Ethik-Kommissionen in der medizinischen Forschung - Fachbereich ...
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v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 Wertungen an die Stelle der gesetzgeberischen Entscheidungen zu setzen. Vielmehr hat sie letztere am Einzelfall zu vollziehen. Insoweit ist der Begriff „Ethik-Kommission“ nicht in dem Sinn verstehbar, dass sie selbst den Maßstab dessen festlegen darf, was ethisch ist, sondern den seitens des Gesetzgebers festgelegten Maßstab dessen, was dieser im Regelfall für ethisch hält, auf den Einzelfall anwenden muss. 3. Vorbehalt des Gesetzes Der gleichfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip erwachsende Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird 346 . Nach der insoweit herrschenden „Wesentlichkeitstheorie“ ist der Gesetzgeber verpflichtet, „im Bereich der Grundrechtsausübung - soweit diese staatlicher Regelung überhaupt zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen“ 347 . Die danach vom parlamentarischen Gesetzgeber zu treffenden Regelungen müssen ausreichend bestimmt sein 348 . Was wesentlich ist, darf nicht anderen Normgebern überlassen werden 349 . Soweit die Verwaltung ohne erforderliche gesetzliche Ermächtigung Maßnahmen ergreift, sind diese in der Regel rechtswidrig 350 . Bezogen auf die Tätigkeit von Ethik-Kommissionen sind daher Entscheidungen, welche in grundrechtsrelevanten Fragen ohne ausreichend bestimmte gesetzliche Grundlage getroffen werden, rechtswidrig. Beispielsweise durfte vor der Einführung lediglich gruppennütziger Arzneimittelforschung mit Kindern durch § 41 Abs. 2 Nr. 2 AMG n.F., die Ethik-Kommission die hiermit einhergehenden Grundrechtseingriffe der Forschungsteilnehmer nicht zustimmend bewerten und damit der gesetzgeberischen Entscheidung vorgreifen. 4. Grundrechtsbindung Die aus Art. 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 GG folgende Grundrechtsbindung der vollziehenden Gewalt bedeutet im Hinblick auf den Forschungsteilnehmer, dass die Ethik-Kommissionen neben der Menschenwürde auch die Grundrechte der Forschungsteilnehmer auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 346 BVerfGE 98, 218 (251). 347 BVerfGE 77, 170 (230 f.); 61, 260 (275); 49, 89 (126). 348 BVerfGE 57, 295 (320 f.); 80, 137 (161). 349 BVerfGE 95, 267 (307); 58, 257 (274); 62, 169 (182); 98, 218 (251). 350 BVerfGE 41, 251 (266); 51, 268 (287). 264
v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 GG, sowie das Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG - auch in Gestalt der Ärztlichen Schweigepflicht - zu schützen haben. Diesem Zweck dienen die in den Gesetzen (§§ 40, 41 AMG n.F. bzw. §§ 20, 21 MPG) zum Schutz der Forschungsteilnehmer niedergelegten Pflichten der Forschenden bzw. des Sponsors. Aus Sicht des Forschers ist auch seine grundrechtlich verbürgte Forschungsfreiheit zu berücksichtigen, vgl. Art. 5 Abs. 3 GG. Zwar ist nach Art. 5 Abs. 3 GG die Forschung frei. Allerdings ist dieses Grundrecht verfassungsimmanent beschränkt durch die Grundrechte der Forschungsteilnehmer. Der Gesetzgeber hat unter Wahrung der nicht antastbaren Menschenwürde in praktischer Konkordanz die betroffenen Grundrechte zu einem Ausgleich zu bringen und ihnen eine ausreichende Entfaltungsmöglichkeit zu eröffnen. Das Ergebnis dieses Abwägungsprozesses ist beispielsweise in Form des Arzneimittel- und Medizinproduktgesetzes rechtlich verbindlich niedergelegt worden. 5. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Ferner sind grundrechtsrelevante Handlungen des Staates immer verhältnismäßig auszuüben. Auch dies ist Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips 351 . Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus drei Teilgeboten 352 . Es handelt sich dabei um die Geeignetheit der Maßnahme, die den Einsatz solcher Mittel verlangt, mit deren Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann 353 . Das Forschungsvorhaben muss daher so ausgestaltet sein, dass ein valides Ergebnis erzielt werden kann. Das ist beispielsweise bei falscher Berechnung der Fallzahl nicht zu erwarten. Auch darf aufgrund des zweiten Teilgebotes, der Erforderlichkeit keine Maßnahme über das zur Verfolgung ihres Zwecks notwendige Maß hinausgehen. Das Gebot ist verletzt, wenn das Ziel der staatlichen Maßnahme auch durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann, das das betreffende Grundrecht nicht oder deutlich weniger fühlbar einschränkt 354 . Dies bedeutet, dass für die Zweckerreichung nicht notwendige Maßnahmen (bspw. Zusätzliche Röntgenbilder) unverhältnismäßig wären. Letztlich ist das Gebot der 351 BVerfGE 61, 126 (134); 69, 1 (35); 76, 256 (359); 80, 109 (120). 352 BVerfGE 65, 1, (54); 67, 157 (173); 70, 286. 353 BVerfGE 96, 10 (23); 30, 292 (316); 33, 171 (187); 67, 157 (173). 354 BVerfGE 53, 135 (145); 67, 157 (177); 68, 193 (219); 92, 262 (273). 265
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<strong>Ethik</strong>kommissionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Forschung</strong> - Oktober 2004<br />
GG, sowie das Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1<br />
i.V.m. Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG - auch <strong>in</strong> Gestalt <strong>der</strong> Ärztlichen Schweigepflicht - zu<br />
schützen haben. Diesem Zweck dienen die <strong>in</strong> den Gesetzen (§§ 40, 41 AMG n.F.<br />
bzw. §§ 20, 21 MPG) zum Schutz <strong>der</strong> <strong>Forschung</strong>steilnehmer nie<strong>der</strong>gelegten<br />
Pflichten <strong>der</strong> Forschenden bzw. des Sponsors. Aus Sicht des Forschers ist auch<br />
se<strong>in</strong>e grundrechtlich verbürgte <strong>Forschung</strong>sfreiheit zu berücksichtigen, vgl. Art. 5<br />
Abs. 3 GG. Zwar ist nach Art. 5 Abs. 3 GG die <strong>Forschung</strong> frei. Allerd<strong>in</strong>gs ist<br />
dieses Grundrecht verfassungsimmanent beschränkt durch die Grundrechte <strong>der</strong><br />
<strong>Forschung</strong>steilnehmer. Der Gesetzgeber hat unter Wahrung <strong>der</strong> nicht antastbaren<br />
Menschenwürde <strong>in</strong> praktischer Konkordanz die betroffenen Grundrechte zu e<strong>in</strong>em<br />
Ausgleich zu br<strong>in</strong>gen und ihnen e<strong>in</strong>e ausreichende Entfaltungsmöglichkeit zu<br />
eröffnen. Das Ergebnis dieses Abwägungsprozesses ist beispielsweise <strong>in</strong> Form des<br />
Arzneimittel- und Mediz<strong>in</strong>produktgesetzes rechtlich verb<strong>in</strong>dlich nie<strong>der</strong>gelegt<br />
worden.<br />
5. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz<br />
Ferner s<strong>in</strong>d grundrechtsrelevante Handlungen des Staates immer verhältnismäßig<br />
auszuüben. Auch dies ist Ausdruck des Rechtsstaatspr<strong>in</strong>zips 351 . Nach <strong>der</strong><br />
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht <strong>der</strong> Grundsatz <strong>der</strong><br />
Verhältnismäßigkeit aus drei Teilgeboten 352 . Es handelt sich dabei um die<br />
Geeignetheit <strong>der</strong> Maßnahme, die den E<strong>in</strong>satz solcher Mittel verlangt, mit <strong>der</strong>en<br />
Hilfe <strong>der</strong> gewünschte Erfolg geför<strong>der</strong>t werden kann 353 . Das <strong>Forschung</strong>svorhaben<br />
muss daher so ausgestaltet se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong> valides Ergebnis erzielt werden kann.<br />
Das ist beispielsweise bei falscher Berechnung <strong>der</strong> Fallzahl nicht zu erwarten.<br />
Auch darf aufgrund des zweiten Teilgebotes, <strong>der</strong> Erfor<strong>der</strong>lichkeit ke<strong>in</strong>e<br />
Maßnahme über das zur Verfolgung ihres Zwecks notwendige Maß h<strong>in</strong>ausgehen.<br />
Das Gebot ist verletzt, wenn das Ziel <strong>der</strong> staatlichen Maßnahme auch durch e<strong>in</strong><br />
an<strong>der</strong>es, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann, das das betreffende<br />
Grundrecht nicht o<strong>der</strong> deutlich weniger fühlbar e<strong>in</strong>schränkt 354 . Dies bedeutet,<br />
dass für die Zweckerreichung nicht notwendige Maßnahmen (bspw. Zusätzliche<br />
Röntgenbil<strong>der</strong>) unverhältnismäßig wären. Letztlich ist das Gebot <strong>der</strong><br />
351 BVerfGE 61, 126 (134); 69, 1 (35); 76, 256 (359); 80, 109 (120).<br />
352 BVerfGE 65, 1, (54); 67, 157 (173); 70, 286.<br />
353 BVerfGE 96, 10 (23); 30, 292 (316); 33, 171 (187); 67, 157 (173).<br />
354 BVerfGE 53, 135 (145); 67, 157 (177); 68, 193 (219); 92, 262 (273).<br />
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