Ethik-Kommissionen in der medizinischen Forschung - Fachbereich ...
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v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 17. Rücknahme rechtswidriger Stellungnahmen Europarechtliche oder bereichsspezifische Regeln zur Rücknahme rechtswidriger Ethik-Kommissions-Stellungnahmen existieren bislang nicht. Der Bundesgesetzgeber hat lediglich die Rücknahme der seitens der zuständigen Bundesoberbehörde erteilten Genehmigung in § 42 a Abs. 1 AMG n.F. geregelt. Dies hat zur Folge, dass die Verwaltungsverfahrensgesetz der Länder ergänzend anwendbar sind (vgl. sub E IV 1 b) bb)). Wie oben bereits dargelegt, handelt es sich bei der Ethik-Kommissionsentscheidung um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG. Dieser kann, soweit der rechtswidrig ist, mit Wirkung für die Vergangenheit oder die Zukunft zurückgenommen werden, vgl. § 48 Abs. 1 VwVfG. Das damit eröffnete (Rücknahme-)Ermessen ist gem. § 40 VwVfG entsprechend dem Zweck der Ermächtigung zur Rücknahme auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten. Dieses Ermessen ist im vorliegenden Zusammenhang auf Null reduziert, wenn und soweit die Ethik-Kommission trotz Vorliegens eines oder mehrerer Versagungsgründe und entgegen den gesetzlich zwingenden Voraussetzungen der Durchführung einer Klinischen Prüfung eines Arzneimittels eine zustimmende Stellungnahme erteilt hat. Dies gebietet auch eine richtlinienkonforme Auslegung, da beispielsweise die Einhaltung der in Artt. 3-5 der Richtlinie 2001/20/EG genannten Mindestschutzstandards nicht im Ermessen der Ethik-Kommission stehende Aspekte sind, ohne welche die Klinische Prüfung nicht durchgeführt oder weitergeführt werden darf. Fraglich ist, ob der Rücknahme einer rechtswidrigen Stellungnahme § 48 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 2 VwVfG entgegensteht. Hiernach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 von § 48 VwVfG zurückgenommen werden. Eine zustimmende Stellungnahme der Ethik-Kommission stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt i.S.d. § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG dar. Fraglich ist, ob die Einschränkungen des § 48 Abs. 2 VwVfG greifen. Hierfür müsste es sich bei der Stellungnahme der Ethik-Kommission um einen Verwaltungsakt handeln, welcher eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist. Die Stellungnahme der Ethik-Kommission gewährt selbst keine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung. Allerdings könnte angenommen werden, dass sie hierfür Voraussetzung ist, da die Geldgeber einer Studie die Wirksamkeit des 222
v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 Zuwendungsvertrages vom Vorliegen eines positiven Ethikvotums abhängig machen. Jedoch besteht der Zweck der Stellungnahme nicht in der Schaffung einer rechtlichen Voraussetzung für eine solche Leistung. Vielmehr bezweckt die Stellungnahme der Ethik-Kommission allein den Schutz der Forschungsteilnehmer, Art. 2 k) der Richtlinie 2001/20/EG. Sie schafft nur eine rechtliche Voraussetzung für den Beginn der Klinischen Prüfung, Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2001/20/EG. Zudem wird die Stellungnahme dem antragstellenden Sponsor erteilt. Dieser zahlt an den Prüfer erst nach Einschluss eines Studienteilnehmers, nicht aber aufgrund der positiven Stellungnahme der Ethik- Kommission. In der Stellungnahme der Ethik-Kommission liegt mithin kein Verwaltungsakt, welcher rechtliche Voraussetzung für die Gewährung einer Geldleistung oder teilbaren Sachleistung ist bzw. sein soll. § 48 Abs. 2 VwVfG findet daher keine Anwendung. Für die Zulässigkeit der Rücknahme einer Stellungnahme kommt es danach allein auf § 48 Abs. 1 VwVfG an. Soweit die Ethik-Kommission also eine rechtswidrige zustimmende Stellungnahme erteilt hat, darf und muss sie diese gem. § 48 Abs. 1 VwVfG zurücknehmen. Gegebenenfalls ist der durch die Rücknahme entstehende Vermögensnachteil dem Betroffenen gem. § 48 Abs. 3 VwVfG auszugleichen. 18. Rechtsbehelfe gegenüber Stellungnahmen Fraglich ist, ob und welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, gegen Stellungnahmenn von Ethik-Kommissionen, welche die Durchführung Klinischer Prüfungen von Arzneimitteln betreffen, vorzugehen. Über Rechtsbehelfe gegen die genannten Entscheidungen finden sich weder in den einschlägigen europäischen Richtlinien, noch im deutschen Arzneimittelrecht konkrete Aussagen. Die Verbürgung effektiven Rechtsschutzes und rechtlichen Gehörs gehört jedoch zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts 290 . Soweit die Verwaltungen der Mitgliedstaaten EG-Recht vollziehen, ist es zunächst Aufgabe der nationalen Gerichte, Rechtsschutz zu gewähren (Grundsatz der institutionellen und verfassungsmäßigen Autonomie der Mitgliedstaaten) 291 . 290 EuGH, Urteil vom 11. Januar 2001, Rs. C-1/99 (Kofisa Italia), Slg. 2001 I-207 Rn. 46; EuGH, Urteil vom 11. Januar 2001, Rs. C-226/99 (Siples), Slg. 2001 I-277 Rn. 17; EuGH, Urteil vom 27. November 2001, Rs. C-424/99 (Kommission/Österreich), Slg. 2001 I-9285 Rn. 45; EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2001, Rs. C-269/99 (Kühne u.a.), Slg. 2001 I-9517 Rn. 57; EuGH, Urteil vom 11. September 2003, Rs. C-13/01 (Safalero), Slg. 2003 I-8679 Rn. 58. 291 BVerfGE 37, 271. 223
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<strong>Ethik</strong>kommissionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Forschung</strong> - Oktober 2004<br />
Zuwendungsvertrages vom Vorliegen e<strong>in</strong>es positiven <strong>Ethik</strong>votums abhängig<br />
machen. Jedoch besteht <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Stellungnahme nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schaffung<br />
e<strong>in</strong>er rechtlichen Voraussetzung für e<strong>in</strong>e solche Leistung. Vielmehr bezweckt die<br />
Stellungnahme <strong>der</strong> <strong>Ethik</strong>-Kommission alle<strong>in</strong> den Schutz <strong>der</strong><br />
<strong>Forschung</strong>steilnehmer, Art. 2 k) <strong>der</strong> Richtl<strong>in</strong>ie 2001/20/EG. Sie schafft nur e<strong>in</strong>e<br />
rechtliche Voraussetzung für den Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ischen Prüfung, Art. 9 Abs. 1<br />
<strong>der</strong> Richtl<strong>in</strong>ie 2001/20/EG. Zudem wird die Stellungnahme dem antragstellenden<br />
Sponsor erteilt. Dieser zahlt an den Prüfer erst nach E<strong>in</strong>schluss e<strong>in</strong>es<br />
Studienteilnehmers, nicht aber aufgrund <strong>der</strong> positiven Stellungnahme <strong>der</strong> <strong>Ethik</strong>-<br />
Kommission. In <strong>der</strong> Stellungnahme <strong>der</strong> <strong>Ethik</strong>-Kommission liegt mith<strong>in</strong> ke<strong>in</strong><br />
Verwaltungsakt, welcher rechtliche Voraussetzung für die Gewährung e<strong>in</strong>er<br />
Geldleistung o<strong>der</strong> teilbaren Sachleistung ist bzw. se<strong>in</strong> soll. § 48 Abs. 2 VwVfG<br />
f<strong>in</strong>det daher ke<strong>in</strong>e Anwendung. Für die Zulässigkeit <strong>der</strong> Rücknahme e<strong>in</strong>er<br />
Stellungnahme kommt es danach alle<strong>in</strong> auf § 48 Abs. 1 VwVfG an.<br />
Soweit die <strong>Ethik</strong>-Kommission also e<strong>in</strong>e rechtswidrige zustimmende<br />
Stellungnahme erteilt hat, darf und muss sie diese gem. § 48 Abs. 1 VwVfG<br />
zurücknehmen. Gegebenenfalls ist <strong>der</strong> durch die Rücknahme entstehende<br />
Vermögensnachteil dem Betroffenen gem. § 48 Abs. 3 VwVfG auszugleichen.<br />
18. Rechtsbehelfe gegenüber Stellungnahmen<br />
Fraglich ist, ob und welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, gegen<br />
Stellungnahmenn von <strong>Ethik</strong>-<strong>Kommissionen</strong>, welche die Durchführung Kl<strong>in</strong>ischer<br />
Prüfungen von Arzneimitteln betreffen, vorzugehen. Über Rechtsbehelfe gegen<br />
die genannten Entscheidungen f<strong>in</strong>den sich we<strong>der</strong> <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>schlägigen<br />
europäischen Richtl<strong>in</strong>ien, noch im deutschen Arzneimittelrecht konkrete<br />
Aussagen. Die Verbürgung effektiven Rechtsschutzes und rechtlichen Gehörs<br />
gehört jedoch zu den allgeme<strong>in</strong>en Grundsätzen des Geme<strong>in</strong>schaftsrechts 290 .<br />
Soweit die Verwaltungen <strong>der</strong> Mitgliedstaaten EG-Recht vollziehen, ist es<br />
zunächst Aufgabe <strong>der</strong> nationalen Gerichte, Rechtsschutz zu gewähren (Grundsatz<br />
<strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionellen und verfassungsmäßigen Autonomie <strong>der</strong> Mitgliedstaaten) 291 .<br />
290 EuGH, Urteil vom 11. Januar 2001, Rs. C-1/99 (Kofisa Italia), Slg. 2001 I-207 Rn. 46;<br />
EuGH, Urteil vom 11. Januar 2001, Rs. C-226/99 (Siples), Slg. 2001 I-277 Rn. 17;<br />
EuGH, Urteil vom 27. November 2001, Rs. C-424/99 (Kommission/Österreich), Slg. 2001<br />
I-9285 Rn. 45; EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2001, Rs. C-269/99 (Kühne u.a.), Slg.<br />
2001 I-9517 Rn. 57; EuGH, Urteil vom 11. September 2003, Rs. C-13/01 (Safalero), Slg.<br />
2003 I-8679 Rn. 58.<br />
291 BVerfGE 37, 271.<br />
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