Ethik-Kommissionen in der medizinischen Forschung - Fachbereich ...

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v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 wird durch diese Regelung jedenfalls weitgehend erodiert: Der Patient, welcher sich aufgrund seines Leidens zum Arzt begibt, vertraut darauf und muss auch weiterhin darauf vertrauen können, durch die Studienteilnahme jedenfalls nicht schlechter als im Falle seiner Nichtteilnahme behandelt zu werden. Dies von der zufälligen Zuweisung in die eine oder andere Gruppe abhängig zu machen, dürfte diesem Vertrauen nicht gerecht werden. Das Risiko und die Belastung einer studienbedingten Nichtbehandlung kann vom Patienten selbst kaum eingeschätzt werden. Insoweit ist er auf die Erläuterungen des Prüfers angewiesen, der bzw. dessen Abteilung natürlich an seiner Studienteilnahme ein (finanzielles) Interesse hat. An dieser Stelle wirkt sich verschärfend die Aufgabe des Arztvorbehaltes aus. Nach § 4 Abs. 25 AMG n.F. kann nunmehr auch ein Nicht(zahn)arzt Prüfer/Hauptprüfer/Leiter der Klinischen Prüfung eines Arzneimittels sein. Dieser unterliegt weder der ärztlichen Behandlungspflicht, noch ist er Garant für das leibliche Wohl des Patienten. Er gerät daher auch bei Vorenthaltung einer notwendigen Standardtherapie nicht in Konflikt mit seinem Berufsethos. Dies wird nur unzureichend durch die Voraussetzung der (zahn)ärztlichen Aufklärung nach § 40 Abs. 2 S. 1 1. HS AMG n.F. ausgeglichen. Letzterer ist nämlich nach der gesetzlichen Konstruktion nur weisungsunterworfener Erfüllungsgehilfe des Prüfers, der wiederum dem Sponsor gegenüber vertraglich verpflichtet ist, den Prüfplan zu erfüllen. e) Besondere Vorschriften zur Risikobegrenzung bei Studien mit Minderjährigen und nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen Bei Minderjährigen und nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen hat der Gesetzgeber das Maß des zulässigen Risikos und der zulässigen Belastung modifiziert. aa) Minderjährige Verfassungsrechtlich ist insoweit vom Gesetzgeber zu berücksichtigen, dass Minderjährige jedenfalls unter einem Alter von 14 Jahren mangels Einwilligungsfähigkeit nicht wirksam in die Teilnahme an einem medizinischen Forschungsvorhaben einwilligen können. 286

v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 Eine objektive Schutzpflicht des Staates erwächst hierbei zum einen aus dem Aspekt der Menschenwürde, vgl. Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG. Hiernach darf niemand zum Objekt des Staates durch Instrumentalisierung herabgewürdigt werden 377 . Jedenfalls bei nichttherapeutischer Forschung mit Minderjährigen könnte bei einer Überschreitung einer minimalen Risiko- und Belastungsschwelle eine Menschenwürdeverletzung vorliegen. Ferner hat der Staat die Aufgabe, das Kindeswohl zu schützen, vgl. Art. 6 Abs. 2 GG. Diesen Schutzauftrag des Staates hat der Gesetzgeber teilweise an die Eltern deligiert, Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG 378 . Allerdings geht das Kindeswohl im Zweifel dem elterlichen Sorgerecht vor, vgl. Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG. Die Eltern haben daher ihre Sorgepflicht zum Wohle ihres Kindes auszuüben. Dem entspricht auch die europäische Rechtslage, vgl. Art. 8 EMRK 379 . Dass der europäische und in seiner Folge der dt. Gesetzgeber in grundrechtlich bedenklicher Weise die „gruppennützige Forschung“ mit Minderjährigen im Arzneimittelbereich durch Art. 4 e) der Richtlinie 2001/20/EG bzw. § 41 Abs. 2 Nr. 2 AMG n.F. zugelassen hat, ist an anderer Stelle ausführlich diskutiert worden. Hierauf soll daher im hiesigen Kontext nicht näher eingegangen werden. Unbeschadet bestehender verfassungsrechtlicher Bedenken gegenüber der getroffenen Regelung, ist es aber dem Gesetzgeber aufgrund der genannten grundrechtlichen Schranken (Artt. 1 Abs. 1 S. 1; 2 Abs. 2 S. 1 und 6 Abs. 2 GG) verwehrt, bei Minderjährigen das Maß des zulässigen Risikos bzw. der zulässigen Belastung durch die Studienteilnahme demjenigen eines einwilligungsfähigen Erwachsenen regulativ anzugleichen. Dem entspricht im Bereich der therapeutischen (d.h. auch eigennützigen, weil im Einzelfall medizinisch angezeigten) Arzneimittelprüfung mit Minderjährigen das nicht unterschreitbare Mindestschutzniveau der Richtlinie 2001/20/EG. 377 BVerfGE 50, 166 (175); BVerfGE 87, 209 (228). 378 BVerfGE 61, 358 (371,372); 60, 79 (88); 59, 360 (376 f.); s.a. BVerfG, Urteil vom 6. Februar 2001 1 BvR 12/92 (NJW 2001, S. 957). 379 EGMR, Urteil vom 7. August 1996, Johansen, RJD 1996-III, Z. 78; EGMR Urteil vom 13. Juli 2000, Elsholz, Nr. 25735/94 = EuGRZ 2002, S. 595, Z. 50; EGMR, Urteil vom 13. Juli 2000, Scozzari u. Giunta, Nr. 39221/98 u.a., Z. 169; EGMR, Urteil vom 11. Oktober 2001, Sommerfeld Nr. 31871/96 = EuGRZ 2001, S. 588, Z. 40. 287

v. Dewitz/Luft/Pestalozza<br />

<strong>Ethik</strong>kommissionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Forschung</strong> - Oktober 2004<br />

wird durch diese Regelung jedenfalls weitgehend erodiert: Der Patient, welcher<br />

sich aufgrund se<strong>in</strong>es Leidens zum Arzt begibt, vertraut darauf und muss auch<br />

weiterh<strong>in</strong> darauf vertrauen können, durch die Studienteilnahme jedenfalls nicht<br />

schlechter als im Falle se<strong>in</strong>er Nichtteilnahme behandelt zu werden. Dies von <strong>der</strong><br />

zufälligen Zuweisung <strong>in</strong> die e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Gruppe abhängig zu machen, dürfte<br />

diesem Vertrauen nicht gerecht werden. Das Risiko und die Belastung e<strong>in</strong>er<br />

studienbed<strong>in</strong>gten Nichtbehandlung kann vom Patienten selbst kaum e<strong>in</strong>geschätzt<br />

werden. Insoweit ist er auf die Erläuterungen des Prüfers angewiesen, <strong>der</strong> bzw.<br />

dessen Abteilung natürlich an se<strong>in</strong>er Studienteilnahme e<strong>in</strong> (f<strong>in</strong>anzielles) Interesse<br />

hat.<br />

An dieser Stelle wirkt sich verschärfend die Aufgabe des Arztvorbehaltes aus.<br />

Nach § 4 Abs. 25 AMG n.F. kann nunmehr auch e<strong>in</strong> Nicht(zahn)arzt<br />

Prüfer/Hauptprüfer/Leiter <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ischen Prüfung e<strong>in</strong>es Arzneimittels se<strong>in</strong>.<br />

Dieser unterliegt we<strong>der</strong> <strong>der</strong> ärztlichen Behandlungspflicht, noch ist er Garant für<br />

das leibliche Wohl des Patienten. Er gerät daher auch bei Vorenthaltung e<strong>in</strong>er<br />

notwendigen Standardtherapie nicht <strong>in</strong> Konflikt mit se<strong>in</strong>em Berufsethos. Dies<br />

wird nur unzureichend durch die Voraussetzung <strong>der</strong> (zahn)ärztlichen Aufklärung<br />

nach § 40 Abs. 2 S. 1 1. HS AMG n.F. ausgeglichen. Letzterer ist nämlich nach<br />

<strong>der</strong> gesetzlichen Konstruktion nur weisungsunterworfener Erfüllungsgehilfe des<br />

Prüfers, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um dem Sponsor gegenüber vertraglich verpflichtet ist, den<br />

Prüfplan zu erfüllen.<br />

e) Beson<strong>der</strong>e Vorschriften zur Risikobegrenzung bei Studien mit M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen<br />

und nicht e<strong>in</strong>willigungsfähigen Erwachsenen<br />

Bei M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen und nicht e<strong>in</strong>willigungsfähigen Erwachsenen hat <strong>der</strong><br />

Gesetzgeber das Maß des zulässigen Risikos und <strong>der</strong> zulässigen Belastung<br />

modifiziert.<br />

aa) M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige<br />

Verfassungsrechtlich ist <strong>in</strong>soweit vom Gesetzgeber zu berücksichtigen, dass<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige jedenfalls unter e<strong>in</strong>em Alter von 14 Jahren mangels<br />

E<strong>in</strong>willigungsfähigkeit nicht wirksam <strong>in</strong> die Teilnahme an e<strong>in</strong>em mediz<strong>in</strong>ischen<br />

<strong>Forschung</strong>svorhaben e<strong>in</strong>willigen können.<br />

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