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Word-Vorlage Lösungsskizze Klausurenkurs - Universität zu Köln

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<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Köln</strong> September 2013<br />

Großer Examens- und <strong>Klausurenkurs</strong><br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Preis<br />

Prof. Dr. Hanns Prütting<br />

Prof. Dr. Michael Sachs<br />

Prof. Dr. Thomas Weigend<br />

B – 575 Falsches Spiel Strafrecht<br />

Besprecher:<br />

Bearbeiter:<br />

VorsRiLG Dr. Norbert Falkenstein<br />

Swantje Kreuzner (Großer Examens- und <strong>Klausurenkurs</strong>)<br />

Rechtsfragen:<br />

─ Konkrete Vermögensgefährdung als Schaden i.S.d. § 263 StGB<br />

─ Naturalobligation i.S.d. § 762 BGB und Vermögensverfügung<br />

─ Konkludente Täuschung bei § 263 StGB<br />

─ Deliktscharakter des § 186 StGB und teleologische Reduktion<br />

─ Rechtswidrigkeit der Zueignung i.S.d. § 249 StGB bei fälligem und durchsetzbarem Anspruch des Täters<br />

─ Auslegung des Qualifikationsmerkmals „gemeinschaftlich“ i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB<br />

─ Rechtliche Behandlung eines Erlaubnistatumstandsirrtums<br />

─ Konkurrenzen: Grundsätze der Rechtsprechung <strong>zu</strong>r natürlichen Handlungseinheit<br />

L ö s u n g s v o r s c h l a g:<br />

1. Tatkomplex: Das Skatspiel – Strafbarkeit des A<br />

A. Betrug, § 263 Abs. 1 StGB<br />

A könnte sich gemäß § 263 Abs. 1 StGB gegenüber und <strong>zu</strong>lasten von B und C strafbar gemacht haben, indem er<br />

manipulierte Karten im Skatspiel einsetzte, an der Spielrunde teilnahm und sagte er sei gespannt, wem das<br />

Schicksal besonders gut gesonnen ist.<br />

I. Objektiver Tatbestand<br />

1. Tathandlung: Täuschen über Tatsachen<br />

Fraglich ist bereits, ob A B und C über Tatsachen getäuscht hat. Täuschen i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB ist jedes Verhalten,<br />

durch das im Wege einer Einwirkung auf das intellektuelle Vorstellungsbild eines anderen eine Fehlvorstellung<br />

über Tatsachen erregt werden kann. 1 Als Be<strong>zu</strong>gspunkt kommt hier die Tatsache in Betracht, dass sich der<br />

Teilnehmer an die Spielregeln hält. Da<strong>zu</strong> zählt auch ein Verzicht auf eine Manipulation der Karten.<br />

Anm.:<br />

Der Gesetzeswortlaut ist <strong>zu</strong>r Beschreibung der Tathandlung des § 263 StGB wenig brauchbar. 2 Der Bearbeiter<br />

sollte daher eine Definition heranziehen, welche das entscheidende Kriterium „Einwirken auf ein fremdes<br />

Vorstellungsbild“ enthält.<br />

A äußerte gegenüber B und C, er sei gespannt, wem das Schicksal besonders gut gesonnen ist. Damit brachte er<br />

<strong>zu</strong>m Ausdruck, dass auch er sich auf das „Glück der Karten“ einlässt, was wiederum eine Manipulation seinerseits<br />

der Karten ausschließt. Somit hat er B und C darüber getäuscht, ehrlich unter Einsatz von Glück und Können um<br />

den Gewinn <strong>zu</strong> spielen.<br />

Anm.:<br />

Andere Sachverhaltsdeutung vertretbar. Wem diese Äußerung als Täuschungshandlung nicht ausreicht, muss<br />

mit einer konkludenten Täuschung über Einhaltung der Spielregeln durch Teilnahme am Spiel arbeiten.<br />

1<br />

2<br />

Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 28. Aufl. 2010, § 263 Rdn. 6.<br />

Vgl. auch: Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263 Rdn. 7.


2. Zwischenerfolg: Irrtum<br />

2 B – 575<br />

Täuschungsbedingt müssten B und C einem Irrtum als einer Fehlvorstellung über Tatsachen 3 unterlegen sein. B<br />

und C haben sich zwar über die Bedingungen des Spiels, <strong>zu</strong> denen auch die Manipulationsfreiheit gehört, nicht<br />

vertieft Gedanken gemacht. Es reicht aber aus, wenn der Getäuschte <strong>zu</strong>mindest am Rande seines Bewusstseins<br />

aufgrund der ihm bewussten Sachlage davon ausgeht, es sei „alles in Ordnung“. 4 Grundsätzlich ist aber die allgemeine<br />

Vorstellung, der Vertragspartner werde sich wohl redlich verhalten für die Annahme eines Irrtums i.S.d.<br />

§ 263 StGB nicht ausreichend.<br />

Für die Frage, ob eine Tatsache von diesem sog. sachgedanklichen Mitbewusstsein erfasst ist, kommt es auf die<br />

für beide Parteien wesentlichen Umstände in der konkreten Tatsituation an. Bei dem Skatspiel um Geld handelt es<br />

sich zivilrechtlich um einen sog. aleatorischen Vertrag. Dafür ist charakteristisch, dass die beiderseitige Übernahme<br />

des Risikos und die Abhängigkeit des Pflichtenprogramms vom Zufall oder von subjektiver Ungewissheit<br />

Hauptgegenstand und Merkmal der Vereinbarung sind. 5 Infolge des diesem Rechtsgeschäft eigenen Unsicherheitselements<br />

ist die Person desjenigen, der letztlich effektiv <strong>zu</strong> leisten hat, bei Abschluss des Vertrags ungewiss.<br />

Deshalb übernehmen zwar alle Vertragsparteien eine bedingte oder <strong>zu</strong>mindest subjektiv ungewisse Verpflichtung,<br />

allerdings soll nur eine Partei diese beanspruchen können.<br />

Essentielle Vorausset<strong>zu</strong>ng in der konkreten Tatsituation ist also für B und C unausgesprochen, dass die Verwirklichung<br />

des von allen Seiten übernommenen Risikos subjektiv ungewiss ist und alle Parteien insoweit entgegengesetzte<br />

Erwartungshaltungen haben. 6 Damit ist die Ausgangslage wesentlich von der Bereitschaft <strong>zu</strong>r Übernahme<br />

eines Verlustrisikos auf beiden Seiten geprägt. Folglich gingen B und C jedenfalls unausgesprochen davon aus,<br />

dass A ehrlich und ohne Einsatz von Manipulationen und damit mit gleichem Verlustrisiko wie sie beide am Spiel<br />

teilnehmen werde und unterlagen deshalb einem Irrtum, da dieser in Wahrheit die Karten manipuliert hatte.<br />

3. Taugliches Opferverhalten: Irrtumsbedingte Vermögensverfügung<br />

Fraglich ist, ob B und C irrtumsbedingt eine Vermögensverfügung vorgenommen haben. Das setzt ein Tun oder<br />

Unterlassen voraus, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt. 7<br />

a) Zahlung der Spielschuld des B an C<br />

Die vermögensmindernde Zahlung der Spielschuld des B an C ist jedenfalls nicht kausal durch den Irrtum bedingt,<br />

sondern durch das geschickte Spiel des C. Diese Handlung kommt als tatbestandsmäßige Vermögensverfügung<br />

deshalb nicht in Betracht.<br />

b) Teilnahme von B und C am Spiel<br />

Allerdings könnte bereits die Teilnahme am Spiel eine Vermögensverfügung seitens B und C darstellen. Diese<br />

könnte dadurch begründet sein, dass die Gewinnchancen für B und C nach Manipulation der Karten durch A und<br />

dessen Teilnahme am Spiel mit überlegenem Wissen schlechter geworden sind.<br />

aa)<br />

Schadensgleiche Vermögensgefährdung<br />

Dadurch könnte eine schadensgleiche Vermögensgefährdung bzw. ein sog. Gefährdungsschaden eingetreten<br />

sein. Von einer schadensgleichen Vermögensgefährdung ist nur dann aus<strong>zu</strong>gehen, wenn die Gefahr eines endgültigen<br />

Vermögensverlustes so groß ist, dass sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits als Vermögensminderung<br />

an<strong>zu</strong>sehen ist. 8 Dies setzt voraus, dass das Opfer ernstlich mit wirtschaftlichen Nachteilen <strong>zu</strong> rechnen hat. 9<br />

Nicht ausreichend ist, wenn eine endgültige Vermögensminderung lediglich möglich, aber nicht überwiegend wahrscheinlich<br />

ist. 10<br />

(1) Kein Erfüllungsanspruch wegen § 762 BGB<br />

Einer konkreten Vermögensgefährdung durch Teilnahme am Spiel könnte hier entgegenstehen, dass mit dem<br />

Skatspiel wegen § 762 BGB ohnehin keine Verbindlichkeit des Verlierers <strong>zu</strong>r Zahlung begründet werden kann.<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263 Rdn. 33.<br />

Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, Strafgesetzbuch, Bd. 2, 4. Aufl. 2013, § 263 Rdn. 174. Zur Kommentierung bei<br />

Kindhäuser sei angemerkt, dass dieser den Betrugstatbestand als „vertypte mittelbare Täterschaft“ versteht.<br />

Habersack, in: Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 5, 5. Aufl. 2009, § 762 Rdn. 4.<br />

Habersack, in: MünchKomm, BGB, Bd. 5, § 762 Rdn. 5f.<br />

Kindhäuser, in: NK-StGB, Bd. 2, § 263 Rdn. 197.<br />

Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263 Rdn. 143 (m.w.N.).<br />

Vgl. nur BGHSt 21, 112 (113); 34, 394 (395).<br />

Vgl. BGH StV 1994, 24f.


3 B – 575<br />

§ 762 BGB versagt – nach allen da<strong>zu</strong> vertretenen zivilrechtlichen Herleitungen 11 – jedenfalls den Beteiligten einen<br />

Erfüllungsanspruch aus dem Spielvertrag.<br />

(2) Tatsächliche Erfüllungsbereitschaft von B und C<br />

Allerdings waren B und C für den Fall, dass sie die Partie Skat verlieren, offenbar tatsächlich erfüllungsbereit und<br />

hätten die Tatsache, dass es sich bei der Verbindlichkeit „Spielschulden“ um eine Naturalobligation gemäß § 762<br />

BGB handelt und diese deshalb vom Gewinner prozessual nicht durchgesetzt werden kann, ignoriert. Fraglich ist,<br />

ob unter Berücksichtigung der tatsächlichen Erfüllungsbereitschaft von B und C eine konkrete schadensgleiche<br />

Vermögensgefährdung begründen werden kann.<br />

Zu klären ist daher, ob es für die Feststellung einer konkreten Vermögensgefährdung darauf ankommt, dass mit<br />

der Teilnahme am Spiel keine rechtswirksame Verpflichtung <strong>zu</strong> entstehen drohte oder vielmehr darauf, dass sich<br />

faktisch ein Zahlungsvorgang anbahnte. Die zivilrechtliche Wertung des § 762 BGB schließt eine wirksame Vermögensverfügung<br />

durch die Teilnahme an dem Spiel bei faktischer Erfüllungsbereitschaft jedenfalls nicht aus, was<br />

die Kondiktionsfestigkeit des Erlangten zeigt. Ein Rückforderungsanspruch von B und C wegen Fehlens einer Verbindlichkeit<br />

wäre sodann gemäß § 762 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen. Deshalb kann die tatsächliche Bereitschaft<br />

von B und C, die Spielschulden sofort <strong>zu</strong> begleichen, grundsätzlich einen Vermögenswert haben.<br />

Anm.:<br />

Hier kann der Bearbeiter auch auf die Tatsache, dass B und C es bis <strong>zu</strong> Zahlung in der Hand hatten, den<br />

Schaden durch die schlichte Verweigerung der Zahlung ab<strong>zu</strong>wenden, abstellen und so den erforderlichen<br />

Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts verneinen.<br />

Keinesfalls darf auf die Möglichkeit einer Leistungskondiktion nach Anfechtung des Spielvertrags wegen arglistiger<br />

Täuschung verwiesen werden. Zwar ist zivilrechtlich ein Rückforderungsanspruch nur ausgeschlossen,<br />

wenn der jeweilige Vertrag <strong>zu</strong>stande gekommen, wirksam und nicht beendet ist. Allerdings sind Ansprüche,<br />

die dem Geschädigten aufgrund der Täuschung (auch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB) erwachsen, nicht<br />

mit in die Gesamtsaldierung bei der Bestimmung des Vermögensschadens ein<strong>zu</strong>beziehen und deshalb außer<br />

Acht <strong>zu</strong> lassen. 12<br />

(3) Zwischenergebnis<br />

Die faktische Erfüllungsbereitschaft der Teilnehmer kann demnach eine konkrete Vermögensgefährdung begründen.<br />

Ob eine Vermögensverfügung strafrechtlich unter Berücksichtigung der tatsächlichen Erfüllungsbereitschaft<br />

von B und C begründet werden kann, hängt davon ab, welcher Vermögensbegriff <strong>zu</strong>grunde gelegt wird.<br />

Anm.:<br />

Andere Ansicht ebenso gut vertretbar. Die Erfüllungsbereitschaft von B und C sollte in der Diskussion allerdings<br />

angesprochen werden, da die Unwirksamkeit des Spielvertrages die Existenz zivilrechtlicher Schutzpflichten<br />

nicht von vorneherein ausschließt. Solche Schutzpflichten kommen in Betracht, wenn einer der Vertragspartner<br />

– wie hier – über Sonderwissen verfügt. 13 Diese Überlegungen sollten für die strafrechtliche Bewertung<br />

einbezogen werden.<br />

bb)<br />

Vermögensbegriff des § 263 StGB<br />

Nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff 14 ist entscheidend, ob der Verfügende eine wirtschaftlich wertvolle<br />

Position eingebüßt (Konstellation Erfüllungsbetrug) oder – wie hier – ein<strong>zu</strong>büßen droht (Konstellation Eingehungsbetrug).<br />

Ob diese wertvolle Position <strong>zu</strong> Recht bestand sei irrelevant. Dem wirtschaftlichen Vermögensbegriffs unterfallen<br />

deshalb neben rein tatsächlichen Erwerbsaussichten auch nichtige und unvollkommene Forderungen,<br />

sofern sie im Einzelfall von wirtschaftlichem Wert sind. 15 B und C waren von Anfang an unbedingt erfüllungsbereit.<br />

Die Tatsache, dass es sich bei den Spielschulden um eine nicht einklagbare unvollkommene Verbindlichkeit handelt,<br />

spielte für die Teilnehmer <strong>zu</strong> keiner Zeit eine Rolle. Damit liegt nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff<br />

mit dem Entstehen des Gewinns durch das Spiel eine tatsächliche Vermögensposition vor, über den die Teilnehmer<br />

verfügen könnten.<br />

Der juristisch-ökonomische Vermögensbegriff hingegen zählt nur solche wirtschaftlich wertvollen Positionen <strong>zu</strong>m<br />

von § 263 StGB geschützten Vermögen, die auch juristisch als subjektive Rechte anerkannt sind und von der<br />

Rechtsordnung gebilligt oder jedenfalls nicht missbilligt werden. Spielschulden werden von der Rechtsordnung<br />

zwar als bloße Naturalobligationen nicht positiv gebilligt, aber auch nicht explizit rechtlich missbilligt, wie etwa der<br />

Ausschluss eines Herausgabeanspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB durch § 762 Abs. 1 S. 2 BGB zeigt. Das Gesetz<br />

erkennt damit an, dass das aufgrund des Spiels Geleistete nicht mit der Begründung <strong>zu</strong>rückverlangt werden<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

Da<strong>zu</strong>: Janoschek, Beck‘scher-Onlinekommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, Stand: 01.02.2013, § 762 Rdn. 6.<br />

Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263 Rdn. 120.<br />

Habersack, in: MünchKomm, BGB, Bd. 5, § 762 Rdn. 19f.<br />

Vgl. Übersicht der früheren Rechtsprechung bei Hefendehl, in: Münchener Kommentar, Strafgesetzbuch, Bd. 4, 2006,<br />

§ 263 Rdn. 298.<br />

Hefendehl, in: MünchKomm, StGB, Bd. 4, § 263 Rdn. 298.


4 B – 575<br />

kann, durch das Spiel sei keine Verbindlichkeit begründet worden und erkennt die Spielvereinbarungen als <strong>zu</strong>reichenden<br />

Rechtsgrund der freiwilligen Erfüllung an. 16 Damit sind auch die weiteren Vorausset<strong>zu</strong>ngen des juristisch-ökonomischen<br />

Vermögensbegriffs erfüllt.<br />

Anm.:<br />

Andere Sachverhaltsdeutung vertretbar. Sieht der Bearbeiter in der Zahlungsbereitschaft von B und C keinen<br />

unbedingten Erfüllungswillen, ist die Qualität der Spielschulden als Vermögensposition bereits nach dem wirtschaftlichen<br />

Vermögensbegriff verneinen. Darüber hinaus könnte auch der Deliktscharakter des § 263 StGB in<br />

Ansatz gebracht werden: Wer auf eine unvollkommene Verbindlichkeit leistet, weiß, dass er da<strong>zu</strong> nicht verpflichtet<br />

ist. Eine bewusste Selbstschädigung ist nach den Prämissen aller juristisch ausgerichteten Vermögenslehren<br />

nicht tatbestandsmäßig. 17<br />

cc)<br />

Zwischenergebnis<br />

Folglich war das Vermögen von B und C durch die Teilnahme am Spiel durch die tatsächliche statistische Erhöhung<br />

der Gewinnchancen des A bereits konkret gefährdet, da B und C auf deshalb entstehende „Spielschulden“<br />

geleistet hätten. Eine Vermögensverfügung von B und C liegt somit in der Teilnahme am Spiel.<br />

4. Taterfolg: Verfügungsbedingter Vermögensschaden<br />

Die konkrete Vermögensgefährdung durch die Verschiebung der Gewinnwahrscheinlichkeit <strong>zu</strong>gunsten des A ist<br />

bereits ein Schaden i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB.<br />

Anm.:<br />

Andere Ansicht vertretbar. Insbesondere kann Skat – in Abgren<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong>m Glücksspiel – als sog. Geschicklichkeitsspiel<br />

verstanden werden. 18 Dann ist eine Bezifferung der Gewinnwahrscheinlichkeit aus folgenden Überlegungen<br />

kaum möglich: Ein Glücksspiel liegt vor, wenn über den Gewinn eines Vorteils oder den korrelierenden<br />

Verlust eines eingesetzten Vermögenswertes nach den Vertragsbedingungen ein ungewisses Ereignis<br />

entscheidet, dessen Eintritt wesentlich vom Zufall abhängt. Hängt der Ausgang des Spiels wesentlich von den<br />

Kenntnissen und der Aufmerksamkeit der Spieler ab, handelt es sich hingegen um ein Geschicklichkeitsspiel<br />

außerhalb des strafrechtlichen Glücksspielbegriffs. 19 Die Einordnung von Skat als Geschicklichkeitsspiel kann<br />

damit begründet werden, dass Merkfähigkeit und logisches Denkvermögen sowie die Einschät<strong>zu</strong>ng des Gegners,<br />

bzw. dessen Taktik und Fähigkeiten, eine große Rolle beim Skat spielen. Skatturniere (sog. Preisskat)<br />

hingegen werden überwiegend als Variante des Glücksspiels angesehen. 20 Ist der Bearbeiter mit den Regeln<br />

des Skatspiels vertraut und legt ein Überwiegen des Könnensmomentes vor dem Wahrscheinlichkeitsfaktor<br />

dar, so ließe sich damit eine konkrete Vermögensgefährdung hier verneinen. Insbesondere zeigt der Sachverhalt,<br />

dass A – obwohl er die Trumpfkarten gezinkt hatte – gegen den erfahrenen Spieler C verliert und damit<br />

dessen Können die Erhöhung der Gewinnwahrscheinlichkeit durch Manipulation überwiegt.<br />

II.<br />

Subjektiver Tatbestand<br />

A handelte vorsätzlich und um sich um die <strong>zu</strong>sätzliche Gewinnchance <strong>zu</strong> bereichern, die ihm durch das Verwenden<br />

der gezinkten Karten entstand. Diese Gewinnchance stellt sich dem von B und C irrtumsbedingt eingegangenen<br />

Verlustrisiko stoffgleich gegenüber. Die angestrebte Bereicherung war ebenso rechtswidrig, sodass A insgesamt<br />

mit Bereicherungsabsicht handelte.<br />

III.<br />

Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

A handelte rechtswidrig und schuldhaft.<br />

IV.<br />

Ergebnis<br />

A hat sich gemäß § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.<br />

Zweiter Tatkomplex: Das Falschgeld – Strafbarkeit des A<br />

A. Betrug, § 263 Abs. 1 StGB<br />

A könnte sich gegenüber und <strong>zu</strong>lasten des C gemäß § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er diesem<br />

einen gefälschten 50 €-Schein gab, um seine Spielschuld <strong>zu</strong> bezahlen.<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

Vgl. LG Trier NJW-RR 1990, 313.<br />

Vgl. Kindhäuser, in: NK-StGB, Bd. 2, § 263 Rdn. 346 <strong>zu</strong>r Behandlung verbotener Geschäfte in der Betrugsdogmatik<br />

(m.w.N.).<br />

Vgl. etwa BFHE 55, 335.<br />

Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, Bd. 2, § 284 Rdn. 7 f. m.w.N.<br />

RG ZStW 1922, 235; Sprau, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl. 2013, § 763 Rdn. 1a.


I. Objektiver Tatbestand<br />

5 B – 575<br />

1. Tathandlung: Täuschen über Tatsachen<br />

A könnte über die Echtheit des Geldscheines getäuscht haben. Ausdrücklich hat A nicht erklärt, dass der <strong>zu</strong>m Begleichen<br />

der Spielschulden überreichte Geldschein echt sei. Allerdings kommt eine konkludente Täuschung durch<br />

Übergabe des gefälschten Geldscheines in Betracht. Eine konkludente Täuschung setzt ein irreführendes Verhalten<br />

voraus, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung <strong>zu</strong> verstehen ist. 21 Damit ist <strong>zu</strong> fragen,<br />

ob der Übergabe des Geldscheines nach dieser ein gewisser Erklärungswert bei<strong>zu</strong>messen ist. Maßgeblich für<br />

die Feststellung von Tatsachenbehauptungen durch schlüssiges Miterklären sind Kontext und Zweck der jeweiligen<br />

Kommunikation. 22 Zweck der Übergabe des Scheins war eine Leistung auf die Spielschuld. Diese kann allerdings<br />

nur mit echten Banknoten erfolgen. Damit gehört es <strong>zu</strong>m Erklärungsinhalt einer Übergabe von Geldscheinen <strong>zu</strong>m<br />

Begleichen einer Forderung diese seien echt. 23 Mithin hat A konkludent über die Echtheit der Geldscheine getäuscht.<br />

2. Zwischenerfolg: Irrtum<br />

C hat sich über die Echtheit der Geldscheine keine Gedanken gemacht. Fraglich ist, ob ein entsprechender Irrtum<br />

deshalb ausscheidet. Allerdings erliegt nicht nur derjenige einer Fehlvorstellung, der den Aussagehalt der Täuschung<br />

aktiv reflektiert. Es genügt vielmehr das unreflektierte Mitbewusstsein, als ein ständiges Begleitwissen, das<br />

insbesondere bei konkludenten Täuschungen – wie hier – da<strong>zu</strong> führt, dass der Adressat das Vorliegen bestimmter<br />

Umstände als selbstverständlich gegeben ansieht. 24 Wer falsches Geld entgegennimmt, irrt also über die Echtheit,<br />

auch wenn er sich keine Gedanken über den Umstand der Echtheit macht. 25 Damit unterlag C einem entsprechenden<br />

Irrtum.<br />

3. Taugliches Opferverhalten: Irrtumsbedingte Vermögensverfügung<br />

Fraglich ist, ob C irrtumsbedingt eine Vermögensverfügung vorgenommen hat. Diese könnte in dem Unterlassen<br />

der Weiterverfolgung der Spielschuld bestehen. Einschlägige Unterlassungen in diesem Sinne sind insbesondere<br />

die Nichtergreifung von rechtlichen Möglichkeiten, die dem Betreffenden <strong>zu</strong>stehen, wie etwa das Unterlassen der<br />

Geltendmachung eines Erstattungs- bzw. Rückforderungsanspruchs oder das Unterlassen der (weiteren) Betreibung<br />

der Zwangsvollstreckung. 26 Wie bereits dargelegt, begründet der Gewinn der Skatrunde gemäß § 762 BGB<br />

gerade keine Verbindlichkeit. Folglich entsteht auch keine zivilrechtliche Forderung, auf deren Geltendmachung C<br />

hätte verzichten können. Allerdings war auch A tatsächlich erfüllungsbereit, denn er wollte auf gar keinen Fall als<br />

jemand gelten, der seine Ehrenschulden nicht bezahlen kann. Mithin verzichtete C mit der Entgegennahme des<br />

Falschgeldes unbewusst auf die tatsächliche Geltendmachung dieser Vermögensposition (s.o.).<br />

Anm.:<br />

Andere Ansicht sowie andere Sachverhaltsdeutung hinsichtlich der unbedingten Erfüllungsbereitschaft des A<br />

vertretbar.<br />

4. Taterfolg: Verfügungsbedingter Vermögensschaden<br />

C entstand nach den oben erörterten Vermögensbegriffen ein Schaden in Höhe der Spielschulden von 50 €, die<br />

mit der Zahlung auch faktisch wertlos wurden.<br />

II.<br />

Subjektiver Tatbestand<br />

A handelte vorsätzlich und mit Bereicherungsabsicht, indem er die gegen ihn bestehende Naturalobligation auch<br />

wirtschaftlich entwertete. Er hatte keinen Anspruch darauf, sich auf diese Weise der Begleichung seiner Spielschuld<br />

<strong>zu</strong> entziehen, sodass die Bereicherung auch rechtswidrig war.<br />

III.<br />

Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

A handelte rechtswidrig und schuldhaft.<br />

21<br />

22<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26<br />

Beukelmann, in: Beck-OK, Strafgesetzbuch, Stand: 08.03.2013, § 263 Rdn. 13.<br />

Kindhäuser, in: NK-StGB, Bd. 2, § 263 Rdn. 113.<br />

Zur konkludenten Täuschung durch Übergabe von Falschgeld: Kindhäuser, in: NK-StGB, Bd. 2, § 263 Rdn. 129 m.w.N.<br />

Vgl. Hefendehl, in: MünchKomm, StGB, Bd. 4, § 263 Rdn. 201 m.w.N.<br />

Arzt, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, 2. Aufl. 2009, § 20 Rdn. 54.<br />

Kindhäuser, in: NK-StGB, Bd. 2, § 263 Rdn. 200.


IV.<br />

Ergebnis<br />

A hat sich gemäß § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.<br />

6 B – 575<br />

Dritter Tatkomplex: Die Anschuldigungen gegenüber C<br />

A. Strafbarkeit des A<br />

I. Verleumdung, § 187 StGB<br />

A könnte sich nach § 187 StGB strafbar gemacht haben, indem er den C des Falschspiels bezichtigte.<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

Zunächst müsste A eine unwahre ehrenrührige Tatsache über C gegenüber einem Dritten behauptet haben. Eine<br />

Tatsache ist ehrenrührig, wenn sie geeignet ist, den Betroffenen verächtlich <strong>zu</strong> machen oder in der öffentlichen<br />

Meinung herab<strong>zu</strong>würdigen. 27 A hat B des Falschspiels mit gezinkten Karten bezichtigt. Diese Tatsache ist geeignet,<br />

C als Betrüger dar<strong>zu</strong>stellen und diesen damit als Gauner verächtlich <strong>zu</strong> machen. Zudem ist die Tatsache unwahr,<br />

da B die Karten in Wahrheit nicht gezinkt hat. Diese unwahre ehrenrührige Tatsache hat A auch gegenüber<br />

einem Dritten, nämlich dem B, behauptet.<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

A handelte vorsätzlich insbesondere auch hinsichtlich der Unwahrheit der Tatsache, denn er wusste, dass er selbst<br />

und nicht C die Karten gezinkt hat.<br />

3. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

A handelte rechtswidrig und schuldhaft.<br />

4. Ergebnis<br />

A hat sich nach § 187 StGB strafbar gemacht.<br />

5. Strafantrag<br />

Den nach § 194 Abs. 1 S. 1 StGB erforderlichen Strafantrag hat B gestellt.<br />

Anm.:<br />

Das Antragserfordernis in § 194 Abs. 1 S. 1 StGB gilt für alle Tatbestände des 14. Abschnitts. Die Bezeichnung<br />

in § 194 StGB „die Beleidigung“ meint damit nicht nur § 185 StGB, sondern bezieht sich auf die amtliche<br />

Überschrift des 14. Abschnitts. Ausnahmen vom Strafantragserfordernis nennt § 194 Abs. 1 S. 2 StGB.<br />

II.<br />

Beleidigung, § 185 StGB<br />

A könnte sich wegen derselben Handlung gemäß § 185 StGB strafbar gemacht haben.<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

Die Handlung einer Beleidigung erfordert einen Angriff auf die Ehre eines anderen durch Kundgabe einer Missoder<br />

Nichtachtung. 28 Die ehrenrührige Äußerung, C sei ein Falschspieler, hat A auch gegenüber C getätigt. Damit<br />

hat er diesem gegenüber seine Missachtung <strong>zu</strong>m Ausdruck gebracht.<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

A handelte vorsätzlich.<br />

3. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

A handelte rechtswidrig und schuldhaft.<br />

27<br />

28<br />

Vgl. Valerius, in: Beck-OK, StGB, Stand: 01.12.2012, § 187 Rdn. 3.<br />

Valerius, in: Beck-OK, StGB, § 185 Rdn. 16.


4. Ergebnis<br />

A hat sich gemäß § 185 StGB strafbar gemacht.<br />

7 B – 575<br />

5. Strafantrag<br />

Den nach § 194 Abs. 1 S. 1 StGB erforderlichen Strafantrag hat B gestellt.<br />

Anm.:<br />

§ 186 StGB ist nicht <strong>zu</strong> prüfen, da bereits § 187 StGB erfüllt ist. Die üble Nachrede hat im Vergleich <strong>zu</strong>r Verleumdung<br />

geringere Anforderungen an den subjektiven Tatbestand: Die Unwahrheit der Tatsache muss als<br />

objektive Bedingung der Strafbarkeit – nach herrschender Meinung – gerade nicht vom allgemeinen Deliktsvorsatz<br />

umfasst sein. Vereinzelt wird diesbezüglich Fahrlässigkeit verlangt. 29<br />

B. Strafbarkeit des B<br />

I. Üble Nachrede, § 186 StGB<br />

B könnte sich gemäß § 186 StGB strafbar gemacht haben, indem er den C als Falschspieler bezichtigte.<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

B hat mit dieser Bezichtigung eine ehrenrührige Tatsache (s.o.) gegenüber einem Dritten, dem A, behauptet. Fraglich<br />

ist, wie es sich auswirkt, dass A selbst der Falschspieler war und deshalb wusste, dass C keinesfalls die Karten<br />

gezinkt hat. Der Tatbestand könnte unter teleologischer Betrachtung ausgeschlossen sein, wenn es an der<br />

Eignung der Behauptung fehlt, das Opfer im Urteil des Dritten herab<strong>zu</strong>würdigen. Fraglich ist, welcher Maßstab an<br />

diese Eignung <strong>zu</strong> stellen ist. Entscheidend dafür ist, ob es für eine Tatbestandsmäßigkeit nach § 186 StGB nur auf<br />

den abstrakten Inhalt der behaupteten Tatsache ankommt, oder ob einschränkend die konkreten Äußerungsmodalitäten<br />

berücksichtigt werden müssen.<br />

a) Abstrakte Eignung ausreichend<br />

Nach einer Ansicht ist für § 186 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt nur die abstrakte Eignung der Verächtlichmachung<br />

oder Herabwürdigung des Betroffenen durch die Äußerung erforderlich, was bereits aus dem ehrenrührigen<br />

Gehalt der Behauptung gefolgert wird. 30 Damit hindert die Kenntnis des A als Adressat der Äußerung die Tatbestandsmäßigkeit<br />

des Verhaltens nicht.<br />

b) § 186 StGB als sog. potentielles Gefährdungsdelikt<br />

Eine andere Ansicht versteht § 186 StGB als potentielles Gefährdungsdelikt. Das bedeutet, dass eine Strafbarkeit<br />

nach § 186 StGB nicht gegeben sein soll, wenn der Dritte die Unwahrheit kennt oder aufgrund konkreter Umstände<br />

sofort bemerkt. Dann fehle es an der nötigen Eignung der Tatsachenbehauptung <strong>zu</strong>r Ehrverlet<strong>zu</strong>ng. Dieser Umstand<br />

werde der Struktur des Tatbestandes und dem Deliktscharakter gerecht. Kennt der Dritte die Unwahrheit der<br />

Tatsache, sei § 186 nicht erfüllt. Es liege nicht etwa ein Fall abstrakter Gefährdung, sondern ein Fall des (straflosen)<br />

Versuchs vor. 31 Danach wäre <strong>zu</strong> berücksichtigen, dass A die Unwahrheit der ehrenrührigen Tatsache kennt<br />

und diese damit nicht geeignet ist, den C in As Meinung verächtlich <strong>zu</strong> machen.<br />

c) Stellungnahme<br />

Die <strong>zu</strong>letzt genannte Ansicht überzeugt, da § 186 StGB das Ermöglichen fremder Missachtung verbietet. 32 Ist diese<br />

Möglichkeit ausgeschlossen, kann das tatbestandliche Unrecht nicht verwirklicht werden. Eine teleologische Reduktion<br />

durch Einordnung von § 186 StGB als potentielles Gefährdungsdelikt ist abgebracht. Damit ist durch die<br />

fehlende Eignung der Tatsachenbehauptung des B <strong>zu</strong>r Ehrverlet<strong>zu</strong>ng des C der Tatbestand nicht erfüllt.<br />

Anm.:<br />

Andere Ansicht ebenso gut vertretbar. Dann muss sich der Bearbeiter mit der Frage auseinandersetzen, ob<br />

das Merkmal „Nichterweislichkeit der Wahrheit“ eine reine objektive Bedingung der Strafbarkeit ist, sodass der<br />

Täter diesbezüglich nicht vorsätzlich handeln muss, oder ob das tatbestandliche Unrecht des § 186 StGB nur<br />

dann verwirklicht ist, wenn der Täter hinsichtlich der verbreiteten Tatsache vorsätzlich oder <strong>zu</strong>mindest sorg-<br />

29<br />

30<br />

31<br />

32<br />

So Rudolphi/Rogell, in: Systematischer Kommentar, Strafgesetzbuch, Bd. 3, Stand: Juni 2006 (66. EL) § 186 Rdn. 19 f.;<br />

Hirsch, in: FS-Wolff, 125 (144); a.A. BGHSt 11, 273 (274); Kühl, in: Lackner/Kühl, § 186 Rdn. 7; Eisele, in: Schönke/Schröder,<br />

StGB, § 186 Rdn. 10.<br />

Herrschende Meinung: vgl. nur Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 186 Rdn. 5 m.w.N.<br />

Zazcyk, in: NK-StGB, § 186 Rdn. 6.<br />

Lackner/Kühl, 27. Aufl. 2011, § 186 Rdn. 2.


8 B – 575<br />

faltswidrig gehandelt hat. 33 Hält der Bearbeiter dies für erforderlich, könnte eine Strafbarkeit des B mangels<br />

Vorsatzes ausscheiden. Fahrlässiges Handeln hinsichtlich der nicht erweislichen Wahrheit der Tatsache<br />

kommt angesichts der vorschnellen Verdächtigung des B allerdings in Betracht.<br />

2. Ergebnis<br />

B hat sich nicht nach § 186 StGB strafbar gemacht.<br />

II.<br />

Beleidigung, § 185 StGB<br />

B könnte sich wegen derselben Handlung gemäß § 185 StGB strafbar gemacht haben.<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

Die Äußerung, C sei ein Falschspieler, ist objektiv tatbestandsmäßig (s.o.).<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

B müsste vorsätzlich gehandelt haben. Allerdings dachte er im Zeitpunkt der Tathandlung, dass die Bezichtigung<br />

des C als Falschspieler <strong>zu</strong> Recht erfolgte und C gar keinen Achtungsanspruch dahingehend besaß, nicht der<br />

Wahrheit gemäß als Falschspieler bezeichnet <strong>zu</strong> werden. Damit unterlag B einem Tatumstandsirrtum nach § 16<br />

Abs. 1 StGB, sodass er ohne Vorsatz handelte.<br />

3. Ergebnis<br />

B hat sich nicht gemäß § 185 StGB strafbar gemacht.<br />

Vierter Tatkomplex: Das weitere Geschehen<br />

A. Strafbarkeit des B<br />

I. Versuchter schwerer Raub, §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB<br />

B könnte sich gemäß §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er<br />

nach der Brieftasche griff und mit ihr <strong>zu</strong> einem Schlag gegen C ausholte.<br />

1. Vorprüfung<br />

Die Tat ist nicht vollendet, da es nicht <strong>zu</strong> einer Wegnahme der Geldscheine kam. Der Versuch des § 249 Abs. 1<br />

StGB als Verbrechen ist gemäß §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB strafbar.<br />

2. Tatentschluss<br />

B müsste <strong>zu</strong>r Tat entschlossen gewesen sein. Der erforderliche Tatentschluss bedeutet Vorsatz hinsichtlich der<br />

Merkmale des objektiven Tatbestandes sowie das Vorliegen möglicher erforderlicher weiterer subjektiver Merkmale.<br />

a) Bezüglich Tathandlung<br />

Zunächst müsste B Vorsatz gehabt haben, eine fremde bewegliche Sache weg<strong>zu</strong>nehmen.<br />

aa)<br />

Taugliche Tatobjekte<br />

Fraglich ist, ob B überhaupt davon ausging, dass die Geldscheine taugliche Tatobjekte sind. Dafür müssten diese<br />

als bewegliche Sachen fremd sein. Fremd wäre das Geld, wenn mindestens Miteigentum eines anderen daran<br />

bestünde. Durch Übereignung von B an C hat dieser objektiv Alleineigentum an den beiden Scheinen erlangt.<br />

B stellte sich aber vor, sein wegen des vermeintlichen Falschspiels des C gegenüber diesem bestehendes Anfechtungsrecht<br />

nach § 123 Abs. 1 BGB ausgeübt <strong>zu</strong> haben. Eine entsprechende Anfechtungserklärung gegenüber C<br />

33<br />

Rudolphi/Rogell, in SK, Bd. 3, Stand: Juni 2006 (66. EL) § 186 Rdn. 19 f.; Hirsch, in: FS-Wolff, 125 (144); a.A. BGHSt<br />

11, 273 (274); Kühl, in: Lackner/Kühl, § 186 Rdn. 7; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 186 Rdn. 10.


9 B – 575<br />

hat B sofort abgegeben und damit innerhalb der Frist gemäß § 124 Abs. 1, 2 BGB. Ein Anfechtungsgrund läge in<br />

der nach der Vorstellung des B vermeintlichen Täuschung i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB durch C durch ein Falschspiel.<br />

Hätte ihm ein solches Recht tatsächlich <strong>zu</strong>gestanden, so wäre die Wirksamkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts<br />

entfallen. Allerdings hat C die beiden Geldscheine in seine Geldbörse gesteckt, in welcher sich gut sichtbar bereits<br />

zwei Noten gleichen Wertes befanden. Dadurch ist bei C auch nach Vorstellung des B, der dies beobachtete, gesetzlich<br />

Miteigentum wegen Vermengung nach §§ 948, 947 Abs. 1 BGB entstanden. Jedenfalls hat er gesehen,<br />

dass sich in der Geldbörse noch andere Scheine befanden, sodass er nicht sicher davon ausgehen konnte, die<br />

beiden Scheine <strong>zu</strong> erwischen, die er C <strong>zu</strong>vor gegeben hatte. Mithin nahm B die Fremdheit der beiden Geldscheine<br />

<strong>zu</strong>mindest billigend in Kauf, sodass er diesbezüglich Tatentschluss hatte.<br />

bb)<br />

Wegnahme<br />

B wollte den Gewahrsam des C brechen und eigenen Gewahrsam begründen. Mithin hatte er Tatentschluss hinsichtlich<br />

einer Wegnahme.<br />

b) Bezüglich qualifiziertem Nötigungsmittel<br />

B wollte die Wegnahme durch Schlagen mit der Flasche ermöglichen, sodass er Tatentschluss hinsichtlich Gewalt<br />

gegen eine Person als körperlich wirkendem Zwang hatte. 34<br />

c) Bezüglich Verwirklichung der Qualifikationsmodalität<br />

Ein gefährliches Werkzeug in diesem Sinne ist jeder feste Gegenstand, der – als Mittel <strong>zu</strong>r Herbeiführung einer<br />

Körperverlet<strong>zu</strong>ng eingesetzt – nach seiner objektiven Beschaffenheit oder nach der Art seiner Benut<strong>zu</strong>ng im Einzelfall<br />

geeignet ist, erhebliche Körperverlet<strong>zu</strong>ngen herbei<strong>zu</strong>führen. 35 Die Bierflasche ist – als Schlagwerkzeug eingesetzt<br />

– geeignet, erhebliche Verlet<strong>zu</strong>ngen herbei<strong>zu</strong>führen und damit ein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 250<br />

Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB. Folglich hatte B, der die Flasche entsprechend einsetzen wollte, Tatentschluss hinsichtlich<br />

der Verwirklichung der Qualifikationsmodalität des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB.<br />

d) Zueignungsabsicht<br />

Fraglich ist, ob B mit der Absicht rechtswidriger Zueignung handelte.<br />

aa)<br />

Enteignungsvorsatz und Aneignungsabsicht<br />

Die beabsichtigte Zueignung setzt sich aus zwei Komponenten – der Enteignung und der Aneignung – <strong>zu</strong>sammen.<br />

Nach allgemeiner Meinung setzt die Zueignung diesbezüglich unterschiedliche Vorsatzgrade voraus. Der Täter<br />

muss <strong>zu</strong>mindest bedingt vorsätzlich hinsichtlich der dauerhaften Enteignung des Eigentümers und absichtlich hinsichtlich<br />

einer <strong>zu</strong>mindest vorrübergehenden Aneignung des Tatobjekts handeln. 36 B nahm eine dauerhafte Enteignung<br />

des C billigend in Kauf und handelte, um sich die Geldscheine selbst an<strong>zu</strong>eignen. Damit hatte er sowohl Enteignungsvorsatz<br />

als auch Aneignungsabsicht.<br />

Anm.:<br />

Die Zueignungsabsicht ist hier aus didaktischen Gründen derart ausführlich dargestellt.<br />

bb)<br />

Rechtswidrigkeit der Zueignung<br />

Die beabsichtigte Zueignung müsste allerdings auch rechtswidrig gewesen sein. Eine Zueignung ist rechtswidrig,<br />

wenn vom Täter (oder Dritten) nach den zivilrechtlichen Wertungen <strong>zu</strong> Unrecht Eigenbesitz am Tatobjekt beansprucht<br />

wird. 37 B hatte objektiv kein Recht auf Besitz an den Geldscheinen, da diese im Eigentum des C stehen.<br />

Anm.:<br />

Die Rechtswidrigkeit der Zueignung ist objektives Merkmal innerhalb des subjektiven Tatbestandes. Sie ist nur<br />

erfüllt, wenn der Täter in Wahrheit keinen Anspruch auf das Tatobjekt hat.<br />

In seiner Vorstellung erklärte B aber wirksam eine Anfechtung (s.o.) der Einigung gegenüber C wegen dessen<br />

vermeintlicher Täuschung im Spiel gemäß § 123 Abs. 1 BGB und hatte jedenfalls einen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch<br />

gegen diesen aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.<br />

34<br />

35<br />

36<br />

37<br />

Vgl. Wittig, in: Beck-OK, StGB, Stand 08.03.2013, § 249 Rdn. 4.<br />

Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 250 Rdn. 28.<br />

Vgl. nur Lackner/Kühl, StGB, § 242 Rdn. 21 ff.<br />

Eigenbesitz ist hier als Analogie <strong>zu</strong>m zivilrechtlichen Begriff <strong>zu</strong> verstehen, vgl. da<strong>zu</strong>: Kindhäuser, in: NK-StGB, Bd. 2,<br />

§ 242 Rdn. 69.


10 B – 575<br />

Deshalb könnte die Rechtswidrigkeit der Zueignung hier ausgeschlossen sein, denn der Zueignende führt, wenn<br />

ein fälliger und einredefreier Übereignungsanspruch besteht, keine dem Recht widersprechende Besitzlage herbei<br />

und maßt sich daher nur der Form – nicht aber dem Inhalt – nach Verfügungsmacht an. 38<br />

Die Spielabrede begründet nach zivilrechtlicher Wertung zwar keine Verbindlichkeit, gilt aber als Rechtsgrund für<br />

die Erfüllungsleistung, den die Anfechtung beseitigen würde. Der entsprechende Kondiktionsanspruch richtet sich<br />

grundsätzlich auf das erlangte Etwas (hier: Eigentum an den Geldscheinen). Allerdings ist nach § 948 BGB wegen<br />

Vermischung ein gesetzlicher Eigentumserwerb des C dadurch eingetreten, dass er die beiden Scheine in seine<br />

Geldbörse steckte, worin sich weitere Scheine befanden, sodass nach § 818 Abs. 2 BGB von C deshalb keine<br />

Herausgabe der beiden Scheine verlangt werden kann, sondern von diesem Wertersatz <strong>zu</strong> leisten ist. Die Frage<br />

der Rechtswidrigkeit der Zueignung bei einem fälligen und durchsetzbaren Anspruch des Täters gegen den Gewahrsamsinhaber<br />

auf Zahlung eines Geldbetrages ist umstritten.<br />

(1) Rechtswidrigkeit auch bei Bestehen eines fälligen und durchsetzbaren Anspruchs<br />

Nach einer Ansicht handelt der Täter auch bei Bestehen eines fälligen und durchsetzbaren Anspruchs in der Absicht<br />

rechtswidriger Zueignung, denn anders als bei Speziesansprüchen muss der Schuldner nach § 243 BGB nur<br />

eine Sache mittlerer Art und Güte leisten. 39 C stünde also noch ein Auswahlrecht <strong>zu</strong>. Danach wäre die Zueignung<br />

auch in Bs Vorstellung rechtswidrig.<br />

(2) Wertsummentheorie<br />

Nach der Wertsummentheorie entfällt die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung bei Geldschulden grundsätzlich.<br />

Zwar habe der Täter wegen des Auswahlrechts des Schuldners gemäß § 243 Abs. 1 BGB keinen fälligen<br />

durchsetzbaren Anspruch auf die Übereignung bestimmter Geldscheine, allerdings sei eine Verlet<strong>zu</strong>ng des Auswahlrechts<br />

des Schuldners keine wirtschaftliche Interessenbeeinträchtigung. 40 Diese Ansicht ist vor<strong>zu</strong>gswürdig, da<br />

berücksichtigt werden kann, dass ein Auswahlrecht bei Geldschulden nicht sinnvoll ist, da es keine Geldscheine<br />

mittlerer Art und Güte gibt, welche der Schuldner hätte auswählen können. Damit war die beabsichtigte Zueignung<br />

in der Vorstellung des B nicht rechtswidrig.<br />

Anm.:<br />

Andere Ansicht vertretbar. Nach herrschender Meinung handelt es sich bei der Rechtswidrigkeit der Zueignung<br />

um ein normatives Tatbestandsmerkmal, sodass eine Fehlvorstellung als Tatumstandsirrtum und nicht<br />

etwa als Verbotsirrtum <strong>zu</strong> behandeln ist.<br />

3. Ergebnis<br />

B, der irrig annahm, er habe einen fälligen und einredefreien Anspruch auf die Übereignung der von ihm weggenommenen<br />

Geldscheine geht somit von Vorausset<strong>zu</strong>ngen aus, unter denen die Zueignung nicht rechtswidrig wäre,<br />

mit der Folge, dass seine Fehlvorstellung als (vorsatzausschließender) Tatumstandsirrtum nach § 16 Abs. 1<br />

StGB 41 an<strong>zu</strong>sehen ist.<br />

B hat sich nicht nach §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.<br />

II.<br />

Versuchte gefährliche Körperverlet<strong>zu</strong>ng, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nrn. 2 und 4, 22, 23 Abs. 1 StGB<br />

B könnte sich wegen des Ausholens mit der Bierflasche gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nrn. 2 und 4, 22, 23<br />

Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.<br />

1. Vorprüfung<br />

Die Tat ist nicht vollendet, da der Taterfolg des § 223 Abs. 1 StGB nicht eingetreten ist. Der Versuch ist strafbar<br />

gemäß § 224 Abs. 2 StGB.<br />

38<br />

39<br />

40<br />

41<br />

Kindhäuser, in: NK-StGB, Bd. 2, § 242 Rdn. 116.<br />

Schmitz, in: MünchKomm, StGB, Bd. 3, 2. Aufl. 2012, § 242 Rdn. 163<br />

Duttge, in: Gesamtes Strafrecht, Handkommentar, Bd. 2, 2. Aufl. 2011, § 242 Rdn. 49.<br />

BGHSt 17, 87 (89); BGH StV 1994, 128; <strong>zu</strong>r Zueignungsabsicht sehr lehrreich: Kudlich/Oğlakcıoğlu, JA 2012, 321 ff.


2. Tatentschluss<br />

11 B – 575<br />

a) Bezüglich Verwirklichung des Grundtatbestandes<br />

B wollte den C durch einen Schlag mit der Bierflasche verletzen, sodass er Tatentschluss hinsichtlich einer üblen<br />

und unangemessenen Behandlung als körperliche Misshandlung sowie hinsichtlich des Hervorrufens eines pathologischen<br />

Zustandes im Sinne einer Gesundheitsschädigung hatte.<br />

b) Bezüglich Verwirklichung der Qualifikationsmodalitäten<br />

B könnte weiterhin Tatentschluss <strong>zu</strong>r Verwirklichung von Qualifikationsmodalitäten des § 224 Abs. 1 StGB gehabt<br />

haben.<br />

aa)<br />

§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB<br />

Die Bierflasche könnte ein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB sein. Eine Glasflasche ist<br />

da<strong>zu</strong> geeignet erhebliche Verlet<strong>zu</strong>ngen wie Platzwunden herbei<strong>zu</strong>führen. Mithin ist die verwendete Bierflasche ein<br />

gefährliches Werkzeug. B, der diese einsetzen wollte, hatte somit Tatentschluss hinsichtlich der Qualifikationsmodalität<br />

des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB.<br />

bb)<br />

§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB<br />

Möglicherweise hatte B auch Tatentschluss hinsichtlich einer gemeinschaftlichen Begehung der Tat mit A. A feuerte<br />

den B während des Geschehens mit Rufen an. Fraglich ist, ob das für den erhöhten Unrechtsgehalt der Qualifikation<br />

des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ausreicht. Es soll nach überwiegender Ansicht genügen, wenn lediglich der<br />

Täter die Körperverlet<strong>zu</strong>ngshandlung unmittelbar ausführt, sofern ein anderer <strong>zu</strong> dieser Tat <strong>zu</strong>mindest aktiv Beihilfe<br />

leistet. Psychische Beihilfe reicht aus, sofern sie in aktiven Beiträgen besteht, welche aus der Sicht des Opfers<br />

dessen Verteidigungsmöglichkeiten einschränken. 42 Hier beschränkte sich der Beitrag des A allerdings auf bloßes<br />

Anfeuern ohne erkennbare Bereitschaft den B auch physisch <strong>zu</strong> unterstützen. Damit hatte B keinen Tatentschluss<br />

hinsichtlich der Modalität des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB.<br />

Anm.:<br />

Andere Ansicht mit entsprechender Argumentation vertretbar.<br />

c) Zwischenergebnis<br />

B hatte Tatentschluss <strong>zu</strong>r Verwirklichung der §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB.<br />

3. Unmittelbares Ansetzen<br />

B hat bereits mit der Flasche ausgeholt, sodass aus seiner Sicht die Schwelle <strong>zu</strong>m „jetzt-geht’s-los“ überschritten<br />

war, keine wesentlichen Zwischenschritte mehr erforderlich waren und das Rechtsgut körperliche Unversehrtheit<br />

des C bereits konkret gefährdet war. Mithin hat er unmittelbar <strong>zu</strong>r Tat angesetzt.<br />

4. Rechtswidrigkeit<br />

Möglicherweise war B nach § 32 StGB gerechtfertigt. Dafür müsste <strong>zu</strong>nächst ein rechtswidriger Angriff vorgelegen<br />

haben. Ein Angriff ist die von einem Menschen drohende Verlet<strong>zu</strong>ng rechtlich geschützter Interessen. 43 C hat im<br />

Spiel nicht getäuscht und damit keinen Angriff auf das Vermögen oder andere Rechtsgüter des B verübt, sodass<br />

dieser sich nicht in einer Notwehrlage befand.<br />

5. Erlaubnistatumstandsirrtum<br />

Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass B sich vorstellte, dass C durch Falschspiel den Gewinn erlangt hat. Möglicherweise<br />

befand sich B deshalb in einem Erlaubnistatumstandsirrtum.<br />

a) „Hypothetische Notwehrprüfung“<br />

Dafür müsste diese Vorstellung die tatsächlichen Vorausset<strong>zu</strong>ngen der Notwehr nach § 32 StGB erfüllen (sog.<br />

„hypothetische Notwehrprüfung“).<br />

42<br />

43<br />

Eschelbach, in: Beck-OK; StGB, § 224 Rdn. 38.<br />

Momsen, in: Beck-OK, StGB, Stand: 01.12.2012, § 32 Rdn. 17.


aa)<br />

Notwehrlage: gegenwärtiger rechtswidriger Angriff<br />

12 B – 575<br />

Das Zinken der Karten, von welchem B ausgeht, ist eine Betrugshandlung (s.o.) und damit ein rechtswidriger Angriff<br />

i.S.d. § 32 StGB auf das Vermögen des B.<br />

Fraglich ist, ob dieser im Zeitpunkt der Handlung des B auch noch gegenwärtig gewesen wäre. Gegenwärtig ist der<br />

Angriff, wenn eine Rechtsgutsverlet<strong>zu</strong>ng unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert. 44 Ein Angriff<br />

ist noch gegenwärtig, solange eine Gefahr für das Rechtsgut besteht oder die bereits eingetretene Verlet<strong>zu</strong>ng<br />

noch vertieft werden könnte. Bei Vermögensdelikten ist beispielsweise ein gegenwärtiger Angriff dann noch gegeben,<br />

wenn die Tat zwar vollendet, aber noch nicht beendet ist. 45 Damit ist ein Angriff vor der endgültigen Beutesicherung<br />

gegenwärtig. C hatte die Brieftasche mit den Geldscheinen noch in der Hand, sodass in der Vorstellung<br />

des B dessen Beute noch nicht gesichert war. Somit stellte er sich auch einen gegenwärtigen Angriff, der darüber<br />

hinaus in seiner Vorstellung auch rechtswidrig war, vor.<br />

bb)<br />

Notwehrhandlung: Erforderlichkeit und Gebotenheit<br />

Die Verteidigungshandlung, das Ausholen <strong>zu</strong>m Schlag mit der Bierflasche, war das objektiv mildeste Mittel des<br />

körperlich unterlegenen B gegen C. Mithin war dieses Verhalten als Notwehrhandlung nach Vorstellung des B auch<br />

erforderlich.<br />

Fraglich ist, ob mit Blick auf den geringen Wert der in der Vorstellung des B verteidigten Vermögensposition i.H.v.<br />

100 € die Notwehrhandlung geboten gewesen wäre. Eine Verteidigung gilt in der Regel als geboten, wenn sie geeignet<br />

und erforderlich ist, den Angriff ab<strong>zu</strong>wehren und nicht unter eine der Fallgruppen der Einschränkungen des<br />

Notwehrrechts fällt. 46 In Betracht kommt hier die einschränkende Fallgruppe des „krassen Missverhältnisses“. Ein<br />

krasses Missverhältnis zwischen Angriff und Abwehr ist nach Art und Umfang der aus dem Angriff drohenden Verlet<strong>zu</strong>ng<br />

und der aus der Verteidigungshandlung drohenden Beeinträchtigung <strong>zu</strong> beurteilen. Das <strong>zu</strong> verteidigende<br />

Vermögen (100 €) wiegt im Vergleich <strong>zu</strong> den für C entstehenden Gefahren (Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit)<br />

zwar weniger, für ein krasses Missverhältnis genügt allerdings nicht schon die bloße Disproportionalität<br />

<strong>zu</strong>r Bejahung dieser Fallgruppe. Nur ein offensichtliches Missverhältnis kann <strong>zu</strong>m Verlust des Notwehrrechts<br />

mangels Gebotenheit führen, da in § 32 StGB der Rechtsbewährungsaspekt <strong>zu</strong> berücksichtigen ist. 47 Ein so unerträgliches<br />

Missverhältnis ist hier nicht gegeben.<br />

Anm.:<br />

Andere Ansicht mit vertiefender Begründung noch vertretbar. Die folgende Diskussion um die rechtliche Behandlung<br />

eines Erlaubnistatumstandsirrtums entfällt. Entsprechender Begründungsaufwand sollte deshalb in<br />

die Argumentation <strong>zu</strong>m Vorliegen eines krassen Missverhältnisses gelegt werden.<br />

cc)<br />

Ergebnis<br />

Damit nahm B die tatsächlichen Vorausset<strong>zu</strong>ngen der Notwehr i.S.d. § 32 StGB an und befand sich somit in einem<br />

Erlaubnistatumstandsirrtum.<br />

b) Rechtliche Behandlung des Erlaubnistatumstandsirrtums<br />

Fraglich ist, wie sich diese irrige Vorstellung des B auf dessen Strafbarkeit auswirkt.<br />

aa)<br />

Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen<br />

Nach der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen handelt es sich bei den Rechtfertigungsgründen um<br />

negative Tatbestandsmerkmale die gemeinsam mit den positiv geregelten Tatbestandsmerkmalen der im Besonderen<br />

Teil enthaltenen Normen einen Gesamtunrechtstatbestand bilden. 48 Deshalb sei im Rahmen des Tatbestandes<br />

nicht nur das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des jeweiligen Delikts <strong>zu</strong> prüfen, sondern auch das Nichtvorliegen<br />

von Rechtfertigungsgründen. Auf das Nichtvorliegen von Rechtfertigungsgründen als Tatbestandsmerkmal<br />

muss sich deshalb auch der Vorsatz beziehen. Ein Irrtum über das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen ist<br />

dieser Ansicht nach ein Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB, sodass der Täter, der irrig annimmt, gerechtfertigt<br />

<strong>zu</strong> sein, ohne Vorsatz handelt.<br />

44<br />

45<br />

46<br />

47<br />

48<br />

BGH NJW 1995, 973.<br />

BGH NStZ 2003, 425.<br />

Momsen, in: Beck-OK, StGB, § 32 Rdn. 29.<br />

Momsen, in: Beck-OK, StGB, § 32 Rdn. 33a.<br />

In neuerer Zeit sympathisierend etwa: Freund, in MünchKomm, StGB, Bd. 2, 2. Aufl. 2011, vor §§ 13 ff. Rdn. 197, 276 ff.;<br />

Schlehofer, in: MünchKomm, StGB, Bd. 1, 2. Aufl. 2011, vor §§ 32ff. Rdn. 33; Walter, in: Leipziger Kommentar, Strafgesetzbuch,<br />

Bd. 1, 12. Aufl. 2006, vor § 13 Rdn. 158; Kindhäuser, Lehr- und Praxiskommentar <strong>zu</strong>m Strafgesetzbuch,<br />

4. Aufl. 2010, vor §§ 32-35 Rdn. 37 ff.


13 B – 575<br />

B glaubte, gerechtfertigt <strong>zu</strong> sein, sodass er nach dieser Auffassung keinen Vorsatz bezüglich des Nichtvorliegens<br />

von Rechtfertigungsgründen hatte und mithin gemäß § 16 Abs. 1 StGB ohne Vorsatz handelte.<br />

bb)<br />

Strenge Schuldtheorie<br />

Die strenge Schuldtheorie behandelt einen Erlaubnistatumstandsirrtum als Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB. 49 Ausgangspunkt<br />

ist die Annahme, dass die tatsächlichen Vorausset<strong>zu</strong>ngen eines Rechtfertigungsgrundes weder Tatbestandsmerkmale<br />

seien noch entsprechend behandelt werden dürften. Da Rechtfertigungsgründe die Tatbestandsmäßigkeit<br />

des Verhaltens grundsätzlich nicht beseitigten, werde durch einen Erlaubnistatumstandsirrtum nicht der<br />

Tatbestandsvorsatz, sondern das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit ausgeschlossen.<br />

Deshalb ist unter Anwendung der strengen Schuldtheorie fest<strong>zu</strong>stellen, ob der Irrtum des B, der dachte sein Verhalten<br />

sei gerechtfertigt, gemäß § 17 S. 1 StGB unvermeidbar war. Ein Irrtum ist i.S.d. § 17 StGB vermeidbar,<br />

wenn der Täter nach seinen individuellen Fähigkeiten unter Einsatz seiner Erkenntniskräfte und sittlichen Wertvorstellungen,<br />

ggf. auch durch Einholung fachkundigen Rates, <strong>zu</strong>r Unrechtseinsicht hätte kommen können. 50<br />

Es sind keine Möglichkeiten ersichtlich, wie B seine irrige Vorstellung in der dynamischen Situation hätte überprüfen<br />

können, <strong>zu</strong>mal auch A als vermeintlicher Zeuge die Fehlvorstellung des B noch stärkte. Mithin war der Irrtum<br />

unvermeidbar und B nach § 17 Abs. 1 StGB entschuldigt.<br />

Anm.:<br />

Hier kann für die Beurteilung der Vermeidbarkeit auf das hektische Geschehen in der Rangelei abgestellt<br />

werden (anders als bei der Prüfung im vorherigen Tatkomplex <strong>zu</strong>r möglichen Fahrlässigkeit des B hinsichtlich<br />

der Nichterweislichkeit der Wahrheit der behaupteten Tatsache, da das Geschehen in diesem Zeitpunkt noch<br />

übersichtlicher war). Eine andere Sachverhaltsdeutung ist jedoch vertretbar, sodass der Bearbeiter <strong>zu</strong>r Vermeidbarkeit<br />

des Irrtums gelangt. Gegen die strenge Schuldtheorie kann in der Folge angebracht werden, dass<br />

der Grundgedanke des § 17 StGB auf den Erlaubnistatumstandsirrtum nicht passt, da der Täter wegen seiner<br />

Tatumstandsunkenntnis gerade keinen Anlass hat über das Recht nach<strong>zu</strong>denken. 51<br />

cc) Eingeschränkte Schuldtheorie 52<br />

Die eingeschränkte Schuldtheorie setzt einen Erlaubnistatumstandsirrtum in der rechtlichen Behandlung mit einem<br />

Tatumstandsirrtum gleich, sodass im Ergebnis die Bestrafung wegen vorsätzlicher Begehung entfällt. 53 Ausgangspunkt<br />

ist die Überlegung, dass der Täter in der Situation eines Erlaubnistatumstandsirrtums „an sich rechtstreu“<br />

handele und – aus seiner Sicht – die gesetzgeberische Wertung von Recht und Unrecht befolge. Deshalb sei der<br />

Erlaubnistatumstandsirrtum mit einem Tatumstandsirrtum vergleichbar. Diese Nähe sei auch gesetzlich vorgegeben,<br />

denn die Systematik der Irrtümer trennt Tatsachenunkenntnis (§ 16 StGB) von Fehlbewertungen (§ 17 StGB).<br />

Wegen der Vergleichbarkeit eines Irrtums über Tatumstände auf Rechtswidrigkeitsebene mit einem Irrtum über<br />

Tatumstände auf Tatbestandsebene wird <strong>zu</strong>r rechtlichen Behandlung des Erlaubnistatumstandsirrtums § 16 Abs. 1<br />

StGB analog herangezogen.<br />

Die eingeschränkte Schuldtheorie wird auch modifiziert vertreten. Nach dieser sog. rechtsfolgenverweisenden eingeschränkten<br />

Schuldtheorie soll § 16 Abs. 1 StGB Anwendung finden, allerdings – um die Tat teilnahmefähig <strong>zu</strong><br />

belassen – nur in Be<strong>zu</strong>g auf die Rechtsfolgen. Mit Beschränkung auf die Rechtsfolgen des § 16 Abs. 1 StGB soll<br />

dem Umstand Rechnung getragen werden, dass durch den Irrtum die Vorsatzschuld entfalle.<br />

Demnach handelte B gemäß § 16 Abs. 1 StGB analog, bzw. unter Beschränkung auf die Rechtsfolgen ohne Vorsatz<br />

indem er vom Vorliegen der tatsächlichen Vorausset<strong>zu</strong>ngen der Notwehr, § 32 StGB, ausging.<br />

Anm.:<br />

Auf eine Darstellung der heute nicht mehr vertretenen Vorsatztheorie 54 kann der Bearbeiter verzichten. Mit der<br />

Regelung des § 17 StGB hat der Gesetzgeber gezeigt, dass er das Unrechtsbewusstsein (dolus malus) auf<br />

Schuldebene verortet. 55<br />

c) Zwischenergebnis<br />

Eine Strafbarkeit des B entfällt nach allen Theorien <strong>zu</strong>r rechtlichen Behandlung eines Erlaubnistatumstandsirrtums.<br />

49<br />

50<br />

51<br />

52<br />

53<br />

54<br />

55<br />

Armin Kaufmann, JZ 1955, 37ff.; Paeffgen, in: NK-StGB, Bd. 1, vor § 32ff. Rdn. 108ff.; weitere Nachweise bei Sternberg-<br />

Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 16 Rdn. 15.<br />

BGHSt 4, 236 (243); BGH NStZ 2000, 307 (309).<br />

Vgl. da<strong>zu</strong> die Darstellung bei: Hillenkamp, 32 Probleme aus dem Strafrecht, Allgemeiner Teil, 14. Aufl. 2012, S. 78.<br />

BGHSt 3, 105 (106 ff.); Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, 42. Aufl. 2012, Rdn. 470.<br />

Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rdn. 470.<br />

Lang/Hinrichsen, JR 1952, 184 (188 ff.); Langer, GA 1976, 193 (208); Mezger, NJW 1951, 500 (502).<br />

Hillenkamp, 32 Probleme aus dem Strafrecht AT, S. 74. Hillenkamp ist allerdings der Ansicht, dass die Vorsatztheorie in<br />

einer Darstellung des Streitstandes Berücksichtigung finde müsse, da aktuell eine „beachtliche Mindermeinung“ sich <strong>zu</strong><br />

dieser bekenne.


6. Ergebnis<br />

14 B – 575<br />

B hat sich nicht nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nrn. 2 und 4, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.<br />

B. Strafbarkeit des A<br />

I. Versuchter schwerer Raub in mittelbarer Täterschaft, §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1, 25<br />

Abs. 1 Alt. 2 StGB<br />

A könnte sich nach §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht haben,<br />

indem er C des Falschspiels bezichtigte.<br />

Die Tat ist nicht vollendet, da es nicht <strong>zu</strong> einer Wegnahme der Geldscheine kam. Der Versuch der §§ 249, 250<br />

StGB ist strafbar, da es sich bei der Tat um ein Verbrechen handelt, §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB. Fraglich ist<br />

aber bereits, ob A Tatentschluss hinsichtlich einer <strong>zu</strong>rechenbaren Wegnahme des Geldes durch B hatte. Jedenfalls<br />

liegt aber die erforderliche Zueignungsabsicht nicht vor. A kam es lediglich darauf an, nicht selbst als Falschspieler<br />

enttarnt <strong>zu</strong> werden. Eine (Dritt-)Zueignungsabsicht hatte er nicht.<br />

II. Versuchte gefährliche Körperverlet<strong>zu</strong>ng in mittelbarer Täterschaft, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2<br />

Alt. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB<br />

A könnte sich nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht<br />

haben, indem er den B anfeuerte. Die Tat ist nicht vollendet und der Versuch strafbar (s.o.). Hinsichtlich des Taterfolges<br />

hatte A, der Verlet<strong>zu</strong>ngen des C billigend in Kauf nahm, Tatentschluss. Fraglich ist, ob er auch Tatentschluss<br />

hinsichtlich einer <strong>zu</strong>rechenbaren Verlet<strong>zu</strong>ngshandlung durch B hatte. B befand sich in einem Erlaubnistatumstandsirrtum,<br />

sodass A jedenfalls überlegenes Wissen hatte. Dieses Strafbarkeitsdefizit bei B begründet für A<br />

Tatherrschaft. Somit hatte er Tatentschluss, den Körperverlet<strong>zu</strong>ngserfolg bei C durch einen anderen, nämlich B,<br />

herbei<strong>zu</strong>führen.<br />

Mit dem unmittelbaren Ansetzen des B als Werkzeug (s.o.) <strong>zu</strong>r Tat hat A nach allen vertretenen Ansichten als mittelbarer<br />

Täter auch selbst <strong>zu</strong>r Tat angesetzt.<br />

A handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.<br />

Somit hat er sich nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht.<br />

Gesamtergebnis in Konkurrenzen<br />

A hat sich im ersten und zweiten Tatkomplex jeweils nach § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Möglicherweise<br />

stehen diese beiden Taten nach den Grundsätzen der natürlichen Handlungseinheit <strong>zu</strong>einander in Tateinheit gemäß<br />

§ 52 StGB. Eine natürliche Handlungseinheit liegt aus Sicht der Rechtsprechung vor, wenn zwischen einer<br />

Mehrheit strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang<br />

besteht, dass das gesamte Handeln des Täters auch für einen Dritten objektiv als einheitliches <strong>zu</strong>sammengehöriges<br />

Tun erscheint, und wenn die einzelnen Betätigungen auf einer einzigen Willensentschließung beruhen. 56<br />

Ein enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den beiden Betrugstaten besteht jedenfalls. Hier ist<br />

allerdings bereits fraglich, ob das Geschehen als einheitliches <strong>zu</strong>sammengehöriges Tun angesehen werden kann.<br />

Die Täuschungshandlungen beider Taten unterscheiden sich jedenfalls. Nach dem Zinken der Karten bedurfte es<br />

für das Bezahlen mit Falschgeld, welches A eigentlich gar nicht eingeplant hatte, eines weiteren Tatentschlusses.<br />

Eine natürliche Handlungseinheit liegt deshalb nicht vor. Die beiden Taten stehen <strong>zu</strong>einander in Tatmehrheit, § 53<br />

StGB.<br />

Anm.:<br />

Andere Ansicht wohl noch vertretbar. Dann könnte im Anschluss angesprochen werden, ob die Figur der natürlichen<br />

Handlungseinheit in der Konkurrenzsystematik überhaupt über die Fälle rechtlicher Handlungseinheit<br />

hinaus deliktische Handlungen verknüpfen kann. Dies könnte mit dem Argument, dass tatbestandliche Wertungen<br />

umgangen werden, wenn eine nicht präzise fixierbare natürliche Betrachtungsweise <strong>zu</strong>r Begründung<br />

einer Handlungseinheit Maßstab ist. 57 Eine solche Diskussion kann allerdings nur von sehr guten Bearbeitern<br />

erwartet werden.<br />

Im zweiten Tatkomplex hat A sich nach §§ 185, 187 StGB strafbar gemacht. Diese Taten wurden durch dieselbe<br />

Handlung verwirklicht und stehen deshalb <strong>zu</strong>einander in Tateinheit, § 52 StGB, sowie <strong>zu</strong> den übrigen Taten in<br />

Tatmehrheit, § 53 StGB.<br />

56<br />

57<br />

BGH NStZ-RR 2010, 375.<br />

Vgl. da<strong>zu</strong> kritisch: Von Heitschel-Heinegg, Beck-OK, StGB, Stand: 01.12.2012, § 52 Rdn. 34.


15 B – 575<br />

Im letzten Tatkomplex hat sich A nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar<br />

gemacht. Diese Tat steht <strong>zu</strong> den übrigen Taten in Tatmehrheit, § 53 StGB.<br />

B und C sind straflos.<br />

Dieses Gutachten ist keine Musterklausur, wie man sie vom Bearbeiter einer Klausur in der staatlichen Pflichtfachprüfung erwartet.<br />

Das Gutachten ist im Interesse der Wiederholung und Vertiefung des Rechtsstoffes ausgearbeitet und mit Rechtsprechungs-<br />

und Schrifttumshinweisen versehen worden. Außerdem soll das Gutachten eine Überarbeitung des jeweiligen Rechtsgebietes<br />

erleichtern. Schließlich hat es die Aufgabe, die mündliche Besprechung der Klausur vom Anspruch auf Vollständigkeit<br />

<strong>zu</strong> befreien und eine Diskussion <strong>zu</strong> einzelnen Problemen <strong>zu</strong> ermöglichen. Deshalb entspricht es in der Gründlichkeit an einzelnen<br />

Problemstellen mehr einer Hausarbeit als einer Klausur. Es ist jedoch <strong>zu</strong> beachten, dass eingerückte und durch eine<br />

Klammer kenntlich gemachte Hinweise auf alternative Aufbau- oder Lösungsmöglichkeiten, die in den Lösungsvorschlägen des<br />

<strong>Klausurenkurs</strong>es angebracht sein können, in einer Examensarbeit fehl am Platz sind.

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