Ethik-Kommissionen in der medizinischen Forschung - Fachbereich ...

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v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 und nach § 6 Abs. 3 und 4 StZG in das Genehmigungsverfahren vor der Behörde eingeschalteten Zentralen Ethik-Kommission. bb) Alle übrigen existierenden bundesgesetzlichen Regelungen sind kompetenzrechtlich unverfänglich. Der Bund könnte von seinen Zuständigkeiten noch intensiveren Gebrauch machen. cc) Die landesgesetzlichen Regelungen des Themas sind kompetentiell unverfänglich. dd) Allein die Pflicht, sich von bestimmten Ethik-Kommissionen beraten zu lassen, überschreitet in einigen Ländern deren Kammer- bzw. Hochschulzuständigkeit. Hier ist der Landesgesetzgeber zu Klarstellungen aufgerufen; zur Not hilft auch eine grundgesetzkonforme Reduzierung der zu weit reichenden Vorschriften. 2. Deutsche Organkompetenzen Soweit dem Bund bzw. den Ländern für ihre Regelungen ein hinreichende Verbandskompetenz zur Verfügung steht (vgl. oben sub 1), sind sie gehalten, sie durch die von den Verfassungen hierfür vorgesehenen Organe wahrnehmen zu lassen. Der in den Verfassungen verankerte oder doch vorausgesetzte und von den Verfassungsgerichten entfaltete Gesetzesvorbehalt verlangt sein Recht. Dies ist auch im Bereich der Ethik-Kommissionen in den letzten drei Jahrzehnten zunehmend bewusst geworden. Dennoch genügt die zwar etwas zurückgedrängte, aber doch noch immer anhaltende Delegationsbereitschaft und –freude der Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene den Anforderungen des Gesetzesvorbehaltes nicht immer. Sie wären, zumal die Materie selbst keinen Delegationsgrund liefert, gut beraten, sich des Themas nachhaltiger selbst anzunehmen. a) Die Reichweite des Gesetzesvorbehalts aa) Geschriebene und ungeschriebene Vorbehalte (1) Der Vorbehalt „wesentlicher“ Entscheidungen 114

v. Dewitz/Luft/Pestalozza Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung - Oktober 2004 (α) Der Grundsatz Alle wesentlichen Entscheidungen im normativen Bereich 113 hat – wie die Verfassungsgerichte in ständiger (hier nicht im einzelnen nachzuzeichnender) Rechtsprechung ihren jeweiligen geschriebenen und ungeschriebenen Verfassungen entnehmen - der Gesetzgeber zu treffen 114 . Insbesondere verpflichten ihn Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot 115 , die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen 116 . Dass dies in Bereichen generell erhöhten Risikos für den Menschen mit besonderer Intensität gilt 117 , versteht sich. (β) Besondere Ausprägung im Bereich funktionaler Selbstverwaltung Das Demokratiegebot entfaltet sich in der besonderen Gestalt des Gesetzesvorbehalts aber auch noch aus einem zusätzlichen Grunde, der gerade für das Thema dieser Untersuchung von erheblicher Bedeutung ist: Das Bundesverfassungsgericht hat aus ihm geschlossen, dass innerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung und der kommunalen Selbstverwaltung alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter 118 einer Legitimation bedürfe, die sich auf die Gesamtheit der Bürger als Staatsvolk zurückführen lasse, einer „ununterbrochenen Legitimationskette vom Volk also zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern. Dem sei genügt, wenn sich die Bestellung der Amtsträger - personelle Legitimation vermittelnd – auf das Staatsvolk zurückführen lasse und das Handeln der Amtsträger selbst eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfahre, d.h. die Amtsträger im 113 Vgl. BVerfGE 49, 89 (126f.). „Normativ“ meint den Bereich, der staatlicher Normierung zugänglich ist; BVerfGE 105, 279 (303f.). 114 Sog. Gesetzesvorbehalt. Vom Bundesverfassungsgericht auch als Parlamentsvorbehalt bezeichnet (zuletzt etwa BVerfGE 108, 282 [311]). Auf Bundesebene will der Ausdruck nicht ganz passen, weil dort der Gesetzgeber nicht nur das Parlament, sondern auch den Bundesrat umfasst. 115 Und, wie man hinzufügen darf, die Grundrechte selbst regelmäßig schon ihrem Wortlaut nach. 116 BVerfGE 49, 89 (126); 61, 260 (275); 83, 130 (142); 108, 282 (311). 117 Zutreffende Erwägungen, besonders im Zusammenhang mit der Arzneimittelprüfung, bei Grupp, Zur Stellung von Ethik-Kommissionen unter öffentlich-rechtlichen Aspekten, in: Funkel/Jung (Hrsg.), Bioethik und Menschenrechte, Köln u.a. 1993, S. 125 ff.; Di Fabio, Fn. 71, insbesondere S. 221f. 118 Das schließt Entscheidungen, die nach außen wirken, Entscheidungen, die nur behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben schaffen, und die Wahrnehmung von Mitentscheidungsbefugnissen einschließlich der Ausübung von Vorschlagsrechten ein; BVerfGE 107, 59 (87) mit weiteren Nachweisen aus der Judikatur. 115

v. Dewitz/Luft/Pestalozza<br />

<strong>Ethik</strong>kommissionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Forschung</strong> - Oktober 2004<br />

(α) Der Grundsatz<br />

Alle wesentlichen Entscheidungen im normativen Bereich 113 hat – wie die<br />

Verfassungsgerichte <strong>in</strong> ständiger (hier nicht im e<strong>in</strong>zelnen nachzuzeichnen<strong>der</strong>)<br />

Rechtsprechung ihren jeweiligen geschriebenen und ungeschriebenen<br />

Verfassungen entnehmen - <strong>der</strong> Gesetzgeber zu treffen 114 . Insbeson<strong>der</strong>e<br />

verpflichten ihn Rechtsstaatspr<strong>in</strong>zip und Demokratiegebot 115 , die für die<br />

Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen 116 . Dass<br />

dies <strong>in</strong> Bereichen generell erhöhten Risikos für den Menschen mit beson<strong>der</strong>er<br />

Intensität gilt 117 , versteht sich.<br />

(β) Beson<strong>der</strong>e Ausprägung im Bereich funktionaler Selbstverwaltung<br />

Das Demokratiegebot entfaltet sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Gestalt des<br />

Gesetzesvorbehalts aber auch noch aus e<strong>in</strong>em zusätzlichen Grunde, <strong>der</strong> gerade für<br />

das Thema dieser Untersuchung von erheblicher Bedeutung ist: Das<br />

Bundesverfassungsgericht hat aus ihm geschlossen, dass <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

unmittelbaren Staatsverwaltung und <strong>der</strong> kommunalen Selbstverwaltung alles<br />

amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter 118 e<strong>in</strong>er Legitimation bedürfe, die<br />

sich auf die Gesamtheit <strong>der</strong> Bürger als Staatsvolk zurückführen lasse, e<strong>in</strong>er<br />

„ununterbrochenen Legitimationskette vom Volk also zu den mit staatlichen<br />

Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern. Dem sei genügt, wenn sich die<br />

Bestellung <strong>der</strong> Amtsträger - personelle Legitimation vermittelnd – auf das<br />

Staatsvolk zurückführen lasse und das Handeln <strong>der</strong> Amtsträger selbst e<strong>in</strong>e<br />

ausreichende sachlich-<strong>in</strong>haltliche Legitimation erfahre, d.h. die Amtsträger im<br />

113 Vgl. BVerfGE 49, 89 (126f.). „Normativ“ me<strong>in</strong>t den Bereich, <strong>der</strong> staatlicher Normierung<br />

zugänglich ist; BVerfGE 105, 279 (303f.).<br />

114 Sog. Gesetzesvorbehalt. Vom Bundesverfassungsgericht auch als Parlamentsvorbehalt<br />

bezeichnet (zuletzt etwa BVerfGE 108, 282 [311]). Auf Bundesebene will <strong>der</strong> Ausdruck<br />

nicht ganz passen, weil dort <strong>der</strong> Gesetzgeber nicht nur das Parlament, son<strong>der</strong>n auch den<br />

Bundesrat umfasst.<br />

115 Und, wie man h<strong>in</strong>zufügen darf, die Grundrechte selbst regelmäßig schon ihrem Wortlaut<br />

nach.<br />

116 BVerfGE 49, 89 (126); 61, 260 (275); 83, 130 (142); 108, 282 (311).<br />

117 Zutreffende Erwägungen, beson<strong>der</strong>s im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Arzneimittelprüfung, bei<br />

Grupp, Zur Stellung von <strong>Ethik</strong>-<strong>Kommissionen</strong> unter öffentlich-rechtlichen Aspekten, <strong>in</strong>:<br />

Funkel/Jung (Hrsg.), Bioethik und Menschenrechte, Köln u.a. 1993, S. 125 ff.; Di Fabio,<br />

Fn. 71, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e S. 221f.<br />

118 Das schließt Entscheidungen, die nach außen wirken, Entscheidungen, die nur<br />

behörden<strong>in</strong>tern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung <strong>der</strong> Amtsaufgaben schaffen,<br />

und die Wahrnehmung von Mitentscheidungsbefugnissen e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> Ausübung von<br />

Vorschlagsrechten e<strong>in</strong>; BVerfGE 107, 59 (87) mit weiteren Nachweisen aus <strong>der</strong> Judikatur.<br />

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