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Vorlesung: Was ist Nachhaltige Entwicklung ?

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<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong>? WS 03/04<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong>? WS 03/04<br />

<strong>Vorlesung</strong>:<br />

<strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong> ?<br />

Lektion 5: Inter- und intragenerationale<br />

Gerechtigkeit<br />

Referent: Paul Burger<br />

Programm MGU Universität Basel 1<br />

Lernziele<br />

Die Studierenden<br />

wissen, was in Abgrenzung zu Umweltgerechtigkeit und<br />

Naturethik mit inter- und intragenerationaler<br />

Gerechtigkeit gemeint <strong>ist</strong>,<br />

wissen um den konzeptuellen Zusammenhang zwischen<br />

Nachhaltigkeit und inter-/intragenerationaler<br />

Gerechtigkeit<br />

wissen um die Schwierigkeiten einer Operationalisierung<br />

der Forderung nach intergenerationaler Gerechtigkeit<br />

Programm MGU Prof. Dr. Paul Burger / Dipl. - Ing Wiebke Güldenzoph<br />

2<br />

Gerechtigkeit und <strong>Nachhaltige</strong><br />

<strong>Entwicklung</strong><br />

1) Ein Schritt zurück: Umweltgerechtigkeit<br />

2) Beziehungen zwischen Gerechtigkeit und<br />

Nachhaltigkeit<br />

Exkurs 1: <strong>Was</strong> sind Generationen?<br />

Exkurs 2: <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> Gerechtigkeit?<br />

3) Inter- und intragenerationale Gerechtigkeit<br />

4) Probleme für eine Operationalisierung<br />

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3<br />

1


<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong>? WS 03/04<br />

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(1) Ein Schritt zurück: Umweltgerechtigkeit<br />

(environmental justice)<br />

Ein bekanntes Beispiel: Fluglärmstreit um<br />

Kloten (oder um den Euroairport etc.):<br />

Argument der betroffenen Bevölkerung: einseitige<br />

Belastung durch Anflugrichtung, Kosten-Nutzen stehen in<br />

einem Missverhältnis, Schweizer Bevölkerung hat primär<br />

Nutzen, aber wenig Kosten durch Fluglärm<br />

Argument von Unique und Zürcher Regierung: jetzige<br />

Situation <strong>ist</strong> Ausdruck einer gewachsenen Raumplanung,<br />

es <strong>ist</strong> gerechter, über dünn besiedeltem Gebiet eine hohe<br />

Belastung zu haben als über stark besiedeltem Gebiet<br />

eine durchschnittliche Belastung & Wechsel =<br />

Diskriminierung von Kloten zugunsten von München<br />

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4<br />

Umweltgerechtigkeit<br />

Ist der Oberbegriff für Fragen<br />

nach gerechter Verteilung von Gefahren und Emissionen<br />

(Luftschadstoffe, Lärm, Abwasser, Boden) sowie von Risiken<br />

bzw. von Vermeidung von Risiken<br />

nach gerechter Verteilung der Kosten für aufgetretene Schäden.<br />

Umweltgerechtigkeit ≠ Naturethik<br />

Thematisiert die<br />

Verteilung von Lasten<br />

und Vorteilen nach<br />

Gerechtigkeitskriterien<br />

Thematisiert den<br />

moralischen Status<br />

von Natur/Tieren, z.B. im<br />

Kontext Biodiversität<br />

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5<br />

Diskussionen um Umweltgerechtigkeit<br />

nach sich ziehende Themenfelder<br />

Standorte für Kehrrichtsverbrennungsanlagen,<br />

Deponien, Strassen, Eisenbahnlinien, Flugplätze,<br />

Zugang zu Erholungsgebieten u.a.m.<br />

Produktion von Gütern mit hohem Schadstoffausstoss<br />

Export von Produktion und Abfall in Ländern mit tieferen<br />

Standards<br />

In den USA gut untersucht: Emissionsstarke Fabriken<br />

und Infrastruktureinrichtungen befinden sich<br />

überdurchschnittlich häufig in Gegenden mit armer,<br />

schwarzer Bevölkerung<br />

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6<br />

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<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong>? WS 03/04<br />

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Kostenwahrheit und Verursacherprinzip<br />

„Kostenwahrheit“ und „Verursacherprinzip“ sind<br />

Operationalisierungen von Umweltgerechtigkeit:<br />

Es <strong>ist</strong> gerecht, wenn diejenigen die auf Kosten von Emissionen<br />

Nutzen erzielen, für die aufgrund der Emissionen entstehenden<br />

Kosten aufkommen = Teil der Gesamtkosten, die in die Kosten-<br />

/Nutzenrechnung einzubringen sind.<br />

Es <strong>ist</strong> gerecht, wenn diejenigen, die Schäden verursachen, für<br />

diese Schäden aufkommen (während es ungerecht <strong>ist</strong>, die<br />

Allgemeinheit damit zu beauftragen, weil dadurch Geschädigte<br />

zweimal „zur Kasse gebeten werden“).<br />

Inter- und intragenerationale Gerechtigkeit im Leitbild ‚<strong>Nachhaltige</strong><br />

<strong>Entwicklung</strong>‘ geht über Umweltgerechtigkeit hinaus<br />

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7<br />

Naturethik<br />

Traditionell: Ethik = Theorie der moralischen Beurteilung<br />

menschlicher Handlung: Mensch - Mensch - Beziehung<br />

Naturethik: Theorie der moralischen Beurteilung<br />

menschlicher Handlungen vis-à-vis der Natur resp. ihrer<br />

Teile (wie Spezies, Landschaften, Individuen etc.)<br />

Hauptdiskussionspunkt: Hat die Natur selbst oder Teile<br />

von ihr einen moralischen Status (<strong>ist</strong> ein moralisches<br />

Subjekt, Wert an sich oder dergl.)<br />

Physiozentrische ⇔ anthropozentrische Ansätze<br />

Inter- und intragenerationale Gerechtigkeit im Leitbild ‚<strong>Nachhaltige</strong><br />

<strong>Entwicklung</strong>‘ geht über Naturethik hinaus.<br />

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8<br />

2) Beziehungen zwischen Gerechtigkeit<br />

und Nachhaltigkeit<br />

Reminder Ergebnis Lektion 4/Folie 27,<br />

Kapitalstockkonzept:<br />

Minimalbedingung: Eine <strong>Entwicklung</strong> <strong>ist</strong> nachhaltig,<br />

wenn das vererbte Gesamtkapital zumindest von<br />

gleicher Höhe <strong>ist</strong> wie das geerbte.<br />

Handle so, dass deine Generation mindestens<br />

diejenige Kapitalmenge an die nachrückende<br />

Generation weitergibt, die deine Generation von<br />

früheren Generationen geerbt hat.<br />

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Verteilung von knappen Gütern<br />

Gerechtigkeitsaspekte treten unvermeidlich dort auf, wo<br />

es um die Verteilung von resp. Zugang zu knappen<br />

Gütern geht.<br />

Global knappe ökologische Güter:<br />

Evolutionsfähige & grossräumig stabile (elastische) Ökosysteme<br />

(Versiegelung der Böden, Klimaeinflüsse, Artensterben etc.)<br />

Nahrungsmittel (unsichere <strong>Entwicklung</strong>, Risiken sowohl durch<br />

Überfischung wie durch Intensiv-Landwirtschaft aller Art)<br />

Trinkwasser, saubere Luft, kontaminationsfreie Böden<br />

Ressourcen aller Art, insbesondere aber Energieressourcen.<br />

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10<br />

Drei Behauptungen über die Beziehungen<br />

zur Nachaltigkeit<br />

1) Gerechtigkeit <strong>ist</strong> das allgemeinere Ideal (Leitbild)<br />

wie die Nachhaltigkeit.<br />

2) Das üblicherweise unter Gerechtigkeit Diskutierte<br />

gilt v.a. für die Seite des Intragenerationalen.<br />

3) Nachhaltigkeit <strong>ist</strong> über den Einbezug<br />

intergenerationaler Kriterien ein starkes Korrektiv<br />

für sich allein an sozialer Gerechtigkeit<br />

orientierenden Positionen/Theorien/Politik.<br />

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11<br />

Exkurs 1: <strong>Was</strong> sind Generationen?<br />

Generation<br />

a) Altersspanne bis aus Kindern Eltern und aus Eltern<br />

Grosseltern werden (z.B. 0-30, 30-60, >60)<br />

b) Gesamtheit der „heute“ lebenden Menschen (relativ<br />

zu einem definierten Raum, z.B. Staat, global)<br />

Weder (a) noch (b) enthalten Angaben zur<br />

Grösse einer Generation<br />

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Exkurs 2: <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> Gerechtigkeit?<br />

Ein „crash-Kurs“ in 4 Schritten<br />

(1) Traditionelle Felder von Gerechtigkeitsüberlegungen<br />

sind:<br />

Chancen (Zugang) zu und Verteilung von materiellen<br />

und immateriellen Gütern<br />

Partizipation an gesellschaftlichen<br />

Entscheidungsprozessen („prozedurale Gerechtigkeit“)<br />

das Ideal eines guten, erfüllten Lebens für alle<br />

(qualitative, soziale Gerechtigkeit)<br />

Die Gerechtigkeit (abstrakter Gegenstand) ⇔ ein<br />

bestimmter Zustand <strong>ist</strong> gerecht (Eigenschaft eines<br />

Gegenstands)<br />

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13<br />

Platz in der allgemeinen Ordnung der<br />

Dinge<br />

(2) Die traditionelle Sicht von Gerechtigkeit:<br />

Es gibt eine vernünftige Ordnung der Natur (der Gesellschaft)<br />

und gerecht <strong>ist</strong>, wenn eine Gesellschaft sich<br />

dieser Ordnung gemäss verhält und jedes Individuum<br />

den ihm gemäss seinen Fähigkeiten und seinen Bedürfnissen<br />

zukommenden Platz in der Ordnung einnimmt.<br />

Platon, Politeia; Thomas Morus, Utopia;<br />

Kommun<strong>ist</strong>isches Gleichheitsideal<br />

Generell: Es gibt eine ideal beschreibbare Gesellschaft,<br />

deren Verfassung Gerechtigkeit exemplifiziert.<br />

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14<br />

Kriterium für das moralisch tolerierbare<br />

Mass von Ungleichheit<br />

(3) Gerechtigkeit ohne Gleichheits- oder Ordnungsprämisse<br />

Gegeben (i) alle Menschen haben unter moralischen<br />

Gesichtspunkten den gleichen Status (Bedürfnisbefriedigung,<br />

Wohlergehen, Rechtssubjekte etc.), (ii) befinden sich aber in<br />

ganz unterschiedlichen Situationen bezüglich ihrer Chancen zur<br />

Realisierung ihrer Ziele, dann stellt sich die Frage, wieviel<br />

Ungleichheit kompatibel mit dem gleichen moralischen Status <strong>ist</strong>.<br />

Formale Gerechtigkeit:<br />

Gleiche Rechte und gleiche Pflichten für alle BürgerInnen<br />

Prozedurale Gerechtigkeit: Teilnahme aller an demokratischen<br />

Entscheidungsfindungen<br />

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15<br />

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<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong>? WS 03/04<br />

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Materiale Gerechtigkeit als Knackpunkt<br />

Materiale Gerechtigkeit:<br />

Startgerechtigkeit (für materielle und immaterielle Güter)<br />

Tauschgerechtigkeit<br />

Bedarfsgerechtigkeit (z. B., dass jedem Gesellschaftsmitglied<br />

ein Mindesteinkommen zukommt, so dass es auf einem der<br />

Menschenwürde entsprechenden soziokulturellen<br />

Mindeststandard leben kann.)<br />

Die Ausgestaltung von Konzepten materialer Gerechtigkeit<br />

<strong>ist</strong> von zugrundeliegenden Konzepten des<br />

‚Allgemeinwohls‘ (Wohlfahrt) abhängig.<br />

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16<br />

Zwei konkurrierende Konzepte<br />

(4) Zwei unterschiedliche utilitar<strong>ist</strong>ische (~konsequential<strong>ist</strong>ische<br />

) Beurteilungskriterien<br />

Ein Zustand <strong>ist</strong> gerecht, wenn er pareto-optimal <strong>ist</strong>:<br />

= es gibt keinen anderen, in der gegebenen Situation erreichbaren<br />

Zustand, in dem mindestens ein Individuum besser, alle anderen<br />

nicht schlechter gestellt wären.<br />

John Rawls Maximierungsregel: Das gesellschaftliche Ziel besteht in<br />

der Maximierung der Wohlfahrt der jeweils am schlechtesten<br />

gestellten Individuen:<br />

Ein Zustand A <strong>ist</strong> gerechter als B, wenn in A das am schlechtesten<br />

bestellte Mitglied (oder die am schlechtesten bestellte Gruppe)<br />

besser situiert <strong>ist</strong> als in B.<br />

Ende des Exkurses<br />

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17<br />

(3) Inter- und intragenerationale<br />

Gerechtigkeit<br />

Intragenerational<br />

Gerechte Verteilung von<br />

knappen Gütern (und von<br />

Lasten) innerhalb derselben<br />

menschlichen Generation:<br />

Kriterium für Gerechtigkeit:<br />

z.B. Rawls‘ Maximierungs-<br />

Kriterium<br />

Chancen und Verteilung in<br />

einer Generation<br />

Gegenwart<br />

Staatliche Ebene: Nationalstaat<br />

& internationale<br />

Beziehungen<br />

Intergenerational<br />

Gerechte Verteilung von<br />

knappen Gütern (und von<br />

Lasten) zwischen verschiedenen<br />

menschlichen Generation:<br />

Kriterium für Gerechtigkeit:<br />

Einhaltung des „Generationenvertrags<br />

Zukunftsgerichtet (alle heutigen<br />

Menschen mit künftigen<br />

Generationen)<br />

Betrifft sowohl den öffentlichen<br />

wie den privaten Bereich<br />

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<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong>? WS 03/04<br />

Zuordnung zu den beiden international<br />

dominierenden Diskussionsfeldern<br />

Explosion des Ressourcenverbrauchs versus Endlichkeit der<br />

vorhandenen Ressourcen (Land, <strong>Was</strong>ser, Biomasse und -diversität,<br />

nicht-erneuerbare Energien, Metalle etc. (Anknüpfungspunkt:<br />

„Grenzen des Wachstums“); substantielle ökologische Güter sind<br />

knapp geworden.<br />

Intergenerationale Gerechtigkeit (vgl. „Generationenvertrag“)<br />

Armut und soziale Benachteiligung als umweltzerstörender Faktor;<br />

<strong>Nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong> ≠ der Süden kopiert die industrielle<br />

<strong>Entwicklung</strong> (Anknüpfungspunkt: Brandt-Bericht).<br />

Enorme Unterschiede im Ressourcenverbrauch (USA/ Australien 10‘000<br />

Watt/Person & Jahr, viele Länder unter 1‘000 Watt);<br />

Verallgemeinerbarkeit des Levels der Industriestaaten <strong>ist</strong> nicht gegeben.<br />

Intragenerationale Gerechtigkeit<br />

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19<br />

Unterschiedliche Zeitachsen<br />

Intragenerational bei t 0<br />

Generation A Generation B<br />

Nach Tremmel, in: Handbuch, S.45<br />

Intergenerational<br />

zwischen A & B<br />

Intragenerational bei t 1<br />

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20<br />

Unterschiedliche Gewichtungen<br />

Materielle & finanzielle<br />

Ressourcen<br />

Handel, internationale<br />

Gerechtigkeit<br />

Soziale<br />

Gerechtigkeit<br />

Sicherung der natürlichen<br />

Lebensgrundlagen<br />

Sicherung der ökonomischen<br />

Lebensgrundlagen<br />

Sicherung der sozialen<br />

Lebensgrundlagen<br />

Sicherung der natürlichen<br />

Lebensgrundlagen<br />

Sicherung der ökonomischen<br />

Lebensgrundlagen<br />

Sicherung der sozialen<br />

Lebensgrundlagen<br />

Generationengerechtigkeit<br />

Intragenerationale<br />

Gerechtigkeit<br />

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21<br />

t<br />

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Zur Behauptung (1): begriffliche<br />

Abhängigkeit<br />

Das Leitbild „nachhaltige <strong>Entwicklung</strong>“ basiert auf einer allgemeinen<br />

(nicht ausformulierten) Idee von Gerechtigkeit, während Gerechtigkeit<br />

nicht auf einer allgemeinen Idee von Nachhaltigkeit basiert.<br />

Allgemeine Idee =<br />

Analog zu „allgemeinen Menschenrechten“<br />

Sicherung der menschlichen Wohlfahrt (des Allgemeinwohls zwischen<br />

den und in den Generationen)<br />

Nicht selbst operativ leitend<br />

Regulatives Ideal<br />

Die begriffliche Abhängigkeit der NE von einem allgemeinen<br />

regulativen Ideal der Gerechtigkeit <strong>ist</strong> operational in keiner Weise<br />

hinreichend zur Generierung inhaltlichen Zielen (z.B. bezüglich<br />

sozialer Gerechtigkeit)<br />

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22<br />

Zur Behauptung (2): Standardthemen der<br />

Gerechtigkeit intragenerational<br />

Formale Gerechtigkeit<br />

gleiche Rechte<br />

Partizipation<br />

~good governance<br />

Materiale Gerechtigkeit<br />

orientiert an Wohlfahrt<br />

materielle und immaterielle Güterverteilung<br />

Soziale Gerechtigkeit<br />

Generationengerechtigkeit (Weitergabe mindestens des geerbten<br />

Kapitalbestands) gehört nicht zu diesem Kanon und muss speziell<br />

begründet werden.<br />

„Generationengerechtigkeit <strong>ist</strong> die Gerechtigkeit in einem<br />

speziellen Bereich, in der Beziehung zwischen den Generationen.<br />

(Lumer, in: Handbuch, 2003, S. 105)<br />

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23<br />

Mögliche Begründung für<br />

Generationengerechtigkeit<br />

a) Faktisch ein Grundzug des modernen Gesellschaftsvertrags<br />

(Lumer, in: Handbuch 2003)<br />

Problem: das faktische Bestehen rechtfertigt nicht Generationengerechtigkeit<br />

als allgemeines moralisches, handlungsleitendes Prinzip<br />

b) Mögliches Argument:<br />

Freiheit <strong>ist</strong> eines der höchsten menschlichen Güter<br />

Die Erhaltung menschlicher Freiheit <strong>ist</strong> ein hochrangiges Ziel<br />

Der fortgesetzte Verbrauch insbesondere von Naturkapital bedroht<br />

menschliche Handlungsfreiheit<br />

Die Bedrohung menschlicher Handlungsfreiheit <strong>ist</strong> moralisch nicht<br />

rechtfertigbar<br />

Die langfr<strong>ist</strong>ige Sicherung <strong>ist</strong> nur über Generationengerechtigkeit<br />

möglich<br />

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24<br />

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Zur Behauptung (3)<br />

Insbesondere in den Ländern der 1. Welt wurde der Gewinn an<br />

sozialer Gerechtigkeit durch einen nicht verallgemeinerbaren Level<br />

an Ressourcenverbrauch bezahlt:<br />

Mobilität (Freizeitverkehr ≈ 25% der Luftemissionen)<br />

Güter des täglichen Bedarfs/Energieverbrauch<br />

Landwirtschaft (Billige Massenprodukte, Haushaltsposten: 15%)<br />

<strong>Nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong> <strong>ist</strong> nicht kompatibel mit jeder beliebigen<br />

Höhe an (materieller) Wohlfahrt: soziale Gerechtigkeit muss wie<br />

Wirtschaftswachstum vom Ressourcengebrauch entkoppelt werden.<br />

Nochmals: Schlüsselpunkt <strong>ist</strong>, dass grundlegende ökologische<br />

Güter auf globaler Ebene knapp geworden sind.<br />

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25<br />

schwache / starke Nachhaltigkeit:<br />

Generationengerechtigkeit<br />

Schwache N. : Eine <strong>Entwicklung</strong> <strong>ist</strong> gerecht, wenn<br />

mindestens die gleiche Gesamthöhe des geerbten<br />

Kapitalbestands weiter vererbt wird.<br />

starke N. : Eine <strong>Entwicklung</strong> <strong>ist</strong> gerecht, wenn<br />

mindestens die gleiche Gesamthöhe des geerbten<br />

Kapitalbestands weiter vererbt wird, wobei die Sicherung<br />

des natürlichen Kapitalbestands priorisiert sein muss.<br />

Starke N. : Eine <strong>Entwicklung</strong> <strong>ist</strong> gerecht, wenn der<br />

geerbte natürliche Kapitalbestand vollumfänglich weiter<br />

vererbt wird.<br />

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26<br />

Mit der Formel gesprochen:<br />

Kapital (NE) = Kapital (N) + Kapital (Oek) + Kapital (Soz.)<br />

schwache NH: Kapital (N)<br />

Umlagerung erwünscht<br />

Kapital (Oek)<br />

Kapital (Soz.)<br />

konstant<br />

starke NH: Kapital (N)<br />

Umlagerung unter Auflagen<br />

Kapital (Oek)<br />

Kapital (Soz.)<br />

konstant<br />

Starke NH: Kapital (N) Keine Umlagerung, K (N) = konstant<br />

Kapital (Oek)<br />

Kapital (Soz.)<br />

konstant<br />

Schwache NH: primärer Fokus auf intragenerational; Starke NH:<br />

primärer Fokus auf intergenerational; starke NH: Balance<br />

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27<br />

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(4) Probleme für eine Operationalisierung<br />

Bestimmung des Kapitalbestands<br />

Messung/Bestimmung/Vergleichbarkeit von Nutzen (aller<br />

Art)<br />

Generationen: wie gross sind diese?<br />

Worin besteht der Zeithorizont (2, 5, 1000 Generationen)?<br />

Zukunftssicherung (Sicherung von Handlungsoptionen)<br />

setzt gute Prognosen voraus!<br />

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28<br />

Literatur<br />

Handbuch Generationengerechtigkeit, hrsg. von der<br />

Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen,<br />

München 2003.<br />

Robert Figueroa/Claudia Mills, Environmental justice, in:<br />

A Companion to Environmental Philosophy, ed. by Dale<br />

Jamieson, Oxford u.a. 2001, 426-438.<br />

Ernest Partridge, Future Generations, in Jamieson 2001,<br />

377-389.<br />

Hans Diefenbacher, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit,<br />

Zum Verhältnis von Ethik und Ökonomie, Darmstadt<br />

2001<br />

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29<br />

Lernziele<br />

Die Studierenden<br />

wissen, was in Abgrenzung zu Umweltgerechtigkeit und<br />

Naturethik mit inter- und intragenerationaler<br />

Gerechtigkeit gemeint <strong>ist</strong>,<br />

wissen um den konzeptuellen Zusammenhang zwischen<br />

Nachhaltigkeit und inter-/intragenerationaler<br />

Gerechtigkeit<br />

wissen um die Schwierigkeiten einer Operationalisierung<br />

der Forderung nach intergenerationaler Gerechtigkeit<br />

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30<br />

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