Revierkurier
Revierkurier
Revierkurier
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
B 47654 Ausgabe Nr. 4 • Dezember 2013<br />
<strong>Revierkurier</strong><br />
Herausgeber: Bayerischer Jagdverband<br />
n Vergrämung des Kormorans<br />
Liebe Jägerinnen<br />
und Jäger,<br />
verehrte Freunde<br />
der Jagd,<br />
einen besonders starken Partner<br />
im Kampf gegen das Wildunfallgeschehen<br />
haben wir im<br />
ADAC, dem zweitgrößten Automobilclub<br />
der Welt. Das zeigte<br />
sich eindrucksvoll kürzlich auf<br />
der Fachtagung „Sicherheit für<br />
Mensch und Tier“ in der Münchner<br />
Club-Zentrale. Wildbiologen<br />
und Verkehrsfachleute gaben<br />
einen Einblick in neueste Erkenntnisse<br />
und Entwicklungen. Auch<br />
ADAC-Präsident Peter Meyer und<br />
DJV-Präsident Hartwig Fischer<br />
sowie Präsidenten von Landesjagdverbänden<br />
beteiligten sich an<br />
den Diskussionen.<br />
Neben den bekannten Vermeidungsstrategien<br />
wie Duftzäune<br />
und Reflektoren beeindruckten<br />
besonders die Entwicklungen von<br />
elektronisch gesteuerten Wechselverkehrszeichen,<br />
die sogar<br />
unmittelbar anwechselndes Wild<br />
signalisieren. So konnten Unfallrückgänge<br />
von 90 Prozent und<br />
mehr erzielt werden. Was mir auffiel<br />
bei den Diskutanten: Sprüche<br />
wie „Es gibt zuviel Wild“ oder<br />
„Noch mehr schießen“ fehlten<br />
völlig. Ideologiefreie und zivilisierte<br />
Mitteleuropäer eben.<br />
Prof. Dr. Jürgen Vocke, Präsident<br />
des Bayerischen Jagdverbandes<br />
Mit Tarnnetz und<br />
Lockvogel<br />
Der Kormoran – vor 100 Jahren bei uns fast ausgerottet – hat sich<br />
mittlerweile so stark vermehrt, dass er zu einem Problemvogel geworden<br />
ist. Zu seiner Regulierung können auch die Jäger beitragen. Wie<br />
am besten dabei vorzugehen ist, erläutern Tobias Küblböck von der<br />
Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Fischerei,<br />
sowie Matthias Ruff vom Bayerischen Landesamt für Umwelt.<br />
Im Bereich der Fischerei kann der Kormoran,<br />
der sich ausschließlich von<br />
Fischen ernährt, zu ökologischen Beeinträchtigungen<br />
der Fischfauna der<br />
freien Gewässer führen und im Extremfall<br />
die Existenz teichwirtschaftlicher<br />
Betriebe gefährden. Beispielsweise<br />
sind in der Karpfenteichwirtschaft Verluste<br />
von 50 Prozent bis hin zu Totalverlusten<br />
möglich. Neben präventiven<br />
Abwehrmaßnahmen, die häufig teuer,<br />
aufwändig und nicht immer wirkungsvoll<br />
sind, spielt die Vergrämung<br />
von Kormoranen durch Abschuss die<br />
wichtigste Rolle. Diese Methode erfordert<br />
jagdstrategisches Geschick, Engagement<br />
und einen regen Austausch<br />
mit Fischern, Jagdgenossen und Reviernachbarn.<br />
Der Aufwand hält sich<br />
jedoch in Grenzen, wenn einige nachfolgende<br />
Punkte beherzigt werden.<br />
Der bayernweite Brutbestand des<br />
Kormorans schwankt in den letzten<br />
Jahren um rund 600 Brutpaare. Im Jahr<br />
2013 waren es 552 Brutpaare, die sich<br />
auf 14 Brutkolonien verteilten. Kormorane<br />
brüten bevorzugt gemeinschaftlich<br />
in Kolonien in ungestörten<br />
Bereichen größerer Gewässer. Bayerns<br />
größte Kolonien befinden sich nördlich<br />
von München am Ismaninger Speichersee<br />
mit 94 Brutpaaren und am Chiemsee<br />
mit 77 Brutpaaren.<br />
Zwar können auch die bayerischen<br />
Kormorane lokal Probleme verursachen,<br />
gemessen an der großen Zahl<br />
von Durchzüglern und Wintergästen<br />
spielen unsere Jahresvögel aber nur<br />
eine kleine Rolle. Seit einigen Jahren<br />
führen der Landesbund für Vogelschutz<br />
in Bayern und der Landesfischereiverband<br />
Bayern gemeinsam Zählungen<br />
der überwinternden Kormorane durch.<br />
Etwa 6.000 bis 8.000 Stück überwintern<br />
jährlich in Bayern. Diese Vögel<br />
stammen hauptsächlich aus Skandinavien<br />
und dem Ostseeraum. Etwa zwischen<br />
Oktober und November treffen<br />
sie in Bayern ein und sammeln sich an<br />
gemeinsamen Schlafplätzen entlang
Kormoranvergrämung<br />
Wichtig bei allen Vergrämungsmaßnahmen<br />
ist eine gute Tarnung. Ideal sind<br />
Tarnnetze und Tarnanzüge. Sie sollten<br />
jedoch dem Schützen genug Sicht- und<br />
Bewegungsfreiheit bieten.<br />
Foto: B. Diercks<br />
von Flüssen und an Seen. Im März<br />
und April treten sie dann wieder ihren<br />
Rückzug an.<br />
Ähnlich hoch wie die Winterbestände<br />
sind die Abschusszahlen – in der Saison<br />
2012/13 wurden in Bayern 7.283<br />
Kormorane erlegt, rund 38 Prozent davon<br />
an Teichen.<br />
Der Kormoran ist als europäische<br />
Vogelart zwar besonders geschützt (§<br />
7 Abs. 2 Nr. 13 BNatSchG), allerdings<br />
ermöglicht die kürzlich bis 2017 verlängerte,<br />
artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung<br />
(AAV) zur Abwehr<br />
erheblicher fischereiwirtschaftlicher<br />
Schäden und zum Schutz der heimischen<br />
Tierwelt den bayernweiten<br />
Abschuss von Kormoranen in der Zeit<br />
vom 16. August bis 14. März (bis 31.<br />
März an geschlossenen Gewässern) im<br />
Umkreis von 200 Metern um Gewässer<br />
mit Ausnahme von Naturschutzgebieten,<br />
Nationalparken und europäischer<br />
Vogelschutzgebieten. Darüber hinaus<br />
gelten für viele Regionen weitergehende<br />
Regelungen. So wurden von<br />
den Regierungsbezirken Allgemeinverfügungen<br />
erlassen. Demnach können<br />
zum Beispiel Jungvögel außerhalb<br />
der Schutzgebiete in Mittelfranken<br />
ganzjährig erlegt werden. Jungvögel<br />
unterscheiden sich deutlich von den<br />
tiefschwarz gefärbten Altvögeln durch<br />
einen weißen Bauch und eher dunkelbraunem<br />
Gefieder.<br />
Insgesamt werden diese Regelungen<br />
von Seiten der Fischerei als sehr hilfreich<br />
bei der Abwehr von Schäden empfunden,<br />
lediglich in manchen Schutzgebieten<br />
wird mehr Handlungsspielraum<br />
gefordert.<br />
Wichtig ist, alle Schlafbäume<br />
zu kennen<br />
Grundsätzlich ist zu unterscheiden<br />
zwischen der letalen Vergrämung<br />
durch den Abschuss von Durchzüglern<br />
während des Herbst- und Frühjahrszugs<br />
an den Schlaf- und Ruheplätzen<br />
und der unmittelbaren Abwehr von<br />
Kormoranen an fraßgefährdeten Gewässern.<br />
Ziel der Vergrämung während des<br />
Durchzugs ist es, ein bestimmtes Gebiet<br />
durch koordinierte Abschüsse für<br />
durchziehende Kormorane „unattraktiv“<br />
zu machen. Ein Verweilen von größeren<br />
Kormoranschwärmen soll damit<br />
verhindert werden. Notwendig ist hierzu<br />
die Kenntnis aller Schlafbäume und<br />
Ruheplätze dieser Vögel in einem Gebiet.<br />
Diese Informationen sollten an<br />
einem Punkt zusammenlaufen, damit<br />
bei einer Verhaltensänderung der Kormorane<br />
– zum Beispiel bei Verlagerung<br />
auf einen anderen Schlafplatz – sofort<br />
reagiert werden kann. Die Schlafplätze<br />
werden im Oktober und November<br />
von den ankommenden Durchzüglern<br />
besetzt. Sie befinden sich immer an<br />
Gewässern, etwa an hohen Baumreihen<br />
entlang von Flüssen oder an ruhigen<br />
Waldrändern einer Teichkette.<br />
Kormorane suchen ihren Schlafplatz<br />
meist truppweise im Laufe des späten<br />
Nachmittags auf. In der Abenddämmerung,<br />
wenn alle Tiere eingefallen<br />
sind, geht man mit wenigen, guten<br />
Schützen die Kormorane gedeckt an.<br />
Diese Methode ist mit relativ wenig<br />
Zeitaufwand und hoher Effektivität zu<br />
bewerkstelligen. Ist dies mangels ausreichender<br />
natürlicher Deckung nicht<br />
möglich, so können verblendete Stände<br />
errichtet werden, die frühzeitig vor<br />
dem Einfallen der ersten Kormorane<br />
bezogen werden.<br />
Kann im Idealfall bereits wenige<br />
Tage nach der Gründung eines Schlafplatzes<br />
vergrämt werden, so ist häufig<br />
der Abschuss von nur wenigen Tieren<br />
ausreichend, um eine anhaltende Vergrämungswirkung<br />
zu erzielen. Wenn<br />
zu viel Zeit verstreicht, bis mit der Vergrämung<br />
begonnen wird, so ist der<br />
Schlafplatz bereits etabliert und fest<br />
im Tagesablauf der Kormorane „abgespeichert“.<br />
Eine Vergrämung muss<br />
dann deutlich hartnäckiger und zeitintensiver<br />
erfolgen, um den gewünsch-<br />
n 2 <strong>Revierkurier</strong> 4/2013
Kormoranvergrämung<br />
Foto: D. Hopf<br />
Der Kormoran ernährt sich ausschließlich<br />
von Fischen. Er kann sowohl in freien Gewässern<br />
als auch in Teichen ökologische<br />
wie wirtschaftliche Schäden verursachen.<br />
Etwa 6.000 bis 8.000 Kormorane<br />
überwintern jährlich an<br />
Bayerns Gewässern.<br />
ten Effekt zu erreichen. Sobald die<br />
Zugzeit beginnt, sollten sowohl die<br />
aus den Vorjahren bekannten Stellen<br />
als auch sämtliche in Frage kommende<br />
Gewässer im Revier in der Abenddämmerung<br />
auf entstehende Schlafplätze<br />
hin abgesucht werden. Wichtig ist<br />
es, nach einer erfolgreichen Vergrämung<br />
an einem Schlafplatz auch die<br />
übrigen Schlafplätze und die Gewässer<br />
im Auge zu behalten. Ratsam ist eine<br />
Abstimmung mit den Reviernachbarn<br />
oder besser noch eine landkreisweite<br />
Koordination.<br />
Beim Abschuss von Kormoranen<br />
an Teichanlagen, die die Vögel regelmäßig<br />
aufsuchen, können Teichwirte<br />
und Jäger eng zusammenarbeiten.<br />
Es können beispielsweise Ansitzeinrichtungen<br />
geschaffen werden, die<br />
möglichst gedeckt vom Jäger erreicht<br />
werden können. Die Wahl der Standplätze<br />
sollte genau überlegt sein.<br />
Stangen oder starke Äste knapp über<br />
der Wasseroberfläche, die den Kormoran<br />
zum Trocknen einladen, können<br />
dazu beitragen, die Tiere in eine<br />
günstige Schussposition zu bringen.<br />
Für den Schrotschuss sollte die Entfernung<br />
der Sitzstangen zum Ansitzschirm<br />
etwa 15 bis 25 Meter betragen.<br />
Zu bedenken ist, dass kein Bleischrot<br />
verwendet werden darf. Schrotgrößen<br />
von 3 bis maximal 3,5 Millimeter<br />
bieten einen guten Kompromiss<br />
aus Deckung und Durchschlagskraft.<br />
Kann eine Gefährdung des Umlandes<br />
durch einen entsprechenden Kugelfang<br />
ausgeschlossen werden, kommt<br />
auch der Schuss mit der Büchse in<br />
Frage. Mit schnellen, kleinen Kalibern<br />
– zum Beispiel .17 HMR, .222<br />
Rem. (mag.), .223, .22-250 Rem oder<br />
5,6x50 R mag. – sind aus der entsprechenden<br />
Waffe, ausgestattet mit stark<br />
vergrößerndem variablen Zielfernrohr<br />
und feinem Absehen, präzise Schüsse<br />
auch auf größere Distanzen möglich.<br />
Die Verwendung von sich zerlegenden<br />
Varmint-Geschossen verringert zusätzlich<br />
das Risiko der Hinterlandgefährdung.<br />
Bei sehr leichten Geschossen ist<br />
eine mögliche Abweichung der Treffpunktlage<br />
durch Windabdrift zu berücksichtigen.<br />
Beim Kormoranabschuss<br />
an Gewässern muss ein brauchbarer<br />
Jagdhund zur Verfügung stehen, er<br />
erleichtert zudem die Bergung der erlegten<br />
Tiere.<br />
Wichtig bei sämtlichen Vergrämungsmaßnahmen<br />
mit der Waffe ist<br />
eine gute Tarnung. Tarnanzüge, die<br />
den kompletten Körper bedecken, sind<br />
mittlerweile im Jagdfachhandel in großer<br />
Auswahl erhältlich. Empfehlenswert<br />
ist die Verwendung von tarnender<br />
Gesichts- und Kopfbedeckung. Selbst<br />
langsame Bewegungen werden von<br />
den Kormoranen bei entsprechender<br />
Tarnung nicht wahrgenommen. Ansitzschirme<br />
können entweder fertig gekauft<br />
oder selbst aus Stangen mit Tarnnetzen,<br />
Reisig, Schilfmatten oder Strohballen<br />
errichtet werden. Wichtig ist hierbei,<br />
ausreichend Sicht- und Bewegungsfreiheit<br />
für die Schützen einzuplanen.<br />
Kormoranattrappen aus Plastik können<br />
die Attraktivität eines Gewässers<br />
erhöhen, und bei großen Wasserflächen<br />
können einfallende Kormorane<br />
damit in einen für den Schuss günstigen<br />
Bereich gelenkt werden. Die<br />
Lockvögel gibt es schwimmend und<br />
sitzend mit und ohne ausgebreitete<br />
Schwingen. Sie signalisieren den lebenden<br />
Artgenossen einen sicheren<br />
Ruhe- oder Fraßplatz. Ergänzen kann<br />
man das Lockbild mit einer Reiherattrappe,<br />
die zusätzlich Vertrauen fördert<br />
und auch einmal beschossene<br />
Vögel schneller zum erneuten Einfallen<br />
bewegen kann. Die Lockvögel sollen<br />
rechtzeitig vor dem Anflug der Kormorane<br />
und möglichst realitätsgetreu auf<br />
den Sitzstangen oder Bäumen drapiert<br />
werden. Drei bis acht Lockvögel sollten<br />
ausreichen.<br />
INFO<br />
Alle Rechtsgrundlagen sind im Internet<br />
zu finden unter www.lfu.bayern.<br />
de, Menüpunkt „Natur“, „Vogelmonitoring“,<br />
„Kormoran“, oder können<br />
am Landratsamt erfragt werden.<br />
Ansprechpartner: Tobias Küblböck,<br />
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft<br />
(LfL), Institut für Fischerei,<br />
Tel.: 09193/5089014, E-Mail: Tobias.<br />
Kueblboeck@LfL.bayern.de<br />
Matthias Ruff, Bayerisches Landesamt<br />
für Umwelt (LfU), Fisch- und<br />
Gewässerökologie, Dienststelle Wielenbach,<br />
Tel.: 0881/185-114, E-Mail:<br />
matthias.ruff@lfu.bayern.de<br />
Foto: G. Paulhuhn/piclease<br />
<strong>Revierkurier</strong> 4/2013 3 n
Wildernährung<br />
n Mehr Kitze durch Fütterung?<br />
Ein Wintermärchen<br />
Foto: M. Breuer<br />
Um Wildschäden gering zu halten, fordern die Grundeigentümer, die<br />
Wildarten Reh- und Schwarzwild durch intensive Bejagung auf möglichst<br />
niedrigem Bestand zu halten. In diesem Zusammenhang wird oft<br />
auch das Füttern der Rehe im Winter kritisiert, da die über das Futter<br />
zugeführte Energie in eine erhöhte Nachkommensrate umgesetzt werde.<br />
Stimmt das überhaupt? Nein, sagt Dr. Josef Bauer, Vorsitzender des<br />
Ausschusses für Wildkrankheiten und Wildernährung des Bayerischen<br />
Jagdverbandes, und vermittelt dazu einen Einblick in das Reproduktionsgeschehen<br />
von Wildtieren.<br />
Gesteuert werden Ovulation – also<br />
der Eisprung –, Einnisten der befruchteten<br />
Eier in die Gebärmutter und<br />
das Austragen der Frucht durch spezifisch<br />
wirkende Hormone. Hormone<br />
sind Stoffwechselprodukte von Drüsen,<br />
die über die Blutbahn an die Erfolgsorgane,<br />
zum Beispiel die Eierstöcke, gelangen<br />
und dort bestimmte Reaktionen<br />
auslösen. Sichtbare Zeichen sind unter<br />
anderem Brunft, Begattung und Trächtigkeit.<br />
Bei einem geschlechtsreifen gesunden<br />
weiblichen Stück Rehwild zum<br />
Beispiel besteht bei den verschiedenen<br />
Hormonen eine ausgesprochene Hierarchie<br />
und gegenseitige Steuerung.<br />
Die Vermehrung hat aus der Sicht der<br />
Natur einen hohen Stellenwert, geht<br />
es doch um die Arterhaltung. Eine Beeinflussung<br />
durch Umweltfaktoren wie<br />
beispielsweise die Ernährung ist außer<br />
in Extremsituationen aber nicht gegeben.<br />
So eine Extremsituation wäre<br />
zum Beispiel die Hungersterilität. Das<br />
Überleben des Einzelindividuums hat<br />
nämlich einen höheren Stellenwert als<br />
die Arterhaltung. Unter den Gegebenheiten<br />
der freien Wildbahn kann eine<br />
Hungersterilität wie auch das Gegenteil,<br />
eine Maststerilität, ausgeschlossen<br />
werden. Ganz wesentlich aber ist, dass<br />
sich die Nachkommenzahl pro Wurf<br />
tierartspezifisch in engen biologischen<br />
Grenzen hält. Es wäre deshalb ein Fehler,<br />
für Reh- und Schwarzwild die gleichen<br />
Maßstäbe anzusetzen.<br />
Beim Reh haben wir es mit einer<br />
Wildart zu tun, die in der Regel pro<br />
Wurf zwei Kitze setzt – sehr selten drei<br />
–, Erstgebärende meist nur eines. Ein<br />
Ernährungseinfluss zur Zeit der Brunft<br />
von Juli bis August etwa mit einer zusätzlichen<br />
Futtergabe ist deshalb unrealistisch<br />
und auch nicht erlaubt. Eine<br />
Fütterung in der winterlichen Notzeit<br />
kann die Reproduktionsrate körperlich<br />
gesunder Stücke also nicht mehr beeinflussen.<br />
Ein Hinweis aus der landwirtschaftlichen<br />
Rinderhaltung kann<br />
zur Veranschaulichung beitragen: Vor<br />
allem durch eine bessere Fütterung<br />
wiegen ausgewachsene Kühe heutzu-<br />
n 4 <strong>Revierkurier</strong> 4/2013
Wildernährung<br />
tage 750 bis 800 Kilogramm, sie sind<br />
um bis zu 50 Prozent schwerer als die<br />
Exemplare der gleichen Rasse vor über<br />
50 Jahren. Damals wie heute war beziehungsweise<br />
ist immer noch nur ein<br />
Kalb pro Geburt die Regel.<br />
Nachdem Rehkitze in den letzten<br />
Wochen vor dem Setzen stark wachsen<br />
– das trifft für alle Säugetiere gleichermaßen<br />
zu – besteht ausgangs<br />
des Winters ein relativ hoher Nährstoffbedarf.<br />
Mangelt es in diesem<br />
Zeitabschnitt an artgerechter Äsung<br />
beziehungsweise Futter, werden Körperreserven<br />
der Geiß beansprucht und<br />
schwächt sie daher auch. Mit einsetzender<br />
Vegetation wird dieses Defizit<br />
wieder ausgeglichen. Als Schlussfolgerung<br />
ergibt sich, dass durch die Fütterung<br />
in der winterlichen Notzeit die<br />
Zahl der Kitze pro Wurf nicht erhöht<br />
wird. Wenn Gegenteiliges behauptet<br />
wird, so ist das folglich ein untauglicher<br />
Versuch, Argumente gegen die<br />
Fütterung vorzubringen. Ideologisch<br />
eingefärbte Standpunkte dürfen in<br />
diesem sexualphysiologischen Themenkomplex<br />
keinen Platz haben. Laut<br />
wissenschaftlichen Untersuchungen<br />
kann mit durchschnittlich 1,1 Kitzen<br />
ab Beginn der Jagdzeit für jedes an der<br />
Reproduktion teilgenommene weibliche<br />
Stück gerechnet werden. In den<br />
Monaten Mai und Juni in diesem Jahr<br />
2013 mit der langanhaltenden nasskalten<br />
Witterung waren die Kitzverluste<br />
durch Unterkühlung eindeutig höher.<br />
Beim Schwarzwild stellt sich das<br />
Vermehrungsgeschehen deutlich anders<br />
dar. Das Wildschwein zählt zu den<br />
mehrgebärenden Tierarten mit vier bis<br />
acht Frischlingen pro Wurf, und im<br />
Vergleich zum Reh ist die Tragezeit mit<br />
nur 116 bis 120 Tagen relativ kurz.<br />
Aus Sicht der Populationsdynamik<br />
besteht bei allen höheren Säugetieren<br />
eine negative Korrelation zwischen<br />
Vermehrungsrate und Lebensdauer.<br />
Das heißt, je kürzer die Lebensdauer<br />
um so höher die Nachkommenzahl<br />
pro Wurf und umgekehrt – eine<br />
sinnvolle Einrichtung der Natur. Eine<br />
gleiche Beziehung besteht zwischen<br />
Trächtigkeitsdauer und Wurfgröße.<br />
Bei gleichen endokrinologischen, das<br />
heißt hormongesteuerten Abläufen<br />
bestehen jedoch artspezifische Unterschiede.<br />
Nachdem das Hausschwein<br />
vom Wildschwein abstammt, ist zum<br />
besseren Verständnis ein Vergleich<br />
durchaus angebracht.<br />
Deutlich andere Situation<br />
bei Wildschweinen<br />
Als mehrgebärende Tierart hängt<br />
die Wurfgröße stark von der Ovulationsrate<br />
ab und diese wird nachweislich<br />
von der Höhe der Nährstoffversorgung<br />
– vor allem vor der Rausche – beeinflusst.<br />
Eine gute Versorgung bedeutet<br />
mehr befruchtungsfähige Eier pro<br />
Rausche. In der landwirtschaftlichen<br />
Ferkelerzeugung macht man sich diesen<br />
Effekt zu Nutze, indem vor der<br />
Rausche das Fütterungsniveau angehoben<br />
wird. Man spricht hier vom so<br />
genannten flushing-effect. Auch ist<br />
wesentlich, dass bei einer guten Versorgung<br />
weibliche Stücke ab einem Lebendgewicht<br />
von etwa 25 Kilogramm<br />
– Frischlinge und Überläufer – bereits<br />
beschlagen werden können. Das Lebendgewicht<br />
hat nämlich hier auf die<br />
Entwicklung der Sexualfunktion einen<br />
größeren Einfluss als das Alter.<br />
Für Schwarzwildpraktiker ist das<br />
nichts Neues. Jahre mit ausgeprägter<br />
Eichel- und Bucheckernmast haben<br />
größere Würfe zur Folge, und es gibt<br />
mehr Frischlingsbachen. Unter den<br />
heute meist günstigen Ernährungsbedingungen<br />
ist über viele Monate des<br />
Jahres in der Feldflur reichlich Fraß<br />
vorhanden. Zum Beispiel ist Mais bekanntlich<br />
eine Lieblingsspeise des<br />
Schwarzwildes. Aus jagdlicher Sicht –<br />
in Bezug auf den Wildschaden – kann<br />
diese nicht erfreuliche Entwicklung<br />
durch eine unsachgerechte Kirrung<br />
noch gefördert werden. Kirrung ist hilfreich,<br />
um leichter zu Schuss zu kommen.<br />
Das rechte Maß und die richtige<br />
Strategie sind gefragt. Nicht umsonst<br />
heißt die Empfehlung: Maximal ein Kilogramm<br />
Körner pro Kirrstelle und pro<br />
100 Hektar nicht mehr als eine Kirrung.<br />
Das Ausbringen von großen Mengen<br />
Kirrmaterial ist in jeder Hinsicht kontraproduktiv,<br />
es fördert bei den Wildschweinen<br />
die Nachkommenzahl und<br />
senkt den Jagderfolg. Eine Absprache<br />
mit den Reviernachbarn über Ort und<br />
Zahl der Kirrstellen kann sehr wohl<br />
hilfreich sein.<br />
Zusammenfassend heißt das also,<br />
dass der Ernährungseinfluss auf die<br />
Nachkommenrate beim Reh nicht gegeben<br />
beziehungsweise marginal ist,<br />
beim Schwarzwild allerdings liegt dies<br />
völlig anders. Es verbietet sich daher,<br />
für beide Wildarten die gleichen<br />
Schlussfolgerungen zu ziehen. n<br />
Eine Fütterung in der Notzeit kann die<br />
Reproduktionsrate beim Rehwild nicht<br />
mehr beeinflussen.<br />
Foto: M. Migos<br />
<strong>Revierkurier</strong>4/2013 5 n
Waffengesetz<br />
Es gibt viele Gründe, warum die<br />
zuständigen Behörden die Ersterteilung<br />
oder Verlängerung des Jagdscheins<br />
verwehren. Einige von ihnen<br />
sind unmittelbar nachvollziehbar, andere<br />
weniger. Wenn jemand alkoholabhängig<br />
oder abhängig von anderen<br />
berauschenden Mitteln ist, psychisch<br />
krank oder debil ist, dann leuchtet es<br />
ein, dass dieser Personenkreis im Sinne<br />
der allgemeinen Sicherheit ein Gutachten<br />
über seine persönliche Eignung im<br />
Umgang mit Schusswaffen und Munition<br />
vorlegen muss. Wie sieht es aber<br />
zum Beispiel mit der Interpretation folgender<br />
rechtlicher Rahmenbedingung<br />
nach Paragraph 6 des Waffengesetzes<br />
aus: „Die erforderliche persönliche<br />
Eignung besitzen Personen nicht,<br />
wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen,<br />
dass sie auf Grund in der Person<br />
liegender Umstände mit Waffen<br />
oder Munition nicht vorsichtig oder<br />
sachgemäß umgehen oder diese Gen<br />
Persönliche Eignung im Waffengesetz<br />
Wenn der Jagdschein<br />
in Gefahr ist<br />
Bei der Erteilung eines Jagdscheins, der ja mit der Besitzerlaubnis<br />
für Schusswaffen verbunden ist, wird in der<br />
Bundesrepublik Deutschland zu Recht ein strenger Maßstab<br />
angelegt. Sogar die Persönlichkeit des Antragsstellers<br />
spielt dabei eine wichtige Rolle. Nicht selten werden<br />
hierzu fachpsychologische Gutachten über die geistige<br />
Eignung und die persönliche Zuverlässigkeit angefordert.<br />
Diplom-Psychologe Michael Kraus schildert, was der<br />
Antragsteller dabei beachten sollte<br />
Foto: V. Klimke<br />
genstände nicht sorgfältig verwahren<br />
können oder dass die Gefahr einer<br />
konkreten Fremd- oder Selbstgefährdung<br />
besteht“?<br />
Fundiertes psychologisches<br />
Wissen des Gutachters gefragt<br />
Aus der Gutachterpraxis ist bekannt,<br />
dass schon so mancher Nachbarschaftsoder<br />
Familienstreit die Behörden dazu<br />
bewogen hat, den Jagdscheininhaber<br />
gründlich zu „durchleuchten“.<br />
Häufig sind in solchen Fällen die Betroffenen<br />
mit Falschaussagen und Verleumdungen<br />
konfrontiert, und wenn<br />
sie sich dagegen zu Wehr setzen, werden<br />
sie oft auch noch als „querulantorische<br />
Persönlichkeit“ stigmatisiert.<br />
In solchen Fällen ist dann guter Rat<br />
teuer und die Betroffenen wissen oftmals<br />
nicht, an welchen Gutachter sie<br />
sich wenden sollen, um ihre in Frage<br />
gestellte persönliche Eignung überprüfen<br />
zu lassen. Nicht selten landen sie<br />
dann bei den Begutachtungsstellen für<br />
Fahreignung, da die Berufsgruppe der<br />
Fachpsychologen für Verkehrspsychologie<br />
berechtigt ist, solche Gutachten<br />
erstellen zu dürfen. Das Problem in solchen<br />
Fällen ist dann, dass im Rahmen<br />
der Begutachtung die strengen Regeln<br />
und Vorschriften des Straßenverkehrs<br />
Anwendung finden. Somit aber ist die<br />
Untersuchung falsch angelegt und die<br />
Betroffenen könnten dadurch ein zu<br />
Unrecht negatives Gutachten erhalten.<br />
Das Problem bei fachärztlichen Gutachten<br />
liegt meist darin, dass sie viel<br />
zu kurz gehalten und oftmals nicht<br />
stimmig begründet sind und somit der<br />
zuständigen Behörde nicht als Entscheidungsgrundlage<br />
dienen können.<br />
Aus diesem Grund ist wichtig, dass<br />
sich die betroffenen Jäger an Gutachter<br />
wenden, die die erforderliche Sachkunde<br />
für Begutachtungen auf diesem<br />
Gebiet besitzen.<br />
n 6 <strong>Revierkurier</strong> 4/2013
Waffengesetz<br />
Folgendes Beispiel soll die Wichtigkeit<br />
der Sachkunde betonen. Man<br />
stelle sich zum Beispiel mal einen selbstständigen<br />
Handwerker mit zehn Angestellten<br />
vor, dessen leidenschaftliches<br />
Hobby die Jagd ist. Dieser Handwerksbetrieb<br />
hat nun einen größeren Auftrag<br />
bekommen. Er soll die Heizungsanlage<br />
eines Gebäudekomplexes sanieren.<br />
So groß die Freude bezüglich des Auftrages<br />
war, desto größer ist später die<br />
Ernüchterung. Die Zahlungen für den<br />
fertiggestellten Auftrag verzögern sich,<br />
laufen schleppend. Der Handwerksbetrieb<br />
hat aber seine Betriebs- und Personalkosten<br />
monatlich zu entrichten<br />
und auch die Forderungen des Finanzamtes<br />
sind regelmäßig zu bedienen,<br />
auch mit Vorauszahlungen. Nicht selten<br />
ist dann manchmal das Ende vom<br />
Lied, dass der Handwerksbetrieb Insolvenz<br />
anmelden muss.<br />
Man wird sich jetzt fragen, was das<br />
mit der Jagdleidenschaft des Handwerkers<br />
zu tun hat? Nun, die Anmeldung<br />
der Insolvenz hat im vorliegenden Fall<br />
den Staatsanwalt auf den Plan gerufen,<br />
der ein Strafverfahren wegen einer<br />
verschleppten Insolvenz ins Rollen<br />
bringt. Jetzt hat der rechtschaffende<br />
Handwerksmeister mit seinem Betrieb<br />
und zehn Angestellten gleich mehrere<br />
Probleme am Hals. Wird er nämlich<br />
rechtskräftig zu 90 Tagessätzen<br />
verurteilt, erhält er eine Eintragung im<br />
Bundeszentralregister. Was sagt das<br />
Waffengesetz nun dazu? „Der persönlichen<br />
Eignung können auch im<br />
Erziehungsregister eingetragene Entscheidungen<br />
oder Anordnungen nach<br />
§ 60 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 des Bundeszentralregisters<br />
entgegenstehen.“ Aufgrund<br />
dieses Sachverhaltes muss sich<br />
der Handwerker nun auch noch einer<br />
Begutachtung seiner persönlichen<br />
Eignung unterziehen, wenn er seinen<br />
Jagdschein behalten will. Die Beurteilung<br />
der persönlichen Eignung einer<br />
Person setzt aber ein fundiertes psychologischen<br />
Fachwissen voraus, um<br />
feststellen zu können, ob die von der<br />
Behörde gebildete Anknüpfungstat-<br />
sache – Verurteilung wegen verschleppter<br />
Insolvenz – gleichbedeutend<br />
damit ist, dass der Betroffenen<br />
nicht über die persönliche Zuverlässigkeit<br />
im Umgang mit Schusswaffen und<br />
Munition verfügt. In solchen Fällen ist<br />
es ratsam, sich an erfahrene Gutachter<br />
zu wenden, die mit dem nötigen<br />
Augenmaß und Sachverstand dieses<br />
Problem beurteilen können. Ein rechtschaffender<br />
Handwerker und Arbeitgeber<br />
von zehn Angestellten, der nicht<br />
durch eigenes Verschulden in Schwierigkeiten<br />
geraten ist, hat eine sachkundige<br />
und faire Begutachtung seiner<br />
persönlichen Eignung verdient.<br />
INFO<br />
Weitere Informationen erhalten Sie<br />
von Diplom-Psychologen Michael<br />
Kraus, Leiter der Begutachtungstelle<br />
für Fahreignung, Fachpsychologe<br />
für Verkehrspsychologie, unter Tel.:<br />
089/12 11 46-174, Fax: -172, E-Mail:<br />
michael.kraus@ias-gruppe.de<br />
Zweite Bestrafung<br />
Bei der Mitgliederberatung des Bayerischen Jagdverbandes<br />
(BJV) zur jagd- und waffenrechtlichen Zuverlässigkeit werden<br />
immer wieder Fälle aus der Praxis bekannt, die zur Entziehung<br />
des Jagdscheins und zum Widerruf der Waffenbesitzkarte geführt<br />
haben, die aber keinerlei Bezug zu einer jagdlichen Tätigkeit<br />
oder dem Besitz von Waffen haben.<br />
Die hier genannten Beispielsfälle sollen nicht bedeuten, dass<br />
es sich dabei jeweils nur um „Kavaliersdelikte“ handelt. Denn<br />
jeder Verurteilung liegt ein regelmäßig vorsätzlich begangener<br />
Straftatbestand zugrunde, der mit mehr als 60 Tagessätzen<br />
geahndet wurde.<br />
So führen Steuerdelikte regelmäßig zu einer Verurteilung oder<br />
einem Strafbefehl, die mit einer höheren Tagessatzanzahl als<br />
die „magische 60“ aus § 5 Abs. 2 Ziffer 1c WaffG geahndet<br />
werden. Wer beispielsweise eine falsche Steuererklärung abgibt,<br />
kann als Steuerschuldner unter Umständen ein Steuerdelikt<br />
begehen, auch dann, wenn er steuerlich falsch beraten<br />
wurde. Er muss mit einer Ahndung rechnen, die in der Regel<br />
höher als 60 Tagessätze ausfällt. Damit gilt man „in der Regel“<br />
auch waffen- und jagdrechtlich als nicht mehr zuverlässig, obwohl<br />
den Fehler möglicherweise der Steuerberater gemacht hat.<br />
In einem anderen Fall musste sich ein Geschäftsführer einer<br />
Baufirma wegen wettbewerbswidriger Preisabsprachen der Firmenleitung<br />
als mitverantwortlich bezeichnen lassen. Er verlor<br />
aufgrund dieses Delikts ebenfalls seinen Jagdschein sowie die<br />
Waffenbesitzkarte. Auch hier ist kein unmittelbarer Zusammenhang<br />
mit der Jagd oder dem Waffenbesitz erkennbar.<br />
Oder ein Landwirt hatte auf seinem Hof Holz- und Gartenabfälle<br />
verbrannt. Durch die starke Rauchentwicklung war dies in<br />
der Nachbarschaft bemerkt worden. Einer der Nachbarn fühlte<br />
sich davon belästigt und erstattete Anzeige wegen Verstoßes<br />
gegen Umwelt- und Immissionsschutzgesetze. Der Landwirt<br />
wurde zu einer höheren Strafe als 60 Tagessätze verurteilt und<br />
musste Jagdschein und Waffenbesitzkarte abgeben.<br />
Jeder Inhaber einer jagd- und waffenrechtlichen Erlaubnis muss<br />
wissen, dass er mit jedem Vergehen, auch wenn es jagd- und<br />
waffenrechtlich nicht einschlägig ist und ein Bezug auch nicht<br />
hergestellt werden kann, das Risiko einer „zweiten Bestrafung“<br />
durch den Entzug des Jagdscheins oder der Waffenbesitzkarte<br />
eingeht. Manch einer sieht sich hierdurch wesentlich härter getroffen<br />
und bestraft als durch die eigentliche Strafe.<br />
Und das ist noch nicht alles. Denn sind Jagdschein und Waffenbesitzkarte<br />
einmal weg, kommt weiterer Ärger hinzu. Hat<br />
der Jäger zum Beispiel eine Jagd gepachtet, muss er das Revier<br />
aufgeben, denn ohne diese Scheine hat er nicht mehr die Berechtigung,<br />
ein Revier zu pachten. Seine Waffen muss er abgeben<br />
oder etwa von einem Waffengeschäft einlagern lassen. Er<br />
darf ja keinen freien Zugriff mehr dazu haben. Erst nach mindestens<br />
fünf Jahren kann er diese Erlaubnisse erneut beantragen<br />
– mit dem entsprechend langen Papierkrieg.<br />
<strong>Revierkurier</strong> 4/2013 7 n
Waldfledermäuse<br />
n Waldfledermäuse<br />
Lethargisch durch schlechte Zeiten<br />
Waldfledermäuse sind durch ihr<br />
ausgefeiltes Energiesystem zwar<br />
in der Lage, auch außerhalb ihres<br />
Winterschlafes kalte und nasse<br />
Monate zu überstehen. Gerade rosig<br />
sind die Zeiten für sie jedoch<br />
bei weitem nicht. Dr. Andreas<br />
Zahn von der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
erklärt, warum.<br />
Das nasse und kalte Frühjahr in diesem<br />
Jahr hat auch bei der Tierwelt<br />
Spuren hinterlassen. Viele Vögel unterbrachen<br />
das Brutgeschäft, viele Jungtiere<br />
gingen zugrunde. Vergleichsweise<br />
gut überstanden haben unsere Fledermäuse<br />
diese Periode – und zwar Dank<br />
ihrem ausgefeilten Energiesparmodus.<br />
Dass Fledermäuse Winterschlaf halten,<br />
ist allgemein bekannt. Doch auch<br />
im Sommerhalbjahr können sie ihre<br />
Körpertemperatur auf Umgebungsniveau<br />
absinken lassen. In diesem Zustand<br />
der Lethargie verbrauchen sie<br />
viel weniger Energie und zumindest<br />
erwachsene Tiere können daher auch<br />
problemlos mehrere kalte Tage, an denen<br />
kaum Insekten unterwegs sind,<br />
ohne Nahrungsaufnahme überstehen.<br />
Zum Glück für die Fledermäuse begann<br />
die Kälteperiode 2013 lange vor der<br />
Zeit der Geburten. So verzögerte sich<br />
durch die Lethargiephasen der Weibchen<br />
zwar die Embryonalentwicklung,<br />
doch als die Jungen dann zur Welt kamen,<br />
war das Schlechtwetter weitgehend<br />
vorbei. Hätte es einige Wochen<br />
später die Jungtiere getroffen, wären<br />
die Auswirkungen wohl viel schlimmer<br />
gewesen: Junge Fledermäuse können<br />
aufgrund fehlender Reserven schlechte<br />
Zeiten trotz Lethargie nicht lange ertragen.<br />
Die jährlichen Zählergebnisse im<br />
Rahmen des Fledermausmonitorings<br />
ergaben nur lokal Bestandsrückgänge,<br />
vielerorts waren die Kolonien normal<br />
besetzt. Doch wurden wohl oft die<br />
üblichen Quartiere gemieden, was auf<br />
ein Ausweichen in klimatisch günstigere<br />
Verstecke hindeutet.<br />
Dennoch sind die Zeiten gerade für<br />
Waldfledermäuse mehr als ungünstig.<br />
Der Brennholzpreis steigt kontinuierlich<br />
an, die Holzernte lohnt zunehmend<br />
auch an Standorten, die bislang aufgrund<br />
ihrer schwierigen Zugänglichkeit<br />
von einer intensiven forstwirtschaftlichen<br />
Nutzung verschont geblieben<br />
sind. Gerade solche wenig „gepflegten“<br />
Waldflächen an Hanglangen, in<br />
Schluchten oder an Gewässern, zeichnen<br />
sich durch ein hohes Quartierange-<br />
Fledermauskästen – hier mit Bechsteinfledermäusen<br />
– mildern die Quartiernot.<br />
bot für Fledermäuse aus. Fledermäuse<br />
nutzen nicht nur die klassische Spechthöhle<br />
als Quartier. Auch Fäulnishöhlen<br />
im Stamm und an Ästen, Spalthöhlen<br />
und Spalten hinter abgelöster Borke<br />
sind für manche Arten von entscheidender<br />
Bedeutung. Waldfledermäuse<br />
wechseln oft ihr Quartier. So werden<br />
Feinde wie Marder oder Eulen nicht so<br />
leicht darauf aufmerksam und der Befall<br />
mit Parasiten nimmt ab. Selbst während<br />
der Jungenaufzucht ziehen die<br />
Weibchen samt Nachwuchs regelmäßig<br />
um. Sie benötigen deshalb viele Quartiere<br />
– etwa sieben bis zehn Höhlenbäume<br />
pro Hektar – also einen hohen<br />
Anteil von Bäumen mit Höhlen, Rissen<br />
und Spalten. Genau solche Bäume werden<br />
bei konsequenter Waldpflege leider<br />
entfernt. In vielen Wäldern mangelt es<br />
daher zunehmend an Quartierbäumen.<br />
INFO<br />
Wie Sie Fledermäuse konkret helfen<br />
können, erfahren Sie bei den Koordinationsstellen<br />
für Fledermausschutz<br />
in Bayern.<br />
Südbayern:<br />
Department Biologie II der Ludwig<br />
Maximilians Universität München,<br />
Dr. Andreas Zahn,<br />
Tel.: 08638/86117,<br />
E-Mail: Andreas.Zahn@iiv.de<br />
Nordbayern:<br />
Department Biologie, Lehrstuhl für<br />
Tierphysiologie, Universität Erlangen,<br />
Matthias Hammer,<br />
Tel.: 09131/852-8788, E-Mail:<br />
flederby@biologie.uni-erlangen.de<br />
Impressum:<br />
Herausgeber: Bayerischer Jagdverband (BJV) · Hohenlindner Straße 12 · 85622 Feldkirchen · Telefon 089 / 99 02 34 0 · Fax 089 / 99 02 34 37,<br />
Internet: www.jagd-bayern.de, E-mail: dr.reddemann@jagd-bayern.de<br />
Präsident des Bayerischen Jagdverbands: Prof. Dr. Jürgen Vocke<br />
Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Joachim Reddemann, BJV-Hauptgeschäftsführer • Redaktion: Stephanie Schlicht, Günter Heinz Mahr (Leitung)<br />
Layout: Doris Dröge • Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten (für Kreisgruppenvorsitzende und Hegegemeinschaftsleiter)<br />
n 8 <strong>Revierkurier</strong> 4/2013