Ethik-Kommissionen in der medizinischen Forschung - Fachbereich ...
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v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 Die meisten Mitglieder von (universitären) Ethik-Kommissionen sind selbst Mitglieder derselben Universität, welche das von ihr zu bewertende Vorhaben durchführt. Sie sind zudem Forscher und in der Regel Kollegen der Antragsteller. Sie vertreten in erster Linie ihre eigenen Interessen bzw. die Interessen der Abteilungen, welche sie angehören. Ein erhöhtes Interesse an einem effektiven Grundrechtsschutz der Prüfungsteilnehmer besteht nur soweit, wie dies nicht belastenden Konsequenzen für die eigene Forschung bzw. den Drittmittelzufluss führt. Um den Wissenschaftsstandort der jeweiligen Universität zu wahren, sind dort angesiedelten Ethik-Kommissionen bemüht, die Anforderungen an klinische Forschungsvorhaben nicht zu hoch zu anzusiedeln und ignorieren daher z.T. als zu eng empfundenen (verfassungs- und einfachgesetzlichen) rechtlichen Grenzen der Forschung oder legen diese entgegen ihrem Schutzzweck zu Lasten des Forschungsteilnehmers aus. Dies sei an zwei Beispielen verdeutlicht: • Zum einen wurden bereits vor der Einführung gruppennütziger Arzneimittelprüfungen mit Minderjährigen und nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen solche und andere fremdnützige medizinische Studien von Ethik-Kommissionen bewilligt 173 . • Auch wurden Vorhaben, welche eine rechtswidrige Verarbeitung der personenbezogenen Daten von Studienteilnehmern vorsahen, von Ethik- Kommissionen bewilligt. Die Einwilligung zur Datenverarbeitung beruhte in der Regel auf einer unzureichenden Information der Studienteilnehmer. Zudem wurden die Daten nicht, wie von § 3a Bundesdatenschutzgesetz (bzw. den Landesdatenschutzgesetzen der Länder) gefordert, pseudonymisiert, sondern mit den wahren Initialien und dem vollständigen Geburtsdatum des Studienteilnehmers versehen 174 . 173 Lenk/Radenbach/Dahl/Wiesemann, Non-therapeutic research with minors: how do chairpersons of German research ethics committees decide?, J Med Ethics 2004, 30: 85- 87; Eine Analyse der Akten der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Ethikkommission am Campus Virchow-Klinikum ergab, dass von 9/2002 bis 9/2003 17 fremdnützige Forschungsvorhaben mit Kindern von anderen Kommissionen genehmigt worden waren. 174 Eine Auswertung der bei der Ethikkommission der Charité-Universitätsmedizin Berlin am Campus Virchow-Klinikum im Jahr 2003 gestellten Anträge ergab, dass bei 103 von 240 Anträgen (= 42,93%) rechtliche Beanstandungen hinsichtlich des Datenschutzes zu machen waren. In 20 dieser 103 Fälle (=19,43 %) lag bereits ein zustimmendes Votum einer anderen Ethik-Kommission zum Antrag vor. 142
v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 Die Arbeit der Ethik-Kommission hat vor allem in Zeiten der Verknappung öffentlicher Haushalte auch für die klinische Versorgung nicht unerhebliche Relevanz, da die eingeworbenen Drittmittel häufig für Stellen eingesetzt werden, die in der Klinik benötigt werden. Die ursprünglich für die Forschung eingestellten Ärzte werden in der Regel zu einem nicht unerheblichen Teil ihrer Arbeitszeit in der Krankenversorgung eingesetzt und bearbeiten das fragliche Vorhaben nicht selten am Feierabend. Dieses heterogene Interessensgeflecht lässt sich in Bereichen des Grundrechtsschutzes, wo es um komplexe Abwägungen von Nutzen/Risiko und Beurteilung ausreichender Aufklärung der Forschungsteilnehmer geht, kaum verfassungsrechtlich vertreten. Die unabhängige Beurteilung medizinischen Forschungsvorhaben im Sinne bundeseinheitlicher Gesetzesanwendung sowie die effektive Umsetzung europäischen Rechts und ein effektiver Schutz der Forschungsteilnehmer erfordert eine Befreiung der Ethik-Kommissionen von derartigen Interessenskonflikten durch Stärkung ihrer faktischen Unabhängigkeit von den sie tragenden Institutionen 175 . Zusammenfassend sind die Bedingungen einer faktischen Unabhängigkeit der Mitglieder der an Hochschulen gebildeten Ethik-Kommissionen eher ungünstig. bb) Die Ethik-Kommissionen bei den Ärztekammern und ihre Mitglieder Die bei Ärztekammern befindlichen Ethik-Kommissionen sind zumeist aus Mitgliedern der Kammer zusammengesetzt. Zwar werden auch hier bisweilen solche mit eigenen Forschungsinteressen vorhanden sein. Das Kollegialitätsverhältnis zu den Antragstellern ist jedoch – anders als bei den Hochschulen – weit abstrakter. Loyalitätskonflikte sind daher weniger zu erwarten. Eine Analyse der vorhandenen „Erstvoten“ bei multizentrischen Arzneimittelprüfungen zeigt, dass die bei Ärztekammern gebildeten Ethik- Kommissionen ihr Votum mit weit mehr Auflagen verknüpfen, als solche, die bei Hochschulen gebildet wurden. 175 In diesem Sinne ähnlich Wölk, Fn. 11, S. 262; Jung, Entscheidungsprozesse bei medizinethischen Grundsatzfragen: zur Rolle der Ethik-Kommissionen, in: Jung/Müller- Dietz/Neumann (Hrsg.) Recht und Moral. Beiträge zur Standortbestimmung, 1991, 401, 403. 143
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<strong>Ethik</strong>kommissionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Forschung</strong> - Oktober 2004<br />
Die meisten Mitglie<strong>der</strong> von (universitären) <strong>Ethik</strong>-<strong>Kommissionen</strong> s<strong>in</strong>d selbst<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong>selben Universität, welche das von ihr zu bewertende Vorhaben<br />
durchführt. Sie s<strong>in</strong>d zudem Forscher und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel Kollegen <strong>der</strong> Antragsteller.<br />
Sie vertreten <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie ihre eigenen Interessen bzw. die Interessen <strong>der</strong><br />
Abteilungen, welche sie angehören. E<strong>in</strong> erhöhtes Interesse an e<strong>in</strong>em effektiven<br />
Grundrechtsschutz <strong>der</strong> Prüfungsteilnehmer besteht nur soweit, wie dies nicht<br />
belastenden Konsequenzen für die eigene <strong>Forschung</strong> bzw. den Drittmittelzufluss<br />
führt. Um den Wissenschaftsstandort <strong>der</strong> jeweiligen Universität zu wahren, s<strong>in</strong>d<br />
dort angesiedelten <strong>Ethik</strong>-<strong>Kommissionen</strong> bemüht, die Anfor<strong>der</strong>ungen an kl<strong>in</strong>ische<br />
<strong>Forschung</strong>svorhaben nicht zu hoch zu anzusiedeln und ignorieren daher z.T. als<br />
zu eng empfundenen (verfassungs- und e<strong>in</strong>fachgesetzlichen) rechtlichen Grenzen<br />
<strong>der</strong> <strong>Forschung</strong> o<strong>der</strong> legen diese entgegen ihrem Schutzzweck zu Lasten des<br />
<strong>Forschung</strong>steilnehmers aus.<br />
Dies sei an zwei Beispielen verdeutlicht:<br />
• Zum e<strong>in</strong>en wurden bereits vor <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung gruppennütziger<br />
Arzneimittelprüfungen mit M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen und nicht e<strong>in</strong>willigungsfähigen<br />
Erwachsenen solche und an<strong>der</strong>e fremdnützige mediz<strong>in</strong>ische Studien von<br />
<strong>Ethik</strong>-<strong>Kommissionen</strong> bewilligt 173 .<br />
• Auch wurden Vorhaben, welche e<strong>in</strong>e rechtswidrige Verarbeitung <strong>der</strong><br />
personenbezogenen Daten von Studienteilnehmern vorsahen, von <strong>Ethik</strong>-<br />
<strong>Kommissionen</strong> bewilligt. Die E<strong>in</strong>willigung zur Datenverarbeitung beruhte<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel auf e<strong>in</strong>er unzureichenden Information <strong>der</strong> Studienteilnehmer.<br />
Zudem wurden die Daten nicht, wie von § 3a Bundesdatenschutzgesetz<br />
(bzw. den Landesdatenschutzgesetzen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>) gefor<strong>der</strong>t,<br />
pseudonymisiert, son<strong>der</strong>n mit den wahren Initialien und dem vollständigen<br />
Geburtsdatum des Studienteilnehmers versehen 174 .<br />
173 Lenk/Radenbach/Dahl/Wiesemann, Non-therapeutic research with m<strong>in</strong>ors: how do<br />
chairpersons of German research ethics committees decide?, J Med Ethics 2004, 30: 85-<br />
87; E<strong>in</strong>e Analyse <strong>der</strong> Akten <strong>der</strong> Charité – Universitätsmediz<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, <strong>Ethik</strong>kommission<br />
am Campus Virchow-Kl<strong>in</strong>ikum ergab, dass von 9/2002 bis 9/2003 17 fremdnützige<br />
<strong>Forschung</strong>svorhaben mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n von an<strong>der</strong>en <strong>Kommissionen</strong> genehmigt worden waren.<br />
174 E<strong>in</strong>e Auswertung <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> <strong>Ethik</strong>kommission <strong>der</strong> Charité-Universitätsmediz<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> am<br />
Campus Virchow-Kl<strong>in</strong>ikum im Jahr 2003 gestellten Anträge ergab, dass bei 103 von 240<br />
Anträgen (= 42,93%) rechtliche Beanstandungen h<strong>in</strong>sichtlich des Datenschutzes zu<br />
machen waren. In 20 dieser 103 Fälle (=19,43 %) lag bereits e<strong>in</strong> zustimmendes Votum<br />
e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en <strong>Ethik</strong>-Kommission zum Antrag vor.<br />
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