Ethik-Kommissionen in der medizinischen Forschung - Fachbereich ...

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v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 Unklar ist auch nach der 12. AMG-Novelle geblieben, ob die Vergleichsmedikation auch ein Placebo sein kann und daher placebokontrollierte Studien auch mit (dauerhaft) nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen zulässig sein sollen. § 41 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 AMG n.F. lautet nämlich: „Die Klinische Prüfung darf nur durchgeführt werden, wenn die begründete Erwartung besteht, dass der Nutzen der Anwendung des Prüfpräparates für die betroffene Person die Risiken überwiegt oder keine Risiken mit sich bringt.“ Zur Begründung führt der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT Drs. 15/2109) zu § 41 folgendes aus: „Für erwachsene nicht einwilligungsfähige Personen bleibt es wie im europäischen Recht bei der bisherigen Rechtslage. Hier genügt ein „Gruppennutzen“ nicht. Vielmehr darf die Klinische Prüfung nur durchgeführt werden, wenn die Anwendung des zu prüfenden Arzneimittels nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft für den Prüfungsteilnehmer einen individuellen Nutzen erwarten lässt.“ Nach dem Verständnis des Verfassers ergeben sich hieraus folgende Aspekte: (1) Sicher erscheint, dass die Gabe der zu prüfenden Wirksubstanz einen möglichen therapeutischen Nutzen für den nicht einwilligungsfähigen Prüfungsteilnehmer haben und damit bei diesem therapeutisch indiziert sein muss, vgl. § 41 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 AMG n.F.. (2) Unsicherheit besteht aber dahingehend, ob durch § 41 Abs. 3 Nr. 1 AMG n.F. auch für die Gabe eines Placebos an nicht einwilligungsfähige Erwachsene im Rahmen einer Klinischen Prüfung eine hinreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigungsgrundlage geschaffen wird. § 41 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 AMG („das zu prüfende Arzneimittel“) bezieht sich offenbar nur auf die zu prüfende Wirksubstanz und lässt ggf. die Frage, ob eine Placebogabe zulässig ist, zunächst offen. In § 41 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 AMG n.F. wird in Abweichung von § 41 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 AMG n.F. statt von dem „zu prüfenden Arzneimittel“ von dem „Prüfpräparat“ gesprochen. Nach Art. 2 d) der Richtlinie 2001/20/EG kann dies sowohl die zu prüfende Wirksubstanz, als auch das Placebo darstellen. Die Formulierung von S. 2 des § 41 Abs. 3 Nr. 1 AMG ist nicht ganz klar und eindeutig. Dass der Nutzen der Anwendung des Prüfpräparates die Risiken überwiegt, ist bei der Gabe einer Wirksubstanz möglicherweise gegeben. Die zweite Variante „oder keine Risiken mit sich bringt“, hat schon sprachlich einen unklaren Bezugspunkt. Dies könnte auf die „Anwendung des Prüfpräparats“ oder 274

v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 auf den „Nutzen der Anwendung des Prüfpräparates“ bezogen sein. Letztere Interpretation, die dazu führt, dass auch die Vergleichssubstanz trotz fehlenden Risikos einen möglichen therapeutischen Nutzen für den Prüfungsteilnehmer mit sich bringen muss, erscheint aber sprachlogisch nicht ganz nachvollziehbar, da nur die Anwendung des Prüfpräparats keine Risiken mit sich bringen kann, nicht aber ein möglicher Nutzen der Anwendung. Nach Wortlaut und Begründung zu § 41 Abs. 3 AMG n.F. will die Bundesregierung, die auch nur von dem zu prüfenden Arzneimittel spricht, welches einen möglichen Nutzen für den nicht einwilligungsfähigen Prüfungsteilnehmer haben muss, offenbar auch hier die europarechtliche Regelung Art. 5 der Richtlinie 2001/20/EG, welcher die Klinische Prüfung bei nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen regelt, umsetzen („bleibt es wie im europäischen Recht“). Die sprachliche Verwirrung könnte daher durch Heranziehung von Art. 5 i) der Richtlinie 2001/20/EG bzw. ihrer Übersetzung in die deutsche Sprache, eine Auflösung finden. Im englischen Original heißt es: “(i) there are grounds for expecting that administering the medicinal product to be tested will produce a benefit to the patient outweighing the risks or produce no risk at all.” Die deutschsprachige Übersetzung lautet: „i) die begründete Erwartung besteht, dass die Verabreichung des Prüfpräparats einen Nutzen für den betroffenen Patienten hat, der die Risiken überwiegt oder keinerlei Risiken mit sich bringt.“ Die Richtlinienbestimmung Art. 5 i) scheint für die Zulässigkeit der Variante, dass die Verabreichung des Prüfpräparates keinen zu erwarteten Nutzen haben muss aber dann auch keinerlei Risiken mit sich bringen darf, zu sprechen. Erwägungsgrund (4) der Richtlinie 2001/20/EG führt insoweit nur bedingt zu weiterer Sicherheit, da in diesem nur von der Variante, dass der erwartete Nutzen des „Medicinal Products“ (= Prüfpräparats i.S.d. Art. 2 d), also auch des Placebos, leider in der deutschen Übersetzung zumindest sprachlich ungenau: „des zu prüfenden Arzneimittels“) die Risiken überwiegen muss, die Rede ist. 275

v. Dewitz/Luft/Pestalozza<br />

<strong>Ethik</strong>kommissionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Forschung</strong> - Oktober 2004<br />

Unklar ist auch nach <strong>der</strong> 12. AMG-Novelle geblieben, ob die<br />

Vergleichsmedikation auch e<strong>in</strong> Placebo se<strong>in</strong> kann und daher placebokontrollierte<br />

Studien auch mit (dauerhaft) nicht e<strong>in</strong>willigungsfähigen Erwachsenen zulässig<br />

se<strong>in</strong> sollen. § 41 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 AMG n.F. lautet nämlich:<br />

„Die Kl<strong>in</strong>ische Prüfung darf nur durchgeführt werden, wenn die begründete<br />

Erwartung besteht, dass <strong>der</strong> Nutzen <strong>der</strong> Anwendung des Prüfpräparates für die<br />

betroffene Person die Risiken überwiegt o<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e Risiken mit sich br<strong>in</strong>gt.“<br />

Zur Begründung führt <strong>der</strong> Gesetzentwurf <strong>der</strong> Bundesregierung (BT Drs. 15/2109)<br />

zu § 41 folgendes aus:<br />

„Für erwachsene nicht e<strong>in</strong>willigungsfähige Personen bleibt es wie im europäischen Recht<br />

bei <strong>der</strong> bisherigen Rechtslage. Hier genügt e<strong>in</strong> „Gruppennutzen“ nicht. Vielmehr darf die<br />

Kl<strong>in</strong>ische Prüfung nur durchgeführt werden, wenn die Anwendung des zu prüfenden<br />

Arzneimittels nach den Erkenntnissen <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Wissenschaft für den<br />

Prüfungsteilnehmer e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>dividuellen Nutzen erwarten lässt.“<br />

Nach dem Verständnis des Verfassers ergeben sich hieraus folgende Aspekte:<br />

(1) Sicher ersche<strong>in</strong>t, dass die Gabe <strong>der</strong> zu prüfenden Wirksubstanz e<strong>in</strong>en<br />

möglichen therapeutischen Nutzen für den nicht e<strong>in</strong>willigungsfähigen<br />

Prüfungsteilnehmer haben und damit bei diesem therapeutisch <strong>in</strong>diziert se<strong>in</strong> muss,<br />

vgl. § 41 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 AMG n.F..<br />

(2) Unsicherheit besteht aber dah<strong>in</strong>gehend, ob durch § 41 Abs. 3 Nr. 1 AMG n.F.<br />

auch für die Gabe e<strong>in</strong>es Placebos an nicht e<strong>in</strong>willigungsfähige Erwachsene im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>er Kl<strong>in</strong>ischen Prüfung e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichend bestimmte gesetzliche<br />

Ermächtigungsgrundlage geschaffen wird. § 41 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 AMG („das zu<br />

prüfende Arzneimittel“) bezieht sich offenbar nur auf die zu prüfende<br />

Wirksubstanz und lässt ggf. die Frage, ob e<strong>in</strong>e Placebogabe zulässig ist, zunächst<br />

offen. In § 41 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 AMG n.F. wird <strong>in</strong> Abweichung von § 41 Abs. 3<br />

Nr. 1 S. 1 AMG n.F. statt von dem „zu prüfenden Arzneimittel“ von dem<br />

„Prüfpräparat“ gesprochen. Nach Art. 2 d) <strong>der</strong> Richtl<strong>in</strong>ie 2001/20/EG kann dies<br />

sowohl die zu prüfende Wirksubstanz, als auch das Placebo darstellen. Die<br />

Formulierung von S. 2 des § 41 Abs. 3 Nr. 1 AMG ist nicht ganz klar und<br />

e<strong>in</strong>deutig. Dass <strong>der</strong> Nutzen <strong>der</strong> Anwendung des Prüfpräparates die Risiken<br />

überwiegt, ist bei <strong>der</strong> Gabe e<strong>in</strong>er Wirksubstanz möglicherweise gegeben. Die<br />

zweite Variante „o<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e Risiken mit sich br<strong>in</strong>gt“, hat schon sprachlich e<strong>in</strong>en<br />

unklaren Bezugspunkt. Dies könnte auf die „Anwendung des Prüfpräparats“ o<strong>der</strong><br />

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