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Mit den Augen einer Sau

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Foto: R. Kaminski / piclease<br />

Schwarzwildbejagung<br />

<strong>Mit</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong> <strong>einer</strong> <strong>Sau</strong><br />

Landauf, landab versuchen wir dem Schwarzwild Herr zu wer<strong>den</strong>. Wir scheuen keine Mühen, sind offen für<br />

neue Ideen und sämtliche legalen Jagdmetho<strong>den</strong>. Doch der durchschlagende Erfolg blieb bisher aus. Laut<br />

Dr. Bartel Klein liegt das an unserer fehlen<strong>den</strong> Empathie. Denn erst wenn wir uns in die <strong>Sau</strong>en hineinversetzen,<br />

können wir sie effizient bejagen.<br />

Das Schwarzwild zählt zu <strong>den</strong> intelligentesten<br />

Säugetieren. Es reagiert<br />

sehr empfindsam gegenüber allem, was<br />

sein Wohlbefin<strong>den</strong> beeinträchtigt oder<br />

zu gefähr<strong>den</strong> droht. Dabei verarbeitet<br />

es Erlebnisse und ändert durch die<br />

gemachten Erfahrungen sein Verhalten.<br />

Es weiß <strong>den</strong> Menschen als seinen<br />

größten Feind gut einzuschätzen und<br />

versucht deshalb, Begegnungen mit<br />

ihm zu vermei<strong>den</strong>. Die Bache vermittelt<br />

dieses Feindempfin<strong>den</strong> ihren Frischlingen<br />

von klein auf. Deshalb ergreifen<br />

alle <strong>Sau</strong>en die Flucht, wenn sie auf<br />

frische menschliche Witterung stoßen<br />

und wechseln diesen Ort eine Zeit lang<br />

nicht mehr an.<br />

Schussknall und menschliche<br />

Witterung wer<strong>den</strong> verknüpft<br />

Noch spontaner reagiert das Schwarzwild<br />

auf einen lauten Knall. Durch sein<br />

überaus feines Gehör wirkt ein Schuss,<br />

der aus nächster Nähe abgegeben<br />

wurde, um ein Vielfaches erschreckender<br />

als bei einem Menschen. Hat das<br />

Schwarzwild zudem schon einmal erlebt,<br />

dass ein Rottenmitglied durch einen<br />

Schuss getötet oder verletzt wurde,<br />

verstärkt sich diese Wirkung erheblich.<br />

Sie gipfelt, wenn die <strong>Sau</strong>en in diesem<br />

Zusammenhang noch mit frischer<br />

Menschenwitterung konfrontiert wer<strong>den</strong>.<br />

Das ist meist bei Gesellschaftsjag<strong>den</strong><br />

der Fall und wird von übereifrigen<br />

18 10/2013


<strong>Sau</strong>en lieben Schlammbäder – besonders bei Hitze. Deshalb müssen wir die Suhlen im Revier kennen und kontrollieren.<br />

Jägern gefördert, die gleich an <strong>den</strong> Anschuss<br />

laufen, obwohl sich die beschossene<br />

Rotte noch in der angrenzen<strong>den</strong><br />

Dickung befindet. Beide Ereignisse wer<strong>den</strong><br />

vom Schwarzwild verknüpft. Dies<br />

führt dazu, dass es sowohl bei frischer<br />

Menschenwitterung als auch bei einem<br />

Schuss panikartig flüchtet.<br />

Dort wo es immer wieder knallt, entwickeln<br />

die <strong>Sau</strong>en also ein extrem vorsichtiges<br />

Verhalten. Gerade erfahrene Tiere<br />

mei<strong>den</strong> künftig solche Orte und sogar<br />

das Futtermittel, das dort geboten wird.<br />

Ein Schuss an Kirr- oder Fraßplätzen hat<br />

eine noch größere Vergrämungswirkung<br />

als es frische Menschenwitterung<br />

dort bewirken kann. Schwarzwild ist<br />

aber so intelligent, dass es differenzieren<br />

kann, wo frische menschliche Witterung<br />

gefährlich ist und wo nicht. Wo<br />

es nämlich ständig nach Mensch riecht,<br />

wie zum Beispiel an Wander- und Verkehrswegen<br />

oder in siedlungsnahen<br />

Gebieten, reagiert es in der Regel wesentlich<br />

toleranter. Da weicht es zwar<br />

auch aus, zeigt dabei aber ein weitaus<br />

geringeres Fluchtverhalten, als wenn es<br />

mit frischer Menschenwitterung nachts<br />

beim Anwechseln an einen Fraßplatz<br />

oder direkt dort konfrontiert wird. Das<br />

gleiche gilt für die Hundewitterung. So<br />

wird eine Hundespur auf einem Weg als<br />

harmlos eingestuft, nicht jedoch mitten<br />

im Wald – soweit die <strong>Sau</strong>en schon Bewegungsjag<strong>den</strong><br />

mit Stöberhun<strong>den</strong> erlebt<br />

haben. Auch bei Autos bleiben sie<br />

vergleichsweise ruhig, solange daraus<br />

kein Schuss abgegeben wird.<br />

An Kirrungen nur auf<br />

Schwarzwild schießen<br />

An ständigen Kirrplätzen weiß erfahrenes<br />

Schwarzwild ebenso, was ihm dort<br />

blühen kann. Erfahrene <strong>Sau</strong>en holen<br />

sich dort meist erst eine Zeit lang aus<br />

der Deckung heraus Wind, umschlagen<br />

nicht selten vor dem Anwechseln in einem<br />

Bogen solche Plätze und brechen<br />

vielfach ein oder mehrmals nach dem<br />

Anwechseln wieder weg, bevor sie zu<br />

fressen beginnen. Ausnahmen bil<strong>den</strong><br />

Frischlinge und wenig erfahrene <strong>Sau</strong>en,<br />

die einen Schuss noch nicht einschätzen<br />

können. Sie lassen sich häufig von<br />

ihrem Hunger und der Lockwirkung<br />

des Futters dazu verführen, trotz eines<br />

Schusses <strong>den</strong> Fraßplatz wieder anzuwechseln.<br />

Das ist umso ausgeprägter, je<br />

früher sie ihre Führung verloren haben.<br />

Wird <strong>den</strong> Frischlingen sehr früh die Bache<br />

„weggeschossen“, haben sie kaum<br />

ein Feindempfin<strong>den</strong> vermittelt bekommen.<br />

Wesentlich unempfindlicher reagiert<br />

Schwarzwild an Plätzen, wo es<br />

nicht oder nur selten bejagt wird. Solche<br />

Plätze wer<strong>den</strong> meist direkt angewechselt<br />

und in aller Ruhe genossen. Das ist<br />

in vielen Revieren in der Feldflur der Fall.<br />

Der Jäger muss aus dem Verhalten<br />

des Schwarzwildes seine Schlüsse ziehen.<br />

So sind Schüsse auf anderes Wild<br />

an Kirrplätzen möglichst zu unterlassen.<br />

Ihre Vergrämungswirkung ist dort<br />

nachhaltiger als an Fraßplätzen, wo der<br />

Jäger wegen fehlen<strong>den</strong> Büchsenlichtes<br />

das Schwarzwild mit einem nächtlichen<br />

Schuss davon abhalten will, in nahen<br />

Bereichen weiterhin Schä<strong>den</strong> anzurichten.<br />

Ein Ansitz an Kirr- oder Schadplätzen<br />

macht nur Sinn, wenn der Wind<br />

gut ist. <strong>Sau</strong>en haben diesbezüglich null<br />

Toleranz. Schlechter oder zweifelhafter<br />

Wind verbietet also einen Ansitz auf<br />

Schwarzwild.<br />

Wenn‘s am Kirrplatz anders<br />

riecht, kommt keine <strong>Sau</strong><br />

Ist ein Kirrplatz gut angenommen und<br />

am kommen<strong>den</strong> Abend ein Ansitz vorgesehen,<br />

darf der Jäger beim Kirren gegenüber<br />

dem vorherigen Tag nichts verändern.<br />

Es sollte weder anderes Futter<br />

noch andere Gerüche verbreitet wer<strong>den</strong>.<br />

Das heißt also am Kirrplatz nicht<br />

groß herumtreten, Gras mähen oder<br />

Äste absägen! Auch darf an der Kirrung<br />

und in ihrem nahen Umfeld möglichst<br />

nicht gesprochen wer<strong>den</strong>. Ebenso ist<br />

eine kurzzeitige andere Geräuschkulisse,<br />

die ein kläffender Hund, ein aufheu-<br />

Foto: R. Bernhardt<br />

10/2013<br />

19


Foto: M. Migos<br />

Verlieren Frischlinge früh ihre Mutterbache, fehlen ihnen Führung und Feindempfin<strong>den</strong>.<br />

lender Motor, ein Hämmern oder Sägen<br />

verursacht, zu vermei<strong>den</strong>. Dies alles<br />

führt häufig zu einem Ausbleiben der<br />

<strong>Sau</strong>en. Unbe<strong>den</strong>klich ist dies allerdings,<br />

wenn keine <strong>Sau</strong>en am Kirrplatz waren.<br />

Wichtig ist es auch, die Annahme der<br />

Kirrung richtig zu interpretieren. Ist ein<br />

Futterkasten umgeworfen, aber nicht<br />

ausgefressen, ist die <strong>Sau</strong> erschrocken<br />

und kommt im Regelfall nicht mehr.<br />

Und nur vorsichtig und leicht verschobene<br />

Kirrgefäße, auch wenn sie ausgefressen<br />

sind, stammen meist vom<br />

Dachs, von Rehen oder anderen Futterinteressenten.<br />

<strong>Sau</strong>en sind wetterfühlig<br />

Wie fast jede Wildart ist das Schwarzwild<br />

wetterempfindlich. Bevorstehende<br />

erhebliche Wetteränderungen<br />

geben <strong>den</strong> <strong>Sau</strong>en <strong>den</strong> Impuls<br />

zum Wechsel ihres gegenwärtigen<br />

Aufenthaltsortes innerhalb seines<br />

Streifgebietes. Erhebliche Wetteränderungen<br />

wirken wie frische Menschenwitterung<br />

oder ein Schuss an<br />

einem Fraßplatz, also weitaus mehr<br />

als menschenbedingte Störungen am<br />

Tage beziehungsweise Veränderungen<br />

zum Vortag an einem bejagten Fraßplatz.<br />

Schwarzwild hat erfahren, dass<br />

es bei Regen auf <strong>den</strong> meisten Wegen<br />

im Streifgebiet nicht beziehungsweise<br />

seltener nach seinem Feind riecht.<br />

Deshalb wechselt es an solchen Tagen<br />

viel mutiger auch Kirrplätze an. So ist<br />

„<strong>Sau</strong>wetter“ ein vielversprechenderes<br />

Wetter als es Hochdrucklagen darstellen.<br />

Hitze belastet das Schwarzwild,<br />

weshalb es da wenig wechselt,<br />

aber sehr gerne – und das oft schon<br />

am frühen Abend – zur Abkühlung ein<br />

Schlammbad nimmt. Der aufmerksame<br />

Jäger kennt die Suhlen im Revier,<br />

hat sie entsprechend freigeschnitten,<br />

kontrolliert sie bei heißem Wetter<br />

und hat dort seine Ansitzvorrichtung.<br />

Die besondere Empfindsamkeit des<br />

Schwarzwildes steigt mit der Intensität<br />

der Bejagung und variiert deshalb<br />

auch innerhalb eines Streifgebietes.<br />

Nur wenn es uns gelingt, zu lernen,<br />

wie <strong>Sau</strong>en <strong>den</strong>ken und fühlen, steht<br />

<strong>einer</strong> erfolgreichen Bejagung nichts im<br />

Wege.<br />

Der Autor im Blickfeld:<br />

Dr. Bartel Klein<br />

Dr. Bartel Klein, <strong>Mit</strong>glied der BJV-<br />

Kreisgruppe Hof und deren ehemaliger<br />

Vorsitzender, war Forstpräsi<strong>den</strong>t in<br />

Chemnitz und danach Landesforstpräsi<strong>den</strong>t<br />

von Sachsen. Er war auch Jägerausbildungsleiter,<br />

Prüfer und Jagdberater.<br />

DVD-Tipp<br />

Lernen, wie eine <strong>Sau</strong> zu <strong>den</strong>ken<br />

… mit Erfolg auf Schwarzwild jagen<br />

Von Dr. Bartel Klein<br />

Ca. 120 Minuten,<br />

Preis 25 € plus Versand<br />

Bestellung:<br />

Dr. Bartel Klein,<br />

Plösen 1,<br />

95213 Münchberg,<br />

E-Mail: bartel.klein@gmx.de,<br />

Internet: www.dr-bartel-klein.de<br />

20 10/2013

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