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DEUTSCHER<br />

JUGENDLITERATURPREIS<br />

2013<br />

NOMINIERUNGEN<br />

Illustration Rán Flygenring<br />

3


IMPRESSUM<br />

Metzstraße 14c<br />

D-81667 München<br />

Telefon (089) 45 80 806<br />

Fax (089) 45 80 80 88<br />

E-Mail info@jugendliteratur.org<br />

Internet www.jugendliteratur.org<br />

Redaktion Julia Lentge<br />

Gestaltung Kirsten & Norbert Lauterbach,<br />

nokidesign, München<br />

Umschlag- Rán Flygenring, Preisträgerin des<br />

illustration Deutschen Jugendliteraturpreises 2012<br />

Druck Bluemedia GmbH, München<br />

Die Angaben der gebundenen Ladenpreise erfolgen ohne<br />

Gewähr. Die in den Jurybegründungen verwendeten Zitate<br />

wurden den jeweiligen nominierten Titeln entnommen.<br />

Einzelpreis Katalog: 1,60 <br />

Gefördert vom


DEUTSCHER<br />

JUGENDLITERATURPREIS<br />

2013<br />

NOMINIERUNGEN


INHALT<br />

Vorwort<br />

der Bundesministerin Dr. Kristina Schröder .......................... 3<br />

Übersicht der Nominierungen 2013 .................................. 4<br />

Nominierungen der Kritikerjury<br />

Jurybegründungen Bilderbuch ............................................... 6<br />

Jurybegründungen Kinderbuch ............................................. 18<br />

Jurybegründungen Jugendbuch .............................................. 30<br />

Jurybegründungen Sachbuch ................................................ 42<br />

Nominierungen der Jugendjury<br />

Jurybegründungen ................................................................. 54<br />

Infos zum Preis ..................................................................... 66<br />

Wer liest, gewinnt t!<br />

Deutscher Jugendliteraturpreis eraturpreis<br />

auf Bibliotheks-Tour ............................................................... 68<br />

Preisverdächtig! – Praxisseminare<br />

zu den nominierten Büchern des<br />

Deutschen Jugendliteraturpreises 2013 ................................. 69


© BMFSFJ / L. Chaperon<br />

VORWORT<br />

Wer die Wahl hat, hat bekanntlich auch die Qual. Das<br />

wissen die Mitglieder der Jugendjury des Deutschen<br />

Jugendliteraturpreises vermutlich nur zu gut. Sie vergeben<br />

im Rahmen des Deutschen Jugend literaturpreises<br />

jedes Jahr ihren eigenen Preis. Dazu diskutieren die<br />

jungen Literaturexpertinnen und -experten über für<br />

sie relevante Bücher und bewerten Inhalt, Sprache<br />

und Aufmachung. Sicherlich ist es bei der Menge an<br />

interessantem Lesestoff nicht immer leicht, die besten<br />

Titel auszuwählen. Doch am Ende beweist die Jury stets<br />

einen guten Riecher.<br />

Beeindruckend finde ich das Zusammenspiel von Jugendjury und Kritikerjury.<br />

Beide arbeiten unabhängig voneinander, suchen aber immer wieder<br />

den Dialog miteinander, so dass die Leseerfahrung der erwachsenen Kritiker<br />

und der unmittelbare Zugang der Zielgruppe sich gegenseitig befruchten.<br />

Darüber hinaus übernehmen die Mädchen und Jungen auch Verantwortung<br />

für Organisatorisches, für Veranstaltungen sowie für Presse- und<br />

Öffentlichkeitsarbeit zum Deutschen Jugendliteraturpreis. Sie begeistern<br />

Gleichaltrige in ihrem Umfeld und sind damit Lesebotschafter. Auf diese<br />

Weise entsteht Lese- und Leserförderung im besten Sinne, und das seit<br />

mittlerweile zehn Jahren. In dieser Zeit konnten bundesweit 22 Leseclubs<br />

und gut 600 Jugendliche in die Juryarbeit eingebunden werden. Dazu und<br />

zum 10-jährigen Jubiläum gratuliere ich herzlich!<br />

Sowohl die Jugend- als auch die Kritikerjury haben in diesem Jahr eine<br />

überzeugende Vorauswahl für den Deutschen Jugendliteraturpreis vorgelegt.<br />

In vielen ehrenamtlichen Lesestunden haben sie die besten Bücher<br />

aufgespürt. Dafür danke ich allen Beteiligten und hoffe, dass es uns gemeinsam<br />

gelingt, möglichst viele Kinder und Jugendliche für Bücher zu<br />

begeistern!<br />

Dr. Kristina Schröder | Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen<br />

und Jugend | Stifterin des Deutschen Jugendliteraturpreises


NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY<br />

SACHBUCH JUGENDBUCH KINDERBUCH BILDERBUCH<br />

Ab 2 Ab 3 Ab 4<br />

Ab 4<br />

Ab 6 Ab 8 Ab 8<br />

Ab 9<br />

Ab 12 Ab 13<br />

Ab 14 Ab 14<br />

Ab 3 Ab 4 Ab 8<br />

Ab 8


NOMINIERUNGEN<br />

DER JUGENDJURY<br />

Ab 8 Ab 10<br />

Ab 13<br />

Ab 13<br />

Ab 10 Ab 10<br />

Ab 13<br />

Ab 14<br />

Ab 16<br />

Ab 16<br />

Ab 14<br />

Ab 14<br />

Ab 16<br />

Ab 14


BILDERBUCH<br />

Isol<br />

Ein Entlein kann so nützlich sein<br />

Aus dem Spanischen von Karl Rühmann<br />

Verlag Jungbrunnen<br />

ISBN 978-3-7026-5836-6<br />

<br />

Ab 2<br />

6 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


D<br />

ieses Pappbilderbuch der argentinischen<br />

Künstlerin Marisol Misenta erschien im<br />

Original in Mexiko. Die ausdrucksstarken,<br />

dynamisch wirkenden Zeichnungen zeigen vor<br />

leerem Grund ein kleines Mädchen, das mit seiner<br />

Gummiente deutlich mehr anzufangen weiß,<br />

als sie im Badewasser schwimmen zu lassen. Im<br />

Text kommentiert das Mädchen sein Spiel auf<br />

oft überraschende Weise. Der eigentliche Clou<br />

des kleinen grafischen Kunstwerks offenbart sich<br />

erst nach vollständiger Entfaltung des Leporellos:<br />

Auf der Rückseite finden wir die gleichen<br />

Zeichnungen mit einem Text aus der Sicht des<br />

Entleins. Grafisch wird der Perspektivenwechsel<br />

durch eine Umkehrung der Farben von Figur und<br />

Grund signalisiert. Auf diese Weise vermittelt das<br />

Büchlein eine geballte Ladung literarischer, visueller<br />

und nicht zuletzt medialer Erfahrungen. Ein<br />

großes Vergnügen für Semiotiker und Bibliophile<br />

ab zwei Jahren.<br />

AUTORIN<br />

ILLUSTRATORIN<br />

ÜBERSETZER<br />

Isol,<br />

1972 in Buenos Aires /<br />

Argentinien geboren,<br />

wurde u.a. mit dem<br />

Astrid Lindgren-Memorial<br />

Award 2013 ausgezeichnet.<br />

Sie lebt<br />

in Buenos Aires.<br />

Karl Rühmann<br />

war u. a. Hubschrauberpilot,<br />

Straßenmusiker<br />

und Universitätsdozent.<br />

Heute lehrt er an der<br />

Schule für Angewandte<br />

Linguis tik in Zürich /<br />

Schweiz und ist Autor.<br />

© Verlag Jungbrunnen<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 7


BILDERBUCH<br />

Stina Wirsén<br />

Nalle liebt Oma<br />

Aus dem Schwedischen von Maike Dörries<br />

Gerstenberg Verlag<br />

ISBN 978-3-8369-5405-1<br />

<br />

Ab 3<br />

8 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


M<br />

it ihren Nalle-Geschichten bietet Stina<br />

Wirsén kleinformatige Impressionen aus<br />

dem Kinderalltag. Das Figurenarsenal ist<br />

phantastisch verfremdet, was der Ausgestaltung<br />

von Mimik und Gestik besonderen Raum bietet.<br />

In Bild und Text werden gefühlsintensive Situationen<br />

präzise ausgeleuchtet und dramaturgisch<br />

geschickt umgesetzt.<br />

Ganz besonders trifft das auf die Geschichte um<br />

Nalle und seine Oma zu, die er sich zu seinem<br />

Leidwesen mit seiner manchmal ganz fürchterlich<br />

dummen Cousine teilen muss. Bevor das Eifersuchtsdrama<br />

so richtig eskalieren kann, gerät<br />

die Rivalin jedoch in eine so missliche Lage, dass<br />

Nalle ihr gar nicht mehr böse sein kann.<br />

AUTORIN<br />

ILLUSTRATORIN<br />

Stina Wirsén,<br />

1968 geboren, lebt als<br />

Illustratorin in Stockholm<br />

/ Schweden. Sie<br />

wurde durch ihre Modeillustrationen<br />

und Kinderbücher<br />

bekannt und ist<br />

seit 1997 Chefillustra torin<br />

der größten schwedischen<br />

Tageszeitung.<br />

© Carl Thorborg<br />

ÜBERSETZERIN<br />

© privat<br />

Maike Dörries,<br />

Jahrgang 1966, arbeitet<br />

seit 1998 als Über setzerin<br />

aus dem Norwegischen,<br />

Schwedischen und Dänischen.<br />

Sie wurde 1996<br />

mit dem Deutschen<br />

Jugendliteraturpreis<br />

ausgezeichnet und<br />

lebt in Mannheim.<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 9


BILDERBUCH<br />

John Fardell<br />

Der Tag, an dem Louis gefressen wurde<br />

Aus dem Englischen von Bettina Münch<br />

Moritz Verlag<br />

ISBN 978-3-89565-246-2<br />

<br />

Ab 4<br />

10 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


S<br />

arah und ihr kleiner Bruder machen einen<br />

Ausflug. Da wird Louis plötzlich völlig überraschend<br />

von einem Schluckster gefressen,<br />

dieser wiederum von einem Grabscherix und<br />

der von einem Wasserschnapper. Doch Sarah<br />

nimmt sofort die Verfolgung auf, und hat etwas<br />

bei sich, das ihren Bruder retten wird – einen<br />

Schluckauffrosch!<br />

Wirklich beeindruckend, wie souverän die beiden<br />

Kinder mit den fünf Monstern umgehen, denen<br />

sie auf ihrer Tour begegnen! Das Happy End und<br />

die letzte panoramahafte Doppelseite, auf der<br />

man die Monster in sicherer Entfernung noch<br />

einmal alle suchen kann, runden die phantastische<br />

Geschichte gekonnt ab.<br />

AUTOR<br />

ILLUSTRATOR<br />

ÜBERSETZERIN<br />

John Fardell,<br />

1967 geboren, wuchs<br />

auf dem Land in der<br />

Nähe von Bristol /<br />

England auf. Er lebt<br />

in Edinburgh, spielt<br />

Geige und schreibt und<br />

zeichnet Kinderbücher.<br />

Bettina Münch,<br />

1962 geboren, arbeitete<br />

nach dem Studium der<br />

Anglistik, Amerikanistik<br />

und Germanistik als Kinder-<br />

und Jugendbuchlektorin<br />

und lebt heute als<br />

literarische Übersetzerin<br />

in Bad Vilbel. Außerdem<br />

ist sie selbst Autorin.<br />

© Andersen Press<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 11


BILDERBUCH<br />

Jon Klassen<br />

Wo ist mein Hut<br />

Aus dem Englischen von Thomas Bodmer<br />

NordSüd Verlag<br />

ISBN 978-3-314-10117-5<br />

<br />

Ab 4<br />

12 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


D<br />

er Bär hat seinen Hut verloren, und fragt<br />

nun ein Tier nach dem anderen: „Hast Du<br />

meinen Hut gesehen?“ Die Antworten fallen<br />

recht unterschiedlich aus, doch weit und<br />

breit kein Hut in Sicht! Dabei hätte der Bär doch<br />

merken müssen, dass das Kaninchen ihn auf<br />

dem Kopf hat.<br />

Wie auf der Spielleiste eines Handpuppentheaters<br />

agieren auf den Buchseiten maximal zwei Figuren.<br />

Und die Betrachter überblicken das Geschehen<br />

bisweilen besser als die Hauptfigur dies offenbar<br />

tut. Schließlich erweist sich der Bär als weitaus<br />

weniger harmlos, als es zunächst schien – so<br />

wie der traditionelle Jahrmarktskasperl hat er<br />

durchaus auch eine abgründige Seite. Am Ende<br />

sitzt zwar der Hut auf dem richtigen Kopf, aber<br />

wo ist eigentlich das Kaninchen geblieben?<br />

Mit Tinte zeichnet Jon Klassen zunächst die<br />

Umrisse der Figuren auf chinesisches Papier,<br />

um am Computer alles zusammenzufügen, und<br />

Farben sowie andere Details zu ergänzen. Die<br />

Typografie ist nicht nur ein<br />

Augenschmaus, sondern<br />

zugleich auch seman-<br />

tisch aufgeladen.<br />

AUTOR<br />

ILLUSTRATOR<br />

ÜBERSETZER<br />

Jon Klassen<br />

stammt aus Ontario /<br />

Kanada. 2012 wurde<br />

er mit der Caldecott-<br />

Medal, der wichtigsten<br />

Auszeichnung für<br />

Bilderbücher in den<br />

USA, geehrt. Heute<br />

lebt er in Los Angeles.<br />

Thomas Bodmer,<br />

1951 in Zürich geboren,<br />

war 20 Jahre lang<br />

Verlagslektor. Seit 1992<br />

arbeitet der Literatur-,<br />

Musik- und Filmverrückte<br />

als Herausgeber,<br />

freier Lektor, Journalist<br />

und Übersetzer.<br />

© privat<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 13


BILDERBUCH<br />

Einar Turkowski<br />

Der Rauhe Berg<br />

Atlantis Verlag<br />

ISBN 978-3-7152-0625-7<br />

<br />

Ab 8<br />

14 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


I<br />

n diesem Bilderbuch wird das genaue Hinsehen zum Thema. Überdies<br />

werden die semantischen Potenziale des Mediums Buch ins Spiel und<br />

der Konstruktcharakter der Wirklichkeit zur Anschauung gebracht. Abweisend<br />

und grandios zugleich tritt der Rauhe Berg uns gegenüber und das<br />

drückt sich auch in dem ungewöhnlichen Hochformat des Buches aus und<br />

in der fast aristokratisch wirkenden Leere auf den Buchseiten.<br />

Wer das Wagnis einer Besteigung des Berges unternimmt, erlebt eine Reise<br />

ins Unbewusste. „Sieh, wenn Du kannst“, fordert ein Schild den Wanderer<br />

auf und der erfährt bald, dass dies das bei weitem größte Abenteuer seines<br />

Unterfangens ist.<br />

Die technisch perfekten Bilder von Einar Turkowski entwerfen eine surreale<br />

Welt voller Poesie und skurriler Komik. Die Bleistiftzeichentechnik<br />

beruht auf der Verwendung eines herkömmlichen Stifts der gängigsten<br />

Stärke. Mit diesem einen Stift gelingt es Turkowski, alle unterschiedlichen<br />

Facetten seiner Geschichte ins Bild zu setzen. Zumindest teilweise können<br />

die Bilder durchaus auch Kindern im Vorschulalter zugänglich werden. Das<br />

Buch hat aber einen Adressatenentwurf, der sehr weit über diese Altersgruppe<br />

hinausgeht.<br />

AUTOR<br />

ILLUSTRATOR<br />

© privat<br />

Einar Turkowski,<br />

1972 geboren, studierte<br />

Illustration an der HAW<br />

in Hamburg. 2007 wurde<br />

er für sein Erstlingswerk<br />

Es war finster und<br />

merkwürdig still mit dem<br />

Grand Prix der Bien nale<br />

der Illustrationen in Bratislava<br />

ausgezeichnet.<br />

Einar Turkowski lebt und<br />

zeichnet in Schleswig-<br />

Holstein bei Kiel.<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 15


BILDERBUCH<br />

Robert Louis Stevenson (Text)<br />

Henning Wagenbreth (Illustration)<br />

Der Pirat und der Apotheker<br />

Eine lehrreiche Geschichte<br />

Aus dem Englischen von Henning Wagenbreth<br />

Peter Hammer Verlag<br />

ISBN 978-3-7795-0419-1<br />

<br />

Ab 10<br />

16 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


D<br />

er stille Räuber hinterm Deich / schläft weicher und wird schneller reich“.<br />

Henning Wagenbreth, der bislang als Grafiker, aber nicht als literarischer<br />

Übersetzer hervorgetreten ist, hat hier eine zumindest im<br />

deutschen Sprachraum nahezu unbekannte Vers-Geschichte des Schatzinsel-Autors<br />

Stevenson nicht nur genial ins Bild gebracht, sondern auch<br />

kongenial übersetzt. Das sollen die oben zitierten Verse zeigen, die im<br />

Original folgendermaßen lauten: „The silent pirates of the shore / Eat and<br />

sleep soft, and pocket more”..<br />

Die assoziationsreichen Assonanzen hat Wagenbreth zum Ausgleich für<br />

andere, nicht ins Deutsche übersetzbare Klangspiele, hinzugefügt und<br />

damit eine sehr treffende sprachliche Markierung für die wahrhaft schleicherische<br />

Hinterhältigkeit des Apothekers gefunden, die der grausamen<br />

Wildheit des Piraten entgegensteht.<br />

Es ist eine ins Komische gewendete moralische Erzählung, wie wir sie auch<br />

bei Heinrich Hoffmann und Wilhelm Busch finden. Stevenson schrieb den<br />

Text im Jahr 1882 für seinen zwölfjährigen Stiefsohn und illustrierte ihn<br />

mit eigenen Holzschnitten. In seinen großformatigen und kontraststarken<br />

Bildern zitiert Wagenbreth diese Holzschnittästhetik und steigert sie<br />

ins expressionistisch Überzeichnete. Viel groteske Komik und schwarzer<br />

Humor, wie wir sie in der deutschen Kinderliteratur viel zu wenig finden.<br />

Ein großer Gewinn also.<br />

ILLUSTRATOR<br />

ÜBERSETZER<br />

Henning Wagenbreth,<br />

1962 in Eberswalde<br />

geboren, ist Professor<br />

für Illustration und<br />

Grafikdesign an der<br />

Universität der Künste<br />

in Berlin und einer der<br />

Begründer der Berliner<br />

Künstlergruppe „PGH<br />

Glühende Zukunft“.<br />

© Mirko Zander<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 17


KINDERBUCH<br />

Toon Tellegen (Text)<br />

Ingrid Godon (Illustration)<br />

Ich wünschte<br />

Aus dem Niederländischen von Birgit Erdmann<br />

mixtvision Verlag<br />

ISBN 978-3-939435-54-9<br />

<br />

Ab 6<br />

18 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


D<br />

ieses sorgfältig ausgestattete und anregend<br />

eingeleitete Buch enthält eine Sammlung<br />

eindrucksvoller Kreidezeichnungen von<br />

Ingrid Godon mit Texten von Toon Tellegen. Die<br />

Porträtbilder, die an altniederländische Malerei<br />

und zugleich an Familienfotos erinnern, zeigen<br />

vorzugsweise Kinder, die den Betrachter aus weit<br />

auseinander gestellten Augen mit großem Ernst<br />

anblicken. Die Texte imaginieren Wünsche fernab der üblichen Vorstellungen<br />

vom Kinderglück. Sie sprechen auch von Verletzungen, Ängsten, von<br />

abhanden gekommener Lebensfreude, von bislang ungestillter Sehnsucht<br />

und Hoffnung, die sich vielleicht noch erfüllt: „Ich wünschte, das Glück<br />

wäre ein Gegenstand, den ich irgendwo gefunden und mit nach Hause<br />

genommen hätte. Ich würde niemandem erzählen, dass ich es gefunden<br />

hätte. Ich würde es verstecken und nur hervorholen, wenn ich sicher<br />

wäre, allein zu sein. Dann würde ich es polieren.“ Ein solcher Gegenstand<br />

ist das Buch selbst – ein herausragendes Stück Kindheitsliteratur, reich an<br />

Leerstellen und von einer Brillanz, die in Muße genossen sein will. Dass es<br />

einen offenen, Erwachsene einschließenden Adressatenentwurf hat, ist<br />

damit eigentlich schon gesagt.<br />

AUTOR<br />

Toon Tellegen,<br />

1941 geboren, studierte<br />

Medizin und praktizierte<br />

in Amsterdam / Niederlande.<br />

Seit den 1980er<br />

Jahren schreibt er Lyrik<br />

und Prosa für Erwachsene<br />

und Kinder.<br />

© privat<br />

ILLUSTRATORIN<br />

Ingrid Godon,<br />

1958 in Flandern geboren,<br />

illustrierte zunächst<br />

Schulbücher, bevor<br />

sie sich Kinderbüchern<br />

zuwandte. Sie lebt mit<br />

ihrer Familie in der Nähe<br />

von Antwerpen / Belgien.<br />

© Margot Krisza<br />

ÜBERSETZERIN<br />

Birgit Erdmann,<br />

1969 in Frankfurt / Main<br />

geboren, war nach<br />

dem Studium für die<br />

Kulturabteilung der<br />

Niederländischen Botschaft<br />

Berlin tätig. Seit<br />

2010 ist sie selbständige<br />

Literaturübersetzerin<br />

und lebt in Berlin.<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 19


KINDERBUCH<br />

Jenny Robson<br />

Tommy Mütze<br />

Eine Erzählung aus Südafrika<br />

Aus dem Englischen von Barbara Brennwald<br />

Baobab Books<br />

ISBN 978-3-905804-39-3<br />

<br />

Ab 8<br />

20 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


D<br />

umisani hielt sein Leseverständis-Buch ein<br />

bisschen hoch, damit wir uns dahinter besprechen<br />

konnten. ‚Gleich ist Pause, Doogz.<br />

Beim Mittagessen wird er das Ding doch abnehmen<br />

müssen, oder? Spätestens dann wissen wir,<br />

was er darunter versteckt.‘“<br />

Dieses Buch wurde aus dem südafrikanischen Englisch<br />

übersetzt und das Zitat macht deutlich, dass<br />

es an einer Schule handelt, deren Unterrichtsbrauchtum<br />

deutschen Lesern vertraut scheinen<br />

mag. Es bietet alles, was gute kinderliterarische<br />

Unterhaltung ausmacht: eine spannende, pointenreiche<br />

Geschichte, überzeugend gezeichnete<br />

Charaktere, lebendig wirkende Dialoge, eine klare<br />

Erzähldramaturgie und einen überaus gewitzten<br />

kindlichen Ich-Erzähler. Darüber hinaus spielt der<br />

Text mit Lesererwartungen, die geschickt aufgebaut<br />

und fast nie erfüllt werden. Dazu gehört der<br />

erfrischend beiläufige Umgang mit Alterität, denn<br />

die Geschichte handelt in einer ethnisch heterogenen<br />

Schulklasse, ohne dass das überhaupt ein<br />

Thema wäre. Besonders überrascht die Lösung<br />

des Rätsels um Tommys Vermummung mit einer<br />

überdimensio nalen Mütze.<br />

Eine gut erzählte Geschichte mit aufklärerischem<br />

Potenzial für Leserinnen und Leser im Grundschulalter.<br />

AUTORIN<br />

ÜBERSETZERIN<br />

Jenny Robson<br />

wurde in Südafrika geboren.<br />

Heute lebt und<br />

schreibt sie in Botswana.<br />

Für ihre zahlreichen<br />

Kinder- und Jugendbücher<br />

hat Jenny Robson<br />

u.a. den UNESCO-Preis<br />

für Kinder- und Jugendliteratur<br />

im Dienst der<br />

Toleranz erhalten.<br />

Barbara Brennwald,<br />

1969 geboren, ist freiberufliche<br />

Übersetzerin<br />

und Konferenzdolmetscherin.<br />

Sie studierte<br />

an der Dolmetscherschule<br />

Zürich und lebt<br />

mit ihrer Familie in<br />

der Nähe von Zürich.<br />

© Matt Robson<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 21


KINDERBUCH<br />

<br />

Die wilden Piroggenpiraten<br />

Ein tollkühnes Abenteuer um eine entführte<br />

Mohnschnecke und ihre furchtlosen Retter<br />

Aus dem Lettischen von Matthias Knoll<br />

Fischer Schatzinsel<br />

ISBN 978-3-596-85452-3<br />

<br />

Ab 8<br />

22 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


E<br />

ine spannende und zugleich umwerfend<br />

komische Abenteuergeschichte erzählt der<br />

<br />

Gattungsmuster zugleich erfüllt und parodiert<br />

vollbringt er eine Art Quadratur des Kreises, die<br />

das Lesevergnügen gleichsam vervielfacht. Denn<br />

bei den Figuren handelt es sich durchwegs um<br />

Gebäck. Im Mittelpunkt stehen das arme reiche<br />

Mädchen Mohnschnecke, ihr tapferer Anbeter<br />

Eclair, der verwöhnte junge Geck Hörnchen und<br />

der großherzige Plebejer Otto Pelmeni, die sich<br />

aus unterschiedlichen Motiven auf eine abenteuerliche<br />

Reise begeben haben. Die Handlung<br />

des über 650 Seiten starken Buches entfaltet sich<br />

in drei Strängen, die Spannung wird durch eine<br />

ausgefeilte Cliffhanger-Dramaturgie gesteigert.<br />

Und die Übersetzung von Matthias Knoll vermittelt<br />

ein ganzes Feuerwerk sprachkomischer Effekte,<br />

denn die Figuren sind auch sprachlich<br />

durchstilisiert und die Erzählerrede zitiert den<br />

Ton klassischer Abenteuerromane des 19. Jahrhunderts.<br />

Der Text eignet sich gleichermaßen<br />

zum Vorlesen wie zum Selberlesen, im Spektrum<br />

vorhandener Piratengeschichten für Kinder bietet<br />

er eine willkommene Abwechslung.<br />

AUTOR<br />

ÜBERSETZER<br />

,<br />

1950 in Valmiera / Lettland<br />

geboren, ist Theater-,<br />

Drehbuch- und Kinderbuchautor,<br />

Illustrator,<br />

Filmproduzent, Schauspieler,<br />

Puppenspieler<br />

und Bühnenbildner.<br />

Matthias Knoll,<br />

1963 in Berlin geboren,<br />

kam 1991 zum „Tag der<br />

Lyrik“ nach Riga / Lettland,<br />

um seine Gedichte<br />

vorzulesen – und wurde<br />

zum Übersetzer. Er betreibt<br />

ein Internetportal<br />

für Autoren und Texte<br />

aus Lettland und veranstaltet<br />

literarische<br />

Führungen durch Riga.<br />

© privat<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 23


KINDERBUCH<br />

Robert Paul Weston (Text)<br />

Víctor Rivas (Illustration)<br />

Zorgamazoo<br />

Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn<br />

Verlagshaus Jacoby & Stuart<br />

ISBN 978-3-941087-98-9<br />

<br />

Ab 9<br />

24 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


I<br />

ch warn' dich natürlich, bevor wir beginnen: / Grusel und Spannung<br />

werden hier walten, / Gefahr und Schrecken und knappes Entrinnen, /<br />

böse Geschöpfe, Horrorgestalten. / Drachen und Monster, üble Gorgonen,<br />

/ Wesen, bei denen der Mutigste zuckt. / Entlegene Orte, wo Schurken<br />

wohnen. / (Häuser, vor denen der Atem dir stockt.)"<br />

Dieser Roman bietet nicht nur eine detailfreudig ausfabulierte phantastische<br />

Welt mit einem gewaltigen Aufgebot skurril-schauriger Gestalten,<br />

er ist außerdem komplett in Versen gehalten. In Kombination mit der<br />

auktorialen Erzählweise, der simulierten Mündlichkeit und dem leicht<br />

marktschreierischen Duktus wirken die Kreuzreime und Daktylen überaus<br />

komisch. Der Verfasser bedient sich großzügig aus dem Motivreservoir der<br />

Fantasyliteratur und des Heldenepos und erzeugt schon allein dadurch einen<br />

gattungsparodistischen Effekt, der durch die Versform, die Erzählweise und<br />

den großen Reichtum schwarzhumoristischer Einfälle noch eine Steigerung<br />

erfährt. Uwe-Michael Gutzschhahn hat sich der Anstrengung unterzogen,<br />

dieses opulente Gebilde ins Deutsche zu übertragen. Und Víctor Rivas hat<br />

die Geschichte kongenial illustriert.<br />

AUTOR<br />

© Kristof Arasim<br />

Robert Paul Weston<br />

hat Kreatives Schreiben<br />

studiert und in diversen<br />

Jobs gearbeitet, bevor<br />

er sich ganz der freien<br />

Schriftstellerei verschrieben<br />

hat. Er lebt in Toronto<br />

/ Kanada und unterrichtet<br />

dort an der Universität.<br />

ILLUSTRATOR<br />

Víctor Rivas<br />

arbeitet seit 1987 als<br />

freischaffender Illus trator<br />

für Kinder- und Jugendbücher,<br />

Magazine und<br />

Multimediaspiele.<br />

Außerdem zeichnet er<br />

Comics und macht<br />

Trickfilm-Animationen.<br />

© privat<br />

ÜBERSETZER<br />

Uwe-Michael<br />

Gutzschhahn,<br />

1952 geboren, lebt als<br />

Übersetzer und Autor,<br />

Herausgeber und freier<br />

Lektor in München.<br />

2006 und 2009 wurde<br />

er mit dem Deutschen<br />

Jugendliteraturpreis<br />

ausgezeichnet.<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 25


KINDERBUCH<br />

Joke van Leeuwen<br />

Als mein Vater ein Busch wurde<br />

und ich meinen Namen verlor<br />

Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers<br />

Gerstenberg Verlag<br />

ISBN 978-3-8369-5467-9<br />

<br />

Ab 10<br />

26 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


I<br />

ch dachte zu der Zeit nie, dass dort woanders war. Überall sonst war<br />

woanders, nur nicht dort, wo wir wohnten.“ Die Erfahrung, jemand von<br />

woanders zu sein, dem man mit Misstrauen, offener Feindseligkeit oder<br />

aufgesetzter Freundlichkeit begegnet, macht die kindliche Ich-Erzählerin<br />

aufgrund eines Krieges, der sie dazu zwingt, ihre Heimat zu verlassen.<br />

Die konsequent durchgehaltene kindliche Weltsicht und die schnörkellos<br />

nüchterne Sprache machen die Absurdität des Geschehens deutlich, das<br />

in einem fiktiven, gleichsam zeit- und ortlosen Raum angesiedelt wurde.<br />

Die Protagonistin nennt die Dinge bei ihren Namen und nimmt die Namen<br />

wörtlich. Indem sie Euphemismen, gefühliges Pathos und Bildsprache<br />

unterläuft, torpediert sie das uneigentliche Sprechen der Erwachsenen.<br />

In ihrer entlarvenden Naivität und schonungslosen Konkretheit scheinen<br />

die Illustrationen der Verfasserin eine ähnliche Strategie zu verfolgen. Auf<br />

diese Weise wird das Grauen auch komisiert, manche Schilderungen lösen<br />

ein Lachen aus, das im Halse stecken bleibt. Joke van Leeuwen ist hier<br />

eine gänzlich unplakative Parabel gegen den Krieg gelungen, die durch die<br />

spannungsreiche Verbindung von sinnlicher Konkretion und symbolhafter<br />

Verdichtung überzeugt. Ein vielschichtiger Text, der – besonders mit Blick<br />

auf die Komik und auf die Sprache – unterschiedliche Lesarten zulässt.<br />

AUTORIN<br />

ILLUSTRATORIN<br />

Joke van Leeuwen,<br />

1952 in Den Haag /<br />

Niederlande geboren,<br />

studierte Illustration<br />

und Geschichte in<br />

Antwerpen und Brüssel /<br />

Belgien. Seit den 1970er<br />

Jahren schreibt sie für<br />

Kinder, seit den 1990er<br />

auch für Erwachsene.<br />

© privat<br />

ÜBERSETZERIN<br />

Hanni Ehlers,<br />

Jahrgang 1954, studierte<br />

Niederländisch, Englisch<br />

und Spanisch an der<br />

Universität Heidelberg<br />

und lebt heute als freie<br />

Literaturübersetzerin in<br />

der Nähe von Lübeck.<br />

© H.-J. Rauch<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 27


KINDERBUCH<br />

Frank Cottrell Boyce (Text)<br />

Carl Hunter, Clare Heney (Fotos)<br />

Der unvergessene Mantel<br />

Aus dem Englischen von Salah Naoura<br />

Carlsen Verlag<br />

ISBN 978-3-551-55594-6<br />

<br />

Ab 10<br />

28 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


I<br />

n diesem Roman wird das nicht ganz neue Thema einer Kinderfreundschaft<br />

über kulturelle Hindernisse hinweg auf sehr überzeugende und<br />

kinderliterarisch ungewöhnliche Weise erzählt. Ungewöhnlich ist bereits<br />

die fiktive Erzählsituation in Form einer rückblickend aus der Sicht einer<br />

Erwachsenen erzählten Erinnerung, die durch Bilder ausgelöst wird. Die<br />

Polaroid-Fotos hat der fremde Freund des Mädchens aufgenommen, das die<br />

Erzählerin einmal war. Sie geben vor, eine ferne Welt zu zeigen, sind aber<br />

nichts weiter als sehr geschickte Inszenierungen des jungen Fotografen. So<br />

wird nicht nur die Freundschaft der Kinder zum Thema, sondern zugleich die<br />

Brüchigkeit von Erinnerungen und die Künstlichkeit kultureller Identitäten.<br />

Zumindest innerhalb der Binnenerzählung gibt es<br />

kein Happy End. Der exotische Zauber, mit dem der<br />

fremde Junge sich selbst und seinen kleinen Bruder<br />

umgibt, schützt sie nicht vor der ganz profanen<br />

Realität der Abschiebung und in dem Moment, in<br />

dem das Mädchen das Gespinst zu durchschauen<br />

beginnt, verliert es die beiden. Eine außergewöhnliche<br />

Erzählung über die Macht der Kunst und ihre<br />

Grenzen.<br />

AUTOR<br />

Frank Cottrell Boyce,<br />

1959 geboren, arbeitet<br />

als Schriftsteller und<br />

Drehbuchautor und lebt<br />

mit seiner Frau und<br />

sieben Kindern in<br />

Liverpool / England.<br />

© Carl Hunter<br />

FOTOGRAF<br />

Carl Hunter<br />

ist Regisseur und spielt<br />

E-Bass in der Liverpooler<br />

Band „The Farm“. Er<br />

lehrt an der Edge Hill<br />

University im Fach<br />

Medien.<br />

© Clare Heney<br />

FOTOGRAFIN<br />

Clare Heney<br />

ist Regisseurin, Fotografin<br />

und arbeitet als Dozentin<br />

im Fach Medien an der<br />

Edge Hill University im<br />

Nordwesten Englands.<br />

© Kate Heney<br />

ÜBERSETZER<br />

© Till Hülsemann<br />

Salah Naoura,<br />

1964 in Berlin geboren,<br />

studierte Gemanistik<br />

und Skandinavistik<br />

in Berlin und Stockholm<br />

/ Schweden. Seit<br />

1995 arbeitet er als Autor<br />

und freier Übersetzer.<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 29


JUGENDBUCH<br />

Yves Grevet<br />

MÉTO. Das Haus<br />

Aus dem Französischen von Stephanie Singh<br />

dtv Reihe Hanser<br />

ISBN 978-3-423-62514-2<br />

<br />

Ab 12<br />

30 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


S<br />

ystematisch versehrte Kindheiten und grausame<br />

Praktiken der Auslese Heranwachsender<br />

sind in der derzeit auf dem Markt<br />

befind lichen dystopischen Literatur keine Seltenheit.<br />

Im Gegensatz zu der Mehrzahl dieser Titel<br />

zielt der Roman von Yves Grevet nicht auf eine<br />

emotionale Überrumpelung der Leserinnen und<br />

Leser. Durch die nüchtern-emotionslose Sprache<br />

bietet er vielmehr Distanzierungsmöglichkeiten<br />

an. Weil der Text auf wohlfeile Identifikationsangebote<br />

verzichtet, erscheint die erzählte Welt<br />

umso befremdlicher.<br />

Die durchwegs männlichen Zöglinge einer totalitären<br />

Erziehungsanstalt werden ihrer Individualität<br />

beraubt und künstlich dumm gehalten.<br />

Es liegt also in der Logik der Erzählung, dass die<br />

Sprache nicht nur nüchtern und emotionslos ist,<br />

sondern mit ihrem eingeschränkten Wortschatz<br />

und den einfachen, parataktischen Satzstrukturen<br />

auch ein wenig unbeholfen wirkt. Die Geschichte<br />

gleicht einer logischen Versuchsanordnung,<br />

die Konstruktion ist wichtiger als das Ausmalen<br />

grausamer Details und das Faszinosum liegt weniger<br />

in der Handlung als in dem Kosmos, den<br />

der Roman entwirft. Das Haus ist der erste Teil<br />

einer Trilogie, die im Original in einem einzigen<br />

Band erschienen ist.<br />

AUTOR<br />

ÜBERSETZERIN<br />

Yves Grevet,<br />

1961 in Paris geboren,<br />

ging nach Abschluss seines<br />

Studiums für zwei<br />

Jahre nach Ankara / Türkei,<br />

um anschließend in<br />

Frankreich als Lehrer zu<br />

arbeiten. Er ist verheiratet<br />

und hat drei Söhne.<br />

Stephanie Singh<br />

studierte Komparatistik,<br />

Germanistik und Philosophie<br />

in Deutschland und<br />

Frankreich. Seit 2007<br />

arbeitet sie als freie Übersetzerin<br />

für Französisch<br />

und Englisch mit den<br />

Schwerpunkten Philosophie,<br />

Kulturgeschichte<br />

und Jugendbuch.<br />

© Clavi<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 31


JUGENDBUCH<br />

Susan Kreller<br />

Elefanten sieht man nicht<br />

Carlsen Verlag<br />

ISBN 978-3-551-58246-1<br />

<br />

Ab 13<br />

32 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


D<br />

as Romandebüt Susan Krellers ist eine<br />

kunstvoll komponierte Erzählung mit einem<br />

sehr ernsten Thema. Die Geschichte<br />

um die Misshandlung zweier in einer bürgerlich<br />

arrivierten Familie lebender Kinder und ihrer<br />

Mutter wird nicht aus der Perspektive der Gewaltopfer<br />

erzählt, sondern durch eine jugendliche<br />

Ich-Erzählerin, die selbst eine Außenseiterin<br />

und dadurch sensibilisiert für fremdes Leid ist.<br />

In einer vorsichtig tastenden und an originellen<br />

Bildern reichen Sprache erzählt die 13-Jährige<br />

rückblickend von der Verstrickung, in die sie<br />

geriet, als sie den Kindern helfen wollte und bei<br />

den Erwachsenen so gar keine Unterstützung<br />

fand. Diese wirken aus der Perspektive der Ich-<br />

Erzählerin geradezu monströs in ihrer Ignoranz.<br />

Es gibt bei der Darstellung der Erwachsenen<br />

nur wenige Zwischentöne und kaum Innensicht.<br />

Doch scheint die Polarisierung nicht nur dem<br />

Thema angemessen, sondern auch der Logik<br />

dieser Erzählung, die im Grunde genommen so<br />

konstruiert ist wie eine klassische Tragödie. Die<br />

Heldin befindet sich in einer ausweglosen Lage,<br />

die auf einen tragischen Höhepunkt zusteuert.<br />

Dennoch gibt es am Ende einen Hoffnungsschimmer,<br />

denn die verzweifelte Tat des Mädchens hat<br />

immerhin bewirkt, dass die Kindesmisshandlung<br />

ans Tageslicht gelangte.<br />

AUTORIN<br />

Susan Kreller,<br />

1977 in Plauen geboren,<br />

studierte Germanistik<br />

und Anglistik<br />

und promovierte über<br />

deutsche Übersetzungen<br />

englischsprachiger<br />

Kinderlyrik. Sie arbeitet<br />

als freie Journalistin und<br />

Autorin und lebt mit ihrer<br />

Familie in Bielefeld.<br />

Für ihren Romanerstling<br />

Elefanten sieht man<br />

nicht wurde sie mit dem<br />

Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium<br />

2013 ausgezeichnet.<br />

© Ellen Runa Kara<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 33


JUGENDBUCH<br />

Rolf Lappert<br />

Pampa Blues<br />

Carl Hanser Verlag<br />

ISBN 978-3-446-23895-4<br />

<br />

Ab 14<br />

34 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


D<br />

ieser Adoleszenzroman handelt in einem<br />

gänzlich weltabgeschiedenen Dorf, dessen<br />

(fiktiver) Name Wingroden ein Anagramm<br />

für das Wort „Nirgendwo“ bildet. Dort lebt der<br />

16-jährige Ich-Erzähler mit seinem dementen<br />

Großvater und den übrigen, Wingroden spärlich<br />

bevölkernden Sonderlingen, während die Mutter<br />

als Jazzsängerin durch Europa tourt. Der Junge<br />

beobachtet seine Umgebung hellsichtig und schonungslos,<br />

aber auch voller Sympathie, ist zwar<br />

nicht zufrieden mit dem ihm zugedachten Leben<br />

aber auch weit entfernt, dagegen aufzubegehren.<br />

Stattdessen kultiviert er seine Sehnsucht<br />

nach Afrika, das ja schon Jean Paul als Synonym<br />

für das Unbewusste galt. Der Roman lässt sich<br />

ganz langsam und ziemlich melancholisch an,<br />

im zweiten Drittel entfaltet er ein geradezu rasant<br />

erscheinendes Tempo voller überraschender<br />

Wendungen, die schließlich zu einem kuriosen<br />

Happy End führen. Mit Blick auf die Entwicklung<br />

des Helden bleibt das Ende aber offen. Der Text<br />

überzeugt vor allem durch die Präzision der Figurenzeichnung<br />

und deren sprachliche Markierung,<br />

die Dialoge und durch die atmosphärische Dichte<br />

des Handlungsraumes. Die Verbindung der Adoleszenzthematik<br />

mit der Dorfgeschichte dürfte in<br />

der Jugendliteratur ziemlich originär sein.<br />

AUTOR<br />

Rolf Lappert,<br />

1958 in Zürich / Schweiz<br />

geboren, ist Schriftsteller,<br />

Grafiker, Drehbuchautor<br />

und Jazz-Musiker.<br />

Er lebt in der Schweiz.<br />

© René Lappert<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 35


JUGENDBUCH<br />

Craig Silvey<br />

Wer hat Angst vor Jasper Jones?<br />

Aus dem Englischen von Bettina Münch<br />

Rowohlt Taschenbuch Verlag<br />

ISBN 978-3-499-21613-8<br />

<br />

Ab 14<br />

36 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


W<br />

ie in einem klassischen Adoleszenzroman<br />

wird hier vom Verlust der Illusionen<br />

eines jugendlichen Protagonisten<br />

erzählt, der erkennen muss in einer Welt voller<br />

Abgründe, gemeiner Verlogenheit und himmelschreiender<br />

Ungerechtigkeit zu leben. Zugleich<br />

ist es ein Kriminalroman, eine im Australien der<br />

1960er Jahre spielende zeitgeschichtliche Erzählung<br />

und eine wunderbare Hommage an die<br />

Literatur der amerikanischen Südstaaten.<br />

Dass bei der Übersetzung eines so vielschichtigen<br />

Textes auch Verluste auftreten, scheint<br />

unvermeidlich – der intertextuelle Horizont wird<br />

sich Lesern außerhalb des anglophonen Sprachraums<br />

kaum erschließen. Bettina Münch hat es<br />

geschafft, dass für das deutsche Lesepublikum<br />

immer noch genug übrig bleibt, indem sie zum<br />

Beispiel ganz großartige Entsprechungen für die<br />

Sprachspiele in den Dialogen des Ich-Erzählers<br />

mit seinem Freund Jeffrey gefunden hat. In ihrer<br />

Übersetzung entfaltet der Text ein großes Potenzial<br />

für faszinierende Leseerlebnisse und auch für<br />

die Entwicklung des Symbolsystems der deutschen<br />

Jugendliteratur.<br />

AUTOR<br />

ÜBERSETZERIN<br />

Craig Silvey<br />

lebt in Fremantle / Australien.<br />

Bereits mit 19<br />

Jahren schrieb er seinen<br />

ersten Roman Rhubarb.<br />

Neben dem Schreiben<br />

ist Craig Silvey Sänger<br />

und Songwriter der Band<br />

„The Nancy Sikes!“.<br />

Bettina Münch,<br />

1962 geboren, arbeitete<br />

nach dem Studium der<br />

Anglistik, Amerikanistik<br />

und Germanistik als Kinder-<br />

und Jugendbuchlektorin<br />

und lebt heute als<br />

literarische Übersetzerin<br />

in Bad Vilbel. Außerdem<br />

ist sie selbst Autorin.<br />

© Megan Lewis<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 37


JUGENDBUCH<br />

Christian Frascella<br />

Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe<br />

Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki<br />

Frankfurter Verlagsanstalt<br />

ISBN 978-3-627-00181-0<br />

<br />

Ab 16<br />

38 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


E<br />

in proletarischer Nachfolger Holden Caulfields<br />

ist der namenlose Ich-Erzähler und<br />

Anti-Held dieses Romans. Der Text brilliert<br />

durch den schnoddrig-ironischen Erzählton und<br />

die stoische Unverfrorenheit, mit der der Held<br />

sich in aussichtslose Verlierer-Situationen manövriert<br />

und anschließend die Realität in seinem<br />

Sinn umdeutet.<br />

Es ist eine temporeiche Erzählung, die neben der<br />

Lächerlichkeitskomik eines traditionellen Bühnenschwanks<br />

durchaus noch andere, subtilere<br />

Spielarten des Humors aufzuweisen hat und dem<br />

Leser ein Milieu präsentiert, dem man innerhalb<br />

der Jugendliteratur nur ganz selten begegnet.<br />

Dass das Buch weder im Original noch in der<br />

deutschen Übersetzung als Jugendroman ausgewiesen<br />

wird, dürfte damit zusammenhängen,<br />

dass die Gattung Adoleszenzroman in Italien,<br />

anders als in Deutschland, nach wie vor eher in<br />

der allgemeinen Literatur angesiedelt ist.<br />

AUTOR<br />

ÜBERSETZERIN<br />

Christian Frascella,<br />

1973 geboren, hatte<br />

verschiedene Jobs, u.a.<br />

als Militäringenieur,<br />

Fabrikarbeiter und<br />

Telefonist. Heute lebt<br />

er als freier Autor in<br />

Turin / Italien. Meine<br />

Schwester ist eine<br />

Mönchsrobbe ist<br />

sein Debüt.<br />

Annette Kopetzki,<br />

1954 geboren, studierte<br />

Germanistik, Philosophie<br />

und Pädagogik in<br />

Hamburg. Anschließend<br />

arbeitete sie als Lektorin<br />

für deutsche Sprache<br />

und Literatur in Italien.<br />

Mittlerweile ist sie freie<br />

Übersetzerin italienischer<br />

Belletristik und Lyrik.<br />

© FVA<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 39


JUGENDBUCH<br />

Tamta Melaschwili<br />

Abzählen<br />

Aus dem Georgischen von Natia Mikeladse-Bachsoliani<br />

Unionsverlag<br />

ISBN 978-3-293-00439-9<br />

<br />

Ab 16<br />

40 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


A<br />

bzählen ist ein Roman über den Krieg, in<br />

dem kein einziger Schuss fällt, und doch<br />

offenbaren sich die Schrecken in schmerzhafter<br />

Deutlichkeit, denn es geht um Jugendliche<br />

und Kinder. Obwohl der russisch-georgische Krieg<br />

erkennbar den Erfahrungshintergrund bildet,<br />

bleibt die erzählte Welt in geografischer und historischer<br />

Hinsicht unbestimmt. In einem atemlosen,<br />

bisweilen geradezu stakkatohaften Rhythmus<br />

schildert der Roman drei Tage im Leben zweier<br />

13-jähriger georgischer Mädchen, und lässt sie<br />

als Erzählstimmen zu Wort kommen – in einer<br />

rauhen, eigenartig männlich wirkenden Sprache,<br />

durch die doch immer wieder die Verletzlichkeit<br />

der Mädchen scheint.<br />

Die Aufregungen der Pubertät und die Schrecken<br />

des Krieges liegen in diesem Text nah beieinander.<br />

Während Mütter um ihre gefallenen Söhne<br />

trauern, flirten die Mädchen mit Wachposten und<br />

probieren die ersten Zigaretten. Materielle Not<br />

treibt die Freundinnen zu immer gefährlicheren<br />

Abenteuern, bis sie irgendwann Drogen in Pilzkörben<br />

schmuggeln. Dass nur eines der beiden<br />

Mädchen das überlebt, erfährt der Leser lediglich<br />

in Form von Andeutungen.<br />

Ein Romandebüt von großer emotionaler Wucht<br />

und verstörender Authentizität, dem man, obwohl<br />

es nicht ausdrücklich an junge Leser adressiert<br />

ist, eine intensive Rezeption im jugendliterarischen<br />

Kontext wünschen möchte.<br />

AUTORIN<br />

ÜBERSETZERIN<br />

Tamta Melaschwili,<br />

1979 geboren, wuchs<br />

in Georgien auf. Sie<br />

verbrachte ein Jahr als<br />

Migrantin in Deutschland,<br />

wo sie zu schreiben<br />

begann. Melaschwili<br />

schloss 2008<br />

ihr Studium der Gender<br />

Studies an der Central<br />

European University in<br />

Budapest / Ungarn ab.<br />

Gegenwärtig lebt sie<br />

in Georgien und arbeitet<br />

über Frauenrechte<br />

und Genderfragen.<br />

Natia Mikeladse-<br />

Bachsoliani,<br />

1966 in Meißen geboren,<br />

studierte Germanistik<br />

und Literaturwissenschaft<br />

in Leipzig. Heute<br />

arbeitet sie im Bereich<br />

Kulturprogramme am<br />

Goethe-Institut von<br />

Tiflis / Georgien und<br />

ist freie Übersetzerin.<br />

© Unionsverlag<br />

© Unionsverlag<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 41


SACHBUCH<br />

Mies van Hout<br />

Heute bin ich<br />

Aracari Verlag<br />

ISBN 978-3-905945-30-0<br />

<br />

sFr 21,90 UVP<br />

Ab 3<br />

42 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


A<br />

uf schwarzem Grund erstrahlen die 20<br />

in Pastell und Wachskreide ausgeführten<br />

Zeichnungen Mies van Houts. Fische<br />

sind zwar bekanntlich stumm, aber diese hat die<br />

Künstlerin mit einer sprechenden Mimik ausgestattet.<br />

Ohne auch nur in die Nähe einer seichten<br />

Anthropomorphisierung oder simplen Typisierung<br />

zu geraten, fand sie auf diese Weise zu symbolhaften<br />

Darstellungen menschlicher Gefühle, die<br />

eine sehr suggestive Wirkung entfalten.<br />

Die Bilder vermitteln viele Impulse, um mit kleineren<br />

Kindern über die dargestellten Gefühle<br />

ins Gespräch zu kommen. Sie bieten aber auch<br />

Anlass zum Nachdenken über die Wirkung der<br />

Bildsprache und die Gründe für das „Funktionieren“<br />

der Symbole als Bedeutungsträger.<br />

AUTORIN<br />

ILLUSTRATORIN<br />

Mies van Hout,<br />

1962 geboren, studierte<br />

an der Kunstakademie<br />

in Groningen / Niederlande<br />

Grafikdesign. Seit<br />

1989 arbeitet sie als freischaffende<br />

Illustratorin<br />

und Grafikdesignerin.<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 43<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 43


SACHBUCH<br />

Birte Müller<br />

Planet Willi<br />

Klett Kinderbuch<br />

ISBN 978-3-941411-64-7<br />

<br />

sFr 19,90 UVP<br />

Ab 4<br />

44 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


P<br />

lanet Willi erzählt in Bild und Text vom Leben mit einem ganz besonderen<br />

Kind, das in seinem Denken und Fühlen, in seinem Verhalten<br />

und seiner Körperlichkeit so anders ist, dass es wohl von einem anderen<br />

Stern kommen muss. Auf den Doppelseiten werden einzelne Aspekte<br />

dieses Andersseins dargestellt oder Situ ationen beschrieben, in denen es<br />

besonders deutlich wird. Die leuchtenden Farben der naiv gemalten Bilder<br />

unterstreichen die warmherzige Grundstimmung der Texte, die Trauer und<br />

Irritation nicht verschweigen.<br />

Die Metapher vom „anderen Planeten“ drückt vor allem Wertschätzung und<br />

Respekt aus und die Weigerung, das Kind durch pathologisierende Begriffe<br />

klein zu reden. Die Bilder hat Birte Müller erklärtermaßen so gemalt, dass<br />

sie auch auf „Planet Willi“ Gefallen finden. Welche Prozesse interplanetarischen<br />

Verstehens dieses Bilderbuch darüber hinaus in Gang setzen kann,<br />

wird sich sicher noch zeigen. Davon unbenommen ist es ein künstlerisch<br />

überzeugendes Dokument der Verarbeitung einer persönlichen Erfahrung.<br />

AUTORIN<br />

ILLUSTRATORIN<br />

Birte Müller,<br />

Jahrgang 1973, studierte<br />

Freie Malerei und Buchillustration<br />

in Mexiko und<br />

Hamburg. Sie veranstaltet<br />

Lesungen und Workshops<br />

mit Kindern in<br />

Deutschland und überall<br />

auf der Welt. Birte Müller<br />

lebt mit ihrem Mann,<br />

Willi und seiner Schwester<br />

Olivia in Hamburg.<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 45


SACHBUCH<br />

Anke M. Leitzgen (Text)<br />

Lisa Rienermann (Illustration, Fotos)<br />

Thekla Ehling (Fotos)<br />

Entdecke, was dir schmeckt<br />

Kinder erobern die Küche<br />

Beltz & Gelberg<br />

ISBN 978-3-407-75362-5<br />

<br />

Ab 8<br />

46 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


E<br />

ntdecke was dir schmeckt ist ein ästhetisch ansprechendes Buch zum<br />

Thema Ernährung – also weit mehr als eine Sammlung von Kochrezepten.<br />

Das abwechslungsreiche, aber gut strukturierte Layout macht<br />

Lust aufs Selbermachen und gibt viele allgemeine Anregungen und Informationen.<br />

Zum Beispiel über das Einkaufen, über Küchengeräte, Ökologie<br />

und Lebensmittelchemie und über die Entstehung von Geschmack und<br />

Geruch. Rezepte gibt es natürlich auch, und zwar solche, mit denen auch<br />

ungeübte Kinder zurechtkommen können, schrittweise aufgebaut und mit<br />

originellen, Appetit anregenden Fotos und gut verständlichen Texten erklärt.<br />

AUTORIN<br />

© Axel Kranz<br />

Anke M. Leitzgen<br />

hat als Drehbuchautorin<br />

gearbeitet und Dokumentationen<br />

fürs Fernsehen<br />

gedreht. Heute ist sie<br />

Journalistin und Autorin.<br />

ILLUSTRATORIN<br />

FOTOGRAFIN<br />

Lisa Rienermann<br />

erklärt die Welt in<br />

Bildern. Sie arbeitet<br />

inter disziplinär in den<br />

Bereichen Illustration,<br />

Fotografie, Konzeption<br />

und Grafik.<br />

© privat<br />

FOTOGRAFIN<br />

Thekla Ehling,<br />

1968 in Bielefeld geboren,<br />

studierte Fotografie<br />

an der FH in Dort-<br />

mund sowie in Irland<br />

am College<br />

of Fine Art<br />

in Limerick. Sie lebt<br />

und arbeitet in Köln.<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 47


SACHBUCH<br />

Anke Bär<br />

Wilhelms Reise<br />

Eine Auswanderergeschichte<br />

Gerstenberg Verlag<br />

ISBN 978-3-8369-5409-9<br />

<br />

Ab 8<br />

48 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


D<br />

as Buch vermittelt eine Fülle altersgerecht<br />

präsentierter Informationen rund um das<br />

Thema „Übersee-Auswanderung“. Aufgemacht<br />

wie ein Skizzenbuch, das ein Passagier<br />

auf einem Auswandererschiff angelegt haben<br />

könnte, zeigt es unter anderem Kochrezepte,<br />

Seemannsknoten, nautische Geräte und Postkarten<br />

und gibt Einblicke in das Problem der<br />

Hygiene an Bord. Die zurückhaltende Farbgebung<br />

in Braun- und Petroltönen erinnert an die Sepiafarbe<br />

alter Fotografien. Die Konzentration auf<br />

die Lebensgeschichte eines Einzelnen ermöglicht<br />

Kindern einen emotionalen Zugang zum Thema,<br />

die Vielfalt der Sachinformationen macht seine<br />

allgemeine Bedeutung klar. Das aus einem<br />

Projekt des „Deutschen Auswandererhauses<br />

Bremerhaven“ hervorgegangene Erstlingswerk<br />

von Anke Bär ist eine gelungene Übertragung<br />

eines museumspädagogischen Konzeptes auf<br />

das Medium Buch und ein respektabler Beitrag<br />

zur „Geschichte von unten“.<br />

AUTORIN<br />

ILLUSTRATORIN<br />

Anke Bär<br />

studierte in Hildesheim<br />

Kulturwissenschaften<br />

und Ästhetische<br />

Praxis. Heute lebt<br />

sie als freischaffende<br />

Illustratorin in Bremen.<br />

© Cosima Hanebeck<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 49


SACHBUCH<br />

Ann-Marlene Henning (Text)<br />

Tina Bremer-Olszewski (Text)<br />

Heji Shin (Fotos)<br />

Make Love<br />

Ein Aufklärungsbuch<br />

Rogner & Bernhard<br />

ISBN 978-3-95403-002-6<br />

<br />

Ab 14<br />

50 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


E<br />

in Buch über Sexualität für Jugendliche, das<br />

nicht zuletzt durch die Bebilderung mit Heji<br />

Shins Fotografien authentisch vermittelt,<br />

wie wenig sich der menschliche Körper und das<br />

menschliche Begehren normieren lassen. Der<br />

Text bietet viele Informationen zu Themen, die<br />

bislang in Aufklärungsbüchern für Jugendliche<br />

ausgespart wurden, wirbt für Behutsamkeit und<br />

Sensibilität im Umgang mit den eigenen Wünschen<br />

und denen des Partners oder der Partnerin,<br />

macht Mut zu neuen Entdeckungen und zeigt,<br />

dass es sich lohnt, die Lust zu kultivieren.<br />

Immer wieder werfen die Verfasserinnen kritische<br />

Seitenblicke auf die Inszenierung von Sexualität<br />

in der Werbung und in der Pornografie, was angesichts<br />

der Tatsache, dass immer mehr Kinder<br />

und Jugendliche ihr Wissen über Sexualität aus<br />

dem Internet beziehen, von großer Wichtigkeit<br />

ist. Der Tonfall ist angenehm sachlich, die Darstellung<br />

detailliert und präzise und die Balance<br />

zwischen Informationsgehalt und persönlicher<br />

Ansprache angemessen.<br />

AUTORINNEN<br />

Ann-Marlene<br />

Henning (li.)<br />

hat in ihrem Heimatland<br />

Dänemark Sexologie<br />

studiert und arbeitet<br />

als niedergelassene<br />

Therapeutin in ihrer<br />

Praxis in Hamburg.<br />

Tina Bremer-<br />

Olszewski (re.)<br />

ist Kulturwissenschaftlerin<br />

und schreibt als<br />

freie Journalistin u.a. für<br />

stern.de und zeit.online.<br />

Jahrelang begleitete sie<br />

Jugendliche auf Ferienfreizeiten<br />

und bezieht<br />

daher einen großen Teil<br />

ihres Expertenwissens.<br />

© ne...ensen<br />

FOTOGRAFIN<br />

Heji Shin<br />

arbeitet als international<br />

beachtete Fotografin<br />

überwiegend im redaktionellen<br />

Bereich. Ihre<br />

Fotografien finden sich<br />

regelmäßig in Magazinen<br />

wie brandeins, 032c und<br />

im Zeit Magazin wieder.<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 51


SACHBUCH<br />

Reinhard Kleist<br />

Der Boxer<br />

Die wahre Geschichte des Hertzko Haft<br />

Carlsen Verlag<br />

ISBN 978-3-551-78697-5<br />

<br />

Ab 16<br />

52 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


D<br />

er Boxer ist die dritte und thematisch brisanteste der grafischen<br />

Biografien von Reinhard Kleist. Es ist die Geschichte des polnischen<br />

Juden Hertzko Haft, der die Konzentrationslager überlebte, weil die<br />

Nazis ihn dort als Boxer auftreten ließen. Grundlage der Graphic Novel ist<br />

eine von Hertzko Hafts Sohn in englischer Sprache verfasste Biografie, die<br />

2009 auch auf Deutsch erschienen ist. Bereits hier wird mit schonungsloser<br />

Offenheit dargestellt, wie die furchtbaren Erlebnisse den Vater beschädigt<br />

und seine Beziehung zum Sohn beeinträchtigt haben. In seiner Adaption<br />

thematisiert Kleist das komplizierte Verhältnis von Vater und Sohn in<br />

einer Rahmenhandlung, die auch grafisch von der eigentlichen Biografie<br />

abgehoben wird. So fasst er die Erinnerungen in Bilder und zeigt, wie sie<br />

die Gegenwart verfinstern. Die für den Künstler charakteristischen kleinformatigen,<br />

expressiven Schwarzweißzeichnungen<br />

liefern dafür ein sehr angemessenes<br />

Instrumentarium. Eine Vorform des Werkes<br />

erschien bereits 2011 als Fortsetzungs-Comic<br />

in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sie<br />

wurde für das Buch erheblich erweitert und<br />

hinsichtlich des Seitenaufbaus umgestaltet.<br />

AUTOR<br />

ILLUSTRATOR<br />

Reinhard Kleist,<br />

1970 geboren, studierte<br />

Grafik und Design in<br />

Münster. Er veröffentlichte<br />

zahlreiche Comics,<br />

schuf Illustrationen für<br />

Bücher und Plattencover<br />

und war als Art Director<br />

für Trickfilme tätig.<br />

Sein Buch Cash – I see<br />

a darkness wurde auf<br />

dem Internationalen<br />

Comic-Salon in Erlangen<br />

2008 mit den Max-und-<br />

Moritz-Preis ausgezeichnet.<br />

2010 wurde der<br />

Band für den Eisnerund<br />

den Harvey-Award,<br />

die beiden wichtigsten<br />

amerikanischen<br />

Comicauszeichnungen,<br />

nominiert.<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER KRITIKERJURY 53


JUGENDJURY<br />

John Green<br />

Das Schicksal ist ein mieser Verräter<br />

Aus dem Englischen von Sophie Zeitz<br />

Carl Hanser Verlag<br />

ISBN 978-3-446-24009-4<br />

<br />

Ab 13<br />

54 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


I<br />

ch bin eine Bombe (...) Und deshalb halte ich<br />

mich lieber fern von allen, lese Bücher, denke<br />

nach und hänge mit euch rum, weil ich nichts<br />

dagegen machen kann, dass ich euch mit ins Unglück<br />

reiße. (…) ich kann kein normaler Teenager<br />

sein, weil ich eine Bombe bin.“<br />

Zunächst könnte man meinen, Das Schicksal<br />

ist ein mieser Verräter sei ein deprimierendes<br />

Buch. Aber das stimmt nicht. Es ist ein Buch,<br />

das den Leser gleichzeitig zum Lachen wie zum<br />

Weinen bringt und zum Nachdenken anregt. Die<br />

ironische, fast schon sarkastische Art, wie Green<br />

die beiden Hauptpersonen, die 16-jährige Hazel<br />

und den 17-jährigen Augustus, mit ihrer Krebserkrankung<br />

umgehen lässt – jeden auf seine ganz<br />

eigene Weise –, ist bewundernswert erfrischend.<br />

Trotz der humorvollen Herangehensweise verharmlost<br />

das Buch die Krankheit nicht. Die Geschichte<br />

wirkt authentisch, besonders durch die<br />

Beschreibung des Alltags, der geprägt ist von der<br />

Krankheit sowie von ganz normalen Sorgen Heranwachsender.<br />

Die Protagonisten wachsen dem<br />

Leser ans Herz. Und obwohl es für die meisten<br />

unvorstellbar ist, in ihrer Situation zu sein, fühlt,<br />

leidet, kämpft und liebt man mit ihnen. Am Ende<br />

versteht man, welch starke Kraft die Liebe selbst<br />

in einer ausweglos erscheinenden Situation entwickeln<br />

kann. Ein Buch, das Mut macht!<br />

AUTOR<br />

ÜBERSETZERIN<br />

John Green,<br />

1977 geboren, studierte<br />

Englisch und Vergleichende<br />

Religionswissenschaften<br />

und arbeitete<br />

zunächst als freier<br />

Journalist und Radio-<br />

Kommentator. Heute<br />

ist er Jugendbuch autor<br />

und Videoblogger.<br />

Sophie Zeitz,<br />

1972 in Frankfurt / Main<br />

geboren, studierte<br />

Amerikanistik, Spanisch<br />

und Philosophie. Drei<br />

Jahre war sie Lektorin<br />

in einem Münchner<br />

Verlag. Heute lebt sie<br />

als freiberufliche Literaturübersetzerin<br />

in Berlin.<br />

© Peter-A. Hassiepen<br />

© A. Ventura<br />

NOMINIERUNGEN DER JUGENDJURY 55


JUGENDJURY<br />

Stephan Knösel<br />

Jackpot<br />

Wer träumt, verliert<br />

Beltz & Gelberg<br />

ISBN 978-3-407-81113-4<br />

<br />

Ab 13<br />

56 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


C<br />

hris hat kein einfaches Leben: Seine Mutter<br />

ist gestorben, sein Vater auf Entzug. So<br />

wohnt er allein mit seinem fast volljährigen<br />

Bruder – und muss dabei jeden Cent zweimal<br />

umdrehen.<br />

Als er beim Lauftraining in der Nähe seiner Wohnung<br />

einen Autounfall beobachtet, will er dem<br />

bewusstlosen Fahrer helfen, sucht den Erste-<br />

Hilfe-Kasten im Kofferraum und findet dort ein<br />

Mädchen. Sie bittet ihn, eine Tasche, die sie bei<br />

sich trägt, zu verstecken. Chris zögert, doch als<br />

sie ihm erzählt, in der Tasche sei eine Menge<br />

Geld und er bekäme eine Belohnung, willigt er<br />

ein. Am nächsten Tag versucht das Mädchen,<br />

Chris zu kontaktieren – ohne Erfolg. Und nicht<br />

nur sie will die Tasche finden. Auch die Polizei<br />

ist dem Geld auf der Spur.<br />

Die Charaktere sind vielschichtig; niemand ist<br />

eindeutig gut oder böse. Chris etwa ist sympathisch,<br />

aber natürlich will er das Geld für sich<br />

und seinen Bruder behalten. Neben der leichten,<br />

ungezwungenen Sprache, ist es vor allem die<br />

Erzählweise, die Jackpot so besonders macht.<br />

Stephan Knösel schafft es, die Handlung ständig<br />

in eine andere Richtung zu lenken. Nichts ist so<br />

wie es scheint, immer wieder gibt es spannende<br />

Wendungen, an vielen Stellen wird der Leser<br />

an der Nase herumgeführt. Ein packender und<br />

actionreicher Roman, dessen Ende man so nicht<br />

erwartet hätte.<br />

AUTOR<br />

© Christina Morcego<br />

Stephan Knösel,<br />

1970 geboren, arbeitet<br />

als freiberuflicher Dreh -<br />

buchautor und wurde<br />

bereits mit mehreren<br />

Preisen und Stipendien<br />

der Filmbranche ausgezeichnet.<br />

Für seinen<br />

ersten Roman Echte Cowboys<br />

erhielt er u.a. das<br />

Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium<br />

2011.<br />

Er lebt mit seiner Frau und<br />

zwei Kindern in München.<br />

NOMINIERUNGEN DER JUGENDJURY 57


JUGENDJURY<br />

Joss Stirling<br />

Finding Sky<br />

Die Macht der Seelen<br />

Aus dem Englischen von Michaela Kolodziejcok<br />

dtv<br />

ISBN 978-3- 423-76047-8<br />

<br />

Ab 13<br />

58 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


D<br />

ie 16-jährige Sky ist mit ihren Eltern von<br />

England in die USA gezogen. An der neuen<br />

High School macht sie eine Entdeckung, die<br />

nicht ganz ungefährlich ist. Durch den coolen<br />

Zed erkennt sie, dass sie wie er und seine Familie<br />

über besondere Fähigkeiten verfügt. Auf die<br />

beiden warten unwägbare Abenteuer und eine<br />

Liebesgeschichte.<br />

Was macht dieses Buch so außergewöhnlich? Es<br />

setzt Gefühle frei, Freude und Lachen; an anderen<br />

Stellen ist es so traurig, dass man weinen muss.<br />

Die Geschichte hat bis zum Ende einen sich stetig<br />

aufbauenden Spannungsbogen, der perfekte Mix<br />

aus Romantik und Action ist auch für Jungen interessant.<br />

Die Figuren sind unglaublich realitätsnah,<br />

vor allem Sky wirkt verletzbar und stark zugleich<br />

und ist eine wunderbare Identifikationsfigur.<br />

Und Zeds Familie ist so beschrieben, dass man<br />

meint, mit ihr am Tisch zu sitzen. Gleichzeitig<br />

wird aber nicht alles vorweggenommen und in<br />

der Figurenzeichnung bleibt Raum für die eigene<br />

Phantasie. Das Buch eröffnet eine faszinierende,<br />

neue Welt, von der sich der Leser vorstellen kann,<br />

dass es sie tatsächlich geben könnte.<br />

Wir haben den Text auch auf Englisch gelesen.<br />

Die Übersetzung ist solide, der Originalton wird<br />

konsequent und im Stil einheitlich wiedergegeben,<br />

auch wenn in der Wortwahl der Originalversion<br />

Skys Zerrissenheit noch deutlicher zum<br />

Ausdruck kommt. Dennoch: eine überzeugende<br />

Geschichte, die jeder lesen sollte!<br />

AUTORIN<br />

ÜBERSETZERIN<br />

Joss Stirling<br />

studierte Anglistik in<br />

Cambridge und arbeitete<br />

später als Diplomatin<br />

in Polen. Heute<br />

lebt sie mit ihrer Familie<br />

in Oxford / England.<br />

Michaela Kolodziejcok<br />

hat Sprachwissenschaften,<br />

Publizistik und<br />

Amerikanistik studiert,<br />

bevor sie mehrere Jahre<br />

als Kinder- und Jugendbuchlektorin<br />

tätig war.<br />

Seit 2003 arbeitet sie<br />

als freiberufliche Lektorin<br />

und Übersetzerin.<br />

© privat<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER JUGENDJURY 59


JUGENDJURY<br />

Marit Kaldhol<br />

Allein unter Schildkröten<br />

Aus dem Norwegischen von Maike Dörries<br />

mixtvision Verlag<br />

ISBN 978-3-939435-47-1<br />

<br />

Ab 14<br />

60 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


A<br />

llein unter Schildkröten setzt sich mit<br />

einem Selbstmord unter Jugendlichen<br />

auseinander – das allein ist nichts Neues.<br />

Doch Marit Kaldhol hat das Thema ganz neu<br />

behandelt. Schon zu Anfang des Buches ist klar:<br />

Am Ende wird Mikke tot sein und nichts kann das<br />

ändern. Erst wird in kurzen Tagebucheinträgen die<br />

Geschichte aus der Sicht des Jungen erzählt, der<br />

scheinbar gar keinen Grund hat, so unglücklich<br />

zu sein. Anschließend findet man Erinnerungen<br />

der Mutter, die sie direkt an ihren Sohn adressiert.<br />

Darauf folgen Briefe von Hinterbliebenen<br />

an Mikke, die trauern und nach dem Warum fragen.<br />

Die Überlegung, was Mikke dazu getrieben<br />

haben könnte, sein Leben zu beenden, bleibt<br />

allgegenwärtig und wird schnell vom Leser selbst<br />

angestellt. Auch das unterscheidet Allein unter<br />

Schildkröten von anderen Selbstmordbüchern.<br />

Mikke hat eine Freundin, eine Mutter, die ihn<br />

liebt, und er träumt davon, Meeresbiologe zu<br />

werden. Aber er hat keinen Antrieb mehr. Ohne<br />

Kitsch und Dramatik kann der Leser die tragische<br />

Geschichte miterleben und hat den schmalen<br />

Band innerhalb von Stunden verschlungen.<br />

Alles in allem ein etwas anderes Buch zum Thema<br />

Depression und zum Selbstmord eines Jungen auf<br />

dem Weg ins Erwachsenendasein. Sehr ergreifend<br />

und nüchtern zugleich!<br />

AUTORIN<br />

AUTORIN<br />

Marit Kaldhol<br />

arbeitete als Lehrerin<br />

und begann dann ihre<br />

künstlerisch-kreative<br />

Tätigkeit als Schriftstellerin.<br />

1986 erschien<br />

ihr erstes Kinderbuch<br />

Abschied von Rune,<br />

das mit dem Deutschen<br />

Jugendliteraturpreis<br />

ausgezeichnet wurde.<br />

Maike Dörries,<br />

Jahrgang 1966, arbeitet<br />

seit 1998 als Übersetzerin<br />

aus dem Norwegischen,<br />

Schwedischen<br />

und Dänischen. Sie wurde<br />

1996 mit dem Deutschen<br />

Jugendliteraturpreis<br />

ausgezeichnet.<br />

© Anderson variations<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER JUGENDJURY 61


JUGENDJURY<br />

David Schraven (Text)<br />

Vincent Burmeister (Illustration)<br />

Kriegszeiten<br />

Eine grafische Reportage über Soldaten,<br />

Politiker und Opfer in Afghanistan<br />

Carlsen Verlag<br />

ISBN 978-3-551-78698-2<br />

<br />

Ab 14<br />

62 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


A<br />

uf so ein Buch stößt man nicht alle Tage:<br />

Kriegszeiten ist eine dokumentarische<br />

Graphic Novel. Eindrucksvoller und nachdrücklicher<br />

als ein Sachbuch, bildgewaltiger<br />

und atmosphärisch dichter als eine TV-Dokumentation,<br />

zeigt es den Afghanistan-Einsatz der<br />

deutschen Bundeswehr in einem ganz neuen<br />

Licht. Vielleicht ist es kein schönes Buch. Aber<br />

das wird auch nicht die Absicht des Autors David<br />

Schraven gewesen sein. Vielmehr dokumentiert<br />

er nach aufwändiger Recherchearbeit das, was<br />

in den deutschen Medien viel zu selten thematisiert<br />

wird: den Krieg in Afghanistan. Mithilfe<br />

von Interviews, vertraulichen Unterlagen der<br />

Bundeswehr und alten Fernsehaufnahmen erzählt<br />

er von Kämpfen, den Schwierigkeiten der<br />

„Aufbauhilfe“ und dem Verhalten der deutschen<br />

Politiker. Die Nüchternheit der Reportage lässt<br />

den Leser die Problematik besser begreifen; es<br />

wird darauf verzichtet, belehrend aufklärerisch<br />

den Zeigefinger zu erheben. Klare Sätze und<br />

anschauliche Details prägen Schravens Sprache.<br />

Die Zeichnungen von Vincent Burmeister<br />

sind düster und dreifarbig. In Nahaufnahmen,<br />

Landschaftsansichten und schattenhaften Porträts<br />

fängt er die Stimmung zwischen Soldaten,<br />

Politikern und Warlords ein. Mit dem Buch lernt<br />

man verstehen, was in Afghanistan geschah und<br />

geschieht. Die erschreckendste Erkenntnis ist<br />

wohl, wie wenig man von all dem in Deutschland<br />

mitbekommt. Kriegszeiten weckt auf und<br />

stimmt nachdenklich. Nach dem Lesen bleibt<br />

das Gefühl zurück, von Politik und Medien für<br />

dumm verkauft worden zu sein.<br />

AUTOR<br />

ILLUSTRATOR<br />

David Schraven,<br />

Jahrgang 1970, arbeitet<br />

seit Jahren als Journalist.<br />

Momentan leitet er das<br />

Ressort Recherche der<br />

WAZ-Mediengruppe in<br />

Essen. David Schraven<br />

lebt mit seiner Familie<br />

in Bottrop.<br />

Vincent Burmeister,<br />

1983 in Kiel geboren,<br />

verbrachte seine Lehrjahre<br />

im Comic studio<br />

„Alligator Farm“<br />

unter dem Chefpunker<br />

und Mentor Karl<br />

Nagel. Er wohnt und<br />

arbeitet in Hamburg.<br />

© privat<br />

© privat<br />

NOMINIERUNGEN DER JUGENDJURY 63


JUGENDJURY<br />

Conrad Wesselhoeft<br />

Adios, Nirvana<br />

Aus dem Englischen von Karsten Singelmann<br />

Carlsen Verlag<br />

ISBN 978-3-551-31122-1<br />

<br />

Ab 14<br />

64 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


E<br />

in Buch, das man hören kann! Seine eigenwillig<br />

poetische und musikalische Stimme<br />

beflügelt die Leser. Jonathan versucht, den<br />

Tod seines Zwillingsbruders Telly zu verarbeiten.<br />

Trotz des Beistandes seiner Freunde gelingt es<br />

ihm nicht, sein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen.<br />

Der Autor entwickelt kraftvolle Bilder<br />

für Jonathans Gefühle und stellt ihren Wandel<br />

situativ wie sprachlich überzeugend dar. Die<br />

schlagfertigen Dialoge unter Jugendlichen bestechen<br />

durch glaubwürdige Originalität.<br />

Ein Ultimatum seiner Lehrer zwingt den Jungen,<br />

die Memoiren eines Kriegsveteranen aufzuschreiben.<br />

Die Konfrontation der Generationen ist in<br />

seiner Darstellung unerwartet bitter und komisch.<br />

Da sich Jonathan in dieser Zeit keinen Schlaf<br />

leisten kann, bekämpft er seine Müdigkeit mit<br />

Energydrinks und Aufputschpillen. Die literarische<br />

Umsetzung der Rastlosigkeit erzeugt eine<br />

beeindruckend dichte, mitreißende Atmosphäre.<br />

Jonathan überwindet seinen Verlust mithilfe von<br />

Poesie und Musik. Die leidenschaftliche, facettenreiche<br />

Schilderung der Musik und die lyrischen<br />

Passagen geben der Geschichte eine nachhaltige<br />

Intensität. Die ausdrucksstarke Klangfarbe des<br />

Textes wurde von Karsten Singelmann treffend<br />

ins Deutsche übertragen.<br />

AUTOR<br />

ÜBERSETZER<br />

© Carlsen Verlag<br />

Conrad Wesselhoeft<br />

arbeitete als Schleppermatrose<br />

in Singapur,<br />

als Freiwilliger beim<br />

Friedenskorps in Polynesien<br />

und als Journalist<br />

bei verschiedenen Zeitungen,<br />

u.a. der New York<br />

Times. Er lebt mit seiner<br />

Familie in Seattle / USA.<br />

Karsten Singelmann<br />

studierte Germanistik<br />

in Hamburg und<br />

arbeitet seit den 1990er<br />

Jahren als Übersetzer.<br />

Er wohnt in Hannover.<br />

© Carlsen Verlag<br />

NOMINIERUNGEN DER JUGENDJURY 65


© Matthias Knoch<br />

Jugendjury zum Deutschen Jugendliteraturpreis 2013 auf der Leipziger Buchmesse<br />

INFOS ZUM PREIS<br />

Der Deutsche Jugendliteraturpreis soll die Entwicklung der Kinder- und<br />

Jugendliteratur fördern, das öffentliche Interesse an ihr wach halten und<br />

zur Diskussion herausfordern. Die Auszeichnung herausragender Werke soll<br />

Kinder und Jugendliche zur Begegnung mit Literatur anregen.<br />

Als einziger Staatspreis für Literatur in Deutschland wird der Deutsche<br />

Jugendliteraturpreis seit 1956 jährlich verliehen. Stifter ist das Bundesministerium<br />

für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Organisation<br />

von Preisfindung und Preisbekanntgabe liegt beim <strong>Arbeitskreis</strong> für Jugendliteratur<br />

e.V.<br />

Im Rahmen des Deutschen Jugendliteraturpreises 2013 vergibt eine<br />

unabhängige Jugendjury bereits zum zehnten Mal einen eigenen Preis.<br />

Die Jugendjury setzt sich aus sechs über die Bundesrepublik verteilten<br />

Leseclubs zusammen: den Bücherfressern Fulda der Kinder-Akademie<br />

und der Hochschul-, Landes- und Stadtbibliothek Fulda, dem Jugendleseclub<br />

Beckum der Evangelischen Kirchengemeinde Beckum, dem Leseclub<br />

LEPORELLO der LEPORELLO Buchhandlung in Berlin, der Lese-AG der Bergschule<br />

St. Elisabeth in Heiligenstadt, den Münchner Bücherfressern der<br />

Buchhandlung Waldmann und dem Leseclub www.die-blaue-seite.de der<br />

Bücherpiraten e.V. in Lübeck. Für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2013<br />

hat die Jugendjury über 300 Neuerscheinungen aus dem Jahr 2012 geprüft.<br />

66 DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2013


© AKJ<br />

Kritikerjury zum Deutschen Jugendliteraturpreis 2013<br />

Die Preise in den Sparten Bilderbuch, Kinderbuch, Jugendbuch und<br />

Sachbuch werden von einer Kritikerjury, bestehend aus neun erwachsenen<br />

Juroren, verliehen. Der Jury gehören an (v. li.): 1. Reihe: Dr. Ines<br />

Galling, PD Dr. Gina Weinkauff (Vorsitz). 2. Reihe: Susanne Brandt, Antje<br />

Ehmann, Felix Giesa. 3. Reihe: Ulrike Erb-May, Miriam G. Möllers, Prof. Dr.<br />

Ute Dettmar, Ute Hentschel.<br />

Für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2013 hat die Kritikerjury 586 Bücher<br />

aus der Produktion des Jahres 2012 geprüft. Davon waren 355 Originalausgaben<br />

(62%) und 213 Übersetzungen (38%). Aus allen Einreichungen<br />

entfielen 156 auf die Sparte Bilderbuch, 157 auf die Sparte Kinderbuch, 199<br />

auf die Sparte Jugendbuch und 74 auf die Sparte Sachbuch.<br />

Am Freitag, dem 11. Oktober 2013, wird der Deutsche Jugendliteraturpreis<br />

zum 57. Mal verliehen. Die Preisträger werden auf der Frankfurter Buchmesse<br />

von Bundesministerin Dr. Kristina Schröder bekannt gegeben und<br />

ausgezeichnet. Die Preissumme beträgt pro Sparte 8.000 Euro und kann<br />

zwischen Autoren, Illustratoren und Übersetzern aufgeteilt werden. Auch<br />

der mit 10.000 Euro dotierte Sonderpreis 2013 für das Autoren-Gesamtwerk<br />

wird in Frankfurt vergeben. Mitglieder der Sonderpreisjury sind Prof. Dr.<br />

Eva Maria Kohl (Halle, Vorsitz), Prof. Dr. Petra Josting (Bielefeld) und Christine<br />

Lippmann (Dresden).<br />

INFOS ZUM PREIS 67


WER LIEST, GEWINNT!<br />

DasTelefonbuch und Deutscher Jugend literaturpreis<br />

auf Bibliotheks-Tour unter der Schirmherrschaft<br />

von Bundesministerin Dr. Kristina Schröder<br />

Mit einem Literaturquiz,<br />

das sich an Schülerinnen<br />

und Schüler der fünften<br />

und sechsten Klassen aller<br />

Schularten richtet, tourt<br />

der Deutsche Jugendlitera<br />

tur preis seit 2004<br />

durch die Bundesrepublik.<br />

Seitdem ha ben die Koopera<br />

tions partner <strong>Arbeitskreis</strong><br />

für Jugendliteratur,<br />

Das Telefonbuch-Servicegesellschaft<br />

und Deutscher Bibliotheksverband deutsch land weit insgesamt<br />

über 170 regionale Veranstaltungen in Bibliotheken durchgeführt;<br />

weitere 15 sind für 2013 geplant.<br />

Ziel der Aktion ist es, mit einer Mischung aus Quiz, Lesen und kreativer<br />

Umsetzung von Literatur Kinder und Jugend liche für die hervorragenden<br />

Bücher des Deutschen Jugendliteraturpreises zu begeistern.<br />

Gleichzeitig soll die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Bibliotheken<br />

gestärkt werden. Bisher wurden mit der Initiative rund 17.000<br />

junge Leserinnen und Leser in ganz Deutschland erreicht.<br />

Alle Veranstaltungstermine und Informationen für Schulen und<br />

Bibliotheken unter: www.wer-liest-gewinnt.org<br />

68 DEUTSCHER WER LIEST, GEWINNT! JUGENDLITERATURPREIS 2013


PREISVERDÄCHTIG !<br />

Praxisseminare zu den nominierten Büchern<br />

des Deutschen Jugendliteraturpreises 2013<br />

In eintägigen Praxisseminaren können Lehrer, Bibliothekare, Buchhändler<br />

und Pädagogen kreative Vermittlungsmethoden zu den aktuell nominierten<br />

Büchern des Deutschen Jugendliteraturpreises für ihren Berufsalltag<br />

kennen lernen und erpro ben.<br />

Die Seminare umfassen vormittags und nachmittags Work shops zu den<br />

Sparten Bilderbuch, Kinderbuch und Jugendbuch. Jeder Teilnehmer hat die<br />

Möglichkeit, zwei verschiedene Workshops zu besuchen. Geleitet werden<br />

die Arbeitsgruppen von ausgewiesenen Fachleuten aus den Bereichen der<br />

Leseförderung und Literaturvermittlung.<br />

Hannover: 28. Mai 2013<br />

in Kooperation mit der Akademie für Leseförderung<br />

Mülheim an der Ruhr: 6. Juni 2013<br />

in Kooperation mit dem Borromäusverein e. V.<br />

und dem Medienforum des Bistums Essen<br />

Dresden: 13. Juni 2013<br />

in Kooperation mit dem Projekt Lesestark!<br />

der Städtischen Bibliotheken Dresden<br />

Praxiskonzepte ab Mitte Juli 2013 unter<br />

www.jugendliteratur.org zum <strong>Download</strong><br />

69


Metzstraße 14c · 81667 München<br />

Telefon (089) 45 80 806<br />

Fax (089) 45 80 80 88<br />

E-Mail info@jugendliteratur.org<br />

2 Internet<br />

DEUTSCHER<br />

www.jugendliteratur.org<br />

JUGENDLITERATURPREIS 2013

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