2.2 Informationsvermittlung: Sprache und Sprachver- wendung

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23.06.2012 Aufrufe

ien für die Glaubwürdigkeit des Senders und des Mediums müssen erfüllt sein? Um uns im zur Verfügung stehenden Raum Antworten auf diese Fragen etwas anzunähern, wollen wir uns in 2.2.1 zunächst einen Überblick über einige Grundfunktionen der Sprache verschaffen. Daran anschließend werde ich auf die Hauptschwierigkeit für gelingende Diskurse, die Bedeutungsvielfalt, eingehen und wie zuvor bezüglich Wahrnehmung für einen methodisch-kritischen Umgang mit unserer Sprache plädieren. 2.2.1 Sprachliche Kategorien und Grundfunktionen Wir können bei Sprachen zwischen drei Strukturebenen unterscheiden: • Syntax: Die formale (logische oder grammatische) Struktur • Semantik Die Bedeutungsebene (der Ausdrücke, Sätze) • Pragmatik Die Handlungsebene (was wir mit Aussagen bezwecken) Sprachen (natürliche Sprachen und technische Wissenschaftssprachen) haben unabhängig von ihren Inhalten allgemeine formale Strukturen. Das ist der Aspekt der Syntax. Ausdrücke, Worte und Sätze haben weiter einen Inhalt, drücken etwas aus. Das ist die semantische Seite der Sprache. Zwei Aussagen können schließlich syntaktisch und semantisch gleich sein, dennoch eine andere Wirkung bei den Zuhörerinnen dadurch erzielen, dass sie rhetorisch in ganz unterschiedlicher Weise vorgetragen wurden. Die Pragmatik ist der Bereich der Sprachverwendung unter Vorgabe von Zielen, die mit einer Kommunikation erreicht werden sollen. Da für uns in erster Linie das Ziel maßgeblich ist, für inter- resp. transdisziplinäre Zusammenarbeit einen guten methodischen Rucksack bereitzustellen, richten sich die folgenden Ausführungen auf dieses Ziel aus: Zum einen möchte ich darauf hinweisen, dass rationale, auf potentielle Zustimmbarkeit zielende Verständigung zwischen Individuen — Transport von verarbeiteten Informationen gemäß des Schemas von Abbildung 2 — auch daran gekoppelt ist, dass wir unsere Rede in Übereinstimmung mit den Grundfunktionen sprachlicher Ausdrücke führen. Und auch wenn immer eine gebührende Vorsicht gegenüber einem erreichten Wissensstand angemessen ist, so kann man sich bezüglich der hier wichtigen Grundfunktionen sprachlicher Ausdrücke auf einen von Sprachanalytikerinnen generell geteilten Wissensstand bezüglich Syntax und Semantik berufen — so lange man sich nicht allzu sehr auf die Details einlässt. Diese Grundfunktionen herauszustellen, ist deswegen meine erste Aufgabe. Zum anderen soll kenntlich gemacht werden, inwiefern einige (nicht alle!) der Schwierigkeiten in der Kommunikation im Allgemeinen und in der inter- oder transdisziplinären Zusammenarbeit im Besonderen mit diesen funktionalen Elementen in Zusammenhang stehen. Die oft auftretenden Verständigungsschwierigkeiten (›Babylonische Sprachverwirrung‹) sind selten Ergebnis schlechter Absichten oder Unvermögen, sondern sind in erster Linie 35

36 auf die Funktionsmechanismen unseres Gebrauchs von Sprache zurückzuführen. Die folgenden, zugegebenermaßen theoretischen Grundlagen sollen nicht zuletzt das Problembewusstsein im Umgang mit Begriffen schärfen: Klarheit und Korrektheit in der Verwendung der sprachlichen Mittel ist eine Voraussetzung für wissenschaftliche Erkenntnisse im Allgemeinen und für gelingende Verständigung und Zusammenarbeit in inter- und transdisziplinären Kontexten im Besonderen. 2.2.1.1 Nur von "wohl formierten" Sätzen lässt sich sagen, ob sie wahr oder falsch sind Eine äußerst interessante Beziehung zwischen Wissen und der sprachlichen Struktur von Aussagen besteht hinsichtlich 'Wahrheit'. Von Wissen sprechen wir gemäß Kapitel 1 nur dann, wenn die in Frage stehende Meinung auch wahr ist. Von Wahrheit (resp. auch von Falschheit) einer Meinung können wir aber wiederum auch nur dann sprechen, wenn die entsprechende Aussage, die wahr oder falsch sein soll, gewisse Anforderungen erfüllt, nämlich eben "wohl formiert" ist. Vergleichen wir die beiden Äußerungen »Au!« und »Louis trägt eine Perücke«. Der wichtige Unterschied besteht darin, dass wir auf deren Inhalte verschieden reagieren. Auf ein »Au!« reagieren wir in der Regel mit Anteilnahme oder Besorgnis gegenüber derjenigen Person, die den Ausruf macht. Wir fragen, ob sie sich weh getan habe, ob es schlimm sei, etc. Wir verstehen die Äußerung in der Situation, in der wir uns befinden, weil wir in unmittelbarer Bekanntschaft mit der betreffenden Person stehen. Mit der Äußerung wird bei den Zuhörerinnen eine gewisse Wirkung erzielt oder auch bewusst hervorgerufen. Die Hörerinnen fragen sich aber nicht, ob die Äußerung wahr oder falsch ist, weil diese Frage hier gar keinen Sinn macht. Dagegen können wir uns sehr wohl fragen, ob es wahr ist, dass Louis eine Perücke trägt. Und wenn wir Louis schon lange kennen, Louis dieses Detail uns aber bisher vorenthalten hat, werden wir erstaunt fragen: Ist das wirklich wahr? Dagegen wird das Äußern von "Au!" nicht als Behauptung verstanden, die wahr oder falsch ist. Es ist zwar noch immer eine Information, aber wir ordnen diese anders ein als die Information über Louis. Vielleicht taucht die Frage auf, ob die Person, die eine solche Äußerung macht, täuschen oder Aufmerksamkeit auf sich ziehen möchte. Wir können aber nicht sagen: »Es ist wahr, dass „Au!“« resp. »Es ist der Fall, dass „Au!“«. Wir können allenfalls sagen: »Die Person x hat zum Zeitpunkt t „Au“ gesagt.« Der Punkt ist, das eine Äußerung wie »Au!« die Kriterien für eine Behauptung resp. eben für einen wohl formierten Satz nicht erfüllt. Nur zu solchen können wir aber entweder zustimmend oder ablehnend Stellung nehmen. »Louis trägt eine Perücke« ist ein Beispiel für eine Aussage, die wahr oder falsch sein kann. Wer Skrupel wegen Wahrheit und Falschheit hat, kann diese hier einfach durch Bejahen und Verneinen ersetzen. Entscheidend ist, dass

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auf die Funktionsmechanismen unseres Gebrauchs von <strong>Sprache</strong> zurückzuführen.<br />

Die folgenden, zugegebenermaßen theoretischen Gr<strong>und</strong>lagen sollen nicht<br />

zuletzt das Problembewusstsein im Umgang mit Begriffen schärfen:<br />

Klarheit <strong>und</strong> Korrektheit in der Ver<strong>wendung</strong> der sprachlichen Mittel ist eine Voraussetzung<br />

für wissenschaftliche Erkenntnisse im Allgemeinen <strong>und</strong> für gelingende<br />

Verständigung <strong>und</strong> Zusammenarbeit in inter- <strong>und</strong> transdisziplinären<br />

Kontexten im Besonderen.<br />

<strong>2.2</strong>.1.1 Nur von "wohl formierten" Sätzen lässt sich sagen, ob sie wahr oder<br />

falsch sind<br />

Eine äußerst interessante Beziehung zwischen Wissen <strong>und</strong> der sprachlichen<br />

Struktur von Aussagen besteht hinsichtlich 'Wahrheit'. Von Wissen sprechen wir<br />

gemäß Kapitel 1 nur dann, wenn die in Frage stehende Meinung auch wahr ist.<br />

Von Wahrheit (resp. auch von Falschheit) einer Meinung können wir aber wiederum<br />

auch nur dann sprechen, wenn die entsprechende Aussage, die wahr<br />

oder falsch sein soll, gewisse Anforderungen erfüllt, nämlich eben "wohl formiert"<br />

ist.<br />

Vergleichen wir die beiden Äußerungen »Au!« <strong>und</strong> »Louis trägt eine Perücke«.<br />

Der wichtige Unterschied besteht darin, dass wir auf deren Inhalte verschieden<br />

reagieren. Auf ein »Au!« reagieren wir in der Regel mit Anteilnahme oder Besorgnis<br />

gegenüber derjenigen Person, die den Ausruf macht. Wir fragen, ob sie<br />

sich weh getan habe, ob es schlimm sei, etc. Wir verstehen die Äußerung in der<br />

Situation, in der wir uns befinden, weil wir in unmittelbarer Bekanntschaft mit der<br />

betreffenden Person stehen. Mit der Äußerung wird bei den Zuhörerinnen eine<br />

gewisse Wirkung erzielt oder auch bewusst hervorgerufen. Die Hörerinnen fragen<br />

sich aber nicht, ob die Äußerung wahr oder falsch ist, weil diese Frage hier<br />

gar keinen Sinn macht. Dagegen können wir uns sehr wohl fragen, ob es wahr<br />

ist, dass Louis eine Perücke trägt. Und wenn wir Louis schon lange kennen,<br />

Louis dieses Detail uns aber bisher vorenthalten hat, werden wir erstaunt fragen:<br />

Ist das wirklich wahr? Dagegen wird das Äußern von "Au!" nicht als Behauptung<br />

verstanden, die wahr oder falsch ist. Es ist zwar noch immer eine Information,<br />

aber wir ordnen diese anders ein als die Information über Louis.<br />

Vielleicht taucht die Frage auf, ob die Person, die eine solche Äußerung macht,<br />

täuschen oder Aufmerksamkeit auf sich ziehen möchte. Wir können aber nicht<br />

sagen: »Es ist wahr, dass „Au!“« resp. »Es ist der Fall, dass „Au!“«. Wir können<br />

allenfalls sagen: »Die Person x hat zum Zeitpunkt t „Au“ gesagt.« Der Punkt ist,<br />

das eine Äußerung wie »Au!« die Kriterien für eine Behauptung resp. eben für<br />

einen wohl formierten Satz nicht erfüllt. Nur zu solchen können wir aber entweder<br />

zustimmend oder ablehnend Stellung nehmen.<br />

»Louis trägt eine Perücke« ist ein Beispiel für eine Aussage, die wahr oder<br />

falsch sein kann. Wer Skrupel wegen Wahrheit <strong>und</strong> Falschheit hat, kann diese<br />

hier einfach durch Bejahen <strong>und</strong> Verneinen ersetzen. Entscheidend ist, dass

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