Ethik-Kommissionen in der medizinischen Forschung - Fachbereich ...

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v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 Auch wird ohne positives Votum das Ergebnis der Studie kaum publizierbar sein 315 . Ferner könnte eine seitens der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte Klinische Prüfung eines Medizinproduktes nicht beginnen, da diese für medizinische Forschungsvorhaben nur Gelder bei Vorlage eines positiven Votums einer Ethik-Kommission zur Verfügung stellt. Dem Votum einer Ethik-Kommission nach § 20 Abs. 7 S. 1 MPG kommt daher über den hierdurch eröffneten sofortigen Beginn der Klinischen Prüfung und die haftungsrechtlichen Folgen seiner Nichtbeachtung eine erhebliche faktische Bindungswirkung zu, welcher einer rechtlichen nahe kommt. 5. Verhältnis der Stellungnahme zur berufsrechtlichen Beratungspflicht Nach § 20 Abs. 7 S. 1 MPG genügt für den sofortigen Beginn der Klinischen Prüfung eines Medizinproduktes die zustimmende Stellungnahme einer bei der zuständigen Bundesoberbehörde registrierten Ethik-Kommission. Dies gilt gem. § 20 Abs. 7 S. 2 MPG auch für multizentrische Studien. Allerdings wird durch das Landesrecht, insbesondere § 15 der Berufsordnung der Ärzte, auch der lokale Prüfarzt verpflichtet, sich vor Durchführung einer medizinischen Studie am Menschen von der für ihn zuständigen und bei der Ärztekammer bzw. Medizinischen Fakultät gebildeten Ethik-Kommission beraten zu lassen. Diese Pflicht gilt nach der Ansicht der h.L. unabhängig von und neben der Regelung des § 20 Abs. 7 MPG 316 . Dies führte dazu, dass bei mono- und multizentrischen Klinischen Prüfungen von Medizinprodukten, für die bereits ein Votum einer privatrechtlich gebildeten Ethik-Kommission vorlag, die beteiligten Ärzte bei der für sie nach Landesrecht zuständigen Ethik-Kommission einen Antrag auf Beratung stellten, welche nach Art und Umfang der Abgabe einer Stellungnahme nach § 20 Abs. 7 MPG entsprach. Regelungen bei Forschungsvorhaben am Menschen, ZRP 1991, S. 54 ff., S. 58; Sobota, Fn. 88, S. 229, 237. 315 Jung, Entscheidungsprozesse bei medizin-ethischen Grenzfragen: Zur Rolle der Ethik- Kommissionen, in: Jung/Müller-Dietz/Neumann (Hrsg.) Recht und Moral. Beiträge zur Standortbestimmung, 1992, S. 401 ff., S. 402. 316 Kage, Fn. 153, S. 333 m.w.N. A.A. VG Stuttgart, Urteil v. 29. Juni 2001 – 4 K 5787/00 (nicht rechtskräftig); hierzu kritisch Deutsch, Private und öffentlich-rechtliche Ethikkommissionen, NJW 2002, S. 491 ff. 242

v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 Fraglich ist, ob derjenige Arzt, welcher sich von einer nicht aufgrund Landesrechts gebildeten Ethik-Kommission hat beraten lassen, aufgrund § 15 der Berufsordnung gezwungen ist, sich (nochmals) an die für ihn nach Landesrecht zuständige öffentlich-rechtliche Ethik-Kommission zu wenden und inwieweit diese eine Stellungnahme zu demselben Vorhaben abgeben darf. Das VG Stuttgart 317 hat eine Pflicht des Arztes und eine dementsprechende Befugnis der öffentlich-rechtlichen Ethik-Kommission zur Durchführung einer berufsrechtlichen Beratung aufgrund § 30 Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 1 HeilbKGBW mit der Begründung abgelehnt, in der darin liegenden Monopolstellung öffentlichrechtlicher Ethik-Kommissionen liege eine Verletzung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Klägerin, einer privatrechtlich gebildeten und gewerblich tätigen Ethik-Kommission 318 . Der VGH Baden-Württemberg hat in seinem, das Urteil des VG Stuttgart aufhebenden, Urteil vom 10. September 2002 – 9 S 2506/01 entschieden, dass eine derartige berufsrechtliche Pflicht zwar zu einem Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin führe. Das Problem liege aber nicht in der Bildung eines faktischen Monopols, sondern in der fehlenden Trennung der berufsrechtlichen Beratung von der Abgabe einer Stellungnahme nach § 20 Abs. 7 MPG. Zur Vermeidung einer Verletzung der Berufsfreiheit der Klägerin genüge es jedoch, die Satzung (nicht aber § 30 Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 1 HeilbKGBW) der betroffenen öffentlichrechtlichen Ethik-Kommission dahingehend zu ändern dass diese entweder die gänzliche Anerkennung des Votums der privatrechtlich gebildeten Ethik- Kommission vorsehe oder einen um die bereits durch die Stellungnahme nach § 20 Abs. 7 MPG berücksichtigten Aspekte reduzierten Beratungsvorgang beinhalte und im übrigen das Votum der anderen Ethik-Kommission anerkenne 319 . Diese Entscheidung des VGH Baden-Württemberg hilft insofern wenig weiter, als damit die Vereinbarkeit des Bundesrechts, nach dessen § 20 Abs. 7 S. 2 MPG für den sofortigen Beginn der Klinischen Prüfung eines Medizinproduktes nur ein Votum gefordert wird, mit dem dies unterlaufenden Landesrecht keiner abschließenden Klärung zugeführt wurde. Insoweit wäre eine Vorlage gem. Art. 317 a.a.O. (Fn.316). 318 Darin ist das Gericht der Ansicht von Schenke, Verfassungsrechtliche Probleme einer öffentlichrechtlichen Monopolisierung der ethischen Beratung bei klinischen Versuchen am Menschen, in: NJW 1996, S. 745, vollumfänglich gefolgt. 319 VGH Baden-Württemberg, MedR 2003, S. 109-117 mit zustimmenden Anmerkungen Taupitz, ebenda, S. 117 f. ; vgl. zu diesem Urteil ferner Deutsch, Fn. 71, S. 949; kritische Anmerkungen zu diesem Urteil bei Kage, Fn. 153, S. 334 f. 243

v. Dewitz/Luft/Pestalozza<br />

<strong>Ethik</strong>kommissionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Forschung</strong> - Oktober 2004<br />

Fraglich ist, ob <strong>der</strong>jenige Arzt, welcher sich von e<strong>in</strong>er nicht aufgrund<br />

Landesrechts gebildeten <strong>Ethik</strong>-Kommission hat beraten lassen, aufgrund § 15 <strong>der</strong><br />

Berufsordnung gezwungen ist, sich (nochmals) an die für ihn nach Landesrecht<br />

zuständige öffentlich-rechtliche <strong>Ethik</strong>-Kommission zu wenden und <strong>in</strong>wieweit<br />

diese e<strong>in</strong>e Stellungnahme zu demselben Vorhaben abgeben darf. Das VG<br />

Stuttgart 317 hat e<strong>in</strong>e Pflicht des Arztes und e<strong>in</strong>e dementsprechende Befugnis <strong>der</strong><br />

öffentlich-rechtlichen <strong>Ethik</strong>-Kommission zur Durchführung e<strong>in</strong>er<br />

berufsrechtlichen Beratung aufgrund § 30 Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 1 HeilbKGBW<br />

mit <strong>der</strong> Begründung abgelehnt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> dar<strong>in</strong> liegenden Monopolstellung öffentlichrechtlicher<br />

<strong>Ethik</strong>-<strong>Kommissionen</strong> liege e<strong>in</strong>e Verletzung <strong>der</strong> durch Art. 12 Abs. 1<br />

GG geschützten Berufsfreiheit <strong>der</strong> Kläger<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>er privatrechtlich gebildeten und<br />

gewerblich tätigen <strong>Ethik</strong>-Kommission 318 .<br />

Der VGH Baden-Württemberg hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em, das Urteil des VG Stuttgart<br />

aufhebenden, Urteil vom 10. September 2002 – 9 S 2506/01 entschieden, dass<br />

e<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige berufsrechtliche Pflicht zwar zu e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die Berufsfreiheit<br />

<strong>der</strong> Kläger<strong>in</strong> führe. Das Problem liege aber nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bildung e<strong>in</strong>es faktischen<br />

Monopols, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> fehlenden Trennung <strong>der</strong> berufsrechtlichen Beratung von<br />

<strong>der</strong> Abgabe e<strong>in</strong>er Stellungnahme nach § 20 Abs. 7 MPG. Zur Vermeidung e<strong>in</strong>er<br />

Verletzung <strong>der</strong> Berufsfreiheit <strong>der</strong> Kläger<strong>in</strong> genüge es jedoch, die Satzung (nicht<br />

aber § 30 Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 1 HeilbKGBW) <strong>der</strong> betroffenen öffentlichrechtlichen<br />

<strong>Ethik</strong>-Kommission dah<strong>in</strong>gehend zu än<strong>der</strong>n dass diese entwe<strong>der</strong> die<br />

gänzliche Anerkennung des Votums <strong>der</strong> privatrechtlich gebildeten <strong>Ethik</strong>-<br />

Kommission vorsehe o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en um die bereits durch die Stellungnahme nach §<br />

20 Abs. 7 MPG berücksichtigten Aspekte reduzierten Beratungsvorgang be<strong>in</strong>halte<br />

und im übrigen das Votum <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en <strong>Ethik</strong>-Kommission anerkenne 319 .<br />

Diese Entscheidung des VGH Baden-Württemberg hilft <strong>in</strong>sofern wenig weiter, als<br />

damit die Vere<strong>in</strong>barkeit des Bundesrechts, nach dessen § 20 Abs. 7 S. 2 MPG für<br />

den sofortigen Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ischen Prüfung e<strong>in</strong>es Mediz<strong>in</strong>produktes nur e<strong>in</strong><br />

Votum gefor<strong>der</strong>t wird, mit dem dies unterlaufenden Landesrecht ke<strong>in</strong>er<br />

abschließenden Klärung zugeführt wurde. Insoweit wäre e<strong>in</strong>e Vorlage gem. Art.<br />

317 a.a.O. (Fn.316).<br />

318 Dar<strong>in</strong> ist das Gericht <strong>der</strong> Ansicht von Schenke, Verfassungsrechtliche Probleme e<strong>in</strong>er<br />

öffentlichrechtlichen Monopolisierung <strong>der</strong> ethischen Beratung bei kl<strong>in</strong>ischen Versuchen<br />

am Menschen, <strong>in</strong>: NJW 1996, S. 745, vollumfänglich gefolgt.<br />

319 VGH Baden-Württemberg, MedR 2003, S. 109-117 mit zustimmenden Anmerkungen<br />

Taupitz, ebenda, S. 117 f. ; vgl. zu diesem Urteil ferner Deutsch, Fn. 71, S. 949; kritische<br />

Anmerkungen zu diesem Urteil bei Kage, Fn. 153, S. 334 f.<br />

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