Ethik-Kommissionen in der medizinischen Forschung - Fachbereich ...

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v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 Fraglich ist, ob der Verwaltungsrechtsweg gegenüber Entscheidungen der Ethik- Kommission eröffnet ist. Nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. aa) Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit Eine solche liegt dann vor, wenn der streitige Sachverhalt Rechtssätzen unterworfen ist, die für jedermann gelten oder einem Sonderrecht des Staates, das im Interesse der Erfüllung öffentlicher Aufgaben das allgemeine (bürgerliche) Recht durch Einführung einer für den konkreten Normenkomplex neuen Rechtsfigur abändert, d.h. das allgemeine Recht für den zu entscheidenden Fall derorgiert (sog. Sonderrechtstheorie oder neuere –modifizierte- Subjektstheorie) 297 . Immer öffentlich-rechtlich ist eine Streitigkeit, wenn sich die Parteien in bezug auf den Streitgegenstand in einem wirklichen oder jedenfalls unter Zugrundelegung des vom Kläger vorgetragenen Sachverhaltes existenten hoheitlichen Über- und Unterordnungsverhältnis gegenüberstehen 298 . Auch ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben, wenn sich das Handeln einer Behörde, gegen das sich er der Kläger wehrt oder das er begehrt, bei objektiver Betrachtung und ggf. entsprechender Auslegung des Klagebegehrens als Verwaltungsakt darstellt 299 . Wie oben bereits ausgeführt, handelt es sich bei der Zustimmung bzw. Ablehnung der Zustimmung zur Durchführung einer Klinischen Prüfung eines Humanarzneimittels durch eine Ethik-Kommission um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG. Selbst wenn dieser Einschätzung nicht gefolgt werden sollte, liegt nach Auffassung der Verf. eine Streitigkeit auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts vor: Den Ethik-Kommissionen ist gem. § 40 Abs. 1, 42 AMG n.F. zumindest in einigen Teilbereichen die Letztentscheidungsbefugnis über den Beginn einer Klinischen Prüfung übertragen werden. Da sie in Ausübung dieser Entscheidungsgewalt als Behörden handeln, liegt im Verhältnis zum Antragsteller ein öffentlich-rechtlich begründetes Über- Unterordnungsverhältnis vor. Zudem stellt das zum Schutz der Forschungsteilnehmer in §§ 40, 41 AMG n.F. gesetzte Recht ein gegenüber dem allgemeinen Zivilrecht abschließend geregeltes Sonderrecht, dessen Vollzug den Ethik-Kommissionen kraft gesetzlicher Zuständigkeit obliegt. 297 GSOBG NJW 1990, S. 1527; BVerwGE 38, 281; BGHZ 66, 233; BSGE 33, 209; 35, 191. 298 GSOBG BGHZ 97, 312= NJW 1986, S. 2358; NJW 1990, S. 1527 m.w.N. 299 BVerwGE 13, 308 f; 30,212; 40, 84. 226

v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 Bei den Entscheidungen von Ethik-Kommissionen handelt es sich daher um solche auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. bb) Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art Fraglich ist, ob Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit Ethik- Kommissionsentscheidungen auftreten könnten, i.S.d. § 40 Abs. 1 VwGO „nichtverfassungsrechtlicher Art“ sind. Verfassungsrechtliche Streitigkeiten sind solche mit doppelter Verfassungsunmittelbarkeit, d.h. Streitigkeiten, die sowohl unmittelbar am Verfassungsleben Beteiligte betreffen, als sich auch kumulativ auf Rechte und Pflichten beziehen, die unmittelbar in der Verfassung geregelt sind. Nicht als verfassungsrechtliche Streitigkeiten werden grundsätzlich alle Streitigkeiten zwischen dem Bürger und dem Staat angesehen 300 . Nicht verfassungsrechtlich sind nach h.M. auch alle Klagen wegen Verletzung eines Grundrechts durch Behörden und öffentliche Rechtsträger 301 . Da im vorliegenden Kontext die Ethik-Kommissionen als Teil des Staates gegenüber dem Bürger als Antragsteller auftreten, ist insoweit auch eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art i.S.d. § 40 Abs. 1 VwGO gegeben. cc) Keine abdrängende Sonderzuweisung Auch ist die Streitigkeit über die Rechtmäßigkeit einer Ethik- Kommissionsentscheidung nicht durch das AMG n.F. einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen worden. Der Verwaltungsrechtsweg gegen Entscheidungen der zuständigen Ethik- Kommission nach § 40 Abs. 1 S. 2 AMG n.F. i.V.m. § 42 Abs. 1 S. 6 AMG n.F. ist damit nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. c) Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Zuständiges Gericht ist in erster Instanz das Verwaltungsgericht, vgl. § 45 VwGO. Maßgebend für die örtliche Zuständigkeit ist der Ort, wo die den Verwaltungsakt erlassende Behörde ihren Sitz hat, vgl. § 52 Nr. 3 VwGO, also hier am Ort der Ärztekammer bzw. der Universität, bei der die Ethik-Kommission angesiedelt ist, in Bremen ist es das VG Bremen. 300 BVerwGE 36, 228; 51, 71. 301 BVerwG NJW 1985, S. 2361; OVG Münster NJW 1982, S. 1415 m.w.N. 227

v. Dewitz/Luft/Pestalozza<br />

<strong>Ethik</strong>kommissionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Forschung</strong> - Oktober 2004<br />

Fraglich ist, ob <strong>der</strong> Verwaltungsrechtsweg gegenüber Entscheidungen <strong>der</strong> <strong>Ethik</strong>-<br />

Kommission eröffnet ist. Nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist <strong>der</strong><br />

Verwaltungsrechtsweg <strong>in</strong> allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten<br />

nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch<br />

Bundesgesetz e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Gericht ausdrücklich zugewiesen ist.<br />

aa) Vorliegen e<strong>in</strong>er öffentlich-rechtlichen Streitigkeit<br />

E<strong>in</strong>e solche liegt dann vor, wenn <strong>der</strong> streitige Sachverhalt Rechtssätzen<br />

unterworfen ist, die für je<strong>der</strong>mann gelten o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em Son<strong>der</strong>recht des Staates, das<br />

im Interesse <strong>der</strong> Erfüllung öffentlicher Aufgaben das allgeme<strong>in</strong>e (bürgerliche)<br />

Recht durch E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er für den konkreten Normenkomplex neuen<br />

Rechtsfigur abän<strong>der</strong>t, d.h. das allgeme<strong>in</strong>e Recht für den zu entscheidenden Fall<br />

<strong>der</strong>orgiert (sog. Son<strong>der</strong>rechtstheorie o<strong>der</strong> neuere –modifizierte-<br />

Subjektstheorie) 297 . Immer öffentlich-rechtlich ist e<strong>in</strong>e Streitigkeit, wenn sich die<br />

Parteien <strong>in</strong> bezug auf den Streitgegenstand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em wirklichen o<strong>der</strong> jedenfalls<br />

unter Zugrundelegung des vom Kläger vorgetragenen Sachverhaltes existenten<br />

hoheitlichen Über- und Unterordnungsverhältnis gegenüberstehen 298 . Auch ist <strong>der</strong><br />

Verwaltungsrechtsweg gegeben, wenn sich das Handeln e<strong>in</strong>er Behörde, gegen das<br />

sich er <strong>der</strong> Kläger wehrt o<strong>der</strong> das er begehrt, bei objektiver Betrachtung und ggf.<br />

entsprechen<strong>der</strong> Auslegung des Klagebegehrens als Verwaltungsakt darstellt 299 .<br />

Wie oben bereits ausgeführt, handelt es sich bei <strong>der</strong> Zustimmung bzw. Ablehnung<br />

<strong>der</strong> Zustimmung zur Durchführung e<strong>in</strong>er Kl<strong>in</strong>ischen Prüfung e<strong>in</strong>es<br />

Humanarzneimittels durch e<strong>in</strong>e <strong>Ethik</strong>-Kommission um e<strong>in</strong>en Verwaltungsakt<br />

i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG. Selbst wenn dieser E<strong>in</strong>schätzung nicht gefolgt werden<br />

sollte, liegt nach Auffassung <strong>der</strong> Verf. e<strong>in</strong>e Streitigkeit auf dem Gebiet des<br />

öffentlichen Rechts vor: Den <strong>Ethik</strong>-<strong>Kommissionen</strong> ist gem. § 40 Abs. 1, 42 AMG<br />

n.F. zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Teilbereichen die Letztentscheidungsbefugnis über den<br />

Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Kl<strong>in</strong>ischen Prüfung übertragen werden. Da sie <strong>in</strong> Ausübung dieser<br />

Entscheidungsgewalt als Behörden handeln, liegt im Verhältnis zum Antragsteller<br />

e<strong>in</strong> öffentlich-rechtlich begründetes Über- Unterordnungsverhältnis vor. Zudem<br />

stellt das zum Schutz <strong>der</strong> <strong>Forschung</strong>steilnehmer <strong>in</strong> §§ 40, 41 AMG n.F. gesetzte<br />

Recht e<strong>in</strong> gegenüber dem allgeme<strong>in</strong>en Zivilrecht abschließend geregeltes<br />

Son<strong>der</strong>recht, dessen Vollzug den <strong>Ethik</strong>-<strong>Kommissionen</strong> kraft gesetzlicher<br />

Zuständigkeit obliegt.<br />

297 GSOBG NJW 1990, S. 1527; BVerwGE 38, 281; BGHZ 66, 233; BSGE 33, 209; 35, 191.<br />

298 GSOBG BGHZ 97, 312= NJW 1986, S. 2358; NJW 1990, S. 1527 m.w.N.<br />

299 BVerwGE 13, 308 f; 30,212; 40, 84.<br />

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