Ethik-Kommissionen in der medizinischen Forschung - Fachbereich ...

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v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 Auftrag und nach Weisung der Regierung handeln und die Regierung damit in die Lage versetzen, die Sachverantwortung gegenüber Volk und Parlament zu übernehmen 119 . Diese Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr auf den Bereich funktionaler Selbstverwaltung übertragen, einen Bereich, der auch mit den öffentlich-rechtlichen Ethik-Kommissionen betreten wird: „Außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung und der in ihrem sachlich-gegenständlichen Aufgabenbereich nicht beschränkten gemeindlichen Selbstverwaltung ist das Demokratiegebot offen für andere, insbesondere vom Erfordernis lückenloser personeller demokratischer Legitimation aller Entscheidungsbefugten abweichenden Formen der Organisation und Ausübung von Staatsgewalt. ... Sowohl das Demokratieprinzip in seiner traditionellen Ausprägung einer ununterbrochen auf das Volk zurückführenden Legitimationskette für alle Amtsträger als auch die funktionale Selbstverwaltung als organisierte Beteiligung der sachnahen Betroffenen an den sie berührenden Entscheidungen verwirklichen die sie verbindende Idee des sich selbst bestimmenden Menschen in einer freiheitlichen Ordnung ... Das demokratische Prinzip des Art. 20 Abs. 2 GG erlaubt deshalb, durch Gesetz – als durch einen Akt des vom Volk gewählten und daher klassisch demokratisch legitimierten parlamentarischen Gesetzgebers – für abgegrenzte Bereiche der Erledigung öffentlicher Aufgaben besondere Organisationsformen der Selbstverwaltung zu schaffen. ... 120 Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit bei der Schaffung und näheren Ausgestaltung von Organisationseinheiten der Selbstverwaltung erlaubt auch, den Selbstverwaltungsträger zu verbindlichem Handeln mit Entscheidungscharakter zu ermächtigen; dies gilt in allerdings begrenztem Umfang auch für ein Handeln gegenüber Dritten, also Nichtmitgliedern. Nicht bereits die Erledigung öffentlicher Aufgaben als solche, wohl aber die Befugnis zu verbindlichem Handeln mit Entscheidungscharakter macht es erforderlich, Maßnahmen, welche die jeweilige Selbstverwaltungskörperschaft bei der Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben ergreift, am Maßstab des Art. 20 Abs. 2 GG zu messen. Das bedeutet im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung nicht, daß dies im Wege einer lückenlosen personellen Legitimationskette vom Volk zum einzelnen Entscheidungsbefugten zu geschehen hat. Verbindliches Handeln mit Entscheidungscharakter ist den Organen von Trägern der funktionalen Selbstverwaltung aber nur gestattet, weil und soweit das Volk auch insoweit sein Selbstbestimmungsrecht wahrt, indem es maßgeblichen Einfluß auf diese Handeln behält. Das erfordert, daß die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe in einem von der Volksvertretung beschlossenen Gesetz 119 Vgl. den Rechtsprechungsbericht in BVerfGE 107, 59 (87f.). 120 BVerfGE 107, 59 (91f.). 116

v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 ausreichend vorherbestimmt sind 121 und ihre Wahrnehmung der Aufsicht personell demokratisch legitimierter Amtswalter 122 unterliegt.“ 123 (γ) Besondere Ausprägung im Bereich der Beleihung Privater Besonderes Gewicht und besondere Gestalt gewinnt der Gesetzesvorbehalt schließlich, wenn es um die Beleihung Privater mit öffentlichen Aufgaben geht. Sie bedarf nach allgemeiner Auffassung einer gesetzlichen Grundlage. Das Gesetz muss die Beleihung im einzelnen Fall nicht selbst vornehmen, aber doch zu ihr in hinreichend umrissener Form ermächtigen 124 . Die Wahrung des Gesetzesvorbehalts ist eine notwendige, allein aber nicht hinreichende Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit der Beleihung. Hinzu treten muss, dem Demokratieprinzip entsprechend, eine doppelte demokratische Legitimation: eine personelle, die Auswahl und Bestellung betreffend, und eine sachlich-inhaltliche, die laufende Kontrolle der Tätigkeit des Beliehenen betreffend 125 . Die sich hieraus ergebenden Anforderungen mögen strenger als das im Rahmen funktionaler Selbstverwaltung insoweit (soeben sub (β) skizzierte) Erforderliche erscheinen 126 . (2) Geschriebene Spezialvorbehalte Aber auch außerhalb der Grundrechtsszene oder unabhängig davon, ob Grundrechte betroffen sein können, behalten die Verfassungen öfter, gelegentlich in hochspeziellen Zusammenhängen, dem Gesetzgeber die Initiative vor. Artt. 84 Abs. 1, 85 Abs. 1 („soweit nicht Bundesgesetze ...“), 87 Abs. 3 S. 1 („durch Bundesgesetz ...“ 127 ) GG sind Beispiele; von ihnen war bereits im Zusammenhang mit der Verbandskompetenz („Bundesgesetz“; vgl. oben sub 1) die Rede. 121 Hervorhebung nur hier. 122 Der Aufsichtsaspekt ist an dieser Stelle, an der es um dem Gesetzesvorbehalt geht, nicht weiter zu verfolgen. Für die Einrichtung von Ethik-Kommissionen spielt auch er eine herausragende Rolle. 123 BVerfGE 107, 59 (94). 124 Hierzu vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung insbesondere BremStGH, LVerfGE 13, 209 (221). Vgl. auch (beiläufig) BVerfGE 106, 257 (305f.). 125 Vgl. näher hierzu BremStGH, LVerfGE 13, 209 (224-230). 126 Auch (vgl. Fn. 122) hierauf ist an dieser Stelle, an der es allein um den Gesetzesvorbehalt geht, nicht näher einzugehen. 127 Dazu etwa BVerfGE 37, 1 (25); Lerche, Fn. 72, Art. 87 Rn. 177 (Stand 1992). 117

v. Dewitz/Luft/Pestalozza<br />

<strong>Ethik</strong>kommissionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Forschung</strong> - Oktober 2004<br />

ausreichend vorherbestimmt s<strong>in</strong>d 121 und ihre Wahrnehmung <strong>der</strong> Aufsicht personell demokratisch<br />

legitimierter Amtswalter 122 unterliegt.“ 123<br />

(γ) Beson<strong>der</strong>e Ausprägung im Bereich <strong>der</strong> Beleihung Privater<br />

Beson<strong>der</strong>es Gewicht und beson<strong>der</strong>e Gestalt gew<strong>in</strong>nt <strong>der</strong> Gesetzesvorbehalt<br />

schließlich, wenn es um die Beleihung Privater mit öffentlichen Aufgaben geht.<br />

Sie bedarf nach allgeme<strong>in</strong>er Auffassung e<strong>in</strong>er gesetzlichen Grundlage. Das Gesetz<br />

muss die Beleihung im e<strong>in</strong>zelnen Fall nicht selbst vornehmen, aber doch zu ihr <strong>in</strong><br />

h<strong>in</strong>reichend umrissener Form ermächtigen 124 .<br />

Die Wahrung des Gesetzesvorbehalts ist e<strong>in</strong>e notwendige, alle<strong>in</strong> aber nicht<br />

h<strong>in</strong>reichende Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit <strong>der</strong> Beleihung. H<strong>in</strong>zu<br />

treten muss, dem Demokratiepr<strong>in</strong>zip entsprechend, e<strong>in</strong>e doppelte demokratische<br />

Legitimation: e<strong>in</strong>e personelle, die Auswahl und Bestellung betreffend, und e<strong>in</strong>e<br />

sachlich-<strong>in</strong>haltliche, die laufende Kontrolle <strong>der</strong> Tätigkeit des Beliehenen<br />

betreffend 125 . Die sich hieraus ergebenden Anfor<strong>der</strong>ungen mögen strenger als das<br />

im Rahmen funktionaler Selbstverwaltung <strong>in</strong>soweit (soeben sub (β) skizzierte)<br />

Erfor<strong>der</strong>liche ersche<strong>in</strong>en 126 .<br />

(2) Geschriebene Spezialvorbehalte<br />

Aber auch außerhalb <strong>der</strong> Grundrechtsszene o<strong>der</strong> unabhängig davon, ob<br />

Grundrechte betroffen se<strong>in</strong> können, behalten die Verfassungen öfter, gelegentlich<br />

<strong>in</strong> hochspeziellen Zusammenhängen, dem Gesetzgeber die Initiative vor. Artt. 84<br />

Abs. 1, 85 Abs. 1 („soweit nicht Bundesgesetze ...“), 87 Abs. 3 S. 1 („durch<br />

Bundesgesetz ...“ 127 ) GG s<strong>in</strong>d Beispiele; von ihnen war bereits im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Verbandskompetenz („Bundesgesetz“; vgl. oben sub 1) die Rede.<br />

121 Hervorhebung nur hier.<br />

122 Der Aufsichtsaspekt ist an dieser Stelle, an <strong>der</strong> es um dem Gesetzesvorbehalt geht, nicht<br />

weiter zu verfolgen. Für die E<strong>in</strong>richtung von <strong>Ethik</strong>-<strong>Kommissionen</strong> spielt auch er e<strong>in</strong>e<br />

herausragende Rolle.<br />

123 BVerfGE 107, 59 (94).<br />

124 Hierzu vgl. aus <strong>der</strong> jüngeren Rechtsprechung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e BremStGH, LVerfGE 13, 209<br />

(221). Vgl. auch (beiläufig) BVerfGE 106, 257 (305f.).<br />

125 Vgl. näher hierzu BremStGH, LVerfGE 13, 209 (224-230).<br />

126 Auch (vgl. Fn. 122) hierauf ist an dieser Stelle, an <strong>der</strong> es alle<strong>in</strong> um den Gesetzesvorbehalt<br />

geht, nicht näher e<strong>in</strong>zugehen.<br />

127 Dazu etwa BVerfGE 37, 1 (25); Lerche, Fn. 72, Art. 87 Rn. 177 (Stand 1992).<br />

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