• Kramer/André, Grundzüge des vergaberechtlichen Rechtsschutzes, JuS 2009, 906 ff.<br />

– zu aktuellen Problemen des Vergaberechts („vergabefremde“ Zwecke):<br />

• Cremer, Ökologische Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und EG-Beihilferecht, ZUR 2003, 265 ff.<br />

• Fischer, Vergabefremde Zwecke im öffentlichen Auftragswesen: Zulässigkeit nach Europäischem Gemeinschaftsrecht,<br />

EuZW 2004, 492 ff.<br />

• Fischer/Barth, Europäisches Vergaberecht und Umweltschutz, NVwZ 2002, 1184 ff.<br />

• Heintzen, Vergabefremde Zwecke im Vergaberecht, ZHR 165 (2001), 62 ff.<br />

• P.M. Huber, Das öffentliche Auftragswesen als Beschaffungsvorgang oder Instrument der Wirtschaftslenkung<br />

und der Sozialgestaltung?, ThürVBl. 2000, 193 ff.<br />

• Keßler/Ölcüm, Die Berücksichtigung sozialer Belange im Recht der öffentlichen Auftragsvergabe, EWS 2004,<br />

337 ff.<br />

• Meißner, Landesvergabegesetze – Besonderheiten, Innovationen, Schwierigkeiten, ZfBR 2013, 20 ff.<br />

• Neßler, Politische Auftragsvergabe durch den Staat?, DÖV 2000, 145 ff.<br />

• Odendahl, Die Berücksichtigung vergabefremder Kriterien im öffentlichen Auftragswesen, EuZW 2004, 647 ff.


– 28 –<br />

E. Das Thema in Stichworten:<br />

I. Gegenstand, Begriff und Funktion des Vergaberechts<br />

– Öffentliche Auftragsvergabe (ö.A.) = Deckung des staatlichen Bedarfs an Waren und Dienstleistungen,<br />

auf verschiedene Weise möglich: Eigenproduktion, zwangsweise Beschaffung<br />

durch Hoheitsakt (Enteignung) oder Auftreten als Nachfrager am Markt; nur letzteres mit<br />

ö.A. gemeint. Hierfür eigenes (Sonder-)Recht grundsätzlich nicht erforderlich, da marktkonformes<br />

zivilrechtliches Instrumentarium (BGB) zur Verfügung steht. Allerdings: bei staatlicher<br />

Auftragsvergabe keine Privatautonomie; u.U. je nach Marktsegment starke Nachfragemacht<br />

(z.B. Straßenbau) oder -monopol (z.B. Rüstungsindustrie); möglicherweise geringe<br />

Preistransparenz; Gefahr von „Hoflieferantentum“, da Auftragnehmer nach früherem Kontakt<br />

als „bekannt und bewährt“ bedient wird; auch gefahr unzulässiger Einflußnahmen auf<br />

die Auftragsvergabe seitens der Anbieter (Bestechung, Submissionsbetrug) bzw. der zuständigen<br />

Amtsträger (Bestechlichkeit, Korruption –> Einrichtung eines bundesweiten Korruptionsregisters<br />

für unzuverlässige Unternehmen geplant).<br />

– Daher seit etwa 80 Jahren Entwicklung eines eigenen Rechtsgebiets der ö.A. = Vergaberecht<br />

= staatliches Beschaffungswesen zur Regelung der sachbeschaffungsrelevanten Rechtsverhältnisse<br />

zwischen Staat (Verwaltung) und privaten Anbietern<br />

– Funktionen des Vergaberechts:<br />

• Verhinderung einer Flucht des staatlichen Nachfragers in das „autonome“ Privatrecht,<br />

verbunden mit der Abwehr einer marktbeherrschenden Stellung<br />

• Markttransparenz durch formalisierte Veröffentlichung der staatlichen Nachfrage und<br />

Aufforderung zum Einreichen von Angeboten über Waren und Dienstleistungen => fairer<br />

Wettbewerb der Anbieter um den Auftrag zu wirtschaftlichsten Bedingungen<br />

• Verhindern unzulässiger Einflußnahmen auf den Beschaffungsvorgang durch formalisierte<br />

Verfahren<br />

• Darüber hinaus aber auch weitere Ziele der Auftragsvergabe möglich, z.B. Förderung wirtschafts-<br />

oder sozialpolitisch erwünschten Verhaltens (Bevorzugung mittelständischer Betriebe<br />

oder ostdeutscher Anbieter; überdurchschnittliche Ausbildung von Lehrlingen, Beschäftigung<br />

von Frauen oder von Behinderten usw.), oder Sanktionierung unerwünschten<br />

Verhaltens (keine Zahlung von Tariflöhnen, Beschäftigung ausländischer Subunternehmer).<br />

– Def.: Vergaberecht = Summe aller (internationalen, supranationalen und nationalen) Vorschriften<br />

und Regeln, die dem Staat, seinen Behörden und Einrichtungen ein bestimmtes<br />

Verhalten bei der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen vorschreiben.<br />

– Historische Entwicklung: Begrifflichkeit „Vergaberecht“ suggeriert, daß Staat etwas „zu<br />

vergeben“ hat (Aufträge); ist historisch in allen europäischen Staaten gleichermaßen erklärbar<br />

(Lizitation, Submission)<br />

II. Rechtsquellen des Vergaberechts –> Folie mit Vergleich Unionsrecht / nationales Recht<br />

III. Das „klassische“ System der Auftragsvergabe in Deutschland: die haushaltsrechtliche Lösung<br />

– ö.A. als privatrechtliches Hilfsgeschäft der Verwaltung mit fiskalischer Fixierung (Haushaltsrecht<br />

–> wirtschaftliche und sparsame Verwendung der Mittel –> Ausschreibung mit<br />

Bieterwettbewerb und festgelegten Regeln in Verdingungsordnungen als „Allgemeinen Einkaufsbedingungen“;<br />

Haushaltszentriertheit läßt grundsätzlich Schutznormcharakter der<br />

einschlägigen Vorschriften für den Bieter nicht zu, sondern verfolgt nur begrenzte Regelungszwecke:<br />

• Prinzip Wirtschaftlichkeit<br />

• Gebot der Bändigung staatlicher Nachfragemacht<br />

• Privatrechtsprinzip


– 29 –<br />

• Wettbewerbs- und Transparenzprinzip<br />

• Prinzip langfristiger Wirtschaftlichkeit<br />

• Prinzip dezentraler Beschaffung –> differenzierte Verantwortlichkeit für Auftragsvergabe<br />

• Konsensprinzip (z.B. bei Erarbeitung der „AGB“ in Verdingungsausschüssen<br />

• vorgelagert und dominierend: Haushaltsrechtsprinzip => Regeln als Binnenrecht<br />

– Zur Typologie der einzelnen Auftragsarten und Regelwerke –> Folie<br />

– Das Verfahren der Auftragsvergabe nach den Verdingungsordnungen<br />

• öffentliche Ausschreibung, beschränkte Ausschreibung, Wettbewerb, freihängige Vergabe<br />

• Verfahrensschritte: (1) Aufforderung (und Ausgabe der Vergabeunterlagen), (2) Angebote,<br />

(3) Bewertung und Entscheidung (Zuschlag), (4) Vertragsschluß<br />

– Der Rechtsschutz der Anbieter und ihre subjektiven Rechte<br />

• Fehlerhaftigkeit des Vergabeverfahrens wegen Fehlverhaltens des Auftraggebers / Bieters<br />

• Unterscheidung des Rechtsschutzziels nach primärem und sekundärem Rechtsschutz<br />

• Unterscheidung bei sekundärem Rechtsschutz nach negativem und positivem Interesse<br />

• Die subjektiven Rechte des unterlegenen Bieters im einzelnen; Ausschluß des primären<br />

Rechtsschutzes, da gesetzlich keine vergabespezifischen Rechtsbehelfe vorgesehen sind.<br />

Abhilfe durch verwaltungsdogmatische Hilfskonstruktion möglich (Zweistufenlehre: Trennung<br />

von Zuschlag [VA] und Vertragsschluß [BGB]), aber nicht überzeugend (vgl. BVerfG<br />

und BVerwG, s.o.); eventuell unionsrechtlich geboten (so Frenz und Braun, VergabeR<br />

2007, 1 ff., 17 ff.); punktuell Abhilfe durch GWB möglich (Diskriminierungsverbot bei<br />

marktbeherrschender Stellung des Auftraggebers); Umfang des Schadensersatzes nach<br />

Vertragsrecht bzw. Delikt.<br />

IV. Das System der Auftragsvergabe nach Unionsrecht und GWB<br />

– Stufen der Europäisierung des ö.A.<br />

• EUV: Binnenmarktkonzept und Grundfreiheiten, Diskriminierungsverbot<br />

• Richtlinien nach Art. 115 AEUV i.V.m. Art. 9 und Art. 352 AEUV => Doppelstruktur, einerseits<br />

Verfahren der Auftragsvergabe, andererseits rechtliche Kontrolle –> Folie<br />

– Typologie der öffentlichen Auftraggeber und der öffentlichen Aufträge im Überblick<br />

(vgl. §§ 98, 99 GWB)<br />

– Die Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben im GWB<br />

• Grundprobleme der Umsetzung im deutschen Rechtsraum (bis zum GWB)<br />

• Das wettbewerbsrechtliche Modell im GWB und seine Eckpunkte (Schutzgesetz zugunsten<br />

des Vergabewettbewerbs; sachlicher Anwendungsbereich nach Unionsrecht [Gegenstand<br />

und Schwellenwerte] –> Zweiteilung des Vergaberechts; Einräumung subjektiver Rechte<br />

aller Bieter auf Beachtung der Verfahrensvorschriften; Gewähr primären Rechtsschutzes<br />

der Unterlegenen gegen die Vergabestelle in zwei Instanzen [Vergabekammern in der<br />

Verwaltung und Vergabesenate bei den OLGen]; eindeutige, beweiserleichternde Zuerkennung<br />

von Ansprüchen auf Schadensersatz bei echter Chance auf Zuschlagserteilung)<br />

– Der Verfahrens-Rechtsschutz der Anbieter und ihre Ansprüche im einzelnen<br />

• Anspruch auf Einhaltung bieterschützender Verfahrensbestimmungen, § 97 Abs. 7 GWB<br />

• effektiver Rechtsschutz durch Nachprüfungsverfahren bei Vergabekammern der Verwaltung,<br />

deren Entscheidungen der Überprüfung durch Vergabesenate beim OLG unterliegen<br />

• Ausschließlichkeit dieses Rechtswegs nach § 104 Abs. 2 und 3 GWB, soweit nicht auf Ansprüche<br />

sekundären Rechtsschutzes (Schadensersatz) bezogen<br />

• Ausschluß des Rechtsschutzes, wenn Vergabeverfahren durch Vertragsschluß abgeschlossen<br />

ist –> Zustellung eines vom unterlegenen Bieter fristgerecht erhobenen und nicht offensichtlich<br />

unbegründeten Nachprüfungsantrags hindert Vergabestelle, den Zuschlag zu<br />

erteilen (andernfalls –> fristbedingte Unwirksamkeit nach § 101b GWB) => Informationspflicht<br />

des Auftraggebers gegenüber allen unterlegenen Bietern mit Begründung der<br />

Nichtberücksichtigung gem. § 101a GWB spätestens 15 Tage vor Vertragsschluß (andernfalls<br />

–> fristbedingte Unwirksamkeit nach § 101b GWB)


– 30 –<br />

• Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer ist besonderes Verwaltungsverfahren mit<br />

Beschleunigungs- und Untersuchungsgrundsatz, auf das ergänzend zum GWB das VwVfG<br />

Anwendung finden kann<br />

• Gegen Entscheidung der Vergabekammer steht dem im Nachprüfungsverfahren unterlegenen<br />

Bieter innerhalb von zwei Wochen die „sofortige Beschwerde“ nach §§ 116, 117 GWB<br />

offen –> Suspensiveffekt für Vergabeverfahren, allerdings nach § 118 Abs. 1 Satz 2 GWB<br />

auf zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist beschränkt; bis dahin muß entweder<br />

Entscheidung in der Sache oder Verlängerung der aufschiebenden Wirkung durch Gericht<br />

ergangen sein, um den Vertragsschluß zu verhindern. Demgegenüber nach § 121 GWB<br />

auch Antrag des Auftraggebers auf Gestattung des Zuschlags trotz anhängigen Verfahrens<br />

möglich, dem unter bestimmten Voraussetzungen stattzugeben ist.


– 31 –<br />

Arbeitsblatt zu § 5<br />

Der Staat als Wirtschaftslenker und<br />

Wirtschaftsförderer: das Subventionsrecht<br />

A. Übersicht: I. Das Subventionsrecht zwischen nationalem Recht und EG-Recht<br />

II. Voraussetzungen und Handlungsformen der Subventionsvergabe<br />

III. Abwicklung, Rückabwicklung und Rechtsschutz im Subventionsrecht<br />

B. Rechtsgrundlagen:<br />

– im Unionsrecht (–> Vorl. Europäisches Wirtschaftsrecht)<br />

• Art. 107–109 AEUV „Staatliche Beihilfen“; dort (in nicht gelungener Systematik) zum einen Regelungen über die<br />

wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit von nationalen Beihilfen, zum anderen Vorschriften<br />

über das Verfahren bei der Vergabe solcher Beihilfen: Unterrichtungspflicht der Mitgliedstaaten vor jeder beabsichtigen<br />

Einführung oder Umgestaltung einer Beihilfe, Informations-, Beanstandungs- und Untersagungsrecht<br />

der Kommission, Anrufung des EuGH bei Mißachtung der mitgliedstaatlichen Pflichten. –<br />

Außerdem in Art. 109 AEUV Befugnis zum Erlaß von Durchführungsverordnungen, z.B. zur Gruppenfreistellung:<br />

• VO (EG) Nr. 1998/2006 vom 15.12.2006 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf „De-minimis“-<br />

Beihilfen – „De-minimis-Beihilfen-VO“ – (keine Anmeldepflicht der Mitgliedstaaten für Kleinbeihilfen, d.h. Zuwendungen<br />

für ein Unternehmen von nicht mehr als 100.000 EUR für einen Zeitraum von drei Jahren; gilt bis<br />

zum 31.12.2013)<br />

• VO (EG) Nr. 68/2001 der Kommission vom 12.1.2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf<br />

Ausbildungsbeihilfen – „Ausbildungsbeihilfen-VO“ –, ABl. L 10/20 ff.; zuletzt geändert durch VO (EG) Nr. 1976/<br />

2006 vom 20.12.2006, ABl. L 368/85 (keine Anmeldepflicht der Mitgliedstaaten für Ausbildungsbeihilfen in Wirtschaftsbereichen<br />

bis zu einer Höhe von 1 Mio. EUR pro Vorhaben; galt bis 30.6.2008)<br />

• VO (EG) Nr. 70/2001 der Kommission vom 12.1.2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf<br />

staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen – „KMU-Beihilfen-VO“ –, zuletzt geändert durch VO<br />

(EG) Nr. 1976/2006 vom 20.12.2006, ABl. L 368/85 (keine Anmeldepflicht der Mitgliedstaaten für Beilhilfen mit<br />

bestimmten Obergrenzen für kleine und mittlere Unternehmen, die dort [Anhang I] anhand der Beschäftigtenzahl<br />

und des Jahresumsatzes definiert werden; galt bis 30.6.2008).<br />

• Wichtig außerdem VO (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22.3.1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung<br />

von Art. 93 [alt] des EG-Vertrages, ABl. L 83/1 ff. – „Beihilfe-Verfahrensverordnung“ –, zuletzt geändert<br />

durch VO (EG) Nr. 1791/2006 vom 20.11.2006, ABl. 363/1 (Detailregelung des Anmelde- und Beanstandungsverfahrens);<br />

ergänzend hierzu die Durchführungs-VO (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21.4.2004, ABl. L<br />

140/1 ff., zuletzt geändert durch VO (EG) Nr. 257/2009 vom 24.3.2009, ABl. L 81/15<br />

– im nationalen Recht<br />

• HGrG § 14, BHO/LHO §§ 23, 44 (Zuwendungen haushaltsrechtlich nur zulässig, wenn<br />

erhebliches Interesse am verfolgten Zweck besteht und hierzu eine Nachprüfung erfolgt)<br />

• StGB § 264 Subventionsbetrug; dazu<br />

• Gesetz gegen mißbräuchliche Inanspruchnahme von Subventionen (Subventionsgesetz –<br />

SubvG) vom 29. Juli 1976 (BGBl. I S. 2034, 2037) (enthält strafrechtlich relevante Verhaltenspflichten<br />

des Subventionsnehmers, u.a. Informations- und Offenbarungspflichten gegenüber<br />

der Behörde, Pflicht zur Herausgabe zweckverfehlender Subventionsvorteile)<br />

• Gesetz gegen mißbräuchliche Inanspruchnahme von Subventionen des Landes Mecklenburg-Vorpommern<br />

(SubvG M-V) vom 12. Juli 1995, GVBl. S. 330 (überträgt die o.a. Regelungen<br />

des SubvG auf Zuwendungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern)<br />

• Fördergesetze, die für einzelne Wirtschaftszweige Voraussetzungen für eine Zuwendung<br />

regeln und dem Subventionsnehmer Ansprüche einräumen, z.B. Gesetz über Maßnahmen<br />

zur Förderung des deutschen Films i.d.F. d. Bek. vom 24.8.2004, BGBl. I S. 2277; oder<br />

Gesetz zur wirtschaftlichen Flankierung des Mittelstandes in Mecklenburg-Vorpommern<br />

(Mittelstandsförderungsgesetz – MFG – M-V) vom 14. Dezember 1993, GVBl. 1994 S. 3


– 32 –<br />

C. Rechtsprechung (ohne Unionsrecht):<br />

– BGHZ 155, 166 ff. = NJW 2003, 2451 ff. (zweistufige Subventionsvergabe mit Zuschuß vermittelnder<br />

Bank auf Grund von Verwaltungsprivatrecht; Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1<br />

GG – Willkürverbot – bei der Rückforderung der Zuwendung durch die Bank, nicht aber der<br />

§§ 48, 49 VwVfG; grundsätzlich keine Berufung des Subventionsempfängers auf Entreicherung<br />

[§ 818 Abs. 3 BGB] gegenüber der den Zuschuß zurückfordernden Bank)<br />

– BGH, JZ 2007, 415 ff. m. Anm. Stober (die Grundsätze des Widerrufs einer Zuwendung nach<br />

§ 49 Abs. 3 VwVfG finden auch auf Realförderung Anwendung [hier: verbilligter Verkauf<br />

eines Grundstücks]; die Zuwendung kann daher auch bei vertragswidrigem Verhalten des<br />

Empfängers nicht zurückgefordert werden, soweit keine Zweckverfehlung eingetreten ist)<br />

– BVerwGE 106, 328 ff. (zuvor BVerwG, NVwZ 1995, 703 ff.; dann EuGH, EuZW 1997, 276 ff.)<br />

„Alcan“ (Vorrang des Unionsrechts erzwingt massive Reduktion der Rechtssicherheit und<br />

Vertrauen schützenden VwVfG-Vorschriften zur Aufhebung von Verwaltungsakten); zur<br />

Alcan-Rspr. des EuGH die Konkretisierung in EuGH vom 5.10.2006 – C-232/05 „Kommission<br />

./. Frankreich“, EuZW 2007, 56 ff. m. Anm. Rosenfeld (Anwendungsvorrang des Unionsrechts<br />

läßt Berufung auf einer Rückforderung entgegenstehende Gründe des nationalen Rechts nur<br />

im Rahmen „absoluter Unmöglichkeit“ zu; die Rückforderung hat nach den Verfahren des<br />

Mitgliedstaats unverzüglich zu erfolgen, um so eine sofortige und tatsächliche Vollstreckung<br />

der Kommissionsentscheidung zu ermöglichen)<br />

– ThürOVG, ThürVBl. 2004, 241 ff.; BVerwG, NVwZ 2003, 1384 f. (Subvention eines Bewerbers<br />

entgegen der sonst durchgängig ablehnenden Zuwendungspraxis ist wegen Verstoßes gegen<br />

Art. 3 Abs. 1 GG rechtswidrig –> Rücknahme nach § 48 VwVfG); dazu Selmer, JuS 2004, 85 f.<br />

– BVerwG, DVBl. 2003, 139 ff. (dazu Sachs, JuS 2003, 411 ff.); OVG Münster, NWVBl. 2002,<br />

239 ff. (dazu Wernsmann, JuS 2002, 959 ff.); VG Düsseldorf, NWVBl. 1999, 66 f. (dazu Oldiges,<br />

NVwZ 2001, 280 [286 f.]) „Meistergründungsprämie“ (geschlechtsspezifische Differenzierung<br />

bei Subventionsempfängern u.U. mit Art. 3 Abs. 2 und 3 GG vereinbar)<br />

– BVerwGE 118, 379 ff. (Anspruch auf Subvention kann ausnahmsweise auch ohne ausgewiesene<br />

Haushaltsmittel bestehen, wenn Versagung auf Grundrechtsverstoß beruht – hier:<br />

Art. 3 Abs. 1 GG – und dieser nur durch Gewährung der Zuwendung beseitigt werden kann)<br />

– BVerwG, NVwZ-RR 2004, 413 ff. (die Rückforderung einer Zuwendung soll auch dann im<br />

Wege des Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG zulässig sein, wenn die vom Subventionsnehmer<br />

mißachtete Auflage in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag enthalten ist)<br />

– BVerwG, NJW 2006, 536 ff.; dazu Seibel, JA 2006, 580 f.; Waldhoff, JuS 2006, 763 f. (bei<br />

zweistufig vergebener Subvention [Bewilligungsbescheid + nachfolgender privatrechtlicher<br />

Darlehensvertrag] kann die Rückforderung des Darlehens wegen Unwirksamkeit des Bewilligungsbescheids<br />

nicht nach § 49a VwVfG geltend gemacht werden –> Leistungsklage gegen<br />

Subventionsempfänger!)<br />

– OVG Berlin (e.R.), DVBl. 2003, 1333 ff. (Anspruch auf Anschlußförderung bei bereits langjährig<br />

gewährter Zuwendung soll wegen Vertrauensschutzes auch bei extremer Haushaltsnotlage<br />

fortbestehen); dazu Pietzcker, DVBl. 2003, 1339 ff.; Schwarz, JZ 2004, 79 ff.; anders nunmehr<br />

OVG Berlin, JZ 2005, 672 ff. m. Anm. Möllers; ebenso BVerwG, NVwZ 2006, 1184 ff.<br />

(Subventionsprogramm kann ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG aus sachlichen Gründen<br />

jederzeit geändert oder abgebrochen werden, auch wenn dadurch eine erhebliche Belastung<br />

des Subventionsempfängers bewirkt wird)<br />

– OVG Münster, NVwZ-RR 2003, 803 ff. (Widerruf eines Subventionsbescheids nach § 49<br />

Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG wegen Zweckverfehlung, bei fehlendem Nachweis der zweckentsprechenden<br />

Verwendung der Mittel trägt Subventionsempfänger Beweislast; bei Zweckverfehlung<br />

kann Ermessen regelmäßig nur im Sinn der Rückforderung betätigt werden)


– 33 –<br />

– OVG Magdeburg, NVwZ-RR 2004, 465 ff. (für Rechtmäßigkeit einer Zuwendung ist allein die<br />

Handhabung von Verwaltungsvorschriften durch die zuständige Behörde maßgeblich, nicht<br />

aber die Verwaltungsvorschrift selbst); s.a. VGH Mannheim, DVBl. 2009, 1255 ff. (irrtümliche<br />

Abweichung nachgeordneter Behörden von einer veröffentlichten Verwaltungsvorschrift<br />

ist rechtlich nur dann relevant, wenn dies von der übergeordneten Behörde, welche die Verwaltungsvorschrift<br />

verantwortet, gedeckt oder bewußt geduldet wird)<br />

– VGH Mannheim, NVwZ 2001, 1428 ff. und NJW 2004, 624 f.; dazu Hufen, JuS 2004, 549 f.;<br />

OVG Berlin vom 25.6.2004 – 20 A 116.04 (kein Anspruch [hier: einer kirchlichen Sozialeinrichtung,<br />

eines Theaters bzw. eines Orchesters] auf Subvention aus Grundrechten [hier:<br />

Förderpflicht aus Staatskirchenrecht bzw. Kunstfreiheit] bzw. vorangegangener Förderung)<br />

– OVG Magdeburg, NVwZ 2001, 214 f. (Unzulässigkeit einer Subventionsrückforderung gegenüber<br />

Bank des Zuwendungsempfängers, die Zuschuß nach offener Abtretung erhalten hat)<br />

– OVG Lüneburg, NordÖR 2002, 266 ff. (Unzulässigkeit einer in Verwaltungsvorschriften festgelegten<br />

Beschränkung der Zahl von Subventionsempfängern, wenn Gesetz Zuwendungen an<br />

alle Einrichtungen vorsieht)<br />

– OLG Naumburg, NVwZ 2001, 354 f. m. Anm. Leinenbach, LKV 2001, 450 ff. (Vermutung der<br />

Anwendung einer öffentlich-rechtlichen Handlungsform bei Zahlung eines verlorenen Zuschusses<br />

– und dessen Rückforderung –, auch wenn der Zuschuß im Rahmen eines Grundstückskaufvertrages<br />

gewährt wurde –> für Rückforderung Verwaltungsrechtsweg gegeben)<br />

– OVG Berlin-Brandenburg, EuZW 2006, 91 ff.; dazu Arhold, ebd. S. 94 ff.; Hildebrandt/Castillon,<br />

NVwZ 2006, 298 ff.; Vögler, NVwZ 2007, 284 ff. (der Anspruch auf [Rück-]Erstattung<br />

einer privatrechtlich vereinbarten, aber gemeinschaftsrechtswidrigen Beihilfe soll öffentlichrechtlicher<br />

Natur sein und durch VA geltend gemacht werden können [sehr zw.]; a.A. zu<br />

Recht VG Berlin, EuZW 2005, 659 ff.)<br />

– OVG Greifswald, NordÖR 2007, 197 ff. (Zeitpunkt der Wirksamkeit des Widerrufs eines Zuwendungsbescheids<br />

und Rückforderung der Subvention)<br />

– BVerwG, NVwZ 2010, 643 ff. (Subvention kann bei Vorliegen eines sachlichen Grundes auch<br />

vorläufig und unter Vorbehalt der Nachprüfung bewilligt und ausgezahlt werden; die spätere<br />

endgültige Regelung ist dann nicht an die §§ 48, 49 VwVfG gebunden)<br />

– BVerwGE 138, 322 ff.; dazu von Donat, EuZW 2011, 274 ff.; Heinrich, DVBl. 2011, 557 ff.;<br />

Martin-Ehlers, EuZW 2011, 583 ff.; Soltész, EuR 2012, 60 ff. (der Konkurrent kann von der<br />

Behörde die Rückforderung einer an den Wettbewerber unionsrechtswidrig geleisteten Beihilfe<br />

verlangen, wenn er zuvor die Gewähr der Zuwendung an den Wettbewerber verwaltungsgerichtlich<br />

angefochten hat)<br />

– BVerwG, NVwZ-RR 2012, 628 ff.; s.a. OVG Weimar, DVBl. 2011, 242 ff. (ein an die Hausbank<br />

des antragstellenden Subventionsempfängers gerichtetes Angebot einer staatlichen Förderbank,<br />

ein zinsverbilligtes Darlehen zur Weiterreichung an den Subventionsempfänger zu<br />

gewähren, stellt gegenüber dem Antragsteller einen begünstigenden Verwaltungsakt dar,<br />

dessen Vorteile bei Verstoß gegen Unionsrecht gem. § 48 VwVfG zurückgefordert werden<br />

vom Empfänger können)<br />

D. Literatur:<br />

Frotscher, Rn. 475 ff.; Schliesky, S. 114 ff.; Haverkate, in: Schmidt, ÖffWiR BT/1, § 4; Ruthig/Storr,<br />

§ 9; Schmidt/Vollmöller, § 7; Stober, AllgWiVerwR, § 31, BesWiVerwR, §§ 54 f. –<br />

S.a. in den gängigen Hand- und Lehrbüchern: Kämmerer, Subventionen, in: Isensee/Kirchhof,<br />

HStR V 3 , 2007, § 124; Maurer, Allg. VerwR, 18 2011, § 11 Rn. 38a ff., § 17; Arndt/Fetzer,<br />

in: Steiner (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8 2006, Rn. VI 160 ff.; Huber, in: Schoch (Hg.),<br />

Besonderes Verwaltungsrecht, 15 2013, Rn. III 231 ff.


– 34 –<br />

– zum Unionsrecht<br />

• Kilb, Subventionskontrolle durch Beihilferecht – eine Übersicht, JuS 2003, 1072 ff.<br />

• Leisner, Das europarechtliche Beihilfenverbot in Art. 87 I EG – Rechtfertigung für einen Subventionsabbau in<br />

Deutschland?, EuZW 2006, 648 ff.<br />

• Mähring, Grundzüge des EG-Beihilferechts, JuS 2003, 448 ff.<br />

• Frhr. von Palombini, Wirtschaftsförderung durch Garantien der öffentlichen Hand, ThürVBl. 2001, 97 ff.<br />

• Suerbaum, Die Europäisierung des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts am Beispiel der Rückabwicklung<br />

gemeinschaftsrechtswidriger staatlicher Beihilfen, VerwArch. 91 (2000), 169 ff.<br />

– zum deutschen Subventionsrecht<br />

• Bleckmann, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes. Zur Funktion des Haushaltsplans im<br />

Subventionsrecht, DVBl. 2004, 333 ff.<br />

• Dorf, Rückabwicklung echter und unechter zweistufiger Rechtsverhältnisse, NVwZ 2008,<br />

375 ff.<br />

• Ehlers, Rechtsprobleme der Rückforderung von Subventionen, GewArch. 1999, 305 ff.<br />

• Gellermann, Verwaltungsvertragliche Subventionsverhältnisse im Spannungsfeld zwischen<br />

Beihilfekontrolle und Verwaltungsverfahrensrecht, DVBl. 2003, 481 ff.<br />

• Gusy, Subventionsrecht, JA 1991, 286 ff., 327 ff.<br />

• Hellriegel, Vertrauensschutz im Zuwendungsrecht, NVwZ 2009, 571 ff.<br />

• Kese/Linse, Ordnungs- und wirtschaftspolitische Probleme der Wirtschaftsförderung auf<br />

kommunaler, nationaler und europäischer Ebene, JA 2004, 698 ff.<br />

• Kramer u.a., Die Zweistufentheorie im Verwaltungsrecht oder: Die immer noch bedeutsame<br />

Frage nach dem Ob und Wie, JA 2011, 810 ff.<br />

• Papier, Rechtsformen der Subventionierung und deren Bedeutung für die Rückabwicklung,<br />

ZHR 152 (1988), 493 ff.<br />

• Sellnick, Die rechtliche Zulässigkeit von Subventionen im Lichte nationalen und europäischen<br />

Rechts, ThürVBl. 2000, 173 ff.<br />

• Weißenberger, Die Zweistufentheorie im Wirtschaftsverwaltungsrecht, GewArch. 2009,<br />

417 ff., 465 ff.<br />

• Wild, Grundrechtseingriff durch Unterlassen staatlicher Leistungen?, DÖV 2004, 366 ff.<br />

E. Das Thema in Stichworten:<br />

I. Das Subventionsrecht in der nationalen, supranationalen und internationalen Rechtsordnung<br />

– Thema dieser Veranstaltung ist allein die Subventionsvergabe aus Sicht der deutschen<br />

Rechtsordnung; s.a aber<br />

• Schutz der Wettbewerbsfreiheit im Unionsrecht, Art. 3 Abs. 1 lit. g EG, konkretisiert im<br />

Beihilferegime der Art. 107 ff. AEUV<br />

• Schutz der zwischenstaatlichen Wettbewerbsfreiheit und des freien Welthandels im Wirtschaftsvölkerrecht<br />

(Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 7 2008, § 9) => WTO-Subventionskodex<br />

1994 –> Vorl. Internationales Wirtschaftsrecht


– 35 –<br />

– Subventionsvergabe im Wirtschaftsverwaltungsrecht betrifft geldwerte Leistungsgewährung,<br />

umfaßt nicht Förderung durch Belastungsverschonung, v.a. im Steuerrecht; diese folgt anderen<br />

Regeln, in erster Linie wegen Grundsatzes der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG)<br />

strikter Gesetzesvorbehalt –> Maurer, Allg. VerwR, 17 2009, § 17 Rn. 4 ff.<br />

II. Gegenstand, Voraussetzungen und Handlungsformen der Subventionsvergabe<br />

– Subventionsbegriff im Wirtschaftsverwaltungsrecht (abzugrenzen gegen strafrechtlichen<br />

S.begriff in § 264 Nr. 7 StGB, aber auch gegen gemeinschaftsrechtlichen Beihilfebegriff):<br />

• finanzielle Zuwendungen oder Gewährung geldwerter Vorteile<br />

• durch den Staat und ihm zugeordnete Verwaltungsträger (z.B. Beliehene)<br />

• an Private (nicht: an öffentliche Unternehmen, anders bei Art. 87 Abs. 1 EG)<br />

• zur Förderung eines im öffentlichen Interesse liegenden Zwecks<br />

• ohne (volle) marktmäßige Gegenleistung.<br />

– Demgegenüber Beihilfebegriff der Art. 87 ff. EG = Art. :<br />

• staatliche Leistung durch Zuwendung oder Belastungsverminderung<br />

• gleich welcher Form (also auch öffentlicher Auftrag mit Vorzugsbehandlung des Anbieters)<br />

• mit Belastung öffentlicher Haushalte (nicht: durch Umverteilung am Markt), die nicht<br />

zeitgleich erfolgen muß (daher auch bei Bürgschaft, die erst später fällig gestellt wird),<br />

• die freiwillig erbracht wird (also nicht bei Zwangsbeiträgen),<br />

• ohne adäquate Gegenleistung erfolgt (Voraussetzung der Einseitigkeit; nicht der Fall,<br />

wenn Staat für Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen [z.B. ÖPNV] Ausgleichsleistungen<br />

gewährt) und<br />

• die Begünstigung eines Unternehmens zur Folge hat, gleichgültig ob dieses privat, staatlich<br />

oder gemischtwirtschaftlich ist (Vergleich vorher – nachher).<br />

– Arten und Mittel der Subventionsvergabe:<br />

• Zuschüsse, Prämien, Zulagen, Zinsverbilligungen<br />

• Darlehen, wenn unter den marktüblichen Konditionen vergeben, etwa wegen niedrigeren<br />

Zinssatzes oder besserer Rückzahlungsmodalitäten<br />

• Bürgschaft (für sich genommen bereits ein Wettbewerbsvorteil, gleichgültig ob am Markt<br />

zu gleichen Konditionen erhältlich)<br />

• Garantie<br />

• Realförderung, d.h. verbilligte oder kostenlose Sachleistungen (etwa billiges Grundstück<br />

für Gewerbebetrieb; Bevorzugung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, wenn Preis über<br />

Marktangemessenheit)<br />

– Rechtsgrundlagen der Subventionsvergabe:<br />

• Fachgesetze mit Auftrag an die Verwaltung zur Förderung, eventuell i.V.m. Anspruch des<br />

S.nehmers<br />

• gesetzesfreie Verwaltung = Haushaltsplan mit abstrakter Festlegung des Förderzwecks<br />

und -volumens i.V.m. konkretisierenden Verwaltungsvorschriften; dabei regelmäßig Ermessen<br />

der S.verwaltung, ob Zuwendung vergeben wird<br />

– Verfassungsrechtliche Vorgaben der Subventionsvergabe I: Kompetenzordnung<br />

• bei gesetzlich festgelegten Subventionen: Art. 70 ff. GG, insb. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG<br />

(Recht der Wirtschaft[sförderung]), aber auch (bei Steuervergünstigungen) Art. 105 GG<br />

• bei Haushaltssubventionierung: Verwaltungskompetenz nach Art. 83 ff. GG, Gesetzgebungszuständigkeit<br />

nicht ausreichend; insb. Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG (z.B. bei Steinkohlesubventionierung).<br />

Problematisch daher Bundessubventionen für Forschungsförderung<br />

Privater, Unterstützung von Verbraucherzentralen, Mittelstandsförderung usw.<br />

– Verfassungsrechtliche Vorgaben der Subventionsvergabe II: Gesetzesvorbehalt (sehr str.)<br />

• Rechtsprechung: allgemeine parlamentarische Entscheidung zugunsten der Subventionsvergabe<br />

erforderlich; kann erfolgen durch Fachgesetz (mit Haushalts[plan]gesetz) oder<br />

durch Haushalts[plan]gesetz allein. Letzteres allerdings nicht ausreichend, wenn Beeinträchtigung<br />

der Freiheit des S.nehmers jenseits der Zweckbindung bewirkt oder grund-


– 36 –<br />

rechtlich besonders geschützter Freiheitsbereich betroffen ist; letzteres der Fall bei lenkenden<br />

Zuwendungen im Bereich „staatsneutraler Privatheit“, z.B. Pressesubventionen (VG<br />

Berlin, DVBl. 1975, 268 ff.; OVG Berlin, NJW 1975, 1938 ff.; dazu Krebs, DVBl. 1977, 632<br />

ff.; Detterbeck, ZUM 1990, 371 ff.) oder Unterstützung religiöser Aufklärungsarbeit von<br />

Privaten (OVG Münster, DVBl 1990, 999 ff. und NVwZ 1991, 176 ff.; dazu Kästner, NVwZ<br />

1992, 9 ff.; BVerwGE 90, 112 ff.; dazu Sachs, JuS 1993, 245 f.; Badura, JZ 1993, 37 ff.).<br />

• Schrifttum (uneinheitlich): z.T. Gesetzesvorbehalt aus Demokratieprinzip i.S.v. Parlamentsvorbehalt<br />

(aber: dann Legitimation durch Haushaltsgesetz ausreichend); z.T. Gesetzesvorbehalt<br />

aus Grundrechtsschutz (Wettbewerbsfreiheit) oder wegen besonderer Sensibilität<br />

des betroffenen Freiheitsbereichs (z.B. bei Forschungssubventionen oder staatlicher<br />

Kunstförderung). Mindestanforderungen jedenfalls konsentiert: haushaltsrechtlicher<br />

Gesetzesvorbehalt = Budgetrecht des Parlaments, das alle Ausgaben und damit auch die<br />

Verpflichtungsermächtigungen mit hinreichend bestimmter Zweckbindung umfaßt = Gebot<br />

der Zweckbestimmtheit und zudem Programmfunktion mit Kompetenzbegründung für die<br />

Subventionsverwaltung entfaltet (allerdings ohne Außenwirkung zugunsten des S.nehmers).<br />

– Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Subventionsvergabe III: Rechtsgrundlagen i.e.<br />

• Jenseits der haushaltsgesetzlichen Grundlagen Feinsteuerung der Zuwendungen nach<br />

außen erforderlich, zum einen als administrativer Maßstab der Förderung im Einzelfall,<br />

zum anderen als Anspruchsgrundlage und Prüfungsmaßstab für den S.nehmer. Wird regelmäßig<br />

– da aus Haushalt kein Anspruch auf Subvention – in Form ermessenslenkender<br />

Verwaltungsvorschriften vorgenommen = verbindliches Recht der Verwaltung(sspitze) für<br />

die (nachgeordnete) Verwaltung zur gleichmäßigen Steuerung der S.vergabe nach einheitlichen<br />

Maßstäben (Schutz von Art. 3 Abs. 1 GG).<br />

• Problem der Außenwirkung gegenüber den S.nehmer in der tradierten Sichtweise: Verwaltungsvorschrift<br />

ist Innenrecht und kann daher nach außen keine subjektiven öffentlichen<br />

Rechte enthalten, aber auch keine bindenden Maßstäbe für den Vollzug der Zuwendung;<br />

daher gegenüber den S.nehmer beachtlich nur i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG als Selbstbindung<br />

der Verwaltung, auch schon vor der erstmaligen Anwendung der Richtlinien<br />

(= antezipierte Verwaltungspraxis). Schwierig, wenn Verwaltung von Anfang anders handelt<br />

als von der Verwaltungsvorschrift vorgegeben => für S.nehmer immer nur Praxis<br />

nach außen maßgeblich, d.h. Art. 3 Abs. 1 GG, auch wenn nicht mit Richtlinien vereinbar.<br />

• Daher richtigerweise Feinsteuerung nach außen mit Wirkung zugunsten des S.nehmers<br />

durch ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften als Außenrecht: § 40 VwVfG räumt der<br />

Verwaltung die – verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbare (§ 114 VwGO) –<br />

Kompetenz ein, ihr Ermessen autonom zu betätigen, und zwar mit Wirkung für und gegen<br />

den S.nehmer als Adressaten der Richtlinie. Diese Bindung besteht bereits vor der erstmaligen<br />

Anwendung, aber immer nur im Rahmen der Ermessensregelung, d.h. nicht in<br />

atypischen Fällen; außerdem hat die Verwaltung jederzeit das Recht, ihr Ermessen neu zu<br />

betätigen und die Kriterien der Subventionsvergabe im Rahmen der haushaltsrechtlichen<br />

Zweckbindung zu ändern (auch i.S.e. Nichtvergabe).<br />

• Wegen der besonderen Bedeutung der Subventions(ermessens)richtlinien für S.nehmer<br />

besteht Publikationspflicht für diese Verwaltungsvorschriften jedenfalls gegenüber dem<br />

Adressatenkreis (von der Rspr. nicht unbestr.).<br />

– Handlungsformen der Subventionsvergabe:<br />

• durch Verwaltungsakt bei Zuwendungen, die sich in einer einmaligen oder wiederkehrenden<br />

Leistung erschöpfen und darüber hinaus keine besondere Abwicklung erfordern; zum<br />

Sicherstellen der Zweckerreichung Festlegungen im VA und durch Nebenbestimmungen<br />

(§ 36 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VwVfG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG) erforderlich und zulässig.<br />

• durch Verwaltungsvertrag bei Zuwendungen, die sich in einer einmaligen oder wiederkehrenden<br />

Leistung erschöpfen und darüber hinaus keine besondere Abwicklung erfordern;<br />

dabei ist das bezweckte Verhalten des S.nehmers als Gegenleistung i.S.v. § 56 Abs. 1<br />

Satz 2 VwVfG festzulegen. Handlungsform wird in der Praxis selten verwendet, da bei<br />

Leistungsstörungen Kündigung und Leistungsklage auf Rückzahlung der Zuwendung<br />

erforderlich.


– 37 –<br />

• durch privatrechtlichen Vertrag bei Realförderung; dabei ist der Verwendungszweck, die<br />

Höhe der Zuwendung, die Pflicht zur Rückgabe bei Zweckverfehlung etc. im Vertrag festzulegen<br />

• durch Verwaltungsakt mit nachgeschaltetem privatrechtlichen Vollzugs-Rechtsgeschäft<br />

– zweistufige Subventionsvergabe –, wenn Zuwendungstyp dieses nachgeschaltete privatrechtliche<br />

Vollzugsgeschäft erfordert, z.B. bei einer vergünstigten Darlehensvergabe<br />

durch eine von der S.verwaltung beauftragte private Bank. Dabei auf der 1. Stufe Verwaltungsakt<br />

mit Entscheidung über das „Ob“ der Zuwendung mit Festlegung der Konditionen<br />

–> öffentlich-rechtliche Bindung nach außen mit Anfechtbarkeit durch Konkurrentenklage;<br />

auf der 2. Stufe schuldrechtlicher Vertrag nach BGB zur Abwicklung der Zuwendung<br />

(„Wie“) gegenüber den S.nehmer. Zweistufenlehre bedingt aber, daß eine selbständige<br />

zweite Stufe in privater Rechtsform existiert; z.T. wird sogar gefordert, daß auf dieser<br />

Stufe noch autonome Entscheidungen der beiden Vertragspartner (S.nehmer und Bank)<br />

möglich sein müssen. Wenn zweistufige Subventionsvergabe, einerseits Problem der Abhängigkeit<br />

der 2. Stufe von der 1. Stufe (optimal, wenn im BGB-Vertrag und im privatrechtsgestaltenden<br />

VA geregelt), andererseits Problem der Folgen fehlerhafter Zuwendungsentscheidung<br />

für den Fortbestand der 2. Stufe (entweder Ungültigkeit wegen<br />

öffentlich-rechtlicher Wirksamkeitsvoraussetzung, oder Wegfall der Geschäftsgrundlage<br />

mit Bereicherungsanspruch oder Kündigungsrecht des privaten Vertragspartners). I.e.<br />

dazu Maurer, Allg. VerwR, a.a.O., § 17 Rn. 4 ff.<br />

III. Abwicklung, Rückabwicklung und Rechtsschutz<br />

– Abwicklung regelmäßig unproblematisch, da Subventionsvergabe mit Zuwendungsbescheid<br />

und Leistung an S.nehmer (Vollzug) abgeschlossen. Häufig allerdings bei langfristigen Subventionen<br />

Aufteilung in einen Grundbescheid über das Ob der Förderung und nachfolgend<br />

Leistungsbescheide für die einzelnen zeitlichen Abschnitte. Dabei enthält der Grundbescheid<br />

eine rechtsichernde Vertrauensgrundlage für die Dauerhaftigkeit der Förderung –> Einstellung<br />

der bisherigen Förderung erfordert Aufhebung des Grundbescheids nach § 49 VwVfG;<br />

Aufhebung für die Zukunft (Dauer der Bewilligung) kann u.U. unverhältnismäßig sein, dann<br />

Anspruch auf Weiterförderung auch in solchen Fällen, in denen auf die Grundförderung kein<br />

Anspruch bestand.<br />

– Rückabwicklung abhängig von Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Zuwendung, zu<br />

beurteilen zum Zeitpunkt des Erlasses des Zuwendungsbescheids (kein „Rechtswidrigwerden“),<br />

und von gewählter Handlungsform der Subventionierung.<br />

Bei Rechtswidrigkeit allg. Regeln des § 48 VwVfG –> Erstattungsanspruch nach § 49 VwVfG<br />

Bei Rechtmäßigkeit Widerruf nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG wegen Zweckverfehlung;<br />

ist nach der Rspr. auch dann anzuwenden, wenn Zuwendungsbescheid rechtswidrig war<br />

(daher keine Prüfung dieser Frage, wenn eindeutig Zweckverfehlung vorliegt). Widerruf also<br />

möglich, wenn Voraussetzungen der Subvention nach der Bewilligung entfallen sind, etwa<br />

weil Auflagen nicht erfüllt wurden oder die Zuwendung zweckwidrig verwendet wurde; Voraussetzung<br />

hierfür ist in jedem Fall die Festlegung des Zwecks in den Richtlinien und (auch<br />

nur durch Verweis hierauf) im Zuwendungsbescheid. Der Widerruf erfolgt nach § 49 Abs. 3<br />

Satz 1 VwVfG mit Wirkung auch für die Vergangenheit –> Geld- und Sachleistungen sind<br />

rückwirkend zu erstatten. Dabei hat die S.behörde zwar Ermessen; im allgemeinen werden<br />

jedoch die öffentlichen Interessen an der zweckentsprechenden Verwendung von Haushaltsmitteln<br />

das private Interesse des S.nehmers am Behaltendürfen der Zuwendung überwiegen<br />

=> intendiertes Ermessen („soll“) führt regelmäßig zur Reduzierung auf Null, also Verpflichtung<br />

zum Widerruf. Wenn Zuwendungsbescheid wirksam aufgehoben, Erstattungsanspruch<br />

der Behörde aus § 49a VwVfG.<br />

– Besonderheiten der Rückabwicklung von Zuwendungen, die aufgrund entgegenstehenden<br />

Unionsrechts rechtswidrig sind und deren Bescheide deshalb nach § 48 VwVfG zurückgenommen<br />

werden sollen.<br />

• Wann Rechtswidrigkeit des Zuwendungsbescheids i.S.v. gemeinschaftsrechtswidrig?<br />

Denkbar wegen formeller Unionsrechtswidrigkeit, d.h. wegen Verletzung der Meldepflicht,<br />

Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV, oder Verletzung der Durchführungssperre, Art. 108 Abs. 3


– 38 –<br />

Satz 3 AEUV. Aber: Beides reicht nicht aus, da durch (eventuelle) materielle Konformität<br />

der Beihilfe (Art. 107 Abs. 2 AEUV) diese formellen Fehler „heilbar“ sind, jedenfalls aber<br />

eine Berufung auf diese nur formelle Unionsrechtswidrigkeit unverhältnismäßig wäre (so<br />

EuGH). Daher immer nur materielle Unionsrechtswidrigkeit erheblich. Denkbar insoweit<br />

Verstoß gegen die Beihilfefähigkeit der Subvention nach Art. 107 Abs. 2 AEUV oder<br />

– häufig – Verstoß gegen die Pflicht zur Genehmigung durch die Kommission, Art. 108<br />

Abs. 2 und 3 AEUV. Dieser Verfahrensfehler ist laut EuGH nicht nur ein formeller Fehler,<br />

weil Genehmigung Voraussetzung für die Zulässigkeit (Erlaubtheit) der Beihilfe ist und<br />

die Grundlage für eine materielle Ermächtigung der nationalen Organe zum Erlaß eines<br />

Bewilligungsbescheids enthält. Daher: Fehler führt zur materiellen Unionsrechtswidrigkeit<br />

der Beihilfebewilligung und somit (wegen des Vorrangs des Unionsrechts) zugleich zur<br />

materiellen Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids.<br />

• Zulässigkeit der Rücknahme des Bewilligungsbescheids, § 48 Abs. 2–4 VwVfG; grundsätzlich<br />

möglich, aber u.U. mit Hindernissen:<br />

(1) Rücknahme kann wegen Vertrauensschutz ausgeschlossen sein; EuGH fordert indes<br />

gemeinschaftskonforme Auslegung der Sonderregelungen für begünstigende Verwaltungsakte:<br />

1. Vereitelungsverbot = Verwirklichung des GemR (Binnenmarkt, Gleichbehandlung<br />

in allen MS) darf durch nationales Verfahrensrecht nicht praktisch unmöglich gemacht<br />

werden; 2. Diskriminierungsverbot = nationales Verfahrensrecht muß bei EG-Sachverhalten<br />

gleichmäßig i.S.v. gemeinschaftsrechtlich gleichmäßig angewendet werden.<br />

(2) Rücknahmeermessen der Bewilligungsbehörde könnte fehlerhaft betätigt werden; bei<br />

fehlgeschlagener („Zweckverfehlung“) Subvention indes (s.o.) Reduzierung des Ermessens<br />

auf ein Soll i.S.v. Rücknahme wegen fiskalischer Interessen (Haushaltssparsamkeit und<br />

Zweckbindung der Mittel) und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Bei Beihilfen i.S.d. AEUV<br />

immer Sicherung der europäischen Wettbewerbsordnung zu beachten (EuGH) –> öffentliches<br />

Interesse an Rücknahme eine materiell gemeinschaftsrechtswidrigen Beihilfe wird<br />

regelmäßig überwiegen.<br />

(3) Rücknahmefrist nach § 48 Abs. 4 VwVfG könnte abgelaufen sein; beginnt zu laufen,<br />

wenn Behörde „Kenntnis … erhält“ = wenn sie ihre Zuständigkeit erkannt und alle für die<br />

Rücknahmeentscheidung relevanten Tatsachen vollständig bekannt sind, d.h. relativ später<br />

Zeitpunkt (so erstmals BVerwGE 70, 356 ff.; dazu von Komorowksi, JA 2004, 445 ff.).<br />

Aber: gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung der Fristenbestimmung i.S.v. Nichtbeachtlichkeit<br />

erforderlich (EuGH) –> grundsätzlich keine Verwirkung des Rücknahmerechts<br />

i.S.v. § 48 Abs. 4 VwVfG möglich.<br />

(4) Anspruch auf (Rück-)Erstattung soll wegen Unionsrechts auch bei vertraglicher Handlungsform<br />

(sogar bei privatrechtlichen Verträgen) ohne gesetzliche Ermächtigung durch<br />

einseitige Anordnung (VA) zulässig sein (sehr zw.)<br />

– Konkurrentenschutz gegen Subventionierung eines Wettbewerbers<br />

• negativ zur Abwehr der fremden Förderung, je nach Handlungsform (bei VA) Anfechtungsklage<br />

bzw. (bei Vertrag) Feststellungsklage auf Nichtigkeit; Klagebefugnis entweder aus<br />

Art. 2 Abs. 1 GG (Wettbewerbsfreiheit) oder aus Art. 107 Abs. 1 AEUV (Schutznorm zugunsten<br />

der wirtschaftlichen Handlungs- und Wettbewerbsfreiheit des Konkurrenten)<br />

• positiv zur Subventionsvergabe auch an den Kläger, je nach Handlungsform (bei VA) Verpflichtungsklage<br />

bzw. (bei Vertrag) Leistungsklage; Klagebefugnis aus Art. 3 Abs. 1 GG<br />

i.V.m. der Subventionsrichtlinie oder aus der Richtlinie direkt (s.o.)


– 39 –<br />

Arbeitsblatt zu § 6<br />

Das Gewerberecht (mit Ladenschlußrecht)<br />

A. Übersicht: I. Funktion, Gliederung und verfassungsrechtliche Grundlage<br />

II. Der Begriff des Gewerbes und seine Abgrenzungen; die Gewerbefreiheit<br />

III. Die Gewerbearten in einzelnen und ihre Reglementierung<br />

IV. Das Ladenschlußrecht: normative Strukturen und Zwecke<br />

B. Rechtsgrundlagen:<br />

– Gewerbeordnung [21.6.1869/26.7.1900] i.d.F. d. Bek. vom 22.2.1999, zuletzt geändert durch<br />

Art. 2 Gesetz vom 6.9.2013 (BGBl. I S. 3556)<br />

– Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (Spieleverordnung – SpielVO) i.d.F. d. Bek.<br />

vom 11.12.1985 (m. spät. Änd.)<br />

• Verordnung über den Geschäftsbetrieb der gewerblichen Pfandleiher (Pfandleiherverordnung – PfandlVO) i.d.F.<br />

d. Bek. vom 1.6.1976 (m. spät. Änd.)<br />

• Verordnung über das Bewachungsgewerbe (Bewachungsverordnung – BewachVO) i.d.F. d. Bek. vom 10.7.2003<br />

(m. spät. Änd.)<br />

• Verordnung über gewerbsmäßige Versteigerungen (Versteigererverordnung – VerstVO) vom 24.4.2003<br />

• Verordnung über die Pflichten der Makler, Darlehens- und Anlagenvermittler, Bauträger und Baubetreuer (Makler-<br />

und Bauträgerverordnung – MaBVO) i.d.F. d. Bek. vom 7.11.1990 (m. spät. Änd.)<br />

• Verordnung über die Haftpflichtversicherung für Schausteller (Schaustellerhaftpflichtverordnung – SchauHVO)<br />

vom 17.12.1984 (m. spät. Änd.)<br />

• Landesverordnung [M-V] über die Regelung von Zuständigkeiten im allgemeinen Gewerberecht – GeWRZust-<br />

VO – vom 21.9.1992 (m. spät. Änd.)<br />

• Verordnung [M-V] über die Regelung der Wochenmärkte nach § 67 Abs. 2 der Gewerbeordnung vom 24.9.1992<br />

– Gesetz über den Ladenschluß [1956] i.d.F. d. Bek. vom 2. Juni 2003 (BGBl. I S. 744), zuletzt<br />

geändert durch VO vom 31.10.2006 (BGBl. I S. 2407); dazu die Berichte bei Tegebauer, GewArch.<br />

2002, 185 ff.; 2004, 321 ff.; 2007, 49 ff.<br />

• Verordnung über den Verkauf bestimmter Waren an Sonn- und Feiertagen vom 21.12.1957 (m. spät. Änd.)<br />

Beachte: Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG i.d.F. der Föderalismusreform (BGBl. 2006 I S. 2034) ist das Recht „des<br />

Ladenschlusses“, „der Spielhallen“, „der Schaustellung von Personen“ und „der Messen, der Ausstellungen und der<br />

Märkte“ in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder (Art. 70 GG) übergegangen. Die bisherigen bundesgesetzlichen<br />

Regelungen gelten nach Art. 125a Abs. 1 GG (als partielles Bundesrecht) fort, bis sie jeweils durch Landesrecht<br />

ersetzt werden. Daher nunmehr:<br />

– Gesetz über die Ladenöffnungszeiten für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Ladenöffnungsgesetz<br />

– LöffG M-V) vom 18. Juni 2007 (GVOBl. S. 226)<br />

C. Rechtsprechung:<br />

– zur Gewerbeordnung<br />

• EuGH vom 20.11.2001 – C 268/99 „Aldona Malgorzata Jany“ (Prostitution ist als selbständige<br />

Erwerbstätigkeit von der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit geschützt; soweit<br />

sie in einem Mitgliedstaat bei eigenen Angehörigen hingenommen wird, kann sie<br />

Angehörigen eines anderen Mitgliedstaates nicht untersagt werden; einer Ausweisung<br />

steht das Aufenthaltsrecht kraft Unionsrechts entgegen; s.a. VGH Mannheim, NVwZ<br />

2000, 1070 ff.; BVerwG, NVwZ 2002, 339 ff. (EuGH-Vorlage) und DÖV 2003, 600; dazu<br />

Lenze, EuGRZ 2002, 106 ff.; Laskowski, EuR 2003, 473 ff.<br />

• BVerfGE 86, 28 ff.; dazu Jahn, JuS 1993, 643 ff. (Bedürfnisprüfung für die öffentliche Bestellung<br />

von Sachverständigen nach § 36 GewO verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 GG)<br />

• BVerfG (K), GewArch. 2000, 480 f.; dazu Steib, GewArch. 2001, 57; Hüpers, GewArch.<br />

2004, 230 ff. (Handwerksleistungen, die keine feste Betriebsstätte erfordern [z.B. Stein-


– 40 –<br />

metze, Zimmerer], dürfen im Reisegewerbe angeboten und erbracht werden und erfordern<br />

vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG nicht zwingend einen Meisterbrief)<br />

• BVerwG, GewArch. 1995, 152 ff. (zuvor OVG Hamburg, GewArch. 1994, 15 ff.); BVerwG,<br />

GewArch. 1998, 416 ff. (zuvor OVG Bremen, GewArch. 1997, 290 ff.) „Scientology Church“<br />

(wirtschaftliche Betätigung einer Religionsgemeinschaft durch Verkauf von Waren und<br />

Dienstleistungen – gegenüber ihren Mitgliedern oder Außenstehenden – unterfällt der<br />

GewO und ist daher anmeldepflichtig)<br />

• BVerwG, NJW 1977, 772 f.; OVG Schleswig, NVwZ-RR 2002, 837 f. (Vermietung von Privateigentum<br />

[Ferienwohnungen und Campingplatz] ist – aber abhängig vom Umfang der<br />

Tätigkeit – grundsätzlich kein Gewerbe, da Verwaltung eigenen Vermögens)<br />

• VGH Mannheim, NVwZ-RR 1997, 702 ff. (kein [Reise-]Gewerbe bei Tupperware-Beraterin)<br />

• AG Radolfzell, NVwZ-RR 1998, 233 f. (Betrieb einer gemeinnützigen Einrichtung [hier:<br />

Naturfreundehaus] ist kein Gewerbe, da Gewinnerzielungsabsicht fehlt)<br />

• VG Freiburg, GewArch. 2001, 246 f. (Verkaufsausstellung eines Künstlers für von ihm<br />

restaurierte Ikonen ist trotz Art. 5 Abs. 3 GG Gewerbe und daher anmeldepflichtig)<br />

• BVerwG, NJW 2008, 1974 f.; OVG Lüneburg, FamRZ 2008, 440 ff. (Berufsbetreuer i.S.v.<br />

§ 1897 Abs. 6 BGB ist Gewerbetreibender und daher anzeigepflichtig)<br />

• OVG Münster, GewArch. 2004, 32 ff. (Leistungen im Reisegewerbe müssen nicht sofort,<br />

sondern dürfen auch mit einem gewissen zeitlichen Abstand erbracht werden)<br />

• OVG Berlin, GewArch. 2003, 118 f. und CR 2003, 138 f. (dazu Nowak, JA 2003, 642 ff.);<br />

GewArch. 2004, 385 ff. (Internetcafés, die auf ihren PCs Computerspiele bereithalten bzw.<br />

Gelegenheit zu Internet-Spielen eröffnen, benötigen eine Spielhallenerlaubnis nach § 33i<br />

GewO)<br />

• VG Würzburg, GewArch. 2003, 336 ff.; BayVGH, GewArch. 2004, 248 ff.; VG Oldenburg,<br />

GewArch. 2004, 419 ff. (Richtlinien für die Vergabe von Standplätzen auf einem Volksfest<br />

sind so anzuwenden, daß der damit verfolgte Steuerungszweck erreicht wird); s.a. VG<br />

Hannover, GewArch. 2008, 303 f.; OVG Lüneburg, NordÖR 2008, 231 ff. (Zulässigkeit der<br />

Auswahl konkurrierender Bewerber nach anonymer Umfrage unter Marktbeschickern)<br />

• VG Karlsruhe, GewArch. 2004, 417 f.; VG Mainz, GewArch. 2004, 418 f. (Rechtswidrigkeit<br />

der Bevorzugung ortsansässiger Schaustellerbetriebe bei einem Volkfest; Auswahlkriterium<br />

„bekannt und bewährt“ darf nicht dazu führen, daß neue Bewerber dauerhaft ausgeschlossen<br />

bleiben)<br />

• OVG Lüneburg, GewArch 2010, 245 f. (der bei der Vergabe von Marktständen nicht berücksichtigte<br />

Bewerber muß grundsätzlich nicht nur im einstweiligen Rechtsschutzverfahren<br />

einen Verpflichtungsantrag zu seinen Gunsten stellen, sondern auch eine Anfechtungsklage<br />

gegen die Bevorzugung seines Konkurrenten erheben)<br />

– zum Ladenschlußgesetz<br />

• BVerfGE 13, 237 ff. (Festlegung allgemeiner Ladenschlußzeiten dient dem Arbeitszeitschutz<br />

für Angestellte im Einzelhandel, insb. dem Vorteil eines zusammenhängenden langen<br />

Wochenendes, und ist als Berufsregelungsmaßnahme mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar)<br />

• BVerfGE 14, 19 ff. (Verbot des Betriebs von Warenautomaten, die unabhängig von einem<br />

Einzelhandelsgeschäft aufgestellt sind, außerhalb der Ladenschlußzeiten verstößt gegen<br />

Art. 12 Abs. 1 GG, da unverhältnismäßig)<br />

• BVerfGE 59, 336 ff. (Sondervorschrift für Friseure – lange Samstagsöffnung nur dann<br />

zugelassen, wenn am Montagvormittag geschlossen – ist verfassungskonform auszulegen,<br />

daß auch Teilnahme an allgemeiner Ladenschlußregelung zulässig ist)<br />

• BVerfGE 104, 357 ff.; dazu Oberrath, JA 2002, 639 ff.; Terhechte, JuS 2002, 551 ff. (Ausschluß<br />

der Apotheken von der Teilnahme an verkaufsoffenen Sonntagen verstößt gegen<br />

Art. 12 Abs. 1 GG, da unverhältnismäßig)<br />

• BVerfGE 111, 10 ff.; dazu Webers, GewArch. 2005, 60 ff (eingeschränkte Ladenöffnungszeiten<br />

an Samstagen und grundsätzliches Verbot der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen<br />

sind – jedenfalls nach Meinung von vier Richtern, welche die Entscheidung tragen –<br />

verfassungsgemäß; a.A. die vier dissentierenden Richter)<br />

• OVG Bremen, NVwZ 2002, 873 ff.; OVG Greifswald, NordÖR 2000, 64 ff. und 66 ff. sowie<br />

NVwZ 2000, 945 ff. (Ausnahmeregelungen im LSchlG für Kur- und Erholungsorte sowie<br />

für besondere öffentliche Interessen sind strikt auszulegen und fordern ein nachweisbares<br />

Versorgungsinteresse der Bevölkerung; struktur-, wirtschafts- oder fremdenverkehrspolitische<br />

Interessen reichen nicht aus. – Verlängerung von Öffnungszeiten nach § 16 LSchlG


– 41 –<br />

setzt Veranstaltungen mit beträchtlichem Besucherzustrom voraus, der sich schon nicht<br />

aus der Öffnung der Geschäfte ergeben darf)<br />

• BVerwGE 65, 167 ff. „Klett-Passage“ (Vorschriften des LSchlG sind keine Schutznormen<br />

zugunsten von Wettbewerbern, die nicht an der ausnahmsweisen Öffnung der Geschäfte<br />

teilnehmen können; ebenso OVG Bautzen, SächsVBl. 1999, 70 f. [dazu Rozek, SächsVBl.<br />

1999, 149 ff.]. Anders nunmehr OVG Koblenz, DÖV 1998, 694 ff. für konkret betroffene<br />

Arbeitnehmer; OVG Bremen, NVwZ 2002, 873 ff. [dazu Schmitz, NVwZ 2002, 822 ff.] für<br />

nachteilig betroffene Unternehmen; OVG Greifswald, NordÖR 2000, 64 ff. für Kirchengemeinden<br />

im räumlichen Bereich der Sonderöffnungszeiten [dazu de Wall, NVwZ 2000,<br />

857 ff. und ZevKR 45 , 626 ff.]). Zur Antragsbefugnis einer Religionsgemeinschaft<br />

im Normenkontrollverfahren SächsOVG, GewArch. 2008, 368 ff.<br />

• BVerfG, JZ 2010, 137 ff. „Berliner Ladenöffnungsgesetz“ (Ladenöffnung an Adventssonntagen<br />

ist mit Art. 4 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 140 GG/Art. 138 WeimRV unvereinbar; zulässig<br />

ist hingegen die Ladenöffnung an bis zu vier Sonn- und Feiertagen im Jahr); dazu Classen,<br />

JZ 2010, 144 ff.; Rozek, ArbuR 2010, 148 ff.<br />

• BVerfG (K), GewArch. 2010, 413 f. (gesetzliches Verkaufsverbot für Alkohol an Tankstellen<br />

zwischen 22.00 und 5.00 Uhr verletzt nicht die allgemeine Handlungsfreiheit des Konsumenten)<br />

• BVerwGE 141, 385 ff. m. Anm. Bleutge, GewArch. 2012, 205 f. (eine untergesetzlich festgelegte<br />

Höchstaltersgrenze für Sachverständige, die keinen besonderen Bezug zu deren konkreter<br />

Tätigkeit und Leistungsfähigkeit hat, verstößt gegen das AGG und gegen Unionsrecht)<br />

D. Literatur:<br />

Frotscher, §§ 10–14; Ruthig/Storr, § 3; Schliesky, S. 185–221, 241–249; Schmidt, ÖffWiR<br />

BT/1, § 1; Schmidt/Vollmöller, § 8; Stober, BesWiVerwR, §§ 45–46, 50<br />

– zum Gewerberecht<br />

• Eifert, „Zuverlässigkeit“ als persönliche Tätigkeitsvoraussetzung im Besonderen Verwaltungsrecht,<br />

JuS 2004, 565 ff.<br />

• Gatawis, Rechtliche Maßnahmen gegen so genannte Drückerkolonnen, GewArch. 2002,<br />

400 ff.<br />

• Guckelberger, Einführung in das Gewerberecht, JURA 2007, 598 ff.<br />

• Handan, Grundzüge des Gewerberechts, JA 2007, 249 ff.<br />

• Heitsch, Der gewerberechtliche Zulassungsanspruch zu Volksfesten, GewArch. 2004, 225 ff.<br />

• Höfling/Rixen, Die Landes-Gesetzgebungskompetenzen im Gewerberecht nach der Föderalismusreform,<br />

GewArch. 2008, 1 ff.<br />

• Jochum, Der praktische Fall – Öffentliches Recht: Erlaubniswiderruf nach allgemeinem<br />

Verwaltungsrecht und gewerberechtliche Untersagungsverfügung wegen Unzuverlässigkeit,<br />

JuS 2003, 1101 ff.<br />

• Kniesel, Veranstaltung traditioneller Märkte durch Kommunen, GewArch 2013, 270 ff.<br />

• Laubinger/Repkewitz, Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit und ihre Folgen, Verw-<br />

Arch. 89 (1998), 145 ff., 337 ff., 609 ff.<br />

• Leisner, Unzuverlässigkeit im Gewerberecht (§ 35 Abs. 1 S. 1 GewO), GewArch. 2008,<br />

225 ff.<br />

• Scheidler, Kaffeefahrten aus gewerberechtlicher Sicht, GewArch. 2012, 392 ff.<br />

• Schulze-Werner, Zulässigkeit von Nebenbestimmungen im Bereich der genehmigungsbedürftigen,<br />

stehenden Gewerbe (§§ 30 bis 34c, 36 GewO), GewArch. 2004, 9 ff.<br />

• Tschentscher/Madl, Reisegewerbekartenpflicht und so genannte „Hauspartys“ als moderne<br />

Form des Direktvertriebs, GewArch. 1996, 448 ff.<br />

• Windoffer, Die Vergabe von Standplätzen auf gemeindlichen Märkten und Volksfesten –<br />

Bewährte Lösungen bekannter Probleme?, GewArch. 2013, 265 ff.<br />

– zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie im Gewerberecht<br />

• Mann, Randnotizen zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie im Gewerberecht, Gew-<br />

Arch. 2010, 93 ff.


– 42 –<br />

• Schönleiter, Das neue Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der GewO,<br />

GewArch. 2009, 384 ff.<br />

– zum Ladenschlußrecht (–> Neumann, Ladenschlußrecht, 5 2008)<br />

• Heckmann, Die Regel als Ausnahme. Zur Geltungsschwäche des Ladenschlußgesetzes, JZ<br />

1999, 1143 ff.<br />

• Hufen, Ladenschluß: Zum verfassungsrechtlichen Kern eines politischen Dauerthemas,<br />

NJW 1986, 1291 ff.<br />

• Kirste, Flexibilisierung des Ladenschlusses zum Segen des Sonn- und Feiertagsschutzes,<br />

NJW 2001, 790 ff.<br />

• Rozek, Vorsprung durch Rechtsbruch? Zur Erosion des Ladenschlußrechts durch sogenannte<br />

„Fremdenverkehrsregelungen“, NJW 1999, 2921 ff.<br />

• Schmitz, Die Ladenöffnung nach der Föderalismusreform, NVwZ 2008, 18 ff.<br />

• Stober, Das Ladenschlußgesetz – ein Auslaufmodell?, JZ 1996, 541 ff.<br />

• Unterreitmeier, Das verlorene Feigenblatt. Zu den Grenzen verkaufsoffener Sonntage aus<br />

Anlass von Märkten, BayVBl. 2012, 260 ff.<br />

• Wallerath, Ladenschluß und Konkurrentenschutz, NJW 2001, 781 ff.<br />

E. Das Thema in Stichworten:<br />

I. Gliederung, Funktion und verfassungsrechtliche Grundlage des Gewerberechts<br />

– Aufbau der GewO als „Grundgesetz“ des Gewerberechts:<br />

• Titel I: Allgemeine Bestimmungen; Grundsatz der Gewerbefreiheit, Anwendungsbereich<br />

• Titel II: Stehendes Gewerbe; Anzeigepflicht, Publizitätsvorschriften, Genehmigungspflicht<br />

für Gewerbe mit erhöhtem Gefahrenpotential; Untersagungsbefugnis bei Unzuverlässigkeit<br />

• Titel III: Reisegewerbe; Genehmigungspflicht, u.U. nur Anzeigepflicht; Vertriebsverbote<br />

für bestimmte Waren/Leistungen im Reisegewerbe; Ermächtigung zur Versagung der Genehmigung<br />

• Titel IV: Messen, Ausstellungen, Märkte; Regelungen zur Festsetzung solcher Veranstaltungen,<br />

ebenso zur Aufhebung oder Untersagung; Zulässigkeit des Ausschlusses von Teilnehmern<br />

allg. oder einzeln (Verteilungskriterien) (zukünftig Landesrecht)<br />

• Titel VII: Allgemeine arbeitsrechtliche (= zivilrechtliche) Grundsätze für Arbeitnehmer<br />

• Regelung der Aufsichtsbehörden und deren Befugnisse; Straf- und Bußgeldvorschriften für<br />

Rechtsverstöße im Rahmen der GewO, Gewerbezentralregister<br />

– Andere gewerberechtliche Vorschriften außerhalb der GewO, zumeist Ausgliederungen aus<br />

der GewO, die ursprünglich enthalten waren, aber verselbständigt wurden; im wesentlichen:<br />

• Ladenschlußgesetz (zukünftig Landesrecht)<br />

• Handwerksordnung (Gewerbesonderrecht)<br />

• Gaststättengesetz (Gewerbesonderrecht) (zukünftig Landesrecht)<br />

• Personenbeförderungsgesetz<br />

• Güterkraftverkehrsgesetz<br />

• Bundesimmissionsschutzgesetz<br />

– Verfassungsrechtliche Grundlage:<br />

• Gesetzgebungskompetenz aufgrund Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. Kompetenz aber nicht vollständig<br />

vom Bund in Anspruch genommen, sondern nach Art. 72 Abs. 1 GG den Ländern<br />

überlassen, vor allem in den Bereichen, wo nicht wirtschaftsverwaltungsrechtliche, sondern<br />

allgemeine sicherheits- und ordnungsrechtliche Aspekte im Vordergrund stehen, z.B.<br />

Tanzveranstaltungen (§ 33b), Spielbanken, Lotterien und Wettbüros (§ 33c ff.); Recht der<br />

Spielhallen, der Schaustellung von Personen und der Messen, Märkte und Ausstellungen<br />

nunmehr in die Zuständigkeit der Länder übergegangen<br />

• Art. 12 Abs. 1 GG als Kerngrundrecht der Berufs- und damit Gewerbefreiheit, in GewO als<br />

Jedermannrecht und Individual- wie Kollektivrecht ausgestaltet


– 43 –<br />

II. Begriff des Gewerbes und Abgrenzungen; Gewerbefreiheit<br />

– Def. (nicht in GewO): jede erlaubte (= nicht sozial unwertige), auf Dauer angelegte, auf<br />

Gewinnerzielung gerichtete selbständige Tätigkeit, ausgenommen Urproduktion, freie Berufe<br />

und Verwaltung eigenen Vermögens; dabei Umfang gleichgültig, auch Nebengewerbe oder<br />

Mehrfachgewerbe erfaßt, Betriebsräume nicht zwingend erforderlich. Im einzelnen:<br />

• erlaubt = nicht rechtlich als solches verboten, d.h. keine Betätigung gegen zwingende gesetzliche<br />

Bestimmungen (StGB); problematisch etwa bei Prostitution, Schwarzarbeit,<br />

Wahrsagerei, Astrologie usw.<br />

• sozial nicht unwertig = (u.U. Konkretisierung des „erlaubt“) nach überwiegender Ansicht<br />

zwar nicht ausdrücklich verboten, aber sozialschädlich und strikt abzulehnen, z.B. Telefonsex,<br />

Laserdrome-Spiele (Kategorie überflüssig, da entweder erlaubt oder nicht erlaubt)<br />

• auf Dauer angelegt = Tätigkeit soll fortgesetzt werden oder dies ist zumindest beabsichtigt,<br />

also gewisse Dauer erforderlich, saisonale Tätigkeit reicht aus; einmalige Tätigkeit ist<br />

nur dann Gewerbe, wenn Umfang und Größe erheblich<br />

• auf Gewinnerzielung gerichtet = als Beitrag zum Lebensunterhalt gedacht, jedenfalls nach<br />

der in Erscheinung tretenden Vorstellung des Betroffenen; Nebenzweck reicht aus; nicht<br />

bei Gefälligkeiten oder rein gemeinnütziger Tätigkeit. Gemeinnützigkeit schützt indes bei<br />

entsprechendem Gesamteindruck des Verhaltens nicht vor Gewerbefähigkeit, z.B. bei<br />

Scientology Church<br />

• selbständig = im eigenen Namen, auf eigene Rechnung, in persönlicher und sachlicher<br />

Unabhängigkeit (Zeiteinteilung, eigene Betriebsstätte, Eigentum an Arbeitsmitteln), wobei<br />

wiederum Gesamtbild ausschlaggebend sein soll (–> gleiches Problem im Arbeitsrecht)<br />

• nicht: Urproduktion = Gewinnung roher Naturerzeugnisse, z.B. Fischerei, Ackerbau, Viehzucht,<br />

Weinbau, Jagd, Bergwesen; einschließlich der verkehrsüblichen Be- und Verarbeitung<br />

auf der ersten Stufe, z.B. Verkauf im eigenen Hofladen; einschließlich Vermietung<br />

einiger Fremdenzimmer auf dem Bauernhof<br />

• nicht: freie Berufe = wissenschaftliche, künstlerische oder literarische Tätigkeit höherer<br />

Art, oder persönliche Dienstleistung mit höherer Ausbildung<br />

• nicht: Verwaltung eigenen Vermögens als Ausfluß der reinen Nutzung von Eigentum, z.B.<br />

Verwaltung des Wertpapierdepots, Hausverwaltung mit Mietwohnungen, Verwaltung<br />

eines kleinen Seegrundstücks mit einigen Liegeplätzen für Sonnenhungrige<br />

• außerdem zu beachten: Negativkatalog der eingeschränkten oder ausgeschlossenen Anwendung<br />

der GewO in § 6<br />

III. Die Gewerbearten im einzelnen<br />

– grundsätzliche Unterscheidung in Grundform = stehendes Gewerbe (§§ 14 ff.), nur durch<br />

allgemeine Negativabgrenzung zu ermitteln, in Sonderform Reisegewerbe (§§ 55 ff.) und in<br />

Sonderform Marktgewerbe (§§ 64 ff.), die beide von der GewO im einzelnen definiert werden.<br />

Dabei unerheblich, ob das jeweilige Gewerbe alleine oder in Kombinationsformen mit anderen<br />

Gewerben/-arten betrieben wird, ebenso ob das Gewerbe von natürlichen Einzelpersonen,<br />

nicht rechtfähigen Vereinigungen oder j.P. des Privatrechts betrieben wird. Auch GmbH, AG<br />

usw. sind Gewerbetreibende (nicht aber deren Gesellschafter/Geschäftsführer), nicht aber die<br />

GbR (OVG Lüneburg, GewArch. 2009, 32 f.).<br />

1. Das stehende Gewerbe (Titel II, §§ 14–52)<br />

– Anzeigepflicht als Primärpflicht des Gewerbetreibenden, § 14 I GewO<br />

• von dem, der ein stehendes Gewerbe ausübt, zu beachten, und zwar bei Betriebsbeginn,<br />

-verlegung, Branchenwechsel und Ausdehnung des Gewerbes => behördliche Information<br />

über Art und Umfang der vorhandenen Gewerbe, um dann ggf. Informationen einholen<br />

und Maßnahmen der Gefahrenabwehr und des Verbraucherschutzes treffen zu können<br />

• Folge der Anzeige, § 15 I GewO: Empfangsbescheinigung = „Gewerbeschein“; kein VA,<br />

sondern behördliche Wissenserklärung<br />

• Folge der unterbliebenen Anzeige: Aufforderung zur Abgabe der erforderlichen Erklärung<br />

(VA), zugleich Bußgeld bis zu 1.000 EUR wegen Owi. nach § 146 II Nr. 1 GewO


– 44 –<br />

– Voraussetzung einer gewerblichen Niederlassung für ein stehendes Gewerbe, § 42 GewO?<br />

Vorschrift legt fest, daß Gewerbe auch außerhalb ausgeübt werden kann, und geht davon<br />

aus, daß typischerweise Niederlassung vorhanden. Fehlen einer gewerblichen Niederlassung<br />

(i.S.v. § 42 I GewO = Raum, der zum dauernden Gebrauch eingerichtet ist und ständig oder<br />

regelmäßig wiederkehrend zum Gewerbebetrieb benutzt wird) macht Gewerbe allerdings<br />

nicht zum Reisegewerbe (z.B. Betrieb eines Paketdienstes oder eines Geldtransporters)<br />

– Ausübung des Gewerbes höchstpersönlich oder Möglichkeit der Stellvertretung, § 45 GewO?<br />

Stellvertretung grundsätzlich zulässig, bedarf keiner besonderen Erlaubnis; aber Sondervorschriften<br />

für „gefährliche“ Gewerbe mit erhöhter Bedeutung persönlicher Zuverlässigkeit.<br />

Voraussetzung für Stellvertreter: Erfüllen der personenbezogenen Voraussetzungen für die<br />

Ausübung des betreffenden Gewerbes, nicht aber der formellen Voraussetzungen für diese<br />

Tätigkeit i.S.v. Konzession, Erlaubnis, die nur in der Hand des Vertretenen vorliegen muß.<br />

Bei Fehlen oder Wegfall der Voraussetzungen –> § 35 I bzw. VIIa GewO. Besonderheiten<br />

beim Tod des Gewerbetreibenden, § 46 GewO –> Recht zur Fortführung des Betriebs durch<br />

Stellvertreter auf Rechnung des überlebenden Ehegatten oder der minderjährigen Kinder(erben)<br />

= „Hinterbliebenenprivileg“; dabei auch Recht des Ehegatten, den Betrieb selbst<br />

(als „eigener Stellvertreter“) fortzuführen.<br />

– Sonderfälle gewerblicher Betätigung mit Genehmigungspflicht, nicht nur Anzeige => präventives<br />

Verbot mit Erlaubnisvorbehalt = „Kontrollerlaubnis“ (abzugrenzen vom Verbot mit<br />

Befreiungsvorbehalt nach § 56 I, II GewO), wobei Anspruch auf Erteilung der Genehmigung<br />

• Unterscheidung von Sachgenehmigung (z.B. bei Anlagen, § 4 ff. BImSchG) und Personalgenehmigung<br />

(z.B. Makler oder Bauträger [§ 34c GewO] oder Versicherungsvermittler<br />

[§§ 34d, 34e GewO]); im Gewerberecht regelmäßig Kombination, z.B. bei § 33a GewO<br />

(Abs. 2 Nr. 1: persönliche Zuverlässigkeit, Abs. 2 Nr. 3: räumliche Sicherheit). Folge: Sachgenehmigung<br />

geht auf Rechtsnachfolger über, Personalgenehmigung ist vom Nachfolger<br />

neu zu beantragen (Ausnahme z.B. in § 46 GewO, s.o.).<br />

• Folgen des Betreibens ohne Genehmigung –> § 15 II 1 GewO, Behörde kann Fortsetzung<br />

des Betriebs verhindern; Ermessen eingeräumt, weil zunächst nur formelle Illegalität,<br />

wenn Genehmigungsfähigkeit vorliegt<br />

– Sanktion bei nicht rechtmäßiger Ausübung eines stehenden Gewerbes: generelle Ermächtigung<br />

der Behörde zur Gewerbeuntersagung, § 35 GewO, die grundrechtlich betrachtet eine<br />

subjektive Schranke zur Berufszulassung darstellt und daher nur zum Schutz besonders<br />

wichtiger Gemeinschaftsgüter i.V.m. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zugelassen ist<br />

• Anwendungsbereich –> § 35 VIII GewO: für jedes stehende Gewerbe, jedoch keine Anwendung<br />

bei spezialgesetzlichen Regelungen, die den Bestimmungen der GewO vorgehen,<br />

dabei immer konkrete Betrachtung erforderlich (z.B. § 15 GastG, §§ 25, 13 PBefG)<br />

• Voraussetzungen: tatsächliche Ausübung des Gewerbes + Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden<br />

+ Erforderlichkeit der Untersagungsverfügung.<br />

• Unzuverlässig ist, wer nach dem Gesamtbild seines Verhaltens – ein schwerer Verstoß<br />

oder viele kleine Verstöße – keine Gewähr dafür bietet (d.h. nicht erwarten läßt), daß er<br />

das von ihm ausgeübte Gewerbe – d.h. konkreter Bezug auf das Gewerbe erforderlich –<br />

künftig – Prognose muß auf Tatsachen in der Vergangenheit beruhen, die unverändert<br />

fortwirken – ordnungsgemäß betreiben wird; z.B. der Fall bei: Begehen von Straftaten und<br />

Ordnungswidrigkeiten mit inhaltlichem und zeitlichem Bezug auf das Gewerbe; mangelnde<br />

und nachhaltige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wegen ungeordneter Vermögensverhältnisse,<br />

wenn Bezug zum Gewerbe besteht; erhebliche Steuerrückstände mit negativer<br />

Prognose; Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen der Mitarbeiter; Fehlen<br />

von unverzichtbaren Fachkenntnissen; herausragende persönliche Mängel, z.B. Trunksucht,<br />

Drogenabhängigkeit, Duldung strafbaren Verhaltens von Mitarbeitern im Gewerbebetrieb.<br />

• Erforderlichkeit = Verhältnismäßigkeit der Untersagung; wegen Art. 12 I GG besonders zu<br />

beachten, zumal § 35 I GewO eine gebundene Entscheidung ist, also kein Ermessen einräumt<br />

• Untersagungsverfahren nach allgemeinen Vorschriften des VwVfG, wenn keine gewerberechtlichen<br />

Sonderregelung, z.B. § 29 GewO für Auskunftspflicht des Gewerbetreibenden


– 45 –<br />

und Betretungsrechte der Behörde. Merke dabei: § 49 VwVfG wird bei Wiederzulassung<br />

im Anwendungsbereich des § 35 VI GewO verdrängt.<br />

• Untersagungsverfügung – ganz oder teilweise – hat Gewerbetreibenden zum Adressaten,<br />

also Inhaber des Betriebs/Geschäfts, und kann sich nach § 35 I 2 GewO bei entsprechender<br />

Unzuverlässigkeit auf andere oder alle Gewerbe erstrecken; dabei nach § 35 VI GewO<br />

keine zeitliche Begrenzung zulässig, d.h. „für die Zukunft“. Zulässig ist zugunsten des<br />

Gewerbetreibenden Stellvertretererlaubnis nach § 35 II GewO, wenn beantragt und in der<br />

Person des Stellvertreters ordnungsgemäße Betriebsführung sichergestellt. Durchsetzung<br />

der Untersagungsverfügung durch allgemeine Instrumente der Verwaltungsvollstreckung.<br />

• Da Untersagungsverfügung VA mit Dauerwirkung, Wiedergestattung der Gewerbeausübung<br />

nach § 35 VI GewO (auf Antrag; wenn Unzuverlässigkeit weggefallen; wenn regelmäßig<br />

Jahresfrist seit der Einstellung des Betriebs abgelaufen)<br />

• Exkurs: Daneben Ermächtigung zur Untersagung nach § 51 GewO; anders als § 35 GewO<br />

strikt anlagenbezogen und nur zur Anwendung überwiegender Nachteile und Gefahren für<br />

die Allgemeinheit zulässig; findet auf Anlagen nach BImSchG keine Anwendung und hat<br />

daher kaum Anwendungsbereich.<br />

2. Das Reisegewerbe (Titel III, §§ 55–61a)<br />

– Begriff und Arten –> § 55 GewO mit Legaldefinition (seit 14.9.2007 geändert!)<br />

• selbständige gewerbsmäßige Tätigkeit (d.h. allein der Geschäftsinhaber unterliegt der<br />

Reisegewerbekartenpflicht, nicht mehr [wie früher] der beim Kunden vor Ort Auftretende)<br />

• ohne vorherige Bestellung durch den Kunden<br />

• außerhalb der gewerblichen Niederlassung oder ohne eine solche; dabei<br />

• Feilbieten von Waren (z.B. Haustürgeschäfte mit Ware, die sofort übergeben wird) oder<br />

• Aufsuchen/Ankaufen von Bestellungen (z.B. Werbung für einen Buchclub, Kaffeefahrt mit<br />

Verkaufsvorführung) oder<br />

• Anbieten von Leistungen (z.B. Scherenschleifer) oder<br />

• Aufsuchen auf Bestellungen (z.B. Fotograf, der von sich aus Veranstaltung besucht und<br />

dort Aufnahmen macht, die er nach der Entwicklung zum späteren Kauf anbietet) oder<br />

• Ausübung selbständiger unterhaltender Schaustellertätigkeit (z.B. Bunjee Jumping; nicht:<br />

künstlerische Veranstaltungen)<br />

– Problematisch dabei zumeist:<br />

• „ohne vorherige Bestellung“ = keine vorhergehende Terminvereinbarung, kein entsprechender<br />

vorheriger Kundenwunsch => Initiative muß vom Reisegewerbe ausgehen (daher<br />

nicht bei Tupperware- oder Haus-Party)<br />

• „außerhalb oder ohne gewerbliche Niederlassung“ (–> § 42 GewO) = muß nicht vorhanden<br />

sein, etwa bei mobilen Verkaufswagen oder Ständen, Straßenmusikern usw.<br />

• „gewerbsmäßige Tätigkeit“ –> allgemeine Merkmale des positiven Gewerbebegriffs müssen<br />

vorliegen (daher kein Reisegewerbe, wenn eigener Gebrauchwagen auf einem Automarkt<br />

verkauft wird, anders wenn vom Händler so betrieben). Dies bewirkt auch, daß<br />

künstlerische Tätigkeiten („Straßenkünstler, „Straßenmusiker“) nicht erfaßt sind; auch<br />

Tätigkeiten im negativen Gewerbebegriff sollen den Vorschriften des Reisegewerbes nicht<br />

unterfallen, z.B. Urproduktion (dann aber § 55a I Nr. 2 GewO unverständlich).<br />

• Merke: Im Reisegewerbe können auch handwerkliche Leistungen ausgeübt werden, etwa<br />

bei Instandsetzung von Gebäuden; da § 1 I HwO ein stehendes Gewerbe voraussetzt und<br />

nur hierfür Regelungen trifft – u.a. Meisterpflicht –, kann Handwerker im Reisegewerbe<br />

tätig sein, ohne Meisterbrief zu besitzen. Voraussetzung allerdings, daß er ohne vorherige<br />

Bestellung arbeitet, d.h. seine Leistung vor Ort ungefragt anbietet. In diesen Fällen str.,<br />

ob dann eine sofortige Leistung stattzufinden hat oder es dem Handwerker auch erlaubt<br />

ist, zuvor vorbereitende Arbeiten durchzuführen, z.B. das erforderliche Material zu besorgen<br />

(früher abgelehnt, Rspr. läßt dies nunmehr zu).<br />

– Verbot, bestimmte Waren/Leistungen im Reisegewerbe anzubieten (Verbraucherschutz) –><br />

§ 56, Verbot mit Befreiungsvorbehalt; andererseits sind bestimmte gewerbliche Tätigkeiten<br />

vom Reisegewerbe befreit, obwohl definitionsgemäß einbezogen –> §§ 55a, 55b GewO


– 46 –<br />

– Rechtsfolgen einer Tätigkeit im Reisegewerbe:<br />

• Genehmigungspflicht, § 55 II GewO –> Reisegewerbekarte (Rk.)<br />

• Rk. befreit nicht von der Verpflichtung, andere einschlägige Genehmigungen einzuholen<br />

(keine Konzentrationswirkung), z.B. Sondernutzungserlaubnis nach Straßenrecht<br />

• Gewerbetreibender hat Anspruch auf Erteilung der Rk., wenn nicht nach § 56 GewO verbotene<br />

Tätigkeit und nicht nach § 57 GewO unzuverlässig<br />

• Wegen Gefahrenpotential bei einzelnen Reisegewerben (z.B. Fahrgeschäfte, Bunjee Jumping)<br />

Verpflichtung zum Abschluß einer Haftpflichtversicherung –> § 55f GewO<br />

• Bei Unzuverlässigkeit Versagung der Reisegewerbekarte nach § 57 GewO (Maßstab § 35<br />

GewO) und Untersagung der Beschäftigung unzuverlässiger Personen nach § 60 GewO<br />

möglich; ein rechtswidrig ausgeübtes Reisegewerbe kann verhindert werden (§ 60 GewO);<br />

hierzu Lenski, GewArch. 2008, 388 ff.<br />

3. Das Marktgewerbe (Titel IV, §§ 64–71b)<br />

– Sonderregelung für Veranstaltungen, bei denen eine Vielzahl von Gewerbetreibenden (Anbietern,<br />

Ausstellern, Teilnehmern) ihre Produkte/Leistungen feilbietet oder vorführt => Privilegierung<br />

gegenüber dem normalen Gewerbe, um Märkte, Messen und Ausstellungen zu erleichtern<br />

–> Grundsatz der „Marktfreiheit“<br />

– Regelung in der GewO, unterscheidet nach den einzelnen Veranstaltungsformen (§§ 64–68)<br />

und ordnet eine behördliche Festlegung an (§ 69)<br />

• Messe, § 64; grundsätzlich Beschränkung auf gewerbliche Besucher, außer an einzelnen<br />

Tagen; muß das wesentliche Angebot bereithalten<br />

• Ausstellung, § 65; für Letztverbraucher allgemein zugelassen, ein nur repräsentatives<br />

Angebot reicht aus<br />

• Großmarkt, § 66; nicht für Endverbraucher, als Dauereinrichtung gedacht (z.B. Obst- und<br />

Gemüsegroßmarkt, Fischgroßmarkt)<br />

• Wochenmarkt, § 67; Zutritt für jedermann, regelmäßige Wiederkehr erforderlich<br />

• Spezialmarkt, § 68 I; Zutritt für jedermann, aber Begrenzung des Angebots auf bestimmte<br />

Warengruppen (z.B. Briefmarken, Schallplatten, Weihnachtsartikel [aber nur solche, andernfalls<br />

„Jahrmarkt“]; Eintrittsgeld zugelassen<br />

• Jahrmarkt, § 68 II; breites Angebot, kein Eintrittsgeld, mehrmals im Jahr zulässig<br />

• Außerdem (außerhalb Marktgewerbe) –> Volksfest, § 60b; Schwerpunkt ist Schaustellergewerbe,<br />

dort Reisegewerbekartenpflicht für Beschicker!<br />

– Folgen für alle Arten des Marktgewerbes:<br />

• Möglichkeit der Festsetzung durch Gewerbeaufsicht auf Antrag eines Veranstalters, § 69<br />

–> VA gegenüber dem (privaten) Veranstalter und em teilnehmenden Gewerbetreibenden,<br />

für letzteren allerdings nur mittelbare Begünstigung/Belastung –> nach noch überwiegender<br />

Meinung keine Klagebefugnis<br />

• Ablehnungsgründe in § 69a GewO<br />

• Rechtsfolgen der Festsetzung: Festlegung der Veranstaltung nach Gegenstand, Zeitpunkt,<br />

Öffnungszeiten und Platz, außerdem Marktprivilegien => keine Anzeigepflicht für die<br />

einzelnen Teilnehmer nach § 14, da Titel II nicht anwendbar; keine Reisegewerbepflicht,<br />

da Titel III nicht anwendbar; günstige Sonderregelungen im Ladenschlußrecht (§§ 19, 20<br />

LSchlG); günstige Sonderregelungen im AZG und im JArbSchG; Sonderregelung in § 68a<br />

GewO verdrängt strengere Vorschriften des GastG.<br />

– Problematisch beim Marktgewerbe Anspruch des Gewerbetreibenden auf Teilnahme im Rahmen<br />

der vom Veranstalter nach § 70 II GewO zugelassenen (gruppenspezifischen) Einschränkungen;<br />

nach § 70 I GewO Anspruch auf Zuweisung eines Platzes/Standes, der aber auf<br />

Schwierigkeiten und Grenzen stößt, wenn nicht für alle interessierten Teilnehmer ausreichend.<br />

Für diesen Fall –> § 70 III GewO, erlaubt Ausschluß einzelner Teilnehmer, aber ohne<br />

Kriterien festzulegen. Daher rechtsstaatliches Auswahlverfahren geboten, das (1) objektiv<br />

ist, also unabhängig von Person des jeweiligen Bewerbers, (2) in seiner Wirkung nicht einzelne<br />

Teilnehmergruppen diskriminieren darf, und (3) für Bewerber transparent ist. Nach<br />

Rspr. zulässig


– 47 –<br />

• Losentscheid<br />

• Prioritätsgrundsatz, d.h. nach Eingang der Anmeldung („Windhundverfahren“)<br />

• Rollierendes System, d.h. regelmäßiger und systematischer Wechsel der Teilnehmer<br />

• „bekannt und bewährt“<br />

• Ortsansässigkeit oder lokaler/regionaler Bezug der Angebote<br />

• Attraktivität des Angebots des Betreibers für das Publikum.<br />

Dabei wichtig:<br />

• Anwendung eines einzelnen Kriteriums grundsätzlich nicht zulässig, da zumeist diskriminierend;<br />

auch bei „bekannt und bewährt“ muß Zugang für neue Teilnehmer offengehalten<br />

werden<br />

• Kriterium muß Zusammenhang mit der konkreten Veranstaltung haben.<br />

– Bei Unzuverlässigkeit eines Teilnehmers (nicht des Veranstalters –> § 69a I Nr. 2 GewO)<br />

§ 70a GewO<br />

IV. Das Ladenschlußrecht: Strukturen und Zwecke<br />

– Problem der Rechtsmaterie allgemein: Kompromiß zwischen Unternehmer-, Arbeitnehmerund<br />

Verbraucherinteressen, aber Ab- und Aufweichung des Rechtsalltags und mangelnde<br />

Verständlichkeit dieses Instruments staatlicher Wirtschaftslenkung heute<br />

• Schutz der Arbeitnehmer im Verkaufsstellen vor überlangen Arbeitszeiten, zugunsten<br />

ausreichender Nachtruhe und eines zusammenhängenden Wochenendes<br />

• damit verbunden Wettbewerbsneutralität i.S.v. Schutz gegen Unternehmen, die kein Personal<br />

mit festgelegten Arbeitszeiten haben (Inhaber- und Familienbetriebe)<br />

• Sonn- und Feiertagsschutz i.S.v. Freihaltung von Arbeitspflichten, Möglichkeit der Erholung<br />

etc.<br />

– Ladenschlußrecht gesetzestechnisch nicht einheitlich geregelt, besteht im wesentlichen aus<br />

• LSchlG = früher bundeseinheitliche, nunmehr landesspezifische Regelung der allgemeinen<br />

Ladenschlußzeiten für Verkaufsstellen (–> in M-V: Gesetz zur Neuregelung der Ladenöffnungszeiten<br />

vom 18.6.2007, GVBl. S. 226; dazu Verordnung über erweiterte Ladenöffnungszeiten in Kur- und Erholungsorten,<br />

Weltkulturerbestädten sowie in anerkannten Ausflugsorten und Ortsteilen mit besonders starkem Fremdenverkehr<br />

[Bäderverkaufsverordnung – BädVerkVO] vom 17.12.2007, GVBl. 2008 S. 6])<br />

• Arbeitszeitgesetz (AZG) = weiterhin bundeseinheitliche Regelung der zulässigen Arbeitszeit<br />

von Arbeitnehmern (dabei Problem der Fortgeltung von § 17 LadSchlG, der eventuell<br />

Arbeitszeitrecht [des Bundes] ist –> Kämmerer/Thüsing, GewArch 2006, 266 ff.)<br />

• Sonn- und Feiertagsgesetze der Länder = Festlegung der (Sonntage und der) einzelnen<br />

Feiertage und damit verbunden Verbote bestimmter Tätigkeiten an diesen Tagen.<br />

– Gegenstand und Struktur des LSchlG:<br />

• sachlicher Anwendungsbereich: Definition von Verkaufsstellen (§ 1 I) und „Reisebedarf“<br />

(§ 2 II); erstere sehr weit gefaßt, da § 20 auch das gewerbliche Anbieten außerhalb von<br />

Verkaufsstellen erfaßt („fliegende Händler“).<br />

• Prüfprogramm: Verkaufsstelle? Privilegierung wegen Art, wegen Lage, wegen Ware?<br />

M.a.W.: Wo befindet sich Verkaufsstelle, was soll konkret an wen verkauft werden?<br />

– Regelung im einzelnen:<br />

• Allgemeine Öffnungszeiten – Regelfall – im Umkehrschluß aus den Zeiten der Schließung<br />

zu ermitteln (§ 3): nicht an Sonntagen und Feiertagen (–> Landesrecht); nicht Mo–Fr bis<br />

6.00 Uhr morgens und nach 20.00 Uhr abends; nicht am 24.12., wenn Werktag, vor 6.00<br />

Uhr und nach 14.00 Uhr<br />

• Ausnahmen nur für Verkaufsstellen von Bäckereien (werktags nicht vor 5.30 Uhr); aber:<br />

bei Ladenschluß anwesende Kunden dürfen noch bedient werden<br />

• Ausnahme für Tankstellen, § 6, aber nur eingeschränktes Sortiment in dieser Zeit zulässig<br />

• Ausnahme für Bedürfnisse des Reiseverkehrs an Bahnhöfen, § 8<br />

• Ausnahme für Verkauf von Reisebedarf an Reisende auf Flughäfen / Fährhäfen, § 9<br />

• Ausnahme in Kur- und Erholungsorten für bestimmte Waren, aber nur für insgesamt<br />

begrenzte bestimmte Zeiten, § 10)


– 48 –<br />

• Ausnahme in ländlichen Gebieten, aber nur an Sonntagen, unter bestimmten Umständen<br />

und für eingeschränkte Dauer, § 11<br />

• Ausnahme an Sonntagen für bestimmte Waren, § 12<br />

• Ausnahme an bestimmten Sonntagen i.V.m. bestimmten Veranstaltungen, zahlenmäßig<br />

beschränkt, § 14<br />

• Ausnahme für Apotheken („Notfallversorgung“), § 4, verbunden mit einer Verpflichtung<br />

zur dauernden Bereitschaft zur Öffnung nach Plan<br />

• weitere Ausnahmen im öffentlichen Interesse in Einzelfällen, § 23.


– 49 –<br />

Arbeitsblatt zu § 7<br />

Das Gaststättenrecht<br />

A. Übersicht: I. Zielsetzung und Anwendungsbereich<br />

II. Die Gaststättenerlaubnis (Voraussetzungen, Versagungsgründe, Inhalt<br />

und Nebenbestimmungen, besondere Arten)<br />

III. Ausübung, Überwachung und Untersagung des Gaststättenbetriebs<br />

B. Rechtsgrundlagen:<br />

– Gaststättengesetz i.d.F. d. Bek. vom 20.11.1998 (m. spät. Änd.; zuletzt geändert durch<br />

Art. 10 Gesetz vom 7.9.2007 (BGBl. I S. 2246)<br />

Beachte: Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG i.d.F. der Föderalismusreform (BGBl. 2006 I S. 2034)<br />

ist das „Recht … der Gaststätten“ in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder (Art. 70<br />

GG) übergegangen. Die bisherigen bundesgesetzlichen Regelungen gelten nach Art. 125a<br />

Abs. 1 GG (als partielles Bundesrecht) fort, bis sie jeweils durch Landesrecht ersetzt werden.<br />

Dies ist für M-V noch nicht geschehen.<br />

– Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern<br />

• Verordnung (Mecklenburg-Vorpommern) zur Ausführung des Gaststättengesetzes (Gast-VO) vom 17.6.1994<br />

(GVBl. S. 679), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1.8.2006 (GVBl. S. 634)<br />

• Beherbergungsstättenverordnung (BstättVO M-V) vom 12.2.2002 (GVBl. S. 119) [Bauordnungsrecht]<br />

C. Rechtsprechung:<br />

• BVerwGE 1, 48 ff.; 1, 269 ff. (Verfassungswidrigkeit einer gaststättenrechtlichen Bedürfnisprüfung<br />

wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG)<br />

• OVG Hamburg, GewArch. 1992, 310 ff. (gaststättenrechtliche Vorschrift, wonach die Türen<br />

einer „Klingel-Bar“ während der Geschäftszeiten nicht verschlossen sein dürfen, ist<br />

rechtmäßig und verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht)<br />

• VGH Mannheim, GewArch. 1994, 31 ff. (bei ausnahmsweiser Verkürzung der Sperrzeit<br />

muß auch die weitere Umgebung der Gaststätte in die Auswirkungen einbezogen werden)<br />

• BVerwGE 82, 189 ff. (besonderer Anlaß i.S.v. § 12 Abs. 1 GastG kann auch vom Betreiber<br />

selbst beschaffen werden; Voraussetzung ist allerdings immer, daß die gastronomische<br />

Tätigkeit an ein kurzfristiges, nicht häufig auftretendes Ereignis anknüpft, das außerhalb<br />

der gastronomischen Tätigkeit liegt [hier: Getränkeausschank bei „Disco-Tanzparty“])<br />

• BVerwGE 80, 259 ff.; 84, 11 ff. (bestandskräftige Baugenehmigung entfaltet im gaststättenrechtlichen<br />

Genehmigungsverfahren nur Bindungswirkung, soweit es um Rechtsfragen<br />

geht, deren Beurteilung in die originäre Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde fällt)<br />

• BVerwGE 101, 157 ff. (öffentliches Bedürfnis an einer Verkürzung der Sperrzeit nach § 18<br />

Abs. 1 Satz 2 GastG beinhaltet auch den Schutz der Anwohner vor nächtlichem Lärm<br />

durch Gäste und deren Verkehrsverhalten; die Vorschrift ist insoweit drittschützend);<br />

dazu Winkler, JA 1997, 371 ff.<br />

• VGH München, GewArch. 1996, 163 ff.; BVerwG, GewArch. 1996, 385 f. „Bayerische Biergartenverordnung<br />

I“ (Begrenzung der von einem Biergarten ausgehenden Lärmimmission<br />

auf die Umgebung kann auch in einer Rechtsverordnung nach § 23 Abs. 1, 2 S. 1 BImSchG<br />

geregelt werden); dazu Jahn, NVwZ 1996, 663 ff. und 1997, 407 ff.; nachfolgend<br />

VGH München, GewArch. 1997, 425 ff.; BVerwG, GewArch. 1999, 210 ff. „Bayerische Biergartenverordnung<br />

II“ (Verordnung ist dann nichtig, wenn sie keine den Lärm betreffenden<br />

Anforderungen an die Biergartenbetreiber stellt und das generelle Schutzniveau des § 22<br />

BImSchG nur unterschreitet); dazu Vogler, BayVBl. 1998, 53 f.; Jahn, GewArch. 1999, 271<br />

ff.; Röthel, JZ 1999, 789 ff.


– 50 –<br />

• VG Berlin, GewArch. 2001, 128 ff. (Bordell mit Gaststätte zur Anbahnung der Geschäfte<br />

[„Café Pssst“] verstößt, weil für sich genommen nicht sittenwidrig, nicht gegen Gaststättenrecht<br />

und ist daher genehmigungsfähig); dazu Hösch, GewArch. 2001, 112 ff.<br />

• VGH München, GewArch. 2002, 296 ff.; BVerwG, GewArch. 2003, 122 ff. (Betrieb eines<br />

Swinger-Clubs mit Möglichkeit zum Sex unter Beobachtung Dritter leistet – wenn für die<br />

Allgemeinheit nicht sichtbar und Jugendschutz gewahrt – noch nicht der Unsittlichkeit<br />

Vorschub und ist daher mit § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG vereinbar); dazu Pauly, GewArch.<br />

2003,151 ff.<br />

• OVG Koblenz, GewArch. 2004, 217 ff. (Veranstaltungen mit einem Lärmpegel jenseits der<br />

festgelegten Immissionsrichtwerte dürfen ausnahmsweise zugelassen werden, vorausgesetzt<br />

es handelt sich um sehr seltene Ereignisse und der aus diesem Anlaß veranstaltete<br />

Lärm ist aus Gründen der Tradition sozialadäquat [hier: Karneval im Rheinland])<br />

• VGH Mannheim, GewArch. 2005, 38 f. (Sperrzeit-VO nach § 18 Abs. 1 Satz 2 GastG muß<br />

generellen Charakter aufweisen und darf deshalb nicht einen von vornherein beschränkten<br />

Adressatenkreis haben)<br />

• VGH Mannheim, NVwZ-RR 2006, 180 f. (keine gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit,<br />

wenn Wirt den Besuch der Gaststätte durch Angehörige der „rechten Szene“ zuläßt oder<br />

fördert)<br />

• BayVGH, NVwZ-RR 2008, 26 ff. „Flatrate-Party“; dazu Scheidler, DÖV 2008, 189 ff. (Zulässigkeit<br />

einer gaststättenrechtlichen Auflage, in der das Anbieten beliebig vieler alkoholischer<br />

Getränke zu massiv unterdurchschnittlichen Preisen untersagt wird); Klausur bei<br />

Schmehl, JA 2010, 128 ff.<br />

• BVerfGE 121, 317 ff. „Nichtraucherschutz“; dazu Bäcker, DVBl. 2008, 1180 ff.; Gröschner,<br />

ZG 2008, 400 ff.; Michael, JZ 2008, 875 ff. (grundrechtliche Schutzpflicht zugunsten der<br />

Gesundheit von Nichtrauchern erlaubt auch ein vollständiges Rauchverbot in Gaststätten<br />

[sehr zw.]; läßt der Gesetzgeber jedoch Ausnahmen vom Rauchverbot zu, müssen sie folgerichtig<br />

und in sich stimmig sein und die Grundrechte der betroffenen Gaststättenbetreiber<br />

– vor allem mit Einraumbetrieben – berücksichtigen; zu ihnen Zimmermann, NVwZ 2008,<br />

705 ff.); zur Zulässigkeit von Lockerungen für Einraumbetriebe und Zeltgastronomie<br />

BVerfG (K), NVwZ 2010, 38 ff.; zu Einrichtung von Raucherclubs Ebert, NVwZ 2010, 26 ff.<br />

• BVerfGE 130, 131 ff.; dazu Barczak, NordÖR 2012, 311 ff.; Muckel, JA 2012, 556 ff. (die<br />

Zulassung von abgeschlossenen Raucherräumen in Schankwirtschaften, nicht aber in<br />

Speisewirtschaften verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG)<br />

• VG Düsseldorf, NVwZ 2010, 71 f. (Verbot des Ausschanks von Alkohol während eines Bundesligaspiels)<br />

• VGH Mannheim, GewArch. 2013, 158 ff. m. Anm. Hüpers; OVG Koblenz, GewArch. 2013,<br />

209 f.; OVG Lüneburg, NJW 2013, 1252 f. (für die Veröffentlichung festgestellter Hygienemängel<br />

in Gaststätten auf einer behördlichen Website ist wegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 20<br />

Abs. 3 GG eine hinreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigung erforderlich; § 40 Abs. 1a<br />

Nr. 2 LFGB entspricht diesen rechtsstaatlichen Vorgaben nicht [str.]); s.a. Schink, DVBl.<br />

2011, 253 ff.; Holzner, DVBl. 2012, 17 ff.<br />

D. Literatur:<br />

Frotscher, § 15; Ruthig/Storr, § 4; Schliesky, S. 234 ff.; Czybulka, in: Schmidt, ÖffWiR BT/1,<br />

§ 2 Rn. 156 ff.; Schmidt/Vollmöller, § 10; Stober, BesWiVerwR, § 47<br />

• Beljin, Lärm aus der Gaststätte (Klausurfall), JURA 2004, 56 ff.<br />

• Dietz, Nachtschwärmer gegen Nachtschläfer – Sperrzeitverlängerungen im Spiegel der<br />

jüngeren Rechtsprechung, GewArch. 2013, 292 ff., 351 ff.<br />

• Dübbers/Jo, Die Deregulierung des Gaststättenrechts, NVwZ 2006, 301 ff.<br />

• Glaser, Gaststättenrecht im Wandel: Zwischen föderaler Vielfalt und rechtsstaatlichen<br />

Herausforderungen, GewArch. 2013, 1 ff.<br />

• Guckelberger, LKV 2008, 385 ff.<br />

• Haferkorn, Swingerclubs als aktuelle gaststättenrechtliche Problemstellung, GewArch.<br />

2002, 145 ff.<br />

• Korden, Die gaststättenrechtliche Beurteilung sog. „Ballermann-Partys“ oder „Koma-Partys“,<br />

GewArch. 2000, 11 ff.


– 51 –<br />

• Krugmann, Unzuverlässigkeit und Verhältnismäßigkeit, GewArch. 1995, 398 ff.<br />

• Numberger, Probleme des Freizeitlärms, NVwZ 2002, 1064 ff.<br />

• Pöltl, Gaststättenerlaubnis für Mensen, GewArch. 2004, 184 ff.<br />

• Pöltl, Die gaststättenrechtliche Beurteilung so genannter dark rooms, NVwZ 2004, 831 ff.<br />

• Pöltl, Die Sittenwidrigkeit der Prostitution im Gaststättenrecht nach In-Kraft-Treten des<br />

Prostitutionsgesetzes, VBlBW 2003, 181 ff. (vgl. auch Lehmann, NVwZ 2009, 888 ff.)<br />

• Schmidt am Busch, Informalen Absprachen als Steuerungsinstrument im Gaststättenrecht,<br />

GewArch. 2009, 377 ff.<br />

• Schröder/Führ, Zulässigkeit von „Flatrate“-Parties, NVwZ 2008, 145 ff.<br />

• Wehser, Die Berücksichtigung von Lärmimmissionen bei der Zulassung von Gaststätten<br />

(unter Beachtung der Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern), LKV 2008, 59 ff.<br />

• Weißenberger, Gaststättenrechtliche Genehmigungsfiktion durch Bundesgesetz?, DÖV<br />

2012, 385 ff.<br />

E. Das Thema in Stichworten:<br />

I. Zielsetzung und Anwendungsbereich<br />

– Sondergewerberecht (ursprünglich in einer Vorschrift der GewO enthalten) mit dem vorrangigen<br />

Ziel der Gefahrenabwehr: Verhinderung von Alkoholmißbrauch (neben und nachrangig<br />

zum JuSchG), Schutz der Gäste (vor allem Jugendlicher), Schutz der Beschäftigten, Schutz<br />

der Nachbarn<br />

– Anwendungsbereich des GastG: § 1 Gaststättengewerbebetrieb<br />

• (1) Gewerbebetrieb im stehenden Gewerbe (grundsätzlich),<br />

• (2) Zugänglichkeit des Betriebs<br />

• (3) zulässiger, genauer: bestimmter, Bewirtungstyp<br />

– (1) Gewerbebetrieb –> GewO = erlaubte (sozial nicht grundsätzlich schädliche) auf Gewinnerzielung<br />

gerichtete, auf Dauer gelegte, selbständig betriebene Tätigkeit (ohne bekannte Ausnahmen);<br />

dabei i.e. zu beachten:<br />

• Gewinnerzielungsabsicht auch der Fall, wenn unentgeltlich Speisen und Getränke abgegeben<br />

werden, dies aber der Gewinnung neuer Kunden dient<br />

• Gewinnerzielungsabsicht auch der Fall, wenn gemeinnützige Einrichtung gastronomisch<br />

tätig wird, außer wenn Essen und Getränke zum reinen Selbstkostenpreis abgegeben werden<br />

• keine Erzielung von Einkünften bei öffentlichen Einrichtungen, z.B. Mensa; allerdings<br />

anders im Fall der Bewirtung Dritter (z.B. bei Publikumsverkehr oder Catering)<br />

• nach § 1 Abs. 1 GastG grundsätzlich nur als stehendes Gewerbe zu betreiben, d.h. mit und<br />

von einer gewerblichen Niederlassung aus (§ 42 GewO). Aber: Gaststättenbetrieb im Reisegewerbe<br />

möglich, wenn Gastronom selbständig tätig ist und für eine begrenzte Dauer<br />

der Veranstaltung von einer ortsfesten Betriebsstätte aus Getränke oder zubereitete Speisen<br />

zum sofortigen Verzehr verabreicht (etwa Catering).<br />

– (2) Betrieb muß allgemein oder bestimmten Personenkreisen zugänglich sein<br />

• nicht: Hochzeitsfeier, Privatparty; aber: Straßenfest, Pressefest etc. Auch bei Betrieben<br />

mit Eintrittsgeld (Swingerclub), mit Einlaßkontrolle (Diskothek) oder mit verschlossener<br />

Tür und Klingel der Fall<br />

– (3) Zulässiger Bewirtungstyp: Gaststättenbetrieb weist nach § 1 typisierte Bewirtungsarten<br />

auf, die einzeln oder gemeinsam auftreten können (aber kein numerus clausus dieser Typen;<br />

daher auch atypische Betriebe vom Gesetz erfaßt)<br />

• Nr. 1: Schankwirtschaft = Verabreichung von Getränken (heiß/kalt, alkoholisch/nichtalkoholisch)<br />

zum Verzehr an Ort und Stelle, räumlicher Zusammenhang zwischen Abgabeort<br />

und Verzehrort erforderlich<br />

• Nr. 2: Speisewirtschaft = Verabreichung von zubereiteten Speisen (nicht wenn Lebensmittel<br />

ohne besondere Zubereitung eßfertig, z.B. rohes Obst) zum Verzehr an Ort und Stelle;<br />

liegt auch vor, wenn durch/in Automaten angeboten


– 52 –<br />

• nicht mehr (früher Nr. 3): Beherbergungsbetrieb = Unterkunft mit Schlafgelegenheit<br />

(nicht: Vermietung von Zeltplatz oder Stellplatz für Wohnwagen), die nicht auf Dauervermietung<br />

angelegt ist (z.B. Wohnheim für Studenten/Altenpflegeheim) => kein Gegenstand<br />

des GastG mehr, auch keine Erlaubnispflicht (s.a. § 2 Abs. 2 Nr. 4 GastG)<br />

dabei beachtlich: Ausnahmen vom Anwendungsbereich –> § 25 GastG<br />

II. Die Gaststättenerlaubnis<br />

– Wenn Gaststättengewerbe i.S.v. § 1 GastG –> grundsätzliche Erlaubnispflicht, § 2 GastG,<br />

außer wenn davon befreit<br />

• nach § 2 Abs. 2 Nr. 1–3 (geringes Gefahrenpotential)<br />

• nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 nicht mehr erlaubnispflichtig: Nebengastronomie in Beherbergungsunternehmen<br />

• §§ 14, 26 –> Landesrecht (ortstypische Gastronomie, z.B. Verabreichung selbsterzeugter<br />

Getränke)<br />

• § 60b Abs. 2 i.V.m. § 68a Abs. 1 GewO (Volksfestgastronomie)<br />

• § 68a Abs. 1 GewO (Marktgastronomie)<br />

aber: auch dann Anordnungen im Umfang von Auflagen zulässig (= VA), § 5 Abs. 2 GastG;<br />

aber: auch dann Untersagung des Betriebs wegen Unzuverlässigkeit möglich, § 31 GastG<br />

–> § 35 GewO<br />

– Voraussetzungen und Hindernisse der Erlaubniserteilung<br />

• Antrag, da mitwirkungsbedürftiger VA (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG –> Rechtswidrigkeit)<br />

• Anspruch auf Erlaubnis, soweit kein Grund für Versagung i.S.v. § 4 GastG vorliegt und<br />

(Übermaßverbot!) nicht auf andere Weise Versagungsgrund ausgeräumt werden kann<br />

(Auflage, Bedingung, Einschränkung des Erlaubnisumfangs)<br />

• Erlaubnis ist betriebstypgebunden –> § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, und für bestimmte Räume zu<br />

erteilen, § 3 Abs. 1 Satz 1 GastG<br />

• Versagungsgründe zu unterscheiden in: persönliche V. und sachliche V. = grundsätzlich<br />

raumbezogen; zugleich relevant für Überwachung (§ 22 GastG), Stilllegung (§ 31 GastG<br />

i.V.m. § 15 Abs. 2 GewO) und Rücknahme bzw. Widerruf, § 15 GastG<br />

• Persönliche Versagungsgründe, § 4 I Nr. 1 und 4 GastG: Zuverlässigkeit, analog § 35<br />

Abs. 1 GewO zu verstehen, dabei auf das jeweilige Gaststättengewerbe zugeschnitten.<br />

Beispiele: „Sittenwidrigkeit“, Unterbindung strafbarer Handlung in den Betriebsräumen;<br />

fehlender Unterrichtungsnachweis [Schutz der Gäste vor Gesundheitsgefahren und vor<br />

Täuschung und Irreführung], auch für Stellvertreter und Hinterbliebenenprivileg erforderlich<br />

(§§ 9, 10 GastG); gesetzwidrige Beschränkung des Zugang zum Gaststättenbetrieb<br />

[aber: kein Kontrahierungszwang]).<br />

• Sachliche Versagungsgründe, § 4 I Nr. 2, 2a, 3 GastG: fehlende Eignung der Räume für<br />

den Betrieb des Gewerbes = Verhältnisse innerhalb des Betriebs; z.B. Lage, Beschaffenheit,<br />

Ausstattung; dabei Anforderungen z.T. aus Fachvorschriften zu entnehmen (Arbeitsschutz,<br />

Hygienevorschriften, Brandschutz, Fluchtwege usw.); seit 2002 auch Gebot der<br />

Barrierefreiheit für Behinderte, soweit realisierbar und für den Betreiber zumutbar; erhebliche<br />

Nachteile für Umgebung, vor allem hinsichtlich Lärm und Licht = Verhältnisse<br />

außerhalb des Betriebs bzw. vom Betrieb nach außen; z.B. Nachteile (wirtschaftliche oder<br />

ideelle Einbußen) oder Belästigungen (Einwirkungen auf das Wohlbehagen). Ist im Wesentlichen<br />

Immissionsschutz, § 3 Abs. 1 BImSchG, der direkt keine Anwendung findet, da<br />

Gaststätten keine genehmigungsbedürftigen Anlagen sind –> § 22 Abs. 1 BImSchG. Streitig,<br />

ob jenseits des § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG auch §§ 22 ff. BImSchG anwendbar.<br />

• Zu § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG i.e.: doppelte Schutzrichtung der Norm, (1) schädliche Umwelteinwirkungen<br />

i.S.v. § 3 Abs. 1 BImSchG, (2) sonstige erhebliche Nachteile … für die Allgemeinheit;<br />

durch Verweisung auf BImSchG heute Schutznorm für Nachbarschaft = alle<br />

Personen, die sich regelmäßig im Wirkungsbereich der Gaststätte aufhalten (Bewohner<br />

des Betriebsgrundstücks und der Nachbargrundstücke, Arbeitnehmer benachbarter Betriebe,<br />

Personen mit besonderer sachlicher Bindung zum Einwirkungsbereich [z.B. Eigentum<br />

an Nachbargrundstück]); nicht: Schutz der Gäste, der Beschäftigten oder anderer<br />

nahe stehender Personen.


– 53 –<br />

Deshalb: subjektives Abwehrrecht aus § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG für den Nachbarn gegen<br />

schädliche Umwelteinwirkungen, nicht aber auch gegen sonstige Nachteile, Gefahren oder<br />

Belästigungen für die Allgemeinheit (!)<br />

Zurechnung des Lärms der Gäste? Grundsatz: Zufahrts- und Abfahrtsverkehr der Gaststätte<br />

ist dem Betrieb zuzurechnen, bis er in den allgemeinen Straßenverkehr übergeht,<br />

ebenso das lautstarke Verhalten der Gäste vor dem Lokal (u.U. Pflicht des Wirts zur Ermahnung<br />

der Gäste, Lärm zu vermeiden)<br />

• Problem, daß zahlreiche Vorschriften für Lärmschutz, Raumbeschaffenheit usw. in anderen<br />

Fachgesetzen geregelt sind und hierfür besondere Genehmigungsverfahren bestehen.<br />

Daher vor allem fraglich Zuordnung von GastG zu BauO (sachbezogene Personalerlaubnis):<br />

Gaststättenerlaubnis entscheidet nur über gewerbespezifische Gesichtspunkte, daher<br />

keine Konzentrationswirkung, keine Bindungswirkung für andere Genehmigungen; Baugenehmigung<br />

wiederum entscheidet nur über planungs- und nutzungsspezifische Gesichtspunkte<br />

des Vorhabens, daher keine Konzentrationswirkung, keine Bindungswirkung für<br />

Gaststättenerlaubnis. Zudem: Fachrecht sieht keine Reihenfolge der Genehmigungsverfahren<br />

vor, d.h. Gaststättenerlaubnis kann auch vor Bauerlaubnis beantragt und erteilt<br />

werden.<br />

Daher materiell-rechtliche Grundsätze für das Rechtsverhältnis der verschiedenen Genehmigungen:<br />

(1) Baugenehmigung bewirkt nach LBO (§ 72) umfassende Feststellung der Vereinbarkeit<br />

des Vorhabens mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Baurechts (Planungsrecht<br />

+ Ordnungsrecht) => materielle Bindung der Gaststättenbehörde im Bereich der<br />

baulichen Anlage und ihrer Beschaffenheit, soweit sie Gegenstand des Bauordnungsverfahrens<br />

ist (Prüffrage: Hat Regelungsbestand Bezug zum Bauplanungs- bzw. Bauordnungsrecht?)<br />

BImSchG ist Gegenstand des Bauordnungsverfahrens, daher Bindung im<br />

Bereich der räumlichen Besonderheiten des Betriebs i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG; aber:<br />

keine Bindung im Bereich der bauordnungsfremden Regelungsgegenstände und ihrer<br />

rechtlichen Anforderungen (Zuverlässigkeit, gaststättenrechtliche Eignung der Räume,<br />

Barrierefreiheit, Fachkundeunterrichtung).<br />

(2) Versagung der Baugenehmigung hat keine materielle Bindung gegenüber<br />

Gaststättenbehörde => Beurteilung der Rechtslage auch abweichend Problem für Betreiber:<br />

Wenn Versagung der Baugenehmigung bestandskräftig, entfällt Sachentscheidungsinteresse<br />

für Gaststättenerlaubnis –> kein Rechtsschutzbedürfnis für Widerspruch und<br />

Anfechtungsklage.<br />

(3) Für Behörde problematisch; Gaststättenbehörde wird deshalb sinnvollerweise<br />

Erlaubnis nur aufschiebend bedingt erteilen, bis Baugenehmigung wirksam erteilt ist<br />

(§ 36 Abs. 1 VwVfG)<br />

– Ermächtigung der Landesregierung in § 32 GastG, mittels Rechtsverordnung für bis zu fünf<br />

Jahren weitere Ausnahmen von den Vorschriften der Ausübung des Gaststättengewerbes<br />

zuzulassen (Erprobungsklausel)<br />

– Inhalt und Form der Erlaubnis<br />

• § 3 Abs. 1 GastG –> für bestimmte Betriebsarten und für bestimmte Räume; Änderungen<br />

bedürfen daher in beiderlei Hinsicht einer neuen Erlaubnis<br />

– Sonderarten der Erlaubnis<br />

• vorläufige Erlaubnis (§ 11 GastG), bei Übernahme eines erlaubnispflichtigen Betriebs<br />

durch neuen Betreiber<br />

• vorübergehende Erlaubnis (§ 12 GastG) = Gestattung, bei besonderem Anlaß, d.h. einem<br />

zeitlich begrenzten Ereignis von kurzfristiger Dauer, bei dem der gastronomische Betrieb<br />

Annex zu einer anderen Veranstaltung ist<br />

• Stellvertretererlaubnis (§ 9 GastG), wenn Betrieb im Namen und für Rechnung des Inhabers,<br />

im übrigen aber selbständig fortgeführt werden soll –> keine Rechtsnachfolge in<br />

Gaststättenerlaubnis, abgesehen von § 10 GastG!<br />

– Nebenbestimmungen zur Gaststättenerlaubnis: wie auch sonst (§ 36 Abs. 2 VwVfG)<br />

• Befristung –> nur nach Antrag oder §§ 9, 11, 12 GastG<br />

• Bedingung –> nur nach § 36 Abs. 1 VwVfG oder § 8 GastG


– 54 –<br />

• Auflage (hat größte Bedeutung), kann nach § 5 Abs. 1 GastG jederzeit, d.h. auch nachträglich<br />

erlassen werden, ist aber abschließende Regelung und schließt § 36 Abs. 1 VwVfG<br />

im übrigen aus<br />

• Widerrufsvorbehalt? Wohl unzulässig, da § 15 Abs. 2–4 GastG Widerrufsfälle abschließend<br />

festlegt (str.)<br />

III. Überwachung, Ausübung und Untersagung der Gastgewerbetätigkeit<br />

– Überwachung und Durchsetzung des Gaststättenrechts nach erteilter Erlaubnis<br />

• Überwachung durch Gaststättenbehörde –> § 22 GastG, durch Auskunftspflichten des<br />

Betreibers und Nachschaurechte der Behörde; außerdem Sanktion durch Owi., § 28 GastG<br />

• Durchsetzung des Gaststättenrechts gegenüber erlaubnisfreien Betrieben –> Verhinderung<br />

der Fortführung, § 31 GastG i.V.m. § 15 Abs. 2 GewO; bei Beschäftigung unzuverlässiger<br />

Personen (als milderes Mittel gegenüber Fortführungsverbot) Untersagungsverfügung,<br />

§ 21 GastG<br />

• Durchsetzung des Gaststättenrechts gegenüber erlaubnispflichtigen Betrieben<br />

(1) Auflagen, § 5 Abs. 1 GastG<br />

(2) Rücknahme bei rechtswidrig erteilter Erlaubnis, § 15 Abs. 1 GastG, wenn<br />

Versagungsgründe vorlagen (Unzuverlässigkeit, die seinerzeit nicht erkannt wurde). Aber:<br />

trotz gebundener Entscheidung unverhältnismäßig, wenn Betreiber nunmehr zuverlässig.<br />

(3) Rücknahme bei rechtswidrig erteilter Erlaubnis, § 48 VwVfG, wenn seinerzeit<br />

andere Versagungsgründe bestanden, die heute fortwirken (§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 2a, 3, 4<br />

GastG) –> Ermessen der Gaststättenbehörde. Merke: § 15 Abs. 1 GastG sperrt § 48 VwVfG<br />

im übrigen nicht.<br />

(4) Widerruf der Erlaubnis bei nachträglichem Eintreten (Zeitpunkt der letzten<br />

Behördenentscheidung) von Versagungsgründen nach § 15 Abs. 2 – Mußvorschrift – bzw.<br />

§ 15 Abs. 3 GastG – Ermessensentscheidung –. Merke: § 15 Abs. 2–3 GastG sperrt § 49<br />

VwVfG. Da nicht auf § 4 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GastG Bezug nehmend, in Fällen raumbezogener<br />

Defizite nicht anwendbar. Dabei immer Übermaßverbot zu beachten, d.h. in erster<br />

Linie Auflagen zulässig, erst danach Widerruf. Im Fall der Fortführung des Gastgewerbes<br />

entgegen bestandskräftiger Aufhebung –> Einstellungsverfügung, § 31 GastG i.V.m. § 15<br />

Abs. 2 GewO<br />

– Die Gaststättenerlaubnis und ihr Rechtsrahmen: im Rahmen des GastG, also der gewerberechtlichen<br />

Reglementierungen, vor allem zum Schutz der Gäste und der Beschäftigen im<br />

Betrieb, ersteres mit besonderem Akzent auf dem Jugendschutz.<br />

Dazu gehört („Alkoholmißbrauch“):<br />

• § 6 GastG: Zwang zum Ausschenken alkoholfreier Getränke neben alkoholischen Getränken;<br />

dabei mindestens ein nichtalkoholisches Getränk preisgleich mit alkoholischem<br />

• § 20 GastG: allgemeines Verbot, Hochprozentiges (auch in Pralinen) in Automaten anzubieten,<br />

Alkohol an bereits erkennbar Betrunkene zu verabreichen, aber auch den Verkauf<br />

von Essen oder alkoholfreien Getränken an die Abnahme von Alkohol zu koppeln<br />

• § 19 GastG: Verbot aus besonderem Anlaß, Alkohol auszuschenken (z.B. im Umfeld von<br />

Fußballspielen, Demonstrationen usw.)<br />

Andererseits:<br />

• Erleichterung für bestimmte im Gaststättenbereich betriebene nebengewerbliche Geschäfte,<br />

§ 7 GastG: Nebenleistungen i.S.v. Zubehörwaren und Essen/Trinken über die Straße.<br />

Dabei Abgrenzungsprobleme zum Ladenschlußrecht beachten.<br />

– Allgemeiner Rechtsrahmen von Gaststätten, die nicht „Verkaufsstellen“ i.S.d. LSchlG sind<br />

–> Sperrzeitregelung in § 18 I GastG<br />

• Länder können durch VO Sperrzeiten festsetzen, d.h. keine Verpflichtung zur Rechtsetzung,<br />

nur Ermächtigung i.S.v. Art. 80 GG<br />

• Länder müssen Sperrzeiten allgemein für das gesamte Landesgebiet festsetzen; sie sind<br />

dabei aber nicht an die Regelungen in anderen Ländern gebunden. Daher von Land zu<br />

Land unterschiedliche Zeiten.


– 55 –<br />

• Sperrzeit muß außerdem allgemein für alle Schank- und Speisewirtschaften und für öffentliche<br />

Vergnügungsstätten (Einrichtungen zur Unterhalten, z.B. Kino, Konzertsaal,<br />

Museum, Spielhalle) gelten.<br />

• Länder müssen in der Sperrzeit-VO außerdem festlegen, daß Sperrzeit bei einem öffentlichen<br />

oder bei örtlichen Besonderheiten allgemein oder für einzelne Betriebe verlängert,<br />

verkürzt oder aufgehoben werden kann –> Sperrzeit und Ausnahmen = repressives Verbot<br />

mit Erlaubnisvorbehalt, daher Verkürzung oder Aufhebung nach herrschender Meinung<br />

nur in atypischen Fällen zulässig<br />

• Maßstab daher anhand der Zwecke der Sperrzeitregelung zu beurteilen: Volksgesundheit<br />

(Schlaf), Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs, Sicherung der Nachtruhe für Anwohner (in<br />

einzelnen Verordnungen der Länder problematisch)<br />

– Zu den Maßstäben der Sperrzeit-VO (abweichende Regelungen) im einzelnen:<br />

• (1) öffentliches Bedürfnis = Bedarfslücke aus der Sicht der Allgemeinheit, nicht des Gaststättenbetreibers.<br />

Aber: Bei Verlängerung der Sperrzeit zugunsten der Anwohner Problem<br />

für bestimmte Gaststättenbetriebe, wenn dadurch in die typische Betriebsart eingegriffen<br />

wird („Diskothek“) => faktisch teilweiser Entzug der Gaststättenerlaubnis, ohne daß Voraussetzungen<br />

nach Gesetz hierfür vorliegen; unzulässig. Andererseits: bei Verkürzung der<br />

Sperrzeit Problem für Anwohner wegen Lärmschutz –> (nach Rspr.) darf Sperrzeitverkürzung<br />

nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen, jedenfalls nicht für Betriebsanwohner<br />

• (2) besondere örtliche Verhältnisse = Umstände der konkreten Örtlichkeit müssen positiv<br />

für Verkürzung sprechen, z.B. keine Gefahr von Lärmbelästigung der Anwohner<br />

– Exkurs: Festlegung von Sperrzeiten durch Regelung außerhalb von § 18 Abs. 1 Satz 2 GastG?<br />

–> § 23 Abs. 2 BImSchG, Befugnis der Landesregierung (sekundär zu § 23 Abs. 1 BImSchG)<br />

zum Erlaß von Verordnungen für den Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen i.S.v.<br />

§ 3 Abs. 5 BImSchG = ortsfeste Einrichtung, von der schädliche Umwelteinwirkungen i.S.v.<br />

§ 3 Abs. 1 BImSchG ausgehen. Gaststätten sind solche Anlagen. Rspr. (BVerwG) hält diese<br />

Ermächtigung neben der für Sperrzeitverordnung im Gaststättenrecht anwendbar (zw.) –><br />

VO über Betriebszeiten von Gaststätten also auch auf Grundlage von § 23 Abs. 1, 2 BImSchG<br />

zulässig. Aber: dabei inhaltliche Voraussetzung, daß im Einklang mit dem Gesetz stehend;<br />

VO dann rechtswidrig und unwirksam, wenn bestimmte Immissionen generell als unschädlich<br />

festgelegt werden und dadurch das gesetzliche Schutzniveau unterschritten wird (s.o.<br />

Rspr. zu Bay. Biergarten-VO)


– 56 –<br />

Arbeitsblatt zu § 8<br />

Das Handwerksrecht<br />

A. Übersicht: I. Bedeutung, Zielsetzung und Anwendungsbereich der HwO<br />

II. Der Handwerksbetrieb und seine Voraussetzungen<br />

III. Überwachung, Untersagung und Löschung<br />

IV. Die Berufsausbildung im Handwerk<br />

V. Die Organisation des Handwerks in Selbstverwaltung<br />

B. Rechtsgrundlagen:<br />

– Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) i.d.F. d. Bek. vom 24.9.1998<br />

(m. spät. Änd., zuletzt durch Art. 19 Gesetz vom 25.7.2013 (BGBl. I S. 2749); vgl. dazu die<br />

Berichte von Czybulka, NVwZ 1991, 230 ff.; 1995, 538 ff., 2003, 164 ff.<br />

– Verordnung über die Festsetzung der Lehrzeitdauer im Handwerk vom 23.11.1960 (m. spät. Änd.)<br />

– Verordnung über verwandte Handwerke vom 18.12.1969 (m. spät. Änd.)<br />

– Verordnung über die Anerkennung von Prüfungen bei der Eintragung in die Handwerksrolle und bei Ablegung der<br />

Meisterprüfung im Handwerk vom 2.11.1982<br />

– Verordnung über die Anerkennung von Prüfungen bei Ablegung des Teils IV der Meisterprüfung im Handwerk vom<br />

26.6.1981 (m. spät. Änd.)<br />

– Verordnung über gemeinsame Anforderungen in der Meisterprüfung im Handwerk vom 18.7.2000<br />

– Verordnung über das Zulassungs- und Prüfungsverfahren für die Meisterprüfung im Handwerk (Meisterprüfungsverfahrensordnung<br />

– MPVerfVO) vom 17.12.2001<br />

– Verordnung über das Schlichtungswesen nach § 16 der Handwerksordnung vom 22.6.2004<br />

– Verordnung über den automatisierten Datenabruf der Handwerkskammern nach § 5a Abs. 2 der Handwerksordnung<br />

vom 22.6.2004<br />

– Verordnung über die für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates<br />

des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz geltenden Voraussetzungen<br />

für die Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks vom 20.12.2007 (BGBl. I S. 3075); dazu Stork, GewArch.<br />

2008, 177 ff.<br />

– Berufsbildungsgesetz vom 14.8.1969 (mit spät. Änd.)<br />

C. Rechtsprechung:<br />

– zum Unionsrecht im Bereich der Handwerksordnung<br />

• EuGH vom 3.10.2000 – C-58/98 „Josef Corsten“ (Unionsrecht verbietet Erlaubnisvorbehalt<br />

für die Verrichtung handwerklicher Tätigkeiten durch in anderen Mitgliedstaaten ansässige<br />

Dienstleistende, der geeignet ist, die freie Dienstleistungserbringung zu verzögern oder<br />

zu erschweren; die Eintragung in die Handwerksrolle mag zur Qualitätssicherung erforderlich<br />

sein, darf aber weder zusätzliche Verwaltungskosten noch die Verpflichtung zur<br />

Zahlung von Beiträgen an die Handwerkskammer nach sich ziehen); dazu Früh, EuZW<br />

2000, 767 f.; Basedow, EuZW 2001, 97; Meyer, GewArch. 2001, 265 ff.; Diefenbach, Gew-<br />

Arch. 2001, 305 ff. und 353 ff.; Stork, WuV 2001, 229 ff.<br />

• EuGH vom 11.12.2003 – C-215/01 „Bruno Schnitzer“ (Verpflichtung eines in einem anderen<br />

Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden zur Eintragung in die deutsche Handwerksrolle<br />

darf die Erbringung der Dienstleistung nicht verzögern, erschweren oder verteuern,<br />

wenn die erforderlichen und in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen beruflichen Qualifikationen<br />

anerkannt werden müssen; auch wenn der Handwerker wiederholt oder mehr<br />

oder weniger regelmäßig Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat erbringt, muß<br />

er dort nicht über eine eigene Infrastruktur verfügen, von der aus er tätig wird); dazu<br />

Lottes, EuZW 2004, 112 ff. – Fall bei Korte/Fischer/Jacob, JuS 2005, 147 ff.


– 57 –<br />

– zur Handwerksordnung<br />

• BVerfGE 11, 310 (322 ff.) (Differenzierung zwischen Gesellen und anderen Arbeitnehmern<br />

in der sozialen Selbstverwaltung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG<br />

• BVerfGE 13, 97 ff.; dazu Reuß, DVBl. 1961, 865 ff.; Roellecke, GewArch. 2002, 321 ff. (Großer<br />

Befähigungsnachweis für das Handwerk [„Meisterbrief“] ist mit Art. 12 GG vereinbar;<br />

er dient der Erhaltung des Leistungsstandes und der Leistungsfähigkeit des Handwerks<br />

sowie der Sicherung des Nachwuchses für die gewerbliche Wirtschaft)<br />

• BVerfGE 15, 235 (239 ff.); 32, 54 (64 ff.) (Pflichtmitgliedschaft von Handwerkern in einer<br />

Handwerkskammer rechtfertigt sich [analog zur IHK] aus der Eigenart des Handwerks als<br />

sozialer Gruppe und entspricht der Rechtstradition; sie ist mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar)<br />

• BVerfGE 32, 54 (63 ff.) (Einordnung eines bestimmten Handwerks in die Anlage A oder B<br />

der HwO berührt Art. 12 Abs. 1 GG nicht und ist mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar)<br />

• BVerfGE 23, 50 (56 ff.); dazu Palaczek, GewArch. 1968, 111; E 41, 360 (370 ff.); dazu Leibholz,<br />

NJW 1976, 2121 f., und Wuttke, JZ 1977, 90 ff.; E 87, 363 (382 ff.); dazu Sachs, JuS<br />

1993, 863 f., und Honig, WRP 1996, 1077 ff. – „Nachtbackverbot“ (Schutz kleiner und mittelständischer<br />

Bäckerei-Handwerksbetriebe gegen industrielle Back-Unternehmen ist mit<br />

Art. 12 GG vereinbar)<br />

• BVerfGE 68, 193 (205 ff.); dazu Spilarewicz, JA 1985, 541 ff. (Handwerksinnungen und<br />

ihre [privatrechtlich organisierte] Dachvereine sind nicht grundrechtsfähig)<br />

• BVerfG (K), NJW 2000, 2736 (zu BGH, NJW 1999, 865 ff.) (wettbewerbsrechtliches Verbot<br />

für [heilberufliches Hilfs-]Angebot eines Augenoptikers, beim Kunden den Augeninnendruck<br />

mit berührungsloser Technik zu messen, ist zum Schutz der Gesundheit des Kunden<br />

nicht erforderlich und verstößt deshalb gegen Art. 12 Abs. 1 GG)<br />

• BVerfG (K), NVwZ 2001, 187 f.; dazu Jahn, GewArch. 2000, 278 f.; Mirbach, NVwZ 2001,<br />

161 ff. (Art. 12 Abs. 1 GG erfordert eine strikt am Grundsatz der Berufswahlfreiheit und<br />

dem Übermaßverbot orientierte Auslegung der HwO, vor allem bei der Abgrenzung von<br />

Nichthandwerk [z.B. Einzelhandel] und darauf bezogenen handwerklichen Hilfstätigkeiten,<br />

Minderhandwerk und Vollhandwerksbetrieb [§§ 2, 3 HwO])<br />

• BVerfG, GewArch. 2006, 71 ff.; dazu Dürr, GewArch. 2007, 18 ff.; Leisner, GewArch. 2006,<br />

393 ff.; Rieger, DÖV 2006, 685 ff. (Verhältnismäßigkeit des Meisterzwangs [„großer Befähigungsnachweis“]<br />

angesichts der Veränderung der rechtlichen und wirtschaftlichen<br />

Umstände heute [2003] zweifelhaft, da eventuell nicht mehr geeignet und zumutbar; daher<br />

großzügige Auslegung und Handhabung des § 8 HwO verfassungsrechtlich geboten); ebenso<br />

nunmehr OVG Münster, GewArch 2008, 310 f.<br />

• BVerfG (K), GewArch. 2007, 206 ff. (


– 58 –<br />

Bamberg, GewArch. 2009, 39 f. (Reifenmontage und Auswuchten); VGH Mannheim, Gew-<br />

Arch. 2008, 249 f. (Nagelstudio)<br />

• VGH Mannheim, GewArch. 2004, 21 ff. (Erteilung der Ausnahmebewilligung nach § 8<br />

HwO setzt nicht nur eine langjährige Berufserfahrung im angestrebten Handwerk voraus,<br />

sondern auch den Nachweis fachtheoretischen, betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen<br />

und rechtlichen Grundlagenwissens, der u.a. durch eine besondere Eignungsprüfung erfolgen<br />

kann)<br />

• VG Stuttgart, GewArch. 2004, 35 f. (das mehrfache Nichtbestehen der Meisterprüfung<br />

stellt keine unzumutbare Belastung i.S.v. § 8 HwO dar und begründet daher keinen Ausnahmefall<br />

i.S.d. Norm)<br />

• BayVGH, GewArch. 2005, 156 f.; VG Ansbach vom 18.8.2004 – AN 4 K 04.00858 – und vom<br />

13.1.2005 – AN 4 K 04.01149 – JURIS (auf den nach § 7b HwO geforderten Zeitraum einer<br />

insgesamt sechsjährigen Berufstätigkeit als Geselle sind weder Ausbildungszeiten noch<br />

– „illegale“ – Zeiten außerhalb einer regulären Tätigkeit in einem Handwerksbetrieb anrechenbar<br />

[letzteres zw.]; auch müssen die Tätigkeiten in eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnis<br />

im einzelnen nachgewiesen werden)<br />

• VG Köln, GewArch. 2006, 168 ff.; VG Gelsenkirchen, GewArch. 2008, 81 ff. (für Beurteilung<br />

des beruflichen und schulischen Werdegangs nach § 7b HwO ist eine Gesamtbetrachtung<br />

erforderlich, an die keine zu strengen rechtlichen Maßstäbe zu legen sind); dazu auch<br />

Zimmermann, GewArch 2008, 334 ff.<br />

• BVerwGE 140, 276 ff.; dazu Bulla, GewArch. 2012, 470 ff.; Grünewald, NVwZ 2012, 736 ff.;<br />

Rieger, GewArch. 2012, 477 ff.; Schmitz, GewArch. 202, 42 f.; Selmer, JuS 2012, 666 ff.;<br />

Wiemers, NVwZ 2012, 284 ff. (die Abhängigkeit der Ausübung eines zulassungspflichtigen<br />

Handwerks [hier: Dachdecker] von der Eintragung in die Handwerksrolle und den Voraussetzungen<br />

hierfür [Meisterprüfung] ist auch unter Berücksichtung der Tatsache, daß EU-<br />

Handwerker dieses Handwerk unter erleichterten Bedingungen in Deutschland ausüben<br />

dürfen, mit Art. 12 Abs. 1 [Berufsfreiheit] und Art. 3 Abs. 1 GG [„Inländerdiskriminierung“]<br />

vereinbar); ebenso VGH Mannheim, GewArch. 2013, 213 ff.; OVG Koblenz, Gew-<br />

Arch. 2013, 126 ff.<br />

D. Literatur:<br />

Frotscher, § 16; Ruthig/Storr, § 5; Schliesky, S. 221 ff. (ohne Änderungsgesetze 2003);<br />

Schmidt/Vollmöller, § 9 [Vorauflagen veraltet]; Stober, BesWiVerwR, § 48<br />

– zur Handwerksordnung allgemein<br />

• Günther, Die Unterscheidung zwischen Handwerk und Industrie vor dem Hintergrund der<br />

wirtschaftlichen Entwicklung, GewArch. 2012, 16 ff.<br />

• Schwannecke, Der Meisterbrief des Handwerks: ein Qualifikationsinstrument mit Zukunft?,<br />

WuV 2003, 193 ff.<br />

• Webers, Das Handwerk im Spiegel des Grundgesetzes, WuV 2001, 260 ff.<br />

– zum Verhältnis von Unionsrecht und Handwerksordnung<br />

• Gerhardt, Zu neueren Entwicklungen der sogenannten Inländerdiskriminierung im Gewerberecht,<br />

GewArch. 2000, 372 ff. (dazu kritisch Früh, GewArch. 2001, 58 ff.)<br />

• Leisner, Handwerksrecht und Europarecht. Verstößt der Große Befähigungsnachweis gegen<br />

Gemeinschaftsrecht?, GewArch. 1998, 445 ff.<br />

• Özfirat-Skubinn, Das Auskunfts- und Nachschaurecht der Handwerkskammern und der<br />

grundrechtliche Anspruch auf Verfahrenstrennung, VBlBW 2011, 178 ff.<br />

• Schwannecke, System und Fortentwicklung der Anerkennung von Qualifikations- und<br />

Befähigungsnachweisen auf europäischer Ebene und seine Ausstrahlung auf das Handwerk,<br />

WuV 2001, 247 ff.<br />

• Winkel, Freizügigkeit und Anerkennung von Befähigungsnachweisen nach EU-Recht,<br />

WuV 1998, 83 ff.<br />

– zur Novellierung der Handwerksordnung 2003 und ihren Folgen<br />

• Albers, „Inländerdiskriminierung“ am Beispiel des Handwerksrechts, JZ 2008, 708 ff.


– 59 –<br />

• Baumeister, Handwerksrechtliche Zulassungspflicht für „gefahrgeneigte“ Minderhandwerke<br />

oder Neben- und Hilfsbetriebe?, GewArch. 2007, 310 ff.<br />

• Beaucamp, Meister ade – zur Novelle der Handwerksordnung, DVBl. 2004, 1458 ff.<br />

• Erdmann, Das System der Ausnahmetatbestände zur Meisterprüfung im Handwerksrecht,<br />

DVBl. 2010, 353 ff.<br />

• Honig, Handwerksordnung – quo vadis?, NVwZ 2003, 172 ff.<br />

• Kormann/Hüpers, Zweifelsfragen der HwO-Novelle 2004, GewArch. 2004, 353 ff.<br />

• Kormann/Hüpers, Inländerdiskriminierung durch Meisterpflicht?, GewArch. 2008, 273 ff.<br />

• Kramer, Die Meisterpflicht im Handwerk – Relikt oder Weg in die Zukunft?, GewArch.<br />

2013, 105 ff.<br />

• Müller, Die Novellierung der Handwerksordnung 2004, NVwZ 2004, 403 ff.<br />

• Müller, Meisterpflicht und Gefahrgeneigtheit, GewArch. 2007, 361 ff.<br />

• Schwannecke/Heck, Die Handwerksordnungsnovelle 2004, GewArch. 2004, 129 ff.<br />

• Stober, Anmerkungen zur Reform der Handwerksordnung, GewArch. 2003, 393 ff.<br />

• Wiemers/Sonder, Das Handwerksrecht zwischen Liberalisierung und Europäisierung,<br />

DÖV 2011, 104 ff.<br />

E. Das Thema in Stichworten:<br />

I. Bedeutung, Zielsetzung und Anwendungsbereich der HwO<br />

– Spezielles Gewerbe (sonder)recht für das Handwerk; für den in diesen Berufen Tätigen oder<br />

daran Interessierten ebenso bedeutsam wie für die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung.<br />

Dabei in erster Linie kleine und mittlere Betriebe im Visier des Gesetzgebers –> Mittelstand<br />

und Ein-/Mehrmannbetriebe; kaum großflächig tätige Handwerksunternehmen<br />

– Daher besondere Bedeutung des Handwerksrechts im Rahmen des Gewerberechts (früher<br />

Teil der Gewerbeordnung, Titel VI und VI a) –> HwO i.d.F. von 1998, aber mit grundlegenden<br />

Änderungen durch mehrere Gesetze vom 24.12.2003; daneben GewO nachrangig anwendbar<br />

(–> Dürr, GewArch. 2006, 107 ff.), falls erforderlich, z.B. bei gemischten Betrieben<br />

oder bei Zugriffen auf den Betriebsleiter wegen persönlicher Eigenschaften<br />

– Im Handwerksrecht erheblicher Wandel nach wirtschaftlicher Bedeutung in den letzten Jahren:<br />

Selbstvornahme der Dienstleistung durch Heimwerker, Verdrängungswettbewerb zugunsten<br />

von Industrie (Standardfertigung mit erleichtertem Einbau) und Handel (Serviceleistungen<br />

nach Verkauf), auch Verdrängungswettbewerb durch kommunale Dienstleister und<br />

freie Berufe; zudem Konkurrenz durch „EU-Handwerker“ mit Schutz der Grundfreiheiten<br />

– Zielsetzung des Handwerks im allgemeinen:<br />

• anders als im Gewerberecht nicht Schwerpunkt der Gefahrenabwehr und Ordnung der<br />

Wirtschaftstätigkeit (aber: indirekt durch Qualitätssicherung i.S.v. Zulassungskontrolle<br />

qualifizierter Gewerbetreibender), sondern<br />

• Erhaltung des Leistungsstands und der Leistungsfähigkeit des Handwerks an sich –><br />

Mittelstandsschutz und Qualitätssicherung der Leistung auf kleiner betrieblicher Ebene,<br />

außerdem Sicherung des Nachwuchses für die gewerbliche Wirtschaft durch Ausbildungsleistung<br />

des Handwerks<br />

• Ziel der HwO daher: (1) Strukturpolitik, (2) Berufsstands-Schutz, (3) Qualitätssicherung<br />

durch Zugangsbeschränkung, damit indirekt auch Verbraucherschutz; nicht: Zuverlässigkeit<br />

i.S.v. ordnungsgemäßer Gewerbetätigkeit –> keine Zuverlässigkeitsregelung in HwO,<br />

daher Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO als lex-generalis-Ergänzung anwendbar<br />

– Besondere Zielsetzung hat zur Folge, daß HwO im Grundsatz von einer besonderen Zulassung<br />

zum Beruf ausgeht und diese im Nachweis der Befähigung sieht, das konkrete Handwerksgewerbe<br />

selbständig auszuüben –> Großer Befähigungsnachweis, d.h. (seit 1935) Bestehen<br />

der Meisterprüfung mit Meisterbrief erforderlich; Voraussetzung hierfür wiederum:<br />

Gesellenprüfung (früher mit mehrjähriger Berufspraxis) bzw. mehrjährige einschlägige Berufstätigkeit


– 60 –<br />

– Daher doppelte Problemstellung dieser Festlegung auf qualitativ besonders anspruchsvolle<br />

Gewerbeerlaubnis:<br />

• 1. Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit für Angehöriger anderer Mitgliedstaaten der<br />

EU, die Befähigungsnachweis nicht besitzen, aber nach dem Recht ihres Mitgliedstaates<br />

den Handwerksberuf legal ausüben können (oben –> BVerfG, GewArch. 2006, 71 ff.)<br />

• 2. nationale Beschränkung der freien Berufstätigkeit für Deutsche –> Art. 12 Abs. 1 GG<br />

– 1. Problem der Niederlassungsfreiheit (wenn dauerhafter Tätigkeitsaufenthalt in Deutschland)<br />

bzw. (zumeist) der Dienstleistungsfreiheit (wenn – im Sinn aktiver D. – ausländischer<br />

Handwerker Dienstleistung in Deutschland erbringen will, Betrieb aber im Mitgliedstaat<br />

aufrechterhält). Hierbei gilt:<br />

• Art. 57 Abs. 2 lit. c) AEUV schließt handwerkliche Tätigkeiten ausdrücklich in den Schutzbereich<br />

der Dienstleistungsfreiheit ein<br />

• Binnenmarktprinzip gestattet Angehörigen eines Mitgliedstaats Handwerkertätigkeit in<br />

Deutschland nach Maßstäben, die im Heimatstaat des Handwerkers gelten. Dort Ausübung<br />

des Handwerkerberufs regelmäßig – ausgenommen Luxemburg – ohne Meisterprüfung<br />

o.ä. zulässig. Außerdem verbietet Art. 56 AEUV dem Mitgliedstaat, daß die Verrichtung<br />

handwerklicher Leistungen dadurch erschwert, verzögert oder anderweitig unmöglich<br />

gemacht werden darf, daß besondere Erlaubnis eingeholt werden muß oder bestimmte<br />

Registrierungsformen mit besonderem Zeitaufwand oder Kostenaufwand eingehalten<br />

werden müssen. Mitgliedstaat darf zwar eine Registrierung verlangen, aber daran<br />

keine aufwendigen Verwaltungsverfahren oder Zwangsmitgliedschaften anknüpfen.<br />

• Gegenseitige Anerkennung von Befähigungsnachweisen in Art. 53 AEUV (i.V.m. Art. 62<br />

AEUV) –> standardisierte Öffnung des Dienstleistungsmarktes durch mehrere Richtlinien<br />

(z.B. RL 89/48/EWG des Rates vom 21.12.1988, ABl. 1989, L 19/16 ff. [zuletzt geändert durch RL 2001/19/EG vom<br />

14.5.2001, ABl. L 206/1] über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens<br />

dreijährige Berufsausbildung abschließen; RL 92/51/EWG vom 18.6.1992, ABl. 1992, L 209/25 ff. [zuletzt<br />

geändert durch VO (EG) Nr. 1882/2003 vom 29.9.2003, ABl. L 284/1] über eine zweite allgemeine Regelung zur<br />

Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG; RL 1999/42/EG des<br />

Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.6.1999 über ein Verfahren zur Anerkennung der Befähigungsnachweise<br />

für die unter die Liberalisierungs- und Übergangsrichtlinien fallenden Berufstätigkeiten in Ergänzung<br />

der allgemeinen Regelung zur Anerkennung der Befähigungsnachweise, ABl. 1999, L 201/77 ff.)<br />

• Dort Anerkennung eines beruflichen Befähigungsnachweises des jeweiligen Mitgliedstaates<br />

oder sechsjährige Berufserfahrung in selbständiger oder leitender Stellung; falls dreijährige<br />

Ausbildung oder fünfjährige Berufspraxis vorausgeht, reicht dreijährige Berufserfahrung<br />

aus => nationale Pflicht zur Anerkennung von Berufserfahrungen, die in einem<br />

anderen Mitgliedstaat erworben worden sind; evtl. Anpassungslehrgang oder Eignungsprüfung<br />

in Deutschland –> § 9 HwO + VO, –> ergänzend § 50a HwO<br />

• insoweit aber Problem für deutsche Handwerker (auch für sie gilt Unionsrecht mit § 9<br />

HwO): Anforderungen an großen Befähigungsnachweis = Meisterprüfung weitaus höher<br />

als ausländische Qualifikationen (und zudem teuer und zeitaufwendig) –> Inländerdiskriminierung<br />

(umgekehrte Diskriminierung)? –> Albers<br />

• nach Unionsrecht: unerheblich, da nicht Gegenstand des Primärrechts (Art. 56 AEUV),<br />

weil nicht auf grenzüberschreitende Sachverhalte angelegt; Mitgliedstaat kann für eigene<br />

Angehörige höhere Anforderungen stellen (allerdings nicht mehr unbestritten)<br />

• nach Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1 GG: Willkürverbot, wonach eigene Staatsangehörige<br />

schlechter gestellt werden beim Zugang zum Beruf als Angehörige von EG-Mitgliedstaaten.<br />

Rspr.: Bindungswirkung nur im Rahmen des eigenen Herrschaftsbereichs, d.h. eigenständige<br />

nationale Rechtsetzung; daher Rechtfertigung eben durch besondere Bedingungen<br />

des Unionsrechts gegeben (Art und Gewicht der Differenzierung tragfähig); Schrifttum:<br />

keine Rechtfertigung unterschiedlicher Behandlung anhand der Unionsbürgerschaft<br />

bzw. Staatsangehörigkeit erkennbar, daher Diskriminierung unzulässig<br />

– 2. Neben Art. 3 Abs. 1 GG auch Art. 12 Abs. 1 GG einschlägig, allerdings isoliert auf Rechtfertigung<br />

für Berufswahlschranke bezogen (subjektive Zulassungsvoraussetzung)<br />

• BVerfG frühzeitig für Verfassungsmäßigkeit des Großen Befähigungsnachweises (E 13, 97<br />

ff.), auch und gerade unter wirtschaftspolitischer und ausbildungsbezogener Zielrichtung;<br />

seither freilich erhebliche Änderung der Handwerkstätigkeit, u.a. Ausdifferenzierung der<br />

Berufstypik und ihrer Inhalte, außerdem Verschiebung der Schnittstellen zur industriellen<br />

Produktion; zudem durch jüngste Handwerksnovelle 2004 Akzentuierung bzw. Rückbesinnung<br />

der tragenden Elemente der Handwerksordnung auf ordnungsrechtliche und


– 61 –<br />

gefahrenabwehrrechtliche Aspekte. Daher: BVerfG verschärft nunmehr Kontrolle der Verhältnismäßigkeit<br />

handwerklicher Reglementierung und zwingt Verwaltung zu einzelfallbezogenem<br />

Prüfverfahren zugunsten von Zulassungserleichterungen<br />

– Anwendungsbereich der HwO im einzelnen (bedeutsam für: Meisterzwang, der über Zugang<br />

zum Handwerksberuf entscheidet; Zugehörigkeit zur Handwerkskammer mit Zwangsmitgliedschaft<br />

und Beitragspflicht; Mitgliedschaft in der Innungskrankenkasse der Handwerker<br />

[freiwillig])<br />

• Verhältnis HwO – GewO, § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO: Betrieb als stehendes Gewerbe –> Gewerbebegriff<br />

mit Niederlassung (§ 42 GewO) Voraussetzung. Aber Handwerkstätigkeit<br />

auch im Reisegewerbe zulässig, selbst wenn Betreiber keinen Befähigungsnachweis hat<br />

• Abgrenzungsfragen: auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit?, nicht-gewerbliche, weil<br />

freiberufliche Tätigkeit?, nicht-gewerbliche, weil künstlerische Tätigkeit?<br />

• Betrieb eines Handwerks-Gewerbes: mangels geeigneter Definitionselemente keine Regelung<br />

im Gesetz => dynamischer Handwerksbegriff mit Katalogregelung der einbezogenen<br />

und daher handwerklichen Gewerbetätigkeiten.<br />

• Def.: Handwerksbetrieb liegt vor, wenn das betriebene Gewerbe handwerksfähig und dabei<br />

handwerksmäßig betrieben wird (beachte: ist nicht zwingend Voraussetzung für Zulassungsvorschriften,<br />

da HwO zwischen zulassungspflichtigem und nichtzulassungspflichtigem<br />

Handwerk unterscheidet)<br />

– Handwerksfähigkeit des Gewerbes, enthält qualitative und quantitative Anforderungen:<br />

• qualitativ = welche Tätigkeit? –> Anlage A für zulassungspflichtige Handwerke, nach Ermächtigung<br />

in § 1 Abs. 3 HwO änderungsfähig, allerdings nicht ergänzungsfähig durch<br />

Verwaltung. Wer eine dem Berufsbild einer der in Anlage A festgelegten Tätigkeiten (Kriterium:<br />

Gefahrenpotential für Leben oder Gesundheit Dritter) vollständig ausgeübte Tätigkeit<br />

wahrnimmt, ist Handwerker und daher zulassungspflichtig, d.h. meisterpflichtig<br />

• Abgrenzung zur nicht vollständigen Ausübung eines solchen Handwerks: auch Ausübung<br />

wesentlicher Tätigkeiten reicht aus, nicht aber unwesentliche Tätigkeit (Erlernbarkeit<br />

innerhalb eines Zeitraums von weniger als drei Monaten bzw. längere Anlernzeit, aber<br />

nebensächliche Inhalte, weil unwesentlich, untypisch oder hilfsweise)<br />

• ebenfalls handwerksfähig, aber nicht zulassungspflichtig, sind bestimmte Tätigkeit mit<br />

geringem Gefahrenpotential, die über § 18 HwO entweder zulassungsfrei gestellt sind<br />

= kein Meisterzwang –> Anlage B Abschnitt 1 = zulassungsfreies Handwerk, oder zulassungsfrei<br />

gestellt sind = kein Meisterzwang und darüber hinaus von geringer wirtschaftlicher<br />

Bedeutung –> Anlage B Abschnitt 2 = handwerksähnliches Gewerbe<br />

– Handwerksmäßigkeit des Gewerbes, § 1 Abs. 2 Satz 1 HwO, fordert handwerksmäßigen Betrieb<br />

–> Abgrenzung gegenüber Industriebetrieb: nicht jedes Gewerbe der Anlage A bzw. B<br />

erster Abschnitt muß als Handwerk betrieben werden.<br />

• Abgrenzung zwischen Handwerk und Industrie nach Gesamtbild und Struktur des konkreten<br />

Betriebs, dabei gängige Kriterien: Arbeitsteilung, Kapitaleinsatz, Handarbeit, Beschäftigungszahl,<br />

Betriebsgröße, Ausgestaltung des Inhalts der Tätigkeit, Fertigungsvariabilität,<br />

Arbeitssteuerung durch Kunden, Absatzmarktbegrenzung<br />

• Kriterien daher für Handwerksbetrieb: primär handwerkliche Tätigkeit, kein reiner Maschineneinsatz<br />

=> Handarbeit; hohe Flexibilität und Kreativität, da im Wesentlichen Sonderanfertigung<br />

für den einzelnen Kunden => Maßanfertigung; hoher Anteil an Mitarbeit,<br />

Kenntnis und Fähigkeiten des Inhabers des Handwerksgewerbes => Meisterpräsenz<br />

– Formen des Handwerksbetriebs:<br />

• als Hauptbetrieb i.S.v. § 1 Abs. 1 HwO, der natürlichen Personen, Personengesellschaften<br />

und juristischen Personen zugänglich ist und auch gewerbliche Betriebe des Staates<br />

(Bund/Länder/Gemeinden) einschließt, § 2 Nr. 1 HwO. Dabei können in einem (Haupt-)<br />

Betrieb selbstverständlich verschiedene Handwerke nebeneinander ausgeübt werden<br />

• als Nebenbetrieb, § 2 Nr. 2, 3 HwO –> Definition in § 3 Abs. 1 HwO; abgrenzbare Einheit,<br />

die nach Aufgabe und Einrichtung eine gewisse Eigenständigkeit hat, also nicht nur unselbständige<br />

Abteilung ist; außerdem muß dienende Funktion zum Hauptbetrieb bestehen<br />

–> aus Sicht von außen (Kunde) zweckmäßige Ergänzung und Erweiterung der Leistungen<br />

des Hauptbetriebs. Dabei immer Voraussetzung: handwerklicher Betriebsteil hat eigenen


– 62 –<br />

Zugang zum Markt. Folgen als Nebenbetrieb: selbst Handwerksbetrieb, auch wenn z.B.<br />

mit Handelsgewerbe verbunden –> Meisterpflicht, Kammerzwang usw.<br />

• Ausnahme, wenn Nebenbetrieb unerheblich i.S.v. § 3 Abs. 2 HwO (Herausnahme der<br />

Feierabend-Handwerker).<br />

• Auch ausgenommen, wenn nur Hilfsbetrieb i.S.v. § 3 Abs. 3 HwO = unselbständige Handwerksbetriebe,<br />

deren Zweck allein die Zuarbeit zum Hauptgewerbe ist („Angebot aus einer<br />

Hand“) und der keinen eigenen Zugang zum Markt hat oder nur untergeordnete Arbeiten<br />

(Serviceleistung) gegenüber dem Kunden erbringt; Folge als Hilfsbetrieb: selbst kein<br />

Handwerksbetrieb, daher kein Meisterzwang und keine Kammerzugehörigkeit<br />

II. Der Handwerksbetrieb und seine Voraussetzungen im einzelnen<br />

– Systematik der HwO:<br />

• (1) wenn handwerksfähig und handwerksmäßig i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 1 HwO => § 1 Abs. 1<br />

HwO, Zulassungspflicht durch Gewerbeerlaubnis in Form der Eintragung in die Handwerksrolle<br />

(§ 6 HwO)<br />

• (2) wenn zulassungsfreies handwerksfähiges Gewerbe i.S.v. § 18 Abs. 2 Satz 1 (m. Anlage<br />

B 1) => keine Zulassungspflicht, keine Eintragung in Handwerksrolle, aber Anzeigepflicht<br />

(§ 18 Abs. 1 Satz 1 HwO)<br />

• (3) wenn handwerksähnliches Gewerbe i.S.v. § 18 Abs. 2 Satz 2 HwO (m. Anlage B 2) =><br />

keine Zulassungspflicht, keine Eintragung in Handwerksrolle, aber Anzeigepflicht (§ 18<br />

Abs. 1 Satz 1 HwO)<br />

• (4) wenn Hilfsbetrieb (§ 3 Abs. 3 HwO) oder Minderhandwerk (§ 1 Abs. 2 Satz 2 HwO) =><br />

keine Anwendbarkeit der HwO, daher GewO einschlägig<br />

– (zu 1) § 1 Abs. 1 HwO, Zulassungspflicht i.S.v. Gewerbeerlaubnis durch Eintragung in die<br />

Handwerksrolle = von der Handwerkskammer geführtes Verzeichnis (§ 6 HwO), das als mit<br />

öffentlichem Glauben ausgestattetes Register ausgestaltet ist –> Beweisfunktion für und<br />

gegen jedermann über die Richtigkeit der dort enthaltenen Tatsachen (§ 7 HwO – Betriebsleiterprinzip)<br />

• Konsequenzen der Eintragung: Mitteilung der Eintragung, § 11 HwO (VA), danach Bescheinigung<br />

über erfolgte Eintragung an den Handwerker = Handwerkskarte, § 10 Abs. 2<br />

HwO (VA); Anspruch auf Einzelauskunft, § 6 Abs. 2 HwO<br />

• Voraussetzung der Eintragung: Großer Befähigungsnachweis durch Meisterprüfung, §§ 45<br />

ff. HwO, dabei nachzuweisen (§ 45 Abs. 3 HwO): 1. meisterhafte Verrichtung der wesentlichen<br />

Tätigkeiten des ausgeübten Handwerks, 2. Besitz der erforderlichen fachtheoretischen<br />

Kenntnisse, 3. Besitz der erforderlichen betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen<br />

und rechtlichen Kenntnisse, 4. Besitz der erforderlichen berufs- und arbeitspädagogischen<br />

Kenntnisse (–> Ausbildungsqualifikation)<br />

• jeder Prüfungsteil kann einzeln und zeitlich getrennt vor unterschiedlichen Prüfungsausschüssen<br />

abgelegt werden; er ist jeweils als VA anzusehen und daher einzeln anfechtbar<br />

• Zur Meisterprüfung wird zugelassen: Geselle mit Prüfung, auch in einem anderen Handwerk,<br />

dann aber nur nach maximal dreijähriger Berufstätigkeit; Bewerber mit fachlich<br />

gleichwertigen Qualifikationen, wenn anerkannt<br />

• Prüfung erfolgt durch Meisterprüfungsausschüsse, d.h. staatliche Behörden am Sitz der<br />

Handwerkskammer => Berechtigung zum Führen des Meistertitels, § 51 HwO; falls widerrechtlich<br />

geführt, Bußgeld nach § 117 HwO. Merke: Führung des Meistertitels nicht durch<br />

Eintragung in die Handwerksrolle über Ausnahmeregelung zu erwerben, daher dann auch<br />

keine Berechtigung zur Lehrlingsausbildung<br />

– zwar nach § 7 Abs. 1a HwO grundsätzlich Voraussetzung, daß Eintragung in Handwerksrolle<br />

Meisterprüfung voraussetzt; aber daneben Ausnahmen von der konkreten Meisterpflicht<br />

(Separationsgrundsatz), dort ebenfalls Eintragung in die Handwerksrolle:<br />

• § 7 Abs. 1 HwO, verwandte Handwerke, die dann zusammen im vollen Umfang ausgeübt<br />

werden können<br />

• § 7 a HwO, Ausübungsberechtigung, um Erweiterung des Leistungsangebots zu ermöglichen,<br />

wenn Kenntnisse hierfür nachgewiesen werden<br />

• § 7 b HwO (seit 2004), Ausübungsberechtigung für „Altgesellen“


– 63 –<br />

• § 8 HwO, klassische Ausnahmebewilligung (infolge –> BVerfG [GewArch. 2006, 71 ff.]<br />

verfassungspraktisch parallele Normalität zum Meisterzwang)<br />

• § 9 HwO, Ausnahmebewilligung für EG/EWR-Angehörige (ergänzend zu § 7 Abs. 2a HwO,<br />

dort allgemeine Eintragung) durch höhere Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Handwerkskammer<br />

– von besonderer Bedeutung dabei die Ausnahmen (2) § 7b HwO und (3) § 8 HwO<br />

• (zu 2) besondere Ausübungsberechtigung für bestimmte zulassungspflichtige Handwerke<br />

(Anlage A, aber nicht Nr. 12, 33–37) –> Anspruch der Gesellen auf Handwerkerrolleneintragung<br />

(§ 7 Abs. 7 HwO) unter bestimmten Voraussetzungen. Sinn und Zweck: Angleichung<br />

an Rechtsstatus der EG-Angehörigen (nach RL) bezweckt, daneben Lockerung des<br />

Berufszugangs allgemein –> mittelfristig faktische Beseitigung der Meisterpflicht für die<br />

erfaßten Handwerke möglich<br />

• (zu 3) Ausnahmebewilligung (klassischer Fall) für alle zulassungspflichtigen Handwerke<br />

–> Anspruch auf Eintragung in die Handwerksrolle (§ 8 HwO), wenn 1. die zur selbständigen<br />

Ausübung des jeweiligen Handwerks notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten nachgewiesen<br />

werden (z.B. durch Zusatzkurse im Handwerksberuf, Fachstudium) und 2. der<br />

(normale) Weg über eine Meisterprüfung für den Antragsteller eine unzumutbare Belastung<br />

darstellt oder der Antragsteller bereits eine qualitativ vergleichbare Prüfung bestanden<br />

hat (z.B. bei: gesundheitlichen Gründen, körperlicher Beeinträchtigung, fortgeschrittenem<br />

Alter, drohender Arbeitslosigkeit wegen Betriebsschließung, nicht: nicht bestandene<br />

Meisterprüfung). Dabei beachtlich Zeitpunkt der Antragstellung, nicht Verhalten<br />

in der Vergangenheit<br />

III. Überwachung, Untersagung und Löschung<br />

– Gewerbetreibende, die in die Handwerksrolle eingetragen sind oder eingetragen werden müssen<br />

–> § 7 HwO, unterliegen der Überwachung durch die Handwerkskammer, § 17 HwO<br />

• Auskunftspflicht über Art und Umfang des Betriebs, Zahl der dort beschäftigten Personen,<br />

Prüfungen des Betriebsinhabers und Betriebsleiters und Ausgestaltung des vertraglichen<br />

Betriebsleiterverhältnisses; letzteres auf Eignungsvoraussetzungen nach § 1 HwO zurückzuführen,<br />

treffen Betriebsleiter bei größerem Unternehmen, der nach vertraglicher Einordnung<br />

bestimmenden Einfluß auf Handwerkstätigkeit im Betrieb nehmen können und<br />

außerdem die ihm übertragenen Leistungen und Aufgaben auch tatsächlich wahrnehmen<br />

können muß; problematisch bei Zweigstellen oder Außenniederlassungen größerer Unternehmen<br />

=> u.U. Pflicht zur Bestellung eines jeweils eigenen Handwerks-Betriebsleiters<br />

• Duldungspflicht für Betreten und Überprüfen des Betriebs durch die Beauftragten der<br />

Handwerkskammer, § 17 Abs. 2 HwO<br />

– Bei Ausübung des Handwerksbetriebs entgegen den Vorschriften der HwO – zumeist, weil<br />

Gewerbetreibender zulassungspflichtiges Handwerk betreibt und nicht in die Handwerksrolle<br />

eingetragen ist oder bei größeren Handwerksbetrieben nicht die geforderte Qualifikation<br />

erfüllt – kann Gewerbeaufsichtsbehörde von Amts wegen oder auf Antrag der Handwerkskammer<br />

Fortsetzung des Betriebs untersagen, § 16 Abs. 3 HwO. Kommt Handwerksunternehmen<br />

dieser (bestandskräftigen) Untersagungsverfügung nicht nach => Schließungsbefugnis,<br />

§ 16 Abs. 9 HwO<br />

– Löschung des Eintrags in die Handwerksrolle, wenn Voraussetzungen für Eintragung nicht<br />

bzw. nicht mehr vorliegen, auf Antrag des Handwerkers oder der IHK oder von Amts wegen;<br />

Gründe:<br />

• wirksame Untersagung des Handwerks<br />

• Verlust der Zulassungsvoraussetzungen, z.B. des Meistertitels oder der Ausnahmebewilligung,<br />

weil durch Betrug oder Urkundenfälschung erlangt<br />

• Verlust der Zulassungsvoraussetzungen bei EG-Handwerkern nach deren Heimatrecht<br />

• Handwerker stirbt und kein Fall des § 4 HwO –> Hinterbliebenenprivileg, setzt aber unverzügliche<br />

Bestellung eines qualifizierten Betriebsleiters voraus


– 64 –<br />

Löschungsverfahren in zwei Stufen: (1) Mitteilung der beabsichtigten Löschung, § 13 Abs. 3<br />

HwO (VA), (2) Löschung als Realakt, kann nicht angefochten werden, § 13 Abs. 4 => Rückgabe<br />

der Handwerkerkarte<br />

IV. Die Berufsausbildung im Handwerk<br />

– grundsätzlich sind in den gewerberechtlichen Vorschriften keine Regelungen über die berufliche<br />

Ausbildung, Fortbildung und Umschulung enthalten –> Berufsbildungsgesetz<br />

(BBiG), das im Kern das Lehrlingsvertragsrecht und die Gesellenprüfung regelt. Aber: Wegen<br />

engen Zusammenhangs von HwO (mit Meisterprüfungsregeln, §§ 45 ff.) und Handwerksausbildung<br />

ist Berufsbildung im Handwerk im Zweiten Teil der HwO geregelt, der nach § 73<br />

BBiG lex specialis zur allgemeinen Berufsbildung ist<br />

– Grundsätze hierfür:<br />

• für Ausbildung im Handwerk besondere Qualifikationen erforderlich, (1) persönliche und<br />

fachliche Eignung, § 21 HwO –> im zulassungspflichtigen Handwerk grundsätzlich nur<br />

Meister oder in die Handwerksrolle Eingetragener; im zulassungsfreien Handwerk oder<br />

handwerksähnlichen Gewerbe ebenfalls Meister, daneben auch Geselle, gleich qualifizierter<br />

Ingenieur mit praktischer Berufserfahrung oder Fachkundiger nach besonderer Prüfung<br />

(§ 76 BBiG)<br />

• betriebliche Eignung des Handwerks, u.a. Ausstattung und Größe (wegen Zahl der Azubis)<br />

– Inhalte der Ausbildung in Gestalt sog. Berufsbilder in Ausbildungsordnungen (VO) festgelegt,<br />

die die einzelnen Ausbildungsberufe definieren, sie inhaltlich strukturieren und die<br />

Ausbildungsziele bestimmen, ebenso die Länge der erforderlichen Ausbildung (§ 25 HwO)<br />

– auch Prüfungswesen wird (inhaltsgleich zu den kaufmännischen Ausbildungsberufen) festgelegt,<br />

§§ 31 ff. HwO<br />

V. Die Organisation des Handwerks in Selbstverwaltung<br />

– allgemein –> ArbBl. § 3 – Wirtschaftsverwaltung, dort Grundstrukturen der Selbstverwaltung<br />

i.S.v. mittelbarer Staatsverwaltung. Hier nur Besonderheiten im Handwerk: Förderung<br />

der Interessen des Handwerks und Vollzug der HwO – neben den Behörden der Gewerbeaufsicht<br />

– auf doppelter Organisationsebene<br />

• durch Handwerkskammern, die auf höherer Ebene nicht öffentlich-rechtlich organisiert<br />

sind (Deutscher Handwerkskammertag, e.V.) = Zusammenfassung aller selbständigen<br />

Handwerker auf der Ebene höherer Verwaltungsbehörden; vgl. (1) HwK Ostmecklenburg-<br />

Vorpommern in Rostock bzw. Neubrandenburg, (2) HwK Westmecklenburg in Schwerin<br />

• durch Handwerksinnungen und ihre regionalen Untergliederungen = Kreishandwerkerschaft,<br />

auf Landes- und Bundesebene zusammengefaßt durch Landesinnungsverband und<br />

Bundesinnungsverband (§§ 79 ff., 85 HwO) –> Zusammenfassung aller Handwerke nach<br />

fachlicher Gliederung<br />

– Handwerkskammer: Zwangskörperschaft (§ 90 Abs. 2 HwO) mit Beitragspflicht für selbständige<br />

Handwerker, Inhaber handwerksähnlicher Betriebe, Gesellen, andere Arbeitnehmer mit<br />

abgeschlossener Berufsausbildung, Lehrlinge dieser Handwerkstreibenden<br />

• Aufgaben (§ 91 HwO): Interessenvertretung, vor allem auf Bundesebene gegenüber Gesetzgeber,<br />

Ordnung nach innen, Wahrnehmung von staatlichen Vollzugs-Verwaltungsaufgaben<br />

(Pflichtaufgaben, § 91 Abs. 1 HwO, bzw. freiwillige Aufgaben, z.B. Rechtsberatung,<br />

Steuerberatung, Kammerzeitung)<br />

– Handwerksinnungen: freiwillige Zusammenschlüsse, § 52 Abs. 1 Satz 1 HwO mit Gebietsmonopol;<br />

Innungsbezirk mindestens Landkreis (dort Kreishandwerkerschaft mit fachlicher<br />

Konzentration); dazu Dürr, GewArch. 2009, 54 ff.<br />

• Aufgaben der Innung (§ 54 HwO): Förderung der gemeinsamen handwerklichen Interessen,<br />

insbesondere Regelung und Überwachung der Lehrlingsausbildung, Abnahme von


– 65 –<br />

Gesellenprüfungen, Abschluß von Tarifverträgen, Einrichtung von handwerklichen Unterstützungskassen,<br />

Einrichtung von Krankenkassen für Mitglieder und Angehörige, Öffentlichkeitsarbeit<br />

für das jeweilige Handwerk

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