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12.03.2014 Aufrufe

SERVICE Serie: Lenk- und Ruhezeiten im Griff ALLES AUF EINE KA Freitag ist Zähltag – bei der Auswertung der Fahrerkarte zeigt sich, dass Franz-Josef auch die Dokumentation der Sozialvorschriften beherrscht. Text I Jan Bergrath Eine ganze Minute. Die Kontrollsoftware von Zauner, die Spediteur Harald Jansen auf seinem Computer installiert hat, ist unerbittlich. Mitten in der grauen Tabelle leuchtet ein dickes rotes Rechteck. Ein Verstoß nach Paragraf 8a Fahrpersonalgesetz, festgehalten auf der Fahrerkarte seines Bruders Franz-Josef. Passiert ist es bereits am 15. Juli 2010. „Lenkzeitunterbrechung verkürzt“ lautet die amtliche Definition des Fehlers auf dem Bildschirm. Und Franz-Josef ist entsetzt: „Ich weiß nicht, wie mir das passieren konnte. Ich war mir sicher, dass ich genau 45 Minuten Pause gemacht habe.“ Unverständnis auf hohem Niveau – denn es ist der einzige Verstoß, den Franz-Josef zwischen Januar und August begangen hat. Wahrscheinlich hat ihm der digitale Tacho ein Schnippchen geschlagen. Das Problem ist, zumindest bei älteren Tachos, bekannt: Das Auswerten der vom Fahrer im Tacho eingegebenen Aktivitäten erfolgt in Intervallen von einer Minute. Wer also vor dem „Minutensprung“ los fährt, hat Pech. „Bei Fahrzeugen mit digitalen Tachos empfiehlt es sich, ein oder zwei Minuten länger stehen zu bleiben, um sicher zu sein, dass tatsächlich die volle Fahrtunterbrechung gezählt wird“, rät Tom Fiala. „Das passiert mir nicht noch mal“, betont Franz-Josef. „Wenn ich mir heute ganz sicher sein will, wie lange ich gestanden habe oder wie lange ich gefahren bin, mache ich lieber einen Tagesausdruck.“ Mit der Verordnung (EG) 561/2006 hat sich die Dokumentationspflicht für die Fahrer, aber auch für die Unternehmer geändert. Statt der vertrauten Tachoscheibe, bei der derart minutengenaue Aufzeichnungen auch für Kontrolleure kaum erkennbar sind, gibt es für den digitalen Tacho die persönliche Fahrerkarte, die wiederum nicht ganz ohne Tücken ist (siehe Seite 78). Sie hält jeden einzelnen Arbeitsschritt unerbittlich fest. Franz-Josef kennt sich mit Fahrerkarte und Tagesausdruck aus. Fotos I Jan Bergrath 80 FERNFAHRER 11 I 2010

SERVICE<br />

Serie: Lenk- und Ruhezeiten im Griff<br />

ALLES AUF EINE KA<br />

Freitag ist Zähltag – bei <strong>de</strong>r Auswertung <strong>de</strong>r Fahrerkarte<br />

zeigt sich, dass Franz-Josef auch die Dokumentation<br />

<strong>de</strong>r Sozialvorschriften beherrscht.<br />

Text I Jan Bergrath<br />

Eine ganze Minute. Die Kontrollsoftware<br />

von Zauner, die Spediteur<br />

Harald Jansen <strong>auf</strong> s<strong>eine</strong>m Computer<br />

installiert hat, ist unerbittlich.<br />

Mitten in <strong>de</strong>r grauen Tabelle leuchtet ein dickes<br />

rotes Rechteck. Ein Verstoß nach Paragraf<br />

8a Fahrpersonalgesetz, festgehalten <strong>auf</strong><br />

<strong>de</strong>r Fahrerkarte s<strong>eine</strong>s Bru<strong>de</strong>rs Franz-Josef.<br />

Passiert ist es bereits am 15. Juli 2010.<br />

„Lenkzeitunterbrechung verkürzt“ lautet die<br />

amtliche Definition <strong>de</strong>s Fehlers <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Bildschirm.<br />

Und Franz-Josef ist entsetzt: „Ich<br />

weiß nicht, wie mir das passieren konnte. Ich<br />

war mir sicher, dass ich genau 45 Minuten<br />

Pause gemacht habe.“<br />

Unverständnis <strong>auf</strong> hohem Niveau – <strong>de</strong>nn<br />

es ist <strong>de</strong>r einzige Verstoß, <strong>de</strong>n Franz-Josef<br />

zwischen Januar und August begangen hat.<br />

Wahrscheinlich hat ihm <strong>de</strong>r digitale Tacho ein<br />

Schnippchen geschlagen. Das Problem ist,<br />

zumin<strong>de</strong>st bei älteren Tachos, bekannt: Das<br />

Auswerten <strong>de</strong>r vom Fahrer im Tacho eingegebenen<br />

Aktivitäten erfolgt in Intervallen von<br />

<strong>eine</strong>r Minute. Wer also vor <strong>de</strong>m „Minutensprung“<br />

los fährt, hat Pech. „Bei Fahrzeugen<br />

mit digitalen Tachos empfiehlt es sich, ein<br />

o<strong>de</strong>r zwei Minuten länger stehen zu bleiben,<br />

um sicher zu sein, dass tatsächlich die volle<br />

Fahrtunterbrechung gezählt wird“, rät Tom<br />

Fiala. „Das passiert mir nicht noch mal“, betont<br />

Franz-Josef. „Wenn ich mir heute ganz<br />

sicher sein will, wie lange ich gestan<strong>de</strong>n habe<br />

o<strong>de</strong>r wie lange ich gefahren bin, mache ich<br />

lieber <strong>eine</strong>n Tagesausdruck.“<br />

Mit <strong>de</strong>r Verordnung (EG) 561/2006 hat<br />

sich die Dokumentationspflicht für die Fahrer,<br />

aber auch für die Unternehmer geän<strong>de</strong>rt.<br />

Statt <strong>de</strong>r vertrauten Tachoscheibe, bei <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>rart minutengenaue Aufzeichnungen auch<br />

für Kontrolleure kaum erkennbar sind, gibt<br />

es für <strong>de</strong>n digitalen Tacho die persönliche<br />

Fahrerkarte, die wie<strong>de</strong>rum nicht ganz ohne<br />

Tücken ist (siehe Seite 78). Sie hält je<strong>de</strong>n<br />

einzelnen Arbeitsschritt unerbittlich fest.<br />

Franz-Josef kennt<br />

sich mit Fahrerkarte und<br />

Tagesausdruck aus.<br />

Fotos I Jan Bergrath<br />

80 FERNFAHRER 11 I 2010


RTE<br />

Für Franz-Josef ist <strong>de</strong>r Umgang mit <strong>de</strong>r<br />

Fahrerkarte längst Routine. „Wenn ich am<br />

Montag <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Hof komme, lege ich zuerst<br />

die Fahrerkarte ein und trage m<strong>eine</strong> Wochenruhezeit<br />

nach. Dann erst mache ich m<strong>eine</strong><br />

Abfahrkontrolle, die ich als Arbeit dokumentiere.<br />

Und am Freitagabend achte ich dar<strong>auf</strong>,<br />

dass <strong>de</strong>r Tacho tatsächlich<br />

<strong>auf</strong> Pause<br />

steht, wenn ich<br />

m<strong>eine</strong> <strong>Karte</strong> rausnehme.<br />

Denn sonst<br />

habe ich ein Problem,<br />

wie ich später<br />

die Arbeitszeit erklären soll. Mein Tacho stellt<br />

sich nämlich nicht automatisch <strong>auf</strong> Pause.“<br />

Grundsätzlich ist je<strong>de</strong>r Fahrer für s<strong>eine</strong><br />

Fahrerkarte verantwortlich. „Nur wenn Franz-<br />

Josef sicher ist, dass kein an<strong>de</strong>rer Fahrer mit<br />

<strong>de</strong>m Lkw fährt, kann er s<strong>eine</strong> Fahrerkarte im<br />

Harald Jansen (re.) zeigt s<strong>eine</strong>m Bru<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n einzigen Verstoß in acht Monaten.<br />

Wir haben uns auch vor <strong>de</strong>m<br />

digitalen Tacho immer an die<br />

Lenk- und Ruhezeiten gehalten<br />

Tacho stecken lassen“, warnt Schell. „Ist er<br />

nicht sicher, ist es besser, die Fahrerkarte<br />

herauszunehmen und <strong>de</strong>n Tacho <strong>auf</strong> „Out“<br />

zu stellen. Dann kann <strong>de</strong>r Lkw <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Betriebsgelän<strong>de</strong><br />

von <strong>eine</strong>m Dritten auch ohne<br />

Fahrerkarte zum Beispiel in die Werkstatt<br />

o<strong>de</strong>r die Waschstraße bewegt wer<strong>de</strong>n. Denn<br />

dieser Dritte wie<strong>de</strong>rum darf die Fahrerkarte<br />

nicht selbst aus <strong>de</strong>m Tacho nehmen.“<br />

Einige Transportunternehmen beschäftigen<br />

mittlerweile „Bela<strong>de</strong>r“, die <strong>de</strong>n Lkw<br />

beim Kun<strong>de</strong>n vorla<strong>de</strong>n, während <strong>de</strong>r Fahrer<br />

Pause macht. Hier ist es möglich, <strong>de</strong>n Tacho<br />

<strong>auf</strong> „Out“ zu stellen. „Ein Zentrallager o<strong>de</strong>r<br />

ein Werk ist ein<br />

nicht öffentliches<br />

Gelän<strong>de</strong>, sodass im<br />

Grun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Fahrer<br />

selbst, <strong>de</strong>r dort<br />

entlädt, <strong>de</strong>n Tacho<br />

<strong>auf</strong> „Out“ stellen<br />

könnte“, erläutert Schell – aber nur, wenn die<br />

Fahrt nicht Bestandteil <strong>eine</strong>r Tageslenkzeit<br />

ist. „Allerdings muss er die Arbeitszeit dann<br />

beim Verlassen <strong>de</strong>s Werks nachtragen. Einen<br />

großen Vorteil bringt ihm das nicht, <strong>de</strong>nn bei<br />

<strong>eine</strong>r Kontrolle stellt sich immer die Frage,<br />

wer das Fahrzeug ohne <strong>Karte</strong> bewegt hat.“<br />

Franz-Josef kennt selbst Fahrer, die <strong>auf</strong><br />

<strong>de</strong>m Werksgelän<strong>de</strong> die <strong>Karte</strong> rausnehmen,<br />

<strong>de</strong>n Tacho <strong>auf</strong> „Out“ stellen und dann selber<br />

entla<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r sogar damit prahlen, <strong>eine</strong><br />

zweite Fahrerkarte zu nutzen. Gerne von Aushilfsrentnern,<br />

die nur zu diesem Zweck ihre<br />

<strong>Karte</strong> zur Verfügung stellen. „Diese Kollegen,<br />

die meist schimpfen, dass sie mit <strong>de</strong>n Lenkzeiten<br />

nicht hinkommen, sind mit Schuld,<br />

wenn sich an <strong>de</strong>n Arbeitsbedingungen <strong>de</strong>r<br />

Fahrer nichts än<strong>de</strong>rt“, sagt Franz-Josef. „Ich<br />

kann das nicht nachvollziehen. Wir Fahrer<br />

sollten uns alle einfach nur an die gelten<strong>de</strong>n<br />

Gesetze halten. Also zum Beispiel Arbeit als<br />

Arbeit dokumentieren und<br />

nicht als Pause. Ich <strong>de</strong>nke,<br />

ich habe bewiesen, dass es<br />

gut möglich ist, ohne <strong>eine</strong>n<br />

nennenswerten Verstoß zu<br />

fahren, wenn die Touren<br />

richtig geplant wer<strong>de</strong>n.“<br />

Je<strong>de</strong>n Freitagnachmittag<br />

liest Harald Jansen die<br />

Fahrerkarten aus. Unter<br />

s<strong>eine</strong>n Fahrern ist mittlerweile<br />

ein regelrechter<br />

Wettbewerb entstan<strong>de</strong>n,<br />

wer die wenigsten Verstöße<br />

hat. Immer geht es<br />

nur um wenige Minuten.<br />

Sein zweitbester Mann<br />

Das Prüfprogramm<br />

von Zauner wertet<br />

die Daten <strong>de</strong>r Fahrerkarte<br />

minutengenau aus.<br />

▶<br />

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Praxistipps<br />

Patrick Schell und Tom Fiala (rechts)<br />

bringen die Fakten <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Punkt.<br />

Für die Benutzung <strong>eine</strong>s digitalen<br />

Kontrollgeräts ist die Verwendung<br />

<strong>eine</strong>r Fahrerkarte, <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r alle Aktivitäten<br />

<strong>de</strong>s Fahrers gespeichert wer<strong>de</strong>n,<br />

die maßgebliche Voraussetzung. Die<br />

Fahrerkarte gilt nicht als Betriebsmittel,<br />

die <strong>de</strong>r Arbeitgeber zur Verfügung<br />

stellen muss. Das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht<br />

hat in s<strong>eine</strong>r Entscheidung (AZ.: 9 AZR<br />

170/07) festgelegt, dass ein Lkw-Fahrer<br />

k<strong>eine</strong>n Anspruch dar<strong>auf</strong> hat, die Kosten<br />

für s<strong>eine</strong> persönliche Fahrerkarte vom<br />

Arbeitgeber ersetzt zu bekommen.<br />

Die Fahrerkarte ist fünf Jahre gültig.<br />

Sie kann frühestens ein halbes Jahr vor<br />

Abl<strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Gültigkeit neu beantragt wer<strong>de</strong>n.<br />

Ausnahme: die einmalige Synchronisation<br />

mit <strong>de</strong>m EU-Führerschein.<br />

Die verschie<strong>de</strong>nen Tätigkeiten <strong>de</strong>s Fahrers<br />

können nur bei Stillstand manuell<br />

eingegeben wer<strong>de</strong>n. Bei Fahrtbeginn<br />

schaltet das Gerät automatisch <strong>auf</strong><br />

„Lenkzeit“. Ältere digitale Tachos stellen<br />

bei Stillstand <strong>de</strong>s Lkw automatisch <strong>auf</strong><br />

„an<strong>de</strong>re Arbeit“, neuere Tachos in <strong>de</strong>r<br />

Regel <strong>auf</strong> „Fahrtunterbrechung“.<br />

Je<strong>de</strong>r Fahrer muss s<strong>eine</strong> Fahrerkarte vor<br />

Diebstahl und Fremdverwendung schützen.<br />

Nur wer sicher ist, dass sein Lkw<br />

nicht von <strong>eine</strong>m Dritten genutzt wird,<br />

kann s<strong>eine</strong> Fahrerkarte bei längerer Abwesenheit<br />

im Tacho stecken lassen.<br />

Alle Fahrerkarten wer<strong>de</strong>n in <strong>eine</strong>r europaweiten<br />

Datei gespeichert. Bei Verlust<br />

wird die alte <strong>Karte</strong> ungültig. Derjenige,<br />

<strong>de</strong>r <strong>eine</strong> falsche Fahrerkarte benutzt,<br />

begeht <strong>eine</strong> Straftat nach § 281 StGB<br />

(Benutzung von falschen Ausweispapieren),<br />

<strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r sie zur Verfügung<br />

stellt, begeht dagegen <strong>eine</strong> Ordnungswidrigkeit,<br />

die je 24 Stun<strong>de</strong>n-Zeitraum<br />

250 Euro kostet.<br />

ist sechs Minuten drüber. Allerdings nur<br />

Arbeitszeit, niemals Lenkzeit. Dafür nennt<br />

<strong>de</strong>r erfahrene Chef <strong>eine</strong>n triftigen Grund:<br />

„Wir haben uns schon zu Tachoscheibenzeiten<br />

an die Sozialvorschriften gehalten und<br />

trotz<strong>de</strong>m vernünftige Frachtraten erzielt. Viele<br />

Unternehmen haben die Fahrer dagegen<br />

praktisch rund um die Uhr gescheucht – und<br />

haben jetzt mit <strong>de</strong>m digitalen Tacho ein riesiges<br />

Problem.“<br />

FERNFAHRER 11 I 2010 Ihr persönliches FERNFAHRER-Archiv: Co<strong>de</strong> unter xnip.com eingeben o<strong>de</strong>r SMS an 4 24 44 (Normaltarif)<br />

81<br />

XNiP Co<strong>de</strong> FBT3QK schicken. Eine ausführliche Erklärung fin<strong>de</strong>n Sie unter www.fernfahrer.<strong>de</strong>/xnip sowie <strong>auf</strong> Seite 12

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