Ethik-Kommissionen in der medizinischen Forschung - Fachbereich ...

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v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 abgegeben hat, zumal nicht vorgesehen ist, dass die Kommission im Falle einer Ablehnung des Antrags durch die Behörde ihrer Votierungspflicht enthoben wäre, die Übermittlung der Entscheidungskopie sie also auch nicht entlastet. VIII. Rücknahme, Widerruf und Ruhen der zustimmenden Bewertung Das Gesetz trifft für die zustimmende Bewertung der Kommission keine dem § 42a AMG n.F. entsprechende Regelung. Das Schweigen des Gesetzes ist mehrdeutig. Schließt es die Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes, insbesondere der §§ 48, 49, die normalerweise in Betracht käme, aus; sieht man im Votum einen Verwaltungsakt, oder nicht? Eine Klarstellung tut dringend Not, und sei es auch nur in der Richtung, dass z.B. das Votum der Ethik-Kommission nicht allein wegen einer veränderten Risikolage widerrufen werden darf, weil in diesem Fall bereits die Bundesoberbehörde ihre Genehmigung widerruft. IX. Widerspruch gegen Voten der Ethik-Kommissionen nach § 42 Abs. 1 AMG n.F.? Soweit nach der gegenwärtigen Rechtslage ein Vorverfahren nach §§ 68 ff. VwGO gegen Voten von Ethik-Kommissionen – je nach deren Rechtsstellung und gegebenenfalls der landesrechtlichen Ausgestaltung des Widerspruchsverfahrens - in Betracht kommt 409 , sollte der Gesetzgeber es i.S. von § 68 Abs. 1 S. 2 vor Nr. 1 VwGO für entbehrlich erklären. Tut er dies nicht, sollte er bestimmen, dass die Ethik-Kommission für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig ist. Gegen ein Widerspruchsverfahren spricht: Einmal wäre zunächst die Kommission als Ausgangsbehörde selbst zuständig, sich mit dem Widerspruch zu befassen und ihm abzuhelfen (vgl. § 72 VwGO). Viel Ertrag verspricht dies nicht: In unveränderter Zusammensetzung wird die Kommission regelmäßig nicht abhelfen, in veränderter Zusammensetzung – und womöglich ohne Rücksicht auf frühere substantiierte Überlegungen - eher zur Abhilfe neigen. Zum anderen: Im Falle der Nichtabhilfe wäre eine Widerspruchsbehörde zuständig, § 73 VwGO. Wenn dies nicht die Kommission selbst ist, liegt die Entscheidung bei einer Instanz, die kaum über mehr Sachverstand als die Kommission gebietet. Auch scheint die Zuständigkeit einer – mit der Kommission nicht identischen – Widerspruchsbehörde mit der Unabhängigkeit der 409 Es könnte ohnehin nur der Rechtmäßigkeit, nicht auch einer irgendwie zu verstehenden Zweckmäßigkeit (vgl. § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO) gelten. 320

v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 Kommission wenig verträglich. Das geringere Übel, wenn man ein Vorverfahren wollte, läge demgegenüber darin, die Kommission zur Widerspruchsbehörde zu erklären. Von alledem wäre keine substantielle Entlastung der Verwaltungsgerichte zu erwarten. Meist wird es beim Vorverfahren nicht bewenden, und sein Verlauf wird den Gerichten, wenn sie anschließend angerufen werden, keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn bescheren. Hinzu kommt, dass den Antragstellern und Prüfern, schon aus wirtschaftlichen Gründen, an einer raschen Entscheidung gelegen ist. Die Zwischenschaltung eines Vorverfahrens steht diesem verständlichen und für den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht unwesentlichen Interesse eher entgegen 410 . C. Insbesondere: Die Klinische Prüfung von Medizinprodukten I. Zusammensetzung der Ethik-Kommissionen Was die Zusammensetzung der im Medizinproduktebereich tätigen Ethik- Kommissionen anlangt, so hat sie zu berücksichtigen, dass hier Fragen der Medizintechnik besonderes Gewicht erlangen. Es sollte deshalb zumindest ein Medizintechniker der Kommission angehören, so dass die Kommission nicht ständig auf den weniger optimalen Weg der Heranziehung externer Sachverständiger angewiesen ist. Insgesamt sollte die Zusammensetzung der Ethik-Kommission detailliert im Gesetz niedergelegt werden, um keine Vollzugsdefizite schon auf regulatorischer Ebene zu programmieren. II. Überwiegen des Nutzens gegenüber den Risiken, § 20 Abs. 1 Nr. 1 MPG Hier sollte ein Überwiegen des Nutzens der klinischen Prüfung für die ärztliche Heilkunde und den Studienteilnehmer gegenüber den Risiken für diesen aufgenommen werden. Die zu erwartenden Risiken müssen wiederum ärztlich vertretbar sein. 410 Die Bereitschaft des Bundesgesetzgebers, dieses Interesse auch im Verfahrensrecht ernst zu nehmen, dokumentiert sich schon jetzt beim verbreiteten Ausschluss des Suspensiveffekts von Widerspruch und Anfechtungsklage. In diese Richtung weist unmissverständlich auch die Ermächtigung des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO („insbesondere ...“). 321

v. Dewitz/Luft/Pestalozza<br />

<strong>Ethik</strong>kommissionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Forschung</strong> - Oktober 2004<br />

Kommission wenig verträglich. Das ger<strong>in</strong>gere Übel, wenn man e<strong>in</strong> Vorverfahren<br />

wollte, läge demgegenüber dar<strong>in</strong>, die Kommission zur Wi<strong>der</strong>spruchsbehörde zu<br />

erklären.<br />

Von alledem wäre ke<strong>in</strong>e substantielle Entlastung <strong>der</strong> Verwaltungsgerichte zu<br />

erwarten. Meist wird es beim Vorverfahren nicht bewenden, und se<strong>in</strong> Verlauf<br />

wird den Gerichten, wenn sie anschließend angerufen werden, ke<strong>in</strong>en zusätzlichen<br />

Erkenntnisgew<strong>in</strong>n bescheren.<br />

H<strong>in</strong>zu kommt, dass den Antragstellern und Prüfern, schon aus wirtschaftlichen<br />

Gründen, an e<strong>in</strong>er raschen Entscheidung gelegen ist. Die Zwischenschaltung<br />

e<strong>in</strong>es Vorverfahrens steht diesem verständlichen und für den Wirtschaftsstandort<br />

Deutschland nicht unwesentlichen Interesse eher entgegen 410 .<br />

C. Insbeson<strong>der</strong>e: Die Kl<strong>in</strong>ische Prüfung von Mediz<strong>in</strong>produkten<br />

I. Zusammensetzung <strong>der</strong> <strong>Ethik</strong>-<strong>Kommissionen</strong><br />

Was die Zusammensetzung <strong>der</strong> im Mediz<strong>in</strong>produktebereich tätigen <strong>Ethik</strong>-<br />

<strong>Kommissionen</strong> anlangt, so hat sie zu berücksichtigen, dass hier Fragen <strong>der</strong><br />

Mediz<strong>in</strong>technik beson<strong>der</strong>es Gewicht erlangen. Es sollte deshalb zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong><br />

Mediz<strong>in</strong>techniker <strong>der</strong> Kommission angehören, so dass die Kommission nicht<br />

ständig auf den weniger optimalen Weg <strong>der</strong> Heranziehung externer<br />

Sachverständiger angewiesen ist. Insgesamt sollte die Zusammensetzung <strong>der</strong><br />

<strong>Ethik</strong>-Kommission detailliert im Gesetz nie<strong>der</strong>gelegt werden, um ke<strong>in</strong>e<br />

Vollzugsdefizite schon auf regulatorischer Ebene zu programmieren.<br />

II. Überwiegen des Nutzens gegenüber den Risiken, § 20 Abs. 1 Nr. 1 MPG<br />

Hier sollte e<strong>in</strong> Überwiegen des Nutzens <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Prüfung für die ärztliche<br />

Heilkunde und den Studienteilnehmer gegenüber den Risiken für diesen<br />

aufgenommen werden. Die zu erwartenden Risiken müssen wie<strong>der</strong>um ärztlich<br />

vertretbar se<strong>in</strong>.<br />

410 Die Bereitschaft des Bundesgesetzgebers, dieses Interesse auch im Verfahrensrecht ernst<br />

zu nehmen, dokumentiert sich schon jetzt beim verbreiteten Ausschluss des<br />

Suspensiveffekts von Wi<strong>der</strong>spruch und Anfechtungsklage. In diese Richtung weist<br />

unmissverständlich auch die Ermächtigung des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO<br />

(„<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e ...“).<br />

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